bidok - Eröffnungsfeier
Am 12. Dezember 1997 fand unsere offizielle Eröffnungsfeier statt.
In Anwesenheit von Univ.-Prof. Dr. Chr. Smekal (Rektor der Universität Innsbruck), Univ.-Prof. Dr. B. Mazohl-Wallnig (Prodekanin der Geistesswissenschaftlichen Fakultät) und Fürstl. Rat Robert Allgäuer (Sekretär der Stiftung Propter Homines) hielt Claudine Kranz die folgende Rede, welche die Entstehungsgeschichte der Finanzierung von bidok beschreibt.
Eröffnungsrede von Claudine Kranz
Geehrte Damen und Herren,
lieber Volker,Am 18. und 19. April dieses Jahres nahm ich im Rahmen des Psychotherapeutischen Propädeutikums in Schloss Hofen an der Vorlesung "Rehabilitation und Sonderpädagogik" von Volker Schönwiese teil.
"Wer Behinderte verstehen will, muss auch die Kultur in der sie leben im Blick haben."
Diesen Blick mutete uns Schönwiese zu. Auch - und gerade im Umgehen in unserer Spache. Ich erinnere:
"Das Unglück der Behinderung muß beseitigt werden." "Der defektbelastete und inkompetente Behinderte ist reparatur- und heilungsbedürftig." Es wird in unsere Gesellschaft von Verhaltensauffälligkeit geredet und von "unseren" Behinderten.
Dass ich mit Schönwieses Gefährt, dem Rollstuhl, umzugehen weiss, und, ich gestehe es, gerne durch Gänge brause, brachte einen anderen Blick, die andere Bewegung in die Geschichte.
Der 19. April war ein milder Frühlingstag. Bis zur Zugabfahrt blieb mehr als eine Stunde.
Ich schlug einen Spaziergang an der Seepromenade vor. Langsamer diesmal. Kies unter Rädern und Füssen. Ganz Bregenz schien sich hier zu amüsieren. Wir erzählten uns was Neubekannte sich erzählen.: Woher - wohin, von der Arbeit. Wir gingen auf die Mole, schauten einem Schwan, den Möven zu.
Wir sprachen über Behinderungen im Rolltag, über Rampen und Trottoirs, über Kaffeehäuser und ihre Schluchten, darunter Katakomben, wo an Türen als Symbol ein Männlein und ein Weiblein kleben. Wir lachten auch über Schlüssellochgucker. Ich fragte nach seinen Publikationen, er erzählte von BIDOK. Jahrelanges Sammeln von Informationen, gute Infrastruktur, aber kein Geld. Ich fragte ihn, ob er sich vorstellen könnte Geld von einer Liechtensteinischen Stiftung anzunehmen. Ich erzählte ihm von Robert Allgäuer, der Stiftung Propter Homines, zählte die Bedingungen, die sein Projekt erfüllen müsste, auf.
Es war spät geworden. Der Schwan war noch da. Wir nannten unsere Phantasie "Schwanensee", hatten am Bahnhof nicht mehr die Zeit, Adressen auszutauschen. Dass der Bahnbeamte zuvorkommend war, ich selber sehr hilflos neben der Laderampe stand, sei nur am Rande erwähnt.
Vier Wochen später, am 19. Mai dem Pfingstmontag, fuhren Robert Allgäuer und ich nach Innsbruck. Wieder ein Schönwettertag, fast Sommer. Volker holte uns am Bahnhof ab. Wir kamen hierher, er zeigte uns den Computer, die Homepage - wir surften. Ungeübt. Angela Woldrich kam dazu. In einem Gartenrestaurant rechneten wir zwischen Tellern und Gläsern. Schnell war klar, dass das Projekt vor allem in der Anphangsphase zeitintensiv sein würde. Es war Robert Allgäuer der fragte, ob es nicht sinnvoll wäre, eine weitere Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter dazuzunehmnen. Wir liefen dem Inn entlang in den Hofgarten. Auf dem Weg fiel ein Name, ein Student der gerade vor dem Abschluss stehe, mir der Materie vertraut... Eine halbe Stunde später begegneten wir ihm - Reinhard Burtscher, er war zufällig auch im Hofgarten.
Das Schwanensee - Projekt war ein Seiltanz. Stellen sie sich eine tanzunbegabte Frau und einen rollstuhlsitzenden Mann auf einem Seil vor. Wären wir abgestürzt, könnte man von einer regelrechten, nach der Regel, der Norm verlaufenden Geschichte sprechen.
Hier aber wird meine kleine Geschichte schäbig. Ich mag kleine, schäbige Geschichten. Es könnten ihrere Bewegung nach Vorzukunftsgeschichten sein. Das etymologische Wörterbuch sagt, dass schäbig von "reiben" nicht etwa von schaben, kommt. Und: "Die von Hautkrankheiten befallenen Schafe reiben sich aneinander."
Meine Vorstellung von den kleinen Texten in meinem PC ist die einer Bewegung des sich Aneinanderreibens. Ob das die Texte, die das BIDOK- Team ins elektronische System eingibt auch tun, weiss ich nicht. Als Information aber werden sie reiben, sollen sie reiben. Auch ausserhalb des Systems.
Am 3. Juni, auch ein Schönwettertag, entschieden die Stiftungsräte in ihrer Sitzung in München, dass das Bidok - Projekt wegweisend, weltweit einzigartig in dieser Form, zu unterstützen sei. Lobendes klang aus München nach Liechtenstein.
Wir waren nicht abgestürzt.
1920 hatte Freud um "Jenseits des Lustprinzips" zu schliessen, angezeigt, wie man weiter machen könne, selbst wenn ein Fuss fehlt. Freud zitiert ein Stück aus den von Rückert nachgedichteten "Makamen des Hariri": "Was man nicht erfliegen kann, muss man erhinken."
Es ist etwas Hinkendes in der Bewegung der Finger, der Hand, des Armes, wenn der PC gefüttert oder abgefragt wird. Das wäre die letzte Bewegung dieser, meiner kleinen Geschichte - und auf dieses Hinken werde ich meinen Blick richten.
Ich danke Ihnen.
10./11. Dezember 1997
Claudine Kranz
Auch der 12. Dezember 1997 war für das BIDOK-Team ein Schönwettertag, da wir durch den Rektor anerkennende Worte und für die Zeit nach der Finanzierung durch die Stiftung, eine Unterstützung von Seiten der Universität in Aussicht gestellt bekamen.
An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank an alle Personen, die dieses Projekt ermöglichen.
Für das bidok-Team Angela Woldrich (23.01.1998)
Bilder der Eröffnungsfeier
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