Die Einführung der PAA in Österreich

Ein Interview mit Dr. Franz-Joseph Huainigg

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: bidok works 06/11, S. 15-17. bidok works (06/2011)
Copyright: © Franz-Joseph Huainigg 2011

Abbildungsverzeichnis

    Vorwort der bidok-Redaktion

    Dieser Artikel stammt aus „bidok works – Zeitschrift für berufliche Integration in Tirol“, Ausgabe 06/11. Die digitale Zeitschrift widmet sich Erfahrungs- und Praxisberichten sowie Projektbeschreibungen rund um den Themenschwerpunkt der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung in Tirol. bidok works erscheint zwei Mal pro Jahr und richtet sich insbesondere an Mitarbeiter und MitarbeiterInnen in diesem Bereich.

    Download von bidok works unter folgendem Link:

    http://bidok.uibk.ac.at/projekte/arbeitswelt_tirol/works.html

    Einführung von PAA

    Abbildung 1. Abbildung 1

    Dr. Franz-Joseph Huainigg an einem Rednerpult

    Dr. Franz-Joseph Huainigg

    I: Seit wann gibt es PAA in Österreich?

    FJH: Im Konjunktur- und Wachstumspaket 2003 beschloss die Bundesregierung drei Millionen Euro zur Umsetzung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz. Durch die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAA) soll eine qualitative und quantitative Steigerung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt oder zur Absolvierung einer Ausbildung sichergestellt werden.

    I: Wie kam es zur gesetzlichen Verankerung? Was war die Ausgangssituation?

    FJH: Vor der gesetzlichen Verankerung führte das Bundessozialamt ein Pilotprojekt in Wien zur PAA durch. Umgesetzt wurde dieses in Zusammenarbeit mit der Wiener Assistenzgenossenschaft (WAG). Ich habe in Folge mit dem Leiter des Bundessozialamtes, Dr. Günther Schuster, über eine mögliche Ausweitung des Projekts auf ganz Österreich gesprochen. Schließlich habe ich ein Konzept für die Umsetzung verfasst. Nach dem Modell der Wiener Assistenzgenossenschaft sollte dabei die Abwicklung über die Trägerorganisationen (Assistenz- Servicestellen) in den einzelnen Bundesländern erfolgen. Das Modell habe ich dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel vorgelegt.

    I: Wie konnte die Durchsetzung gelingen?

    FJH: Eine wichtige Vorarbeit für die Umsetzung war ein Expertendialog, den ich zum Thema Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz initiiert habe. Dabei kamen betroffene Experten, politische Entscheidungsträger, Beamte des Sozialministeriums und andere Befürtworter und Gegner zusammen und diskutierten über mögliche Umsetzungs- und Finanzierungsstrategien. Die Ergebnisse dieser Veranstaltung habe ich dem damaligen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein zur Verfügung gestellt, der über das Konjunkturpaket III eine Möglichkeit zur Finanzierung sicherstellte.

    I: Wo fanden sich UnterstützerInnen/MitstreiterInnen?

    FJH: Neben den erwähnten Unterstützern war es vor allem die Selbstbestimmt Leben- Bewegung, die das Thema vorangetrieben hat. Auch der damalige Sozialminister Herbert Haupt war für das Anliegen offen. Daneben haben sich Wirtschaftskammer und Wirtschaftsbund als Arbeitgebervertreter in die Diskussion eingebracht und das Anliegen unterstützt. Speziell erwähnen möchte ich auch den Moderator des erwähnten Expertendialoges, Leo Baumfeld, der die Anliegen strukturiert und aufbereitet hat – das war in Folge eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung und Gewinnung weiterer Unterstützer.

    I: Welche Schwierigkeiten und Widerstände waren mit der Durchsetzung verbunden?

    FJH: Klassische Widerstände gab es bei der Kostenfrage. Aber auch inhaltliche Vorbehalte zur Umsetzung mussten durch ein schlüssige Realisierungskonzept aus der Welt geräumt werden. Ein wichtiger Aspekt war hier das Modell der Assistenz- Servicestellen, also der Trägerorganisationen, deren Aufgabe es ist, eine persönliche Beratung von Betroffenen nach dem Peer-Prinzip durchzuführen. Gemeinsam mit dem Assistenznehmer/innen sollen sie den Assistenzbedarf ermitteln und auf Wunsch auch die Vermittlung und Anstellung der Persönlicher Assistent/innen übernehmen. Nach dem Modell der Wiener Assistenzgenossenschaft sollen in diesen Trägerorganisationen behinderte Menschen mitarbeiten bzw. diese leiten, um die Erfahrungen und die Expertise Betroffener zu nutzen.

    Entwicklungen seit 2004

    I: Welche (Weiter-) Entwicklungen sind seit damals zu beobachten? Was hat sich seither verändert?

    FJH: Die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz hat sich bewährt und bietet gerade jungen Menschen mit Behinderung die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben. Es kann und darf nicht sein, dass behinderte Menschen im erwerbsfähigen Alter in Altersheimen sitzen. Die Umsetzung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz sehe ich auch als einen Schritt zur Realisierung von ganzheitlichen und bedarfsgerechten Assistenzleistungen

    I: Wo müsste Ihrer Ansicht nach am Konzept der PAA noch etwas verbessert werden?

    FJH: Das Konzept der PAA funktioniert gut – es zeigt aber auch auf, dass für behinderte Menschen das Leben nicht mit Dienstschluss endet. Während der Bund für seinen Kompetenzbereich, die Arbeitswelt, das Modell der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz geschaffen hat, sind für die persönliche Assistenz im Privatleben die Bundesländer zuständig. Daher gibt es in jedem Bundesland unterschiedliche Regelungen und behinderte Menschen haben zum Teil keinen geregelten Anspruch auf die benötigten Assistenzleistungen. Eine unbefriedigende Situation für die Betroffenen, deren Leben natürlich nach der Arbeit weitergeht. Es braucht langfristiges Engagement und die Gewinnung wichtiger Partner, um das Anliegen der Persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen in die Realität umzusetzen.

    Im aktuellen Regierungsprogramm konnte der Ausbau der persönlichen Assistenz in Beschäftigung und Ausbildung sowie die Prüfung der Möglichkeit einer bundesweiten Persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen verankert werden. Ein wichtiges Anliegen war mir auch der Beschluss eines 5-Parteien-Antrags zur Persönlichen Assistenz im Sozialausschuss, den wir vor dem Sommer eingebracht haben. Nun braucht es Verhandlungen und Überzeugungsarbeit auf Ebene der Bundesländer.

    I: Wie funktioniert Ihrer Erfahrung nach die Umsetzung der PAA in Österreich? Wo sehen Sie Schwierigkeiten, Probleme oder Herausforderungen?

    FJH: Ich denke, dass durch die Einführung der PAA ein Paradigmenwechsel deutlich wurde, der sich in der Behindertenpolitik vollzogen hat: Weg von Fürsorge und Heimbetreuung hin zu Selbstbestimmung, Inklusion und Gleichstellung. Persönliche Assistenz ist ein integraler Bestandteil dieser Philosophie und ich werde mich dafür einsetzen, dass sie für alle Lebensbereiche ermöglicht wird.

    Abbildung 2. Abbildung 2

    Portrai von Dr. Franz-Joseph Huainigg

    Dr. Franz-Joseph Huainigg

    Kontakt

    Dr. Franz-Joseph Huainigg

    Abgeordneter zum Nationalrat und

    Behindertensprecher der ÖVP

    Parlamentsklub der ÖVP

    Dr. Karl Renner-Ring 3

    1017 Wien

    Tel: 01/40110/4647

    Mail: franz.huanigg@parlament.gv.at

    Quelle

    Dr. Franz-Joseph Huainigg: Die Einführung der PAA in Österreich. Ein Interview mit Dr. Franz-Joseph Huainigg. Erschienen in: bidok works 06/11, S. 15-17

    bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

    Stand: 28.09.2016

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