Monitoring - unverzichtbarer Beitrag zur staatlichen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Autor:in - Valentin Aichele
Themenbereiche: Recht
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Stellungnahme der unabhängigen Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention: Positionen Nr. 1 2010, www.institut-fuer-menschenrechte.de
Copyright: © Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention 2010

Anmerkung der Redaktion:

Unter folgendem Link finden Sie in unserer Leicht Lesen Bibliothek eine Übersetzung dieses Artikels in Leichter Sprache: http://bidok.uibk.ac.at/library/monitoringstelle1-aichele-monitoring-l.html

Monitoring - unverzichtbarer Beitrag zur staatlichen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland soll durch ein so genanntes Monitoring begleitet werden. So sieht es die Konvention vor. Dazu aufgerufen sind zivilgesellschaftliche Akteure und die unabhängige Monitoring-Stelle, die nach der Konvention verpflichtend eingerichtet werden muss. Was Monitoring konkret bedeutet und was dadurch erreicht werden kann, wird im Folgenden erläutert.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) soll gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen in den vollen Genuss aller Menschenrechte kommen - wie andere Menschen auch. Die UN-BRK stärkt die individuellen Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Aufbauend auf die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 formulierten Rechte konkretisiert und präzisiert sie die universellen Rechte des Menschen aus der Perspektive der behinderten Menschen und ihrer unterschiedlichen Lebenssituationen. Die UN-BRK steht für einen Wechsel in der Perspektive: von einer Politik der Fürsorge hin zu einer Politik der Rechte. Menschenwürde, Nichtdiskriminierung, assistierte Selbstbestimmung, soziale Inklusion und Barrierefreiheit legen das Grundverständnis der UN-BRK fest.

Seit Inkrafttreten der UN-BRK im März 2009 ist Deutschland zur Einhaltung und Umsetzung der in ihr formulierten Rechte verpflichtet. Bund und Länder sind gehalten, diesen Konventionsrechten im Rahmen ihrer Möglichkeiten die volle praktische Geltung zu verschaffen. Sie müssen hierfür geeignete Maßnahmen ergreifen und deren Wirksamkeit kontinuierlich überprüfen. Dies zwingt Bund wie Länder zu einer kritischen Überprüfung, inwieweit Recht und Politik den Anforderungen der Konvention angepasst werden müssen.

Gleichberechtigt dabei sein: Die UN-Konvention stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Obwohl viel von dem, was die UN-BRK will, in Deutschland schon erfüllt wird, hat die Konvention Politik und Öffentlichkeit den immer noch sehr großen Handlungsbedarf bewusst gemacht. Dies gilt sowohl für einzelne Bereiche, etwa für den Ausbau der Barrierefreiheit und den Aufbau eines inklusiven Bildungssystems in den Ländern, als auch für die Reichweite solcher Konventionsrechte, die der Staat nach Maßgabe seiner (finanziellen) Möglichkeiten schrittweise verwirklichen muss.

Monitoring

Berücksichtigt der Staat in seinen Entscheidungen die Rechte behinderter Menschen? Wird die UN-Konvention angemessen umgesetzt? Antworten auf diese Fragen liefert das so genannte Monitoring. Die UN-Konvention versteht Monitoring als notwendigen, zivilgesellschaftlich organisierten Prozess, der die Einhaltung und Umsetzung der Konvention begleitet und fördert. Auch im Monitoring-Prozess selbst müssen die Rechte von Menschen mit Behinderungen, vor allem das Recht auf Partizipation, beachtet werden.

Der Handlungsbedarf ist dabei nicht statisch, sondern muss im politischen Prozess immer wieder neu bestimmt werden.

Was ist Monitoring?

Zweck und Ausgestaltung von Monitoring

In Abgrenzung zu der Pflicht des Staates, die UN-BRK einzuhalten und umzusetzen, obliegt nichtstaatlichen Akteuren eine andere Aufgabe: das Monitoring. Der Begriff Monitoring kommt aus dem Englischen; "to monitor" bedeutet beobachten, kontrollieren, überwachen. Die UN-BRK versteht Monitoring als einen notwendigen und zivilgesellschaftlich organisierten Prozess, in dessen Rahmen Einhaltung und Umsetzung der Konvention begleitet und gefördert werden.

Die UN-BRK verbindet mit dem Begriff Monitoring einen Anspruch: Zum einen sind Situationen und Entwicklungen so zu begleiten, dass auf die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit den Rechten von Menschen mit Behinderungen hingewirkt wird. Zum anderen muss der Monitoring-Prozess selbst diese Rechte, insbesondere die Partizipationsrechte, beachten.

Die Besonderheit der UN-BRK gegenüber bisherigen menschenrechtlichen Verträgen liegt darin, dass sie den Staat verpflichtet, dieses Monitoring auf innerstaatlicher Ebene durch die Schaffung einer unabhängigen Stelle dauerhaft sicherzustellen und zu gewährleisten. Diese unabhängige Stelle heißt in Deutschland Monitoring-Stelle und ist Teil des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin (Institut). Ergänzt wird das innerstaatliche Monitoring durch die Begleitung und Überwachung auf internationaler Ebene, vornehmlich durch den UN-Ausschuss über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Fachausschuss).

Menschenrechtliches Monitoring ist darauf ausgerichtet, durch andere als rechtliche Mittel darauf hinzuwirken, dass die staatlichen Stellen die UN-BRK einhalten und umsetzen. Monitoring ist Überzeugungsarbeit durch Beteiligung an politischen Diskussionen, am fachwissenschaftlichen Diskurs und an Entscheidungsprozessen. Monitoring bedeutet die genaue sektor- und themenbezogene Beobachtung der rechtlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit sowie das Sammeln von Informationen und Fakten und deren Bewertung im Lichte der UN-BRK. Hierauf aufbauend werden staatliche Aktivitäten konstruktiv und kritisch begleitet oder neue Aktivitäten angestoßen.

Die klassischen Kontrollmechanismen staatlicher Gewalt wie etwa Gerichte, die parlamentarische Kontrolle, die Widerspruchs- und Petitionsverfahren werden nicht dazu gerechnet. Sie gehören in den Bereich der Implementierung der UN-Konvention durch den Staat. Diese staatlichen Verfahren bilden wichtige Errungenschaften der staatsimmanenten Kontrolle im Sinne von "checks and balances", die durch ein menschenrechtliches Monitoring keinesfalls ersetzt, jedoch im Interesse der bestmöglichen Verwirklichung der UN-BRK ergänzt werden.

Bezugspunkte von Monitoring

Die staatlichen Organe sind nach der UN-BRK verpflichtet, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Diese Pflichten sind sowohl in jedem Einzelfall zu beachten als auch generell zu erfüllen, etwa durch die Schaffung von Normen und Strukturen, die den vollen Rechtsgebrauch ermöglichen und begünstigen. Dementsprechend kann Monitoring zwei Bezugspunkte haben: Es bezieht sich entweder auf den Einzelfall oder auf allgemeine Entwicklungen.

Das strukturelle Monitoring bezieht sich auf Prozesse zum Aufbau von allgemeinen Voraussetzungen, die den vollen Gebrauch der Rechte ermöglichen oder erleichtern. Dies sind sowohl Gesetzgebungsverfahren als auch Prozesse der Politikgestaltung, etwa die Entwicklung Nationaler Aktionspläne. Dabei muss sich strukturelles Monitoring nicht mit der Beobachtung und dem Sammeln von Fakten begnügen, sondern kann und soll die konventionskonforme Entwicklung substantiell unterstützen, etwa durch Stellungnahmen, die Maßstäbe und Möglichkeiten für die konsequente und umfassende Umsetzung der Konvention aufzeigen.

Einzelfallbezogenes Monitoring umfasst Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, die staatlichen Entscheidungsträger im Einzelfall zu einem Verhalten anzuhalten, welches den in der UN-BRK anerkannten Rechten gerecht wird. Anlass ist gegeben, wenn in einer individuellen Situation die Gefahr besteht, dass Bedeutung und Tragweite eines Rechts unzureichend gewürdigt werden oder gar das Recht von staatlicher Seite missachtet wird.

Der Monitoring-Mechanismus: Ausrichtung und Arbeitsweise

Einrichtung einer unabhängigen Monitoring-Stelle

Deutschland muss - wie alle Vertragsstaaten der UN-BRK - mindestens eine unabhängige Stelle für das Monitoring einrichten (Artikel 33 Absatz 2 UN-BRK). So soll sichergestellt werden, dass ein nichtstaatlicher Akteur existiert, der kontinuierlich Monitoring betreiben kann und über die erforderliche (völker-)rechtliche und sozialwissenschaftliche Expertise verfügt. Damit die staatlich finanzierte Monitoring-Stelle den Staat tatsächlich unabhängig bei der Wahrnehmung seiner Umsetzungspflicht unterstützen kann, verweist die UN-BRK auf die Unabhängigkeit Nationaler Menschenrechtsinstitutionen. Demnach sind insbesondere eine persönliche und institutionelle Unabhängigkeit sowie eine dauerhafte Grundfinanzierung erforderlich, um politische Einflussnahme auf die Arbeit der Stelle zu verhindern.

Die Monitoring-Stelle muss nicht nur vom Staat unabhängig sein, sondern auch von anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, obwohl sie wesentlicher Bestandteil des nichtstaatlichen Monitorings ist. Der Grund liegt darin, dass sie eine umfassende, auf die UN-BRK bezogene Aufgabe hat, während die Satzungsziele zivilgesellschaftlicher Organisationen auch an Formen der Beeinträchtigung beziehungsweise an bestimmten Sektoren ausgerichtet sein können. Die Monitoring-Stelle darf nicht der "verlängerte Arm" einzelner Verbände sein. Das schließt jedoch nicht aus, dass Struktur und Aktivitäten der Monitoring-Stelle so ausgestaltet werden, dass Menschen mit Behinderungen beteiligt sind. Im Gegenteil: Artikel 33 Absatz 3 der UN-BRK sieht deren Beteiligung allgemein für das Monitoring vor.

Die Monitoring-Stelle

Die Monitoring-Stelle überwacht die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. Wie jeder völkerrechtliche Vertrag bedarf die Konvention der Auslegung, um die Pflichten eines Staates genau zu bestimmen. Wie weit reichen die konkreten Vorgaben der Konvention? In welchen Bereichen sind gesellschaftliche und politische Aushandlungsprozesse geboten? Aufgabe der Monitoring-Stelle ist es, diese Fragen zu beantworten. Als Teil des Deutschen Instituts für Menschenrechte verfügt sie über das notwendige völkerrechtliche Fachwissen.

Einzelfallbezogenes und strukturelles Monitoring

Einzelfallbezogenes und strukturelles Monitoring werden sowohl auf internationaler wie auf innerstaatlicher Ebene betrieben. Auf der nationalen Ebene kann die organisierte Zivilgesellschaft, zum Beispiel Selbsthilfegruppen oder die Behindertenverbände, eine eigenständige Praxis des Monitorings entwickeln, die sowohl auf den Einzelfall gerichtet sein kann als auch die strukturelle Seite der Rechtsverwirklichung im Blick hat. Auf den Einzelfall fokussiert sie, wenn sie etwa Einzelpersonen in Rechtsangelegenheiten berät, diese auf nationaler oder internationaler Ebene unterstützt oder Musterverfahren vor Gericht durchführt. Um strukturelle Fragen kümmern sich die Verbände, wenn sie den Menschenrechtsansatz in ihrer fachpolitischen Arbeit anwenden, etwa bei Lobby-Aktivitäten oder wenn sie im Berichtsprüfungsverfahren vor dem UN-Ausschuss so genannte Parallelberichte einreichen, um - ergänzend zum amtlichen Bericht der Bundesregierung - aus ihrer Perspektive Entwicklungen darzustellen und zu bewerten.

Dem UN-Fachausschuss auf internationaler Ebene stehen im Wesentlichen zwei Verfahren zur Verfügung: das Individualbeschwerdeverfahren nach dem - von Deutschland akzeptierten - Fakultativprotokoll für ein einzelfallbezogenes Monitoring und das Berichtsprüfungsverfahren nach der UN-BRK für ein an den Strukturen ausgerichtetes Monitoring. Beim Beschwerdeverfahren prüft der Ausschuss Eingaben von Einzelpersonen, die den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft haben. Beim Berichtsverfahren untersucht er allgemeine Entwicklungen in einem Staat. Beide Verfahren enden mit Empfehlungen, die - weil diese sich auf die Verpflichtungen der UN-BRK stützen - ein Staat schwerlich außer Acht lassen kann.

Aufgabe der von der UN-BRK vorgesehenen Monitoring-Stelle ist es, beide Ebenen des Monitoring in ihrer Tätigkeit in den Blick zu nehmen und zu verknüpfen. Sie soll die auf internationaler Ebene entwickelten und konkretisierten Anforderungen auf nationaler Ebene zur Geltung bringen. Während die organisierte Zivilgesellschaft frei ist in der Entscheidung, ob und wie sie Monitoring betreibt, ist die Monitoring-Stelle zum Monitoring verpflichtet und muss ihre Tätigkeit an den verschiedenen Dimensionen von Monitoring ausrichten.

Die Monitoring-Stelle in Deutschland

Im Anschluss an den Kabinettsbeschluss im Oktober 2008 bestätigte der Deutsche Bundestag mit der Entscheidung über die Ratifikation der UN-BRK am 19. Dezember 2008 den Auftrag an das Deutsche Institut für Menschenrechte, die "Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention" aufzubauen. Diese hat im Mai 2009 ihre Tätigkeit aufgenommen. Das Institut wurde im März 2001 auf Beschluss des Deutschen Bundestages vom Dezember 2000 als unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution gegründet. Als solche ist es - so die Feststellung der Vereinten Nationen - für die Funktion des Monitoring der UN-BRK prädestiniert.

Das Mandat der Monitoring-Stelle ergibt sich aus der UN-BRK selbst (siehe hierzu Artikel 33 Absatz 2 UN-BRK). Danach soll sie die Einhaltung der Konvention fördern, die Rechte behinderter Menschen schützen und die Umsetzung der Konvention - gemeinsam mit anderen - überwachen. Dieser Auftrag bezieht sich sowohl auf individuelle Situationen als auch auf generelle und strukturelle Entwicklungen im Zusammenhang mit der UN-BRK.

Selbstverständnis der Monitoring-Stelle

Die Monitoring-Stelle ist bei ihrer Arbeit der Behindertenrechtskonvention insgesamt und allen behinderten Menschen gegenüber verpflichtet, die wegen einer Beeinträchtigung an der vollen Ausübung ihrer Rechte eingeschränkt werden. Sie hat ihr Augenmerk auf alle Gruppen von behinderten Menschen und auf alle von der UN-BRK erfassten Lebensbereiche zu richten. Darüber hinaus soll sie auf Querschnittsanliegen der UN-BRK aufmerksam machen und überwachen, ob Umsetzungsprozesse diskriminierungsfrei, transparent und partizipativ vonstattengehen.

Gerade weil neben ihr zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen Monitoring betreiben, richtet die Monitoring-Stelle den Blick vor allem auf jene Gruppen von behinderten Menschen, die ihren menschenrechtlichen Anliegen kein Gehör verschaffen können, etwa weil sie nicht organisiert sind oder weil sie keine mächtigen gesellschaftlichen Fürsprecher haben. Diese Gruppen laufen deshalb im Vergleich mit anderen eher Gefahr, in Bezug auf ihre Rechte benachteiligt zu werden. Auf dieser Grundlage erfüllt die Monitoring-Stelle ihre beiden zentralen Funktionen für das Monitoring: Klärungsfunktion und Interventionsfunktion.

Klärungsfunktion: Inhalte klären und Bewertungsmaßstäbe herausarbeiten

Der Monitoring-Stelle kommt zunächst eine Klärungsfunktion in Bezug auf den Inhalt der UN-BRK zu. Menschenrechte, wie sie in völkerrechtlichen Übereinkommen anerkannt sind, bilden eine rechtliche Spezialmaterie. Die Fachkompetenzen, die UN-BRK auszulegen, hat die Monitoring-Stelle als Teil der Nationalen Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Die Auslegung der UN-BRK kann überdies nur sinnvoll geschehen, wenn beispielsweise auch die Allgemeinen Kommentare der UN-Fachausschüsse zu den weiteren menschenrechtlichen Übereinkommen einbezogen werden.

Dass diese Kompetenz, ausgeübt auf der Grundlage der Unabhängigkeit, von besonderer Bedeutung ist, zeigt sich im Kontext laufender politischer Debatten. Hier sind offene Fragen hinsichtlich der Bedeutung und Tragweite der Konvention erkennbar. Dies gilt etwa für die Beurteilung, welche Bestimmungen der UN-BRK sofort zu beachten sind und welche Aspekte die UN-BRK gesellschaftlichen Aushandlungs- und politischen Entscheidungsprozessen überlässt. In letzterem Fall ist ergänzend zu klären, welche verbindlichen Ziele und positiven Grundsätze der Orientierung, aber auch welche Grenzen für die politische Gestaltung sich der UN-BRK entnehmen lassen. Den Antworten der Monitoring-Stelle auf diese Fragen kommt Autorität zu - wegen ihrer Unabhängigkeit, ihrer Vertrautheit mit behindertenrechtlichen Problemstellungen, ihres umfassenden menschenrechtlichen Expertenwissens und ihrer Scharnierfunktion zwischen internationaler und nationaler Ebene. Gesetzgebung, Politik, Verwaltung und Gerichte sind daher nach der UN-BRK gehalten, diesen Stellungnahmen hohes Gewicht beizumessen.

Klärungsbedarf besteht auch im Hinblick auf die Frage, ob und wie Fort- oder Rückschritte bei der Umsetzung der Konvention festgestellt werden können. Wann ist etwa ein in der UN-BRK enthaltenes Recht "voll verwirklicht"? Wie kann die progressive Verwirklichung der in der Konvention anerkannten Rechte gemessen werden? Eine Antwort findet sich im Ansatz "menschenrechtsgestützter Indikatoren". Die Entwicklung und Nutzbarmachung von menschenrechtsgestützten Indikatoren stellt ein wichtiges Hilfsmittel zur Bewertung der Menschenrechtssituation dar, denn die darüber gewonnenen empirischen Erkenntnisse können in eine menschenrechtliche Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Die Monitoring-Stelle hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, die Entwicklung menschenrechtsgestüzter Indikatoren anzustoßen, die Rückbindung von Indikatoren an die Normstruktur der Menschenrechte zu prüfen sowie die Anwendung akzeptabler Indikatoren zu fördern.

Interventionsfunktion: Einflussnahme zugunsten der Rechte behinderter Menschen

Da Monitoring auf die Beachtung und Verwirklichung aller Rechte von Menschen mit Behinderungen zielt, muss die Monitoring-Stelle mit dieser Zielsetzung bei staatlichen Akteuren intervenieren. Dies gilt vor allem für politische Prozesse, die rechtliche und gesellschaftliche Entwicklungen befördern sollen. Es gilt zudem, wenn auch in weit schwächerem Maße, für Interventionen bei Einzelfällen. Dazu gehören die rechtliche Bewertung der Situation und das Aufzeigen menschenrechtlich gebotener Maßstäbe sowie gegebenenfalls darauf basierender Lösungsvorschläge. Die Monitoring-Stelle tut dies durch Publikationen, schriftliche oder mündliche Stellungnahmen in den jeweiligen Verfahren sowie Beratung politischer Akteure.

Informationen sammeln und bewerten

Um die Umsetzung der UN-Konvention beurteilen zu können, muss die Monitoring-Stelle gesellschaftliche Entwicklungen genau im Blick behalten. Sie greift dazu auf die Erkenntnisse staatlicher Stellen und zivilgesellschaftlicher Organisationen zurück und gleicht sie kritisch miteinander ab. Der Blick der Monitoring-Stelle ist dabei unabhängig und allein der Konvention verpflichtet.

1. Strukturelles Monitoring: Interventionen auf solider Faktengrundlage

Voraussetzung für das strukturelle Monitoring ist die längerfristige Beobachtung von gesellschaftlichen Entwicklungen. Hier ist der unabhängige und an den Konventionsrechten ausgerichtete Blick auf gesellschaftlichen Entwicklungen Kennzeichen der Tätigkeit der Monitoring-Stelle. In diesem Zusammenhang hat sie staatliche Umsetzungsleistungen zu erkennen und anzuerkennen, aber auch Schwächen zu benennen und konkrete Maßnahmen einzufordern.

Solche Beobachtungen, die Kenntnisse über die Lebenssituation behinderter Menschen und die damit verbundenen gesellschaftspolitischen Entwicklungen zutage fördern, sind teilweise ressourcenintensiv. Deshalb muss sich die Monitoring-Stelle auf einzelne Politikfelder konzentrieren, etwa weil sie dort besonders dringlichen Handlungsbedarf sieht oder weil eine breite politische Debatte aufgekommen ist, die der menschenrechtlichen Orientierung bedarf. Ein Beispiel ist die Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems in den Bundesländern.

Die Monitoring-Stelle greift dabei derzeit auf Erkenntnisse staatlicher Stellen und zivilgesellschaftlicher Organisationen zurück und gleicht deren Erkenntnisse kritisch miteinander ab. Die Monitoring-Stelle wird sich deshalb mit konkreten Anliegen an Behörden in Bund und Ländern sowie an die Verbände der Zivilgesellschaft wenden, um konventionsrelevante Informationen abzufragen. Ohne diese Informationen und Auskünfte ist es ihr nicht möglich, ihrem Mandat gerecht zu werden. Da die Monitoring-Stelle durch ihre Tätigkeit zur Erfüllung der Pflichten Deutschlands aus der UN-BRK beiträgt, besteht insoweit auch eine Kooperationspflicht staatlicher Stellen.

2. Einzelfallbezogenes Monitoring: Wissensgewinn und exemplarisches Tätigwerden

Einzelfallbezogenes Monitoring ist der Monitoring-Stelle nur in eingeschränktem Maße möglich, da sie keine Ombudsstelle ist. Sie nimmt keine individuellen Beschwerden entgegen und berät nicht in persönlichen Rechtsangelegenheiten. Dennoch bietet das Mandat der Monitoring-Stelle Potenzial, um in diesem Bereich zu Förderung und Schutz der Konventionsrechte im Einzelfall beizutragen.

So interessiert sich die Monitoring-Stelle für Einzelfälle. Denn einzefallbezogene Informationen, die die Monitoring-Stelle über die Lebenssituation betroffener Menschen erhält, können wichtige Hinweise auf strukturelle menschenrechtliche Probleme enthalten. Solche Erkenntnisse können entweder in die bereits laufende thematische Arbeit der Monitoring-Stelle eingebunden werden oder ein Anstoß für eine thematische Vertiefung sein. Die Monitoring-Stelle prüft derzeit weitere Handlungsoptionen in Bezug auf Einzelfälle. Mindestvoraussetzung für ihr Tätigwerden ist, dass der Fall eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung für die Einhaltung oder Umsetzung der UN-BRK aufwirft.

Monitoring als kooperativer Prozess

Die Monitoring-Stelle kann und soll ihre Funktionen nicht isoliert von anderen Akteuren erfüllen, sondern mit staatlichen Organen und nichtstaatlichen Kräften zusammenwirken, um die umfassende Verwirklichung der UN-BRK sicherzustellen. Sie arbeitet daher mit allen staatlichen Stellen zusammen, die mit der Umsetzung der UN-BRK befasst sind. Sie tauscht Informationen mit ihnen aus und interveniert bei politischen Entscheidungen. Diese Zusammenarbeit schließt die staatliche Anlaufstelle (Focal Point) im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein, die federführend die politische Verantwortung für die Durchführung der Konvention innerhalb der Bundesregierung hat. Darüber hinaus steht die Monitoring-Stelle in engem Austausch mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, der die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft koordiniert, sowie mit den Landesbehindertenbeauftragten.

Einen besonderen Wert legt die UN-BRK auf die Zusammenarbeit der Monitoring-Stelle mit der Zivilgesellschaft und dem UN-Fachausschuss. Sie müssen gemeinsam eine Praxis des Monitoring entwickeln, die die jeweils unterschiedlichen Rollen und Funktionen in ein sinnvolles Zusammenwirken bringt. Hierfür ist mehr als eine lose Zusammenarbeit notwendig. Die Monitoring-Stelle ist hier als Scharnier zwischen der innerstaatlichen und der internationalen Ebene insofern besonders in der Pflicht.

Impressum

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Deutsches Institut für Menschenrechte

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SATZ UND DRUCK

Typo-Druck, Bonn

FOTOS

Wolfgang Schmidt (Titelbild), Svea Pietschmann

ILLUSTRATIONEN LEICHTE SPRACHE

Die Zeichnungen kommen aus dem Neuen Wörterbuch für Leichte Sprache von "Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland e.V."

Juni 2010

ISBN 978-3-942315-11-1 (PDF-Version)

ISSN 2190-8885 (PDF-Version)

Quelle:

Valentin Aichele: Monitoring - unverzichtbarer Beitrag zur staatlichen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Original: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/uploads/tx_commerce/positionen_nr_1_monitoring_unverzichtbarer_beitrag_zur_staatlichen_umsetzung_der_un_behindertenrechtskonvention.pdf

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 04.04.2012

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