Aus der Sicht des Jusitzressorts: "Zwangssterilisation"

Autor:in - Johann Weizenböck
Themenbereiche: Recht, Sexualität
Textsorte: Referat
Releaseinfo: Das vorliegende Referat wurde entnommen aus dem Bericht: Zwangssterilisation - Menschenrechtsverletzung oder Notwendigkeit? Enquete am Donnerstag, 5. März 1998 im Parlament. Veranstalter: Grüner Parlamentsklub
Copyright: © Johann Weizenböck 1998

I. Einleitung

Zunächst möchte ich mich herzlich für die Einladung zur heutigen Veranstaltung bedanken. Diese gibt mir die Gelegenheit, aus der Sicht des Justizressorts und aus meiner persönlichen Sicht zu einem Themenkreis Stellung zu nehmen, der wie kaum ein anderer geeignet ist, grundsätzliche Betrachtungen darüber anzustellen, wie eine Gesellschaft das Verhältnis zum einzelnen, zum Individuum tatsächlich gestaltet und gestalten sollte.

Ich halte das Thema "Zwangssterilisation" deshalb für besonders geeignet für eine solche Diskussion, weil dieses Thema - nicht zuletzt aufgrund leidvoller historischer Erfahrungen - die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu lenken geeignet ist, während ansonsten die Anliegen auch großer Gruppen von Menschen, die keine oder nur eine schwache "Lobby" haben, nur all zu oft (auch von der "veröffentlichten" Meinung) negiert oder zumindest als typische Randthemen betrachtet werden. Leider scheint es so zu sein, daß auch noch so berechtigte Anliegen erst eines öffentlichkeitswirksamen "Verkaufsarguments" bedürfen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

Manche von ihnen werden möglicherweise überrascht sein, wenn ich hier behaupte, über die im Sommer des Vorjahres geführte mediale Diskussion des Themas der heutigen Veranstaltung froh gewesen zu sein. Erst diese Diskussion hat einen Bereich der Rechtsordnung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gebracht, der ohne sie möglicherweise noch einige Zeit auf eine umfassende, in Fachkreisen und im Bundesministerium für Justiz längst als notwendig erkannte Reform hätte warten müssen; nicht zuletzt deshalb hätte warten müssen, weil eine Reform dieses Bereichs nur eine grundlegende und umfassende Reform sein kann, für deren Umsetzung auch zusätzliche Ressourcen notwendig sein werden.

Wer dem entgegenhalten wollte, ein generelles Verbot der "Zwangssterilisation" wäre mit keinen nennenswerten Kosten verbunden, hat zwar in diesem isolierten Punkt Recht, übersieht aber, daß diese Frage in einem größeren Zusammenhang steht und in diesem Zusammenhang auch gesehen werden muß. Dies möchte ich im folgenden erläutern.

II. Der größere Zusammenhang - ein kurzer historischer berblick

Die österreichische Rechtsordnung - wie die Rechtsordnung vieler anderer Staaten auch - war seit der Zeit Maria Theresias und Josef II. von einem - wie ich es nennen möchte - "kurativen Ansatz" geprägt. Seit Inkrafttreten des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1811 gilt - wenn auch in modernerer Terminologie des § 21 - der Grundsatz, daß Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen, also vor allem psychisch kranke und geistig behinderte Menschen, unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen - so gut, so selbstverständlich.

Dieser Grundsatz wurde aber über fast zwei Jahrhunderte hinweg dadurch verwirklicht, daß man davon ausging, daß die Behörden, die Gerichte, die Ärzte, ein Sachwalter, ein gesetzlicher Vertreter oder wer oder was immer am besten wüßten, wie dieser Schutz zu verwirklichen wäre, wie das Wohl dieser Personen am besten gewährleistet werden könnte. Daß es sich dabei nicht um ein spezifisch österreichisches Problem handelt, können Sie etwa daran ersehen, daß auch die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Menschenrechtskonvention des Europarats (MRK) samt ihren Zusatzprotokollen das Recht des einzelnen auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung in persönlichen Angelegenheiten an keiner Stelle ausdrücklich regelt. Diese Konvention garantiert zwar das Recht auf Leben, schreibt das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung, das Verbot der Sklaverei, der Zwangs- und Pflichtarbeit fest, garantiert das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf ein faires Verfahren, auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht der freien Meinungsäußerung, der Versammlungsfreiheit, der Unverletzlichkeit des Eigentums und andere Grundrechte. Im Entstehungszeitpunkt der Konvention 1950 hat man also dem Recht des einzelnen auf Selbstbestimmung in gesundheitlichen und pflegerischen Belangen offenbar keine so große Bedeutung zugemessen, als daß dieses Recht in den Kreis der "klassischen" Grundrechte aufgenommen worden wäre.

Lediglich aus dem Recht auf Privatleben, das in Art. 8 dieser Konvention garantiert ist, in Verbindung mit dem Recht auf Wahrung der Menschenwürde (Art. 3) vermag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechtslehre das Recht des einzelnen auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung in gesundheitlichen und pflegerischen Belangen abzuleiten. Daran können sie ersehen, daß die möglichst weitgehende Selbstbestimmung in diesen Angelegenheiten eine durchaus erst sehr junge Forderung ist oder - wenn man will - europaweit der erwähnte "kurative Ansatz" erst in jüngerer Zeit ernstlich in Frage gestellt wird.

III. Reformen der jüngsten Zeit; geltende Rechtslage

Erst in den 80er Jahren dieses Jahrhunderts wurde der "kurative Ansatz" in Österreich in Teilbereichen der Rechtsfürsorge für behinderte und psychisch kranke Menschen überwunden. Der erste Schritt wurde mit dem Bundesgesetz über die Sachwalterschaft für behinderte Personen, BGBl.Nr. 136/1983, gesetzt. Durch die Beseitigung der Bestimmungen über die Entmündigung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten konnte dem Grundsatz, auch kranken und geistig behinderten Menschen möglichst weitgehende Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten zu gewährleisten, stärker zum Durchbruch verholfen werden. Weiterhin in Kraft blieben hingegen vorerst die Bestimmungen der Entmündigungsordnung und des Krankenanstaltengesetzes über die Anhaltung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen. Dies hing wohl auch damit zusammen, daß gerade im Bereich des Anhaltungsgesetzes die Prinzipien ärztlicher Fürsorge und persönlicher Selbstbestimmung einander besonders gegensätzlich gegenüberstanden.

Bereits anläßlich der Arbeiten am neuen Sachwalterrecht wurde aber über diesen Bereich sehr kontroversiell diskutiert. Die unterschiedlichen Standpunkte fanden nicht zuletzt darin ihren Ausdruck, daß dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker in Krankenanstalten (Unterbringungsgesetz - UbG) mehr als 15-jährige Beratungen vorausgingen und das Gesetz erst am 1.1.1991 in Kraft treten konnte. Am Beispiel der heute noch von verschiedenen Seiten am Unterbringungsgesetz geübten Kritik können sie ersehen, wie unterschiedlich die Standpunkte bei Abwägung der gegensätzlichen Interessen Selbstbestimmung und Fürsorge noch immer sind.

Das Unterbringungsgesetz verfolgte das erklärte Ziel, Zwangsanhaltungen und Behandlungen gegen den Willen einer psychisch kranken Person nur dann zuzulassen, wenn diese zur Abwendung ernstlicher und erheblicher Gefahren für Gesundheit und das Leben des kranken Menschen oder anderer unbedingt erforderlich sind. In allen übrigen Fällen, auch zur Abwendung aller übrigen Gefahren, sollte nach den Intentionen des Gesetzes eine Behandlung nur mit Zustimmung des kranken Menschen, jedenfalls aber nicht durch weitgehende Beschränkungen der Bewegungsfreiheit zu erfolgen haben.

Die Diskussionen im Rahmen des Gesetzwerdungsprozesses aber auch nach Inkrafttreten des Unterbringungsgesetzes haben zwar das Problembewußtsein auch bezüglich einer möglichst weitgehenden Selbstbestimmung nicht psychisch kranker aber geistig behinderter Menschen im Bereich der "Gesundheitsfürsorge" geschärft, der "kurative Ansatz" ist jedoch nach wie vor im Denken vieler in diesen Bereichen agierender Menschen verwurzelt. Dies ergibt sich nicht nur in der immer wieder geäußerten, heftigen und bei näherer Betrachtung zum weitaus überwiegenden Teil unberechtigten Kritik am Unterbringungsgesetz, sondern auch darin, daß selbst die geltende Rechtslage offenbar noch nicht tief genug im Bewußtsein der Menschen verankert scheint. So begegne ich in meinen Gesprächen mit Angehörigen jener Berufsgruppen, die mit der medizinischen Behandlung, der Betreuung und Pflege älterer Menschen befaßt sind, immer wieder der Auffassung, Angehörigen sei von der Rechtsordnung die Befugnis verliehen, Entscheidungen auch für erwachsene Betroffene in deren Vertretung zu treffen. Tatsächlich können Aussagen von Angehörigen zur Ermittlung des hypothetischen Willens der betroffenen Person dienlich sein, niemals aber deren eigene Willensentscheidung in irgendeiner Form ersetzen.

Eine vom Gesetz eingeräumte Rechtsmacht zur Abgabe von rechtsverbindlichen Erklärungen im Namen der geistig behinderten Person kommt lediglich einem vom Gericht bestellten Sachwalter zu. Nach der geltenden Rechtslage obliegt jedem Sachwalter, unabhängig davon, für welche Angelegenheit er bestellt ist, auch die Sorge für das persönliche Wohl der behinderten Person. Mit einiger Berechtigung kann man daran zweifeln, ob die sehr allgemein gehaltene Bestimmung des § 282 zweiter Satz ABGB eine taugliche Rechtsgrundlage dafür ist, dem Sachwalter Zustimmungs- und Einwilligungsrechte in Angelegenheiten der Betreuung oder der medizinischen Behandlung der geistig behinderten Person zu verschaffen. Der überwiegende Teil der Rechtslehre und auch der Rechtsprechung bejaht diese Frage immer noch, wobei aber angesichts der zunehmenden rechtspolitsichen Distanzierung vom "kurativen Ansatz" das Erfordernis einer genaueren gesetzlichen Determinierung der Rechtsmacht des Sachwalters, der Voraussetzungen für ihre Einräumung und für ihre Ausübung sowie des Rechtsschutzes für die behinderte Person spätestens seit Inkrafttreten des Unterbringungsgesetzes nicht zweifelhaft sein kann. Bereits der Bericht des Justizausschusses zum Unterbringungsgesetz wies jedoch darauf hin, daß eine gründliche Vorbereitung entsprechender Gesetzesänderungen aufgrund der Vielzahl der beteiligten oder daran interessierten Personen, Körperschaften und Einrichtungen erst nach einer ausführlichen Diskussion und einer gründlichen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Standpunkten möglich sein werde.

Mit einigem Recht kann in diesem Zusammenhang kritisiert werden, daß nach sieben Jahren der Geltung des Unterbringungsgesetzes noch immer keine Änderungen im Sachwalterrecht vorgenommen wurden. Dies hat vielfältige Gründe. Im Zuge der Schaffung des Bundespflegegeldgesetzes wurde etwa versucht, durch ein Bundespflegeheimgesetz das Regelungsdefizit zumindest für jene behinderten Menschen auszugleichen, die in Pflegeheimen betreut werden. Diese Bemühungen scheiterten letztlich an kompetenzrechtlichen Problemen. Ein im Bundesministerium für Justiz im Jahre 1993 erarbeiteter Entwurf zur Änderung der materiell-rechtlichen Bestimmungen des Sachwalterrechts im gegebenen Zusammenhang konnte nicht weiter verfolgt werden, da eine Finanzierung für den Ausbau entsprechender Rechtsschutzinstrumentarien - das bloße Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung eines Antrags des Sachwalters in diesem besonders sensiblen Bereich wurde bereits damals für nicht ausreichend erachtet - nicht sichergestellt werden konnte.

Seit Beginn des Jahres 1996 wird im Bundesministerium für Justiz über Auftrag von Bundesminister Dr. Michalek neuerlich intensiv über eine Neugestaltung der entsprechenden Bestimmungen des Sachwalterrechts nachgedacht. Auch diese Überlegungen sind jedoch von der tiefen Überzeugung geprägt, daß eine Festschreibung von Befugnissen eines Sachwalters in diesen Bereichen nur dann sinnvoll und möglich ist, wenn gleichzeitig durch begleitende Maßnahmen, insbesondere durch verfahrensrechtliche Garantien, sichergestellt ist, daß das Recht der geistig behinderten Person auf möglichst weitgehende Selbstbestimmung unter allen Umständen gewahrt bleibt. Neuregelungen im Sachwalterrecht dürfen nicht zu einem bloßen Rechtfertigungsinstrumentarium für ausschließlich vom "kurativen Ansatz" dominierte Maßnahmen werden. Daß die Sicherung der Finanzierung solcher zusätzlichen Rechtsschutzinstrumentarien in Zeiten strengster Sparsamkeit nicht leichter geworden ist, als sie es Anfang der 90er Jahre war, bedarf keiner weiteren Begründung.

Dennoch wird das Bundesministerium für Justiz im Auftrag von Bundesminister Dr. Michalek noch im ersten Halbjahr 1998 seine Vorstellungen für eine Neugestaltung dieses Rechtsbereichs präsentieren. Diese sind aus heutiger Sicht durch folgende Eckpunkte gekennzeichnet:

Maßnahmen des Sachwalters gegen den Willen eines betreffend die einzelne Angelegenheit einsichts- und urteilsfähigen Menschen sind jedenfalls unzulässig.

Sachwalter und Gericht haben den Wünschen auch des nicht urteils- und einsichtsfähigen Menschen tunlichst zu entsprechen.

Alle Maßnahmen, die der Sachwalter in Vertretung des geistig behinderten Menschen setzt, müssen nicht nur geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen, sondern der Zweck und die Maßnahme dürfen zu der für den Menschen damit verbundenen Beeinträchtigung nicht außer Verhältnis stehen.

Der Zweck darf nicht auch auf andere Weise, die den Wünschen des behinderten Menschen eher entspricht oder mit geringeren Beeinträchtigungen erreichbar sein.

In schwerwiegenden Angelegenheiten darf das Gericht eine vom Sachwalter für notwendig gehaltene Maßnahme nur dann genehmigen, wenn es ein mit besonderen Kautelen ausgestaltetes Genehmigungsverfahren durchgeführt hat (zwingende Anhörung eines unabhängigen Sachverständigen; Beiziehung eines besonderen Vertreters, wenn eine Interessenkollision zwischen dem geistig behinderten Menschen und dem Sachwalter nicht ausgeschlossen ist).

Alle diese Grundsätze dürfen nicht nur für Erwachsene, die einen Sachwalter haben, sondern müssen auch für Minderjährige mit den durch das verfassungsrechtliche Gebot des Schutzes des Familienlebens verbundenen Modifikationen gelten.

Ich möchte ausdrücklich betonen, daß meines Erachtens bei verfassungskonformer Interpretation des geltenden Rechts (mit Ausnahme der Genehmigungspflicht durch das Gericht betreffend schwerwiegende Angelegenheiten Minderjähriger) viele dieser grundsätzlichen Anliegen bereits erfüllt sein müßten bzw. erfüllt werden könnten. Mir scheint, daß das traditionelle kurative Denken vieler Berufsgruppen, auch der Ärzte, des Pflegepersonals und der Juristen, bisher bloß den Blick auf diesen Umstand in der täglichen Betreuungsarbeit und auch in der Rechtspraxis verstellt bzw. getrübt hat.

Demgemäß bedarf es einer Änderung des Gesetzes in diese Richtung. Im Bundesministerium für Justiz beraten mehrere Arbeitsgruppen seit der zweiten Jahreshälfte 1996 und werden erste ausformulierte Diskussionsgrundlagen noch im Frühjahr 1998 präsentiert werden. Ich hoffe, daß unter anderem die Diskussion zum Thema "Zwangssterilisation" im Sommer vergangenen Jahres den derzeit laufenden Bemühungen den nötigen "Rückenwind" verleihen wird, womit ich auch gleichzeitig meine provokante Eingangsbemerkung, ich hätte mich über die Diskussion gefreut, begründet zu haben glaube.

IV. Zur Frage der Sterilisation selbst

In einem vom Bundesministerium für Justiz im November 1997 veranstalteten Expertenhearing und auch heute ist bereits mehrfach ein gänzliches oder weitgehendes Verbot der Sterilisation gegen den Willen einer geistig behinderten Person gefordert worden. Das Bundesministerium für Justiz steht dieser Forderung unter der Voraussetzung, daß für alternative Maßnahmen zugunsten jener Menschen, die solcher Maßnahmen tatsächlich bedürfen, ein klarer rechtlicher Rahmen im Sinne meiner obigen Ausführungen geschaffen werden kann, positiv gegenüber! Aus heutiger Sicht wird in den Vorschlägen ein generelles Verbot der Vornahme einer Sterilisation Minderjähriger zum Zwecke der Herbeiführung der Unfruchtbarkeit ebenso enthalten sein, wie ein Verbot ihrer Vornahme bei erwachsenen behinderten Menschen, es sei denn, der behinderte Mensch ist in dieser Angelegenheit einsichts- und urteilsfähig und verlangt die Maßnahme selbst. Eine Ersetzung seiner Zustimmung durch einen Sachwalter soll nicht mehr möglich sein, es sei denn, der sehr wahrscheinliche Eintritt einer Schwangerschaft könnte nicht durch andere Maßnahmen verhindert werden und mit der Schwangerschaft wäre die Gefahr akuter, somatisch bedingter Lebensgefahr verbunden. Ob dieser Ausnahmefall tatsächlich eintreten kann, wird in der weiteren Diskussion zu klären sein. Was nicht passieren darf ist, daß ein bloßes Verbot der Sterilisation ohne Begleitmaßnahmen die Probleme der geistig behinderten Menschen nur in andere Bereiche verlagert oder, weil die brisanteste Frage durch das Verbot als gelöst betrachtet wird, das Gesamtvorhaben wieder scheitert. Deshalb habe ich gemeint, die Frage der Sterilisation sei in einem größeren Zusammenhang zu sehen.

Die Anforderungen an alle Beteiligten sind hoch - dennoch sollte und muß es gelingen, in diesem wichtigen Bereich unserer Rechtsordnung jenes Maß an Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Rechtsschutz zu etablieren, das von einer modernen demokratischen Gesellschaft zu Recht gefordert wird. Zum Schluß sei mir aber ein persönlich sehr am Herzen liegender Hinweis gestattet - gesetzliche Regelungen allein können nicht alles bewirken - Bewußtseinsbildung tut not! Nur wenn beide Kräfte zusammenwirken, kann es nachhaltig gelingen, die negativen Auswirkungen des "kurativen Ansatzes" zu überwinden.

In diesem Sinne bin ich froh über die heutige Veranstaltung und bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

Ende

Kontakt

RICHTER Dr. Johann WEITZENBÖCK

Justizministerium

Tel: 52152-0

Quelle:

Johann Weizenböck: Aus der Sicht des Jusitzressorts: "Zwangssterilisation"

Das vorliegende Referat wurde entnommen aus dem Bericht: Zwangssterilisation - Menschenrechtsverletzung oder Notwendigkeit? Enquete am Donnerstag, 5. März 1998 im Parlament. Veranstalter: Grüner Parlamentsklub

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Stand: 13.11.2006

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