„Unser Lebensrecht ist nicht diskutierbar!“

Die Verteidigung des Rechts auf Leben und die Konstruktionen von Behinderung in der „Euthanasie“-Debatte in den 1990ern in Deutschland

Autor:in - Julia Weidenbach
Themenbereiche: Eugenik
Textsorte: Masterarbeit
Releaseinfo: Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (M.A.); Humboldt Universität zu Berlin; Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät (Philosophische Fakultät IV); Institut für Rehabilitationswissenschaften
Copyright: © Julia Weidenbach 2015

Abbildungsverzeichnis

    Einleitung

    „Für mich ist es widerlich, dass ich mich gezwungen sehe, öffentlich darzulegen, dass mein Leben nicht nur Leid ist, weil ein anderer öffentlich darlegen kann, dass es wahrscheinlich so ist und dass man des - halb Menschen wie mich unter gewissen Voraussetzungen durchaus töten darf.“[1]

    Dieser Auszug aus Matthias Vernaldis Rede vor der Urania am 26. Mai 2015 in Berlin, die er anlässlich des Protestes gegen die Verleihung des „Peter-Singer-Preises für Strategien zur Tierleidminderung“ an Peter Singer hielt, bringt den Inhalt der Debatte um Peter Singer und die neue „Euthanasie“ auf den Punkt und zeigt die Aktualität dieser Auseinandersetzung.

    Singers Praktische Ethik erschien 1984 in deutscher Übersetzung (Singer, 1984). Sie stellt das Grundlagenwerk seiner Ethik dar, in ihr diskutiert er die Begründungen der Unterscheidung zwischen Mensch und Tier zugunsten der Tierrechte und in diesem Zusammenhang auch die moralische Legitimität der „Euthanasie schwer mißgebildete[r] oder stark zurückgebliebene[r] Säuglinge.“ (Ebd., 1984: 178). Zunächst wurde die Praktische Ethik in Deutschland mangels Bekanntheit kaum diskutiert (Bastian, 1990: 9). Dies änderte sich, als die Lebenshilfe am 6. Juni 1989 einen Kongress mit dem Titel „Bio-Technik - Ethik - Geistige Behinderung“ veranstaltete und Singer nach Marburg einlud, um einen Vortrag zum Thema: Choosing between lives: A defence zu halten. Auch hatten zwei Professoren der Sonderpädagogik, Christoph Anstötz und Christoph Leyendecker, Singer für den 9. Juni 1989 an die Universität Dortmund eingeladen, wo er unter dem Titel Haben schwerstbehinderte neugeborene Kinder ein Recht auf Leben? sprechen sollte. Beide Veranstaltungen wurden in Folge starker Proteste der Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, Vertreter_innen der Behindertenbewegung, Studierendengruppen, Einzelpersonen aus dem Antifa-Spektrum und einzelner Professor_innen der Heil- und Sonderpädagogik abgesagt. Letztlich sprach Singer am 8. Juni 1989 an der Universität Saarbrücken zu oben genanntem Thema. Es kam zu massiven Protesten, die ihn daran hinderten, seinen Vortrag zu Ende zu bringen. In Folge dieser Geschehnisse brach ein Streit über die ethische Legitimität von „Euthanasie“ und über die Redefreiheit in der Wissenschaft aus. Dieser fand in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen statt, letztlich auch in populären Medien wie beispielsweise der Zeit und dem Spiegel[2] (s. a. Überblick in Sierck, 1989: 126 ff.). Am 27. Juni 1989 kettete sich Franz Christoph, ein bekannter Vertreter der Behindertenbewegung, als Reaktion auf die in der Zeit gedruckten Für-reden zur “Euthanasie“ vor dem Redaktionsgebäude an (vgl. Bastian, 1990: 11). Die Verhinderung der öffentlichen Auftritte Singers sowie Christophs Aktion bilden den Auftakt zum Protest der Aktivist_innen der Behindertenbewegung gegen die neue „Euthanasie“-Debatte. Der Slogan der Behindertenbewegung im Protest gegen Singers Ethik lautete Unser Lebensrecht ist nicht diskutierbar! (vgl. Grams, 2006).

    In der Auseinandersetzung mit dieser Debatte möchte ich die Argumentationen in der Verteidigung des Rechts auf Leben fokussieren. Die zentrale Frage der Arbeit lautet: Wie wurde das Recht auf Leben in der neuen „Euthanasie“ - Debatte in Deutschland verteidigt? Dabei werden die Positionen der Behindertenbewegung im Fokus stehen und durch die der Sonderpädagogik ergänzt, beziehungsweise mit diesen verglichen. Weitere Akteur_innen bzw. Professionen, die gegen Singer argumentieren, darunter Vertreter_innen der Medizinethik, der Philosophie und der Theologie, werden in der vorliegenden Arbeit nur am Rande berücksichtigt, auch wenn diese wichtige Beiträge geleistet haben zu einem Verständnis der Singerschen Argumentation und zu ihrer Kritik (vgl. für diese Perspektiven z.B. Bastian, 1990a).

    Die Singer-Debatte ist aus verschiedenen Gründen bemerkenswert. Zum einen wurde die Frage nach dem Lebenswert behinderter Personen womöglich zum ersten Mal seit den „Euthanasie“-Morden im Nationalsozialismus in Deutschland in diesem Umfang diskutiert. Dies brachte die Behindertenbewegung dazu, massiven Protest gegen verschiedene Veranstaltungen zu organisieren. Auch gab die Debatte um Singer der Bewegung Anlass, ihre bisherigen inhaltlichen Linien zum Teil zu hinterfragen und sich neu zu orientieren sowie an bestimmten Punkten verschiedene Wege zu gehen. Nicht zuletzt war die Debatte für die Sonderpädagogik Anlass dafür, ethische Fragen in der Profession neu zu verhandeln. So entstand infolge der Auseinandersetzung um Singer eine neue ethische Grundlegung der Sonderpädagogik, die teilweise auch dazu führte, die Rolle der Sonderpädagogik im Nationalsozialismus zu reflektieren (bspw. Feuser, 1991; Rödler, 1993). Darüber hinaus gibt es auch aktuelle Anlässe, die Debatte zu untersuchen: Zum einen die immer wieder aufkommenden Fragen um Sterbehilfe, Pränataldiagnostik und selektive Abtreibung, beispielsweise abgebildet in der Bundestagsdebatte um die Gesetzesentwürfe zur Sterbehilfe[3], deren Brisanz sich auch in der prominenten Stellung des Rechts auf Leben in der UN-Behindertenrechtskonvention (Art10, UN-BRK) widerspiegelt. Des Weiteren wird in verschiedenen Veröffentlichungen der Disability Studies (bspw. Köbsell, 2012) wie auch der Sonderpädagogik (bspw. Quante/ Schweikhardt, 2012) Singer bis heute als Personifikation der neuen „Euthanasie“ verhandelt. Singer ist auch deshalb aktuell, weil er durch seine Lehrtätigkeit an der Princeton University in New Jersey, seine weiteren Veröffentlichungen (Singer, 2015) und Überarbeitungen älterer Veröffentlichungen (Singer, 2013) sowie durch die Preisverleihung der Giordano Bruno Stiftung 2011 und die oben erwähnte erneute Preisverleihung 2015 weiterhin auch in der deutschen Öffentlichkeit präsent ist.

    Die Arbeit versteht sich im Anschluss an die Disability History, die unter anderem den Wandel von Behinderungsbildern untersucht, um Erkenntnisse über den Konstruktionscharakter von Behinderung zu erlangen, sowie die gesellschaftliche Funktion eben dieser Bilder analysiert. Die Forschungsrichtung stellt die Frage, „[w]ie die soziokulturelle Differenzierungskategorie Behinderung im jeweiligen historischen Kontext gebildet wird und auf welche Weise Menschen ihr zugeordnet werden“ (Bösl, 2010: 33). Auf Basis kulturwissenschaftlicher Ansätze fragen Forschungen der Disability History danach, wie Behinderung konstruiert wird, „welche sprachlichen und bildlichen Repräsentationen von Behinderung existieren und in der Öffentlichkeit verbreitet werden und welche Akteure dafür verantwortlich sind.“ (Lingelbach, 2010: 128). Dies passiert in der vorliegenden Arbeit durch die diskursanalytische Forschungsperspektive. Ich möchte hier zudem einen Schwerpunkt auf die Reaktionen der Behindertenbewegung legen, da die Perspektive der Interessenorganisation im deutschsprachigen Raum eine Forschungslücke darstellt (Bösl, 2010: 38). Besonders interessant ist die Positionierung der Behindertenbewegung auch deshalb, weil sie hier in eine inhaltliche Nähe zur Sonderpädagogik tritt, die zuvor meist als Abgrenzungsfolie diente. So soll hier neben der Kernfrage um die Verteidigung des Rechts auf Leben auch ein Beitrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte der Behindertenbewegung, auch im Hinblick auf ihr Verhältnis zur Sonderpädagogik, geleistet werden.

    Im theoretischen Teil der Arbeit erläutere ich die Grundlagen der Disability History (Kap. 1.1) und den gesellschaftlichen Kontext, in dem die Debatte um „Euthanasie“ in der Öffentlichkeit steht, da diese nicht unabhängig von den zuvor stattgefundenen öffentlichen Auseinandersetzungen um die Themen Sterbehilfe, selektive Abtreibung und Pränataldiagnostik zu verstehen ist (Kap. 1.2). Daran anschließend werde ich die Kernthesen Singers in seiner Praktischen Ethik (1984) zusammenfassen, um die Reaktionen auf Singer auch im Kontext ihres Anlasses zu verstehen (Kap . 1.3). Weiter werde ich hier die Behindertenbewegung als soziale Bewegung fassen und ihre Geschichte bezüglich der Themen Eugenik und „Euthanasie“ bis zum Einsetzen der Proteste gegen Singers Auftritte darstellen, um so die Proteste im Kontext der Bewegungsgeschichte ihrer Akteur_innen verstehen zu können (Kap. 1.4) Den letzten Teil des theoretischen Hintergrundes stellt eine wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung mit der Disziplin Sonderpädagogik dar (Kap. 1.5).

    Im Methodenteil der Arbeit werde ich zunächst die Grundlagen der wissenssoziologischen Diskursanalyse vorstellen und an das vorliegende Forschungsvorhaben anpassen (Kap. 2.1). Anschließend werde ich abstecken, inwiefern die „Euthanasie“-Debatte als Diskurs anzusehen ist (Kap. 2.2). Daraufhin werde ich gesondert auf das Sampling eingehen und den Korpus vorstellen. Dieser setzt sich für die Behindertenbewegung aus Veröffentlichungen einzelner Aktivist_innen im Zeitraum 1989 – 1998 zusammen, maßgeblich aus Artikeln der randschau – Zeitschrift für Behindertenpolitik. Für die Argumentation der Sonderpädagogik beziehe ich mich auf die zentralen zeitgenössischen Vertreter der Profession in der Zeitschrift für Heilpädagogik und der Zeitschrift Behindertenpädagogik (Kap. 2.3). Das konkrete analytische Vorgehen erläutere ich in Kapitel 2.4; Kapitel 3 stellt die Analyse der vorliegenden Daten dar, diese habe ich in die Argumentationen der beiden Akteurinnen (Kap. 3.1 und Kap. 3.2) und die beiden weiteren Phänomenbereiche Selbstbestimmung und Behinderung, die im Diskurs konstituiert wurden (Kap. 3.3 und Kap. 3.4), unterteilt. Die zentralen Ergebnisse der Analyse werden in Kapitel 4 zusammengefasst, die beiden untersuchten Akteurinnen werden hier vergleichend betrachtet. Anschließend werden in Kapitel 5 die Ergebnisse interpretiert und diskutiert.

    Meine Arbeit in der persönlichen Assistenz und der Beratung für behinderte Studierende, mein Studienschwerpunkt Disability Studies und mein politisches Interesse an diesen Themen führen zu einem persönlichen Bezug mit den Zusammenhängen, die sich als Weiterführung der hier untersuchten Ideen verstehen lassen. Dieser bedingt zum einen das Verständnis für die hier untersuchten Zusammenhänge und führt zu einem guten „Feldzugang“, der beispielsweise auch von Traue, Pfahl und Schürmann als Voraussetzung für diskursanalytische Forschung genannt wird (Traue et al., 2014: 501). Zum anderen bedingt diese Position bewusst wie unbewusst auch meine Datenauswahl und die Auswahl der theoretischen Bezüge und hat zudem Einfluss auf die Perspektive der Interpretation der Ergebnisse.

    In der vorliegenden Arbeit setze ich „Euthanasie“ in Anführungszeichen, um mich von dem Begriff zu distanzieren. Dieser stellt zum einen eine Beschönigung des Themas dar, „Euthanasie“ bedeutet soviel wie schöner oder leichter Tod, und fand zum anderen bereits im Nationalsozialismus als Euphemismus für Verbrechen an behinderten Menschen Verwendung (vgl. Klee, 1983). Im Folgenden wird von behinderten Menschen die Rede sein, um so der gesellschaftlichen Dimension von Behinderung schriftlich möglichst gut Ausdruck zu verleihen. Gemeint ist damit ein Verständnis von Behinderung, was diese als Resultat gesellschaftlicher Strukturen versteht (Menschen, die behindert werden). In der Benennung der sozialen Bewegung behinderter Menschen schreibe ich von der Behindertenbewegung. Für Personen, die sich die Selbstbezeichnung Krüppel bzw. Krüppelbewegung aneignen, benutze ich diese Bezeichnung. Bei der Professionsbezeichnung möchte ich einheitlich von der Sonderpädagogik sprechen, auch wenn die Begrifflichkeiten zwischen Heil-, Sonder- , Rehabilitations- oder Behindertenpädagogik differieren. Letztlich werde ich im Sinne einer geschlechtergerechteren Sprache die Gender Gap benutzen, also beispielsweise von Aktivist_innen schreiben. An Stellen, wo Personengruppen eindeutig zuzuordnen sind, möchte ich strukturelle Zusammensetzungen nicht durch geschlechtergerechte Sprache unsichtbar machen. Wenn also nur männliche Personen gemeint sind, werde ich beispielsweise von Vertretern der Sonderpädagogik sprechen. Zuletzt werde ich Gruppen bzw. historische Konstellationen, für die eine binäre Geschlechterordnung besonders charakteristisch ist, als solche verdeutlichen und das Binnen-I nutzen (NationalsozialistInnen).



    [1] Redebeitrag Matthias Vernaldi vor der Urania. Zugriff zuletzt am 15. Juni 2015 unter https://no218nofundis.wordpress.com/2015/05/27/redebeitrag-matthias-vernaldi/

    [2] „Lässt sich Euthanasie ethisch begründen?“ ZEIT 25/1989; „Was heißt lebensfähig?“ ZEIT 26/1989; „EUTHANASIE: Bizarre Verquickung“ SPIEGEL 34/1989

    1. Theoretischer und historischer Hintergrund

    1.1 Konstruktionen von Behinderung, Disability History

    Das Behinderungsverständnis der Disability Studies, welches auch die Grundlage für die Disability History darstellt, basiert auf dem sozialen Modell von Behinderung, das sich in Abgrenzung zum medizinischen etabliert hat. Das medizinische oder individuelle Modell von Behinderung fasst diese als biologisches Phänomen auf, das am Individuum haftet und demnach auch das Problem dieses Individuums bleibt. Behinderung sozial gedacht, fokussiert die gesellschaftliche Ebene des Behinderns auf Basis der Unterscheidung von impairment und disability, also der Beeinträchtigung, aus der die Behinderung erwächst. Diese Unterscheidung machte erstmals die UPIAS (Union of Physically Impaired Against Segregation). Sie gab sowohl Akademiker_innen als auch der Behindertenbewegung Anstoß, Behinderung neu zu denken (vgl. bspw. Priestley, 2003: 26 ff.).

    Im Verlauf der Etablierung der Disability Studies an den Akademien und der Auseinandersetzung mit den eigenen Grundannahmen wurde das soziale Modell später um das kulturelle erweitert, welches kritisierte, dass nicht nur disability, sondern auch impairment sozial konstruiert seien und diese Unterscheidung den Körper wieder der Medizin überlasse (vgl. Waldschmidt, 2010: 18). Die kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Behinderung versucht ein vertieftes Verständnis der Kategorisierungsprozesse zu erarbeiten und nachzuvollziehen, welche wissenschaftlichen Diskurse, politischen Interventionen wie auch institutionellen Kontrollmechanismen den historischen Prozess der Entstehung einer Kategorie wie Behinderung bestimmt haben (Bösl et al., 2010: 8). Sie lenkt hierbei den Blick zurück zur Mehrheitsgesellschaft, zur Normalität, zur Nichtbehinderung (Waldschmidt, 2010: 20 f.). Durch die Fokussierung auf kulturelle Repräsentationen von Behinderung soll zudem der problemorientierte Untersuchungsschwerpunkt um positive Behinderungsbilder erweitert werden. Neben der Kritik an gesellschaftlichen Strukturen, die Behinderung erzeugen und aufrechterhalten, werden hier auch widerständige Formen der Subjektkonstituierung ins Blickfeld gerückt.

    Inzwischen wird in den theoretischen Auseinandersetzungen der Disability Studies das kulturelle Modell kritisiert, da es durch seine konstruktivistische Herangehensweise wiederum den Körper als Ausgangspunkt für Behinderungserfahrungen nicht in seine Analyse miteinbezieht (Lingelbach, 2014: 6). Dadurch würden identitätspolitische Interventionen verunmöglicht, da beispielsweise das Einfordern von Chancengleichheit mit einem Nachteilsausgleich agieren muss, der seinen Grund durch das Beharren auf dem Konstruktionscharakter von Behinderung verlieren kann (vgl. Dederich, 2007: 181 ff.). Die Disability History befasst sich insbesondere mit den Fragen, wie die Kategorie Behinderung historisch erzeugt, aufrechterhalten und mit Bedeutung gefüllt wurde und versucht zudem eine neue Geschichte von Behinderung zu schreiben, indem sie weder den Erzählungen über passive Opfer folgt, noch die Heroisierung behinderter Menschen voranzutreiben versucht (Bösl, 2009: 3 ff.).

    Im Sinne dieser Überlegungen ist festzuhalten, dass Behinderung als soziohistorische Konstruktion gefasst werden kann, was meint, dass Menschen in komplexen gesellschaftlichen Prozessen der Kategorie „behindert“ zugeteilt werden. Diese Zuteilung geschieht meist auf Grundlage des Körpers, der als anders wahrgenommen und als defizitär abgewertet wird. Wie diese Zuteilung funktioniert und welche Konsequenz das für die zugeteilte Person hat, hängt vom historischen Kontext ab (vgl. Bösl, 2009: 2). Konstitutiv für Behinderung sind dabei sowohl materielle Zustände und kulturelle Gewohnheiten als auch wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurse. Die Kategorie Behinderung wird also in gesellschaftlichen Diskursen, darunter auch die „Euthanasie“-Debatte, mit Bedeutung gefüllt.

    1.2 Kontext und Vorgeschichte der „Euthanasie“ - Debatte

    Bösl beschreibt in ihren Politiken der Normalisierung die diskursiven Hintergründe der bundesdeutschen Behindertenpolitik bis in die 1970er Jahre und zeigt die Beharrlichkeit im Fortbestehen der Vorstellung, es gäbe „lebensunwertes“ Leben, auf (Bösl, 2009a: 87f.). Insbesondere auch ausgelöst durch den sogenannten „Conterganskandal“[4], der in den 1960ern begann und in Wissenschaft und Öffentlichkeit bis in die 1990er nachklang, steht die Frage nach möglichen Grenzen des Lebenswertes im gesellschaftlichen Interesse (vgl. Freitag, 2005: 31f.). Gestützt wird die These durch Von Brackens Repräsentativerhebung Vorurteile von 1970/71, in der deutlich wird, dass ein Großteil der Befragten starke Abneigungen gegen behinderte Menschen hegt und diese auch im Sprechen über „lebensunwertes Leben“ ausdrückt (Bösl, 2009a: 87). 1970 findet die erste Amniozentese, also die erste Fruchtwasseruntersuchung statt, pränatale Diagnostik entwickelt sich von da an immer weiter (vgl. Achtelik, 2015: 44 ff.). 1972 öffnet die erste Humangenetische Beratungsstelle. Beides dient vor allem der Verhinderung der Geburt behinderter Neugeborener.

    Eine ausführlichere Aufarbeitung der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen begann erst Anfang der 1980er Jahre (vgl. Westermann, 2010), nicht zuletzt ausgehend vom Gesundheitstag 1981 in Hamburg und mit Hilfe der Darstellung der Verbrechen durch Ernst Klee (1983). Anerkennung der Opfer und Entschädigungszahlungen begannen erst in den 1980er Jahren und waren auch zu diesem Zeitpunkt noch kompliziert sowie von Stigmatisierungen der Betroffenen gekennzeichnet, was nicht zuletzt mit der „Erbgesundheitslogik“ der Gesellschaft zusammenhängt (Westermann, 2010: 9). Anfang der 1980er wurden wiederholt „Fälle“ in der Presse diskutiert, die die Tötung des eigenen behinderten Kindes, also „Euthanasie“ mit der Begründung, das unnötige Leiden zu beenden („Leidhilfe“), legitimierten und die den Abbruch medizinischer Maßnahmen bei behinderten Neugeborenen („Liegenlassen“) rechtfertigten (Tolmein, 1990: 19 ff.). Auch die Frage nach aktiver Sterbehilfe bei schwer kranken Menschen wurde medial und fachlich viel diskutiert (vgl. Jäger, 1991). Einen Höhepunkt stellte hierbei die gefilmte aktive Sterbehilfe des Chirurgen Julius Hackethal an einer seiner Patient_innen, Hermy E., dar, der er aufgrund ihres Todeswunsches in Folge schwerer Erkrankung den Zugang zu Zyankali ermöglichte und sie in den letzten Minuten vor ihrem Ableben filmte (Tolmein, 1990: 20 ff.). Hackethals Aktion und auch seine weiteren Inszenierungen für die aktive Sterbehilfe (vgl. hierfür Sierck, 1989: 85 ff.) lösten ein großes mediales Echo in der Bundesrepublik aus und trugen weiter dazu bei, den Lebenswert eines Lebens mit Behinderung oder (schwerer) Erkrankung in Frage zu stellen. Dies geschah jedoch weniger mit der Absicht, die Missstände in der Versorgung, die Ausschlüsse aus der Gesellschaft und die Reaktionen der Mitmenschen, die das Leben mit Behinderung oder in Krankheit erschwerten, anzugehen, sondern stattdessen mit der Intention, dem Problem zu begegnen, indem das Leben beendet wird, oder gar nicht erst beginnt. Dies rief auch Protest gegen Hackethal hervor (s. dazu Kap. 1.4). Infolge der Auseinandersetzung mit dem Tod von Hermy E. begann die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) Patientenverfügungen zu verbreiten, in denen bestimmt werden kann, dass die medizinische Behandlung im Falle schwerer Schädigung abgebrochen werden solle, falls man nicht mehr in der Lage dazu sein sollte, diesen Wunsch selbst zu äußern.[5] Ohne an dieser Stelle die moralische Legitimität solcher Verfügungen diskutieren zu wollen, ist ihr Aufkommen Spiegel des gesellschaftlichen Diskurses um die Frage nach den Grenzen lebenswerten Lebens.

    Neben den öffentlichen Aushandlungen über das Thema, welches sich durch Präsenz in der Tagespresse oder durch die Etablierung der Patientenverfügungen ausdrückt, beginnt auch ein fachlicher Diskurs um Sterbehilfe, der 1986 letztlich in der „Einbecker Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht zu den Grenzen ärztlicher Behandlungspflicht bei schwerstgeschädigten Neugeborenen“ mündet (vgl. Wolfslast/Conrads, 2001: 127). Die „Einbecker Empfehlung“ beinhaltet Forderungen euthanasiebefürwortender Ärzte hin zu Straffreiheit bei „Leidhilfe“. Dabei geht es sowohl um „Leidhilfe“ beim sterbenden Menschen als auch beim wie auch immer leidenden Säugling. Unter anderem wurde in der Empfehlung eine Indikationsliste zusammengestellt, die diejenigen Diagnosen umfasste, welche ein Töten des Neugeborenen rechtfertigen sollten (vgl. ebd.: 127).[6]

    Über diese öffentlichen und fachlichen Debatten um Sterbehilfe und „Euthanasie“ hinaus zeigt sich auch in anderen Themen, die in der Gesellschaft zu dieser Zeit verhandelt wurden, die Präsenz behindertenfeindlicher Haltungen und die Tendenz dazu, Grenzen des Lebenswerten festzustellen. So auch im Sprechen über die Risiken, die mit der Nutzung von Atomkraft verknüpft sind, welches vor allem infolge des Reaktorunfalls von Tschernobyl 1986 aufkam. Kritische Stimmen der Ökologie-Bewegung bedienten sich zum Teil Abschreckungsbildern von Behinderung, um ihre Argumentation gegen Atomkraft zu untermauern (vgl. Sierck, 1988 oder Mürner, 1987): „[…] die Angst der nichtbehinderten Bevölkerung vor der Zunahme von Behinderungen [stellte sich] als ein äußerst wirkungsvoller Mobilisierungsfaktor gegen die Gefahr der Atomenergie [...]“ heraus (Tolmein, 1992: 35). Franz Christoph wies in diesem Zusammenhang auf die argumentative Verfehlung des Spiegel „die häufigste gerade noch mit dem Leben zu vereinbarende Missbildung“[7] hin, indem er sich dieses Zitat auf ein Pappschild geschrieben um den Hals hing und sich in die Eingangshalle der Redaktion des Spiegel stellte. Dort verteilte er Flugblätter, die erklärten, dass auf die möglichen Spätfolgen des Super-GAU hingewiesen werden sollte, ohne bestimmte Behinderungsformen an den Rand des Lebenswerten zu drängen (Mürner, 1987: 297).

    Sowohl nach dem „Conterganskandal“ als auch nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurde vermehrt diskutiert, ob schwangeren Frauen der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erleichtert werden sollte, um behindertes Leben zu verhindern (Tolmein, 1992: 34). Nach Tschernobyl stieg die Nachfrage nach pränataler Diagnostik signifikant (Achtelik, 2015: 50).

    Insgesamt kann sowohl im damaligen als auch im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs über Sterbehilfe und „Euthanasie“, aber auch um Gesundheit und Behinderung, eine Tendenz ausgemacht werden, allgemeine Fragestellungen auf Grundlage einer besonderen, also einer sich am Einzelfall orientierenden Kenntnislage zu diskutieren und das Problem zu individualisieren. Kritik wird nicht an der Struktur einer Gesellschaft formuliert, die die Leiden kranker, behinderter oder sterbender Menschen verstärkt (oder z.T. erst hervorruft), sondern am Individuum besprochen. Durch diese Individualisierung wird eine Kritik moralisch erschwert: Wer kann Hermy E.s Suizid verurteilen oder wer kann einer Einzelperson ihre Patientenverfügung streitig machen? Gleichzeitig ist das Nachdenken über „lebensunwertes“ Leben und die Abneigung gegenüber Behinderung präsenter als die Kritik an behindernden gesellschaftlichen Umständen, sodass sowohl Hermy E.s Suizid als auch das Verfassen von Patientenverfügungen, also diese vermeintlich individuellen Entscheidungen, durch eben dieses einseitige gesellschaftliche Sprechen über Behinderung und Krankheit maßgeblich beeinflusst werden. Mit der „Einbecker Empfehlung“ wird aus der individualisierten Sicht auf Krankheit, Behinderung und Leiden, die am vermeintlichen Einzelfall erklärt wird, der Bogen hin zur gesellschaftlichen Umgangsweise gespannt, der durch Expert_innenwissen fachliche Begründung erfährt. Dabei ist der Einzelfall jedoch durch Diagnosekriterien abgesteckt und nicht am Individuum orientiert. Die gesellschaftliche Dimension von Krankheit, Leiden und Behinderung wird in den hier aufgezeigten Debatten generell missachtet. Die Veröffentlichung von Singers Praktischer Ethik (Singer, 1984) fällt also in eine Zeit der gesellschaftlichen Debatte um Lebenswert und wird in einem behindertenfeindlichen gesellschaftlichen Klima rezipiert. Im folgenden Kapitel stelle ich Singers Kernthesen vor, möchte mich jedoch auf eine kurze Darstellung dieser beschränken, da Singers Thesen an vielen anderen Stellen bereits in Ausführlichkeit besprochen wurden (vgl. beispielsweise Bastian, 1990; Jäger, 1991; Brill, 1994 oder Quante/Schweikhardt 2012) und weil eine detaillierte Auseinandersetzung mit Singers Ethik weder dem Rahmen noch dem Fokus der Arbeit entsprechen würde.

    1.3 Singers „Praktische Ethik“

    Peter Singer gehört der philosophischen Richtung des Präferenzutilitarismus an, 1977 bis 1999 war er Professor für Philosophie an der Monash University in Melbourne, anschließend Professor für Bioethik an der Princeton University in New Jersey. Singers Praktische Ethik setzt sich hauptsächlich mit ethischen Fragen um Tierrechte und die Legitimität des Tötens von Lebewesen anhand der Beispiele Abtreibung, „Euthanasie“ und des Tötens von Tieren auseinander (Singer, 1984: 129). Hierfür erörtert Singer zunächst seine präferenzutilitaristische, ethische Denkweise. Knapp umrissen verfolgt dieser Ansatz das Ziel, Glück zu maximieren und die Summe von Glück gegen die Summe von Leid abzuwiegen. Anschließend konstruiert Singer einen Personenbegriff, demzufolge Personen selbstbewusst und vernunftbegabt seien (ebd.: 117). Hieraus folgert er eine Unterscheidung von menschlichen und nicht-menschlichen Lebewesen und Personen, plädiert also dafür, die Unterscheidung in Mensch und Tier differenzierter anzugehen. Auf dieser Grundlage diskutiert er das Recht auf Leben und den Wert des Lebens von Personen und Nicht-Personen im Sinne seiner Definition (ebd.: 117 ff.). Er kommt zu dem Schluss, dass es eine hierarchische Wertigkeit entlang des Ausprägungsgrades von Rationalität und Selbstbewusstsein gebe (ebd.: 125). Entlang dessen legitimiert er Abtreibung, Kindstötung und „Euthanasie“ und delegitimiert das Töten bestimmter Tiere. Abtreibung und Kindstötung seien rechtfertigbar, wenn diese von den (zukünftigen) Eltern befürwortet würden (ebd.: 146 ff.). Singer unterscheidet hierfür Fötus und Baby, setzt die Grenze dieses Übergangs jedoch nicht bei der Geburt, sondern schlägt einen Zeitraum nach der Geburt vor, in dem der nun geborene Fötus noch kein Recht auf Leben haben solle (ebd.: 168 f.). Ausschlaggebend ist hier auch, ob die schwangere Person nach der Abtreibung in der Hoffnung auf ein „gesundes“ Kind erneut schwanger werden wolle, um so die Summe des Glücks erhöhen zu können (ebd.: 184).

    In Fragen zu „Euthanasie“ unterscheidet er zwischen unfreiwilliger, freiwilliger und nichtfreiwilliger „Euthanasie“, wobei die beiden letztgenannten Formen der „Euthanasie“ legitim seien (ebd.: 174 ff.). Unter nichtfreiwillig versteht Singer die „Euthanasie“ an nicht einwilligungsfähigen Menschen, die er im Aufzeigen bestimmter schwerer Schädigungen legitimiert. Diese Menschen seien nie fähig gewesen zwischen Leben und Tod zu unterscheiden (ebd.: 190) und würden ein Leben in Leid führen (ebd.: 181 f.). Singers Glücks- wie Leidbegriff ist demnach quantifizier- und objektivierbar. Er räumt zwar ein, dass ein Leben mit Behinderung auch angenehm sein könne bzw. ist der Ansicht, dass „weder die Hämophilie noch das Down-Syndrom ein Leben nichtlebenswert machen würden“ (ebd.: 185). Trotzdem hält er eine Abtreibung und eine anschließende neue Schwangerschaft für das größere Glück. Dabei sei sterben lassen und töten ethisch betrachtet nahezu gleich zu beurteilen, also sei die Nichtbehandlung eines Säuglings nach der Geburt („Liegenlassen“), aus ethischer Sicht nichts anderes als ihn zu töten. Demnach kann Singers Praktische Ethik in Teilen als ethische Legitimation bestehender Praxis verstanden werden, was einen Teil seines Erfolges ausmachte (Bastian, 1990: 13). Singer macht, vergleichbar mit der „Einbecker Empfehlung“, durch den Einzelfall erklärte, individualisierte Krankheits- und Behinderungserfahrungen bzw. -wahrnehmungen zum Grundbaustein seiner Ethik. Jäger spricht hier von einem methodologischen Individualismus (Jäger, 1991, o.S.):

    „Singer argumentiert mit einer Fülle von konkreten und sehr drastischen Beispielen, die meist plausibel wirken, wegen ihrer Horrorszenarien starke Wirkung ausüben und die [...] Journalisten, offenbar wegen ihrer narrativen Strukturen, denn auch gerne und oft in besonders wirksamer graphischer Aufmachung anführen, um ihre Argumentation für die Euthanasie zu illustrieren.“ (Jäger, 1991, o.S.)

    Jäger liest Singers Ethik als Ausdruck neoliberaler Ideen von Kosten-Nutzen-Rechnungen und Leistungsprinzipien, als Bioethik, die dazu dienen soll, kommende Biotechnologien rechtfertigen zu können (ebd.). Singers Praktische Ethik bedient sich jedoch vordergründig bestimmter Argumentationsmuster, die anschlussfähig sind für die zeitgenössischen sozialen Bewegungen. Durch die Legitimation von Abtreibung gerät Singer in inhaltliche Nähe zu feministischen Positionen der 1980er Jahre, durch die Akzentuierung der Tierrechte bietet er Anschlussmöglichkeiten für die Tierbefreiungs- und die Ökologie-Bewegung der damaligen Zeit. Im Kapitel „Arm und Reich“ (Singer, 1984: 215 ff.) geht er auf soziale und ökologische Gerechtigkeit ein, plädiert für Vegetarismus und für das Eintreten des Einzelnen für mehr Gerechtigkeit. Letztlich liegt seiner Argumentation im Bezug auf das Töten von Lebewesen eine religionskritische Haltung zugrunde.

    Singer erfuhr nach und nach eine breite internationale Rezeption und stieß in der Folge auf vehemente Kritik. Dies galt insbesondere für Deutschland, wo es häufig Versuche gab, seine Auftritte zu verhindern, was teilweise auch gelang.[8] Im folgenden Kapitel wird der Teil der Geschichte der Behindertenbewegung nachgezeichnet, der relevant ist für ein vertieftes Verständnis der Reaktionen auf Singer. Hierfür werden die Eckdaten der Entstehung der Behindertenbewegung erläutert, um diese als soziale Bewegung fassen zu können. Anschließend werden die Themenstränge „Euthanasie“ und Eugenik innerhalb der Bewegung genauer verfolgt, hierunter fällt auch die politische Diskussion um Abtreibung, was zum dritten Themenbereich führt, den Überschneidungen zwischen Frauen- und Behindertenbewegung.

    1.4 Behindertenbewegung

    Die Behindertenbewegung als soziale Bewegung

    Inspiriert durch die in den 1960ern und 1970ern aufkommenden sozialen Bewegungen fingen auch behinderte Menschen an sich zu organisieren (vgl. Köbsell, 2012a: 9 ff.). Ausdruck dessen war der „Club 68“ (Vorläufer der CeBeeFs, Club Behinderter und ihrer Freunde), die Aktionen, die vom Volkshochschulkurs Gusti Steiners und Ernst Klees ausgingen, die um Franz Christoph und Horst Frehe gegründeten Krüppelgruppen (vgl. Klee, 1987: 209 ff.) und letztlich 1980 die Großdemonstration gegen das „Frankfurter Urteil“, welches die Anwesenheit behinderter Urlaubsgäste als Schmälerung des Urlaubsgenusses für nichtbehinderte Urlauber_innen bestätigt hatte (vgl. Köbsell, 2012: 10 ff. oder Mürner/Sierck, 2013: 94 ff.).

    1981 rief die UNO das „Jahr der Behinderten“ aus, die Eröffnungsveranstaltung hierfür in Deutschland fand in Dortmund statt. Bundespräsident Karl Carstens war vor Ort und die sogenannte Behindertenhilfe stellte, repräsentiert durch Pädagog_innen, Rehabilitationsfachleute und Mitglieder der großen Verbände, ihre Arbeit vor. Insgesamt wurde vor allem darauf hingewiesen, welche sozialen Leistungen erbracht werden können. Behinderte Menschen waren nicht repräsentiert. Dies veranlasste verschiedene Kritiker_innen zur Gründung der „Aktionsgruppe gegen das UNO -Jahr“, welche sich unter dem Motto „Jedem Krüppel seinen Knüppel“ gegen die Veranstaltung organisierte, die „[...]Integration sagt[e], Anpassung meint[e] und Aussonderung praktiziert[e].“ (Tolmein, 1992: 18). Die Eröffnungsfeier wurde durch eben dieses Aktionsbündnis massiv gestört, indem Carstens' Rede lange verhindert wurde, sodass diese in kleinerem Rahmen gehalten werden musste und die Festhalle von Gruppen des Aktionsbündnisses genutzt wurde. Ende 1981 wurde das erste Krüppeltribunal ebenfalls in Dortmund abgehalten, auf dem die Missstände im Umgang mit Behinderung in Deutschland festgestellt und diskutiert wurden. Die Behindertenbewegung etablierte sich auch mit einer Kritik an der Entmündigung der Betroffenen durch die professionelle Sonderpädagogik und versuchte wiederholt deren Strukturen aufzudecken (vgl. Frehe, 1981: 157 ff.).

    Mit Rucht kann die Behindertenbewegung hier als soziale Bewegung gefasst werden:

    „Eine soziale Bewegung ist ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mit Mitteln des Protests – notfalls bis hin zur Gewaltanwendung – herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen wollen.“ (Herv. i. Org., Rucht, 1994: 76).

    Roth und Rucht führen in ihrem Handbuch der Sozialen Bewegungen neben dieser grundlegenden Definition eine Reihe weiterer Merkmale sozialer Bewegungen auf, darunter eine Kontinuität des Protestgeschehens, sichtbarer Protest, die Fähigkeit des Empowerment der Zugehörigen, kollektives Handeln nach gemeinsamen Zielen, Deutungen und Überzeugungen und ein schwacher Formalisierungsgrad (Roth/Rucht, 2008: 13 ff. und Rucht, 1994: 81). Entlang dieser Merkmale kann entsprechend der Darstellung der Geschichte der Behindertenbewegung, die auch Köbsell (2012a) und Poore (2007: 273 ff.) vornehmen, die Behindertenbewegung ab dem Zeitpunkt der oben geschilderten Anfänge öffentlichen Protests und dem Beginn der Organisation von Selbstvertreter_innen als soziale Bewegung verstanden werden. Vorläufer dieser öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung, vor allem Verbände und Vereine, darunter beispielsweise die Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind [9] können so später entsprechend Ruchts Typologie der Struktur der Anhängerschaft sozialer Bewegungen (s. Abb.1) zum Kreis der Unterstützer_innen und Sympathisant_innen zugehörig verstanden werden, sind aber für sich gesehen, also vor oben beschriebenen Ereignissen, nicht als soziale Bewegung zu fassen.[10]

    Abbildung 1. Struktur der Anhängerschaft sozialer Bewegungen nach Rucht (1994, 85ff.)

    Grafik: Modell nach Rucht zur Zusammensetzung und Struktur sozialer
                     Bewegungen.

    Diese Abgrenzung ergibt auch in der Betrachtung der Dimension „Ideologie sozialer Bewegung“ Sinn (Rucht, 1994: 85), da diese hier vor allem darauf fußt, die Entrechtung behinderter Menschen durch Stellvertreter_innenschaft und Fürsorge-Mentalität zu kritisieren und daher oben genannte Verbände von den Aktivist_innen der Bewegung explizit in dieser Kritik erwähnt wurden. Das Einfordern von Selbstbestimmungsrechten kann mit Krähnke als Kern der Ideologie der Bewegung verstanden werden (2007: 72), insbesondere in den 1990er Jahren erhielt der Selbstbestimmungsbegriff Konjunktur (ebd.: 68).

    Ein weiteres Merkmal, welches insbesondere in der Betrachtung der Behindertenbewegung entscheidend ist, ist die Offenheit der Konsequenzen und Resultate des Protestes der Bewegung; also die Tatsache, dass sozialen Bewegungen die Möglichkeit des Scheiterns immanent ist. Beispielsweise dergestalt, dass das kritisierte System durch Anpassung an die vorgebrachte Kritik Stabilisierung erfährt (Roth/Rucht, 2008: 16), beziehungsweise, dass „erfolgreiches Scheitern“ möglich ist. Roth und Rucht führen als Beispiel hier den Atomausstieg mit Restlaufzeiten an (ebd.: 28). Am Beispiel der Behindertenbewegung kann hier auf eine Geschichte der Systemstabilisierung zurückgeblickt werden, da die Kritik am bestehenden System Sonderpädagogik, beziehungsweise der Besonderung behinderter Menschen generell, dazu führte, dass dieses sich immer wieder anpasste und sich dadurch der Kritik entziehen konnte. Die Übernahme der Forderungen der Behindertenbewegung durch die Sonderpädagogik und andere Einrichtungen der Behindertenhilfe, beispielsweise der Konzepte Selbstbestimmung und Empowerment, können so mit Rucht als „erfolgreiches Scheitern“ der Bewegung verstanden werden.

    Eugenik und „Euthanasie“

    Sterbehilfe, „Euthanasie“ und selektive Abtreibung waren von vornherein zentrale Themen der Behindertenbewegung. Felder also, in denen Selbstbestimmung verhandelt wird (vgl. Krähnke, 2007). Bereits 1982 veröffentlichten die „Krüppel aus der Gruppe Hamburg“ in der Krüppelzeitung und der Frankfurter Rundschau einen Kommentar zur Frage, ob ein Arzt ein behindertes Kind sterben lassen dürfe. Hier argumentierten die Verfasser_innen auf verschiedenen Ebenen gegen diese zunehmend angewandte ärztliche Praxis. Sie lehnten das Urteilen über den Wert behinderten Lebens ab, verwiesen auf die Notwendigkeit der Veränderung der Lebensumstände behinderter Menschen, benannten Missstände durch aussondernde Einrichtungen und machten auf die Kämpfe aufmerksam, die Eltern behinderter Kinder auszufechten hätten. Gleichzeitig standen sie auch für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein:

    „Und natürlich hat jede Frau das Recht, über ihr Leben ohne Einschränkungen zu entscheiden./ Dennoch wehren wir uns dagegen, die (mögliche) Tatsache einer künftigen 'Behinderung' als Begründung für das Nicht-leben-lassen gelten zu lassen. Denn auch daraus spricht, dass ein Leben als Krüppel nicht lebenswert sei.“ (Mürner/Sierck, 2009: 101 f.).

    Ab 1982 zogen sich die Themen Eugenik und „Euthanasie“ durch alle Ausgaben der Krüppelzeitung (Köbsell, 2012: 32). Im Vordergrund stand hier eine historische Auseinandersetzung, also die Aufarbeitung der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen. Ebenso ging es um das Aufdecken der Kontinuitäten, darunter die Fortführung der Zwangssterilisierung sogenannter nichteinwilligungsfähiger Personen, eindrücklich aufgezeigt in die WohlTÄTERmafia (Sierck/Radtke, 1989). Auch wurde der Umgang mit den Betroffenen bezüglich der Entschädigungszahlungen kritisiert (ebd.: 134 ff.). Ein weiteres Thema war die kritische Begleitung der Prozesse gegen NS -Ärzte (vgl. Köbsell, 2012: 33). Auch aktuelle Tendenzen wurden in die Auseinandersetzung miteinbezogen, z.B. gab es Proteste gegen die Auftritte Julius Hackethals, die unter anderem dazu führten, dass Hackethal auf dem Gesundheitstag 1987 in Kassel nicht sprechen konnte (Sierck, 1990: 18). Eine weiteres Beispiel sind die Proteste gegen den DGHS-Vorsitzenden Hans-Henning Atrott und eine frühe Kritik an der ärztlichen Praxis des „Liegenlassens“ behinderter Neugeborener (Sierck/Radtke, 1989: 128) sowie letztlich auch die kritische Begleitung der Überarbeitung des Gesetzes über die Betreuung Volljähriger, welches die Sterilisation an nicht einwilligungsfähigen Personen regeln sollte (ebd.: 151).

    Gegen, mit oder Teil der Frauenbewegung?

    Bereits zu Beginn der Krüppelbewegung organisierten sich behinderte Frauen, Krüppelfrauen, gesondert, und machten auf die Repräsentationsprobleme ihrer Position sowohl in der Krüppel- als auch in der Frauenbewegung sowie auf die damit zusammenhängende Mehrfachdiskriminierung aufmerksam. 1985 wurden die Themen der Krüppelfrauen durch die Veröffentlichung von Geschlecht: behindert. Besonderes Merkmal: Frau (Ewinkel/Hermes: 1985) zusammengefasst und auf den Punkt gebracht. Insbesondere wurde hierin deutlich, dass behinderte Frauen in spezifischer Weise sexistischer Diskriminierung ausgesetzt sind. Sie erfuhren die Diskriminierungen, mit denen viele nichtbehinderte Frauen konfrontiert sind, nicht oder nur teilweise. Beispielsweise wurde behinderten schwangeren Frauen tendenziell eher zu einer Abtreibung geraten, nichtbehinderten schwangeren Frauen hingegen der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschwert (ebd.: 79).

    So schienen auch die Kämpfe gegen „Euthanasie“ und Eugenik nahezu unvereinbar mit denen der Frauenbewegung für das Recht auf Abtreibung, bzw. gegen den § 218.[11] In den 1960er und 1970er Jahren, auch in Folge des „Conterganskandals“, wurde zunehmend über die Wiedereinführung der embryopathischen bzw. eugenischen Indikation, also der Legitimation von Abtreibung entlang einer angenommenen oder diagnostizierten Schädigung des Embryos diskutiert. Dies bot der Frauenbewegung kaum Anlass zur Kritik und auch als die eugenische Indikation 1976 wiedereingeführt wurde[12], kritisierten Frauengruppen dies nicht, sondern befürworteten es sogar an manchen Stellen (vgl. Achtelik, 2015: 31). Angeregt durch die Kritik der Krüppelfrauen, durch die aufkommende feministische Wissenschaftskritik und die feministische Frauengesundheitsbewegung fanden 1985 und 1988 zwei Kongresse gegen Gen- und Reproduktionstechniken statt. Auf diesen Kongressen mit jeweils ungefähr 2000 Teilnehmer_innen, wurden neue Technologien und ihre Gefahren diskutiert. Dies geschah vor allem auf Grundlage eines differenzfeministischen Standpunktes, also indem eine spezifisch weibliche Verbindung zur Natur und eine spezifisch weibliche Natürlichkeit als Argumente gegen diese technischen Entwicklungen genutzt wurden (ebd.: 96). Anlässlich des ersten Kongresses im April 1985 machte die Rote Zora, eine militante Frauengruppe, die sich bis dahin gemeinsam mit den Revolutionären Zellen[13] organisiert hatte und, entgegen dem Verständnis des Großteils der Frauenbewegung zu dieser Zeit, Gewalt (gegen Sachen) als legitimes politisches Mittel vertrat (Lenz, 2008: 270), auf das Thema aufmerksam, indem sie einen Anschlag auf den Technologiepark Heidelberg verübte. Weitere Anschläge folgten, unter anderem auf das Max-Planck-Institut Köln 1985 und das Humangenetische Institut Münster 1986.[14] In der Erklärung zu „Aktionen gegen das Humangentische Institut Münster“ 1987 erklärte sich die Rote Zora explizit solidarisch mit den Protesten behinderter Personen gegen selektive Abtreibung und „Früheuthanasie“. Sie kritisierte die eugenische Indikation, die Ignoranz der Frauen, die gegen den § 218 demonstrierten, gegenüber den gesellschaftlichen Entwicklungen bezüglich Eugenik und „Euthanasie“ und lehnten einen Selbstbestimmungsbegriff ab, der Selektion beinhaltet (ID-Archiv im IISG, 1993: 619 f.).

    Im Zuge der Ermittlungen gegen gewalttätige linke Gruppierungen wurden 1987 verschiedene Projekte und Privatwohnungen der Gegner_innen von Reproduktionstechnologien durchsucht, Papiere wurden beschlagnahmt und die Schriftsetzerin Ulla Penselin und die Journalistin Ingrid Strobl, beide den Kreisen gegen Gen- und Reproduktionstechnologie zugehörig, wurden verhaftet (ID-Archiv im IISG, 1993: 681 f. oder Kronauer, 2007: 191). Dies führte zu breiten Solidaritätsbekundungen und zu einer Radikalisierung der Bewegung. Beim zweiten Kongress waren neben der radikalen ökofeministischen Kritik an Reproduktionstechnologien auch eine lesbische Kritik und, maßgeblich vertreten durch Swantje Köbsell und Anne Waldschmidt, die Position behinderter Frauen repräsentiert (Achtelik, 2015: 96). Insbesondere auf und nach dem zweiten Kongress entbrannte jedoch eine Auseinandersetzung über den Selbstbestimmungsbegriff und die Haltung zu selektiver Abtreibung. Dabei ging es um die Frage, ob Selbstbestimmung auch die Bestimmung darüber einschließe, welches Kind geboren werden solle oder nach der Entscheidung, ob, endet (vgl. Frauen gegen den § 218 – Bundesweite Koordination, 1991: 212 ff.). Zeugnis dieser Auseinandersetzung sind auch die sogenannten „Krüppelschläge“, in der linken Monatszeitschrift konkret veröffentlichte Streitgespräche zwischen Vertreter_innen der Behinderten- und der Frauenbewegung. Hier argumentierten aus Perspektive der Behindertenbewegung zunächst Franz Christoph und Hannelore Witkofski gegen die Abschaffung des § 218 und die Haltung der Frauenbewegung, später widersprach Theresia Degener dieser Position und forderte eine Zusammenarbeit der Bewegungen (Achtelik, 2015: 116 ff.).

    Insgesamt lässt sich festhalten, dass Singers Auftreten sich in einen Kontext der Auseinandersetzung der Behindertenbewegung mit den Themen „Euthanasie“ und Eugenik einreihte und nicht Anlasspunkt dieser Auseinandersetzung war. Weiter wird deutlich, dass Singers Anschlussfähigkeit an feministische Positionen das Verhältnis der Frauen- und der Behindertenbewegungen zueinander weiter strapazieren konnte. Im Folgenden werde ich mich mit der zweiten Akteurin im Diskurs um „Euthanasie“ auseinandersetzen, die in der vorliegenden Arbeit untersucht wird, der Sonderpädagogik.

    1.5 Sonderpädagogik

    Die Sonderpädagogik ist mit Stichweh (2013) als sekundäre Disziplin zu verstehen. Diese zeichnen sich durch die Konstitution entlang ihres Gegenstandes aus. Im Falle der Sonderpädagogik ist dies das akademische Wissen bezüglich Behinderung, also bezüglich der Frage „Wie kann behinderten Menschen geholfen werden?“. Die Gegenstandskonstitution der Sonderpädagogik lässt sich entlang des Behinderungsbegriffs bestimmen, also entlang der Zuschneidung des Klientels, für das sie sich zuständig erklärt (Moser, 2003). Demnach ist die Anpassungsleistung, die oben (Kap . 1.4) als „erfolgreiches Scheitern“ der Behindertenbewegung verstanden wurde, hier als Garantin des Weiterbestehens der Profession zu deuten. Die Sonderpädagogik konnte nur durch die Entwicklung eines sozialen Modells von Behinderung in ihrer Professionalisierung ihre Bedeutung erreichen und sich als Akteurin in der Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung legitimieren (vgl. Pfahl, 2011: 238). Gleichzeitig bringt die Sonderpädagogik durch Diagnostik, Therapie und Sonderbeschulung beziehungsweise durch ihren „behindertenpädagogischen Blick“ (ebd.: 114) das Klientel, das sie als ihre Legitimationsgrundlage braucht, mit hervor.

    Die Behindertenbewegung verfolgte die Entwicklungen in den Bereichen Eugenik und „Euthanasie“ von Anfang an kritisch und organisierte sich vor allem auch über die Aufarbeitung der NS -Verbrechen an behinderten Personen und die Reflexion eventueller Kontinuitäten. Im Gegensatz dazu wurde der Sonderpädagogik von verschiedener Seite vorgeworfen, dass sie den Themenkomplex „Bioethik“ zu spät kommentiert und die Fragen, die sich daraus ergaben, anderen zur Beantwortung überlassen habe. Auch Bleidick und Ellger-Rüttgardt kritisieren in ihrem Überblickswerk Behindertenpädagogikeine Bilanz aus Perspektive der Profession, dass erst der „Paukenschlag“ Singer das „behindertenpädagogische Gewissen wach[rüttelte]“ (Bleidick/Ellger-Rüttgardt, 2008: 105). Das „unvermittelte Erschrecken“ über Singer habe deutlich gemacht, wie wenig gefestigt die ethische Grundlage der Behindertenpädagogik gewesen sei, habe sie doch die vorangegangenen Entwicklungen (s. Kap. 1.2) und auch Singers Veröffentlichung lange ignoriert (ebd.: 109). Die erste „Ethik der Sonderpädagogik“ erschien 1988 (Blickenstorfer et al., 1988), hält sich aber hinsichtlich der damals aktuellen Entwicklungen eher zurück. So kommentiert Fröhlich in seinem Aufsatz zwar bestimmte behindertenfeindliche gesellschaftliche Tendenzen, hält diesen konkret aber nichts entgegen, sondern widmet sich philosophischen Ausführungen (Fröhlich, 1988: 94 f.). Singer ist letztlich Anlass für die Sonderpädagogik, die eigene Profession kritisch zu hinterfragen und ethisch zu fundieren. Moser und Horster sprechen hier von einem „signifikanten disziplinären Schub ethischer Argumentation“ (Moser/Horster, 2012: 16). Dieser drückt sich in einer Fülle von Veröffentlichungen zur Ethik der Sonderpädagogik ab 1990 aus (vgl. ebd. oder Ellger-Rüttgardt, 2008: 336).

    Für die Sonderpädagogik liegt mit Brills Untersuchung (1994) bereits eine Analyse der Diskussion in sonderpädagogischen Fachzeitschriften vor.[15] Er untersuchte 30 Beiträge, vornehmlich aus der akademischen Sonderpädagogik (ebd.: 343). Brill beschäftigte sich zunächst eingehend mit der Position von Christoph Anstötz und der Kontroverse zwischen Bleidick und Anstötz (ebd.: 325 ff.). Anschließend fasst er die Argumente der „Euthanasie“-Gegner_innen in vier allgemeinen Kategorien und vier weiteren Kategorien aus dem „historischen und gesellschaftlichen Kontext“ zusammen: 1. Kritik an Begriffen (Glück, Person, Gattung) 2. Bioethiker als moderne Tötungsfanatiker und Demokratiefeinde 3. Dammbruch-Argument 4. Menschenbild und 5. Tradition und Kontinuität: Eugenik und Humangenetik 6. Kosten-Nutzen-Denken 7. Sterilisation und 8. Sterbehilfe (ebd.: 343).

    1.6 ZusammenfassungF

    Die Spezifik der Auseinandersetzung um Eugenik und „Euthanasie“ in Deutschland vor den Auftritten Singers lag vor allem in der Verallgemeinerung des Besonderen. Befürworter_innen der „Euthanasie“ tendierten zu einer Argumentation am Einzelfall und nutzten diese Beschreibung dann wiederum, um allgemeingültige Aussagen zu treffen. Dabei findet die gesellschaftliche Dimension von Behinderung und Krankheit kaum Beachtung in der Argumentation für „Euthanasie“. Auch Singer nutzte drastische Einzelfälle für die Begründung seiner Praktischen Ethik und lieferte so auch die ethische Grundlage für medizinische Praktiken, die bereits Anwendung fanden. Generell tritt Singer in einer Zeit auf, in der gesellschaftlich diskutiert wird über Lebensqualität und Grenzen des Lebenswertes. Er und seine Schrift reihen sich damit in den „Bioethik“ Diskurs ein.

    Die Behindertenbewegung wurde hier als soziale Bewegung gefasst, deren zentraler ideologischer Kern die Forderung nach Selbstbestimmung ist und deren Besonderheit darin bestand, dass sie häufig Vereinnahmungen unterlag, sowohl durch Verbände und Vereine der Interessenvertretung behinderter Menschen, als auch durch die Profession Sonderpädagogik. Seit Beginn ihrer Organisation beschäftigte sich die Behindertenbewegung mit den Themen Eugenik und „Euthanasie“, zunächst maßgeblich historisch, später mit Schwerpunkt auf aktuellen Entwicklungen. In Auseinandersetzung mit letzteren war die Strategie der Bewegung maßgeblich geprägt von den Versuchen, den aufkommenden, „Euthanasie“ befürwortenden Diskurs zu verhindern. In der Frage um (selektive) Abtreibung kollidierten die Forderungen der Behindertenbewegung zum Teil mit denen der damaligen Frauenbewegung, was eine lange Auseinandersetzung zwischen den beiden Bewegungen zur Folge hatte. Im Gegensatz zur Behindertenbewegung reagierte die Sonderpädagogik erst nach Singers Erscheinen in der Öffentlichkeit auf die Themen Eugenik und „Euthanasie“, dann jedoch mit einer Fülle an Veröffentlichungen insbesondere durch ethische Auseinandersetzungen mit der eigenen Profession. Mit Brill (1994) liegt bereits eine Untersuchung der Auseinandersetzung in deutschsprachigen sonderpädagogischen Fachzeitschriften vor, die als Grundlage für die Auswahl des Korpus der vorliegenden Arbeit dienen kann.

    Die Sonderpädagogik und die Behindertenbewegung, die zuvor in einem spannungsreichen Verhältnis standen, argumentierten in der „Euthanasie“-Debatte gegen dieselben gesellschaftlichen Entwicklungen und konkret gegen Singer als einen Ausdruck davon. Im Folgenden werde ich unter anderem auch der Frage nachgehen, inwiefern sich die Argumentationen der beiden Akteur_innen glichen und welche Konsequenzen das möglicherweise für ihr Verhältnis hatte. Zunächst werde ich im nun anschließenden Kapitel die methodische Herangehensweise an die Fragestellung: Wie wurde das Recht auf Leben in der neuen „Euthanasie“-Debatte in Deutschland verteidigt? vorstellen. Hierfür werde ich zunächst die Grundlagen der Wissenssoziolgischen Diskursanalyse umreißen (Kap. 2.1). Im nächsten Schritt werde ich erarbeiten, inwiefern die „Euthanasie“-Debatte als Diskurs im Foucaultschen Sinn verstanden werden kann und wie dieser grob aufgebaut ist (Kap. 2.2). Dies stellt, neben den theoretischen Vorüberlegungen, die Grundlage für das Eingrenzen des Korpus dar, welches in Kapitel 2.3 näher erläutert wird. Das letzte Unterkapitel der Methodenerläuterung stellt mein konkretes analytisches Vorgehen dar (Kap. 2.4).



    [4] Bösl spricht, um das Netz an gesellschaftlichen Diskussionen und Folgen durch Contergan zu erfassen, vom Contergankomplex (Bösl, 2009a: 226).

    [5] Informationen zur DGHS. Zugriff zuletzt 23.06.2015 unter http://www.dghs.de/wir-ueber-uns/geschichte.html

    [6] Diese Auflistung wurde in der revidierten Fassung der Einbecker Empfehlung von 1992 gestrichen und nur noch von „Fällen“ gesprochen, die das Unterlassen der ärztlichen Behandlung rechtfertigen, ohne diese konkret zu bestimmen.

    [7] Spiegel Nr. 16 vom 13.04.1987

    [8] Eine Chronologie der Ereignisse fndet sich in Bruns et al., 1990: 85 ff.; Eine Sammlung der Reaktionen auf Singer in den Akademien bei Anstötz et al., 1995.

    [9] Heute Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.

    [10] Das Verhältnis der Behindertenbewegung zu Elterninitiativen und Verbänden der Interessenvertretung behinderter Menschen wird in der vorliegenden Arbeit nur am Rande thematisiert, ist jedoch ein Forschungsdesiderat.

    [11] § 218 StGB regelt den Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen.

    [12] Die verschiedenen Gesetzesfassungen sind einzusehen unter http://lexetius.com/StGB/218a [Zugriff zuletzt am 15.09.2015]

    [13] Die Revolutionären Zellen waren sogenannte „Stadtguerillagruppen“, die Anfang der 1970er bis Ende der 80er anonym verschiedene politische Aktionen durchführten, darunter vor allem Anschläge gegen Sachen, der jedoch auch Menschen zum Opfer fielen (vgl.: ID-Archiv im IISG, 1993).

    [14] Für eine Auflistung der Anschläge vgl.: ID-Archiv im IISG, 1993: 615 ff.

    [15] Brill untersuchte folgende Zeitschriften von 1989 bis Mitte 1992: Behindertenpädagogik, Geistige Behinderung, Heilpädagogische Forschung, Sonderpädagogik, Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete und die Zeitschrift für Heilpädagogik.

    2. Wissenssoziologische Diskursanalyse

    2.1 Grundlagen der Wissenssoziologischen Diskursanalyse

    Ich beziehe mich in dieser Arbeit auf die Wissenssoziologie als theoretische Grundlage. Wissen basiert danach auf gesellschaftlich hergestellten symbolischen Systemen. Die Wissenssoziologie versteht „Erkenntnis und Wissen als Produkte sozial vermittelter Bedeutungen, die mehr von der Akzeptanz als von der Wahrheit geleitet sind.“ (Tänzler et al., 2006: 7) und setzt sich zur Aufgabe, „die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit zu analysieren“ (Berger/Luckmann, 1992: 3). Weiter kann diesen Vorstellungen folgend davon ausgegangen werden, dass die symbolischen Systeme in Diskursen „produziert, legitimiert, kommuniziert und transformiert“ (Keller, 2011: 125) werden. So richtet sich das Erkenntnisinteresse des diskursanalytischen Forschungsvorhabens auf die Rekonstruktion und Analyse dessen. Kellers diskursanalytische Programmatik stützt sich auf Bergers und Luckmanns Gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (Berger/Luckmann, 1992) und verknüpft diese mit der Foucaultschen Diskurstheorie (vgl. Angermuller/Wedl, 2014: 179). Foucaults Diskursbegriff beinhaltet den Versuch, Wissen und Handlungen miteinander zu denken. Diskurse brächten ihm zufolge hervor, wovon sie sprächen. Foucault erläutert dies exemplarisch an der „Geisteskrankheit“, die konstituiert worden sei, indem sie benannt und beschrieben wurde (Foucault, 1981: 49). Keller akzentuiert die Handlungspotentiale der Akteur_innen im Diskurs verstärkt, sodass diese „[...] mehr sind als Trottel der Diskurse“ (Keller/Truschkat, 2014: 297), sondern verstanden werden als die Träger_innen der Diskurse, also als Produzent_innen und Rezipient_innen von Diskursen (vgl. Traue et al., 2014: 497). Diskurse sind „abgrenzbare übersituative Zusammenhänge von Äußerungsformen (Praktiken der Artikulation) und Inhalten (Bedeutungen), die mehr oder weniger stark institutionalisiert sind.“ (Keller, 2011: 142). Dem Diskurs als Praktiken zuzuordnen sind nicht nur die legitimen Sprachäußerungen, die zu seiner Konstitution beitragen, sondern auch Handlungsweisen oder nicht verschriftlichte Normen. Die (Deutungs-)Muster, die diesen diskurskonstituierenden Praktiken zugrunde liegen und mit konkreten Ereignissen verknüpft werden, sind es, worauf sich das Untersuchungsinteresse richtet (ebd.: 144 und Keller/Truschkat: 2014: 303).

    „Die WDA [Wissenssoziologische Diskursanalyse, J.W. ] nimmt an, dass in Diskursen mehr oder weniger spezifische Kombinationen von Deutungsmustern prozessiert werden, bzw. dass die Gegenstandskonstitution in Diskursen auf der Aussageebene in Gestalt von Deutungsmustern wissensanalytisch beschrieben werden kann.“ (Keller/Truschkat, 2014: 303).

    Die Wissenssoziologische Diskursanalyse ist keine Methode der Sozialwissenschaften, sondern stellt, ähnlich der in den theoretischen Vorüberlegungen ausgeführten Disability History, die die Perspektive der Arbeit auf Behinderung bestimmt, die Perspektive auf das konkrete analytische Vorgehen dar. Dieses orientiert sich zum einen an der sequenzanalytischen Deutungsmusterrekonstruktion (Keller, 2011: 150). Die Sequenzanalyse, die von Keller im Rahmen der Wissenssoziologischen Diskursanalyse vorgeschlagen wird, geht „im Anschluss an die interpretative Sozialforschung davon aus, dass schriftlich fixierte Dokumente (alle Arten von Texten, verschriftete Interviews) als eine Abfolge von einzelnen Schritten der Sinnentfaltung bzw. des Sinnaufbaus gelesen werden können.“ (Keller/Truschkat, 2014: 305). Zum anderen orientiert sich das analytische Vorgehen an den methodischen Vorschlägen zur Durchführung diskursanalytischer Forschung von Diaz-Bone (2006); Diese werden modifiziert für die vorliegende Arbeit im Kapitel 2.4, dem konkreten analytischen Vorgehen, besprochen.

    2.2 Die „Euthanasie“-Debatte als Diskurs

    Das Abgrenzen eines Diskurses ist immer ein willkürlicher Akt der forschenden Person (Kajetzke, 2008: 108). Trotzdem kann, entlang bestimmter Kriterien, von Diskursen gesprochen werden. „Entscheidendes Kriterium für die Bestimmung eines Diskurses ist, ob sich unterschiedliche Praktiken auf einen übersituativen, überindividuellen und zumindest vorläufig stabilen Sinn beziehen bzw. diesen herstellen“ (Traue et al., 2014: 493).

    Thema der vorliegenden Arbeit ist die neue „Euthanasie“-Debatte, welche als einer der „Diskursstränge“ des übergeordneten Bioethik-Diskurses verstanden werden kann. Neben „Euthanasie“ sind hier noch aktive Sterbehilfe, selektive Abtreibung und Humangenetik, bzw. Pränataldiagnostik als weitere Diskursstränge zu verstehen (s. Kap. 1.2). Diskursstränge sind thematisch einheitliche Diskursverläufe. Diskursfragmente (Texte), die ein bestimmtes Thema verhandeln, bilden einen Diskursstrang (Jäger, 2011: 108).

    Dabei ist nicht immer eindeutig und klar zu unterscheiden, inwiefern die Diskursstränge voneinander abzugrenzen sind, beziehungsweise können sich Diskursfragmente auf verschiedene Diskursstränge beziehen und diese verschränkt thematisieren (ebd.: 108). Der Bioethik-Diskurs kann verstanden werden als Kampffeld (Kajetzke, 2008: 84), in dem um die Bedeutungskonstitutionen bestimmter Phänomene, hier unter anderem Gesundheit, Selbstbestimmung, Lebensqualität und Leiden, gerungen wird. Auf diese „Gegenstände“ wird sich in unterschiedlichen Praktiken immer wieder bezogen, so beispielsweise durch die ärztliche Praxis des „Liegenlassens“, durch Patientenverfügungen oder, dem zuwiderlaufend, durch Proteste gegen diese gesellschaftlichen Entwicklungen (s. Kap. 1.2 und 1.4). Gegenstand eines Diskurses meint die außerdiskursive Wirklichkeit, auf die sich der Diskurs bezieht und die er konstruiert, indem er sich auf sie bezieht (Traue et al., 2014: 498).

    Der übersituative Sinn des „Euthanasie“-Diskurses liegt vor allem in der Frage der Existenz „nicht lebenswerten Lebens“ und konstituiert damit auch einen bestimmten Behinderungsbegriff. Die Kategorie Behinderung wird im „Euthanasie“-Diskurs im Sprechen über Lebenswert mit Bedeutung gefüllt. Für die Auseinandersetzung mit der „Euthanasie“-Debatte bedeutet die Forschungsperspektive der Disability History zum einen, Behinderung nicht als vorausgesetztes Modell zu betrachten, sondern eben die Konstruktion der Kategorie in der Debatte zu betrachten und zu hinterfragen, wie diese mit Bedeutung gefüllt wird und wer ihr unter welchen Voraussetzungen zugeordnet wird bzw. sich ihr zuordnet. Zum anderen muss in der Betrachtung das Zusammenspiel materieller Zustände und gesellschaftlicher Diskurse berücksichtigt werden, um die körperliche Ebene der Kategorie nicht außer Acht zu lassen.

    Eine Besonderheit des Diskurses ist, dass Akteur_innen aufeinander treffen und sich so nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich miteinander auseinandersetzen, verknüpft mit politischen Aktionen. Diese Konfrontationen sind jedoch nicht ausreichend dokumentiert. Teil dieses Diskurses bzw. exponierte „diskursive Ereignisse“ sind Singers Auftritte und die damit einhergehende öffentliche Diskussion seiner Thesen. Weitere diskursive Ereignisse sind der Contergankomplex, Julius Hackethals Aktionen oder die „Einbecker Empfehlung“ (s. Kap. 1.2), wobei diese Ereignisse nicht nur Teil dieses einen Diskurs(-stranges) „Euthanasie“ sind.

    Als diskursive Ereignisse sind solche Ereignisse zu fassen, die politisch und häufig auch medial exponiert sind und den Diskurs merklich beeinflussen (Jäger, 2011: 109). In der vorliegenden Arbeit wird dieses vielschichtige thematische Feld auf verschiedenen Ebenen eingegrenzt, da weder der Diskurs als Ganzes noch der vollständige Diskursstrang „Euthanasie“ untersucht werden kann. In der Analyse fokussiere ich zeitlich und inhaltlich die Debatte nach dem diskursiven Ereignis „Singer“. Ich grenze den Rahmen weiterhin inhaltlich und akteursbezogen ein, indem ich ausschließlich den Teil des Diskurses betrachte, der sich gegen die sich durchsetzende Deutung, also die „Euthanasie“ befürwortende Argumentationslinie, richtet. Diese Eingrenzung folgt auch dem Vorschlag von Traue, Pfahl und Schürmann, die als eine mögliche Zusammenstellung des Datenkorpus die „Äußerungen mächtiger und marginalisierter Diskursproduzenten“ in Erwägung ziehen (Traue et al., 2014: 501). Die vehementeste Akteurin hierin ist die Behindertenbewegung, weshalb der Fokus der Arbeit auf ihren Äußerungsformen liegt, ergänzt und verglichen durch die der Sonderpädagogik. Insbesondere das Auftreten der Behindertenbewegung in Reaktion auf Singer stellt eine Art Gegendiskurs dar, der, zum Teil um die Macht des Diskurses wissend, versucht, anderes, „wahres Wissen“ zu etablieren bzw. das Etablieren des „wahren Wissens“ zu verhindern. „Wahres Wissen“ meint die Legitimität der getroffenen Aussagen. Wissen wird als wahr angenommen, wenn es bestimmten Regeln des Diskurses folgt (ebd.: 499). Das bedeutet nicht, dass die Äußerungsformen der Behindertenbewegung außerhalb des Diskurses stehen, ganz im Gegenteil sind sie prägender Bestandteil. Im „Euthanasie“- Diskurs geht es auch darum, welches Wissen Wahrheitswert bekommt und welches „als verrückt, radikal, verschroben, altmodisch und letztlich irrelevant“ (ebd.: 499) gilt.

    2.3 Sampling und Korpus

    Um die Heterogenität der Positionen innerhalb der Behindertenbewegung abzubilden versuche ich, möglichst viele verschiedene Reaktionen wiederzugeben. Dabei ist, wie bereits in Kapitel 1.4 aufgezeigt wurde, die Behindertenbewegung auch dadurch gekennzeichnet, dass sie an verschiedenen Stellen immer wieder durch die Profession Sonderpädagogik vereinnahmt wurde. Dies hat auch zur Folge, dass nicht immer eindeutig abzugrenzen ist, inwiefern Personen zur Bewegung gezählt werden können oder nicht. Beispielsweise sind unter den Aktivist_innen der Behindertenbewegung durchaus auch Sonderpädagog_innen.

    Die eigene Betroffenheit wird von den Aktivist_innen der Behindertenbewegung an manchen Stellen als Merkmal für die Zugehörigkeit gesetzt, ist aber keine Voraussetzung. Zunächst liegen für den Korpus die Ausgaben der randschau von 1989 bis 2000 vor. Die randschau verstand sich als verbandsunabhängiges Zeitungsprojekt und als eine Stimme der radikalen Behindertenbewegung. Deshalb habe ich hier alle Veröffentlichungen zum Thema berücksichtigt und keine Auswahl entlang der Autor_innen getroffen. Entstanden ist die randschau 1986 aus dem Zusammenschluss der Redakteur_innen der Krüppelzeitung und der Luftpumpe. Die Redaktion der Krüppelzeitung bestand ausschließlich aus behinderten Redakteur_innen. Die Luftpumpe hingegen war die Zeitung des CeBeeFs, des Clubs Behinderter und ihrer Freunde, und war untertitelt mit „Zeitung zur Emanzipation Behinderter und Nichtbehinderter“ (Mürner, Sierck, 2009: 168). Hier fanden sich 31 Artikel, die sich, gekennzeichnet durch die Schlagworte Singer, „Euthanasie“, Lebensrecht/Recht auf Leben, Praktische Ethik und Bioethik, mit dem Thema befassen. Neben Zeitschriftenartikeln sind dies auch abgedruckte Flugblätter von Protestaktionen und Briefe an Singer oder an Organisator_innen von euthanasiebefürwortenden Veranstaltungen.

    Die randschau-Artikel lieferten die Grundlage des Korpus, der nach erster Sichtung ergänzt wurde um den Abschnitt Der Fall Singer und DIE ZEIT aus Franz Christophs Tödlicher Zeitgeist (Christoph, 1990b), um einen anonymen radikal-Artikel (Anonym3, 1994), sowie um sechs Artikel aus dem Sammelband Tödliche Ethik (Bruns/Penselin/Sierck, 1990). Außerdem zählen zum Korpus der Abschnitt Von Menschen und Tieren: der Bio-Ethiker Peter Singer in Klees „Durch Zyankali erlöst“ (Klee, 1990), die Aufsätze von Horst Frehe und Gusti Steiner im Sammelband Lebensrecht und Menschenwürde. Behinderung, Eugenische Indikation und Gentechnologie (Herrmann/Lüpke, 1991), der Abschnitt Die Umwertung der Werte. Philosophie und „Euthanasie“ in Oliver Tolmeins Geschätztes Leben (Tolmein, 1990) und Theresia Degeners Tödliches Mitleid schützt vor Strafe (Degener, 1990). Bis auf Oliver Tolmein sind dies alles Autor_innen, die sich explizit zugehörig fühlen zur Behindertenbewegung der Zeit. Tolmein habe ich aufgrund seiner Popularität in und seiner expliziten Solidarität mit der Behindertenbewegung in den Korpus aufgenommen. Zudem liegt durch Didi Danquarts Film Der Pannwitzblick (1991), der sich mit der Behindertenfeindlichkeit der Zeit auseinandersetzt, ein weiteres Diskurselement vor. Danquart selbst sieht den Pannwitzblick als Reaktion auf die neue „Euthanasie“-Debatte und die Behindertenfeindlichkeit der Gesellschaft (Sierck/Danquart, 1993, 11 f.). Für die Behindertenbewegung liegt somit ein Korpus von 45 Diskursbeiträgen vor.

    Für die Sonderpädagogik lässt sich ab 1990 eine Flut an Veröffentlichungen verzeichnen, die sich mit Singers Thesen und ethischen Fragen der eigenen Profession auseinandersetzen (s. Kap. 1.5). Ich möchte den Datenkorpus für die Sonderpädagogik enger eingrenzen, da die Diskussion in sonderpädagogischen Fachzeitschriften nicht in Gänze erfasst, sondern vor allem eine Quintessenz der Position der Profession generiert werden soll. Außerdem liegt durch Brill (1994) bereits eine Untersuchung vor, auf deren Grundlage das theoretische Sampling hier aufgebaut werden kann.

    Um die Kernargumentationen nachzeichnen zu können, werde ich lediglich die Veröffentlichungen zentraler zeitgenössischer Vertreter der Profession in bekannten Fachzeitschriften untersuchen. Diese sind: Georg Theunissen, Ulrich Bleidick, Georg Antor, Georg Feuser, Peter Rödler und Wolfgang Jantzen in der Zeitschrift für Heilpädagogik und der Zeitschrift Behindertenpädagogik.[16] Dabei ist Theunissen der erste, der in der Zeitschrift für Heilpädagogik zum Thema veröffentlichte (Theunissen, 1989). Bleidick und Antor können als Vertreter der Orientierung am Kritischen Rationalismus in der Sonderpädagogik, Feuser und Jantzen als Vertreter der materialistischen Sonderpädagogik gesehen werden (vgl. Moser/Sasse, 2008). Ulrich Bleidick ist zu der Zeit Schriftleiter der Zeitschrift für Heilpädagogik; Peter Rödler, unter Mitarbeit von Georg Feuser, Schriftleiter der Zeitschrift Behindertenpädagogik. Diese Vorauswahl ergibt einen Korpus von elf Zeitschriftenartikeln. Die Position Christoph Anstötz', einer der wenigen Zugehörigen zur sonderpädagogischen Profession, die Singer vehement verteidigen, wird nicht gesondert untersucht, da diese zwar den Streit innerhalb der Profession befeuert, aber weder repräsentativ ist für die Reaktionen der Sonderpädagogik, noch dem Fokus der Arbeit entspricht.[17]

    2.4 Analytisches Vorgehen

    Zunächst habe ich den provisorischen Korpus für die Behindertenbewegung, also die Zusammenstellung von randschau-Artikeln, die mit den Schlagwörtern Singer, „Euthanasie“, Lebensrecht/Recht auf Leben, Praktische Ethik und Bioethik, agierten, einer Oberflächenanalyse unterzogen, also nach wiederkehrenden Thematisierungen beziehungsweise Problematisierungen gesucht (vgl. Diaz-Bone, 2006: 14). Hier wurden bereits Bezüge im Text deutlich, die das Erweitern des Korpus verlangten. In Ausdifferenzierung der Fragestellung der Arbeit Wie wurde das Recht auf Leben in der Debatte um „Euthanasie“ verteidigt? und entlang der methodischen Vorschläge von Diaz-Bone (2006: 15 ff.) habe ich folgende Fragen an den Korpus erarbeitet:

    • Welche Argumentationsweisen lassen sich unterscheiden?

    • Welche sprachlichen und symbolischen Mittel wurden eingesetzt um die Gegenstände

    • „Recht auf Leben“ und „Euthanasie“ zu konstituieren?

    • Wie wurden diese Gegenstände im Diskurs definiert? Welche Phänomenstruktur weisen sie auf?

    • Welche weiteren Phänomene wurden im Diskurs konstituiert?

    Den erweiterten Korpus habe ich nach im Textfluss wiederholt auftretenden Objekten und Begriffen durchsucht (vgl. Diaz-Bone, 2006: 15). Es ergaben sich sich verdichtende Topoi, entlang derer ich Kategorien aus dem Text generiert habe. Diese waren: Vergleiche zum Nationalsozialismus, Dokumentation des Protests, Verhindern des Diskurses, politische Forderungen nach gesellschaftlicher Veränderung, Rechtliche Auseinandersetzung und Aufzeigen der Argumente der Gegenseite.

    Dieses Vorgehen habe ich mit dem Korpus für die Sonderpädagogik wiederholt und möglichst darauf geachtet, nicht die Kategorien zu reproduzieren, die sich im ersten Teil ergaben. Die sich verdichtenden Topoi im Korpus für die Sonderpädagogik waren denen, die ich im Korpus der Behindertenbewegung aufgefunden habe, sehr ähnlich, sodass ich die Kategorien weiter formulierte, um sie für beide untersuchten Akteurinnen nutzen zu können, was letztlich die vergleichende Perspektive erleichtern sollte.

    Die Kategorien waren nun:

    A: Mahnende, historische Vergleiche

    B: Selbstbeschreibung

    C: Verhindern des Diskurses

    D: Gesellschaftliche Veränderung

    E: Recht

    F: Argumentation der Gegenseite

    G: Bioethik & Kapitalismuskritik

    Verglichen mit Brills Kategorien (1994, s. Kap. 1.4) fällt auf, dass Brill aus der Kategorie A (mahnende, historische Vergleiche) mehrere Unterkategorien generierte, er jedoch die Kategorien B, C, und E nicht besprach. Dies ist dadurch zu erklären, dass der Fokus von Brills Untersuchung auf der logisch-argumentativen Seite der Debatte liegt, und die vorliegende Untersuchung diesen um einen diskursanalytischen Blick zu erweitern versucht. Von diesem Punkt abgesehen, sind Brills und meine Kategorien durchaus ähnlich.

    Nach diesen analytischen Schritten habe ich sowohl aufgrund der ersten Erkenntnisse aus dem Text als auch in Erweiterung der theoretischen Vorüberlegungen der Arbeit und entlang der Vorüberlegungen zur Disability History folgende weitere Fragen an den Korpus erstellt:

    • Welche Interessen von Diskursteilnehmer_innen werden sichtbar?

    • Wie wurde „Selbstbestimmung“ im Kontext der Debatte verhandelt, wie mit Bedeutung gefüllt?

    • Wer teilt sich der Kategorie „Behinderung“ zu, wer wird ihr zugeteilt?

    • Wie wird die Kategorie Behinderung benutzt?

    Im folgenden Teil der Arbeit, der Analyse, werden zunächst die Argumentationsweisen der Behindertenbewegung für das Recht auf Leben beziehungsweise gegen die neue „Euthanasie“-Debatte dargestellt, anschließend die der Vertreter der Sonderpädagogik, beide entlang der sieben Kategorien, die aus dem Text generiert wurden. Dies geschieht, indem Textstellen, die typische Diskursbeiträge darstellen, exemplarisch aufgeführt werden, um so die diskursive Ausgestaltung der Argumentationsweisen möglichst aufzeigen zu können. Anschließend werden die beiden Phänomenbereiche Selbstbestimmung und Behinderung, die meines Erachtens zentral sind im Diskursstrang „Euthanasie“, gesondert betrachtet und ebenfalls entlang exemplarischer Diskursbeiträge nachgezeichnet und erläutert.



    [16] Die Zeitschrift für Heilpädagogik wird vom Verband der Sonderschulen, die Zeitschrift Behindertenpädagogik vom Landesverband Hessen desselben Verbandes herausgegeben.

    [17] Trotzdem ist anzumerken, dass Anstötz auf viele Auseinandersetzungen innerhalb der Profession mit Singers Thesen und ihren Implementierungen in Form von Repliken in der Zeitschrift für Heilpädagogik und der Zeitschrift Behindertenpädagogik reagiert (bspw. Anstötz, 1991 oder Anstötz 1993), eine Reihe von Veröffentlichungen zur Verteidigung Singers macht und im Gesamtbild des Konflikts in der Profession vergleichsweise dominant ist. Wiederum reagieren Ulrich Bleidick, Markus Dederich und Riccardo Bonfranchi auf Anstötz' Repliken (Bleidick, 1991; Bonfranchi 1993; Dederich 1993), was zeigt, dass seine Position durchaus Gehör bekommt. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Anstötz' Haltung s. Brill, 1994: 325 ff.

    3. „Unser Lebensrecht ist nicht diskutierbar!“

    3.1 Unser Lebensrecht ist nicht diskutierbar! Argumentationen der Vertreter_innen der Behindertenbewegung

    A. „Aus der Geschichte nichts gelernt“

    „Wer nicht merkt, daß die Aufwertung solcher Tötungsideen durch Gesprächsbereitschaft in einem honorigen Kreis geschieht, hat aus der Geschichte nichts gelernt und steht auf der Seite der künftigen Täter.“ (Sierck, 1989: 9).

    Eine Argumentationslinie, die von Vertreter_innen der Behindertenbewegung verfolgt wurde, um das Recht auf Leben zu verteidigen, ist das Arbeiten mit mahnenden, historischen Vergleichen zum Nationalsozialismus. Insbesondere wurden an verschiedenen Stellen Parallelen gezogen zu dem aufkommenden wissenschaftlichen Interesse an Eugenik in der Weimarer Republik und zu der Entwicklung von eugenischen Fachdiskussionen hin zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ (Sierck, 1989: 9; Christoph, 1990a: 29; Weß, 1990: 59, Klee, 1990: 68 ff.; Steiner, 1991: 203; Schönwiese, 1991: 16; Bioskop et al., 1996: 43; Klee, 1996: 44). Diese Parallele wurde auch durch den Vergleich der Singerschen Argumentation mit jener von Binding und Hoche gezogen (Weß, 1990: 59 ff.; Goettle, 1990: 72 ff.; Klee, 1990: 67). Binding und Hoche gaben 1920 Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens heraus (Binding/Hoche, 1920), auf die sich die NationalsozialistInnen später bezogen. In der Argumentation mit mahnenden, historischen Vergleichen wiesen die Vertreter_innen der Behindertenbewegung auch auf die Kontinuität eugenischen Denkens in damaligen medizinischen Institutionen hin und forderten eine Aufarbeitung der Geschichte ein (Sierck, 1990: 32; Aurien, 1990: 49 ff.). Wiederholt wurde angeklagt, dass aus der Geschichte nichts gelernt wurde (Sierck, 1989: 9; Christoph, 1989: 11; Weß, 1990: 59). Ursula Aurien argumentierte, dass die Gleichsetzung von Mensch und Tier, beziehungsweise die Aufweichung dieser Grenze vor allem einer Entmenschlichung diene, die auch Grundlage war für die systematischen Morde der NationalsozialistInnen (Aurien, 1990: 56).

    In dieser Argumentationslinie verwiesen Sierck, Goettle und Klee auch auf die Nazivergangenheit der „Gründungsväter“ der Lebenshilfe, Werner Villinger und Hermann Stutte, und kritisierten die späte Aufarbeitung dieser Besetzung (Sierck, 1990: 32 f., Goettle, 1990: 69; Klee, 1990: 63 ff.). Klee nannte hier neben den Versäumnissen der Lebenshilfe auch die der Sonderpädagogik (Klee, 1990: 73). In diesem Zuge griff Sierck die Lebenshilfe als Organisation von Eltern an, welche die Behinderung ihrer Kinder nicht verarbeitet hätten (Sierck, 1989: 8 und 1990: 32) und die durch ihre Veranstaltungen zum Teil durchaus in inhaltlicher Nähe zur „Euthanasie“ stehen würden (Sierck, 1990: 33). Vieweg benannte jedoch auch die Schwierigkeit eines linearen Vergleichs von nationalsozialistischem Gedankengut und der neuen „Euthanasie“-Debatte, hielt ihn gleichzeitig jedoch für naheliegend (Vieweg, 1995: 42). Frehe sah hingegen die Debatte als Ausdruck kapitalistischer Gesellschaft und weniger als „Rückfall in die faschistische Barbarei“ (Frehe, 1991: 224).

    Sprachliches und symbolisches Mittel in der Argumentation mit Vergleichen zum Nationalsozialismus war vor allem die Verwendung von Terminologien für die Beschreibung der damals aktuellen Geschehnisse und Entwicklungen, die üblicherweise zur Beschreibung des Nationalsozialismus genutzt werden. So wurde von „Schreibtischtätern“ (Sierck/Mürner, 1991: 9; Christoph, 1991: 10) oder von „Tötungspropaganda“ (Forum der Krüppel- und Behinderteninitiativen in der AG Spak, 1996) geschrieben. Besonders vehement hierin waren Franz Christoph, Gabriele Goettle und Ernst Klee. Christoph sprach von „demagogischer Propaganda für die Vernichtung behinderten Lebens“ (Christoph, 1989), Gabriele Goettle nutzte die Begriffe „Auslese“ (Goettle, 1990: 70), „Ausmerzung“ (ebd.: 71), „Vernichtungsethik“ und „Massenmord“ (ebd.: 78) und sah Singer in direkter Nachfolge einer Wissenschaft, die sich mit „Rassenanthropologie, Erbgesundheit, Rassenhygiene und Humangenetik“ (ebd.: 73) befasst. Klee warf Singer vor, die Kategorie „Untermensch“ zu erschaffen (Klee, 1990: 67).

    Auch der Film Der Pannwitzblick stellte die neue „Euthanasie“-Debatte in die Nähe nationalsozialistischer Ideologie. Bereits der Titel verweist auf die Kontinuitäten der Eugenik und Selektion, da er Primo Levi zitiert, der von dem Arzt in Auschwitz, Dr. Pannwitz, mit seinem selektiven Blick „Ist das ein Mensch?“ gedemütigt wird (vgl. Levi, 2011) und unter diesem Titel den medizinischen, selektiven Blick auf behinderte Menschen im Film thematisiert. Die Auseinandersetzung mit Singer im Film funktioniert, indem er selbst spricht, von Wolfgang Röcker und Theresia Degener anschließend kommentiert wird und die ganze Sequenz eingerahmt ist von Szenen aus dem NS- Propagandafilm „Ich klage an“ sowie der Darstellung behinderter Menschen durch die Nazis (Danquart, 1991: ab 1.02.44 min.). Die Szenen aus „Ich klage an“ ziehen sich durch den ganzen Film, jedoch wird eine Bedeutung dadurch hergestellt, dass Singer sein Plädoyer für mögliche „Euthanasie“ an behinderten Neugeborenen schließt mit „[...] aber dafür muss das Gesetz geändert sein“ und direkt daran anschließend die letzte Szene aus „Ich klage an“ gezeigt wird, in der vor Gericht über die Legitimität des assistierten Suizids verhandelt wird (ebd.: ab 1.09.51 min.).

    B. „Singer kommt – Wir auch!“

    „SINGER KOMMT - WIR AUCH! […] Wir werden Singer auch diesmal gebührend empfangen. Zu diesem Zweck wird es vielfältige und unberechenbare Aktionen geben. Alle sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen und eigene Ideen zu entwickeln – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!“ (Forum der Krüppel- und Behinderteninitiativen in der AG Spak, 1996).

    Viel Raum in den Veröffentlichungen zur „Euthanasie“ - Debatte nahm die Beschreibung des Protestes beziehungsweise der einzelnen politischen Aktionen sowie die Aufrufe zu diesen ein, nahezu alle Veröffentlichungen enthalten Beschreibungen von Protestaktionen und deren Konsequenzen. Unter den Protestbeschreibungen findet sich im Sammelband Tödliche Ethik auch eine detaillierte Chronologie der Geschehnisse von April 1989 bis Januar 1993 (Anonym2, 1990: 85 ff.) und eine Chronologie der Aktionen gegen den „Science/Fiction Kongress“ in Köln (Heidelberger Appell, 1996: 28).

    Hierbei unterscheiden sich Dokumentationen, welche die Größe des Protestes und seiner daraus entstehenden Möglichkeiten beschrieben („Angesichts des bereits abgesagten Symposiums eine erstaunliche Zahl“ Sierck, 1989: 10) von solchen, die versuchten mögliche zukünftige Veranstalter_innen und Befürworter_innen einzuschüchtern („Wenn sie es dennoch tun [weitere Diskussionen um „Euthanasie“ führen, J.W. ], muss die LEBENSHILFE mit Widerstand rechnen.“ Sandfort, 1989: 10; „Praktische Ethik erfordert praktischen Widerstand“ Anonym1, 1996: 26) und zu anstehenden Aktionen aufriefen (Christoph, 1991; Klee, 1996). In der Auseinandersetzung mit der EMMA ging dies einher mit einer Solidaritätsbekundung zum Angriff auf die Redaktion der EMMA in Folge einer Pro-Singer Veröffentlichung („EMMA hat das schon lang verdient!“ FrauenLesbenzusammenhänge, 1994: 34).

    Zuletzt lassen sich Dokumentationen unterscheiden, die der Kommunikation der bisherigen Aktionsplanung und dem Versuch, einen politischen Konsens zu fassen, dienten (Jonas, 1994: 34). Durch das Aufzeigen des bisher Erreichten und den Fragen die sich daraus ergaben, beispielsweise ob Veranstaltungen mit „Euthanasie“-Befürworter_innen verhindert oder kritisch begleitet werden sollten (Jonas, 1994: 34; Steiner, 1994: 37), zum Teil aber auch durch Aufzeigen der Grenzen des Protestes (Anonym1, 1996: 26) wurde versucht, der „Anti-Eugenik/Anti-„Euthanasie“-Bewegung“ bzw. dem „Anti-eugenischen Widerstand“ (Christoph, 1990: 31; Schopmans/Lux, 1994: 31; Jonas, 1994: 34) eine einheitliche Richtung zu geben. Sprachliches Mittel war hier die Verwendung bestimmter Termini radikaler sozialer Bewegungen, insbesondere der autonomen und Antifa-Gruppen der Zeit, beispielsweise als Christian Judith und Kathrin Heiß zum Protest gegen Singer aufriefen mit „Kein Reifen breit den EuthanasiepropagandistInnen“ (Judith/Heiß, 1997: 39) und damit das „Kein Fuß breit den Faschisten“ der linksradikalen Gruppen im Protest gegen Naziaufmärsche zitierten (vgl. hierfür Langer, 2014). Wobei hier auch davon auszugehen ist, dass es bestimmte personelle Überschneidungen zwischen diesen Gruppierungen gab, welche auch offen thematisiert wurden (Winter, 1996: 27; Heidelberger Appell, 1996: 29; Judith/Heiß, 1997: 38).

    Martin Seidler beschrieb in seinem Beitrag die juristische Verfolgung Beteiligter an Protesten gegen Singer und rief die Leser_innen dazu auf zu spenden und an öffentlichen Prozessen teilzunehmen (Seidler: 1997: 41). Auch er nutzte die Sprache bzw. Strategie radikaler linker Zusammenhänge, wenn er schrieb: „Wir betrachten die Strafverfolgung nicht als Privatsache, sondern begreifen uns als StellvertreterInnen für all diejenigen, die Singers Thesen als im höchsten Maße gefährlich ansehen“ (ebd.: 41) und damit die Strategie der „Solidaritätsbewegungen gegen staatliche Repression“, der Roten Hilfe, übernahm (vgl. hierzu Bambule, 2013: 7f.). Auch die Ansprache der Leser_innen als Teil einer spezifischen Bewegung („Wir“ Jonas, 1994: 34; Steiner, 1994: 37) kann als sprachliches Mittel verstanden werden, welches ein bewegungskonstituierendes Zugehörigkeitsgefühl zu generieren versucht. In den Protestbeschreibungen stellte Christophs Beschreibung des „Fall Singer“ insofern eine Ausnahme dar, als dass dieser vor allem von seinen Protestaktionen und seinen direkten Auseinandersetzungen mit den Redakteur_innen der ZEIT berichtete (Christoph, 1990b, 60 ff.).

    Neben diesen Arten der Dokumentation des Protestgeschehens beziehungsweise der Selbstbeschreibung der Behindertenbewegung wurden im Zuge der Konstitution der Bewegung auch interne Differenzen verhandelt, so beispielsweise im anonym verfassten radikal-Artikel (Anonym3, 1994), in Christophs Ausführungen zur Protestzusammensetzung (Christoph, 1990b) oder im Zuge der Reaktionen auf die Veröffentlichung der EMMA zu Singer. Ersterer setzte sich eingehend mit internen Differenzen der Anti- Eugenik Bewegung auseinander, so mit der umstrittenen Position Christophs in der Bewegung, der Frage um die Wichtigkeit der Verhinderung von Pro-„Euthanasie“ Veranstaltungen, Fragen zu Bündnispolitik und dem Verhältnis zwischen Behinderten- und Frauenbewegung sowie zwischen Behindertenbewegung und der radikalen Linken (Anonym3, 1994: 8 ff.). Der Artikel kritisiert vehement Franz Christophs „Schulterschluß mit katholisch-klerikalen „Euthanasie“-Gegnern“ und sein sonstiges öffentliches Auftreten (ebd.: 9).

    Christophs interne Kritik belief sich vor allem auf die Rolle und Äußerungen nichtbehinderter Mitprotestierender, denen er unterstellte, sie würden die akute Bedrohung behinderter Menschen durch die neue „Euthanasie“ unterschätzen und nur als Vorwand nutzen um eigene Themen öffentlich zu machen, wie beispielsweise der Druck, der durch Pränataldiagnostik auf schwangeren Frauen liegt (Christoph, 1990b: 57). Christoph wiederum wurde von feministischen Aktivist_innen als antifeministisch angegriffen und seine Rolle in der Szene kritisiert. Ihm wurde unterstellt, in der Szene isoliert zu agieren und es wurde das singuläre mediale Interesse an ihm kritisiert, darunter auch die wiederholte Behauptung er sei eine führende Figur in der Behindertenbewegung (Aurien, 1994: 30; Schopmans/Lux, 1994: 31; Arnade, 1994: 32).

    Weiter kritisierten Aktivist_innen der Behindertenbewegung, dass sich im Protest stark auf Singer konzentriert wurde, was dazu führte, dass andere Personen und Entwicklungen im Bereich „Bioethik“ nicht genügend Aufmerksamkeit bekämen (Anonym1, 1996: 25). Winter sprach hier von einem „Windschatten des öffentlichen Interesses an Peter Singer“, indem andere deutsche Bioethiker „mehr oder weniger unbehelligt dessen Positionen vertreten und sie auf bundesdeutsche Rechtsverhältnisse anwendbar machen“ könnten (Winter, 1996: 34). Weiter kritisierte er die Orientierung an einzelnen spektakulären Aktionen und plädierte für regelmäßige Tagungen und Arbeitskreise, die der Etablierung eines anderen Diskurses gewidmet sein sollten (ebd.: 27). Auch Sierck, Sandfort und Frehe kamen in ihrem Gespräch zu dem Schluss, dass das Beharren auf der Verhinderung des Diskurses an manchen Stellen eine Blockade der Etablierung eines Gegendiskurses darstellte (Sierck et al.: 1994: 10 f.).

    Das Verhältnis zur Sonderpädagogik wurde nur am Rande thematisiert. Aurien kritisierte den Präventionsbegriff der Sonderpädagogik, Sierck und Jonas warfen ihr vor, sie reagierte zu spät auf Singer bzw. lasse die praktische Ethik in der Profession Fuß fassen durch zu geringe Widerstände gegen Christoph Anstötz (Sierck, 1989: 7 f.; Jonas, 1990: 47 f.). Klee kritisierte sie vor allem für ihre mangelhafte Aufarbeitung ihrer Rolle im Nationalsozialismus (Klee, 1990: 73) und stellte eine Kontinuität eugenischen Denkens im sonderpädagogischen Mitleid und dem der Verbände der Behindertenhilfe fest:

    „Eines müssen sich aber auch die Behinderten-Verbände vor Augen führen: Wer ständig damit wirbt, mit Behinderten Mitleid zu haben, kann sich letztlich nicht wundern, wenn sich Leute anbieten, den Erlöser zu spielen.“ (Ebd.: 78).

    C. „Kein Reifen breit den EuthanasiepropagandistInnen!“

    „Fazit für uns, immer wieder hingehen, hinfahren und kein Fuß breit/Reifen breit den EuthanasiepropagandistInnen. Eine „Diskussion“ über unser Lebensrecht dürfen wir nicht zulassen!“ (Judith/Heiß, 1997: 39).

    Die raumgreifendste Strategie des Protestes war nicht, überzeugende Argumente gegen die Gegenseite vorzubringen, also auszuführen, warum denn „Euthanasie“ illegitim sei, sondern vielmehr der Versuch, die gesamte Diskussion zu verhindern, Veranstaltungen zu unterbinden und Redner_innen nicht zu Wort kommen zu lassen. Begründet wurde dieses Vorgehen vor allem mit den Argumenten, die unter der Kategorie A, also mahnenden historischen Vergleichen zum Nationalsozialismus, erläutert wurden. Konsens war hier, dass, wenn eine Diskussion erst einmal zugelassen würde, sie, einem „Dammbruch“ gleich, nicht mehr aufzuhalten sei und zwangsläufig in die Eingrenzung des Lebensrechtes münde. Unter diese Kategorie beziehungsweise diese Strategie fallen die erfolgreiche Verhinderung der Lebenshilfe-Tagung im Juni 1989 (vgl. Anonym2, 1990: 86 f.), der Aufruf zum Boykott der EMMA, die im März/April 1994 einen Pro-Singer Artikel veröffentlichte (Verschiedene Unterzeichner_innen, 1994), die Forderung, Christoph Anstötz die Lehrbefugnis zu entziehen, die durch den Dekan des Instiuts geprüft wurde (Anonym2, 1990: 87) oder die Forderung nach einem Einreiseverbot für Singer anlässlich der Einladung zum „Science/Fiction Kongress“ 1996 (Bioskop/Bundesweites Forum der Krüppel- und Behinderteninitiativen, 1996: 43). Auch die öffentlichen Absagen von Vertreter_innen der Bewegung, die zu entsprechenden Veranstaltungen eingeladen wurden, so zum Beispiel Gusti Steiner (Steiner, 1994) oder Ernst Klee (Klee, 1996), sind Ausdruck dieser Strategie. Gleichzeitig stellte Klee fest, dass Singer erst durch die Proteste gegen ihn, seinen Bekanntheitsgrad erreichte (Klee, 1990: 66).

    Singers Praktische Ethik wurde sprachlich delegitimiert, indem sich auf sie als „Tödliche Ethik“/„Tötungsethik“ (Bruns et al., 1990; Christoph, 1991: 9; Bioskop et al., 1996: 43), „Tödlicher Zeitgeist“ (Christoph, 1990a), „Tötungsideologie“ (Steiner, 1994: 37) oder „Tötungsdiskurs“ (Jonas, 1994: 34) bezogen wurde. Singer wurde als „Schlachthofphilosoph“ oder „Todesphilosoph“ (Christoph, 1991: 9, 10) bezeichnet.

    Der Versuch, die Diskussion zu verhindern, geschieht an einer Stelle mit Wissen um den „Machtdiskurs der Wissenschaften“ und unter Bezugnahme auf Foucault (Biospkop et al., 1996: 43). Der anonyme radikal-Artikel hinterfragt die Aktionsformen und Proteste kritisch, bezweifelt die Wirkungsmacht der verwendeten Strategien und regte an einen „Gegendiskurs“ zu führen (Anonym3, 1994: 10), jedoch ohne Vorschlag, wie dieser aussehen solle. Auch Winter unterstützte das Vorhaben, statt sich auf die Blockade von Veranstaltungen zu konzentrieren, Gegenveranstaltungen zu organisieren und damit einen Diskurs zu etablieren, der dem sich durchsetzenden „Euthanasie“- Diskurs zuwider läuft (Winter, 1996: 27).

    D. Gesellschaftliche Veränderung

    In der Kategorie, die ich „Gesellschaftliche Veränderung“ genannt habe, möchte ich zwei Argumentationsweisen der Aktivist_innen der Behindertenbewegung für eine solche Veränderung nachzeichnen, zum einen die ethische und zum anderen die politische.

    Die Bezüge zu Ethik und Würde waren unter den Vertreter_innen der Behindertenbewegung eher selten. An einzelnen Stellen wurde lediglich auf die Unantastbarkeit menschlicher Würde verwiesen, dies aber nicht näher ausgeführt (Christoph, 1989: 11; Christoph, 1990: 64; Heidelberger Appell, 1996). Claudia Roth, die in ihrem Kommentar zu einem Bericht des Europäischen Parlaments, der in der randschau abgedruckt wurde, näher auf ethische Argumentationen einging, kam zu dem Schluss, dass die Würde des Menschen nicht gesetzlich zu regeln sei, und, dass sie gerade in der Nichtdefinition begründet läge (Roth, 1991: 12). Auch erwähnte sie den zweifelhaften Zugang zu Würde einzig über biologische Zustände, nicht aber über soziale (ebd.: 12).

    Ursula Aurien befasste sich ausführlicher mit den ethischen Grundlagen der Veränderung der Werte der Gesellschaft und den Implikationen, die Entwicklungen im Bereich der Humangenetik mit sich brächten. Sie behauptete, dass „biologistische Erklärungsmuster für gesellschaftliche Erscheinungen“ (Aurien, 1990: 49) einen großen Stellenwert in der Verankerung gesellschaftlicher Vorstellungen von Leid, Behinderung oder Gesundheit hätten und hob hervor, dass dem Begriff „Prävention“ (ebd.: 48) eine bedeutende Rolle zuteil wird. Hiermit stellt ihr Text eine Brücke dar zwischen den wenigen ethischen Herangehensweisen der Vertreter_innen der Behindertenbewegung und den sehr viel mehr Raum einnehmenden Auseinandersetzungen zum Themenkomplex „Bioethik“ bzw. Kapitalismus (s. G. „Bioethik und Kapitalismuskritik“, S. 44 f.).

    Eine ausführliche ethische Auseinandersetzung lieferte Frehe, der die Entwicklung ethischer Konzepte, die „humanitäre Entscheidungsalternativen“ bieten, als maßgebliche Strategie gegen die neue „Euthanasie“ sah (Frehe, 1991: 226 f.). Hier plädierte er für ethische Überlegungen, die sowohl den_die Einzelne_n (Betroffene_n) als auch die Gesellschaft im Blick haben, denn „gerade Minderheitenpositionen zeigen die Grenzen von Wertsetzungen auf“ (ebd.: 230). Außerdem sprach er sich dafür aus, „die Spannung im Verhältnis von Glück und Leid, Fähigkeiten und Beschränkungen, Normalität und Abweichung aufrecht zu erhalten“ (ebd.: 228). Letztlich trat er für ein universales Lebensrecht ein, welches nicht geknüpft an Leistungen und Fähigkeiten, und von gesellschaftlichen und historischen Bedingungen entkoppelt zu sein hat (ebd.: 233).

    Neben diesen ethischen Auseinandersetzungen, um gesellschaftliche Veränderung zu erreichen, gab es noch verschiedene politische. So mit Steiner, der in seinem Aufsatz Solidarität contra tödliche Ethik ein soziales Modell von Behinderung betonte, die ausgrenzenden gesellschaftlichen Mechanismen anprangerte und den Wunsch nach einer solidarischen Gesellschaft äußerte (Steiner, 1991, 202 ff.). Auch Tolmein ließ seinen Anspruch an gesellschaftliche Veränderung durchdringen, wenn er sagte:

    „Statt die Verhältnisse überwinden zu wollen, in denen Freiheit nur immer die Freiheit etwas hinzunehmen und mitzumachen, ist, wird versucht, sich in diesen Verhältnissen so einzurichten, daß die gesetzten Grenzen möglichst wenig spürbar sind.“ (Tolmein, 1990: 63).

    Klee, der sich empört darüber zeigte, auf eine Veranstaltung eingeladen worden zu sein, auf der auch Euthanasiebefürworter sprechen sollten, äußerte hierzu: „Mein Name steht für Aufklärung der NS -Zeit und zugleich dafür, daß behinderte Menschen ganz selbstverständlich leben können, ohne Absonderung in Sondereinrichtungen“ (Klee, 1996: 44). Damit nutzte er die „Euthanasie“-Diskussion, um die politische Forderung nach Abschaffung der Sonderterritorien einzubringen und diese mit dem Recht auf Leben zu verbinden.

    Im Zuge der Frage nach politischer Veränderung der Situation behinderter Menschen hat sich auch eine Gruppe zur Formulierung eines Anti-Diskriminierungs-Gesetzes gebildet (Sierck et al., 1994: 9). Diese Fokussierung auf einen Anti-Diskriminierungs- Ansatz, also eine breitere Forderung als die konkreten in der „Euthanasie“-Debatte, wurde im anonymen radikal-Artikel als Teil eines Gegendiskurses, den es aufzubauen gelte, gedeutet (Anonym3, 1994: 10).

    E. Recht

    Mit Theresia Degeners Tödliches Mitleid schützt vor Strafe liegt eine ausführliche rechtliche Auseinandersetzung mit der neuen „Euthanasie“ vor (Degener, 1990). Degener befasste sich mit den NS- Ärzte-Prozessen und der juristischen Verhandlung des Themas „Euthanasie“ - nach 1945 bis 1990. Hierin analysierte sie die Urteile sowie einen Gesetzesentwurf zu den Themen Sterbehilfe und „Euthanasie“ und kritisierte deren Implikationen (ebd.: 120 ff.). Sie kam zu dem Schluss, dass die „Euthanasie“-Befürwortung juristisch bereits weit voran geschritten sei (ebd.: 172).

    Wie bereits unter D. „Gesellschaftliche Veränderung“ erfasst, gab es einen Zusammenschluss von Aktivist_innen der Behindertenbewegung, die versuchten, eine Anti- Diskriminierungs-Gesetzgebung zu etablieren und damit der neuen „Euthanasie“ Einhalt zu gebieten (Sierck et al., 1994: 9).

    Zwei weitere Beiträge befassten sich konkret mit den juristischen Auswirkungen der „Euthanasie“-Debatte (Stein, 1991; Seidler, 1997) und zeigten auf, dass in den damaligen Verhandlungen zum Teil bereits euthanasiebefürwortende Haltungen durchschienen. Anne-Dore Stein analysierte einen Prozess um Schmerzensgeld nach einem ärztlichen Kunstfehler, welches verweigert wurde, weil die Ausgleichsfunktion in der Person des Klägers nicht zu verwirklichen war, da dieser nun „schwer geistig behindert“ sei, und schlussfolgerte, dass die Grenzen des Personseins analog der Argumentationslinie Singers gezogen worden seien (Stein, 1991: 13). Oliver Tolmein hingegen setzte sich mit dem Beschluss des Oberlandesgerichtes Frankfurt auseinander, demnach Patientenverfügungen bis hin zum „Verhungern lassen“ legal seien, und kritisierte vehement den im Urteil benutzten Selbstbestimmungsbegriff (Tolmein, 1998: 30 f.). Seidler beschrieb Prozesse, die gegen „Euthanasie“-Gegner_innen geführt wurden, und behauptete, dass die juristische Härte, die gegen die Angeklagten angewandt wurde, Ausdruck der sich durchsetzenden befürwortenden Haltung zu „Euthanasie“ seien (Seidler, 1997: 41).

    F. Argumentation der Gegenseite

    Viel Kritik an der Gegenseite wurde formuliert, indem die Argumentation der „Euthanasie“- Befürworter_innen dargestellt wurde, ohne diese weiter zu analysieren. Sehr deutlich passiert dies in der Auseinandersetzung mit der EMMA, deren Fürsprache für Singer die Autor_innen so irritierte, dass sie ihr den Schwerpunkt einer randschau Ausgabe widmeten (randschau 2/1994). Verschiedene längere Zitate aus der EMMA-Veröffentlichung reichten, um die inhaltliche Differenz zu zeigen. So beispielsweise eines von Singer, in dem er die Qualität menschlichen Lebens als Grundlage für deren Wert erhob, und eines von Cornelia Filter, der EMMA-Redakteurin, in dem sie die Tierversuche in Deutschland mit dem Holocaust verglich (FrauenLesbenzusammenhänge, 1994: 33). Häufig wurden prägnante Zitate aus Singers Veröffentlichungen genannt (Christoph, 1990b: 56; Tolmein, 1990: 75 ff.).

    Trotz der eigentlichen Strategie, die Thesen der „Euthanasie“-Befürworter_innen keiner Verbreitung preisgeben zu wollen, zeichneten verschiedene Autoren Singers Argumentationsweise nach (Sierck, 1989: 7 f.; Tolmein, 1990: 67 ff.; Christoph, 1991: 10 f.). Sehr ausführlich tat dies Hans-Jürgen Jonas, der sich nicht nur mit Singers Praktischer Ethik, sondern darüber hinaus mit seiner Lehrtätigkeit und seiner Biographie beschäftigte (Jonas, 1990: 37 ff.). Auch Klee setzte sich ausführlich mit Singer auseinander, jedoch immer im Wechselspiel mit vergleichbaren Thesen von nationalsozialistischen Medizinern und Ethikern (Klee, 1990: 66 ff.). Auch im Pannwitzblick wird gegen Singer argumentiert, indem er zunächst selbst zu Wort kommt (Danquart, 1991: ab 1.02.44 min.).

    G. Bioethik & Kapitalismuskritik

    Wie bereits unter D. „Gesellschaftliche Veränderung“ erwähnt, befassten sich viele Artikel mit dem Themenkomplex „Bioethik“ (ausführlich hier: Feyerabend, 1996; Winter, 1996b). Unter dem Stichwort „Bioethik“ wurde vor allem eine Ökonomisierung gesellschaftlicher Werte und eine Rationalisierung ihrer Begründungen konstatiert. So wurden „Euthanasie“-Befürworter_innen hier Kosten-Nutzen-Rechnungen (Roth, 1991: 11; Stein, 1991: 13; Steiner, 1991: 203; Schopmans/Lux, 1994: 31; Aurien, 1995; Heidelberger Appell, 1996: 28; Jonas, 1990: 43f.; Feyerabend, 1996: 34) und ökonomische Denkweisen, die Lebensqualität an Leistung und Verwertbarkeit koppeln, vorgeworfen (FrauenLesbenzusammenhänge, 1994: 32; Heidelberger Appell, 1996: 28; Feyerabend, 1996: 32 f.). Auch Tolmein kritisierte dies und zeigte durch eine Analyse Singers ökonomischen Vokabulars dessen Denktradition auf (Tolmein, 1990: 67). Er sah Singer zudem als Vertreter rationalistischen Denkens und kritisierte unter Bezugnahme auf die Kritische Theorie seinen Vernunftbegriff als einen instrumentellen (ebd.: 84).

    „Euthanasie“ und ihre Befürwortung wurden als Zeichen von Profitmaximierung verstanden, so in Claudia Roths Kommentar und beim „Heidelberger Appell“, einer öffentlichen Protestschrift gegen Singers Auftreten beim „Science/Fiction-Kongress“, die von Karl Finke, dem damaligen niedersächsischen Behindertenbeauftragten, initiiert und von verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen unterzeichnet wurde (Roth, 1991; Heidelberger Appell, 1996). Gabriele Goettle deutete in ihren Ausführungen über den Zusammenhang kapitalistischer Gesellschaftsordnung und Behindertenfeindlichkeit auch einen Zusammenhang zwischen Behindertenfeindlichkeit und wirtschaftlicher Lage der jeweiligen Gesellschaft an (Goettle, 1990: 70).

    Horst Frehe nannte das „Qualitätsmerkmal Normalität“ als grundsätzlich wichtiges, um am Warentausch kapitalistischer Gesellschaften teilhaben zu können, und stellte so die neue „Euthanasie“-Debatte in Kontinuität kapitalistischer Gesellschaftsentwicklungen (Frehe, 1991: 223 f.). Auch er kritisierte den utilitaristischen Glücksbegriff als einen „ökonomistischen“, der nicht weit entfernt sei von „den Kosten-Nutzen-Kalkülen der Nazis“ (ebd.: 226).

    3.2 Die Würde des Menschen ist unantastbar! Argumentationen der Vertreter der Sonderpädagogik

    A. „Damit die Mahnung gewärtig bleibt, daß sich derartiges nicht wiederhole.“

    Singer wurde von den hier untersuchten Vertretern der Sonderpädagogik kritisiert, indem Parallelen in seiner Argumentation zur Ideologie des Nationalsozialismus aufgezeigt wurden. Theunissen und Jantzen verglichen Singers Position mit der von Binding und Hoche 1920 (Theunissen, 1989: 769; 1990: 549; Jantzen, 1991a: 233).

    Bleidick arbeitete mit mahnenden, historischen Vergleichen zum Nationalsozialismus, indem er diesen im Sinne der Dialektik der Aufklärung in eine Kontinuität rationalistischen Denkens stellte und folgerte „wir [dürfen] die Eugenik und Euthanasie der Nazizeit nicht vergessen, damit die Mahnung gewärtig bleibt, daß sich derartiges nicht wiederhole“ (Bleidick, 1990: 521). Gleichzeitig hielt er direkte Vergleiche zum Nationalsozialismus für illegitim und für einen Ausdruck der Emotionalität der Debatte (ebd.: 520). Einen Bezug zur Kritischen Theorie stellten auch Theunissen und Jantzen her (Theunissen, 1989: 685; Jantzen, 1991a: 230). Letzterer in vergleichbaren Argumentationslinien zu denen Bleidicks, da er mit Horkheimer und Adorno den Singerschen Vernunftbegriff als einen rationalistischen, beziehungsweise instrumentellen ablehnte. Theunissen formulierte eine pädagogische Verantwortung, wenn er Adorno zitierte „Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung“ (Adorno, 1971: 88 zit. n. Theunissen, 1989: 685). Dabei meinte er hier weniger die Forderung an den Inhalt von Erziehung, also sozusagen, keine Täter_innen zu erziehen, sondern vielmehr, durch die Erziehung aller, also durch die Unterstellung der Bildungsfähigkeit aller Menschen, hier keinen teilbaren Rest zu lassen, der eugenischem Gedankengut zum Opfer fallen könnte.

    Feuser, der Integration als einzigen Schutz vor Diskussionen um Lebensrecht sah und die Diskussion um Schonräume in Kontinuität eugenischen Denkens und Abwägungen des Lebenswertes sah, mahnte „Wessen bedarf es mehr als unserer deutschen Geschichte, um mehr als gewarnt zu sein? Wessen bedarf es noch, um Ignoranten der Integration vor ihren folgenschweren Entscheidungen zu warnen?“ (Feuser, 1991: 151). In seinem offenen Brief an Anstötz, der unter anderem in der Zeitschrift Behindertenpädagogik abgedruckt wurde, behauptete Feuser, Singer stehe in der „Tradition der faschistisch-rassistischen Herrenmenschen, des Sozialdarwinismus und der ganzen Brutalität der „Euthanasie“ des Hitler-Faschismus!“ (Feuser, 1989a: 295). In seinem Artikel Der Streit um Leben und Tod stellte er zudem strukturelle Parallelen zwischen „Euthanasie“ und Rassismus fest, beziehungsweise hielt die Grenze zwischen beidem für nicht eindeutig (Feuser, 1989b: 302).

    B. Selbstbeschreibung

    Theunissen nutzte den Begriff „neue Behindertenfeindlichkeit“, um die gesellschaftlichen Entwicklungen bezüglich Eugenik und „Euthanasie“ zu beschreiben (Theunissen, 1989; Theunissen, 1990). Er kritisierte in seinen Aufsätzen auch die Institutionen der Medizin und der Psychiatrie, die durch stereotypisierte, negative Darstellung geistig behinderter Menschen einen Beitrag zu eben dieser neuen Behindertenfeindlichkeit leisten würden (Theunissen, 1989: 674). Entlang dessen fasste er auch die Aufgabe der Sonderpädagogik: Dieser „neuen Behindertenfeindlichkeit“ ein Menschenbild entgegenzusetzen, welches nicht an Fähigkeiten orientiert ist (ebd.: 679). Diese Aufgabe fasste Theunissen pädagogisch, indem er Lern- und Entwicklungsfähigkeit als Grundlage menschlichen Lebens setzte (ebd.: 680). Theunissen sah zudem die Aufgabe der Sonderpädagogik darin, die Realisierung einer humaneren, „behindertenfreundlicheren Gesellschaft“ voranzutreiben, sah diese Aufgabe aber auch als gesamtgesellschaftliche (ebd.: 685). Bleidick, vergleichbar mit der Argumentation Theunissens, sah ebenfalls die Aufgabe der Sonderpädagogik darin, auf gesellschaftliche Entwicklungen in den Bereichen Pränataldiagnostik, „Euthanasie“ oder Embryonenforschung mit einer Ethik der Sonderpädagogik zu reagieren, um „das gute Handeln gegenüber den Behinderten zu rechtfertigen“ (Bleidick, 1990: 522).

    Auch Antor befasste sich mit einer Ethik der Sonderpädagogik und ihren Implikationen, er legte dabei einen Schwerpunkt auf die Frage des Verhältnisses zwischen Prävention und Integration (Antor, 1991: 219 f.). Da die Grundlage sonderpädagogischen Handelns auch die Prävention sei, müsse die Sonderpädagogik sich mit der Frage auseinandersetzen, wie dem zu begegnen sei und bis zu welchem Punkt Prävention legitim ist (ebd.: 220). Weiter sah er die Aufgabe der Sonderpädagogik darin, die Entwicklungsfähigkeit behinderter Menschen aus der Arbeit mit ihnen abzuleiten und so für ihr Lebensrecht einzustehen (ebd.: 223).

    Theunissen und Antor bezogen sich in ihren Ausführungen positiv auf die Behindertenbewegung, beziehungsweise auf Veröffentlichungen ihrer Vertreter_innen (Theunissen, 1989: 677, 678, Antor: 1991: 220), Jantzen sah in den sozialen Bewegungen sogar Trägerinnen einer postmodernen, humanistischen Moral (Jantzen, 1991a: 231).

    Rödler machte deutlich, dass die gesellschaftliche Aufgabe sei, menschenwürdige Lebensbedingungen für alle Menschen zu schaffen (Rödler, 1990: 4). Ähnlich stellte Feuser die Integration als einziges „Bollwerk“ dar, „das Lebensrecht behinderter Menschen zu garantieren“, wenn diese als unteilbar gesetzt wird, ansonsten könne „der „Schonraum“ Sondereinrichtungen […] zum Warteraum auf die „Neue Euthanasie“ werden.“ (Feuser, 1991: 150). Feuser nutzte hier die Debatte um „Euthanasie“ für eine umfassende Kritik der eigenen Profession und kritisierte neben der Schonraum-Argumentation auch bestimmte aggressive Therapieformen, die ebenso in Kontinuität euthanasischen Denkens stünden, da hierin die Erlösung von Behinderung in der Erlösung vom behinderten Menschen aufscheine (Feuser, 1989b: 305).

    Jantzen fasste die Aufgabe der Sonderpädagogik im Diskurs der neuen „Euthanasie“, dieser eine Ethik entgegenzusetzen und andere Bilder von Behinderung hervorzubringen als die „Horrorszenarien der 'Praktischen Ethik'“ (Jantzen, 1991a: 242). Bleidick bedauerte, dass die Debatte um „Euthanasie“, die in anderen Ländern durchaus bereits länger geführt wurde und auch in Deutschland nicht erst mit Singer begonnen hat, nicht früher von Vertretern der Sonderpädagogik kritisch kommentiert wurde (Bleidick, 1991: 261 f.).

    C. Verhindern des Diskurses

    Die Vertreter der Sonderpädagogik tendierten zu einer Haltung, die ausschließt, dass der angestoßene Diskurs um „Euthanasie“ noch aufzuhalten ist, und plädierten für einen vernünftigen Umgang mit den technischen Möglichkeiten der humangenetischen Beratung und der pränatalen Diagnostik. Bleidick schlug vor, Chancen zu nutzen und Missbrauch zu verhindern (Bleidick, 1990: 520), diskutierte die Singersche Argumentation und versuchte ihr durch philosophische Argumentation entgegenzutreten. Er ließ sich somit auf den Diskurs über Lebensrecht ein, forderte aber zugleich: „Den Begriff des lebensunwerten Lebens darf es nicht geben!“ (ebd.: 532). Deutlich wurde dieses Eingehen auf den Diskurs auch in der direkten Auseinandersetzung mit Anstötz' Kritik an seinem Aufsatz, die in der Rubrik „Aussprache“ der Zeitschrift für Heilpädagogik veröffentlicht wurde (Bleidick, 1991: 258 ff.). Hier betonte Bleidick jedoch auch, dass ein Diskutieren mit Singer falsch sei, und resümierte: Eine „Diskussion über Lebenswert darf nicht stattfinden.“ (ebd.: 262).

    Antor wies darauf hin, dass durch das Eingehen auf die Singersche Argumentation eine „schiefe Ebene“ betreten würde, die eine Entwicklung in Gang setze, die sich nicht einfach wieder stoppen ließe. Er sprach hier von einem „Dammbruch“ (Antor, 1991: 218), der auch die Akzeptanz von „Erziehungs- und Rehabilitationsanstrengungen“ betreffen würde, und äußerte Verständnis für die Protestaktionen der Behindertenbewegung. Zudem würden der Sonderpädagogik ihre Basisnormen genommen: Lebensrecht und gesellschaftliche Integration (ebd.: 219). Auch Bleidick sprach von einem Dammbruch, wenn der Versuchung aufgesessen würde, eine leidensfreie Gesellschaft schaffen zu wollen, indem die leidenden Mitglieder ausgeschlossen würden (Bleidick, 1991: 260).

    Rödler sprach sich deutlich gegen eine Diskussion der Singerschen Argumentation aus, da dies impliziere, sie vorübergehend anzuerkennen (Rödler, 1990: 3). Feuser, der ebenso das Lebensrecht als unbezweifelbar ansah, schrieb: „Von daher [aus der Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen, J.W.] war und ist es mir überhaupt keine Frage, daß am Lebensrecht und Lebenswert schwerstbehinderter Kinder nur entfernt zu zweifeln wäre“ (Feuser, 1989a: 294) und bat Christoph Anstötz in einem offenen Brief um die Absage des Gastvortrages Singers (ebd.). Feuser verteidigte das Lebensrecht behinderter Personen durch die Beschreibung der Arbeit mit ihnen, da hierin ihre Entwicklungsfähigkeit erkennbar würde, die das Recht auf Leben begründe (Feuser, 1989b: 304). Hierdurch ließ er sich jedoch auch auf eine Diskussion über das Lebensrecht behinderter Personen ein.

    D. Gesellschaftliche Veränderung

    Wie bereits unter B. „Aufgabe der Sonderpädagogik“ anklang, setzten sich die meisten Vertreter der Sonderpädagogik mit ethischen Argumentationen gegen Singer auseinander und sahen die Aufgabe der Sonderpädagogik im Fassen einer Berufsethik, die solchen Entwicklungen entgegentreten könne. Hierin gab es unterschiedliche Zugänge zur Ethik und unterschiedliche Auffassungen, wie diese aussehen könne, beziehungsweise inwiefern diese überhaupt zu fassen sei. Theunissen schlug ein Menschenbild vor, welches Würde oder den Personenstatus nicht an Fähigkeiten heftet (Theunissen, 1989: 679), sah Menschsein begründet in Lern- und Entwicklungsfähigkeit und in Beziehung zu anderen Menschen, was er bereits am Embryo feststellte (ebd.: 680).

    Bleidick hingegen versperrte sich einem allgemeingültigen Menschenbild für die Behindertenpädagogik, sah dieses vielmehr hinderlich für eine ethisch fundierte Entscheidung im Einzelfall (Bleidick, 1990: 514) und warnte „Du sollst dir kein Bild vom Behinderten machen“ (ebd.: 518). Er versuchte stattdessen eine ethische Fundierung der Sonderpädagogik mithilfe einer philosophischen Auseinandersetzung entlang der Kantschen Metaphysik (ebd.: 521).

    Antor sprach sich für ein „lebenswertindifferentes Lebensrecht“ aus (Antor, 1991: 219), sah dieses in Gefahr, weshalb es Gegenstand einer „Ethik der Schwerstbehindertenpädagogik“ sein sollte (Antor, 1991: 219). Er plädierte für einen normativen Personenbegriff, der dem empirisch-rationalen Singers entgegenzusetzen sei (ebd.: 222). Dieser solle als „anthropologisches Axiom“ der Pädagogik gehandhabt werden, Lebensrecht und damit Würde seien als transzendental und nicht hintergehbar zu setzen (ebd.: 223 ff.). Auch Rödler sprach sich gegen ein Menschenbild aus, das diesen über seine Leistungen definiert, und dafür, den Menschen generell als bedürftig zu verstehen (Rödler, 1991: 5). Jantzen unterschied sich in seiner philosophischen Argumentation gegen Singer insofern von den anderen hier aufgeführten Vertretern der Sonderpädagogik, dass er nicht durch eine normative Setzung des Lebensrechtes auf dieses bestand, sondern durch philosophisch-psychologische Argumentation in Anschluss an Spinoza, Maturana und Freud. Er widerlegte Singers Setzungen, indem er Kommunikation mit der Außenwelt, die allem Leben gemein sei, als dessen Legitimation setzte (Jantzen, 1991b: 12 ff.). In seinem Aufsatz Glück – Leiden – Humanität versuchte er, eine postmoderne, humanistische Ethik zu begründen. Diese solle entlang der Kritik der instrumentellen Vernunft, die Jantzen in Anlehnung an Horkheimer an anderer Stelle erwähnt (Jantzen, 1991a: 230), eine herrschaftskritische sein. Im Zuge dessen setzte er sich auch mit Sölles feministischer Schöpfungsethik auseinander, um den Begriff der „Gottesbeziehung“ in atheistischer und marxistischer Lesart mit Bedeutung füllen zu können und so die „Erhaltung der Menschheit“ und das Gutsein des Seins begründen zu können (ebd.: 231 ff.).

    E. Recht

    Peter Rödler begründete mit dem Zitat „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Art. 1, GG ) das Verbot der Diskussion über Lebensrecht und Lebenswert. Im Streit, der an den Akademien nach Singers Auftritt geführt wurde, ging es vor allem um die Redefreiheit der Wissenschaften, die dazu führe, dass Singer reden dürfe. Bleidick, im Streiten gegen diese Redefreiheit der Wissenschaften, zitierte die Artikel 2 und 5 des Grundgesetzes, und begründete damit, dass Singer durch die Verletzung der Rechte anderer in seinem Sprechen nicht unter Redefreiheit stünde (Bleidick, 1991: 262). Unter den hier untersuchten Vertretern der Sonderpädagogik gab es außer den genannten keine Auseinandersetzung mit den juristischen Entwicklungen beziehungsweise Konsequenzen der „Euthanasie“-Debatte.

    F. Argumentation der Gegenseite

    Die meisten Vertreter der Sonderpädagogik, die für die vorliegende Analyse untersucht wurden, setzten sich ausführlich mit der Singerschen Argumentation auseinander (Theunissen, 1989: 675 ff.; 1990: 547 ff.; Bleidick, 1990: 517 ff.; Antor, 1991: 219 ff.; Jantzen, 1991b: 12 ff.). Antor unterstrich den argumentativen Fehler im „analytisch sauberen Schnitt zwischen Prävention und Integration“, der gemacht würde, wenn alles getan werden solle, um behindertes Leben zu verhindern und gleichzeitig behinderte Menschen bestmöglich gefördert und integriert werden sollten (Antor, 1991: 219). Jantzen setzte sich ausführlich mit Singers Glücks- und Leidbegriff auseinander: Dessen Glücksbegriff sei durch negativen Hedonismus positiv bestimmt (Glück als Abwesenheit von Leiden) und durch die Individualisierung von Glück und deren Kopplung an Leistung sei ihm der Status der Marxschen abstrakten Arbeit zuzuweisen (Jantzen, 1991a: 233). Weiter sei der Leidbegriff einzig durch Schmerzen bestimmt.

    G. Bioethik & Kapitalismuskritik

    Die hier untersuchten Vertreter der Sonderpädagogik sahen in der Singerschen Philosophie eine Ethik der Leistungsgesellschaft. Ökonomisierung, Kosten-Nutzen-Rechnungen und die Wertigkeit des Einzelnen an seiner Nützlichkeit zu messen, wurde von Theunissen, Bleidick, Antor und Rödler kritisiert (Theunissen, 1989: 677; 1990: 546; Bleidick, 1990: 519; Rödler, 1990: 5; Antor, 1991: 224). Auch Feuser kritisierte Singers Argumentation als eine, die vor allem aus Kostengründen entstanden sei (Feuser, 1991: 149). Jantzen wurde hier sehr deutlich, wenn er sagte, Singers Praktische Ethik sei Ausdruck des Wunsches nach einerseits „optimale[r] Nutzung der Menschen nach dem Grad ihrer Erwerbsfähigkeit sowie Entsorgung von jenen, die zu produktiver Arbeit nicht mehr fähig sind.“ (Jantzen. 1991a: 230).

    Neben diesen Argumentationslinien der beiden hier untersuchten Akteurinnen wurden im „Euthanasie“-Diskurs vor allem auch die Phänomenbereiche Selbstbestimmung und Behinderung thematisiert und damit mitkonstituiert. Im Folgenden werde ich das Erscheinen dieser beiden Phänomenbereiche im Diskurs nachzeichnen.

    3.3 Selbstbestimmung

    „Wir sind vor Jahren in den Behindertengruppen der Bundesrepublik aufgebrochen und haben uns mit dem Begriff „Selbstbestimmung“ gegen die Bevormundung durch diese Gesellschaft gewehrt. Jetzt droht uns unter dieser Vokabel eine tödliche Entmündigung.“ (Steiner, 1991: 202).

    Selbstbestimmung ist der ideologische Kern der Behindertenbewegung (s. Kap. 1.4) und spielte auch in den Protesten gegen Singer und die neue „Euthanasie“-Debatte eine zentrale Rolle. Vornehmlich wurden in den hier untersuchten Veröffentlichungen Selbstbestimmungsbegriffe anderer Gruppierungen beziehungsweise Akteur_innen kritisiert. So zum einen der Selbstbestimmungsbegriff, welcher der Forderung nach Sterbehilfe zugrunde lag, also Selbstbestimmung über Zeitpunkt und Art des eigenen Todes. Konkret kritisiert wurde, dass hier keine selbstbestimmte Entscheidung möglich sei, da auf den sterbenden Menschen Druck ausgeübt würde, seinen Angehörigen nicht weiter zur Last zu fallen und durch eine gesellschaftliche Debatte, die die Grenzen lebenswerten und menschenwürdigen Lebens setzt, die Entscheidung für ein Weiterleben eingeschränkt würde (Tolmein, 1998: 30 f.; Steiner, 1991: 197; Frehe, 1991: 229; Anonym3, 1994: 8). Der sterbende, kranke oder behinderte Mensch solle eine verantwortungsvolle, selbstbestimmte Entscheidung treffen, dabei läge die Verantwortung jedoch darin, die gesellschaftliche Belastung abschätzen zu können. Dadurch, dass zunehmend behindertenfeindliche Einstellungen internalisiert würden, wäre es möglich, Selbstbestimmungsrechte freizugeben (Anonym3, 1994: 8). Ähnlicher Druck läge auch auf Schwangeren bei der Entscheidung zur Abtreibung nach pränataler Diagnostik (Steiner, 1991: 202). Feyerabend polemisierte diese Kritik folgendermaßen:

    „Lerne nicht nur vernünftig, sondern auch sozialverträglich zu entscheiden. Kalkuliere verantwortlich. Entscheide „frei“, wann du zu teuer wirst. Spende freiwillig Körperteile. Nehme im Interesse anderer am Forschungsprojekt teil. Bestimme selbst, wann du sterben willst.“ (Feyerabend, 1996: 34)

    Des Weiteren wurde der Selbstbestimmungsbegriff, den Teile der damaligen Frauenbewegung vertraten, kritisiert. Diese Kritik wurde insbesondere in der Reaktion auf EMMA, deren Pro-Singer Veröffentlichung im Schwerpunkt der randschau 2/1994 in verschiedenen Artikeln angegriffen wurde, formuliert (Anonym, 1994: 29; Aurien, 1994: 30; Schopmans/Lux, 1994: 31; Herrmann, 1994: 31; Arnade, 1994: 32; Szász et al., 1994: 32; FrauenLesbenzusammenhänge, 1994: 32; Verschiedene Unterzeichner_innen, 1994). Die Reaktion auf EMMA lässt sich mit den Forderungen aus der Presseerklärung des Hessischen Koordinationsbüros für behinderte Frauen zusammenfassen:

    „Wir Frauen mit Behinderung fordern die Redaktion der EMMA dazu auf […] -sich Gedanken zu ihrem Begriff von Selbstbestimmung zu machen -endlich zu zeigen, daß Frauen mit Behinderungen ein Thema für eine Frauenzeitschrift sind.“ (Schopmans/Lux, 1994: 31)

    Unter anderem wurde auch gefordert, dass sich EMMA, das „Magazin von Frauen für Menschen“ in „Magazin von Frauen für nichtbehinderte Menschen“ umbenennen sollte (Verschiedene Unterzeichner_innen, 1994).

    Am vorherrschenden feministischen Selbstbestimmungsbegriff wurde zudem kritisiert, dass behauptet würde, eine Verweigerung pränataler Diagnostik sei eine Verletzung der Selbstbestimmung der Frau, die dann die unzumutbare Verantwortung eines behinderten Kindes zu tragen hätte. Hier wird EMMA zitiert, die schrieb:

    „Wenn aber die Frau das Recht auf selbstbestimmte Mutterschaft hat, hat sie dann nicht auch das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie – statt zwanzig Jahre für ein gesundes Kind – lebenslänglich für ein behindertes Kind verantwortlich sein möchte?“ ( EMMA 2/94 zit. n. Aurien, 1994: 30).

    Einige Autor_innen beschrieben sich explizit zugehörig zur Frauenbewegung der Zeit: „Als Feministinnen weigern wir uns, im Namen der Selbstbestimmung das Lebensrecht von Menschen anzugreifen.“ (FrauenLesbenzusammenhänge, 1994: 33; Arnade, 1994: 32), und waren von der mangelnden Repräsentation und Wahrnehmung behinderter Frauen in feministischen Zusammenhängen empört.

    In dieser Auseinandersetzung zeigt sich auch die interne Differenz der Behindertenbewegung bezüglich der damaligen Frauenbewegung: Zum Teil fühlten sich, wie eben erwähnt, behinderte Frauen „primär weiblich“ (Arnade, 1994: 32) und als Teil der Frauenbewegung, waren aber empört über die Ausgrenzungserfahrungen dort. Gleichzeitig mehrten sich Stimmen behinderter Männer, die dem Feminismus kritisch gegenüberstanden, so vor allem Franz Christoph, der argumentativ Bündnisse mit sogenannten „Lebensschützern“, also christlichen Fundamentalist_innen, die Abtreibung ablehnen, einging oder Lothar Sandfort, der behinderten feministischen Aktivistinnen vorwarf, sich von der Behindertenbewegung abzugrenzen und sich „vor die geschlossenen Tore der Frauenbewegung zu stellen und zu sagen: Warum laßt ihr uns nicht rein?“.

    Christoph wiederum, der medial oft zur führenden Person der Bewegung stilisiert wurde, wurde, wie bereits erwähnt, vor allem von feministischen behinderten Frauen stark kritisiert (Aurien, 1994: 30; Schopmans/Lux, 1994: 31; Arnade, 1994: 32).

    Diese interne Differenz bezüglich der damaligen Frauenbewegung spiegelte sich auch in Jonas' Dokumentation eines Treffens eines Teils des „anti-eugenische[n] Widerstands“ wider, in der ein Aktionskonsens und die zentralen Themen der Protestbewegung zu fassen versucht wurden:

    „Der Kern der Auseinandersetzung um die Selektionsdiagnostik ist in der Qualitätskontrolle menschlichen Lebens zu suchen. Darauf sollten sich vor allem diejenigen – Männer – konzentrieren, die 'Schwierigkeiten' mit dem feministischen Selbstbestimmungsbegriff haben.“ (Jonas, 1994: 34).

    3.4 Behinderung

    Behinderung ist ein zentraler Phänomenbereich, der im Bioethik-Diskurs mit Bedeutung gefüllt wurde, beziehungsweise um dessen Gegenstandkonstitution gerungen wurde (vgl. Kap. 2.2). Dabei stand seitens der Gegner_innen im Vordergrund, die aufkommenden Behinderungsbilder in der „Euthanasie“-Debatte aufzuhalten, beziehungsweise zu kritisieren und andere Bilder zu produzieren. Die „Euthanasie“-Befürworter_innen bedienten sich maßgeblich des medizinischen Modells von Behinderung, verstanden Behinderung als individuelles Schicksal und verbanden sie mit Schmerzen, Leiden und Unglück. Grundsätzlich versuchten die „Euthanasie“-Gegner_innen, dem ein soziales Modell von Behinderung entgegenzusetzen und auf die gesellschaftlichen Umstände zu verweisen, die Menschen behindern (Schopmans/Lux, 1994: 31). Frehe sah in behinderten Menschen einen „Stachel einer Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse“ (Frehe, 1991: 233), also deren Aufgabe auch darin, durch Einfordern von Anerkennung und Respekt auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen und diese zu verändern.

    Betroffenheit und das Konzept der kollektiven Behinderungserfahrung

    Sierck und Christoph konstatierten, dass die meisten Befürworter_innen der „Euthanasie“ nichtbehindert und die meisten Gegner_innen behindert waren und begründeten das mit der fehlenden Vorstellung Nichtbehinderter davon, wie ein Leben mit Behinderung ist, und dass eben dieses Leben gut und glücklich sein kann.

    Die Persistenz dieser Aufteilung zeigt sich auch in der Dokumentation von Christian Judith und Kathrin Heiß, die berichteten, dass auf einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Euthanasie“ in Trier vor allem behinderte Menschen am Einlass als potentielle Störer_innen kontrolliert wurden (Judith/Heiß, 1997: 40).

    Die Mehrzahl der Texte der Behindertenbewegung sind verfasst von selber betroffenen Personen. Jedoch wird die Kategorie 'Behinderung' und die Zuteilung zu ihr häufig nicht explizit genannt. An manchen Stellen wurde durch ein „Wir“ deutlich, inwiefern Behinderung für die Autor_innen eine Rolle spielt. So begann Frehe seine Ausführungen, indem er den historischen Wandel der Kategorie beschrieb: „In der Geschichte wurden uns unterschiedliche Funktionen in der Gesellschaft zugedacht.“ (Herv.: J.W. ; Frehe, 1991: 222). Steiner sprach von der „Bedrohung unserer Existenz“ und verurteilte die Darstellung von Behinderung, indem er sagte: „Beide [Julius Hackethal und Hans-Henning Atrott, J.W.] mißbrauchen uns Behinderte in der widerlichsten Weise als Sinnbild des Elends und Beispiel für Minderwertigkeit menschlichen Lebens.“ (Herv.: J.W .; Steiner, 1991: 197). Zwar wurden die eigenen Betroffenheiten selten explizit genannt, jedoch scheint die kollektive Identität des „antieugenischen Widerstands“ mit „Wir“ meist „Wir Behinderten“ und nicht „Wir „Euthanasie“-Gegner_innen“ zu meinen (Steiner, 1994).

    Klees „Wir“ war ein anderes, er sprach eher von 'wir „Euthanasie“-Gegner_innen', die sich aber als potentielle Betroffene verstehen (Klee, 1990: 68). Er versuchte damit eine solidarische Position nichtbehinderter Protestierender zu begründen und zeigte die Flexibilität der Kategorie 'Behinderung' auf.

    An vereinzelten Stellen kommt zum Vorschein, dass innerhalb der Behindertenbewegung kritisch diskutiert wurde, wie sich das Verhältnis von behinderten und nichtbehinderten „Euthanasie“-Gegner_innen gestalten lässt. So bei Christoph, der den nichtbehinderten Aktivist_innen unterstellte, die Diskussion für ihre Zwecke nutzen zu wollen (Christoph, 1990b: 57), oder bei Jonas, der die Fragen dokumentierte, die sich auf einem Treffen eines Teiles der Bewegung gestellt haben: „Wie vermeiden die 'nichtbetroffenen Nichtbehinderten' fürsorgliche Stellvertretungsdiskussion für die 'betroffenen Behinderten'?“ (Jonas, 1994: 34).

    Betroffenheit wurde von Theresia Degener auch entlang Singers Kriterien verstanden, beziehungsweise insofern umgedeutet, dass man von Singers Ideen betroffen sei, da sie auf einen angewendet würden („Nach Singers Kriterien wäre ich ganz klar betroffen“ Danquart, 1991: ab 1.08.28 min.). Jedoch ließ sie Singers Grenze nicht gelten, sondern weitete diese aus und erklärt:

    „Also insofern... betrifft das, was Singer will als Programm […] nicht nur die schweren Fälle von Spina Bifida und Down-Syndrom, die er da konkret aufführt. Sondern betrifft im Prinzip alle, die abweichen, die in gesellschaftliche Strukturen nicht so passen, wie das die sogenannten Normalen tun“ (Danquart, 1991: ab 1.08.58 min.).

    Hier stellte Degener sich gegen die Individualisierung von Behinderung und gegen die Argumentation am Einzelfall, wenn sie die Kategorie Behinderung mit der Bedeutung „alles, was abweicht“ füllte und ein Kollektiv aufbaute, dass sich so gegen Singers Thesen wehren kann. Dabei wird die Grenze, die unter anderem von Singer zwischen körperlicher und geistiger Behinderung bzw. Lernschwierigkeiten gezogen wird, nicht akzeptiert, sondern vielmehr eine kollektive Idee der Behinderungserfahrung konstruiert. Christian Judith und Kathrin Heiß berichteten vom Protest gegen Norbert Hoerster in Trier, dessen Rede erfolgreich verhindert werden konnte, aber für die Protestierenden auch eine schmerzhafte Erfahrung darstellte, weil sie offen mit Behindertenfeindlichkeit konfrontiert wurden:

    „Der Schmerz, zu erfahren, daß es Menschen gibt, die über dein Lebensrecht diskutieren wollen. Sie sitzen dir gegenüber, sind Menschen wie du, uns trennt das Podium, wir stehen davor, sie sitzen drauf, sie reden über uns, sie üben wieder den Pannwitzblick“ (Judith/Heiß, 1997: 40).

    Betroffenheit in der „Euthanasie“-Debatte konnte demnach auch heißen, diskriminierenden Erfahrungen ausgesetzt zu sein und den Hass anderer auf sich zu ziehen.

    Positives Bild von Behinderung

    Gegen Singer wurde also auch argumentiert und protestiert, indem die eigenen Beeinträchtigungen gezeigt und positiv besetzt wurden. Trotzdem stellte zum Beispiel Christoph diesem Behinderungsbild, welches die Aspekte Schmerzen und Leiden übersehen muss, eines zur Seite, welches diese Aspekte mit einem positiven Behinderungsbild zu verbinden suchte. Christoph erzählte von Schmerzen und Sinnfragen bezüglich seines Lebens mit Behinderung und erzeugte so ein Bild von Behinderung, das nicht darüber hinwegtäuscht, dass dieses auch schwer sein kann. Er betonte aber, aus dieser Krise wieder herausgekommen zu sein, weil er sich nicht dem „Euthanasie“-Diskurs unterworfen hätte (Christoph, 1991: 10). Klees Argumentationen unterschieden sich von Christophs insofern, dass er, selbst nichtbehindert, zu Beispielen griff, die behindertes Leben als sinnvoll zeigten. So zitierte er die Mutter einer behinderten Tochter, die das Leben mit ihrer Tochter als reich und erfüllt darstellte und dankbar sei, durch diese Erfahrungen eine neue Perspektive einnehmen zu können. Weiter zitierte er eine behinderte Frau: „Obwohl ich mich inzwischen zwanzig Operationen und vierzig Krankenhausaufenthalten unterziehen mußte, möchte ich keine Minute gerade diesen Lebens missen“ (Klee, 1990: 72). Dem Argument, dass dem Leiden behinderter Menschen ein Ende bereitet werden soll, entgegnete er, dass dies insbesondere beim Personenkreis der Menschen mit Down-Syndrom, die Singer explizit aufführte, infam sei, da sie zu den lebenslustigsten Menschen zählten (ebd.: 77). So versuchte er, das Bild von Behinderung positiv zu besetzen. Dies taten behinderte Mitprotestierende bereits dadurch, dass sie sich selbst öffentlich zeigten.

    Falsches Mitleid

    Die Sonderpädagogik nahm die „Euthanasie“-Debatte zum Anlass ihre Profession einer Selbstkritik zu unterziehen, und bekannte sich an einzelnen Stellen dazu, Teil des behindertenfeindlichen Denkens der Gesellschaft zu sein.

    Rödler machte deutlich, dass unterstelltes Leiden behinderter Menschen und Mitleid der falsche Ansatz sei und mit der bemitleideten Person selbst nichts zu tun hätten (Rödler, 1990: 3). Antor wies auf die Problematik hin, dass sonderpädagogisches Handeln immer auch Prävention meint und damit eine Grenze betritt zu den Grundlagen eugenischen Denkens, da Förderung und Therapie auch der Versuch der Verhinderung potentiellen Leidens immanent sei (Antor, 1991: 219 f.).

    Bleidick machte deutlich, dass die Grenzen die in den Argumenten der „Euthanasie“- Befürworter_innen gezogen würden, also die Grenzen hin zum „Extremfall“ willkürlich seien und stellte die Frage: „Was ist „schwer zurückgeblieben“? Was ist „normal“?“ (Bleidick, 1991: 260). Insbesondere Feuser begründete das Lebensrecht behinderter Menschen durch die Arbeit mit ihnen, er unterstellte den „Euthanasie“-Befürworter_innen, keinen Kontakt zu behinderten Menschen zu haben und behauptete, eben dieser Kontakt, ob nun privat oder beruflich, würde dazu führen, gegen „Euthanasie“ zu sein (Feuser, 1989b: 304).

    Durch diese Selbstkritik und das Aufnehmen der Forderungen der Behindertenbewegung trug die Sonderpädagogik an dieser Stelle auch dazu bei, dem Bild von Behinderung, das diese mit Leiden, Schmerzen und Unglück assoziiert und Mitleid und Fürsorge als adäquate Reaktion denkt, entgegen zu arbeiten.

    4. Ergebnisse

    Behindertenbewegung

    Die Aktivist_innen der Behindertenbewegung wählten zumeist die Strategie, den Diskurs um „Euthanasie“ und alle darunter zu fassenden Geschehnisse zu verhindern. Dies geschah auch im Wissen um die Macht wissenschaftlicher Diskurse. Teil davon war das Aufzeigen der Kontinuität eugenischen Denkens des Nationalsozialismus bis in die neue „Euthanasie“-Debatte. Aktivist_innen der Behindertenbewegung zeigten auch detailliert Parallelen zwischen damaligen eugenischen Argumentationen und aktuellen auf. In den mahnenden historischen Vergleichen wurden einige Aktivist_innen drastisch und nutzten nationalsozialistisches Vokabular zur Beschreibung der Thesen der neuen „Euthanasie“. Auch Der Pannwitzblick ist eine drastische Darstellung der Nähe behindertenfeindlicher gesellschaftlicher Entwicklungen zur nationalsozialistischen Ideologie. Die Aktivist_innen befassten sich durchaus eingehend mit Singers Argumentation, meist jedoch durch Zitieren besonders provokanter Stellen seiner Werke. Eine ethische Auseinandersetzung geschah nur am Rande, eher wurde der Blick auf eine politische Auseinandersetzung bezüglich der Verhältnisse für behinderte Menschen in der Gesellschaft gelenkt. Eine singuläre juristische Auseinandersetzung liegt ebenfalls vor. Die „Euthanasie“-Debatte stellt die Behindertenbewegung auch vor die Aufgabe, ihre Zusammensetzung, ihre Strategien sowie ihre Schwerpunkte zu hinterfragen und einen politischen Aktionskonsens zu fassen. Interne Differenzen zeigten sich bezüglich des Verhältnisses zur damaligen Frauenbewegung und zu Franz Christoph, des Weiteren bezüglich der Frage nach dem Fokus der Proteste und der Frage nach der Rolle nichtbehinderter Aktivist_innen.

    Sonderpädagogik

    Die hier untersuchten Vertreter der Sonderpädagogik legten in ihrer Argumentation gegen Singer vor allem einen strategischen Schwerpunkt auf eine ethische Fundierung ihrer Profession, sodass diese als Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen wie die neue „Euthanasie“-Debatte fungieren könne. In ihren Versuchen diese Ethik zu formulieren, setzten sie sich sowohl mit Singers Argumentation auseinander als auch mit philosophischen Denkrichtungen, die für eine solche Ethik fruchtbar gemacht werden konnten. Auch wenn sich die Vertreter hier unterschiedlich äußerten, kann insgesamt festgehalten werden, dass die Zielrichtung dieses Versuches nicht darin lag, eine neue Sonderanthropologie zu verfassen, sondern allgemeine ethische Überlegungen so zu überdenken und anzupassen, dass sie argumentativ nicht eingesetzt werden können, um Singers Argumente zu unterstreichen. Sie versuchten, einen leistungs- und fähigkeitenunabhängigen Personenbegriff zu begründen. Auch wenn sie sich mit Singers Thesen auseinandersetzten, plädierten die Vertreter der Sonderpädagogik dafür, keine Diskussion mit ihm einzugehen, und das Lebensrecht behinderter Personen grundsätzlich nicht in Frage zu stellen oder zu diskutieren. Trotzdem kann als widersprüchlich festgehalten werden, dass beispielsweise Bleidick auf Anstötz' Verteidigung Singers einging beziehungsweise diese in der Zeitschrift für Heilpädagogik abgedruckt wurde. Um ihre Argumentation gegen Singer zu untermauern, bedienten sich die Vertreter der Sonderpädagogik historischer Vergleiche zur Ideologie des Nationalsozialismus und argumentierten gegen Singer durch die Anwendung von Überlegungen der Kritischen Theorie auf seine Thesen. Die Aufgabe der Sonderpädagogik wurde hier neu gefasst als eine solidarisch-advokatorische für das Lebensrecht behinderter Personen. Die Sonderpädagogik sollte so auch als Aufgabe fassen, negative gesellschaftliche Entwicklungen zu kritisieren und diesen sowohl ein differenzierteres Bild von Behinderung entgegenzusetzen als auch diskriminierenden gesellschaftlichen Zuständen durch pädagogische Arbeit entgegenzutreten.

    Vergleich der beiden Argumentationen

    Die beiden Akteurinnen Sonderpädagogik und Behindertenbewegung vergleichend, fällt auf, dass zwar ähnliche Argumentationslinien eingeschlagen wurden, diese jedoch unterschiedlich gewichtet sind und an manchen Stellen verschiedenartig mit Inhalt gefüllt wurden:

    Die Vergleiche zum Nationalsozialismus waren bei beiden Akteuren zentral, jedoch nutzten die Aktivist_innen der Behindertenbewegung hier deutlich drastischere Vergleiche. Während die Sonderpädagogen eher auf die Kritische Theorie zurückgriffen, um Kontinuitäten des rationalistischen Denkens aufzuzeigen, nutzten die Aktivist_innen der Behindertenbewegung hier das Vokabular des Nationalsozialismus selbst. Beide Akteurinnen nutzten die Debatte, um sich selbst neu zu konstituieren. Die Behindertenbewegung versuchte hier sowohl ein Zugehörigkeitsgefühl bei ihren Leser_innen als auch eine möglichst einheitliche Bewegung herzustellen. Die Sonderpädagogik fasste ihre Aufgabe als eine advokatorische neu und legitimierte ihre Profession hierdurch als eine tragende Akteurin im Ankämpfen gegen behindertenfeindliche gesellschaftliche Entwicklungen. Beide Akteurinnen hielten den Diskurs für unführbar. Hierin war die Behindertenbewegung rigoros, das Verhindern des Diskurses scheint Hauptanliegen gewesen zu sein, wohingegen diese Haltung in der Sonderpädagogik eher vage war. Zwar wurde das Diskutieren über Lebenswert auch hier als ein möglicher „Dammbruch“ gesehen, der deshalb aufzuhalten sei, trotzdem wurde sich detailliert mit Singers Thesen auseinandergesetzt und an vereinzelten Stellen die neuen technischen Möglichkeiten diskutiert.

    Die Sonderpädagogik ließ sich hier auf eine Argumentation in philosophischer Denktradition ein und versuchte so eine neue Ethik zu fassen, die dem Denken über „Euthanasie“ entgegengestellt werden kann. Dies war die hauptsächliche Argumentationsweise innerhalb der Sonderpädagogik. Eine ethische Auseinandersetzung war innerhalb der Behindertenbewegung marginal, hier wurde der Schwerpunkt auf eine politische Auseinandersetzung gelegt, die sich auch mit der Veränderung gesellschaftlicher Zustände befasste, maßgeblich jedoch politische Aktionen gegen Singer plante. Diese Argumentation bzw. Strategie war wiederum bei den Vertretern der Sonderpädagogik wenig repräsentiert.

    Die hier untersuchten Vertreter der Sonderpädagogik bezogen sich positiv auf Aktivist_innen der Behindertenbewegung und äußerten Verständnis für deren Proteste, zum Teil schlossen sie sich diesen auch an. Die Behindertenbewegung hingegen nahm die „Euthanasie“-Debatte zum Anlass, die Sonderpädagogik sowohl für ihre mangelhafte Aufarbeitung ihrer Rolle im Nationalsozialismus zu kritisieren, als auch dafür, dass sie durch ihre Existenz bereits einen Beitrag zum behindertenfeindlichen gesellschaftlichen Denken leiste, da sie durch Besonderung, Heilung, Therapie sowie durch Mitleid und Fürsorge durchaus das Bild vom „leidenden Behinderten“ reproduzierte.

    Diese Kritik hatte auch Einfluss auf die Selbstkritik der Sonderpädagogik. Rechtliche Auseinandersetzungen war in den Veröffentlichungen der beiden Akteurinnen eher marginal, wobei der Zusammenschluss innerhalb der Behindertenbewegung für ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz durchaus als rechtliche Auseinandersetzung gesehen werden kann. Letztlich argumentierten beide Akteurinnen gegen Singer und die neue „Euthanasie“-Debatte kapitalismuskritisch, beide stellten den Utilitarismus als eine der Marktlogik unterworfene Ethik dar und lehnten diese vor allem wegen ihres ökonomischen Welt- und Menschenbildes ab. Um die Diskursstrukturen anschaulich vergleichen zu können, werden die Kernargumente der beiden Akteurinnen in Tabelle 1 auf ihre Kernaussagen heruntergebrochen und einander gegenübergestellt.

    Tabelle 1: Gegenüberstellung der Argumentationen der beiden Akteurinnen

    Behindertenbewegung

    Beide Akteurinnen

    Sonderpädagogik

    A

    - Entmenschlichung- krasses Vokabular („Ausmerze“)

    - Vergleich der Wissenschaft um Eugenik zur Weimarer Republik- vgl. mit Binding und Hoche- Singer in Kontinuität zu Rassenhygiene und Sozialdarwinismus

    - Kritische Theorie

    B

    - interne Differenzen- Kritik an der Sonderpädagogik

    - Konstitution der eigenen Gruppe- Selbstbeschreibung- Selbstkritik

    - Legitimation der Profession- Bezug zur Behindertenbewegung

    C

    - rigorose Ablehnung

    - Diskussion über Lebenswert wird abgelehnt- „Dammbruch“-Argument

    - durchlässigere Ablehnung- „Schiefe Ebene“

    D

    - politische Forderungen

    - Forderung nach Veränderung gesellschaftlicher Bedingungen für behinderte Menschen

    - ethische Ausführungen- Begründung des Lebensrechts

    E

    - Juristische Verfolgung der Entwicklungen- Anti-Diskriminierungs- Gesetzgebung

    - „Die Würde des Menschen ist unantastbar“

    F

    - besonders dramatische Zitate

    - Aufzeigen der Singerschen Argumentation

    - Diskussion seiner Begriffe

    G

    -Kritik an- „Kosten-Nutzen-Rechnung“- ökonomistischer Ethik- Leistungsgesellschaft- Zusammenhang vonBehindertenfeindlichkeit & Kapitalismus

    Selbstbestimmung

    In den Bezügen zu Selbstbestimmung ging es vornehmlich darum, den Selbstbestimmungsbegriff der Behindertenbewegung gegen Vereinnahmungen anderer Gruppierungen zu verteidigen, also deutlich zu machen, was nicht unter Selbstbestimmung fällt. Hier wurde vor allem der Selbstbestimmungsbegriff, der in der Argumentation für Sterbehilfe genutzt wurde und der, der in Teilen der damaligen Frauenbewegung virulent war, kritisiert.

    Behinderung

    Auch in der Thematisierung von Behinderung ist zentral, die aufkommenden, sich durchsetzenden oder zum Teil bereits bestehenden und hier wiederholten Bilder von Behinderung zu kritisieren und zu korrigieren. Der weit verbreiteten Gleichsetzung von Behinderung mit Schmerzen, Leiden und Unglück wurde von nahezu allen hier untersuchten Diskursteilnehmer_innen widersprochen. Dabei wird dies von den Aktivist_innen der Behindertenbewegung zumeist mit dem eigenen, nicht von Leid geprägten Leben begründet, von den Vertretern der Sonderpädagogik vordergründig durch die Arbeit mit behinderten Personen, also durch eine Außenperspektive. In den Auseinandersetzungen der Behindertenbewegung wird deutlich, dass die Aktivist_innen ein Zugehörigkeitsgefühl zur Protestbewegung vor allem durch ihre eigene Betroffenheit haben. Diese führte auch dazu, dass sie emotionalen Belastungen im Protest ausgesetzt waren, da es für viele Aktivist_innen um den Wert ihres eigenen Lebens ging, welches in Frage gestellt wurde, und um Zuschreibungen, die immer auch sie persönlich trafen.

    5. Diskussion

    Im Folgenden greife ich meine zentrale Forschungsfrage Wie wurde das Recht auf Leben in der neuen „Euthanasie“-Debatte in Deutschland verteidigt? wieder auf. Die Behindertenbewegung verteidigte das Recht auf Leben in der „Euthanasie“-Debatte, indem sie versuchte, die Diskussion darum zu verhindern und die „Euthanasie“-Befürworter_innen in ihrer Argumentationsweise zu delegitimieren. Die Sonderpädagogik verteidigt das Recht auf Leben vornehmlich durch das Formulieren ethischer Standards, die auch der Neukonstitution der Profession dienen sollten. Im Folgenden möchte ich die Kategorien, entlang derer ich im Vorangegangenen die Argumentationsweisen analysiert habe, interpretieren, um so die Forschungsfrage der Arbeit zu beantworten. Anschließend werden die weiteren Teilfragen der Arbeit beantwortet.

    A. Mahnende historische Vergleiche

    Insbesondere die Behindertenbewegung nutzt die Vergleiche zum Nationalsozialismus, um den Diskurs um „Euthanasie“ zu verhindern, „Euthanasie“-Befürworter_innen wurden als Faschist_innen konstruiert. Auch die Sonderpädagogik versuchte die neue Debatte um „Euthanasie“ und ihre Befürworter_innen zu delegitimieren, indem sie diese in die Nähe nationalsozialistischen Gedankenguts rückte.

    B. Selbstbeschreibung

    Ein großer Teil der hier untersuchten Veröffentlichungen befasste sich dokumentarisch mit dem Protestgeschehen, mit Fragen der Zusammensetzung der Bewegung, zum Teil mit internen Differenzen. Insgesamt diente die Dokumentation der Proteste vor allem der Konstitution der Bewegung. Die Protestbeschreibung kann als Grundlage dafür gesehen werden, einen Aktionskonsens herzustellen und das Zugehörigkeitsgefühl zur Bewegung zu erhöhen. Die internen Differenzen der Bewegung drehten sich dann auch maßgeblich um die Zusammensetzung der Proteste und um die Frage nach Bündnissen. Die Heftigkeit der Reaktionen auf EMMA zeigt, wie angespannt das Verhältnis der Bewegungen zueinander war. Die Sonderpädagogik nutzte die Auseinandersetzung um die neue „Euthanasie“ dazu, ihre Profession neu zu verhandeln, kritisch zu hinterfragen und so unter veränderten Vorzeichen als advokatorisch-solidarische im Kampf für das Recht auf Leben behinderter Menschen neu zu legitimieren. Durch die Selbstkritik, derer sich die Sonderpädagogik hier unterzog, die beinhaltete, Sonderanthropologien, Prävention, Fürsorge und Mitleid zu kritisieren und auf der anderen Seite gleichberechtigte Teilhabe, gesellschaftliche Veränderung und Integration zu fordern, kann die „Euthanasie“-Debatte für die Sonderpädagogik auch als Schritt zu professionellem Umdenken in Richtung Inklusion verstanden werden.

    Das Verhältnis der beiden Akteurinnen zueinander war zwiespältig. Die Sonderpädagogik bezog sich eindeutig positiv auf die Behindertenbewegung, verteidigte ihre Positionen und teilte diese an manchen Stellen auch. Die Behindertenbewegung hingegen machte kaum Zugeständnisse, kritisierte die Sonderpädagogik weiterhin vehement und sah in ihr keine Bündnispartnerin.

    C. Verhindern des Diskurses

    Vergleichbar mit der Strategie antifaschistischer Proteste gegen Nazi-Veranstaltungen wurden Veranstaltungen, auf denen „Euthanasie“ befürwortet werden sollte, blockiert und zum Teil erfolgreich verhindert. Diese Nähe drückt sich auch durch die modifizierte Version des „Kein Fuß breit den Faschisten“ („Kein Reifen breit den EuthanasiepropagandistInnen!“) aus. Zudem wurden Einladungen, auf solchen Veranstaltungen teilzunehmen und mitzudiskutieren, öffentlich abgesagt und die Zeitung EMMA wurde boykottiert, nachdem sie sich positiv über Singer äußerte. Insgesamt ist auch hier die Strategie vorherrschend, Singer und weitere „Euthanasie“-Befürworter_innen als Faschist_innen bzw. Neonazis zu stilisieren. Dies kann zum einen erklärt werden durch die These, dass für Aktivist_innen der Behindertenbewegung die Behindertenfeindlichkeit zentraler ideologischer Kern nationalistischen bzw. nationalsozialistischen Denkens ist. Zum anderen möglicherweise auch damit, dass im Ringen um die Größe der Veranstaltungen versucht wurde, die Relevanz des Protestes zu erhöhen, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen und Mitprotestierende aus anderen sozialen Bewegungen zu generieren.

    D. Gesellschaftliche Veränderung

    Die „Euthanasie“-Debatte ist für die Sonderpädagogik Anlass dazu, ihre Profession ethisch zu fundieren. Die 'neue' Ethik der Sonderpädagogik basiert auf einem leistungs- und fähigkeitenunabhängigen Personenbegriff, verabschiedet sich von einer Sonderanthropologie behinderter Menschen und versucht so eine Ethik zu fassen, die so allgemeingültig ist, dass der Personenkreis, den die Sonderpädagogik als ihr Klientel sieht, nicht ausgeschlossen werden kann.

    E. Recht

    Die rechtliche Auseinandersetzung mit der neuen „Euthanasie“-Debatte ist bei beiden Akteurinnen marginal. Dies ist insofern verwunderlich, da zum einen eine Gruppe existierte, die sich damit beschäftigte, eine Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung zu schaffen, und zum anderen deshalb, da später Aktivist_innen der Behindertenbewegung, darunter Theresia Degener, durchaus juristisch agierten, beispielsweise beim Arbeiten an der Behindertenrechtskonvention. Diese geringe juristische Auseinandersetzung möchte ich hier durch die Zusammenstellung des Korpus erklären. Das erfolgreiche Arbeiten an der Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung war zwar durchaus eine Reaktion auf die neue „Euthanasie“, aber nicht genuin dem Protestgeschehen und den Diskursbeiträgen zuzuordnen, da die Bezüge zum Thema nicht unbedingt explizit sind. Für die Sonderpädagogik sind die wenigen juristischen Bezüge weniger bemerkenswert, da diese den Rahmen der Profession sprengen würden.

    F. Argumentation der Gegenseite

    Das Aufzeigen und damit die Delegitimation der Argumente der Gegenseite betrieben sowohl die Behindertenbewegung als auch die Sonderpädagogik vehement, was jedoch der rigorosen Forderung danach widerspricht, keinen Diskurs über Lebensrecht führen zu wollen. Weiter haben sich beide Akteurinnen hier insofern angreifbar gemacht, als dass ihnen vorgeworfen wurde, Singer letztlich einfach missverstanden, seine Zitate aus dem Kontext gerissen zu haben und sie sich lediglich eingehender mit seinen Thesen hätten beschäftigen müssen. Tatsächlich reagierten beide Akteurinnen durch die Beschäftigung mit Singers Thesen bereits auf diese Kritik und vernachlässigten damit ihre eigentliche Strategie, seinen Thesen kein Gehör verschaffen zu wollen.

    G. Bioethik & Kapitalismuskritik

    Beide Akteurinnen erkannten in der Auseinandersetzung mit der Praktischen Ethik und den Argumenten der „Euthanasie“-Befürworter_innen diese als Ethik für eine kapitalistische Gesellschaft. Ihre an Leistung und Funktionalität orientierte Ethik sei dem ideologischen Kern nach behindertenfeindlich. Diese Argumentationslinie wurde von den Aktivist_innen der Behindertenbewegung möglicherweise eingeschlagen, um die Brisanz des Themas auch für andere soziale Bewegungen der Zeit aufzuzeigen. Die Protestunterstützung von antikapitalistischen Gruppen wurde an einzelnen Stellen als nicht solide bezeichnet, sodass mit dieser Argumentation diese Unterstützung aufrechterhalten werden sollte.

    Gegenstände Recht auf Leben und „Euthanasie“

    Die Begriffe Eugenik und „Euthanasie“ wurden an vielen Stellen sowohl von den Vertreter_innen der Behindertenbewegung als auch von den Vertretern der Sonderpädagogik gleichbedeutend verwendet. Die Themen aktive und passive Sterbehilfe, pränatale Diagnostik und selektive Abtreibung, aktive und passive Kindstötung und „Euthanasie“ wurden besprochen, indem sich auf alle diese Themen als Teil der „Euthanasie“ bezogen wurde. So wurde der Gegenstand „Euthanasie“ in den hier untersuchten Diskursbeiträgen als Metabegriff konstruiert, unter dem behindertenfeindliches Denken zu verstehen ist. „Euthanasie“ bezeichnet nicht allein, was sie dem Sinn nach benennt, nämlich Sterbehilfe bei schwerkranken, im Sterben liegenden Menschen, sondern alle Überlegungen, Diskussionen und Praktiken, die eine behindertenfeindliche Selektion vorantreiben. Zudem verwiesen beide Akteurinnen an vielen Stellen auf die Geschichte des Begriffs zur Zeit des Nationalsozialismus, sodass der Begriff als historischer konstituiert wurde, um so den Versuch ihn von seiner Geschichte zu entkoppeln und neu (positiv) mit Bedeutung zu füllen, zu vereiteln.

    Der Begriff „Recht auf Leben“ fungierte so als Konträrbegriff, der die Antwort auf „Euthanasie“ darstellt. Recht auf Leben meint hier nicht irgendein Leben, sondern eines, welches selbstbestimmt ist, nicht geprägt von Sonderterritorien und damit lebenswert. Die Unterscheidung in lebenswertes und nicht lebenswertes Leben wurde im Diskurs unterschwellig von der biologistischen Deutung hin zu einer sozialen verschoben:

    Die Umstände so einzurichten, dass sie lebenswert sind.

    Interessen der Diskursteilnehmer_innen

    Die Interessen der Diskursteilnehmer_innen, die im Diskurs sichtbar wurden, sind vor allem die jeweiligen Konstitutionsbestrebungen der eigenen Gruppe, also vor allem die Argumente und Themen, die jeweils unter B „Selbstbeschreibung“ nachgezeichnet wurden. Das Interesse der Sonderpädagogik, im Fassen der Aufgabe der eigenen Profession als solidarische im Protest gegen die „Euthanasie“-Debatte und als advokatorische für behinderte Menschen und ihr Recht auf Leben, war vor allem die neue Legitimation der eigenen Profession. Diese wurde auch durch eine Selbstkritik erreicht. Indem die Sonderpädagogik sich der Themen der Behindertenbewegung annimmt, sichert sie auch ihr zukünftiges Fortbestehen. Die Behindertenbewegung konstituierte sich ebenfalls entlang des Protestes, versuchte weitere Kreise an Mitprotestierenden zu mobilisieren und nutzte die Debatte, um politische Forderungen nach gesellschaftlicher Veränderung einzubringen.

    Selbstbestimmung

    Themen, bei denen laut Krähnke vornehmlich mit dem Selbstbestimmungsbegriff operiert wird, sind Schwangerschaftsabbruch, Sterbehilfe, geistige und körperliche Behinderung, Feminismus, Datenschutz, Völkerrecht und Tierschutz (Krähnke, 2007: 9). In dieser Auflistung fällt bereits auf, welche Prominenz das Thema Selbstbestimmung in der „Euthanasie“-Debatte einnehmen konnte, da hier ein Großteil dieser Themen verhandelt wurde. Die Behindertenbewegung versuchte, ihren Selbstbestimmungsbegriff gegen den anderer Gruppierungen zu verteidigen. Laut Krähnke wurde „von den Sprechern dieser Bewegung [der Behindertenbewegung, J.W. ][...] diese Leitformel auch bewusst zur kollektiven Identitätsbildung eingesetzt.“ (2007: 187). Auffällig ist, dass die Frage nach Selbstbestimmtheit von „nichteinwilligungsfähigen“ Personen oder von Personen, die nur erschwert mit ihrer Umwelt kommunizieren können, nicht thematisiert wurde. Der Selbstbestimmungsbegriff der Behindertenbewegung wurde damit nur am Rande mit Bedeutung gefüllt, und ließ die Frage nach dem Spannungsfeld von Autonomie und Abhängigkeit, beziehungsweise von Selbstbestimmung in abhängigen Verhältnissen, die nicht nur auf oben beschriebene Personen zutreffen, unberührt. Es blieb hier vage, wer sich wozu selbst bestimmt. Trotzdem leitet das Einfordern von Selbstbestimmungsrechten Prozesse des soziokulturellen Wandels ein.

    Behinderung

    In der Debatte um „Euthanasie“ wurde von der befürwortenden Seite eine Verschiebung der Kategorien behindert – nichtbehindert vorgenommen. Durch das Aufzeigen von Extremfällen, die die Grenze des Lebensrechts markieren sollen, wurde innerhalb der Kategorie behindert eine Unterscheidung vorgeschlagen, die die Grenze eher zwischen integrierbar und unintegrierbar zieht. Diese Verschiebung der Kategorie ist auch im Integrationsdiskurs und im sich anschließenden Inklusionsdiskurs immer wieder anzutreffen, wo gegen Integrations-/Inklusionsbestrebungen argumentiert wird, indem die „Extremfälle“ aufgezeigt werden, die letztlich die Unmöglichkeit der Vorhaben aufzeigen sollen. Schwere Behinderung heute ist die Behinderung von damals. Die Grenze der Kategorie behindert wurde durch Normalisierungs- und Integrationsprozesse verschoben, jedoch wurde damit nur eine ausschließende Normalität erweitert.

    Die Aktivist_innen der Behindertenbewegung akzeptierten diese Grenzverschiebung nicht, sondern reagierten mit dem Konzept der kollektiven Behinderungserfahrung. Statt die Grenze anzunehmen, da die meisten von ihnen entlang Singers Grenzziehungen nicht betroffen wären, verurteilten sie diese aufs schärfste und traten auch solidarisch für die behinderten Menschen ein, die nicht an der Diskussion und am Protest teilnehmen konnten. Dies führte letztlich auch dazu, dass die Grenze behindert – nichtbehindert sehr deutlich gezogen wurde, viele Aktivist_innen teilten sich entlang dieses „klassischen“ Kriteriums zu und zeigten sich enttäuscht über nichtbehinderte Protestierende. Zwar versuchten diese durch das Konzept der „potentiellen Behinderung“ [18] ebenfalls Zusammengehörigkeit und Solidarität herzustellen, dies gelang letztlich aber nicht. Hier ist der Aspekt der Betroffenheit als Voraussetzung der Zugehörigkeit nochmal besonders betont. Im Erschaffen eines kollektiven, diskriminierten „Wir“, welches gegen die Angriffe auf ihre Existenz kämpft, ist eine nichtbetroffene solidarische Position außen vor.

    Diskursresultate

    Letztlich gilt es entlang einer diskursanalytischen Betrachtung eine interpretative Verknüpfung der diskursiven mit der nicht-diskursiven Praxis vorzunehmen (vgl. Diaz- Bone, 2006: 15). „Erst wenn eine Verbindung der sprachlichen Formen mit nichtsprachlichen Objektivationen des Wissens nachgewiesen werden kann, kann das methodische Potential einer Diskursanalyse als ausgeschöpft gelten.“ (Traue et al., 2014: 505). Dies soll nicht bedeuten, einen linearen Zusammenhang zwischen Äußerungen im Diskurs und der Veränderung gesellschaftlicher Denkmuster und Praktiken herzustellen, vielmehr sind diese Veränderungen als Teil eines komplexeren Prozesses zu verstehen. Zum einen ist als Wechselwirkung zwischen den hier untersuchten Aussagen und ihren gesellschaftlichen Bedingungen die Neufassung der „Einbecker Empfehlung“ (Wolfslast/Conrads, 2001: 121) zu nennen. Diese wurde 1992 veröffentlicht und verzichtete auf eine genaue Beschreibung der Extremfälle, unter denen die Behandlungspflicht der Ärzt_innen enden sollte. Zwar wurden weiterhin Grenzen der ärztlichen Behandlungspflicht bestimmt, jedoch nicht mehr mithilfe einzelner diagnostischer Kriterien. Weiter wurde 1993 der § 218 insofern geändert, dass die embryopathische Indikation, derzufolge ein Schwangerschaftsabbruch legitim sei, wenn das Kind behindert ist, gestrichen.[19]

    Ein weiteres Diskursresultat ist die Aufnahme des Satzes „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ ins Grundgesetz (Art. 3 Abs. 3, GG ), die im November 1994 erfolgte und auch auf die Bestrebungen der Behindertenbewegung, einen juristischen „Gegendiskurs“ aufzubauen, zurückzuführen ist. Die veränderte Haltung zu „Euthanasie“ und dem Umgang mit der Diskussion darum, die die Lebenshilfe zeigte, indem sie die Veranstaltungen mit Singer absagte, und auch die vielen Reaktionen der Sonderpädagogik können als Reaktion auf die diskursive Praxis der Behindertenbewegung gedeutet werden.

    Dieser Anstoß, der für die Sonderpädagogik eine Selbstkritik und Neufassung der eigenen Profession bedeutete, also in der Folge einen anderen Spezialdiskurs innerhalb der Profession hervorbrachte, kann im weiteren Verlauf als ein diskursives Ereignis verstanden werden, welches zum Umdenken der Profession in Richtung Inklusion führte. Letztlich kann das vehemente Reagieren der hier angeführten Akteur_innen als Teilursache eines veränderten gesellschaftlichen Blicks auf die darin verhandelten Themen verstanden werden, sodass die Debatten um Sterbehilfe, die aktuell geführt werden, auch in Folge des hier beschriebenen Diskurses verstanden werden können.

    Schluss

    Die vorliegende Arbeit „Unser Lebensrecht ist nicht diskutierbar!“ Die Verteidigung des Rechts auf Leben und die Konstruktionen von Behinderung in der „Euthanasie“- Debatte in den 1990ern in Deutschland behandelte die Frage Wie wurde das Recht auf Leben in der neuen „Euthanasie“ - Debatte in Deutschland verteidigt?

    Hierfür habe ich zunächst den Kontext der „Euthanasie“-Debatte erörtert, bestehend aus den historischen und gesellschaftlichen Vorläufern der Debatte, also der öffentlichen Thematisierung der Fragen um Sterbehilfe, Abtreibung und um „Lebenswert“, die dem diskursiven Ereignis Singer vorausgingen. Hier zeigte sich, dass diese Themen in einem behindertenfeindlichen Klima verhandelt wurden und sich eine Tendenz abzeichnete, allgemeine Thesen entlang von Extremfällen darzustellen. Zudem habe ich Singers Praktische Ethik zusammengefasst, deren Kern sich herunterbrechen lässt auf die These, es gäbe Tiere, die einen Personenstatus und Menschen, die diesen nicht hätten, woraus er folgerte, dass entlang von präferenzutilitaristischen Überlegungen nicht alle Menschen ein Recht auf Leben hätten. Anschließend zeichnete ich die Geschichte der Behindertenbewegung nach, hierin zunächst ihren Entstehungskontext, entlang dessen die Behindertenbewegung als soziale Bewegung zu fassen ist, deren ideologischer Kern Selbstbestimmung ist und die sich vor allem dadurch auszeichnet, immer wieder Vereinnahmungen von professioneller Seite zu unterliegen. Die Themenstränge Eugenik und „Euthanasie“ nahmen in den Auseinandersetzungen der Bewegung von vornherein eine zentrale Stellung ein. Letztlich habe ich hier das Verhältnis der Behindertenbewegung zur damaligen Frauenbewegung thematisiert, welches entlang des Streits um den Selbstbestimmungsbegriff als strapaziert zu bezeichnen ist. Abschließend habe ich mich mit der Disziplin Sonderpädagogik auseinandergesetzt, die sich als sekundäre Disziplin dadurch auszeichnet, sich entlang ihres Gegenstands zu konstituieren. Vor diesem Hintergrund erarbeitete ich anschließend die methodische Herangehensweise an die Fragestellung. Durch eine wissenssoziologische Betrachtung der Thematik und einen diskursanalytischen Aufbau der Analyse habe ich versucht, den Diskursstrang „Euthanasie“ möglichst zu durchdringen. Die Argumentationsweisen der beiden untersuchten Akteurinnen glichen sich so, dass sie sich entlang derselben sieben Kategorien darstellen ließen.

    Das methodische Vorgehen ist dabei insofern kritisch zu betrachten, als dass durch die Fokussierung auf die Argumentationsweisen der Vertreter_innen der Behindertenbewegung und der Sonderpädagogik weitere Argumentationsweisen ausgeklammert wurden, die für ein breites Verständnis der Debatte von Interesse gewesen wären. So beispielsweise die Position christlicher Gruppierungen, von denen sich die Behindertenbewegung teilweise explizit abgrenzte, mit denen sie aber streckenweise auch Bündnisse eingegangen ist. Ferner ist die hier angewandte Methode insofern problematisch, als dass durch den Versuch, eine Quintessenz der Aussagen zu kondensieren, bestimmte marginalisiertere Sprecher_innen keine Beachtung finden. Zwar entspricht dies auch der realistischen Struktur der Debatte, schreibt diese so aber auch fest. Beispielsweise ist die Auswahl der Sonderpädagogen orientiert an den zentralen Figuren der Profession zu der Zeit, was hier dazu führte, dass nur männliche Vertreter berücksichtigt wurden, was zwar der strukturellen Situation der Profession zu der Zeit entspricht, aber dennoch übersieht, dass Frauen sich in der Profession auch zum Thema äußerten. Letztlich habe ich die Arbeit im Anschluss an die Disability History konzipiert, welche aus Teilen der untersuchten Zusammenhänge entstanden ist. Dies birgt auch die Schwierigkeit, Theorie und Empirie abzugrenzen. So stellen Autor_innen der Veröffentlichungen, die zum Datenkorpus gehören auch Autor_innen dar, auf die ich mich im theoretischen Teil der Arbeit beziehe.

    Durch die Untersuchung der „Euthanasie“-Debatte und ihres Kontextes konnte ich Forschungsdesiderate ausfindig machen, die in Weiterführung der Disability Studies, aber auch in Forschungen zur Professionsgeschichte der Sonderpädagogik von Interesse sind. Zunächst halte ich das Verhältnis der Behindertenbewegung zur Sonderpädagogik und umgekehrt für ein Themenfeld, was sowohl für die Bewegungs- als auch für die Professionsgeschichte erkenntnisreich ist, hier jedoch nur am Rande thematisiert werden konnte. Dies insbesondere auch aufgrund der hier herausgearbeiteten Rolle, die die Behindertenbewegung für die Selbstkritik der Sonderpädagogik spielte. Besonders interessant diesbezüglich ist auch die Rolle der Interessen- und Elternverbände, die als Schnittstelle zwischen den beiden Akteurinnen zu verstehen sind. Generell ist die Behindertenbewegung bisher unterrepräsentiert beforscht, so beispielsweise die Kontroversen zwischen Behinderten- und Frauenbewegung, die Thematisierung der Zugehörigkeit nichtbehinderter Personen zur Bewegung, die weitere Positionierung der Bewegung zum Themenkomplex „Bioethik“, ihre Rolle bezüglich der juristischen Errungenschaften zum Thema Anti-Diskriminierung oder der historischen Aufarbeitung der NS- „Euthanasie“-Verbrechen.

    Trotz dieser methodischen Schwierigkeiten und der Forschungsdesiderate zum Thema konnte ich Erkenntnisse über die Struktur der Debatte und über das Verhältnis der beiden Akteurinnen zueinander gewinnen, sodass ich im Blick auf die Verteidigung des Rechts auf Leben schlussfolgernd festhalten möchte, dass dieses verteidigt wurde, indem die Behindertenbewegung sich als soziale Bewegung konstituierte und ihre Kritik am aufkommenden Diskurs auch über den Rückgriff auf ihren ideologischen Kern „Selbstbestimmung“, der in modernen Gesellschaften als normative Leitidee fungiert, äußerte. Auch durch die Nutzung des juristischen Weges mit der Forderung nach einem Anti-Diskriminierungs-Gesetz, welche durch das Aufnehmen des Satzes „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ ins Grundgesetz als erfolgreich anzusehen ist, wurde das Recht auf Leben verteidigt. Die Sonderpädagogik war als durchaus mächtige Akteurin in der Frage nach der Konstruktion von Behinderung Teil der Voraussetzung dafür, „wahres Wissens“ bezüglich der Themen „Euthanasie“ und Eugenik zu etablieren, und, wie hier gezeigt wurde, damit auch der Phänomenbereiche Behinderung und Selbstbestimmung, das sich vom herrschenden Diskurs unterschied. Dies geschah dadurch, dass sie sich entlang ihres Klientel zum Thema äußerte, Thesen der Bewegung aufgriff und teilte und ihre eigene Rolle bezüglich der gesellschaftlichen Behindertenfeindlichkeit hinterfragte.

    Im Hinblick auf die Konstruktionen von Behinderung möchte ich hier abschließend festhalten, dass die Behindertenbewegung in der Auseinandersetzung mit der „Euthanasie“- Debatte die Verschiebung der Kategorien von nichtbehindert – behindert zu integrierbar – unintegrierbar, die sich meines Erachtens in aktuellen Auseinandersetzungen, so beispielsweise der Inklusionsdebatte, inzwischen durchgesetzt hat, abwehrten, indem sie dieser das Konzept der kollektiven Behinderungserfahrung entgegneten. Dies führte jedoch zwangsläufig auch dazu, dass durch die „Euthanasie“-Debatte die Grenzziehung behindert – nichtbehindert betont wurde.



    [18] Das Konzept der potentiellen Behinderung wurde in den USA unter dem Begriff temporarily abled verhandelt.

    [19] Auch wenn hier anzumerken ist, dass die embryopathische Indikation in der medizinischen aufgegangen ist, also eine eventuelle Schädigung des Kindes als Belastungfaktor für die Mutter gewertet wird, der eine Abtreibung legitimieren kann.

    Quellenverzeichnis

    Behindertenbewegung

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    Forum der Krüppel- und Behinderteninitiativen in der AG Spak (1996): SINGER KOMMT – WIR AUCH! Rückseite der randschau – Zeitschrift für Behindertenpolitik, 11. Jg. Nr. 1.

    FrauenLesbenzusammenhänge aus Köln und anderen NRW-Städten (1994): EMMA: ES REICHT! EMMA greift das Lebensrecht behinderter Menschen an. Das „Magazin von Frauen für Menschen“ bejubelt Euthanasie-Propagandist Peter Singer. S. 32 - 34 In: die randschau – Zeitschrift für Behindertenpolitik, 9. Jg. Nr. 2.

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    Feuser, Georg (1989b): „Der Streit um Leben und Tod“ - Stellungnahme zur Diskussion über das Lebensrecht behinderter Menschen S. 301 – 308 In: Behindertenpädagogik. Vierteljahresschrift für Behindertenpädagogik in Praxis Forschung und Lehre und Integration Behinderter. 28. Jg. Nr. 3.

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    Eigenständigkeitserklärung

    Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit mit dem Titel „Unser Lebensrecht ist nicht diskutierbar!“ - Die Verteidigung des Rechts auf Leben und die Konstruktionen von Behinderung in der „Euthanasie“-Debatte in den 1990ern in Deutschland“ in der gesetzten Frist von sechs Monaten selbstständig verfasst, keine, außer den angegebenen Hilfsmitteln verwendet und Zitate sowie inhaltliche Entlehnungen unter genauer Quellenangabe kenntlich gemacht habe.

    Julia Weidenbach

    Berlin, im Dezember 2015

    Quelle

    Julia Weidenbach: „Unser Lebensrecht ist nicht diskutierbar!“ Die Verteidigung des Rechts auf Leben und die Konstruktionen von Behinderung in der „Euthanasie“-Debatte in den 1990ern in Deutschland. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (M.A.); Humboldt Universität zu Berlin; Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät (Philosophische Fakultät IV); Institut für Rehabilitationswissenschaften

    bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

    Stand: 09.10.2017

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