Rechtliche Rahmenbedingungen für den Schutz vor Gewalt
Österreich hat im internationalen Vergleich im Gewaltschutz eine sehr gute Gesetzeslage. Sie ist auf drei Ebenen festgelegt:
Nationales Recht
- Gewaltschutzgesetz I, seit 1997 in Kraft
- Gewaltschutzgesetz II, seit 2009 in Kraft
Europäisches Recht
- Istanbulkonvention: Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, 2014 von Österreich ratifiziert
Internationales Recht
- UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2008 von Österreich ratifiziert
- UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frauen (CEDAW), 1982 von Österreich ratifiziert
- UN-Kinderrechtskonvention 1989
Das Nationale Gewaltschutzgesetz I bezieht sich auf Familie und Wohnung. Es zeigt, dass Gewalt und Missbrauch alle privaten Lebensbereiche durchzieht und kein isoliertes Problem darstellt. Das Nationale Gewaltschutzgesetz II erweitert den Schutz vor Gewalt und Missbrauch auf öffentliche Räume. Es legt das Recht auf Prozessbegleitung fest und umfasst außerdem Sklaverei, fortgesetzte Gewaltausübung und den besonderen Schutz für wehrlose Personen. In Österreich sind drei Rechtssysteme zum Schutz für gewaltbetroffene und gewaltgefährdete Personen involviert:
- Personenschutz: Sicherheitspolizeigesetz (SPG)
- Zivilrecht: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), Schadensersatz
- Strafrecht: Strafverfolgung und Opferschutz
Schutz vor Gewalt erhält jede Person, die sich in Österreich aufhält, unabhängig von Herkunft und Staatsbürgerschaft. Durch das internationale Völkerrecht, insbesondere durch die Istanbulkonvention, sind Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt genau festgelegt.
In der Praxis gibt es jedoch für verschiedene Gruppen, z.B. für Kinder und Erwachsene mit Behinderungen, große Mängel bzw. Barrieren in der konkreten Implmentierung der Gesetze durch:
- Mangelnde barrierefreie Zugänge zu Polizei und Opferschutzeinrichtungen
- Mangelnde Verfolgung der Anzeigen
- Mängel in der Prozessbegleitung
- Mängel in der Zuammenarbeit von Polizeitschutz, Opfer- und Gewaltschutzeinrichtungen und Strafrecht
- Mangelnde Strafverfolgung
Die Folge dieser Mängel sind keine bis fast keine Verurteilungen für Gewalttäter_innen an Menschen mit Behinderungen.
Ablauf einer Strafverfolgung bei Gewalterfahrungen und Gewaltbedrohungen
- Notruf Polizei 133 oder 112
- SMS Polizei: 0800 | 133 133 (auch Notruf für Gehörlose)
Wegweisung und Betretungsverbot der gewaltausübenden Personen für zwei Wochen vom häuslichen Bereich, Verlängerung auf vier Wochen möglich. Von anderen Orten (wie Arbeitsstelle,… bis zu einem Jahr möglich).
Die Polizei informiert eine Interventionsstelle oder Gewaltschutzeinrichtung.
Die Interventionsstellen oder Gewaltschutzeinrichtung nimmt Kontakt mit den gewaltbetroffenen Personen auf und bietet kostenlose Beratung und Begleitung, bei Wunsch Unterstützung bei der Antragstellung beim Bezirksgericht für eine Einstweilige Verfügung.
Einstweilige Verfügung zum allgemeinen Schutz vor Gewalt
Einstweilige Verfügung zum Schutz in Wohnungen
Anzeige - Einleitung des Strafverfahrens
Angezeigt werden kann bei jeder Polizeidienststelle, bei Gerichten, sowie direkt bei der zuständigen Staatsanwaltschaft, die bei den jeweiligen Landesgerichten eingerichtet sind.
Vorgehen nach einer Anzeige
Nach einer Anzeige wird ein polizeiliches Ermittlungsverfahren unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Es kommt zu polizeilichen Einvernahmen und Erhebungen und eventuell weiteren rasch zu setzenden Maßnahmen wie eine Hausdurchsuchung oder einen Antrag ans Gericht, den Verdächtigen/die Verdächtige in Untersuchungshaft zu nehmen etc.
Strafverfahren
Wenn die Beweise ausreichen, um eine Verurteilung als nahe liegend erscheinen zu lassen (...), kommt es zur Anklage (...) und in weiterer Folge zur Durchführung einer Hauptverhandlung.
Opferrechte im Strafverfahren
- Information
- Vertretung
- Prozessbegleitung
- Akteneinsicht
- Verfahrenshilfe
- Schadenersatzanspruch
- Besondere Schutz- und Hilfsmaßnahmen
Täter_innenarbeit - Opferschutz für Täter_innen
Ein Kennzeichen, das sich beim Verhalten von Täter_innen durchzieht, ist die Schuldzuweisung an andere (an Dritte, an das Opfer selbst, an Rahmenbedingungen, an Umstände, an die Gesellschaft…) und Erklärungs- bzw Rechtfertigungsversuche über das Hereinnehmen von Dritten, der Person, an der Gewalt ausgeübt wurde selbst („Sie hat so blöd geschaut.“), von Umständen (Fön oder „Ich war so wütend“), von Rahmenbedingung („Es war keine Zeit, denn eine andere Klient_in hat etwas gebraucht.“).
Weiter Beispiele:
- „Der hat mich provoziert!“
- "Die hat mich so unter Druck gesetzt!“
- „Dann ist mir die Hand ausgerutscht!“
- „Die hat es ja selbst gewollt!“
- „Wenn sie sich so aufreizend anzieht, kein Wunder!“
Opferschutzorientierte Interventionen für Täter_innen (Täter_innenarbeit) ist Präventivarbeit. Sie beinhaltet in erster Linie die Auseinandersetzung der gewaltausübenden Person mit Verantwortlichkeiten. Die Grundlage für zukünftige Verhaltensänderungen liegt in der vollständigen Übernahme der Verantwortung für die eigenen Handlungen und für deren Folgen.
Täter_innenarbeit inkludiert die strafrechtliche Verfolgung einer Straftat.
Literatur und Web-Links
Unabhängiger Monitoringausschuss Österreich (2011): Gewalt und Missbrauch an Menschen mit Behinderungen. http://bidok.uibk.ac.at/library/monitoringausschuss-gewalt.html
Diagnose Gewalt – Rechtsgrundlagen: http://www.diagnose-gewalt.eu/recht
Gewaltinfo.at – Rechtslage in Österreich: https://www.gewaltinfo.at/recht/
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