QUALITÄTSSICHERUNG IN DER INTEGRATIONSARBEIT

Erkenntnisse und Empfehlungen der EQUAL Entwicklungspartnerschaft QSI Wien

Textsorte: Buch
Releaseinfo: QSI. Die EQUAL Partnerschaft zur Entwicklung einheitlicher Standards für Ausbildungen im Integrationsbereich und zur Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt
Copyright: © Equal Entwicklungspartnerschaft QSI 2004

Inhaltsverzeichnis

Patricia Hladschik: EINFÜHRUNG: DAS EQUAL PROJEKT QSI

Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsinitiative EQUAL entwickeln in Österreich seit Mitte September 2002 58 Entwicklungspartnerschaften innovative Standards, um Diskriminierungen und Ungleichheiten im Zu-sammenhang mit dem Arbeitsmarkt zu bekämpfen. Im Bereich der Integrationsarbeit mit behinderten Frauen und Männern wurde der Aktionsplan der Entwicklungspartnerschaft QSI - Quality Supported Skills for Integration genehmigt.

QSI leistet einen Beitrag zur Qualitätssicherung in der Integrationsarbeit, indem das Projekt Qualitätskriterien, einheitliche Standards und Curricula für die Ausbildung von Integrationsfachkräften entwickelt. Dahinter steht die Überzeugung, dass die Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt nur dann gelingt, wenn sie von Profis unterstützt wird, die nicht nur praktische Erfahrung und theoretisches Wissen mitbringen, sondern auch um die Rahmenbedingungen Bescheid wissen. Integrationsfachkräfte brauchen nicht nur Wissen und Können, sondern auch die entsprechende Haltung.

Im Zentrum der Arbeit von QSI steht die Durchführung von vier Pilotlehrgängen, in denen Qualifizierte Integrationsfachkräfte mit folgenden Schwerpunktsetzungen ausgebildet werden:

  • Qualifizierte Integrationsfachkraft für Elternbildung mit Schwerpunkt Eltern behinderter Kinder,

  • Qualifizierte Integrationsfachkraft für Familienberatung mit Schwerpunkt Integration,

  • Qualifizierte Integrationsfachkraft für Individuelle Hilfe und Familienentlastung,

  • Qualifizierte Integrationsfachkraft für Schulassistenz.

Die Leitprinzipien von QSI

Die Vision, die das Projekt QSI bestimmt, ist die Gleichberechtigung von behinderten und nicht behinderten Frauen und Männern in allen Lebensbereichen. Auch der arbeitsmarktpolitische Ansatz, verbesserte Ausbildungen für Beschäftigte in der Integrations- und Behindertenarbeit zu entwickeln, ist im Kontext der Unteilbarkeit der Menschenrechte und der Nichtausgrenzung zu sehen.

Die Leitprinzipien des Projekts lassen sich mit den Begriffen Gender Mainstreaming, Betroffenen Mainstreaming (systematische Einbindung behinderter Menschen und Eltern behinderter Kinder), Integration, Selbstbestimmung und Empowerment umreißen.

Gender Mainstreaming

Gender Mainstreaming in QSI verfolgt folgende Ziele:

Bei der Formulierung aller Ziele und der Durchführung aller Aktivitäten werden die geschlechtsspezifischen Auswirkungen beachtet und das Ziel der Gleichstellung verfolgt und verankert.

Wie die Unterschiedlichkeiten der Geschlechter in einer Weise beachtet werden können, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen vorfinden, ist ein wichtiges Thema der Entwicklungspartnerschaft, das sowohl auf der strukturellen Ebene durch die Verankerung einer GM-Beauftragten als auch auf der inhaltlichen Ebene durch Integration einer gendersensiblen Perspektive in allen Arbeitsbereichen verwirklicht wird.

Gender Mainstreaming wird als durchgängiger Handlungsansatz umgesetzt. Das bedeutet, dass die Perspektive der Erhöhung der Quote der Männer im Bereich der Behindertenarbeit wiederkehrendes Thema bei der Umsetzung der Pilotprojekte und in den ergänzenden Maßnahmen war und sein wird.

Betroffenen Mainstreaming

Es ist ein großes Anliegen der Entwicklungspartnerschaft, dass nicht be-hinderte und behinderte Menschen sowie Mütter und Väter behinderter Kinder gleichberechtigt miteinander arbeiten. Dazu bedarf es der systematischen Einbindung und der permanenten Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse.

Im Projekt QSI wird diese Strategie als Betroffenen Mainstreaming bezeichnet und wie folgt definiert:

"Behinderte Frauen und Männer sowie Eltern behinderter Kinder müssen in alle Planungs-, Durchführungs- und Entscheidungsprozesse gleichberechtigt eingebunden sein. Es gelten die Prinzipien des Empowerment und der Selbstbestimmung. Empowerment bedeutet für uns, die Verantwortung für das eigene Tun zu fördern. Unter Selbstbestimmung verstehen wir, die Kontrolle über das eigene Leben zu haben und die Möglichkeit, aus akzeptablen Angeboten auszuwählen."

Im Projekt QSI werden zwar Betroffene erstmals in allen Planungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsphasen eingebunden, eine systematische Strategieentwicklung hat jedoch aus Ressourcenmangel nicht stattgefunden. Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen indes deutlich, dass eine punktelle Umsetzung ohne vorherige Strategieentwicklung nicht die optimale Qualität erbringen kann. Aber ein bemerkenswerter Anfang ist in jedem Fall gemacht.

Der gemeinsame QSI Integrationsbegriff

Als erste Erkenntis aus unserem Projekt zeigte sich, dass auch im Jahr 2002 ein gemeinsamer Integrationsbegriff nicht einfach vorausgesetzt werden konnte. Es musste, um über die Qualität von integrativer Arbeit sprechen zu können, erst ein gemeinsames und für alle Entwicklungspartner vertretbares Verständnis von Integration erarbeitet werden. In einem gemeinsamen Workshop wurde Integration wie folgt definiert:

"Integration findet statt, wenn alle Menschen einen gleichberechtigten selbstbestimmten Zugang zu allen Lebensbereichen haben.

Integration erfordert entsprechende Rahmenbedingungen und Mittel.

Integration beinhaltet das Recht auf Anders-Sein und ist unteilbar."

Integration und Qualität

Die hier vorliegende Aufsatzsammlung vereint erste Erkenntnisse und Empfehlungen der Entwicklungspartnerschaft QSI, die sich, wie weiter oben bereits festgehalten, schwerpunktmäßig auf den Aspekt der Qualitätssicherung durch qualitätsvolle Aus- und Weiterbildung von Integrationsfachkräften konzentriert.

Die Texte formulieren unsere Forderungen und Visionen. Wir sprechen Politik und Fördergeber an und zeigen auf, wie der Weg zu einer integrativen Gesellschaft ausschauen kann.

Wir erklären, wie integrative Bildungseinrichtungen sowie Aus- und Fortbildungen zur Integrationsfachkraft beschaffen sein müssen. Wir beschreiben, welche Inhalte in der Aus- und Fortbildung wesentlich sind. Wir beantworten die Frage, welche Haltung wir in einer integrativen Gesellschaft brauchen und beschreiben Werkzeuge, um integrative Haltungen zu erkennen.

Die Texte nähern sich dem Thema der Integrationsarbeit auf verschiedenen Ebenen:

Gottfried Wetzel, Michaela Zettl, Ewald Feyerer und Tom Schmid bringen im ersten Artikel den systemischen Zugang der umfassenden Qualitätssicherung auf allen Ebenen in einen konkreten Zusammenhang zu den Inhalten von QSI.

Verena Purer und Karoline Gindl gehen der Frage nach, warum so wenige Männer in den Sozialbetreuungsberufen tätig sind und welche Strategien eine nachhaltige Veränderung bewirken können.

Maria Brandl, Alfred Fellinger und Bernadette Feuerstein outen sich als "Unzufriedene" und beschreiben die Entwicklung des "Betroffenen Mainstreaming" im Projekt QSI.

Wolfgang Mizelli formuliert Qualitätsparameter in der Arbeit mit und für behinderte Frauen und Männer aus der Sicht der Selbstbestimmt Leben-Bewegung.

Tom Schmid analysiert den Sektor Behindertenarbeit als Teil der Sozialwirtschaft und wirft einen Blick auf die zukünftige Entwicklung.

Heidrun Aigner, Tom Schmid und Diethart Schliber fassen die Ergebnisse eines Arbeitskreises aus QSI zusammen, beschreiben Qualitätskriterien für Integrationsausbildungen und machen sich Gedanken zu deren Verankerung in Berufsbild und Förderpolitik.

Tom Schmid stellt eine umfassende Studie zu den Ausbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich vor und kommt zum Schluss, dass der Vielfalt von Ausbildungsmöglichkeiten im Gesundheitsbereich eine vollkommen unzureichende Situation im Behinderten- bzw. Integrationsbereich gegenüber steht.

Ewald Feyerer und Ulrike Schwarz stellen das QSI Basiscurriculum und seine Bedeutung für die Qualitätssicherung und die Ausbildungsinstitutionen vor und zeigen die Notwendigkeit auf, einheitliche Grundlagen für die Ausbildung aller Integrationsfachkräfte zu schaffen.

Andreas Hinz stellt in einem Gastbeitrag die Bedeutung von Integrations-Curricula aus deutscher Sicht dar.

Gottfried Wetzel und Michaela Zettl beschreiben den von ihnen entwikkelten "Fragebogen zur Integrativen und Selbstbestimmt Leben-Haltung" und berichten von ersten Anwendungen und Auswertungen.

Petra Pinetz und Barbara Oberndorfer stellen sich die Frage, ob Betroffenheit alleine schon kompetent macht, und sie plädieren für die Notwendigkeit von Qualifizierung am Beispiel Elternbildung.

Heidrun Aigner, Wolfgang Mizelli, Barbara Oberndorfer und Gottfried Wetzel kommen zum Schluss, dass Betroffenheit an sich noch keine Kompetenz ist und zeigen Wege zur Bilanzierung nicht formell erworbener Kompetenzen auf.

Viele Aspekte der Qualitätsdebatte in der Integrationsarbeit können in dieser Textsammlung nur angerissen werden, es war uns jedoch wichtig, möglichst viele Ebenen der Qualitätssicherung im Ausbildungsbereich anzusprechen. Wer sich weiter in die Materie vertiefen will, findet auf den letzten Seiten der Broschüre eine Aufstellung aller Produkte aus QSI.

Patricia Hladschik

Koordinatorin der EQUAL Entwicklungspartnerschaft QSI

Gottfried Wetzel, et al: EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK DER QUALITÄTSSICHERUNG

Illustration der verschiedenen Ebenen und Erläuterung anhand von Beispielen betreffend die Ausbildung von Integrationsfachkräften

Formal wird unter dem Begriff Qualität "die Fähigkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung, bestimmte vorher festgelegte und klar definierte Anforderungen zu erfüllen" verstanden (vgl. Brack 1995, S. 9). Der Begriff an sich ist neutral. Man kann von guter oder schlechter Qualität - in Abhängigkeit vom Verwendungszweck und vom Grad der Erfüllung einer vorab entwickelten Vorgabe und den damit zu erwartenden Merkmalen einer Dienstleistung (Ist-Soll-Vergleich) - sprechen. Der Qualitätsbegriff unterliegt einem historischen Wandel und ist abhängig von kulturellen Traditionen. Qualität ist somit keine unveränderbare Größe; von großer Bedeutung ist, um welchen Qualitätsstandard es sich handelt bzw. wer die Norm dafür festlegt (vgl. Meinhold 1996, S. 16).

In Bezug auf die Qualität der Integration im Non-Profit-Bereich müssen wir von einer ethischen und normativen Dimension des Qualitätsbegriffs ausgehen, die entscheidend davon abhängt, welche Vorstellungen eine Gesellschaft und die zuständigen Berufsgruppen davon haben, wie man mit Menschen umgeht, was ihnen zugemutet werden kann und was man ihnen schuldet. Der Qualitätsbegriff steht im Bereich der Integration durchaus in der erheblichen Gefahr, nicht mit fachlichen, sondern mit betriebswirtschaftlichen und finanziellen Fragen identifiziert zu werden (vgl. Feuser 2002, S. 71). Nach Jantzen (vgl. Jantzen 1999, S. 195) müsste Qualitätssicherung aber heißen, die bisher Machtlosen im Felde der Macht zu stärken, die Position der Betroffenen bei der Gestaltung von Beziehungsnetzen zu verbessern, und zwar auf allen Ebenen, von der Orientierungs- bis zur Ergebnisqualität. Darauf wurde in QSI durch den Schwerpunkt des Betroffenen Mainstreaming besonders geachtet.

1. Konzept-/Orientierungsqualität

Auf der Ebene der TrägerInnen/Leitung handelt es sich hiebei um Vorschriften, Statuten, Satzungen, Leitbilder (manchmal auch informell), alle Vorstellungen ("das Menschenbild"), die ein Ausbildungsträger hat, wie Zielsetzungen oder das Konzept eines Lehrgangs. Die Qualität von Orientierungen zeigt sich auf einer übergeordneten Ebene (Meta-Ebene) darin, dass integrative/inklusive Orientierungen und Werte innerhalb und außerhalb der Einrichtung, also gegenüber den pädagogischen Fachkräften, den KundInnen sowie der interessierten Öffentlichkeit, transparent gemacht, begründet und vermittelt werden und darin, dass diese Orientierungen in regelmäßigen Abständen mit den Beteiligten reflektiert, diskutiert und auf deren Gegenwartsbezug hin überprüft und gegebenenfalls modifiziert oder auch in eine neue, zeitgemäße Sprache übersetzt werden (z.B. Leitbild in leicht lesbarer Sprache).

Für QSI oder allgemeiner für "Integrative Ausbildungen" im Speziellen bedeutet dies:

  • kein grundsätzlicher Ausschluss von Personengruppen (Aufnahmegespräche, ob die Ausbildung das Richtige für die jeweilige Person ist)

  • Integration und Gleichstellung (Diversity Management)

  • Partizipation: Stimmrecht für Betroffene

  • Kontakt zu NutznießerInnen (Anpassung an den Markt)

  • Miteinbeziehung von ExpertInnen (dadurch Diskriminierung entgegenwirken)

  • für Träger muss klar sein, dass auf Bedürfnisse Betroffener eingegangen werden muss

2. Strukturqualität

Hiezu gehören z.B. finanzielle Rahmenbedingungen, Öffnungszeiten, Ausstattung/Lehrmittel/Materialien, Größe der Einrichtung und der Gruppen, Qualifikation der MitarbeiterInnen, Mitarbeiter-TeilnehmerInnen-Schlüssel, Curricula etc. Diese Merkmale sind politisch geplant und veränderbare Rahmenbedingungen.

Für QSI oder allgemeiner für "Integrative Ausbildungen" im Speziellen bedeutet dies:

  • Barrierefreiheit (räumlich, Hilfsmittel, Lernbegleitung ...)

  • MitarbeiterInnen müssen methodisch, didaktisch, integrativ geschult sein; Fortbildung, Weiterentwicklung und Rahmen dafür

  • Berücksichtigung von Gender Mainstreaming und Betroffenen Mainstreaming bei der MitarbeiterInnen-Auswahl

  • Mitarbeit von Betroffenen als Lehrende

  • Seminarbegleitung als Schnittstelle

  • "Quoten bis zum Abbild der Realität" (bis zu dem Moment, in dem in allen Institutionen benachteiligte Menschen mitarbeiten, braucht es Quoten, die über dem Durchschnitt liegen)

  • das Angebot muss für die TeilnehmerInnen leistbar sein

3.Prozessqualität

Hiezu gehört die Umsetzung von Konzept und Struktur integrativer Ausbildungen, wie z.B. die Umsetzung des Curriculum, die angebotenen Lernaktivitäten, der Tagesablauf der Seminare, Anwendung von Materialien, die Interaktionen und Kooperationen der Beteiligten etc. (vgl. Mahnke 2002).

Für QSI oder allgemeiner für "Integrative Ausbildungen" im Speziellen bedeutet dies:

  • vom Einstieg bis zum Abschluss Berücksichtigung des persönlichen Umfelds der TeilnehmerInnen

  • Verantwortung zur flexiblen, personenorientierten Umsetzung (in wieweit ist die Ausbildung/das Seminar wirklich barrierefrei)

  • individualisierte Lehrzielplanung (die Lernziele werden auf Tätigkeiten und Bedürfnisse der TeilnehmerInnen abgestimmt)

  • Anbieten von Supervision

  • Kriterien von erwachsenengerechtem Lernen werden berücksichtigt

  • Methodenvielfalt

  • kommunikative Barrierefreiheit im Prozess

  • Dekonstruktion (gesellschaftliche Verhältnisse müssen bewusst umgestaltet werden, um Gleichstellung zu erreichen)

4.Ergebnisqualität der "Integrativen Ausbildungen"

Individuelle Zielabklärung und -erreichung (Wurde den TeilnehmerInnen das vermittelt, was sie erwartet haben? Wurden die (Lehr-)Ziele erreicht?).

Für QSI im Speziellen sind folgende Punkte von zentraler Bedeutung:

  • Verfügen die AbsolventInnen über ein integratives Können (z.B. integrative Methoden umsetzen können), ein integratives Wissen (z.B. Kennen integrativer Methoden), eine integrative Haltung (siehe dazu den Beitrag von Wetzel/Zettl in diesem Band)

  • Zufriedenheit der TeilnehmerInnen, NutzerInnen, AnbieterInnen, AuftraggeberInnen

Dazu gehört auch, dass die QSI Entwicklungspartner gemeinsam mit behinderten Menschen und Eltern behinderter Kinder an der Entwicklung von Qualitätsstandards für die Ausbildung von Integrationsfachkräften (vgl. Peternel 2002) arbeiten.

5.Transferqualität/Nachhaltigkeit

Wie sieht die Umsetzung in die Praxis aus (vgl. Hovorka/Sigot 2000). Hat die Ausbildung nachhaltige Effekte in Richtung Integration/Inklusion?

  • Vermittlungsquote: Konnten die TeilnehmerInnen mit der Ausbildung am Arbeitsmarkt Fuß fassen?

  • Dialog mit ehemaligen AbsolventInnen, ob die Ausbildung ihnen in der Praxis genutzt hat - Gegenüberstellung für die Praxiserfahrung

  • Feedbackschleife nach der Ausbildung (unter Einbeziehung von Betroffenen Mainstreaming)

  • Haltung der AbsolventInnen muss auch unter Alltagsbedingungen (Stress) bestehen bleiben

"Gute Qualität" ist nur mehrperspektivisch (Sicht der AnbieterInnen/ KursleiterInnen, der TeilnehmerInnen/KonsumentInnen und externer/ neutraler Erhebungspersonen) bestimmbar. Qualitätssicherung bezieht sich auf einen, mehrere oder alle Aspekte der vier Erfolgsarten Legitimationserfolg, Zufriedenheitserfolg (z. B. Zufriedenheit der TeilnehmerInnen mit der Veranstaltung insgesamt, dem Inhalt, der Lernmethode, den ReferentInnen, der Organisation), Lernerfolg (Art und Umfang gelernten Wissens, Qualifikations- und Verhaltensänderung) oder Transfererfolg (Einsatz des Gelernten im Funktionsfeld) (vgl. Arnold 1999, S. 96; Arnold/ Krämer-Stürzl 1997, S. 137; Schullerer 2001).

Modellhaft kann Qualitätssicherung wie folgt dargestellt werden:

Qualitätssicherung

=

Kriterien, Indikatoren, Standards

+

Regelmäßige Überprüfung

Kraft-Lochter definiert unter dem Begriff "integrationspädagogische Qualifikation" folgenden Sachverhalt:

(1) Eine adäquate integrationspädagogische Qualifikation liegt dann vor, wenn die Person über eine Gesamtheit der subjektiv-menschlichen Voraussetzungen und Handlungspotentiale verfügt, die zur Bewältigung der Gesamtheit der in Prozessen gemeinsamer Erziehung und Unterrichtung behinderter und nicht behinderter Kinder und Jugendlicher anfallenden Anforderungen nötig sind,

(2) mit dem Ziel einer optimalen Begleitung, Unterstützung und Förderung von jedem Kind/Jugendlichen/Erwachsenen in seinem individuellen Entwicklungsprozess. Allen sollte Hilfe bei der Ausbreitung eines synergetischen Bewusstseins unter Beachtung der Ich-Entwicklung und der Entwicklung von Handlungsfähigkeit angeboten werden.

(3) Eine integrationspädagogische Qualifikation ist ein das gesamte professionelle Handeln durchdringendes Element der Professionalität von in der Integration Tätigen (auf der Beziehungsebene; Persönlichkeitsebene; fachlichen Ebene).

(vgl. Kraft-Lochter 1999, S. 144)

Im Bereich der integrativen Arbeit scheint es für die Entwicklung von Qualitätssicherungsmaßnahmen sinnvoll zu sein, dass

  • entsprechende gesetzliche Verankerungen erfolgen,

  • Qualitätssicherung in die berufsethischen Kodices aufgenommen und in den Ausbildungen verankert wird,

  • Strukturen für Erarbeitung und externe Überprüfung verbindlicher Standards geschaffen werden ("Qualitätsbeauftragte", "Qualitätskommissionen", "Qualitätshandbücher"), die vor allem der fachlichen und menschlichen Ebene im Sinne des Konzepts der Lebensqualität verpflichtet sind und in Kooperation mit allen SystempartnerInnen arbeiten,

  • Modellprojekte erprobt werden, die genügend Spielraum für flexible und bedarfsgerechte Lösungen innerhalb eines transparenten und kosteneffizienten Systems lassen.

Gottfried Wetzel, Michaela Zettl, Ewald Feyerer, Tom Schmid

Literatur

Arnold, R.; Krämer-Stürzl, A. (1997): Erfolgskontrolle - Thema professioneller betrieblicher Weiterbildung? In: Arnold, R. (Hrsg.): Qualitätssicherung in der Erwachsenenbildung. Opladen: Leske + Budrich, S. 133-159

Arnold, R. (1999): Evaluierung und Qualitätssicherung in der Weiterbildung. In: Wittwer, W. (Hrsg.): Transfersicherung in der beruflichen Weiterbildung: empirische Befunde - Konzepte - Transferinstrumente. Frankfurt am Main: Lang

Brack, R. (1995): Qualitätssicherung in der Sozialarbeit. In: C. Badelt (Hrsg.). Qualitätssicherung in den Sozialen Diensten. Krems

Feuser, G. (2002): Qualitätsmerkmale integrativen Unterrichts. In: Behinderte, 25. Jg., Heft 2/3/2002, S. 67-84

Hovorka, H.; Sigot, M. (Hrsg.) (2000): Integration(spädagogik) am Prüfstand. Behinderte Menschen außerhalb von Schule. Innsbruck: Studienverlag

Jantzen, W. (1999): Deinstitutionalisierung als Kern von Qualitätssicherung. In: Jantzen, W. (Hrsg.): Qualitätssicherung und Deinstitutionalisierung: niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Berlin: Marhold Verlag, S. 191-196

Kraft-Lochter, C. (1999): Integrationspädagogische Qualifikation. Eine empirische Untersuchung zur integrationspädagogischen Neuorientierung. Dissertation. Universität Köln

Mahnke, U. (2002): Qualifikation ist mehr als Fortbildung: Erwerb integrationspädagogischer Kompetenzen im Prozess. Sankt Ingbert: Röhrig

Meinhold, M. (1996): Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit. Freiburg: Lambertus

Peternel, T. (2002): Qualitätsmanagement in der integrativen Arbeit. Diplomarbeit. Universität Klagenfurt

Schullerer, S. (2001): Entwicklung eines Messinstruments zur Qualitätssicherung für Institutionen der Erwachsenenbildung: theoretisches Konstrukt und komparative Diskussion einzelner Modelle auf nationaler Ebene zur Anwendung für staatliche und privatwirtschaftliche Institutionen. Diplomarbeit. Universität Salzburg

Spiess, K. (1999): Qualität und Qualitätsentwicklung: eine Einführung. 2. Aufl. Aarau: Sauerländer

Maria Brandl, et al: ALLEN FORTSCHRITT VERDANKEN WIR DEN UNZUFRIEDENEN!

ZUFRIEDENE LIEBEN KEINE VERÄNDERUNG!

Das Projekt QSI hat sich zum Ziel gesetzt, Betroffene - im Falle von QSI behinderte Frauen und Männer sowie Eltern behinderter Kinder - in allen Phasen des Projekts (Planung, Durchführung, Evaluierung) sowie auf allen Ebenen (strategisch und operativ) einzubinden. Dies strikt und kontinuierlich einzuhalten, stellt ein Novum in Integrationsprojekten dar.

Oft wird für Menschen mit Behinderung ein Projekt initiiert, aber nicht immer mit und für sie. Es werden zwar vor, während und nach dem Projekt ihre Meinungen eingeholt, aber eine gleichberechtigte Zusammenarbeit ist selten geplant und noch seltener verwirklicht.

Welche Erfahrungen wir in QSI mit dieser Zielsetzung gemacht haben und welchen Fortschritt - um an das Zitat im Titel anzuschließen - wir uns von dieser Vorgehensweise erhofften, soll in diesem Artikel kurz dargestellt werden. Die zentrale Erkenntnis sei jedoch bereits an dieser Stelle vorweggenommen: Um Projekte von und für Betroffene (behinderte Frauen und Männer sowie Eltern behinderter Kinder/Jugendlicher) in dieser Art und Weise durchzuführen, braucht es ein Bekenntnis aller Beteiligten und eine Strategie, angelehnt an Gender Mainstreaming, die wir innerhalb von QSI als Betroffenen Mainstreaming bezeichnet haben.

Betroffenen Mainstreaming bedeutet für uns: Betroffene - im Falle von QSI behinderte Frauen und Männer sowie Eltern behinderter Kinder - müssen in alle Planungs-, Durchführungs- und Entscheidungsprozesse gleichberechtigt eingebunden sein. Es gelten die Prinzipien des Empowerment und der Selbstbestimmung. Empowerment bedeutet für uns, die Verantwortung für das eigene Tun zu fördern. Unter Selbstbestimmung verstehen wir, die Kontrolle über das eigene Leben zu haben und die Möglichkeit, aus akzeptablen Angeboten auszuwählen.

Unsere Erfahrungen

Schon allein durch die persönliche Anwesenheit von VertreterInnen von Menschen mit Behinderung und Eltern behinderter Kinder/Jugendlicher und das "Sichtbar-Machen" ihrer Kompetenzen und Bedürfnisse kommt es innerhalb der Projekttätigkeiten zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Themen Gleichstellung, Behinderung, Integration, Inklusion und Selbstbestimmung. Man kann sich de facto nicht so einfach mit schnellen oder faulen Kompromissen an "der Realität" vorbeischwindeln und alltägliche Diskriminierungen fortschreiben. Der Herausforderung dieser neuen Art der aktiven Zusammenarbeit - der scheinbar kompromissloseren - müssen sich alle Beteiligten stellen und sich auf möglicherweise ungewohnte Entscheidungsfindungs- und Diskussionsprozesse einlassen. Inhaltliche Entscheidungen auf Projektebene können dadurch vielleicht nicht so schnell gefällt werden, dafür sind die Ergebnisse nachhaltiger und akzeptabler für die potentiellen "KundInnen".

Im Projekt QSI, das einen ständigen Lernprozess für alle darstellte, haben sich neben dem Wissen (Wissen um Behinderung, Integration ...) und dem Können (Umsetzung des Wissens auf den Handlungsebenen, z.B. Methoden in Workshops einsetzen, die für alle gleiche Partizipationschancen bieten) vor allem die Haltung von Menschen als wichtige Kriterien herauskristallisiert. Zur Haltung zählt für uns neben der sensiblen Sprache auch die gelebte Selbstverständlichkeit des Leitspruches der Selbstbestimmt Leben-Bewegung "Nichts über uns ohne uns!", der auch für die Forderungen der Elternbewegung Gültigkeit hat.

Als bemerkenswerter Faktor in unserer Arbeit erscheint uns die Bestätigung, dass bei Projekten, in denen Frauen und Männer mit Behinderung sowie Eltern behinderter Kinder/Jugendlicher an den Entscheidungen und Maßnahmen von Anfang an mitgestalten, nicht erst im Nachhinein die Ergebnisse an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden müssen. Dass dies ressourcenschonender ist, weil zeitaufwändige Adaptierungen wegfallen, ist klar nachweisbar.

So wie bei Gender Mainstreaming eine der zentralen Fragen "Was hat diese Entscheidung, diese Maßnahme ... für Konsequenzen für Männer und Frauen?" lautet, ist in einem Projekt mit Betroffenen Mainstreaming eine der zentralen Fragen: "Was hat diese Entscheidung, diese Maßnahme ... für Konsequenzen für Menschen mit Behinderung und Eltern behinderter Kinder/Jugendlicher?"

Auswirkungen auf die Projektarbeit

"Durch Betroffenen Mainstreaming geht es sicher von Anfang an kritischer und kompromissloser zu. Kompromissloser schon alleine deshalb, weil es z. B. ein enormer Unterschied ist, nur von barrierefreien Sitzungsräumlichkeiten zu reden oder sie auch jedes Mal tatsächlich vorzufinden, von Terminen/Arbeitsgruppen/ Fortbildungen mit Vätern/Müttern behinderter Kinder zu reden oder die für ihre Teilnahme unabdingbare professionelle und sinnvolle Kinderbetreuung zu organisieren ...", so die Aussage eines Projektmitarbeiters.

Betroffenen Mainstreaming als unbewusste Ablenkungsstrategie

Wurde schon weiter oben die kompromisslosere Zusammenarbeit angesprochen, so möchten wir hier nochmals kurz darauf zurückkommen. Diese kann nämlich in Konfliktsituationen von anderen Konflikten ablenken, mit denen man sich eigentlich auch auseinandersetzen müsste. Es kann dann zu sogenannten StellvertreterInnenkämpfen kommen, d.h. Personen oder Personengruppen müssen für jemand anderen einen Konflikt austragen. Durch die kompromisslosere Zusammenarbeit könnte es daher passieren, dass gerade Betroffene (im Falle von QSI die VertreterInnen der Selbstbestimmt Leben-Bewegung bzw. der Elterninitiative) Gefahr laufen, in diese StellvertreterInnenrolle gedrängt zu werden und damit zusätzlich etwas austragen müssen, das nicht unmittelbar mit ihnen zu tun hat. In so einem Fall kann man sicher nicht mehr von einer gleichberechtigten Zusammenarbeit sprechen.

Hier hilft erstens Achtsamkeit und zweitens die systemische Sichtweise, um aus einem Ursache-Wirkungs- bzw. TäterInnen-Opfer-Denken herauszukommen und den Blick zu erweitern, um zu sehen, was "wirklich" abläuft. Konflikte können dann dort gelöst werden, wo sie hingehören, und es müssen keine "StellvertreterInnenkämpfe" ausgefochten werden.

ExpertInnentum ist nicht gleich ExpertInnentum, oder doch?

Ein Großteil der am Projekt QSI beteiligten Personen kommt aus dem Integrationsbereich. Ihre Expertise für Integration wird nicht nur innerhalb des Projekts wahrgenommen und anerkannt, sondern auch außerhalb. Sie können meist auf langjährige Erfahrungen in Integrations-Projekten zurückgreifen, in denen Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen im Mittelpunkt standen. Betroffene (Frauen und Männer mit Behinderung und Eltern behinderter Kinder/Jugendlicher) mussten sich aber ihren Status als ExpertInnen erst im Laufe des Projekts erarbeiten, um zu gleichberechtigter Anerkennung zu gelangen.

Während also einerseits ProjektmitarbeiterInnen a priori als ExpertInnen wahrgenommen wurden, galt dies andererseits für Betroffene in der Wahrnehmung von außen nicht als Selbstverständlichkeit.

Galten bisher Menschen mit Behinderung sowie Mütter und Väter behinderter Töchter und Söhne als ExpertInnen in eigener Sache (niemand weiß besser über ihre Interessen und Bedürfnisse Bescheid, als sie selbst), so haben wir die wechselseitige Vertretung als Frau/Mann mit Behinderung oder als Elternteil eines behinderten Kindes/Jugendlichen unter Berücksichtigung der festgestellten Unterschiede als absolute Herausforderung erlebt.

Trotz der jahrzehntelangen Geschichte des Missverstehens zwischen VertreterInnen der Selbstbestimmt Leben-Bewegung und ElternvertreterInnen, schafften wir innerhalb von QSI den Einstieg in den Prozess der Aufarbeitung. Dieser Prozess ist sicherlich erst der Anfang einer weiteren notwendigen Auseinandersetzung und gemeinsamen Positionierung und kann nicht als abgeschlossen, sondern tatsächlich nur als BEGINN betrachtet werden.

In einigen Bereichen konnten wir auf Gemeinsamkeiten zurückgreifen und schnell gemeinsame Positionierungen finden, wie z.B bei Integration, gleichberechtigter Teilhabe am Leben und Darstellung von diskriminierenden Lebenssituationen. Parallel dazu wurde uns jedoch nur allzu deutlich, dass auf Grund der unterschiedlichen Sichtweisen und Lebenszugänge in einigen Punkten wie z.B. Selbstbestimmung, Familiensituationen, Loslösungsprozesse, Mangel an persönlicher Assistenz und familienentlastenden Diensten unterschiedliche Standpunkte bestehen.

Diese Unterschiede kennen zu lernen und zu akzeptieren, sehen wir als eine wesentliche Voraussetzung, um in Zukunft als Betroffenen MainstreamerInnen eine wechselseitige Vertretung authentisch durchführen zu können.

In den Diskursen wurde auch die Heterogenität der Menschen mit Behinderung und von Eltern behinderter Kinder/Jugendlicher sehr deutlich. Daher ist eine von vielen wichtigen Erkenntnissen, dass eine Organisation, die nur eine Teilgruppe der Betroffenen repräsentiert, alleine nicht geeignet ist, die Forderungen und Bedürfnisse ALLER Betroffenen ausreichend wieder zu geben. Nur wenn zumindest jeweils eine InteressenvertreterIn der Betroffenengruppen beteiligt ist, kann tatsächlich der Anspruch erhoben werden, ALLE Betroffenen und ihre heterogenen Interessen zu kennen und zu vertreten.

All diese Erkenntnisse haben sich natürlich auch auf die Produkte von QSI, z.B. die Curricula, niedergeschlagen.

Schlussbemerkung

Um Betroffenen Mainstreaming in der Realität tatsächlich ein- und umzusetzen, braucht es die unbedingte Einbindung der Betroffenen auf allen Ebenen und in allen Phasen, die strukturelle Verankerung, d.h. entsprechende Rahmenbedingungen wie Ressourcen (Budget, Zeit, Personal) sowie die inhaltliche Umsetzung nach den Grundprinzipien von Wissen, Können und Haltung.

Außerdem glauben wir, dass Projekte, in denen Menschen mit Behinderung und Eltern behinderter Kinder/Jugendlicher auf allen Ebenen und in allen Phasen der Projektarbeit eingebunden sind, größere Glaubwürdigkeit und Seriosität besitzen. Daher wollten wir auch auf Projektebene die gemeinsame ideologische Haltung der Selbstbestimmt Leben-Bewegung und der Elterninteressenvertretung nachhaltig abbilden: Selbstverständliche Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung!

Maria Brandl, Alfred Fellinger, Bernadette Feuerstein

Wolfgang Mizelli: QUALITÄTSPARAMETER IN DER ARBEIT MIT UND FÜR BEHINDERTE FRAUEN UND MÄNNER

Selbstbestimmung, Assistenz, Empowerment und ExpertInnenschaft in eigener Sache sind als Schlagworte in der Arbeit mit behinderten Frauen und Männern derzeit modern. Sie werden in Leitbildern gerne als Qualitätsparameter der Arbeit verwendet. Allerdings werden die Begriffe selten mit dem Inhalt übernommen, der ursprünglich gemeint war. Was einigermaßen verwundert, definiert sich doch zumindest ergebnisorientierte Qualität dadurch, dass den Vorstellungen der Kundinnen und Kunden entsprochen wird. Im Bereich der Arbeit für und mit behinderte(n) Frauen und Männer(n) scheint hier eine Ausnahme gemacht zu werden. Geht es um Fragen der Qualität der Arbeit, werden diese meistens von nichtbehinderten "ExpertInnen" beantwortet. Zuletzt ließ sich dieser Prozess sehr anschaulich bei der Entwicklung eines Curriculum für Sozialbetreuungsberufe verfolgen.

Nun gibt es schon seit Mitte der 1990er Jahre auf europäischer Ebene Qualitätskriterien behinderter Frauen und Männer, die 1990 bzw. 1993 auf zwei Tagungen des Europäischen Netzwerks für Selbstbestimmtes Leben entwickelt wurden: The principles of Independent Living und The definition of Independent Living (beide zu finden unter www.enil.eu.com/ foundations/principles.htm bzw. www.enil.eu.com/foundations/definition.htm). Im angelsächsischen Raum wurden von verschiedenen Selbstbestimmt Leben-Organisationen, u.a. dem Southhampton Centre for Independent Living (http://www.southamptoncil.co.uk/basic_needs.htm) twelve basic needs zur Selbstbestimmung behinderter Frauen und Männer definiert. Und schon in den 1970er Jahren definierte Gerben de Jong zwei Paradigmen, die als Grundlage jeglicher Qualitätsdiskussion herangezogen werden sollten: das Rehabilitationsparadigma und das Selbstbestimmt Leben-Paradigma als zwei konträre Grundrichtungen bzw. Zielvorgaben qualitätsvoller Arbeit, wobei aus Sicht behinderter Frauen und Männer das Selbstbestimmt Leben-Paradigma als Grundrichtung zu verwenden ist. (http://bidok.uibk.ac.at/library/vif-selbstbestimmung.html)

Weiters gilt es, die Befunde behinderter Theoretikerinnen und Theoretiker der Disability Studies zu berücksichtigen, welche die Lebensbedingungen behinderter Frauen und Männer in jedem Staat der Erde mit den Begriffen Unterdrückung, Bevormundung, sozialem Ausschluss und fortdauernder Diskriminierung beschreiben (Disability studies today. Edited by Colin Barnes, Mike Oliver and Len Barton. Polity Press 2002).

Die Diskussion um die Qualität der Arbeit mit und für behinderte Frauen und Männer wird also schon jahrzehntelang geführt und in Form politischer Forderungen immer wieder in den politischen und sozialen Diskurs eingebracht und dann konsequenterweise nicht beachtet oder mit anderem Inhalt übernommen.

Gehen wir einmal davon aus, dass die Befunde der Theoretikerinnen und Theoretiker der Disability Studies richtig sind, dann sind die Basis und das Ziel jeder Arbeit mit und für behinderte Frauen und Männer:

  • die Beseitigung der sozialen Ausgrenzung,

  • die Beendigung der Unterdrückung,

  • die Beendigung der Bevormundung,

  • die Beseitigung von Diskriminierungen.

Positiv formuliert bedeutet es:

  • gleiche Rechte und gleiche Möglichkeiten für behinderte Frauen und Männer,

  • die Anerkennung der Selbstbestimmung behinderter Frauen und Männer,

  • Empowerment behinderter Frauen und Männer.

Wie schon eingangs erwähnt, haben die meisten Unternehmen und Organisationen, die Dienste für behinderte Frauen und Männer anbieten, zumindest eines dieser Ziele in ihren Leitbildern stehen. Allerdings entspricht die tatsächlich geleistete Arbeit selten den Anforderungen des Leitbildes und noch seltener den Qualitätsanforderungen, die von behinderten Frauen und Männern entwickelt wurden. Welche Gründe es für dieses Missverhältnis gibt, müsste noch genauer untersucht werden.

Qualität ist zudem eine Frage der Macht, der Kontrolle und der gleichwertigen Möglichkeiten. Wobei hier vor allem die Definitionsmacht entscheidend ist. Qualität verbunden mit der Definitionsmacht darüber, was gute Qualität ist, ist somit eine hoch politische Kategorie und wirkt sich auf die Arbeit vor Ort ebenso aus wie auf politische Entscheidungen. Die Forderung danach, das Geld für soziale Leistungen bar ausbezahlt zu bekommen, ist eine Forderung danach, die Definitionsmacht über die Qualität der sozialen Leistungen zu erhalten. Adolf Ratzka, einer der Begründer der internationalen Selbstbestimmt Leben-Bewegung hat das pointiert "Abstimmung mit den Füßen bzw. den Rädern" genannt.

Vergessen werden darf auch nicht, dass es gleichwertig neben den Interessen und Forderungen behinderter Frauen und Männer die Interessen und Forderungen der Familienangehörigen behinderter Frauen und Männer als Qualitätsparameter für soziale Leistungen gibt, hier vorrangig die Interessen und Forderungen der Mütter und Väter behinderter Söhne und Töchter. Bei meinen Recherchen für diesen Artikel musste ich allerdings feststellen, dass auch die Forderungen von Müttern und Vätern behinderter Töchter und Söhne sich mehr darum kümmern, was ihre Söhne und Töchter brauchen und kaum darum, was sie selbst brauchen, um ihrer Rolle als Mütter und Väter gerecht zu werden. Forderungen von Müttern und Vätern behinderter Töchter und Söhne sind Forderungen im Namen ihrer Kinder. Mit Ausnahme der Forderung nach familienentlastenden Diensten und der Forderung nach Elternbildung und den Anforderungen der Eltern an nichtbehinderte ExpertInnen (u.a. von Maria Brandl bei der Tagung "Qualität und Integration" am 31.5.2003 in einem Workshop formuliert).

Jede Auseinandersetzung mit der Qualität von Produkten und Dienstleistungen beginnt mit der Frage, was man eigentlich haben will.

Zur Erinnerung noch einmal die Zielformulierung für die Qualität in der Arbeit mit und für behinderte Frauen und Männer:

  • die Beseitigung der sozialen Ausgrenzung,

  • die Beendigung der Unterdrückung,

  • die Beendigung der Bevormundung,

  • die Beseitigung von Diskriminierungen.

Positiv formuliert bedeutet es:

  • gleiche Rechte und gleiche Möglichkeiten für behinderte Frauen und Männer,

  • die Anerkennung der Selbstbestimmung behinderter Frauen und Männer,

  • Empowerment behinderter Frauen und Männer.

Anhand des Parameters Selbstbestimmung möchte ich nun demonstrieren, welche Fragen sich Betriebe und Organisationen für ihre Arbeit stellen sollten. In der schon erwähnten definition of independent living wird nämlich auch festgelegt, wann Organisationen den Begriff "independent living/Selbstbestimmung" für ihre Arbeit verwenden dürfen. Im Umkehrschluss kann man damit auch messen, ob die Organisation tatsächlich die Selbstbestimmung behinderter Frauen und Männer anerkennt oder nicht.

Folgende Fragen stehen dabei unter anderem im Mittelpunkt:

  • Wie viele behinderte Frauen und Männer arbeiten in dieser Organisation?

  • In welchen Positionen?

  • Wer vertritt die Organisation nach außen?

  • Werden die Informationen der Organisation in verschiedenen Medien und in verschiedenen Sprachniveaus (gedruckt, auf Diskette, in leicht verständlicher Sprache ...) angeboten?

  • Wie viel Einfluss auf die Art der Leistung hat die behinderte Kundin/der behinderte Kunde?

  • Unterstützt die Leistung die Kundin und den Kunden dabei, ihr ode sein Leben eigenverantwortlich zu gestalten oder muss sie oder er sich nach den Vorgaben der Organisation richten?

Das sind die Fragen, die sich Organisationen und Betriebe stellen müssen, wenn sie Selbstbestimmung behinderter Frauen und Männer ernst nehmen. Interessanterweise verweigern aber Organisationen und Betriebe, die Leistungen für behinderte Frauen und Männer anbieten, weitgehend den Dialog mit behinderten Expertinnen und Experten aus der Selbstbestimmt Leben-Bewegung und schaffen sich eigene Definitionen von Selbstbestimmung, Empowerment und ExpertInnenschaft in eigener Sache.

Allerdings gilt es dabei auch immer die Anforderungen von Müttern und Vätern behinderter Töchter und Söhne miteinzubeziehen. Die Selbstbestimmung behinderter Frauen und Männer ist ein Prozess, in dem die Familienangehörigen, insbesondere Mütter und Väter, eine bedeutende Rolle spielen. Oftmals eine hindernde Rolle, wie es z.B. Udo Sierck in seinem Buch "Das Risiko, nichtbehinderte Eltern zu bekommen" beschreibt. Allerdings verändern sich auch hier die Verhältnisse zunehmend: Mütter und Väter sind zunehmend dabei, die Selbstbestimmung ihrer behinderten Töchter und Söhne aktiv zu fördern, begegnen dabei aber immer den selben oder ähnlichen Barrieren wie behinderte Frauen und Männer. Auch hier sind Empowerment und Unterstützung dringend gefordert.

Die Frage nach guter Qualität in der Arbeit für und mit behinderten Frauen und Männer und ihren Angehörigen, ist eine, die nicht neu ist. Die Antworten von Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten der angebotenen Leistungen und Dienste auch nicht. Woran liegt es dann, dass wir nicht in den Dialog kommen?

Wolfgang Mizelli

Tom Schmid: DER SEKTOR BEHINDERTENARBEIT ALS TEIL DER SOZIALWIRTSCHAFT

Bedarfsanalyse und zukünftige Entwicklung

Arbeit mit/für Frauen und Männer mit Behinderungen ist weder gänzlich zu verstaatlichen noch gänzlich dem Markt zu überantworten. Eine gänzliche Verstaatlichung der Dienst-Leistungen für Menschen mit Behinderungen (das viel zitierte "Sachleistungsprinzip") würde ein "AUS" für selbstbestimmtes Leben, eine Bürokratisierung von Unterstützung bedeuten. Es wäre ein Zurück hinter die Erfolge von drei Jahrzehnten der Selbstbestimmt Leben-Bewegung sowie der in den frühen Siebzigern durch Basaglia eingeleiteten De-Institutionalisierung großer staatlicher Strukturen (Heime). Eine (gänzliche) Überantwortung der Arbeit mit/für Frauen und Männer mit Behinderungen an den Markt ist ebenso wenig zu begrüßen, sie würde Verteilungsdisparitäten schaffen oder vertiefen, und zwar sowohl regional wie auch zwischen sozialen Schichten und zwischen den Geschlechtern. Die konkrete Alternative der (vollständigen) Verstaatlichung und/oder Vermarktlichung der Behindertenarbeit ist der "Dritte Sektor", die Sozialwirtschaft. Die Sozialwirtschaft ist nicht auf Gewinn ausgerichtet, wiewohl auch sie an Effizienz interessiert ist. Sie ist in geringem Ausmaß entfremdet, man kann die Beschäftigung in der Sozialwirtschaft als "Arbeit mit Mission" bezeichnen, denn die Sozialwirtschaft setzt die Ziele (Effekte) ihrer Tätigkeit höher an als die Erträge dieser Arbeit. Die Sozialwirtschaft ist kritisch in dem Sinne, als sie eingefahrene Angebote des Staates (der öffentlichen Hand) und des Marktes durch konkret gelebte Alternativen kritisiert, sie ist ein "Labor der Zukunft": Hier kann ausprobiert werden, was Bedürfnisse befriedigt, auch wenn sie weder marktfähig noch politikfähig (also für staatliche Systeme interessant) sind. In der Sozialwirtschaft trifft professionelle Arbeit auf ehrenamtliche Tätigkeit, die Fremdhilfe auf die Selbsthilfe.

Allerdings darf die Sozialwirtschaft nicht idealisiert werden. Auch hier finden sich prekäre Arbeitsverhältnisse (wahrscheinlich mehr als im Marktsektor), auch hier finden sich ungesicherte, gefährdete Angebote. Auch hier findet beständig Veränderung statt, spürt man die Finanzknappheit der Öffentlichen Hand hautnah. Die Zukunft der Sozialwirtschaft garantiert daher qualitativ hochstehende Arbeit mit/für Menschen mit Behinderungen, aber nur, wenn die Sozialwirtschaft in ein Gesamtkonzept eingebunden ist. Ein Gesamtkonzept, in dem den anderen beiden Segmenten ihre spezifischen Aufgaben zukommen: Dem Staatssektor die finanzielle Absicherung, die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur (z.B. der entsprechenden Ausbildungseinrichtungen) und die Qualitätssicherung - im Diskurs mit Betroffenen, Beschäftigten und Wirtschaft. Dem Markt kommt die Entwicklung eines ergänzenden Angebots und die Implementierung von Effizienz (freilich nicht auf Kosten der - inhaltlich definierten - Effektivität) zu. Der Markt bietet die Chance, durch Fundraising und neue Finanzierungsformen (z.B. Social Banking) neue Finanzierungsvarianten zu finden und damit in der Sozialwirtschaft auch Projekte zu entwickeln, deren Startfinanzierung der Staat nicht übernehmen will.

Ein abgesicherter "Dritter Sektor", der in enger Wechselwirkung mit dem Staat und dem Markt steht, kann wesentlich zu einer qualitätsgesicherten Arbeit für/mit Menschen mit Behinderungen beitragen. Freilich nur, wenn das von den angespro-chenen Betroffenen gewünscht und aktiv betrieben wird. Denn die Sozialwirtschaft bedarf ständiger aktiver Weiterentwicklung und ständiger Kontrolle ihrer Entwicklung und ihrer Ressourcen durch jene, die an der Sozialwirtschaft interessiert sind.

Tom Schmid

Verena Purer, et al: VOM IMAGE DER SOZIALBERUFE

Auswege aus einer finanziellen Sackgasse

80 % der Frauen in Österreich sind im Dienstleistungssektor beschäftigt, 14 % in der Produktion und 6 % in der Land- und Forstwirtschaft. Im Gegensatz dazu sind Männer lediglich zu 51 % im Dienstleistungsbereich, stattdessen zu 43 % in der Produktion und ebenfalls zu 6 % in der Land- und Forstwirtschaft tätig (BMSG/BMBWK 2002, S. 40f). Dieser 80 %ige Frauenanteil resultiert u.a. daraus, dass Frauen in der Sozialwirtschaft deutlich überrepräsentiert sind. Allerdings lässt sich feststellen, dass die Männer, die im Sozialbereich tätig sind, höhere Verdienst- und Karrieremöglichkeiten haben. Trotzdem in dieser Branche weniger Männer arbeiten, sind sie hauptsächlich in hierarchisch höheren Positionen zu finden.

Untersuchungen zeigen, dass bei einem Anteil von mehr als 20 % Frauen in einem Beruf die Gehälter und das Image ins Bodenlose fallen.

Eine Ursache dafür ist die unterschiedliche Bewertung von Frauen- und Männerarbeit, die durch eine geringer werdende Wertschätzung der Arbeit bei einem zunehmenden Frauenanteil in einem Beruf gekennzeichnet ist.

Als Lösungen bieten sich einerseits die Entwicklung von neuen Instrumenten der Arbeitsbewertung in der Sozialwirtschaft und andererseits Maßnahmen zur Hebung der Männerquote in dieser Branche an.

Letztere Lösung ist allerdings auch kritisch dahingehend zu hinterfragen, warum ausgerechnet in einem Bereich, in dem Frauen stark vertreten sind und gute Chancen am Arbeitsmarkt vorfinden, sich diese für die Gleichberechtigung von Männern engagieren sollten (Cortolezis 2003, S. 43f). Damit wird die Zweischneidigkeit des Themas deutlich. Es geht hier demnach um eine Abwägung von Nutzenaspekten und notwendigen Kompromissen.

Arbeitsbewertung

"Die den Frauen zugeschriebene Arbeit für und an Menschen wird geringer bezahlt als die den Männern zugeschriebene Arbeit an und mit technischen Apparaturen" (Stiegler 2003, S. 39).

In einer Gesellschaft, in der Männer den Wert von Arbeit bestimmen, zählen demnach die Fähigkeiten von Frauen erwiesenermaßen weniger. Qualifikationen wie soziale Kompetenzen, die vorwiegend den Frauen zugeschrieben werden, werden als selbstverständlich angesehen und bei der Bezahlung nicht berücksichtigt.

Eine weitere Ursache, die diese Entwicklung unterstützt, ist in starren Rollenbildern bzw. klischeehaften Vorstellungen über männliche und weibliche Eigenschaften und Fähigkeiten zu suchen. Sie sind das Ergebnis einer Entwicklung, die mehr oder weniger mit der Industrialisierung begann und auch heute noch bewusst oder unbewusst in die weibliche und männliche Sozialisation einfließen.

Der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit als wichtiger Schritt in Richtung einer Aufweichung solcher Rollenklischees darf daher nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss auch praktisch umgesetzt werden. Die Aufwertung weiblicher Zuschreibungen ist dazu ebenso notwendig wie die quantitativ stärkere Besetzung von Männerarbeitsplätzen durch Frauen und umgekehrt.

Arbeitsbewertung ist ein Instrument, um das Prinzip "Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit" umzusetzen. Das bedeutet eine den Anforderungen und Belastungen eines Arbeitsplatzes entsprechende Neubewertung der Arbeitsstellen. Dabei werden die mit unterschiedlichen Arbeitsplätzen und Tätigkeiten verbundenen Anforderungen und Belastungen ermittelt und verglichen. Das Kriterium dabei ist Anforderung und nicht Qualifikation! Während summarische Arbeitsbewertungs-verfahren die Tätigkeit als Ganzes gewichten, wird bei der analytischen Methode jedes Merkmal einzeln bewertet und daraus ein Gesamtwert ermittelt. Dabei wird zwischen folgenden vier Anforderungsarten unterschieden: geistige Anforderung, körperliche Anforderung, Verantwortung und Umgebungsbedingungen (Meggeneder et al. 2002).

Good Practice Beispiel: Volkshilfe Oberösterreich

Oskar Meggeneder und Edeltraud Ranftl führten in der Volkshilfe Oberösterreich, einem Unternehmen für soziale Dienstleistungen, das Projekt Faire Bewertung der Arbeit - FABA durch (Meggeneder 2002, S. 83-120). Es wurde in folgenden Schritten umgesetzt:

Die geschlechtersensible Analyse der Zusammensetzung der Belegschaft und der Entgeltstruktur zeigte, dass rund 91 % der 500 MitarbeiterInnen Frauen sind, und dass das arbeitszeitbereinigte Durchschnittsgehalt der Männer um ein Fünftel höher als jenes der Frauen ist.

Es erfolgte eine Arbeitsbewertung von Schlüsselarbeitsplätzen durch die ArbeitsplatzinhaberInnen sowie durch eine Bewertungskommission im Hinblick auf Diskriminierungen und notwendige Adaptierungen.

Das Bewertungssystem wurde überarbeitet und dafür ein Implementierungsszenario entwickelt.

Die Umsetzung der Erkenntnisse des Projektes FABA soll gemäß Betriebsvereinbarung innerhalb einer Frist von anderthalb Jahren durch die Einführung des Arbeitsbewertungssystems erfolgen. Die Gehälter von als unterbezahlt identifizierten ArbeitnehmerInnen werden angehoben, während die von AusreißerInnen nach oben entweder eingefroren oder die Tätigkeiten entsprechend angereichert werden.

FABA eignet sich deshalb besonders als Good Practice Beispiel, weil es eingeschliffene Wahrnehmungen von Wert und Unwert bestimmter Tätigkeiten systematisch und strukturiert hinterfragt und diese neu bewertet.

Hebung des Männeranteils

Nicht zuletzt aufgrund des geringen Männeranteils wird die Arbeit in der Sozialwirtschaft unterbewertet und hat insgesamt ein schlechtes Image. Zur Aufwertung des Images sind von verschiedenen Seiten Aktionen gestartet worden bzw. für die Zukunft geplant: Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI wurden Lehrgänge organisiert und es wurden eine QSI Tagung sowie eine Arbeitsgemeinschaft mit anderen EQUAL Projekten zum Thema Image in der Sozialwirtschaft organisiert. Weiters wurde vom EQUAL Netzwerk Sozialwirtschaft eine Imagekampagne zur Stärkung der Sozialwirtschaft gestartet. Das BMWA fokussiert wiederum mit seiner Kampagne auf das Thema "Pflegeberufe. Der Job des Lebens".

Imagekampagnen alleine können jedoch nicht den Männeranteil in der Sozialwirtschaft heben. Ebenso kann durch die Einführung einer Männerquote im Sozialbereich im Hinblick auf Gleichstellung nicht unbedingt der höchste Zielerreichungsgrad erwartet werden. Dazu bedarf es zusätzlicher Ideen und Maßnahmen als positive Unterstützung:

Jugendprojekte

Mit Jugendlichen werden konkrete Projekte durchgeführt, durch die junge Männer über den Zivildienst und das Freiwillige Soziale Jahr gezielt in Pflegeberufe vermittelt werden.

Sensibilisierung

Wichtig wäre außerdem, dass der Bedarf nach Männern in der Sozialwirtschaft von männlichen Berufsanwärtern als solcher wahrgenommen wird. Denn Männer müssen ebenso wie Frauen als "Betroffene" anerkannt werden, die ein Recht auf eine gleichgeschlechtliche Betreuungsperson haben.

Bewältigung und Vorbeugung von Burnout

Um die Qualität und dadurch auch die Attraktivität von Arbeitsplätzen in Sozialberufen - für Männer ebenso wie für Frauen - zu erhöhen, muss speziell das Phänomen des Burnouts bearbeitet werden. Dieses besteht insbesondere in Dienstleistungsberufen (wie beispielsweise in der Sozialwirtschaft), welche zunehmend dadurch geprägt sind, dass die Beschäftigten ständig verfügbar sein müssen und von ihnen regelmäßig hohe Leistungen und hohe Flexibilität erwartet werden.

Die Attraktivität des Arbeitsplatzes in der Sozialwirtschaft im Vergleich zu anderen Berufen wird auch davon abhängen, ob hier Gegenstrategien und Unterstützungsangebote für ArbeitnehmerInnen umgesetzt werden.

Akquisitionspraxis von Unternehmen

Dass der Männeranteil in der Sozialwirtschaft so gering ist, wird seitens der Unternehmen oft auf fehlendes Interesse der Männer zurückgeführt. Auch wenn diese Annahmen aufgrund der geschlechtsspezifischen Sozialisation durchaus ihre Berechtigung haben, ist zusätzlich notwendig, die gängige Akquisitionspraxis, die zumeist nicht "geschlechtsneutral" ist, entsprechend zu analysieren und zu adaptieren.

Männerinitiativen

Es gibt nach wie vor einen eklatanten Mangel an Ansprechstellen für Männer! Als hilfreich erweist sich in diesem Zusammenhang die gezielte Gründung und Unterstützung entsprechender Initiativen, die sich an Männer richten, sowie von organisierten Gruppen von Männern für Männer zur Förderung von Männern in Sozialberufen.

Resümee

Wenn Männer erfolgreich in die Sozialwirtschaft integriert werden, wirkt dies nicht nur dem Arbeitskräftemangel in diesem Bereich entgegen, sondern leistet einen Betrag zur Gleichstellung von Männern und Frauen. Insofern ist es auch in einer Branche, in der Frauen überdurchschnittlich gute Arbeitsmarkt- und Karrierechancen haben, gerechtfertigt, Männer gezielt zu fördern. Dadurch wird sichergestellt, dass oft vernachlässigte Kompetenzen, die den Frauen zugeschrieben werden, gleichwertig bei der Bewertung ihrer Arbeit anerkannt werden, das Image ihres Berufs aufgewertet wird, sie gerecht entlohnt werden und schon der Bildungsweg in der Sozialwirtschaft stärker gefördert und durchlässiger strukturiert wird.

Verena Purer, Karoline Gindl

Literatur

Bergmann, Nadja; Gutknecht-Gmeiner, Maria; Wieser, Regine; Willsberger, Barbara unter Mitarbeit von Clara Fritsch, Elisabeth Gräfinger, Ingrid Putz, Jutta Scheibelberger (2002): Berufsorientierung und Einstieg von Mädchen in den geteilten Arbeitsmarkt - Empirische Erhebungen zum Berufswahlprozess von Mädchen. Wien. Online im WWW unter URL: www.lrsocialresearch.at

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen/Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Hrsg.) (2002): Statistik Austria: Geschlechtsspezifische Disparitäten. Wien. S. 40f

Cortolezis, Heide: Vier Knackpunkte aus der Praxis - und vier provokante Thesen, in: Nora (Hrsg.) (2003): Verändern durch Gendern. Innsbruck. S. 43f

Meggeneder, Oskar; Ranftl, Edeltraud (2002): Lohnstandards als Fair P(l)ay. In: Ranftl, Edeltraud; Birgit, Buchinger; Gschwandtner, Ulrike; Meggeneder, Oskar (Hrsg.): Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Praktische Beispiele diskriminierungsfreier analytischer Arbeitsbewertung. Tagungsband zur Fachtagung "gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit" am 18. Oktober 2001 im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. München/Mering. S. 83-120

Stiegler, Barbara (Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn) (2003): Strategien und Erfahrungen zur Umsetzung des Rechts auf gleichwertige Bezahlung von Männer- und Frauenarbeit. In: Netzwerk der österreichischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen: Steiner, Hannah; Tenschert, Itta (Hrsg.): Observatoria. Gender Mainstreaming - eine Strategie zur Verringerung der Einkommensdifferenz zwischen Frauen und Männern? Wien. S. 27-54

Heidrun Aigner: QUALITÄTSKRITERIEN FÜR INTEGRATIONS-AUSBILDUNGEN

Verankerung in Berufsbild und Förderpolitik

"Qualität ... man weiß, was es ist und weiß es doch nicht.

Aber das ist ein Widerspruch in sich.

Manche Dinge sind nun mal besser als andere,

das heißt, sie haben mehr Qualität.

Doch worin besteht dieses "Bessersein"?

Was zum Teufel ist Qualität? Was ist sie?" (Pirsig 1972, S.193)

Integrative Qualitätskriterien

"Qualität ist die Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalenswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen" (DIN EN ISO 8402). Oder noch einfacher formuliert: "Qualität [lat.] die: a) Beschaffenheit, b) Güte, Wert" (Der Duden 2003). Also bedeutet Qualität, den gestellten Erwartungen gerecht zu werden, wobei die Zielgruppe diese Anforderungen mitbestimmt (vgl. Kreuzhage/Beitz 2001).

Die meisten Menschen verbinden mit dem Wort Qualität jedoch etwas Positives, ohne dass diese positive Bewertung im Wort "Qualität" direkt enthalten ist. Was macht daher eine Leistung, ein Angebot oder - wie im EQUAL Projekt QSI - die Ausbildung zur Integrationsfachkraft hochwertig? Und: wer definiert, was hochwertig bedeutet?

Die Definition und (noch wichtiger: Entwicklung) guter Qualität ist, so haben wir uns bei QSI entschieden, ein diskursiver Prozess, getragen von wissensgestützter inhaltlicher Arbeit, praktischer Erfahrung, gemeinsamer Reflexion des Entwicklungsteams und der TeilnehmerInnen der "Pilotlehrgänge" und der diskursiven Reflexion mit VertreterInnen zweier "Querschnittsmaterien": des Betroffenen Mainstreaming und des Gender Mainstreaming.

QSI hat für Ausbildungen, in denen Frauen und Männer zu Qualifizierten Integrationsfachkräften geschult werden, daher folgende Eckpfeiler integrativer Qualität definiert:

die Vermittlung von

  • Wissen

  • Können

  • Haltung

als gleichwertige curriculare Aufgaben und Ziele einerseits und andererseits die Verankerung der Querschnittsthemen

  • Gender Mainstreaming als Gleichstellungsstrategie von Männern und Frauen und

  • Betroffenen Mainstreaming als Einbindung von behinderten Menschen und Müttern und Vätern behinderter Kinder auf allen Ebenen und in allen entscheidenden Gremien

in der Konzeption und Umsetzung der Curricula und Lehrgänge.

"Behinderte Menschen und ihre Angehörigen sind ExpertInnen in eigener Sache, sie selbst wissen am besten, was sie brauchen und wie sie ihr Leben führen möchten." Dieser Grundaussage von Selbstbestimmt Leben Österreich und Integration:Österreich fühlt sich QSI verbunden. Durch das Betroffenen Mainstreaming füllen erstmals die BezieherInnen der von AnbieterInnen und Fachkräften gestellten Leistungen den Qualitätsbegriff mit Inhalten und formulieren Bedarf und Ansprüche an Ausbildungen für Fachkräfte ihrer Integration.

QSI Netzwerkkreis: Verankerung von Qualitätskriterien in Ausbildungen für Integrationsfachkräfte

Ausgangspunkt des Netzwerkkreises stellte die Problematik dar, dass Integrationsberufe derzeit in Österreich weder in Berufsbildern geregelt sind, noch dass für die Ausübung dieser Tätigkeiten Mindestqualifikationen festgeschrieben sind. Auf Grundlage dieser Analyse wurde im Netzwerkkreis das Ziel formuliert, unterschiedliche Strategien zur Verankerung integrativer Qualitätskriterien zu erarbeiten und diese Qualitätskriterien zu definieren.

Zwischen Juni 2003 und Februar 2004 trafen Betroffene mit VertreterInnen von Berufsverbänden, mit AnbieterInnen von Unterstützungsleistungen für behinderte Menschen bzw. ArbeitgeberInnen von Fachkräften, politischen EntscheidungsträgerInnen/FördergeberInnen, AusbildungsträgerInnen, SozialpartnerInnen und WissenschafterInnen mehrmals im Rahmen des QSI Netzwerkkreises "Integrative Qualitätskriterien - Verankerung in Berufsbild und Förderpolitik" zusammen. Die Bildung eines Netzwerks aus Frauen und Männern derart heterogener Kontexte garantierte die Berücksichtigung der unterschiedlichen, sich teilweise widersprechenden Interessenlagen aller AkteurInnen der Integrationsarbeit und ermöglichte einen diskursiven Prozess zur Erfüllung des Qualitätsbegriffes mit konkreten, integrativen Inhalten. Denn wenn wir eine integrative Haltung einnehmen wollen, vertreten wir eine dialogische Position, es geht um gemeinsame Entscheidungen, welche aus einer intensiven Auseinandersetzung entstehen (vgl. Hinz 1996). Diskursive Implementation garantiert, dass sich trotz unterschiedlicher Zugänge der Beteiligten die Widersprüche in Grenzen halten, die Sichtweisen einander vielmehr ergänzen. Menschen lernen voneinander, ohne dabei die gleiche Perspektive einnehmen zu müssen. Gerade die Differenzen stellen einen Gewinn dar, sie erst ermöglichen den Prozess (vgl. Conradi 2001).

Im folgenden werden wesentliche Ergebnisse dieser Treffen thesenhaft zusammengefasst:

Integrative Qualitätskriterien: wozu?

In einem ersten Schritt wurden die NutznießerInnen integrativer Qualitätskriterien festgemacht: Behinderte Menschen und Eltern behinderter Kinder als LeistungsnutzerInnen profitieren von der Verankerung integrativer Qualitätskriterien in Ausbildungen, in Berufsbildern und in Förder- und Vergaberichtlinien aufgrund der erhöhten Transparenz der Angebote. Integrative Qualitätskriterien sichern die Verbesserung der Integration in der Praxis und garantieren hochwertigere Leistungen. Behinderte Menschen und ihre Angehörigen als NutzerInnen hochwertiger Angebote wissen nicht nur, welche Kompetenzen sie von Fachkräften und LeistungsanbieterInnen erwarten können, sondern haben dank dieses hochwertigen Angebots auch die Möglichkeit, gute Qualität einzufordern. Damit wird das Menschenrecht auf Integration lebbar gemacht. Qualitätskriterien stellen damit einen Faktor des Machtausgleichs und KonsumentInnenschutzes dar und sind ein Instrument, um Chancengleichheit, Teilhabe und gleiche Zugangsmöglichkeiten für behinderte Menschen und ihre Angehörigen sicher zu stellen.

Qualitätsgesicherte Integrationsausbildungen schaffen überdies für Frauen und Männer, die nach dem für sie geeigneten Bildungsangebot suchen, die Möglichkeit, unterschiedliche Aus- und Fortbildungen im Integrationsbereich einem Vergleich zu unterziehen und die bessere Ausbildung zu wählen. Freilich erfordert dies seitens der Öffentlichen Hand die Bereitschaft, jene Ressourcen bereit zu stellen, die notwendig sind, damit gut ausgebildete Integrationsfachkräfte tatsächlich auch integrativ arbeiten können. Dann haben Integrationsfachkräfte mit einer qualitativ hochwertigen Ausbildung auf Grund ihrer besseren Qualifikation und der damit verbundenen Anerkennung bei selbstbestimmt lebenden Menschen mit Behinderungen höhere Chancen am Arbeitsmarkt.

Für Organisationen, die Leistungen für behinderte Frauen und Männer oder Eltern behinderter Kinder anbieten, liegt der Mehrwert qualitätsgesicherter guter Integrationsausbildungen im Wissen über den fachlichen Hintergrund der Fachkräfte, die sie beschäftigen, weswegen sie dann bessere Leistungen anbieten können. Und für jene VertreterInnen der Gebietskörperschaften, die für die Finanzierung bzw. die Absicherung flächendeckender Versorgung mit unterstützenden Diensten verantwortlich sind, sind gute Angebote auf einen Blick erkennbar. Das politische Gewicht von Interessenvertretungen steigt, wenn ihre Forderungen in der Definition der integrativen Qualitätskriterien berücksichtigt werden. Für BildungsträgerInnen ist die Vergleichbarkeit von Bildungswegen wichtig, was durch vergleichbare Standards sichergestellt werden kann.

Die Netzwerkkreis-TeilnehmerInnen erkannten schließlich, dass sie von Qualitätskriterien für Integrationsausbildungen profitieren würden und waren von der Notwendigkeit ihrer gesetzlichen Verankerung überzeugt. Die Auseinandersetzung mit dem Thema integrative Qualität wurde gleichermaßen als Notwendigkeit wie Chance gesehen, damit verbundene Mühen und Kosten als Investition für die Zukunft (vgl. auch Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen 1999).

Exemplarische Definition von Kriterien

Die Perspektiven und Forderungen der Netzwerkkreis-TeilnehmerInnen wurden von TeilnehmerInnen der QSI Pilotlehrgänge und Verantwortlichen von bestehenden Ausbildungen ergänzt. Um die Komplexität und Bandbreite der Qualitätsthematik einerseits sichtbarer zu machen und andererseits auf eine bearbeitbare Ebene zu bringen, wurde damit begonnen, exemplarisch integrative Qualitätskriterien zu erarbeiten (vgl. dazu Wetzel/Zettl/Schmid/Feyerer in diesem Band). In den Arbeitsgruppen, in denen sich die Netzwerkkreis-TeilnehmerInnen trafen, bildeten die Eckpfeiler Wissen, Können und Haltung sowie die Implementierung von Gender Mainstreaming und Betroffenen Mainstreaming den roten Faden durch alle Ebenen. Diese Kriterien, so die Meinung der Netzwerkkreis-TeilnehmerInnen, müssen als Basis integrativer Qualitätskriterien Eingang in Förderpolitik sowie Berufsbilder finden. Eingangs können sie als Instrument zur Selbstüberprüfung und Reflexion der eigenen Arbeit, als Hilfsmittel zur qualitätssichernden Gestaltung der Bildungsarbeit dienen (vgl. Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen 1999).

Strategien zur Implementierung integrativer Qualitätskriterien

Folgende drei Strategien zur Verankerung integrativer Qualitätskriterien wurden im Rahmen des Netzwerkkreises erarbeitet:

1.Staatsmodell/Top Down Modell

Der Gesetzgeber legt Ausbildungsstandards in Berufsbildern fest. Nur jene Ausbildungen, die sich der Einhaltung integrativer Qualitätskriterien verschreiben, erhalten Förderungen. Weiters ist im Berufsbild geregelt, über welche Qualifikationen Integrationsfachkräfte verfügen müssen.

2.Marktstrategie/Bottom Up Modell

Es existieren Qualitätskriterien für qualitativ hochwertige Ausbildungen und eine Liste der AusbildungsträgerInnen, die diese Kriterien einhalten. Ausbildungsstandards werden zwar nicht staatlich geregelt, jedoch tragen sich AbsolventInnen von Ausbildungen, die integrative Qualitätskriterien einhalten, in das Verzeichnis der "Eingetragenen Qualifizierten Integrationsfachkräfte" ein. Die Eintragung stellt zugleich Qualitätsnachweis und Qualitätsverpflichtung dar. LeistungsanbieterInnen und -nutzerInnen können die benötigten Leistungen bei auf der Liste aufscheinenden Frauen und Männern einkaufen.

3.Informelles Modell/Circle Modell

Das informelle Modell beruht auf Dialog und Wechselwirkung. Im Austausch mit relevanten AkteurInnen wie Verantwortlichen von BildungsträgerInnen und FördergeberInnen wird die Relevanz integrativer Qualitätskriterien verdeutlicht. Diese wiederum haben die Möglichkeit, eigene Perspektiven und andere Sichtweisen aufzuzeigen. Dieses Modell beinhaltet den Diskurs und die Wechselwirkung der gegenseitigen Beeinflussung und ist kompromissorientiert.

In der Praxis wird offensichtlich nicht die Konzentration auf eine der drei Strategien zum Erfolg führen, sondern ein geeigneter Mix aus den drei hier entwickelten Strategien.

Wer bestimmt, was gut ist?

Wie bereits durchgeführte Projekte zur Implementierung von Qualitätskriterien in anderen Bereichen gezeigt haben, braucht es die Einbindung aller AkteurInnen der Integrationsarbeit zur inhaltlichen Füllung des Qualitätsbegriffs (vgl. Giedenbacher/Stadler-Vida/Strümpel 2003). KonsumentInnen, deren Angehörige, Berufsverbände, LeistungsanbieterInnen, AusbildungsträgerInnen und VertreterInnen des Geld- und Gesetzgebers müssen in den Arbeitsprozess eingebunden werden. "Will man über Qualität ... diskutieren, so ist es zuerst notwendig zu klären, was Qualität für die unterschiedlichen Interessensgruppen bedeutet" (Fasching/Niehaus 2003, S. 48). Zudem kristallisierte sich heraus, dass die Vorstellungen der Netzwerkkreis-TeilnehmerInnen von qualitativ hochwertigen Ausbildungen nicht nur voneinander abweichen, sondern vielmehr unterschiedliche Bereiche abdecken, die sich wechselseitig ergänzen. Bedürfnisse der AkteurInnen werden explizit zum Gegenstand politischer Debatten und daraus soll die Veränderung von Rahmenbedingungen folgen (vgl. Tronto 1993).

Qualität braucht Kontrolle: Integratives Gütesiegel

Damit die Einhaltung der Qualitätskriterien guter Ausbildungen objektiv beurteilt werden kann, sollen AusbildungsträgerInnen und LeistungsanbieterInnen künftig von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle, die sowohl mit Betroffenen als auch Fachleuten besetzt ist, ein integratives Gütesiegel erhalten, wenn sie den hier entwickelten Kriterien guter Ausbildungen entsprechen. Es existieren verschiedene Möglichkeiten zur Feststellung und Überprüfung integrativer Qualität, wie beispielsweise Punktevergabe für die Erfüllung bestimmter Kriterien, wie Notenvergabe für bestimmte Indikatoren, wie Beurteilung anhand eines Rasters, der von "aussondernd" über "bedingt integrativ" und "integrativ" bis zu "inklusiv" einordnet oder wie Stufenmodelle, in die auch das Entwicklungspotential (Veränderungsbereitschaft, vorhandene Ressourcen) der Institution eingebunden wird. Durch die Verleihung dieses Gütesiegels bestätigt ein nicht weisungsgebundenes objektives Gremium, dass sich Organisationen tatsächlich zur Einhaltung der integrativen Qualitätskriterien verpflichten. Jeglicher Etikettenschwindel ist damit ausgeschlossen, Kontrolle sichergestellt.

Die Schritte zur Entwicklung eines integrativen Gütesiegels beginnen nach Wetzel/Zettl mit der Erarbeitung von Standards und der Erprobung in Pre-Tests, gehen über die Besetzung des Zertifizierungsgremiums mit Betroffenen wie Fachleuten, die Schulung der ZertifiziererInnen, den Zertifizierungsvorgang bis zur Vergabe des Gütesiegels; und schließlich sind ständige Aktualisierungen der Kriterien und Kontrollen der Organisationen nötig. Ziel dabei ist, abstrakte Kriterien so überprüfbar wie möglich zu machen - ein Vorgang, der nicht im Rahmen von QSI zu leisten war, dessen Umsetzung aber von den TeilnehmerInnen des Netzwerkkreises als notwendig erachtet und empfohlen wird, um künftig auch die Kontrolle der Qualität zu garantieren.

Heidrun Aigner, Tom Schmid, Diethart Schliber

Literatur

Conradi, Elisabeth (2003): Take Care. Grundlagen einer Ethik der Achtsamkeit. Frankfurt/Main: Campus Verlag

Bibliographisches Institut Mannheim (2003): Der Duden: Das große Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter. Mannheim: Dudenverlag

Fasching, Helga; Niehaus, Mathilde (2003): Qualitätsdiskussionen in der beruflichen Integration. In: Behinderte in Schule, Familie und Gesellschaft, Jg. 25, Heft 4/3, S. 47-54

Giedenbacher, Yvonne; Stadler-Vida, Michael; Strümpel, Charlotte (2003): Qualität von Unterstützter Beschäftigung aus der Sicht der Beteiligten. Ein Evaluationshandbuch. Budapest: Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung

Hinz, Andreas (1996): "Geistige Behinderung" und die Gestaltung integrativer Lebensbereiche - Überlegungen zu Erfahrungen und Perspektiven. In: Sonderpädagogik 16, S.144-153

Kreuzhage, Stephanie; Beitz, Holger (Hrsg.) (2001): Praxishandbuch Sozial Management. Soziales Engagement professionell managen. Bonn: Fachverlag für Recht und Führung

Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen (1999): Handbuch zur Qualitätsentwicklung an Österreichs Volkshochschulen. Wien: Eigenverlag

Pirsig, Robert (1972): Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten. Frankfurt am Main: Fischer

Tronto, Joan C. (1993): Moral boundaries: a political argument for an ethic of Care. New York, London: Routledge

Wetzel, Gottfried; Zettl, Michaela (2003): Integratives Gütesiegel. Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Salzburg für QSI. Unveröffentlichtes Arbeitspapier

Tom Schmid: WIE FINDE ICH DIE NADEL IM HEUHAUFEN?

Analyse einer unüberschaubaren Bildungslandschaft, die nicht auf die Bedürfnisse der Auszubildenden und KlientInnen abgestimmt ist

Wie ist es um die Professionalität von Fachkräften im Behindertenbereich bestellt? Im Rahmen einer Ist-Analyse für die Entwicklungspartnerschaft QSI wurde versucht, den jetzigen Stand des Bildungsbereichs für Personen, die mit und für Menschen mit Behinderungen arbeiten, zu erheben. Diese Erhebung besteht aus einer quantitativen Erhebung aller Ausbildungsgänge in Österreich und einer qualitativen Befragung von Bildungseinrichtungen, politisch Verantwortlichen und Menschen, die in der Behindertenarbeit tätig sind sowie von Angehörigen und Menschen mit Behinderungen.

Ausbildungssituation in Österreich: Die Ausbildungen im Gesundheits- und Sozialwesen sind in Österreich weitgehend föderal geordnet. Es gibt eine große Zahl von Trägern auf bundesländerweise unterschiedlicher Rechtsbasis. Trotz einer gesetzlichen Annäherung und der Schaffung der Voraussetzungen für bundesweit einheitliche modulare Ausbildungen stellt sich die "Bildungslandschaft" immer noch sehr vielfältig dar. In den letzten Jahren ist ein rasches Wachstum von Ausbildungen (auch auf Fachhochschulen und Unis) festzustellen.

Auffällig ist, dass die Entwicklung von Berufsbildern im Gesundheits- und Sozialbereich deutlich hinter der Entwicklung der Ausbildungsgänge und Ausbildungseinrichtungen hinterherhinkt. Es ist gegenwärtig nicht abzuschätzen, ob bzw. wie weit die Veränderungen und Ausdifferenzierungen der Ausbildungen auch vom Arbeitsmarkt angenommen werden.

Die qualitative und quantitative Analyse der Ausbildungen von Fachkräften im Behindertenbereich können in folgenden Punkten zusammengefasst werden:

  • medizinisch-pflegerischer Fokus der meisten Ausbildungsgänge

  • kaum Curricula vorhanden (nur Lehrstoff- oder Prüfungsfächerbeschreibung)

  • kaum Berufsbilder vorhanden

  • starke Vielfalt des Bildungsangebots

  • geringe Regulierungsdichte der Ausbildungsgänge, was Übertragbarkeit und Wiedereinstieg schwieriger macht

  • viele Träger bieten mehrere Ausbildungen unterschiedlicher Form, Qualität und Länge an; dadurch wird der Überblick noch schwieriger

  • rasches Wachstum, v.a. im postsekundären Bereich (z.B. Universitätslehrgänge)

  • Unterschiede im Aufbau, in der Qualität und in der Zielrichtung der Ausbildungen nach Ländern und Trägern

Das bedeutet, es ist gegenwärtig kaum ein Überblick über die vorhandenen Ausbildungsgänge zu gewinnen. Dieses Informationsproblem schafft Probleme sowohl für Bildungswillige und deren Eltern (Was kann/soll ich lernen, wenn ich in diesem Bereich arbeiten will?), als auch für jene Personen, welche die Dienstleistungen der hier Ausgebildeten nutzen wollen (Von welcher Fachkraft kann ich welches Wissen und Können, welche Haltung verlangen?).

Im Detail: Der Vielfalt von Ausbildungsmöglichkeiten im Gesundheitsbereich steht eine vollkommen unzureichende Situation im Behinderten- bzw. Integrationsbereich gegenüber. Die meisten Ausbildungen verfügen zwar über Lehrpläne oder Stundentafeln, ausführliche Curricula (Lehrzielbestimmungen) waren jedoch selten zu finden (Einige Organisationen haben jedoch betont, dass zur Zeit an einer Reform bzw. Entwicklung von neuen Curricula im pädagogischen bzw. sonderpädagogischen Bereich gearbeitet wird.). Auch klare Berufsbilder sind nur im Gesundheitsbereich vorhanden (und dort gesetzlich geregelt), nicht aber im Behinderten- und Integrationsbereich. Hier gibt es oft nicht nur keine konkreten Beschreibungen der Tätigkeiten, des Arbeitsplatzes, sondern oft auch keine konkreten Ausbildungen für den jeweiligen Bereich.

Überdies werden gegenwärtig viele Ausbildungen außerhalb des ausbildenden Trägers bzw. in einem anderen Bundesland nicht bzw. nicht vollständig anerkannt, was die Flexibilität (den Trägerwechsel) auch von Integrationsfachkräften behindert.

Anforderungen: Diesem ernüchternden Befund stehen jedoch konkrete Anforderungen gegenüber. Zwei Drittel der befragten Integrationsfachleute bzw. der befragten Menschen mit Behinderungen sind der Meinung, dass eine spezielle Ausbildung im jeweiligen Tätigkeitsfeld notwendig wäre bzw. dass gesetzlich verankerte spezielle Ausbildungen zu mehr Qualität beitragen würden. Nur aus den spezifischen Anforderungen der Persönlichen Assistenz sind nach Meinung der Beteiligten hier keine speziellen Ausbildungen, wohl aber eine allgemeine Grundausbildung nötig. Auf dieser Grundlage ist es die behinderte Person selbst, die einschult und anleitet.

Von den Integrationsfachkräften selbst werden zusätzliche theoretische Grundlagen sowohl allgemeiner als auch spezieller Art, praktische Fähigkeiten im Umgang mit Menschen sowie wertschätzende und empathische Haltung für die Arbeit mit und für Menschen (nicht nur mit Behinderungen) nachgefragt. Für die befragten behinderten Frauen und Männer ist es wichtig, dass die Integrationsfachkräfte keine Berührungsangst und sowohl fachliche wie soziale Kompetenzen haben. Sie sollen auf die Menschen eingehen können und eine respektvolle, wertschätzende und vor allem positive Haltung haben.

Zusammenfassung: Deutlich wird, dass die Realität und die Anforderungen sowohl der Integrationsfachkräfte wie der Menschen mit Behinderungen und der Eltern behinderter Kinder deutlich auseinander gehen. Es wird daher notwendig sein, sowohl ein Konzept für eine modulartige, bundesweite und qualitätsgesicherte Ausbildung für Integrationsfachkräfte zu entwickeln als auch an konkreten Strategien zur Umsetzung dieses Konzeptes in der österreichischen Ausbildungslandschaft zu arbeiten.

Tom Schmid

Ewald Feyerer, et al: DAS QSI BASISCURRICULUM

Notwendige Grundlagen für alle Integrationsfachkräfte schaffen

In den letzten Jahren ist der Bedarf an Fachkräften, die behinderte Menschen und ihre Angehörigen im täglichen Leben unterstützen, in Österreich stark gestiegen. Der Arbeitsmarkt rund um die Integration behinderter Menschen bietet positive Berufsperspektiven. Die Bemühungen um (vor)schulische Integration, die Einführung der Pflegesicherung, die Formulierung des Benachteiligungsverbots als Staatszielbestimmung und die Auszahlung der Behindertenmilliarde ließen zahlreiche integrative Unterstützungsstrukturen entstehen bzw. wachsen.

Behinderte Menschen und ihre Angehörigen fordern als Expertinnen und Experten in eigener Sache selbstbewusst einen Wandel in der Arbeit mit und in der Beratung und Unterstützung von behinderten Menschen ein. Zu Recht weisen sie darauf hin, dass die Situation am Ausbildungssektor in Österreich derzeit unbefriedigend ist und Wünsche und Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden kaum Berücksichtigung finden. Eine ausführliche Ist-Analyse der bestehenden Ausbildungen bestätigt dies (siehe dazu den Artikel von Tom Schmid in diesem Band).

Qualitätsvolle Ausbildungen für Integrationsfachkräfte müssen auf den Grundprinzipien eines Integrationsverständnisses basieren, das folgendermaßen gekennzeichnet werden kann:

Behinderte und nicht behinderte Menschen nehmen gleichberechtigt an allen Lebensbereichen teil. Behinderung ist dabei keine individuelle, medizinisch-biologische Kategorie im Sinne eines Defektes sondern - gemäß der WHO-Definition - eine soziale Folge individueller Beeinträchtigung. Behinderung liegt also dann vor, wenn Menschen nicht oder zu wenig in ihr soziales Umfeld eingebunden und somit in ihrer optimalen Entwicklung und an einer vollständigen Partizipation am gesellschaftlichen Leben behindert werden.

Jeder Mensch ist ein ganzheitliches, bio-psycho-soziales Lebewesen mit einer unverwechselbaren Identität aufgrund seiner Biografie und Lebensbedingungen. Jeder Mensch ist Mensch, weil er als Mensch geboren ist und handelt immer entsprechend seiner Möglichkeiten kompetent als Mensch. Alle Menschen sind gleichwertig (siehe dazu auch die Ausführungen zum gemeinsamen QSI Integrationsbegriff in der Einführung).

Qualitätsvolle Ausbildungen für Integrationsfachkräfte müssen - neben den für das jeweilige Einsatzgebiet spezifischen Wissen und Fähigkeiten - jene grundlegenden Kenntnisse, Kompetenzen und Haltungen vermitteln, die für eine integrationsorientierte Beratung, Unterstützung und Begleitung von behinderten Frauen und Männern und ihren Angehörigen notwendig sind. Deshalb wurde das gesamte QSI Curriculum modular aufgebaut (zum Aufbau der Curricula und zum Organisationsrahmen siehe den Artikel von Feyerer/Schwarz weiter unten).

Was müssen Integrationsfachkräfte unbedingt wissen und können?

Welches Wissen, welche Kompetenzen und Haltungen müssen in den Grundlagenbausteinen des Basiscurriculum erworben werden können, um von einem qualitätsvollen Curriculum sprechen zu können? Was sind die notwendigen Grundlagen für eine Integrationsfachkraft?

Um dies herauszufinden, wurden zu Beginn des Projekts, zusätzlich zu Literaturstudien, Erhebungen in allen vier QSI Pilotlehrgängen durchgeführt. Vertreterinnen und Vertreter von Trägereinrichtungen, Fördergebern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kundinnen und Kunden wurden danach gefragt, welches Wissen für eine qualitätsvolle Arbeit notwendig ist, was man können muss und welche Einstellungen und Haltungen hilfreich sind. Behinderte Menschen sowie Mütter und Väter behinderter Kinder arbeiteten selbstverständlich als gleichberechtigte Partner und Partnerinnen an der Entwicklung der Ausbildungsziele mit.

Bei der Auswertung wurden die allgemeinen, in allen Tätigkeitsfeldern vorkommenden Aspekte zu sechs Grundlagenbausteinen zusammengefasst, die sich wie folgt beschreiben lassen:

G1: Persönliche Perspektiven, Einstellungen und subjektive Theorien

Zusammenfinden der Gruppe und die Orientierung im Lehrgang, erste kritische Reflexion der eigenen Einstellung zu Integration/Inklusion, unterschiedliche Entwicklungserwartungen

G2: Gesellschaftliche Perspektiven - von der Aussonderung zur Integration

Die gesellschaftliche Entwicklung im Umgang mit behinderten Menschen an Hand von Beispielen, frühere und heutige Mechanismen der Aussonderung

G3: Theorien, Methoden und Ansätze integrativer Arbeit

Vertiefende Auseinandersetzung mit den Grundhaltungen der Integration und Umlegen auf das eigene Arbeitsfeld, Inhalte und Methoden für spezifische Aufgaben in der Arbeit in integrativen Gruppen, Fallbeispiele

G4: Perspektiven und Grundsätze eines selbstbestimmten Lebens

Die unterschiedlichen Perspektiven der Betroffenheit aus Sicht behinderter Frauen und Männer und betroffener Eltern, Grundverständnis von Selbstbestimmung und Empowerment, der/die Experte/Expertin in eigener Sache und die Konsequenzen für begleitende, beratende, assistierende Berufsgruppen, das (mögliche) Spannungsverhältnis von Betroffenen und Professionisten und Professionistinnen

G5: Kommunikation und Kooperation, interdisziplinäres Arbeiten

Grundlagen der Kommunikation und der Kooperation in integrativen Gruppen. Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb von Institutionen: Professionisten und Professionistinnen, Betroffene, Angehörige; Einbeziehung der eigenen Betroffenheit, Schuldgefühle, Trauer, Wut und Aggression

G6: Transfer, Evaluation und Qualität integrativer Arbeit

Eckpunkte (Qualitätskriterien) integrativer Arbeit, Evaluationsprozess, einfache Methoden der Selbstevaluation (z.B. Tagebuch), Literaturstudium, Grundlagen der Dokumentation (nicht diskriminierend), einfache Instrumente zur Datenerhebung

Als notwendige Basis jeglicher Tätigkeit im Integrationsbereich werden in diesen Grundlagenbausteinen folgende professions- und trägerübergreifenden Grundkenntnisse, Kompetenzen und Haltungen vermittelt:

Wissen

  • Begriffsdefinition von Segregation, Integration und Inklusion

  • Begriff "Behinderung" (verschiedene Sichtweisen wie z.B. medizinische, soziologische, pädagogische, WHO usw.)

  • Macht der Sprache (verschiedene Bezeichnungen von behinderten Menschen, Frauen/Männer, gesund/krank)

  • Ursachen von Ausgrenzung (Randständigkeit) behinderter Menschen

  • gesellschaftliche Einstellungen zur Integration (wovon sind diese abhängig - z.B. Uninformiertheit, Schuldgefühle; Art der Behinderung u.a.)

  • Überblick über die historische Entwicklung im Umgang mit Frauen und Männern mit Behinderungen (von Sondereinrichtungen bis zu heutigen Formen integrativer/inklusiver Gesellschaft)

  • bedeutsame internationale und nationale Vereinbarungen und Gesetze in Bezug auf Menschen mit Behinderung und zur Integration/Inklusion

  • Eckpunkte und theoretische Grundlagen integrativer/inklusiver Arbeit mit und für behinderte Frauen und Männer (Diagnose im Sinne von Verstehen lernen, differenzierte Angebote, Erfolge ermöglichen)

  • Methoden zur Stärkenanalyse (unsystematische und systematische Beobachtung, Fragebogen, Gespräch, Produktanalyse)

  • Grundverständnis von Selbstbestimmung bzw. Empowerment

  • Selbstbestimmung als Gegenbegriff zur Fremdbestimmung (Spannungsverhältnis zwischen Betroffenen und Professionisten bzw. Professionistinnen; Wo beginnt die Selbstbestimmung, wo endet sie? Bedingungen, die Selbstbestimmung ermöglichen oder verhindern)

  • Was bedeutet Selbstbestimmung für behinderte Menschen und was für deren Eltern? (Gemeinsamkeiten, Unterschiede)

  • rechtliche Belange rund um die Assistenzleistung

  • Zusammenarbeit und Team (Formen der Zusammenarbeit, mögliche Spannungsfelder, Grundlagen der Dynamik in Gruppen, in Teams, im Speziellen mit behinderten Frauen und Männern)

  • Grundlagen von Kommunikation und Kooperation

  • Grundbegriffe im Bereich Qualitätssicherung, -management, -evaluation

  • Qualitätskriterien integrativer/inklusiver Arbeit

  • einfache Methoden der Selbstevaluation (z.B. Tagebuch)

  • Grundlagen der Dokumentation (nicht diskriminierend)

Können

  • Selbstreflexion (meine Werte, Ziele und Moral müssen nicht die von Betroffenen sein; kritisch die eigenen Positionen überdenken; eigene Handlungsweisen, Werte und Normen analysieren)

  • Erfahrungen aus der eigenen Lebensgeschichte bzw. die von Betroffenen in die Arbeit einbeziehen - Beeinträchtigung in ihren möglichen Bedeutungen für die Entwicklung des Dialogs verstehen lernen

  • vorgegebene Normen der Gesellschaft hinterfragen

  • Behinderung als ein Ergebnis eines sozialen Bewertungsprozesses verstehen

  • Begleiten (nicht betreuen und therapieren) zu eigenständigen, selbstbestimmten Persönlichkeiten

  • Beobachtungen von Interpretationen trennen

  • verschiedene Methoden zur Differenzierung anwenden und reflektieren

  • Aufbau einer Beziehungsebene (um gegenseitiges Vertrauen aufbauen zu können), um Beratung und Begleitung anzubieten

  • Sensibilisierung bzw. Umdenken bei sich und anderen initiieren

  • ein ausgeglichenes Zusammenspiel von Distanz und Nähe im Assistenzverhältnis herstellen

  • eigene Rolle als Frau, als Mann, im Team ... hinterfragen

  • eigenes und fremdes Handeln hinterfragen (Blickpunkt wechseln)

  • Grundregeln der Kommunikation anwenden (aktives Zuhören, Ich-Botschaften, verschiedene Aspekte von Botschaften, Kommunikationskanäle)

  • keine fertigen Lösungen anbieten, sondern gemeinsam mit der Person, mit deren "Ressourcen" Lösungen entwickeln

  • Fachwissen erwerben (Literaturstudium) und praxisorientiert auswählen und vermitteln

  • Instrument(e) zur Datenerhebung auswählen und anwenden

  • Daten interpretieren und dokumentieren

  • eine Abschlussarbeit nach den Kriterien einer Seminararbeit schreiben (logischer Aufbau, Beschreibung der verwendeten Verfahren und des Ablaufs, Darstellung der gewonnenen Daten, Interpretation der Daten, Schlussfolgerungen, Reflexion)

Haltung

  • alle Menschen als gleichwertig betrachten

  • jedem Mensch das gleiche Recht auf Würde, Anerkennung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zuerkennen

  • jeden Menschen als eine unverwechselbare bio-psychisch-soziale Ganzheit, ein aktiv handelndes Subjekt behandeln

  • die Vielfalt innerhalb der Gemeinsamkeit akzeptieren und fördern

  • die Verschiedenheit der Menschen als grundlegendes Element der Gesellschaft akzeptieren

  • selbstbewusst, authentisch und empathisch sein

  • offen für die kritische Reflexion der eigenen Tätigkeit und die Arbeit im Team sein

  • das Handeln der Anderen nicht unabhängig vom eigenen Handeln sehen

Abschließend kann gesagt werden, dass mit dem ausführlich evaluierten QSI Basiscurriculum die notwendigen Grundlagen für alle Integrationsfachkräfte professions- und trägerübergreifend in den sechs Grundbausteinen in der Auseinandersetzung mit Inhalten wie historische Entwicklung, Prinzipien, Werte und Einstellungen, Theorien und Methoden der Segregation, Integration und Inklusion, Gesetzeslage, Organisationsaspekte wie Interdisziplinarität und Teamarbeit, Kooperation und Kommunikation sowie Qualität und Evaluation erworben werden können. Die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung und ihrer Angehörigen werden in den Mittelpunkt gestellt. Learning by doing und aktives, reflexives Lernen unter der Einbeziehung von Praxiserfahrungen und persönlichem Vorwissen sind grundlegende Elemente der didaktischen Gestaltung.

Ewald Feyerer, Ulrike Schwarz

Ewald Feyerer, et al: DAS QSI BASISCURRICULUM. Bedeutung für die Qualitätssicherung und die Ausbildungsinstitutionen

Ausgangssituation und Zielsetzungen

Behinderte Frauen und Männer und ihre Angehörigen fordern zunehmend einen Wandel in der Arbeit mit ihnen sowie in der Beratung und Unterstützung ein. Zu Recht weisen sie darauf hin, dass die Situation am Ausbildungssektor in Österreich derzeit unbefriedigend ist und Wünsche und Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden kaum Berücksichtigung finden.

Eine von Tom Schmid und Lucie Prochazkova im Rahmen von QSI durchgeführte österreichweite Ist-Analyse kam zu folgenden Ergebnissen:

  • Ausbildungen haben zumeist einen medizinisch-pflegerischen Fokus.

  • Es sind kaum Curricula und Berufsbilder vorhanden.

  • Es gibt eine unübersichtliche Vielfalt an Ausbildungen, die untereinander nicht abgestimmt sind und so die gegenseitige Anerkennung und den Wiedereinstieg bzw. Wechsel erschweren.

Das QSI Curriculum

Das gesamte QSI Curriculum zur Ausbildung von Integrationsfachkräften unterteilt sich in das Basiscurriculum und in darauf aufbauende Spezialcurricula. Dadurch können sowohl allgemeine Kompetenzen für eine inklusive Unterstützung von behinderten Menschen und Eltern behinderter Söhne und Töchter, als auch die speziellen Bedürfnisse unterschiedlicher Ausbildungsträger berücksichtigt werden.

Einerseits können damit einheitliche Standards für Ausbildungen von Integrationsfachkräften geschaffen, andererseits aber auch die Tätigkeit bisher unqualifizierter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf eine sichere Basis gestellt werden. Durch die gemeinsame integrationspädagogische Grundlagenausbildung und die modulare Konstruktion mittels Ausbildungsbausteinen wird den Teilnehmern und Teilnehmerinnen eine bessere Berufsausübung im stark anwachsenden Arbeitsbereich der Integration behinderter Menschen ermöglicht.

Die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung und ihrer Angehörigen werden in den Mittelpunkt gestellt. Learning by doing und aktives, reflexives Lernen unter Berücksichtigung von Praxiserfahrungen und persönlichem Vorwissen sind grundlegende Elemente der didaktischen Gestaltung. Maßnahmen zur Prozessevaluation sichern die Qualität des Angebots. Das Qualifikationsangebot soll berufsbegleitend absolviert werden können.

Das in vier Pilotlehrgängen evaluierte QSI Basiscurriculum vermittelt professions- und trägerübergreifende Grundkenntnisse in den sechs Grundlagenbausteinen G 1 bis G 6 mit Inhalten wie historische Entwicklung der Integration, Definition, Prinzipien, Werte und Einstellungen, Gesetzeslage, Theorien und Methoden, Organisationsaspekte wie Interdisziplinarität und Teamarbeit, Kooperation und Kommunikation sowie Qualitäts- und Evaluationsaspekte für alle Handlungsfelder der integrativen Arbeit mit und für behinderte Menschen.

Neben den sechs Grundlagenbausteinen G 1 bis G 6 werden im Rahmen der QSI Pilotlehrgänge in weiteren sechs Spezialbausteinen S 1 bis S 6 die für die jeweiligen Lehrgänge spezifisch notwendigen Grundkenntnisse und Kompetenzen vermittelt (in der Erprobungsphase waren das Elternbildung, Familienberatung, Individualhilfen und Schulassistenz, perspektivisch sind aber durchaus auch andere Spezialteile denkbar).

G6

S4

S5

S6

G4

G5

S2

S3

G1

G2

G3

S1

Insgesamt zumindest 144 Stunden Kursangebote über eine Dauer von drei Semestern 50 % des Kurses professions- und trägerübergreifend = sechs Grundlagenbausteine G 1 bis G 6 Zumindest 50 % professions- und trägerspezifisch = sechs oder mehr Spezialbausteine S 1 bis S 6

Zwischen den einzelnen Bausteinen haben die Lehrgangsteilnehmer und -teilnehmerinnen Aufträge zur gezielten Praxisanalyse und -reflexion zu erfüllen und werden ermutigt, ihre Lernerfahrungen im Rahmen eines Lerntagebuchs zu dokumentieren. Weiters werden die Inhalte in selbst organisierten Peer Gruppen vertieft und die gemachten Erfahrungen reflektiert.

Nach den sechs Grundlagenbausteinen gibt es ein erstes Prüfungsgespräch über einen selbst gewählten Literaturschwerpunkt und eine inhaltliche Fragestellung in Bezug zu den Grundbausteinen. Am Ende des Lehrgangs erfolgt ein kommissionelles Prüfungsgespräch über die schriftlich eingereichte Projektarbeit.

Nach Erfüllung aller Bedingungen erhalten die Lehrgangsteilnehmer und -teilnehmerinnen ein Zertifikat, das die erfolgreich absolvierten Bausteine benennt. Der Name des Zertifikats drückt die Schwerpunktsetzung aus (z.B. "Qualifizierte Integrationsfachkraft für Schulassistenz").

Didaktische Gestaltung

Die didaktische Gestaltung der derzeit im Rahmen von QSI durchgeführten Pilotlehrgänge orientiert sich im Wesentlichen an den Prinzipien einer integrativen/inklusiven Pädagogik. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden nicht bloß als Anwender und Anwenderinnen vorgegebenen Wissens gesehen, sondern als selbstverantwortliche Partner und Partnerinnen in einem zweiseitigen Kommunikations- und Kooperationsprozess. Lerninhalte und Lernformen werden dem äußeren Rahmen nach vorgegeben. Innerhalb dessen können sich die Lernenden ihren Interessen, Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend neue Handlungskompetenzen aneignen.

Ausgangspunkt des Curriculum sind daher die von den TeilnehmerInnen bisher erworbenen Meinungen und Einstellungen zum Thema Mensch-Sein, Behinderung und Integration. Das QSI zu Grunde liegende Menschen- und Gesellschaftsbild wird diskursiv den eigenen Anschauungen gegenüber gestellt. Durch intensive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten im Sinne des aktiven und reflexiven Lernens und unter ständiger Rückbeziehung auf die jeweiligen Praxiserfahrungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen sollen diese im Laufe der Ausbildung ihr eigenes Erfahrungswissen genauer reflektieren und anhand des neuesten Fachwissens analysieren lernen. Konkretes Handeln und Üben in den Kursen sowie die Reflexion und Analyse des Praxishandelns in Peer Gruppen führen weiters zu einem erhöhten Handlungswissen und somit zu einem kompetenteren Umgang im beruflichen Handlungsfeld.

Der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht es, zeitgleich mit Referenten und Referentinnen, Betroffenen und anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen zu bestimmten Themen zu diskutieren. Über ein Forum auf der QSI Homepage ist es möglich, sich zeitlich unabhängig inhaltlich auszutauschen.

Die einzelnen Bausteine des Basiscurriculum stellen in sich abgeschlossene Einheiten dar und sind aufeinander aufbauend. Die LehrgangsbegleiterInnen sorgen für den Zusammenhang der einzelnen Bausteine, indem nach jedem Baustein eine Evaluation erfolgt, offene Fragen gesammelt und die Referenten und Referentinnen über den Stand der Lernentwicklung innerhalb der Gruppe informiert werden.

Die Verbindung zur Praxis wird in den QSI Pilotlehrgängen auf unterschiedliche Arten hergestellt, entweder durch angeschlossene Arbeitserprobungen, Projektinitiativen und/oder durch Betreuung und Begleitung bei der Ausübung des Berufs. Weiters wird der Praxisbezug verstärkt, indem vor allem Personen mit Erfahrungshintergrund in dem jeweiligen Berufsfeld als Referentinnen und Referenten eingesetzt werden.

Trainer- und Trainerinnenkompetenzen

Tätige Auseinandersetzung mit berufsbedeutsamen Handlungsfeldern als Grundlage eines selbstreflexiven und bedürfnisorientierten Lernens verlangen eine weitgehende Mitbestimmung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Die Trainer und Trainerinnen müssen daher eine hohe Kompetenz im Bereich der Kommunikation und der Führung von Gruppen mitbringen.

Weiters ist ein wesentlicher Aspekt von Lernen das Modelllernen. Die Trainer und Trainerinnen müssen sich daher selbst mit den grundlegenden Haltungen von QSI einverstanden erklären können und diese auch in den Kursen und im Umgang mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen bewusst vorleben.

Dies zeigt sich vor allem durch

  • sensible Verwendung der Sprache in den Bereichen Geschlechtergleichstellung und Umgang mit Betroffenen (z.B. Hinterfragung von Kategorisierungen, Verzicht auf abwertende Bezeichnungen wie "an den Rollstuhl gefesselt", Geschlechterrollen sichtbar machen und bewusst gegensteuern, Vermeidung von Kategorisierungen),

  • offenen, individualisierten und erwachsenengerechten Unterricht,

  • partnerschaftliche Kooperation und gewaltfreie Kommunikation,

  • Kritik- und Konfliktfähigkeit,

  • ein humanistisches, demokratisches und solidarisches Menschen- und Gesellschaftsbild,

  • systemisches und den Grundwerten von QSI entsprechendes Handeln,

  • offene und selbstkritische Einstellung gegenüber behinderten und nicht behinderten Frauen und Männern sowie Eltern behinderter Kinder.

So weit als möglich, unbedingt aber in G4, sollen behinderte Menschen oder andere Betroffene als ReferentInnen bzw. LehrgangsbegleiterInnen eingesetzt und/oder zum direkten Erfahrungsaustausch eingeladen werden.

Kompetenzen und Aufgaben der Lehrgangsbegleiterinnen und Lehrgangsbegleiter

Um den Zusammenhang der einzelnen Bausteine und ein gutes Lernklima zu gewährleisten, ist eine durchgehende Begleitung für jeden Lehrgang notwendig. Die Lehrgangsbegleiter und Lehrgangsbegleiterinnen benötigen unbedingt ein offenes und tolerantes Menschenbild im Einklang mit unserem Motto für und mit Menschen mit Behinderung: "Selbstbestimmt - selbstbewusst - selbstverständlich".

Die Lehrgangsbegleitung hat folgende Aufgaben zu erfüllen:

  • Durchgehende Begleitung und Unterstützung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen während des Lehrgangs,

  • Vorinformation über den Lernstand der Gruppe und organisatorische Unterstützung der Referenten und Referentinnen,

  • Organisation und Dokumentation der einzelnen Kurse und Leistungsnachweise,

  • Schaffung einer wertschätzenden Arbeitsatmosphäre und eines Gruppenzusammenhalts.

Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass die kompetenten LehrgangsbegleiterInnen enorm wichtig für die Zufriedenheit und den Lernzuwachs der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind.

Rahmenbedingungen für Veranstaltungen

Der Veranstaltungsort muss barrierefrei sein, damit behinderte Frauen und Männer als Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie als Referenten und Referentinnen Zugang haben. Dies bedeutet mehr, als nur für Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen benutzbar zu sein. Auch andere Beeinträchtigungen müssen bedacht werden.

Barrierefreiheit betrifft auch das Lehrmaterial, die Unterrichtsmethodik, Prüfungsmodalitäten und Raumausstattung.

Eine angenehme Raumatmosphäre und eine ruhige Umgebung unterstützen die intensive Auseinandersetzung während eines Wochenendblocks.

Für Mütter und Väter soll die Möglichkeit einer Kinderbetreuung entweder vor Ort oder mit finanzieller Unterstützung am Wohnort angeboten werden.

Ausblick

Abschließend kann festgehalten werden, dass mit dem QSI Basiscurriculum sechs Grundlagenbausteine entwickelt, erprobt und evaluiert wurden, die in jeder Ausbildung im Bereich der Arbeit für und mit Menschen mit Behinderungen und Eltern behinderter Kinder eingesetzt werden können. Durch die modulare Konstruktion könnte eine gegenseitige Anerkennung und damit ein flexiblerer Einsatz der Ausgebildeten im stark anwachsenden Arbeitsbereich der Integration behinderter Menschen ermöglicht werden. Damit erfolgt eine Erhöhung der Mobilität und Durchlässigkeit in einem starken Wachstumsmarkt, was sowohl für die Trägerorganisationen als auch für die Beschäftigten hilfreich ist, da zwischen ähnlichen Berufsfeldern leichter gewechselt werden kann.

Eine österreichweite Kooperation unterschiedlichster Trägereinrichtungen würde weiters zu einheitlichen Qualitätsstandards für die Ausbildung von gut qualifizierten Integrationsfachkräften und damit zu einer höheren Qualität integrativer Maßnahmen führen.

Ewald Feyerer, Ulrike Schwarz

Andreas Hinz: ZUR BEDEUTUNG VON INTEGRATIONS-CURRICULA - auch am Beispiel des berufsbegleitenden Studienganges Integrationspädagogik in Halle (Saale)

Seit einigen Jahren, insbesondere seit die Praxisentwicklung des Gemeinsamen Unterrichts die Phase besonderer Modellvorhaben hinter sich gelassen hat und in eine Phase der Verallgemeinerung eingetreten ist, muss sich Integration und Integrationspädagogik immer deutlicher mit Fragen der Qualität auseinandersetzen (vgl. Hinz 1999, Boban/Hinz 2003, Feyerer/Prammer 2004). Gemeinsamer Unterricht war selbstverständlich nie das fleckenfreie pädagogische Wunderkonzept, mit dem alle Probleme gelöst werden - die Leistungen aller SchülerInnen steigen, interkulturelles Verständnis wächst, Gewalt wird minimiert, die SchülerInnen haben mehr Spaß an der Schule etc. -, obwohl es manchmal in der Durchsetzungsphase so klang. Je normaler und alltäglicher die Praxis des Gemeinsamen Unterrichts wird - und das soll sie ja -, desto banaler und alltäglicher wird sie zuweilen auch. Da tut Qualitätssicherung Not, auch und gerade für den Gemeinsamen Unterricht, und Integrations-Curricula sind eine naheliegende Strategie.

Gleichzeitig sind spezifische Curricula für Integration eine höchst gefährliche Angelegenheit - provozieren sie doch geradezu eine neue, eigene Spezialisierung für Integration. Dabei könnte sie an die Entwicklung der Sonderpädagogik anschließen, die ihre Legitimation auch immer aus dem Ungenügen der Schulpädagogik abgeleitet hat und dabei die Kehrseite der Medaille ignorierte, dass die Schulpädagogik ihr diese Argumentation dann auch irgendwann geglaubt und entsprechend zu handeln begonnen hat (vgl. hierzu die erschreckend aufschlussreichen Ausführungen bei Hänsel 2003 sowie Hänsel/Schwager 2003). Also besteht sehr deutlich die Gefahr, dass Integration und Integrationspädagogik zu einer besonderen Pädagogik werden - oder es vielleicht angesichts des extrem hohen Anteils von universitären SonderpädagogInnen in der Integrationspädagogik schon lange sind. Integration und Integrations-Curricula insbesondere drohen also zu einer neuen (?) Sonderpädagogik für Integration zu werden - und das wäre angesichts ihres Allgemeinheitsanspruchs ein geradezu tödlicher Widerspruch in sich selbst.

Was tun mit diesem Dilemma? Die Konsequenz kann nicht sein, auf integrationsspezifische Curricula zu verzichten und alle Praxis ihren teils auch schlechten Gang gehen zu lassen. Aus pragmatischen Gründen sind spezifische Curricula sinnvoll und im wahrsten Sinne des Wortes Not-wendig. Aber dies darf nicht die generelle Veränderung von Ausbildungen und Studiengängen verhindern; nur wenn beides zusammengedacht wird, pragmatische Spezialisierungskurse und fundamentale Veränderungen des Ganzen, kann ein integrativer Schuh daraus werden. Ob dies auch für die eigene Praxis an der Martin-Luther-Universität Halle gilt, können vielleicht die folgenden Ausführungen zeigen. Die Martin-Luther-Universität ist die einzige Ausbildungsstätte im Land Sachsen-Anhalt für das Lehramt an Sonderschulen, demnächst für alle Lehrämter an allgemein bildenden Schulen. Die Situation sonderpädagogischer Förderung in diesem Bundesland zeichnet sich dadurch aus, dass es laut Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK 2002) die höchste SonerschülerInnenquote (über 7 % mit steigender Tendenz) und die niedrigste Integrationsquote (unter 2 % aller SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf) aller deutschen Bundesländer hat - trotz einer relativ fortschrittlichen Gesetzgebung, in der der Gemeinsame Unterricht mit einer Soll-Bestimmung verankert ist, allerdings mit Ressourcenvorbehalt, wie allgemein üblich. Darüber hinaus gibt es den im Osten zu findenden massiven Einbruch der SchülerInnenzahlen, der jetzt die Sekundarstufe I erreicht hat und zahlreiche Schulschließungen nach sich zieht. Dies erschwert wiederum eine kontinuierliche Schulentwicklung massiv, da u.a. immer wieder viele KollegInnen von einer Schule zur anderen und mehrfach auch von einem Schultyp zum anderen versetzt werden.

Bei sonderpädagogischen Qualifikationen gibt es nach wie vor einen massiven Nachholbedarf. Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa 50 % der KollegInnen in Sonderschulen eine entsprechende Qualifikation haben; in Schulen für Geistigbehinderte, die es in der DDR nicht gab, liegt die Qualifikationsquote deutlich niedriger. Daher hat das Institut für Rehabilitationspädagogik im Auftrag des Kultusministeriums berufsbegleitende Studiengänge für KollegInnen aus Sonderschulen eröffnet, in denen vier Semester lang einzelne sonderpädagogische Fachrichtungen studiert werden. Den KollegInnen werden vier Semester lang zwei Schulstunden für dieses Studium angerechnet. Für die Studiengänge erhält das Institut eine entsprechende personelle Ausstattung durch das Ministerium.

Die Martin-Luther-Universität kann auf mehrere Schritte zu einer Verzahnung der Lehramtsstudiengänge verweisen: Neben einer integrierten Studieneingangsphase für alle Lehrämter (Grundschulen, Sekundarschulen, Gymnasien, Sonderschulen), in der gemeinsame Einführungsveranstaltungen sowie das vor- und nachbereitete Orientierungspraktikum gemischt stattfinden, müssen alle Studierenden der Lehrämter für Gymnasien und Sekundarschulen seit 1999 laut Lehrerprüfungsverordnung einen Studiennachweis in "Sonderpädagogik / Integrationspädagogik" erwerben - analog etwa zum entsprechenden Schein in Berlin (vgl. Preuss-Lausitz 2003).

Dabei zeigt sich immer wieder das Missverständnis, dass für diesen Schein automatisch das Institut für Rehabilitationspädagogik zuständig sei; Integrationspädagogik wird gern als sonderpädagogische Fachrichtung missverstanden, was von Zeit zu Zeit in der institutsübergreifenden Lehrbereichskonferenz Schulpädagogik diskutiert wird. Schon in der Lehrerprüfungsverordnung von 1992 gab es eine sonderpädagogische Fachrichtung Integrationspädagogik, in der eine Erweiterungsprüfung abgelegt werden konnte - was in der Praxis jedoch nicht vorkam (vgl. LPVO 1992).

In einer solchen Situation und in diesem Umfeld - extrem hohe Sonderschülerzahlen (über 7 % mit steigender Tendenz) und die niedrigste Integrationsquote aller deutschen Bundesländer (unter 2 % aller SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf) - besteht die dringende Notwendigkeit, ein spezifisches Angebot mit integrationspädagogischer Ausrichtung zu installieren, um so unmittelbar auf die schulische Praxis im Land Einfluss nehmen zu können und nicht auf die Einstellung grundständig Studierender im Land - abzüglich der Abgänge in westliche Bundesländer - warten zu müssen.

Gleichwohl war von Anfang an klar, dass ein besonderes Angebot - oder schärfer formuliert: ein Sonderangebot - für Integrationspädagogik deren exotische Ausnahmestellung bestätigen und weiter zementieren könnte. Bezeichnenderweise blieb es dem Institut für Rehabilitationspädagogik und insbesondere dem Arbeitsbereich Allgemeine Rehabilitationspädagogik und Integrationspädagogik überlassen, diesen Studiengang zu betreiben - was dann zu seinem ersten Start im Wintersemester 2002 führte.

Formaler Rahmen, Inhalte und Studienplan des Studienganges

Mit dem Kultusministerium wurden folgende formale Regelungen vereinbart:

  • Der Studiengang ist für alle LehrerInnen in allgemein bildenden Schulen Sachsen-Anhalts offen - für SonderpädagogInnen ebenso wie für LehrerInnen in Grund-, Sekundar-, Gesamtschulen und Gymnasien. Diese Heterogenität war uns von vornherein wichtig.

  • Der Studiengang umfasst 30 Semesterwochenstunden (SWS) in drei Semestern, d.h. pro Semester werden zehn SWS an einem Wochentag studiert.

  • Im vierten Semester wird das Studium mit einer mündlichen Prüfung und einer schriftlichen Arbeit unter Aufsicht abgeschlossen.

  • Der Studiengang wird für seine Laufzeit mit einer halben Stelle wissenschaftliche(r) Mitarbeiter(in) ausgestattet.

Da die inhaltlichen Prüfungsanforderungen für Integrationspädagogik in der Lehrerprüfungsverordnung von 1992 nicht dem aktuellen Diskussionsstand entsprachen, wurden sie in Anlehnung an andere Bereiche und Fächer neu formuliert. Mit dem Kultusministerium wurden eine Reihe von Inhalten vereinbart - nach wie vor sind sie allerdings noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht und damit formal noch nicht in Kraft (vgl. Tabelle 1).

Grundlagen der Integrationspädagogik

  • Bedeutung unterschiedlicher Dimensionen von Homogenität und Heterogenität im gesellschaftlichen und schultheoretischen Zusammenhang;

  • Theorien der Integrationspädagogik einschließlich der Pädagogik der Vielfalt und Inclusive Education;

Aspekte der Integrationspädagogik

  • Konzepte und Möglichkeiten gemeinsamer Bildung und Erziehung in verschiedenen Lebensphasen (Elementar-, Primar- und Sekundarbereiche sowie Erwachsenenleben) und Lebensbereichen (Arbeit, Wohnen, Freizeit);

  • institutionelle, rechtliche und ökonomische Aspekte der Integrationspädagogik;

  • soziologische und psychologische Aspekte der Integrationspädagogik, insbesondere Fragen von Stigmatisierung und Entstigmatisierung;

Integrative Didaktik / Gemeinsamer Unterricht

  • Didaktische Ansätze in der Integrationspädagogik;

  • Planung, Analyse und Reflexion gemeinsamen Unterrichts;

  • Leistung und Leistungsbewertung;

Kooperation und Beratung

  • Kooperatives Arbeiten innerhalb interdisziplinärer Teams in der allgemeinen Schule (einschließlich Team-Teaching) unter Beteiligung der Eltern;

  • Beratung im Rahmen ambulanter integrationsunterstützender Dienste;

  • Vernetzung mit inner- und außerschulischen Unterstützungssystemen einschließlich der Jugendhilfe;

Diagnostik und Förderplanung

  • Unterstützungsbedarfe und integrative Unterstützungsmöglichkeiten bei verschiedenen Formen von Schädigungen, Behinderungen und Benachteiligungen;

  • Kind-Umfeld-Diagnostik unter integrationspädagogischen Aspekten sowie kooperative Erstellung von Förder- und Zukunftsplanungen;

  • ökosystemische Planung und Gestaltung von Übergängen.

An den Formulierungen ist wichtig, dass der spezifische Fokus auf die heterogene Lerngruppe und damit Unterstützungsmöglichkeiten ohne stigmatisierende Wirkun-gen betont werden. Hier steht vieles, was im schulpädagogischen Studium gefordert werden müsste und was auch teilweise in sonderpädagogischen Fachrichtungen gefordert wird, allerdings nicht mit diesem spezifischen - eigentlich doch allgemein pädagogischen - Fokus. In den Grundlagen wird implizit deutlich, dass sich hier unter dem eingeführten Begriff Integrationspädagogik letztlich nichts anderes als inklusive Pädagogik findet, die explizit keinen sonderpädagogischen Ansatz vertritt (gleichwohl jedoch sonderpädagogische Elemente enthält), sondern sich mit ver-schiedenen Dimensionen von Heterogenität beschäftigt und - dies wird in der inhalt-lichen Gliederung nicht deutlich - über die Auseinandersetzung mit dem "Index für Inklusion" (vgl. Boban & Hinz 2003) explizit schulpädagogische Zugänge verfolgt. Damit ist gleichzeitig ein Spannungsverhältnis benannt, das sich durch die gesamten Inhalte zieht und erst mit der Inklusion aufgelöst wird.

Aus den inhaltlichen Prüfungsanforderungen lässt sich ein konkretisierter Studien-plan ableiten, der - unter Berücksichtigung der begrenzten Kapazitäten, d.h. in Kom-bination mit Angeboten für andere Studiengänge - Veranstaltungen mit je 2 SWS umfasst. Demnach haben die Studierenden jeweils vier Seminarangebote an ihrem Studientag zu absolvieren und einen dreitägigen Block außerhalb der Semesterzeit.

1. Semester (Wintersemester 02)

  • Grundlagen und Grundfragen integrationspädagogischer Theorie und Praxis

  • Gemeinsamer Unterricht in der Grundschule

  • Sonderpädagogik international/Integration und Inklusion

  • Vernetzung inner- und außerschulischer Unterstützungssysteme

  • Diagnostik und Gutachtenerstellung im Gemeinsamen Unterricht (als Block)

2. Semester (Sommersemester 03)

  • Integration im Elementarbereich (mit Übergang in die Grundschule)

  • Psychologische Aspekte der Gemeinsamen Erziehung

  • Soziologische und rechtliche Aspekte der Gemeinsamen Erziehung

  • Kooperation im multiprofessionellen Team (Schul-, Sozial-, Sonderpädagogik, Therapien, SchülerInnen, Eltern) (als Block)

  • Integration mit SchülerInnen mit den Förderschwerpunkten körperliche und geistige Entwicklung sowie mit nicht sprechenden, schwer-mehrfachbehinderten und hoch begabten SchülerInnen

3. Semester (Wintersemester 03)

  • Gemeinsamer Unterricht in der Sekundarstufe

  • Ambulante Sonderpädagogik als integrationsunterstützender Dienst

  • Integration im Übergang Schule-Arbeitswelt

  • Integrationspädagogische Beratung u. Zukunftsplanung, Unterstützerkreise (Block)

  • Integrationspädagogische Unterstützung bei den Förderschwerpunkten Sprache, Lernen und Verhalten sowie Hören und Sehen

4. Semester (Sommersemester 04)

Prüfungen: In der vorlesungsfreien Zeit Teilnahme an zwei von drei angebotenen Exkursionen zur Integrativen Grundschule, zum Gemeinsamen Unterricht in den Sekundarstufen und zur beruflichen Integration.

Dabei handelt es sich zum großen Teil um Veranstaltungen, die auch für andere Studiengänge offen sind, so für grundständig Studierende für das Lehramt an Sonderschulen oder an allgemeinen Schulen, teilweise auch für Studierende mit dem Ziel Diplom oder Magister der Erziehungswis-senschaft bzw. Rehabilitationspädagogik. Diese weitere Erhöhung der Heterogenität hat einerseits wiederum positives Potential, andererseits drohen hiermit auch sehr große Gruppierungen - wie zurzeit in einem Seminar mit knapp 100 Studierenden, das didaktische Fantasie herausfordert.

Erfahrungen

Für den ersten Durchgang war eine TeilnehmerInnenzahl von 15 geplant. Da sich 24 KollegInnen bewarben, wurde auf Anfrage des Ministeriums die Gruppe entsprechend vergrößert. Tatsächlich nehmen KollegInnen aus Grund-, Sekundarschule, Gesamtschule, Gymnasium und verschiedenen Sonderschulformen (Schulen für Lern-, Sprach-, Geistigbehinderte und Hörgeschädigte) am Studiengang teil, einige sind im Gemeinsamen Unterricht und/oder im Rahmen sonderpädagogischer Beratungsstellen tätig. Diese Heterogenität erweist sich als sehr produktiv.

Gerade jene KollegInnen, die im Gemeinsamen Unterricht aktiv sind, melden am Beginn des Studiums hohen Bedarf an theoretischer Untermauerung an, nachdem sie in der Praxis Vieles eher "aus dem Bauch heraus" gestalten. Sie - wie andere auch - erhoffen sich eine Stärkung ihrer Argumentationen für den Gemeinsamen Unterricht. Es sind hoch motivierte KollegInnen, die den spezifischen Widerspruch zwischen einer integrationsfreundlichen Gesetzgebung und Verordnungslage und einem teilweise äußerst skeptischen und mitunter nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend agierenden Umfeld leidvoll erleben.

Als überraschend empfinden viele TeilnehmerInnen den hohen Anteil reflexiver Momente in den Seminaren; bestehende Erwartungen an die Vermittlung "richtiger" Strategien und "richtigen" Unterrichts werden erfreulicherweise - so der Tenor vieler späterer Äußerungen - enttäuscht; dafür wird immer wieder gemeinsam das Spannungsverhältnis von theoretisch konsistenten Zielhorizonten und alltagsverträglichen Möglichkeiten in den Blick genommen.

Für die VeranstalterInnen der Seminare stellt sich die Situation als sehr erfreulich, produktiv und angenehm dar, denn es gibt durchgängig eine hohe Bereitschaft zum sofortigen Eintritt in die Diskussion, wenn es beispielsweise darum geht, Theorie-Inputs auf ihre Stimmigkeit und ihre Alltagstauglichkeit zu hinterfragen - ein wahrer Genuss!

Ergänzend und auf freiwilliger Basis werden inzwischen monatliche Angebote zur "integrativen Praxisberatung" von vielen KollegInnen wahrgenommen; hier besteht die Möglichkeit, die eigene Praxissituation mit ihren problematischen Aspekten zu thematisieren und gemeinsam nach produktiven Schritten zu suchen. Da dies Problemstellungen sind, die weit in den persönlichen Bereich hineingehen, bleiben sie auf den vertraulichen Kreis der Anwesenden beschränkt und werden nicht explizit in die Seminararbeit einbezogen.

Resümee

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann für diesen Studiengang vor dem Hintergrund der Situation in Sachsen-Anhalt ein außerordentlich positives Zwischenfazit gezogen werden; dies wird durch Aussagen der Studierenden im Rahmen einer schriftlichen Abschlussbefragung eindrücklich bestätigt. Es bleibt zu hoffen, dass er einen produktiven Schritt zu mehr Gemeinsamem Unterricht darstellt und kein momentanes und singuläres Phänomen bleibt. Ein zweiter Durchgang dieses Studienganges startet mit 20 KollegInnen im Oktober 2004.

Und dennoch: Ein solcher berufsbegleitender Studiengang, so erfreulich auch sein Verlauf und seine Ergebnisse sein mögen und so gestärkt seine TeilnehmerInnen auch in ihr meist unhinterfragbar segregativ orientiert und strukturiert scheinendes Umfeld gehen, er kann nicht die Veränderung des Ganzen ersetzen. Im Gegenteil drohen diese AbsolventInnen nun zu SpezialistInnen für Integration zu werden, an die diese allgemeine Aufgabe delegiert werden kann. Es ist jedoch relativ sicher, dass sie dieses exklusive Ansinnen zurückweisen werden, und daher macht es doch Sinn, pragmatische Wege mit spezialisierten Angeboten zu gehen, wenn es doch so viel schwerer ist, fundamentale inklusive Veränderungen zu erreichen. Und auch unter dem Motto "think global - act local" macht ein solches Angebot Sinn.

Andreas Hinz

Literatur

Boban, Ines; Hinz, Andreas (2003): Qualitätsentwicklung des Gemeinsamen Unterrichts durch den Index für Inklusion. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Jg. 26, H. 4/5, S. 34-45

Feyerer, Ewald; Prammer, Wilfried (Hrsg.) (2004): Qual-I-tät und Integration. Beiträge zum 8. PraktikerInnenforum. Linz: Universitätsverlag Rudolf Trauner

Hänsel, Dagmar (2003): Die Sonderschule - ein blinder Fleck der Schulsystemforschung. In: Zeitschrift für Pädagogik 49, S. 591-609

Hänsel, Dagmar; Schwager, Hans J. (2003): Sonderpädagogische Schultheorie. Weinheim: Beltz

Hinz, Andreas (1999): Stand und Perspektiven der Auseinandersetzung um den Gemeinsamen Unterricht vor dem Hintergrund leerer Kassen. In: Die neue Sonderschule 44, H. 2, S. 101-115

KMK (2002): Sonderpädagogische Förderung in Schulen 1991-2000. Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz. Dokumentation Nr. 159 (im Internet: www.kmk.org/statist/home.html)

LPVO (1992): Verordnung über die Ersten Staatsprüfungen für Lehrämter im Land Sachsen-Anhalt vom 19.06.1992. Magdeburg: Kultusministerium

Preuss-Lausitz, Ulf (2003): Konzept, Probleme und Evaluation einer Pflicht-Lehrveranstaltung "Einführung in die Integrationspädagogik" für alle Lehramtsstudierenden. Erfahrungen aus Berlin. In: Feuser, Georg (Hrsg.): Integration heute - Perspektiven ihrer Weiterentwicklung in Theorie und Praxis. Frankfurt am Main: Peter Lang, S. 175-181

Gottfried Wetzel, et al: FRAGEBOGEN ZUR INTEGRATIVEN UND SELBSTBESTIMMT LEBEN HALTUNG

Die Einstellung gegenüber Menschen mit einer Behinderung wird als eine überdauernde, transsituationale Reaktions- und Handlungsbereitschaft betrachtet.

Unter einer integrativen Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung wird also eine dauerhafte, über verschiedene Situationen und Zeitpunkte hinweg stabile Disposition verstanden, auf behinderte Personen mit positiven Grundgefühlen zu reagieren, vorteilhafte Meinungen über sie zu vertreten und sich ihnen gegenüber in zugewandter Weise zu verhalten und einer Integration aufgeschlossen gegenüber zu stehen (vgl. Tröster 1990, S. 56).

Alle Frauen und Männer, die in der Integrationsarbeit tätig sind, sollten eine Integrative/Selbstbestimmt Leben-Haltung mitbringen, die den neuesten wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnissen entspricht.

Es sind bereits Fragebögen zur Überprüfung der Einstellung gegenüber Menschen mit einer Behinderung entwickelt worden (s.u.), aber es mangelt an einem spezifischen Erhebungsinstrument zur "Integrativen/Selbstbestimmt Leben-Haltung" überhaupt und im Speziellen für Integrationsfachkräfte. Die Erstfassung des Fragebogens wurde 2003 im Rahmen der EQUAL Entwicklungspartnerschaft QSI (Quality Supported Skills for Integration) von MitarbeiterInnen des Instituts für Erziehungswissenschaft an der Universität Salzburg entwickelt und im Rahmen der vier QSI Pilotlehrgänge mit Studierenden der Erziehungswissenschaft in Salzburg und Wien sowie SchülerInnen eines Gymnasiums in Salzburg erprobt.

Die Erstbefragung der TeilnehmerInnen der QSI Pilotlehrgänge erfolgte gegen Ende des Grundlagenblocks.

Anhand der Rückmeldungen aus den Lehrgängen gemeinsam mit behinderten Menschen und ihren Angehörigen sowie TeilnehmerInnen von Ausbildungsmaßnahmen wurde und wird der Fragebogen laufend adaptiert und verbessert. Die vorläufige Endversion des Fragebogens ist eines von mehreren Instrumenten, um u.a. zu überprüfen, ob Ausbildungen auch erfolgreich die entsprechenden Inhalte an die TeilnehmerInnen vermitteln konnten. Nach Beendigung des Pilotlehrganges wurde dieser Fragebogen (neben anderen Überprüfungsinstrumenten) noch einmal von den QSI LehrgangsteilnehmerInnen ausgefüllt, um festzustellen ob und wieweit durch das Basiscurriculum und den Lehrgang an sich (wie auch das verpflichtende Praktikum) die Ziele der Ausbildung zur Qualifizierten Integrationsfachkraft verwirklicht werden konnten. Eine vorläufig endgültige Fassung des Fragebogens, der auch die Ergebnisse der im Rahmen des Projekts durchgeführten wissenschaftlichen Begleitforschung mitberücksichtigt, wird bis Ende 2004 vorliegen.

Das Instrument zielt darauf ab, die Haltung zur Integration/Inklusion bzw. zum Selbstbestimmten Leben in grundlegenden Tätigkeitsbereichen (Bildung, Arbeit, Freizeit, Wohnen, persönliche Rechte ...), die für Integrationsfachkräfte relevant sind, zu erfassen. Es wird auf Grund von Selbsteinschätzungen/Selbstbeurteilungen in Form eines Interviews/Fragebogens oder mit Hilfe einer Einstellungsskala auf die zugrunde liegende Einstellung/Grundhaltung eines Menschen geschlossen. Dies ist an zwei Voraussetzungen gebunden: Die Befragten müssen einerseits in der Lage sein, sich selbst zu beurteilen, und andererseits auch motiviert sein, ihre Selbsteinschätzungen unverfälscht wiederzugeben (vgl. Tröster 1990, S. 62).

Bei den von uns befragten QSI TeilnehmerInnen kann ersteres angenommen werden. Der Problematik der unverfälschten Einschätzungen wird dadurch begegnet, dass die Befragten ihre Haltungen begründen müssen, was gegenüber einem reinen Ankreuzen in klassischen Einstellungsskalen eine Kontrolle des Ankreuzens beinhaltet. Auch wurde die Anonymität gewährleistet. Da die QSI TeilnehmerInnen wahrscheinlich davon ausgehen (müssen), dass von ihnen berechtigterweise eine eindeutigere Integrative, Selbstbestimmt Leben-Haltung erwartet wird, könnte eine höhere Tendenz in Richtung sozialer Erwünschtheit bestehen als bei der Kontrollgruppe. In den Pre-Tests bei den QSI TeilnehmerInnen gab es allerdings vor allem in einem Lehrgang (Familienberatung) sehr kritische/ selbstkritische Haltungen, die teilweise unter dem Durchschnittswert der Kontrollgruppe lagen. Die entsprechende Motivation ist bei den QSI TeilnehmerInnen sicherlich gegeben, bei den Kontrollgruppen möglicherweise etwas geringer.

In bisher entwickelten und verwendeten "klassischen" Einstellungsfragebögen (z.B. Kreuz 2002, Wocken 1993, Angerer et al. 1994) wurde wie oben erwähnt Haltung durch Ankreuzen erfasst. In dem hier entwickelten Fragebogen müssen die Befragten ihre Haltung auch begründen können, denn von "Integrations-Profis" und jenen, die es werden möchten, muss eine fortgeschrittene Integrationshaltung erwartet und gefordert werden, die über das "richtige" Ankreuzen von Einstellungen hinausgeht.

Dies führt zwar zu einem komplexeren und zeitlich aufwändigeren Auswertungsprozedere, jedoch kann durch die Begründungen bisherigen Mängeln von Einstellungsinstrumenten (wie das Ankreuzen sozial erwünschter Antworten) entgegen gewirkt werden (vgl. Cloerkes 1985).

Das Instrument ist somit weniger für "Massenbefragungen", sondern für den gezielten Einsatz im Ausbildungsbereich und der Personaleinstellung (bei Bewerbungen), als Feedback-Instrument für AusbildnerInnen bzw. Ausbildungsträger (individuelle Rückmeldungen, Gruppendiskussionen ...) bzw. bei Qualitätssicherungsmaßnahmen/Evaluationen zur Überprüfung der Integrativen/Selbstbestimmt Leben-Grundhaltung von MitarbeiterInnen gedacht.

Der Fragebogen leistet dadurch auch einen Beitrag zur Entwicklung einheitlicher, österreichweit gültiger Qualitätskriterien im Bereich der Integrationsarbeit.

Was unterscheidet diesen Fragebogen inhaltlich von bisherigen Einstellungsbefragungen gegenüber Menschen mit Behinderung?

Es geht um das Recht auf Anders-Sein (dazu zählen u.a. Behinderungen und andere Kulturen), um das Anerkennen von Vielfalt, um die vollständige gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und somit um eine Integrative/Selbstbestimmt Leben-Haltung im Allgemeinen und in bestimmten Arbeitsfeldern und weniger um Einstellungen gegenüber behinderten Menschen im Allgemeinen oder gegenüber spezifischen Behinderungsformen bzw. die Messung von sozialer Distanz/Nähe. In der Integration im weiteren Sinn Tätige (somit z.B. auch Betroffene als ArbeitgeberInnen) sollten als Vorbilder und MultiplikatorInnen über eine Integrative/Selbstbestimmt Leben-Grundhaltung verfügen, die über der Grundhaltung von Nicht-Betroffenen liegt.

Welche Haltungen dürfen somit bei Integrations-Profis nicht vorkommen?

  • Abwertende Haltungen gegenüber anderen und/oder Distanz nach Auffälligkeiten, Ästhetik, Formen, Schweregrad, Ursachen einer Beeinträchtigung; kein Statusgefälle zwischen ihnen, den Integrations-Profis, und den KonsumentInnen; in ihrer ArbeitnehmerInnen-Rolle als BegleiterInnen/ AssistentInnen nehmen sie gleichwertige Haltungen ein und anerkennen die Selbstbestimmt Leben-Philosophie (siehe dazu den Artikel von Mizelli in diesem Band).

  • Im Sinne eines Inklusions-Ansatzes dürfen Integrations-Profis auch keine negative Haltung gegenüber MigrantInnen vorbringen.

Der Fragebogen im Speziellen

Der Fragebogen, der für die Ersterhebung in den QSI Pilotlehrgängen verwendet wurde, besteht aus 10 Items, die in Anlehnung an bisherige Instrumente insbesondere von Kreuz (2002), Wocken (1993), Angerer et al. (1994) erstellt wurden. Die Items sind auf wenige aber zentrale Bereiche des Lebens beschränkt. Um zu Items zu gelangen, die auch noch bei bereits (teil)qualifizierten Personen differenzieren und um feststellen zu können, wie sich die TeilnehmerInnen in Ausbildungskursen im Zuge eines Kurses in ihrer Haltung verändern, war ein längerer Prozess der Item-Auswahl mit mehreren Pre-Tests notwendig.

Aus Platzgründen kann hier nur ein Beispiel-Item exemplarisch vorgestellt werden:

Eltern müssen ein Leben lang für ihre behinderten Kinder da sein.

Begründung: ..................................................................................

  • stimme daher voll und ganz zu

  • stimme eher zu

  • stimme eher nicht zu

  • stimme überhaupt nicht zu

Um die offenen Antworten (Begründungen) qualitativ auswerten und quantifizieren zu können, war es notwendig, ein Raster mit Ankerbeispielen für die Antwortrichtungen festzulegen, um zwischen einer bzw. keiner positiven Integrativen/Selbstbestimmt Leben-Haltung differenzieren zu können.

Auswertungskriterien bildeten die oben erwähnten Prinzipien einer guten/schlechten Integrativen/Selbstbestimmt Leben-Haltung.

Die Punktevergabe:

0 Punkte

bei:

stimmt Segregation/Fremdbestimmung zu oder stimmt Integration/ Selbstbestimmung tw. zu mit schlechter/falscher/ohne Begründung

Ankerbeispiel: Wenn eine sehr schwere Behinderung vorliegt schon.

1 Punkt

bei:

stimmt Integration/Selbstbestimmung tw. zu (mit schwacher Begründung)

Ankerbeispiel: Trifft vielleicht eher auf schwer geistig Behinderte zu. Körperlich Beeinträchtigte können sehr wohl ein selbständiges Leben führen.

2 Punkte

bei:

stimmt Integration/Selbstbestimmung mit plausibler/tw. Begründung zu

Ankerbeispiel: Eltern sollten generell für Kinder da sein, egal ob sie nun behindert oder nichtbehindert sind.

3 Punkte

bei:

stimmt Integration/Selbstbestimmung zu mit (sehr) guter Begründung

Ankerbeispiel: Begleiten ja (wie alle Eltern), aber das Ziel ist das "selbst-bestimmte Leben"; Eltern müssen lernen, sich von Verantwortung in einem gewissen Alter zu verabschieden, um das "Kind frei zu geben" in die Selbstständigkeit. Im Grunde sind Eltern ein Leben lang für ihr Kind da (in anderer Beziehungsform).

Parallel zu den QSI-LehrgangsteilnehmerInnen wurden auch Studierende der Erziehungswissenschaft befragt:

 

0 P.

1 P.

2 P.

3 P.

QSI-LehrgangsteilnehmerInnen N=54

7

12

11

24

 

13%

22%

20%

45%

Studierende der Erziehungswissenschaft N=43

11

8

10

14

 

26%

19%

23%

32%

Differenz der %-Werte

-13%

+3%

-3%

+13%

Nach Absolvierung der Hälfte des QSI Lehrgangs sind die TeilnehmerInnen um 13 % weniger im schlechtesten Segment vertreten als Studierende zu Beginn der Lehrveranstaltung Integration an der Universität. Die Differenz der Mittelwerte beträgt 0,4 Punkte (2,0 bei QSI vs. 1,6 bei den Studierenden). Dies ist ein Indiz für die Wirksamkeit des QSI Kurses.

Die vorläufige Endversion des Fragebogens, die auch für die Erhebung am Ende der Pilotlehrgänge herangezogen wurde, enthält elf Items und wurde im Vergleich zu jenem Fragebogen, der für die Ersterhebung verwendet wurde, noch zusätzlich um einige demographische Fragen an die TeilnehmerInnen erweitert, um bei größeren Stichproben diese auch in die Auswertungen miteinbeziehen zu können.

Die Auswertung der Fragebogenerhebung 2004 wird weitere Erkenntnisse liefern, inwieweit die Ziele der Ausbildung zu Qualifizierten Integrationsfachkräften in Bezug auf die Integrative/Selbstbestimmt Leben-Haltung erreicht werden konnten.

Gottfried Wetzel, Michaela Zettl

Literatur

Angerer, A.; Raab, E.; P. Streit (1994): Akzeptiert?: soziale Reaktionen von Kindergärtnerinnen und Eltern auf behinderte Kinder im Vorschulalter. Graz: Leykam

Cloerkes, G. (1985): Einstellung und Verhalten gegenüber Behinderten - Eine kritische Bestandsaufnahme der Ergebnisse internationaler Forschung. Berlin: Marhold

Kreuz, A. (2002): Einstellungen gegenüber Menschen mit einer geistigen Behinderung: Analyse und Weiterentwicklung von Einstellungsinstrumenten. Wien: WUV-Universitäts-Verlag

Tröster, H. (1990): Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten. Bern: Huber

Wocken, H. (1993): Bewältigung von Andersartigkeit. Untersuchungen zur Sozialen Distanz in verschiedenen Schulen. In: Gehrmann, P. & Hüwe, B. (Hrsg.): Forschungsprofile der Integration von Behinderten. Essen: Neue Deutsche Schule Verlags-Ges.m.b.H., S. 86-106

Petra Pinetz, et al: MACHT BETROFFENHEIT KOMPETENT?

Zur Notwendigkeit von Qualifizierung am Beispiel Elternbildung

Die Situation von Müttern und Vätern behinderter Töchter und Söhne ist vielfältig beschrieben und diskutiert worden, nämlich hauptsächlich aus der Sicht von Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis. Im Mittelpunkt der überwiegend psychologisch orientierten Forschung steht die individuelle Ebene wie beispielsweise die emotionale Befindlichkeit der Eltern, der erlebte Stress und mögliche Bewältigungsformen. Ebenso werden Ablösungsprobleme sowie die mögliche Zusammenarbeit von Fachkräften und Eltern thematisiert. Die Fokussierung auf problematische Auswirkungen der Behinderung eines Kindes auf das "Elternsein" und das ganze Familiensystem hat zur Folge, dass positive Entwicklungsverläufe in den Familien und die Bedingungen, die unterschiedliche Prozesse von Bewältigung, Alltagsgestaltung und Abhängigkeiten erklären, lange Zeit in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen nicht wahrgenommen wurden (vgl. Seifert 2003, Ziemen 2002).

Erst in jüngster Zeit rücken die elterlichen Kompetenzen und Ressourcen sowie Bedingungen unterschiedlicher Entwicklungsverläufe stärker ins Blickfeld (vgl. Aubrecht/Oberndorfer/Schönwiese 1999, Eckert 2002, Garlipp/Theunissen 1999, Seifert 2003, Weiss 1999, Wilken 2002, Ziemen 2002). Relativ jung scheint auch die Erkenntnis, dass der Auseinandersetzungs- und Bewältigungsprozess der Eltern in engem Zusammenhang mit dem in der Behindertenarbeit allgemeinen Paradigmenwechsel von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung steht. Mütter und Väter nehmen dabei eine bedeutende Schlüsselrolle für das "Gelingen" oder "Nichtgelingen" von integrativem und selbstbestimmtem Leben mit Behinderung ein. Von zentraler Bedeutung ist hier der Empowerment-Ansatz, der zunehmend das professionelle Handeln sowohl in der Zusammenarbeit mit Eltern als auch im Umgang mit Menschen mit Behinderung prägt.

Die Elterninitiative Integration:Österreich (I:Ö) verpflichtet sich seit Jahren diesem stärkeorientierten Ansatz. Er gilt als Grundprinzip in der Beratung, Begleitung und Unterstützung von Müttern und Vätern behinderter Töchter und Söhne.

Empowerment und Peer Support - Hilfe zur Selbsthilfe

Seit dem Jahr 1997 führt I:Ö die Bildungsreihe Eltern bilden Eltern (EbE) durch, an der ausschließlich Mütter und Väter behinderter Töchter und Söhne teilnehmen. Anlass für dieses Projekt war die Tatsache, dass Eltern behinderter Kinder von öffentlichen und staatlichen Stellen häufig unzureichende Informationen in Bezug auf Nichtaussonderung, rechtliche Ansprüche, Förderungen u.a. erhalten. "Großteils führt die Hilfestellung der ‚ExpertInnen' zu Abhängigkeit und Bevormundung und nicht zu der so notwendigen Eigenmächtigkeit und Stärkung der Selbstbestimmung" (Aubrecht/Oberndorfer/Schönwiese 1999, S. 44). Aus diesen jahrelangen Erfahrungen der Eltern- und Integrationsbewegung wurde die Forderung nach Unterstützungsmaßnahmen für Eltern behinderter Kinder laut. Diese sollen möglichst früh einsetzen und aus einem vielfältigen Angebot bestehen wie: Begleitung im Bewältigungsprozess, eigene Kräfte und Kompetenzen bewusst wahrnehmen sowie Informationen über das Grundrecht auf Nichtaussonderung und Gleichstellung erhalten. Das Elternbildungsangebot EbE geht daher von den Grundprinzipien Empowerment und Peer Support aus:

Das zentrale Arbeitsprinzip von EbE ist die Förderung verschiedener Formen der Selbstorganisation und gegenseitiger Unterstützung. Empowerment heißt, dass Menschen lernen, ihre eigenen Kräfte und Kompetenzen zu entdecken und zu nutzen. Dies führt ausschließlich zu einem höheren Selbstbewusstsein (vgl. ebd., S. 45).

Unter dem Begriff Peer Support wird die Unterstützung, Beratung und Begleitung durch Ebenbürtige oder Gleiche verstanden. Peer Support umfasst sowohl die professionelle Beratung als auch die äußerst wichtige Selbsthilfeförderung und Selbsthilfetätigkeit von Eltern für Eltern. Daher ist Peer Support im Rahmen der Bildungsreihe EbE ein wichtiges Mittel, um Stärke und Selbstvertrauen aufzubauen.

Besonders bewährt hat sich, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchgehend von SeminarbegleiterInnen unterstützt werden, die selbst betroffene Elternteile sind. Die geteilte Erfahrung, Mutter oder Vater einer behinderten Tochter oder eines Sohnes zu sein, in der Familie mit möglichst wenig "Barrieren" und Hürden zu leben, verbindet und schafft Vertrauen. Die Kommunikation mit gleich oder ähnlich betroffenen Elternteilen und das Wahrnehmen unterschiedlicher familiärer Situationen führen dazu, die eigene Lage zu reflektieren.

Es stellt sich die Frage "Macht Betroffenheit für dieses Tätigkeitsfeld (auch) kompetent?"

Wie bereits zuvor angeführt, gilt es heute als unumstritten, dass Mütter und Väter behinderter Töchter und Söhne als Expertinnen / Experten kompetent für ihre eigenen Lebenssituationen sind. Durch die täglichen Herausforderungen erwerben sie vielseitiges Erfahrungswissen, spezifische Kompetenzen wie z.B. Kommunikationsstrategien sowie Konfliktfähigkeit im Umgang mit Behörden und VertreterInnen der Schulbehörde, Stressresistenz, Organisationstalent, Entscheidungsfähigkeit, komplexes Problemlösungsverhalten, pädagogische Kompetenz u.a. (vgl. Aigner/Mizelli/ Oberndorfer/Wetzel in diesem Band). Darüber hinaus verfügen Elternteile über Wissensstände wie "‚kulturelles Kapital' vor allem bezogen auf die Behinderung ihres Kindes. Das spezifische Fachwissen kann u.U. über das Wissen der unmittelbar mit dem Kind beschäftigen Fachpersonen hinausgehen ..." (Ziemen 2002, S. 268)

In diesem Zusammenhang ist auf die Untersuchung von Ziemen (vgl. ebd.) hinzuweisen, welche die soziale Situation von Eltern behinderter Kinder unter besonderer Berücksichtigung der Kompetenzen erhoben hat. Die Kompetenzen der Eltern erscheinen als Reflexionen, die sich auf unterschiedlichen Reflexionsebenen zeigen. Zu diesen zählen:

  • Reflexion der eigenen Wünsche, Hoffnungen und Emotionen - emotionale Kompetenzen

  • Reflexion im Sinne der Beschreibung von Darstellungen von Handlungen und Situationen - kognitive Kompetenzen

  • Reflexion im Sinne der Darstellung des soziales Netzes, der Bindungen, Beziehungen und Unterstützung - soziale Kompetenz" (ebd., S. 213f).

Die soziale Kompetenz beinhaltet unter anderem auch die Unterstützung von betroffenen Elternteilen durch betroffene Elternteile, die enorm wichtig ist, da der "Elternaustausch und die gemeinschaftliche Organisation" (ebd., S. 268) stabilisierend wirkt. "Dabei wird das ‚Kapital' der Eltern bedingungslos anerkannt. Abwertungsprozesse bleiben aus ... Durch diese Anerkennung wird die (symbolische) Gewalt minimiert und das Selbst stabilisiert ... Darüber hinaus muss anerkannt werden, dass jegliche Kompetenz gleichzeitig soziale Kompetenz ist, da diese symbolische Akte des Kennens und Anerkennens Anderer voraussetzt" (ebd.).

Wenn nach Ziemen (ebd., S. 109) mit dem Begriff Kompetenz nicht nur "Fähigkeit" oder "Vermögen" gleichzusetzen ist, sondern ebenso ein "Akt des Kennens und Anerkennens", so ist die zuvor gestellte Frage "Macht Betroffenheit für das Tätigkeitsfeld einer Elternbildnerin/eines Elternbildners kompetent?" zu bejahen. Wenn betroffene Elternteile allgemeine erwachsenenbildnerische sowie fachspezifische Kompetenzen der Elternbildung erhalten, dann können sie ihre wertvollen Erfahrungen und ihr Wissen an andere Elternteile weitergeben und sie dadurch begleiten und unterstützen. Das EQUAL Projekt QSI - Quality Supported Skills for Integration reagiert auf diesen Bedarf und setzt sich zum Ziel, Frauen und Männer als Elternbildnerinnen und Elternbildner mit Schwerpunkt Eltern behinderter Kinder zu qualifizieren.

Was ist Elternbildung?

Elternbildung unterstützt und begleitet Mütter und Väter in ihrer Aufgabe als Erziehende. Sie vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten und setzt Prozesse in Gang, in denen sich Eltern mit ihren Erziehungs- und Beziehungsaufgaben sowie mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die das Elternsein prägen, auseinander setzen. Elternbildung soll Impulse geben, zur Reflexion anregen und kreative Anstöße zu weiteren Entwicklungsschritten aufzeigen. Die Unterstützung und Stärkung der sozialen Kompetenz von Eltern soll diese ermutigen, "Neues" auszuprobieren. Zudem ermöglichen Elternbildungsseminare einen Erfahrungsaustausch mit anderen Eltern(-teilen), vermitteln Wissen und bieten Raum für Diskussion und Selbstreflexion.

Erfahrungen des QSI Pilotlehrgangs

Da es im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich ist, den Pilotlehrgang "Qualifizierte Integrationsfachkraft für Elternbildung mit Schwerpunkt Eltern behinderter Kinder" ausführlich darzustellen, stehen ausgewählte Aspekte und bisherige Erfahrungen im Vordergrund.

Die zuvor genannten Aufgaben und Ziele von Elternbildung treffen ebenso auf die Zielgruppe Eltern behinderter Kinder zu. Elternbildung im Sinne des QSI Curriculum trägt dazu bei, dass sich Mütter und Väter behinderter Töchter und Söhne mit der eigenen Betroffenheit und mit den Gedanken der Integrationsphilosophie auseinandersetzen und ein nicht aussonderndes Menschenbild entwickeln. Mütter und Väter behinderter Töchter und Söhne werden darin gestützt, Formen von Selbstbestimmung zurück zu gewinnen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und rechtliches Wissen für nicht aussondernde Lebenswelten zu erhalten.

Wie die zuvor genannte Bildungsreihe EbE ist der Pilotlehrgang auf den Grundsätzen von Empowerment und Peer Support aufgebaut. Die Lehrgangsbegleiterin, welche die Gruppe durchgehend unterstützt hat, ist selbst betroffene Mutter, ausgebildete Trainerin sowie Coach und hat eine systemische Ausbildung absolviert.

Heterogenität der Gruppe

Am ersten Durchgang des Pilotlehrgangs nahmen zwölf Personen - elf Frauen und ein Mann - teil. Von diesen sind sechs Frauen und ein Mann durch Angehörigkeit betroffen. Weitere fünf Frauen weisen eine psychosoziale Grundausbildung vor. Die Heterogenität der Gruppe kann als Qualitätsmerkmal von QSI hervorgehoben werden. Das gemeinsame Arbeiten, Lernen und Reflektieren ermöglichte, neue Sichtweisen zu gewinnen, die Bedürfnisse und Kompetenzen von Müttern und Vätern behinderter Kinder sowie von behinderten Frauen und Männern bewusst wahrzunehmen und zu reflektieren. Die Arbeit mit der Gruppe verstand sich als Verknüpfung von kognitiven Inhalten und realen Praxisbezügen. Als Praxisbezüge galten hier die individuelle Lebenserfahrung jeder Teilnehmerin/jedes Teilnehmers sowie die Lebenswelten der betroffenen Elternteile.

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Prägungen, Werthaltungen, Grenzen und Möglichkeiten und die Fähigkeit zur Selbstreflexion gehören zu den Schlüsselqualifikationen einer Elternbildnerin/eines Elternbildners. Gerade für Frauen und Männer, die durch die Angehörigkeit ihrer Kinder betroffen sind, war die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenssituation sehr wesentlich, um sich zum einen mit ihrer Rolle als betroffene Mutter/betroffener Vater zu identifizieren und um so die Bedürfnisse und Schwierigkeiten von anderen Elternteilen bewusst wahrzunehmen. Zum anderen war es notwendig, sich mit der Rolle als ElternbildnerIn auseinanderzusetzen, um sich nicht mit anderen Elternteilen "über"zuidentifizieren und die eigenen Erfahrungen und Lösungen anderen Elternteilen "überzustülpen". Die Reflexion der eigenen Lebenserfahrungen und die Auseinandersetzung mit der Rolle als Frau/Mann bzw. betroffene Mutter/betroffener Vater ermöglichte den TeilnehmerInnen einen offeneren Blick für die Situation von anderen Elternteilen, um diese qualifiziert begleiten zu können.

Im Austausch der unterschiedlichen Perspektiven von Betroffenheit und Nicht-Betroffenheit bereits während der Ausbildung liegt eine besondere Chance für die spätere Zusammenarbeit von Eltern und Fachkräften. Gerade die nichtbetroffenen Frauen und Männer waren häufig verunsichert, ob sie den Bedürfnissen von Eltern behinderter Kinder im Rahmen der Elternbildung gerecht werden können. In Selbst- bzw. Gruppenreflexionen bestand die Möglichkeit, Ängste und Sorgen anzusprechen und die eigenen Lebensentwürfe zu reflektieren. Hier erhielten die nichtbetroffenen TeilnehmerInnen immer wieder von den betroffenen Elternteilen die Bestätigung, wie wichtig ihre Sichtweisen und ebenso die Zusammenarbeit mit ihnen sind.

Kontinuierliche Einbindung von Betroffenen

Österreichweit gibt es einige Erwachsenenbildungseinrichtungen und Organisationen, die Frauen und Männer nach dem Ausbildungskonzept für ElternbildnerInnen (BMSG 2002) qualifizieren. Zum einen ist anzuführen, dass im für alle verbindlichen Konzept des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz die Zielgruppe Eltern behinderter Kinder nicht berücksichtigt wurde, und zum anderen werden in den Ausbildungen LehrgangsbegleiterInnen sowie ReferentInnen eingesetzt, die nicht betroffen sind.

Als Qualitätsmerkmal von QSI kann angeführt werden, dass Mütter und Väter behinderter Kinder sowie behinderte Frauen und Männer maßgeblich bei der Curriculumentwicklung sowie in der Rolle von Referentinnen und Referenten bei der Umsetzung beteiligt sind. Dies bedeutet konsequentes Umsetzen der Prinzipien des Empowerment und der Selbstbestimmung.

Zusammenfassung und Ausblick

Die bisherigen Ausführungen zeigen auf, dass Mütter und Väter durch ihre vielseitigen Erfahrungen eine Vielzahl an Kompetenzen erwerben und somit ExpertInnen für ihre Kinder und für ihre eigene Lebenssituation sind. Im Rahmen der Qualifizierung zur Elternbildnerin/zum Elternbildner besteht die Möglichkeit, diese Kompetenzen sichtbar und nutzbar zu machen sowie mit inhaltlichen und methodisch-didaktischen Elementen zu ergänzen, die für die Planung, Durchführung und Evaluierung von Elternbildungsangeboten erforderlich sind.

Die gesammelten Alltags- und Lebenserfahrungen, die durch und mit der eigenen Behinderung oder der eines Angehörigen gemacht werden, sind wertvolle, ja fast unersetzliche Ausgangsbasis für weiteren Wissenserwerb im Rahmen der Qualifizierung. Die Qualität der Arbeit - der Wert eines Elternbildungsangebotes, geleitet von einer ausgebildeten Mutter/ einem ausbildeten Vater eines behinderten Kindes - ist durch die persönliche Erfahrung ähnlicher Lebenssituationen eine andere. "Ein Qualitätskriterium liegt darin, den Betroffenen, in diesem Fall den Eltern, Solidarität und Akzeptanz zu vermitteln und sie in ihren Fähigkeiten positiv zu bestärken. Dies kann oftmals besser von anderen, bereits geschulten, reflektierten, betroffenen Elternteilen geleistet werden, als von noch so qualifizierten, aber außen stehenden Fachleuten" (Brandl, Mizelli 2003, S. 459). Gerade Elternbildung trägt dazu bei, dass sich Mütter und Väter behinderter Töchter und Söhne neue veränderte Lebensperspektiven erarbeiten können. Denn "Eltern, die gelernt haben, ihre eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln und durch Selbsthilfe zu Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung gekommen sind, können auch ihre Töchter und Söhne angemessen unterstützen, selbstbewusst ihre Lebensgestaltung den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend mitzubestimmen" (Wilken 2000, S. 228).

Petra Pinetz, Barbara Oberndorfer

Literatur

Aubrecht, Brigitte; Oberndorfer, Barbara; Schönwiese, Volker (1999): Eltern beraten Eltern - Ein Pilotprojekt von Integration:Österreich stellt sich vor. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 4/5, S. 43-53

Brandl, Maria; Mizelli, Wolfgang (2004): Perspektiven der Interessenvertretung von Eltern und behinderten Menschen als Beitrag zur Qualitätssicherung. In: Feyerer, Ewald; Prammer, Wilfried (Hrsg.): Qual-I-tät und Integration. Beiträge zum 8. PraktikerInnenforum. Linz: Universitätsverlag Rudolf Trauner, S. 457-461

Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (2002): Ausbildungskonzept für Elternbildner/-innen. Wien: Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Eckert, Andreas (2002): Eltern behinderter Kinder und Fachleute. Erfahrungen, Bedürfnisse und Chancen. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt

Feyerer, Ewald; Prammer, Wilfried (Hrsg.) (2004): Qual-I-tät und Integration. Beiträge zum 8. PraktikerInnenforum. Linz: Universitätsverlag Rudolf Trauner

Garlipp, Birgit; Theunissen, Georg (1999): Kompetente Eltern. Vergessen in der Professionalität der Behindertenarbeit? In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 4/5, S. 67-82

Seifert, Monika (2003): Mütter und Väter von Kindern mit Behinderung. Herausforderungen - Erfahrungen - Perspektiven. In: Wilken, Udo; Jeltsch-Schuldel, Barbara (Hrsg.): Eltern behinderter Kinder. Empowerment - Kooperation - Beratung. Stuttgart: Kohlhammer, S. 43-59

Weiss, Hans (1999): Empowerment in der Heilpädagogik und speziell in der Frühförderung - ein neues Schlagwort oder eine neue handlungsleitende Idee. In: Vierteljahreszeitschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete Nr. 68, S. 23-35

Wilken, Elke (2000): Eltern stärken. Erfahrungen aus den Seminaren für Eltern von Kindern mit Down-Syndrom. In: Geistige Behinderung 3, S. 215-229

Wilken, Udo; Jeltsch-Schuldel, Barbara (Hrsg.) (2003): Eltern behinderter Kinder. Empowerment - Kooperation - Beratung. Stuttgart: Kohlhammer

Ziemen, Kerstin (2002): Das bislang ungeklärte Phänomen der Kompetenz. Kompetenzen von Eltern behinderter Kinder. Butzbach-Griedel: Afra

Heidrun Aigner, et al: BETROFFENHEIT AN SICH IST NOCH KEINE KOMPETENZ

Bilanzierung nicht formell erworbener Kompetenzen

Eltern behinderter Töchter und Söhne eignen sich durch die vielfältigen Herausforderungen, die der Alltag mit einem behinderten Kind an sie stellt, eine Reihe von Kompetenzen an, so eine der Ausgangshypothesen des EQUAL Projekts QSI. Diese nicht formell erworbenen Kompetenzen sollten sichtbar und benennbar gemacht und in den vier Pilotlehrgängen der Entwicklungspartnerschaft berücksichtigt werden. Obwohl dieser Text seinen Schwerpunkt auf die Kompetenzen von Eltern behinderter Kinder legt, weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass auch behinderte Frauen und Männer bestimmte Anforderungen im Alltag zu bewältigen haben und auf ähnliche Art und Weise Kompetenzen erwerben.

70 % unserer Fähigkeiten und Kompetenzen stammen nicht aus Ausbildungen

Frauen und Männer erwerben rund 70 % ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen bei der Arbeit, in der Familie, im Ausüben von Hobbys und Nebenbeschäftigungen. Nur rund 30 % lassen sich auf Schule, Ausbildung, Kurse u.a.m. zurückführen. Während es für diese 30 % Zeugnisse, Diplome oder Bestätigungen gibt, existiert für die 70 % praktisch kein Nachweis - unpassend in einer Zeit des so genannten "lebenslangen Lernens" (vgl. Winkler 2003).

Während in der Schweiz, in Frankreich, den Niederlanden, im Norden und Süden Europas sowohl auf gesetzgeberischem als auch institutionellem Weg Schritte unternommen wurden, um die Verbindung zwischen formaler Bildung und dem Lernen außerhalb der Schule zu stärken, stehen Deutschland und Österreich diesem Trend bisher zögerlich gegenüber (vgl. dazu www2.trainingvillage.gr/etv/nonformal/ex_sum_DE.asp). Es gab und gibt zwar auch hier bereits erste Versuche, Kompetenzen, die Frauen und Männer in der Familienarbeit, bei der Organisation ihres Alltages und im ehrenamtlichen Engagement erwerben, zu bilanzieren (beispielsweise mit dem Programm des BMSG "Familienkompetenzen"), dennoch ist man in Österreich von einer Gleichstellung der nicht formal erworbenen Kompetenzen noch weit entfernt.

Von der Ressource zur Kompetenz

Eine Anerkennung nicht formell erworbener Kompetenzen setzt voraus, dass diese dem betroffenen Individuum bewusst sind. Nicht alle Frauen und Männer, die den gleichen Anforderungen ausgesetzt sind, entwickeln die gleichen Fähigkeiten und Kompetenzen.

Fähigkeiten und Kompetenzen unterscheiden sich wie folgt:

"Fähigkeiten sind personbezogene, organismische und psychische Voraussetzungen einer Handlung, Tätigkeit oder Leistung. ... Gemeint sind motorische und kognitive Fähigkeiten (intellektuelle Fähigkeiten), die das Können zum Vollzug von Operationen (z.B. Analyse, Beurteilung, Synthese, Anwendung, Plan entwerfen, Beziehungen erkennen usw.) umfassen" (Keller/Novak 2000, S. 114).

"Kompetenz bedeutet entweder Zuständigkeit für oder Fähigkeit zu einem bestimmten Handeln. In beiden Fällen geht es um das Vorhandensein gewisser Kenntnisse und Fertigkeiten, welche die Voraussetzung für adäquates Handeln in bestimmten Situationen bilden. Für erzieherische Zwecke empfiehlt es sich, genauer zu unterscheiden zwischen Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz" (Keller/Novak 2000, S. 198).

Goetze (vgl. Goetze 2001) hingegen unterscheidet zwischen Ressourcen und Kompetenzen: Als Ressourcen werden die Gesamtheit der in gezielten Lernprozessen und in praktischer Erfahrung erworbenen Fähigkeiten, Kenntnisse, Haltungen und Einstellungen bezeichnet. Kompetenzen hingegen sind Kombinationen von Ressourcen, die eingesetzt werden, um ein Ziel zu erreichen. Ressourcen werden gebündelt und auf einen bestimmten Typ von Anwendungssituationen gerichtet. Es genügt also nicht, dass eine Person etwas kann. Sie muss auch wissen, dass sie es kann, weshalb sie es kann, wann der Einsatz des Könnens Sinn macht und wann damit gezielt Situationen bewältigt werden können.

Wie funktioniert Kompetenzbilanzierung?

Es existieren unterschiedlichste Modelle zur Erfassung von Kompetenzen. Eine Möglichkeit ist die Kompetenzbilanzierung, in der Frauen und Männer ihre bislang erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen selbst oder gemeinsam mit einer Coaching-Person erfassen und einschätzen. Auch für die moderne Arbeitswelt bedeutsame Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Belastbarkeit oder Reflexionsfähigkeit können mit Hilfe der Kompetenzbilanzierung erhoben werden (vgl. Kadishi 2001). Diese Einschätzung wiederum kann von einem externen Gremium bei Bedarf verifiziert und bestätigt werden. Als langfristiges Ziel könnte die Zertifizierung genannt werden, mit der die Kompetenzbilanzierung formalen Bildungsabschlüssen gleichgestellt wird.

Weil Kompetenzbilanzierungen auch in der Familienarbeit erworbene Fähigkeiten erheben, stellen diese Instrumente einen Beitrag zu einer besseren Verbindung von Beruf und Familie und einer gerechteren Aufteilung von Haushalts- und Erwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern dar und führen zu einer neuen Bewertung von Arbeit. Diese Neubewertung kann beispielsweise in einer Anrechnung von Familienarbeitszeiten als Vordienstzeiten umgesetzt werden.

Die Bedeutung der Kompetenzbilanzierung für Eltern behinderter Kinder

Vor allem Mütter behinderter Kinder unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit häufig für mehrere Jahre - oft bis zum Erwachsenenalter der Töchter oder Söhne - um die Versorgung ihres behinderten Kindes zu gewährleisten, was den Wiedereinstieg in den Beruf erschwert. Wie vielfach nachgewiesen wurde, erwerben sich Frauen und Männer in der Familienarbeit eine Bandbreite an Kompetenzen, die fürs Berufsleben relevant sind (vgl. Költzsch-Ruch, 1997). Es wird davon ausgegangen, dass Fähigkeiten durch das Vorhandensein von Anforderungen und Herausforderungen entstehen. Von Kompetenzen kann wie oben beschrieben aber erst dann gesprochen werden, wenn sich Frauen und Männer dieser Fähigkeiten auch bewusst sind. Gerade Eltern behinderter Kinder haben aber häufig damit zu kämpfen, dass ihnen ihr Wissen und Können von Fachleuten sogar für ihre individuellen Lebenslagen abgesprochen wird.

Damit bewirkt das Sichtbarmachen und Erfassen ihrer Fähigkeiten nicht nur Unterstützung für WiedereinsteigerInnen, sondern ebenso einen Empowerment-Effekt für die Eltern und bietet Fachkräften und Gesellschaft die Möglichkeit, sich mit dem ExpertInnentum von Müttern und Vätern behinderter Kinder auseinander zu setzen. Die Ausgangsthese beinhaltete nicht nur die Annahme, dass Eltern behinderter Kinder automatisch bestimmte Kompetenzen erwerben, sondern auch, dass sie diese besonders dazu befähigen, als Integrationsfachkräfte tätig zu sein: Betroffenheit macht kompetent, so lautete die These salopp formuliert. Mittels Fragebogen sollte erhoben werden, welchen besonderen Herausforderungen sich Eltern behinderter Kinder stellen müssen und welche Kompetenzen daraus resultieren. Die Befragung ergab zwar wie erwartet eine riesige Bandbreite an Alltagsanforderungen, denen sich betroffene Angehörige zu stellen haben, und daher auch vielfältige Möglichkeiten zur Entwicklung von sozialen, kommunikativen, organisatorischen, methodischen, pädagogischen, integrativen Kompetenzen, von Schlüsselkompetenzen, von Wissen und Können. Jene Frauen und Männer, die den Fragebogen beantwortet hatten, definierten auch die unterschiedlichsten Kompetenzen wie Durchhaltevermögen, große Managementfähigkeit oder Argumentationsfähigkeit, jedoch stellte sich auch heraus, dass sich Kompetenzen nicht "automatisch" durch das Vorhandensein von Herausforderungen entwickeln, wodurch sich die Ausgangsthese als falsch entpuppte: Betroffenheit allein macht nicht kompetent, um als Integrationsfachkraft zu arbeiten.

FachexpertInnen oder ExpertInnen in eigener Sache?

In einem Arbeitskreis dachten Fachleute, behinderte Frauen und Männern und Eltern behinderter Kinder darüber nach, wie sich Angebote für behinderte Menschen und deren Angehörige durch die Einbindung Betroffener verändern: Solche Angebote entsprechen der Selbstbestimmt Leben-Forderung "Nichts über uns ohne uns!", werden aber konsequent auch auf Väter und Mütter behinderter Kinder erweitert. Betroffene nehmen Angebote von "gleich Betroffenen" im Sinne des "Peer Counseling" als glaubwürdiger an, ähnliche Erfahrungen wie beispielsweise Diskriminierungserlebnisse und ein bestimmtes Maß an Vorwissen können vorausgesetzt werden, sie fördern Empowerment-Prozesse. Betroffene schätzen die Möglichkeit, sich aussuchen zu können, ob sie Angebote von anderen Betroffenen oder von Fachkräften in Anspruch nehmen wollen. Fachleute meinten, dass sie die Zusammenarbeit im Team mit Betroffenen als die eigene Perspektive erweiternd erleben.

Dennoch wurde auch hier festgestellt, dass Betroffenheit ein Schlüssel ist, der als solches nicht an Fachkräfte weiter gegeben werden kann, die "reine" Betroffenheit an sich aber nicht qualifiziert. Um als Integrationsfachkraft tätig zu sein, braucht es zusätzlich die umfassende Reflexion der eigenen Betroffenheit, die Fähigkeit, die eigene Lebensgeschichte und die erlebten Erfahrungen nicht mit denen der KonsumentInnen zu vermischen, sowie jenes Wissen, Können und jene Haltung, die in Ausbildungen vermittelt werden.

Mütter und Väter behinderter Töchter und Söhne sind unbedingt als ExpertInnen in eigener Sache anzuerkennen, ihre Mitarbeit in Angeboten verbessert deren Qualität, dennoch bedarf es der Differenzierung, ob Betroffene als FachexpertInnen oder ExpertInnen in eigener Sache eingebunden werden.

Gilt es, das eigene ExpertInnentum einzubringen, müssen Betroffene keine weitere Qualifizierung mitbringen. Wenn es aber darum geht, dass Betroffene Angebote als Integrationsfachkräfte setzen sollen, benötigen sie dazu ebenfalls Schulungen.

Betroffene als Integrationsfachkräfte

Angebote und Leistungen für behinderte Menschen und deren Angehörige gewinnen an Qualität, wenn Betroffene eingebunden werden. Wenn sich diese daher entscheiden, als Integrationsfachkräfte tätig werden zu wollen, bringen sie durch persönliche Erfahrungen häufig wesentliche Voraussetzungen dafür mit und haben möglicherweise auch bereits viele der Kompetenzen erworben, die Fachkräfte brauchen. Dies bereits in Aufnahmeverfahren zu berücksichtigen, wäre Aufgabe der AusbildungsträgerInnen.

Der Bereich der Arbeit mit behinderten Menschen und deren Angehörigen ist in der Praxis von einer hohen Fluktuation der ArbeitnehmerInnen gekennzeichnet. AusbildungsträgerInnen erhalten durch die Arbeit mit Kompetenzbilanzierungen ein Werkzeug, das es ihnen ermöglicht, die Eignung von Frauen und Männern für die Ausübung dieser Tätigkeiten zu überprüfen und damit nicht nur die Fluktuation - die nicht nur mit Eignung sondern auch schwierigen Arbeitsbedingungen zu tun hat - sondern auch die Dropout-Rate zu minimieren.

Die erhöhte Repräsentanz behinderter Menschen und ihrer Angehörigen als TeilnehmerInnen in Ausbildungen zu Integrationsfachkräften verändert im Übrigen auch deren Qualität, weil sie nicht betroffenen TeilnehmerInnen wie ReferentInnen eine Möglichkeit der selbstverständlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Integration bietet.

Der Einsatz von Kompetenzbilanzierungen kann an dieser Stelle eine Ressource darstellen um zu überprüfen, welche Kompetenzen, welches Wissen und Können bereits vorhanden sind und welche noch erarbeitet werden müssen. Anrechenbarkeiten wären in Form eines Erlassens einzelner Fächer, Module oder bei Praxiszeiten, die Auszubildende absolvieren, denkbar.

Heidrun Aigner, Wolfgang Mizelli, Barbara Oberndorfer, Gottfried Wetzel

Literatur

Goetze, Walter (2001): Schlüsselkompetenzen - Quintessenz individueller Erfahrung. In: Kadishi, Bernadette (Hrsg.): Schlüsselkompetenzen wirksam erfassen. Personalselektion ohne Diskriminierung. Altstätten: Tobler Verlag AG

Kadishi, Bernadette (Hrsg.) (2001): Schlüsselkompetenzen wirksam erfassen. Personalselektion ohne Diskriminierung. Altstätten: Tobler Verlag AG

Keller, Josef A.; Novak, Felix (2000): Kleines Pädagogisches Wörterbuch. Grundbegriffe, Praxisorientierungen, Reformideen. Freiburg: Herder

Költzsch-Ruch, Kerstin (1997): Familienkompetenzen - Rüstzeug für den Arbeitsmarkt. Eine arbeitspsychologische Untersuchung zum Qualifizierungspotential der Familien- und Hausarbeit für die Berufswelt. Bern: Edition Soziothek

Winkler, Rudi (2003): Gelernt ist gelernt - aber nicht immer anerkannt. In: Schweizer Arbeitgeber 16

DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

Heidrun Aigner: Diplomierte Behindertenpädagogin und Akademische Referentin für feministische Bildung und Politik. Mitarbeiterin im Redaktionsteam der Zeitschrift "betrifft:integration", Obfrau im Berufsverband der BehindertenbetreuerInnen, Referentinnentätigkeit zum Thema Integrative Jugendarbeit. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Koordination der vier Pilotlehrgänge und für die Vernetzung/Aktivierung.

Maria Brandl: Seit Jahren in der Integrationsbewegung engagiert. Von 2000 bis Jänner 2004 geschäftsführende Vorsitzende von Integration: Österreich, seit Februar 2004 Geschäftsführerin. Mediatorin. Publikationen, Seminar- und ReferentInnentätigkeiten zu den Themen Inklusion, Empowerment in der Elternbewegung etc. Zwei Söhne, 1978 und 1986, wobei einer von der Gesellschaft als behindert bezeichnet wird. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Vertretung der Interessen der Eltern behinderter Kinder.

Dr. Alfred Fellinger: Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Supervisions- und OE-Ausbildung. Arbeitsschwerpunkte: Beratung von Einzelpersonen, Teams und Organisationen im Non-Profit- und Profit-Bereich, Evaluierung und Prozessbegleitung von Projekten, Gender Mainstreaming-Beratung und Training. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI für die Evaluierung des Gesamtprojekts zuständig.

Mag.a Bernadette Feuerstein: Zu einer Zeit geboren, in der die Integration von Kindern mit Behinderung, besonders in Österreich, noch kein Begriff war. Sehr engagierte Eltern und kooperative MitstreiterInnen ermöglichten einen Lebensweg außerhalb von Sonderinstitutionen. Seit über 20 Jahren aktiv in der Behindertenbewegung tätig; wichtigstes Thema: Selbstbestimmtes Leben (mit persönlicher Assistenz). Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Vertretung der Interessen der behinderten Menschen.

Prof. Dr. Ewald Feyerer: Seit 1990 Lehre an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Linz, OÖ in den Bereichen Inklusive Pädagogik sowie Lern- und Verhaltensbehindertenpädagogik. Leiter des Instituts für Inklusive Pädagogik. In der LehrerInnenweiterbildung zuständig für das von ihm aufgebaute und koordinierte Zusatzstudium "Integrationslehrer", Koordinator der ERASMUS Projekte INTEGER und EUMIE. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Entwicklung des Basiscurriculum für die Pilotlehrgänge.

Mag.a Karoline Gindl: Expertin für Gender Mainstreaming, Chancengleichheit und Frauenförderung. Selbstständige Beraterin; seit sechseinhalb Jahren als Unternehmensberaterin für die Unternehmensberatung BAB GmbH tätig. Ausbildungen in den Schwerpunkten Pädagogik - Frauenforschung - Erwachsenenbildung, Marketing, Projektmanagement, Systemische Beratung und Coaching, NLP, Feministisches Grundstudium. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Umsetzung des Gender Mainstreaming.

Univ. Prof. Dr. Andreas Hinz: Mitarbeit in der wissenschaftlichen Begleitung der Hamburger Integrativen Grundschulen bis 1998, Miterfinder des barrierefreien Stadthaus-Hotels Hamburg (Integrationsfirma, Betrieb seit 1993), seit 1999 Univ. Prof. für Allgemeine Rehabilitations- und Integrationspädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenburg mit den Arbeitsschwerpunkten: Schulische und berufliche Integration, Schulentwicklung und Inklusive Erziehung.

Mag.a Dr.in Patricia Hladschik: Literatur- und Sprachwissenschafterin, literarische Übersetzerin, Projektmanagerin, Verlegerin und Kulturpublizistin. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI für die inhaltliche Gesamtkoordination zuständig.

Wolfgang Mizelli: Seit 1974 beeinträchtigt. Seit 1981 leidenschaftlicher Tetraplegiker. Studium der Germanistik und Philosophie (abgebrochen). Ausbildung zum Peer Counselor. Mitarbeiter einer Beratungsstelle für behinderte Menschen: Mosaik - Die Bunte Rampe. Vorstandsvorsitzender von Selbstbestimmt Leben Österreich - SLIÖ. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Vertretung der Interessen der behinderten Menschen.

Barbara Oberndorfer: Sozialpädagogin, Studium der Pädagogik und Sonder- und Heilpädagogik. 1992 bis 1994 Mitarbeiterin der Elterninitiative Integration:Wien. Mitbegründerin von Integration:Österreich. Seit 1998 hauptamtlich bei Integration:Österreich, seit 2004 Stellvertretende Geschäftsführerin. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für Aufbereitung und Transfer relevanter Erfahrungen, Erkenntnisse und Forderungen der Eltern- und Integrationsbewegung.

Mag.a Petra Pinetz: Studium der Pädagogik/Sonder- und Heilpädagogik. Bei Integration:Österreich als Projektleiterin für Elternbildung tätig. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI als Lehrgangsleiterin der Pilotlehrgänge Elternbildung und Familienberatung zuständig für die Entwicklung der Spezialcurricula sowie für die Konzeption und Durchführung der Lehrgänge.

Mag.a Verena Purer: Studium der Soziologie und Pädagogik. Beraterin für Gender Mainstreaming, Frauen- und Männerförderung. Entwicklung, Begleitung und Beratung von Projekten im Profit- und Non-Profit-Bereich, u.a. mehrere EU Projekte. Mitarbeit an Studien sowie in der Unternehmensberatung. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Umsetzung des Gender Mainstreaming.

Dr. Diethart Schliber: Studium der Rechtswissenschaften. Seit 1986 für das Bundessozialamt Steiermark tätig: seit 1987 Leiter der Abteilung Berufliche Rehabilitation, seit 2003 Stellvertretender Landesstellenleiter. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI als strategischer Partner für die laufende Informationsweitergabe an das Bundessozialamt mit seinen Landesstellen und das BMSG zuständig.

Dr. Tom Schmid: Institutsleiter der Sozialökonomischen Forschungsstelle Wien, Universitätslektor an der Universität Klagenfurt und Lehrbeauftragter an den Fachhochschulen in St. Pölten (Sozialarbeit) und Krems (Gesundheitsmanagement). Politikwissenschafter mit Zusatzdiplom Sozialmanagement. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die wissenschaftliche Begleitforschung.

Ulrike Schwarz: Alleinerziehende Mutter von Roland (22 J.) und Claudia (16 J.). Weiterbildungen im Bereich Kommunikation, Gruppendynamik, Theater- und Spielpädagogik. Langjährige Tätigkeit als Arzthelferin, dann in der Prävention tätig und jetzt hauptberuflich Politikerin. Seit der Geburt der Tochter aktiv in der Integrationsbewegung tätig. Schwerpunktthema: "Freizeitintegration". Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für die Entwicklung des Basiscurriculum für die Pilotlehrgänge.

Univ. Ass. Dr. Gottfried Wetzel: Vertragsassistent am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Kultursoziologie der Universität Salzburg mit den Lehr-, Forschungs- und Publikationsschwerpunkten Integrative Behindertenpädagogik, im Speziellen gegenwärtig zum Übergang von der Schule in den Beruf bei SchülerInnen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf. Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für den Themenbereich Qualitätssicherung.

Mag.a Michaela Zettl: Lehramtsstudium Pädagogik, Philosophie, Psychologie und Italienisch; Diplomarbeitsthema: "Qualität der Integration behinderter Kinder in Kindergärten des Bundeslandes Salzburg - eine empirische Studie". Im Rahmen des EQUAL Projekts QSI zuständig für den Themenbereich Qualitätssicherung.

STATEMENTS DER QSI ENTWICKLUNGSPARTNER

Die Förderagentur

Agentur für FörderungsProgramme-Datenverarbeitung GmbH

Grillparzerstraße 26/1

8020 Graz

T: 0316/35 11 35-0

F: 0316/35 11 35-20

www.foerderagentur.at

  • Die Förderagentur ist Antragstellerin und finanziell verantwortliche Partnerin der Entwicklungspartnerschaft.

Als finanziell verantwortliche Organisation der Entwicklungspartnerschaft QSI waren wir fachlich nicht unmittelbar in die Erstellung der vorliegenden Aufsatzsammlung involviert. Wir freuen uns und sind stolz darauf, dass es QSI gelungen ist, einen wichtigen und innovativen Beitrag zur Definition und Sicherstellung von Qualitätsstandards in der Integrationsarbeit zu erbringen. Für unsere Organisation war es zum einen spannend, den Prozess der Entwicklung von Qualitätsstandards mitzuverfolgen und zu sehen, welche Kriterien als maßgeblich für qualitätsvolle Integrationsarbeit definiert werden können. Parallel zur Erarbeitung von Qualitätsstandards der Integrationsarbeit war es in unserem Kompetenzbereich unser Bemühen, Qualitätsstandards für eine effiziente und transparente finanzielle Gebarung eines so komplexen Projekts, wie es eine Entwicklungspartnerschaft darstellt, zu definieren und zu deren Gewährleistung geeignete Verfahren, Abläufe und Tools bereit zu stellen. Wir haben in diesem Prozess zusätzliche Kompetenz erworben und unsere Qualitätssicherungsmaßnahmen für eine Ressourcen schonende Darstellung und Prüfung von Projektkosten optimiert.

Haymo Scherz, Geschäftsführer

Integration:Österreich

Tannhäuserplatz 2

1150 Wien

T: 01/789 17 47

F: 01/789 17 46

www.ioe.at

  • Integration:Österreich ist QSI-Koordinationsstelle, modulverantwortliche Partnerin von Modul 3 (Entwicklung und Durchführung der QSI Pilotlehrgänge) und Modul 4 (Aktivierung und Vernetzung) sowie zuständig für Aktion 3 (Verbreitung, Vernetzung und Mainstreaming der Ergebnisse und Produkte aus QSI).

Für I:Ö waren die oben genannten Aufgabengebiete eine enorme Herausforderung. Immerhin galt es, die engagierte Arbeit als Interessenvertretung betroffener Eltern, das ExpertInnenwissen um die Bedürfnisse und Wünsche von Eltern behinderter Kinder mit den strengen Vorgaben und Regeln einer EQUAL Entwicklungspartner-schaft in Einklang zu bringen. Wir freuen uns, dass uns dies bei der inhaltlichen Arbeit wie Konzept, Spezialcurriculum und Durchführung von zwei Pilotlehrgängen und Mitarbeit bei der Entwicklung von Qualitätskriterien gelungen ist. Bezüglich finanzieller und struktureller Anforderungen mussten wir erfahren, dass sich EQUAL Rahmenbedingungen und die Organisationsstruktur kleiner Non-Profit-Vereine oder Interessenvertretungen gegenseitig behindern!

Von besonderer Bedeutung für I:Ö war die intensive Auseinandersetzung mit und damit Überprüfung der Annahme, dass Mütter und Väter behinderter Kinder durch ihre eigene Betroffenheit "besonders kompetent" für den Beruf der Integrationsfach-kraft sind. Dabei wurden Müttern und Vätern behinderter Kinder Fähigkeiten und Kompetenzen bewusst, die sie ohne die Mitarbeit in QSI nicht erkannt hätten.

Eine für uns wichtige Erkenntnis war u.a. auch, dass zwischen Wahrnehmen und Formulieren von Bedürfnissen und Interessen als "Experte/in in eigener Sache" und dem stellvertretenden Auftreten für andere Betroffene noch viele Entwicklungsschritte, intensive Diskussions- und Klärungsprozesse aller Beteiligten notwendig sind.

Durch das Projekt QSI konnten sich unserer Einschätzung nach sowohl die zahlreichen Partnerorganisationen als auch Trägervereine, Fördergeber und Beschäftigte in der Behindertenarbeit damit auseinander setzen, dass ihr wichtigster Auftrag die Selbstbestimmung und Nichtaussonderung "ihrer KlientInnen" ist. Nicht bewahren, betreuen oder beschützen, sondern begleiten, unterstützen und assistieren ist das Kerngeschäft jeder Integrationsfachkraft!

Leider gibt es aber - wie durch die Ist-Analyse von Modul 1 erarbeitet - wenige bis keine (herkömmlichen) Ausbildungen, die Fachkräfte mit dem EINDEUTIGEN Auftrag zur Unterstützung und Begleitung bei integrativer Lebensgestaltung - egal ob Bildung, Arbeit, Freizeit - ausbilden. Auch sind Aus- oder/und Fortbildungen, die Inhalte wie Selbstbestimmung behinderter Männer und Frauen, Integration, Respektierung der Bedürfnisse von Eltern behinderter Kinder, Empowerment, Hilfe zur Selbsthilfe zum Inhalt haben, noch immer nicht die Regel sondern etwas "Besonderes".

Maria Brandl, Geschäftsführerin

Barbara Oberndorfer, Stv. Geschäftsführerin

SFS Sozialökonomische Forschungsstelle

Maria Theresienstraße 24

1010 Wien

T: 01/319 57 50

F: 01/319 57 50-3

www.sfs-research.at

  • Die SFS ist verantwortlich für das Modul 1 (Wissenschaftliche Analyse und Begleitforschung) sowie die Koordination der transnationalen Arbeit.

Wenn ein Team von begeisterten Leuten zusammenarbeitet, entstehen oft interessante Dinge. Es ist dann angenehm, wenn man zur Entstehung von etwas Brauchbarem beitragen kann, wie es hier der Fall war. In diesem Projekt hat man gesehen, welchen Vorteil es hat, wenn man nicht allein kämpft, wenn man nicht allein da steht. Die Zusammenarbeit mit Leuten aus verschiedenen Bereichen, wo sich Theorie und Praxis vernetzen und Erfahrungen und Ideen ausgetauscht werden können, war eine große Bereicherung.

Im Projekt QSI war für uns wichtig, dass Betroffene selbst vertreten waren. Wenn es um Menschen mit Behinderung und die Verbesserung ihrer Situation geht, sollten sie auch dabei sein und mitreden. Manchmal versucht man etwas zu entwickeln, ohne jene, die es betrifft, zu fragen, was sie tatsächlich wollen und brauchen. Nicht immer muss nämlich die eigene Vorstellung auch die beste Lösung der Situation sein.

Dr. Tom Schmid, Institutsleiter

Dr.in Lucie Prochazkowa, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Pädagogische Akademie des Bundes in OÖ

Verein der Freunde der pädagogischen Akademie des Bundes OÖ

Kaplanhofstraße 40

4020 Linz

T: 0732/77 04 01-165

F: 0732/77 11 70

www.pa-linz.ac.at

  • Der Verein der Freunde ist verantwortlich für die Durchführung von Modul 2 (Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines Curriculum zur Qualifizierung im Bereich der integrativen Betreuung behinderter Menschen). Daneben ist der Verein für die Durchführung des Pilotlehrgangs "Integrationsfachkraft für Schulbegleitung" verantwortlich.

Die Mitarbeit am EQUAL Projekt QSI war für uns wichtig, da damit eine Ausweitung der Integrativen Pädagogik von der LehrerInnenbildung auf den für die Pädagogische Akademie und die Freunde der Pädak neuen Bereich der Assistenz erfolgte.

Durch die Kooperation mit den anderen Entwicklungspartnern kamen neue Aspekte in die Diskussion und das Bewusstsein wurde vor allem im Bereich des Gender und Betroffenen Mainstreaming geschärft. Durch die Module 5 und 6 ergab sich die Möglichkeit einer gründlichen Evaluation sowohl des Ergebnisses als auch des Prozesses, wobei auch die enorme Bedeutung einer durchgängigen Lehrgangsbetreuung bestätigt wurde. Für die TeilnehmerInnen am Pilotlehrgang SchulassistentInnen ergab sich in Modul 3 die Möglichkeit einer Basisausbildung samt erstmaliger Vernetzung und Abklärung ihres Berufsbildes. Ein neuer Kurs nach dem Auslaufen des Projekts wurde bereits genehmigt.

Die hohe Qualität der Produkte und die Rückmeldungen der TeilnehmerInnen an den Pilotlehrgängen insgesamt zeigen, dass sich auch der enorme Koordinationsaufwand gelohnt hat, vor allem deshalb, weil die Treffen immer vorzüglich organisiert waren.

Prof. Dr. Ewald Feyerer, Ulrike Schwarz

Mobiler Hilfsdienst GmbH, mohi Salzburg

Johann Wolf Straße 13

5020 Salzburg

T: 0662/84 93 12

F: 0662/80 44-141

www.mohisbg.net

Universität Salzburg

Fachbereich Erziehungswissenschaft und Kultursoziologie

Akademiestraße 26/2

5020 Salzburg

T: 0662/80 44-42 00

F: 0662/80 44-141

www.sbg.ac.at/erz/

  • Das Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Salzburg war bis 1.1.2004, mohi Salzburg ist seither verantwortlich für Modul 5 (Qualitätssicherung - Sammlung und Entwicklung von Kriterien/Indikatoren für "Integrative Kompetenz" als Basis für die Zertifizierung. Ziel: Schaffung trägerübergreifender integrativer Zertifikate/Diplome).

Ein wichtiger Inhalt in QSI war die Qualitätsfrage der Inklusion auf verschiedenen Ebenen: die gesamtgesellschaftliche Ebene, die Trägerebene und die Kleingruppenebene in Bezug auf Konzeptqualität, Strukturqualität, Prozessqualität, Ergebnisqualität und Transferqualität in den unterschiedlichsten Feldern (Freizeit, Bildung etc.) zu betrachten und zu analysieren.

Die Mitarbeit am Integrationscurriculum und die konkrete Umsetzung in der Erwachsenenbildung waren weitere wichtige Bestandteile.

Innovativ und wichtig für uns waren die Erstellung des Fragebogens zur Integrativen bzw. Selbstbestimmt Leben-Grundhaltung und die Erhebungen mit Hilfe dieses Instruments.

Das Projekt QSI hat uns gezeigt, wie schwierig es für Betroffene ist, die systematische Einbindung der Betroffenen aus der Sicht direkt Betroffener und aus der Sicht der Eltern miteinander zu vereinbaren.

Aus organisatorischer Sicht haben wir aus EQUAL gelernt, dass für finanztechnische Tätigkeiten viele zeitliche und finanzielle Ressourcen notwendig sind und Inhalte in Bezug auf die Zeitressourcen teilweise stark darunter leiden.

Univ. Ass. Dr. Gottfried Wetzel, Mag.a Michaela Zettl

Selbstbestimmt Leben Initiative Wien

Laxenburgerstraße 30/6

1100 Wien

T: 01/602 57 76, 0699/133 633 13

F: 01/602 57 76, 01/715 58 31

  • SLI Wien stellt sicher, dass die Selbstbestimmt Leben Prinzipien im gesamten Projekt Berücksichtigung finden. Ein weiteres Ziel von SLI Wien ist es, das Prinzip des Selbstbestimmt Lebens als Ausbildungsbestandteil in die Ausbildungen, Kurse und "Anlernverfahren" aller integrativen Unterstützungsstrukturen und auch in bestehende Ausbildungen bzw. Fortbildungen in Universitäten, Akademien und Fachschulen einzuführen.

Die Entscheidung, am Projekt QSI mitzuarbeiten, entstand aus der Notwendigkeit, dass in einem Integrationsprojekt auch behinderte Frauen und Männer wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung des Projekts haben sollen. Der wichtigste, oft übersehene Aspekt der Qualitätssicherung ist die Miteinbeziehung der zukünftigen KundInnen. Wenn betroffene Frauen und Männer nicht selbst gestalten können, besteht die Gefahr, dass an der Realität und den tatsächlichen Erfordernissen vorbei gearbeitet wird.

Über der gesamten Arbeit stand der Leitsatz der Selbstbestimmt Leben Bewegung "Nichts über uns ohne uns!". Die Grundsätze des Selbstbestimmten Lebens behinderter Frauen und Männer auch den nicht behinderten Fachkräften zu vermitteln, war eines unserer Ziele.

Die Annäherung und Zusammenarbeit behinderter Frauen und Männer der Selbstbestimmt Leben-Bewegung mit Müttern und Vätern behinderter Töchter und Söhne der Elterninitiativen hat neue Aspekte und Sichtweisen auf gemeinsame Themen gebracht. Hier ist unter dem Schlagwort des Betroffenen Mainstreaming ein Anfang gemacht, der in den nächsten Jahren weitergeführt werden muss.

Wir haben in Bezug auf Integration, Integrationsarbeit, pädagogische und methodische Erfordernisse viel Neues erfahren. Die wichtigste Erkenntnis war jedoch, dass auch in einem Projekt wie QSI die gleichberechtigte Zusammenarbeit behinderter und nicht behinderter MitarbeiterInnen eine Riesenherausforderung darstellt. Das liegt zum einen an den immer noch unzureichenden Rahmenbedingungen wie mangelnde Barrierefreiheit, zum anderen aber auch an zu wenig reflektierten Einstellungen der am Projekt beteiligten Frauen und Männer. Dazu kommt noch, dass der Verwaltungsaufwand schon für nicht behinderte Frauen und Männer kaum zu bewältigen ist, für behinderte Frauen und Männer noch weniger. Das heißt, dass sich auch an formalen Projektvorgaben einiges ändern müsste, um behinderten Frauen und Männern eine gleichberechtigte Teilnahme zu ermöglichen. Wir alle sind davon ausgegangen, dass es genügt, gleichberechtigt arbeiten zu wollen, und dachten alle, dass wir wissen, wie so etwas geht. Im Laufe der Arbeit mussten wir erkennen, dass dem nicht so ist.

Ob sich durch das Projekt nachhaltig etwas verändert hat, wird erst die Zukunft zeigen. Der Paradigmenwechsel hin zum Selbstbestimmt Leben Paradigma ist auch in fortschrittlichen Projekten längst noch nicht vollzogen. Damit dieser Wechsel wirklich stattfinden kann, bedarf es noch einiger Anstrengung von allen Seiten. Aber ein erster Anfang ist in jedem Fall gemacht.

Mag.a Bernadette Feuerstein, Wolfgang Mizelli

Miteinander Gesellschaft zur Integration von Menschen mit besonderen Bedürfnissen GmbH

Rechte Donaustraße 7

4020 Linz

T: 0732/78 20 00

F: 0732/78 20 00-33

www.miteinander.com

  • Die Miteinander GmbH ist im Rahmen von Modul 3 für die Durchführung des Pilotlehrgangs "Qualifizierte Integrationsfachkraft für individuelle Hilfe und Familienentlastung" zuständig.

Ich war vom QSI Kerngedanken fasziniert. Endlich gibt es Ausbildungen, in denen das Wissen der Betroffenen Grundlage für Wissensvermittlung an Profis ist. Und endlich gibt es Ausbildungen, in denen auf die Haltung der Profis geachtet wird. Endlich sind die Betroffenen selbst als Profis anerkannt! In so einem Projekt wollte ich gerne mitarbeiten.

Durch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen in der QSI Partnerschaft kommen neue Impulse in das eigene Unternehmen. Es entsteht ein lebendiger Austausch, der auf die eigenen Konzepte und Einstellungen wirkt. Ein bewussterer Reflexionsprozess auf die eigene Arbeit und deren Inhalte ist vielleicht der wichtigste Gewinn. Ich war immer schon emanzipiert von den "Autoritäten mit Fachwissen im Behindertenbereich". Was sich durch die Mitarbeit in der QSI Partnerschaft dabei verändert hat, ist eine neue Sicherheit, die ich gewonnen habe: Es ist total okay, dass ich die ExpertInnenkompetenz von mir weise und sie zuerst bei den behinderten Menschen suche und dort lasse.

Elisabeth Dimminger, Lehrgangsleiterin

Die Miteinander GmbH steht seit ihrer Gründung für Integration - der Paradigmenwechsel in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen steht bei uns im Vordergrund. In allen unseren Leistungsangeboten arbeiten wir für Integration und für die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens. Diese Philosophie in Form eines Lehrgangs weiterzuverbreiten war uns ein Anliegen.

Im Rahmen des Lehrgangs "Individuelle Hilfe und Familienentlastung" schufen wir eine in Modulen aufgebaute Basisqualifizierung, welche die Philosophie der Miteinander GmbH zu den Themen Selbstbestimmung und ExpertInnentum in eigener Sache weiterträgt. Teile des Lehrgangs können z.B. in Form von MitarbeiterInneneinführungstagen an die zukünftigen MitarbeiterInnen weitergegeben werden. Die Auseinandersetzung mit einer bereits da gewesenen Philosophie der Selbstbestimmung stärkt die gemeinsame Arbeit.

Mag.a Roswitha Reisinger, Bereichsleiterin

BAB GmbH Unternehmensberatung

Grillparzerstraße 26

8010 Graz

T: 0316/36 22 90-16

F: 0316/36 22 90-30

www.bab.at

  • Die BAB GmbH unterstützt die Entwicklungspartnerschaft in den Bereichen Gender Mainstreaming und modulkoordinierend in der Evaluierung und Prozessbegleitung (Modul 6).

Das Projekt QSI ist ein sehr komplexes Vorhaben gewesen. Komplex schon von der Anzahl der Organisationen, von der Art der Zusammenarbeit (viele Verschachtelungen der Arbeitspakete, was sehr starke Abhängigkeit der ProjektpartnerInnen bedeutete) und von der Unterschiedlichkeit der ProjektpartnerInnen (verschiedene Organisationen aus dem Integrationsbereich mit unterschiedlichen Ansätzen und Einstellungen, öffentliche Einrichtungen, Unternehmensberatung etc. und damit einhergehend sehr unterschiedliche Unternehmenskulturen). Allein diese positive Aufgabenbewältigung war eine wertvolle Erfahrung, bei der man sehr viel voneinander profitieren konnte.

Wir haben viel zum Thema Integration/Inklusion gelernt, Vorerfahrungen und Wissen in Frage gestellt, vorgefasste Meinungen und Einstellungen verändert und haben an der Strategie Betroffenen Mainstreaming mitgearbeitet und dadurch sehr direkt die produktive Auseinandersetzung mit dem Thema Integration/Inklusion - Betroffene/Nichtbetroffene miterlebt und mitgestaltet.

Ein wichtiges Thema für uns war auch die Auseinandersetzung mit Geschlecht und Behinderung, die in der Alltagswelt und scheinbar auch in der scientific community nur einen Nebenschauplatz einnimmt.

Was wieder sehr deutlich geworden ist, dass es nicht reicht, über Menschen zu sprechen und zu glauben, man weiß, was die brauchen und wollen, sondern diese müssen permanent vertreten und eingebunden sein - egal ob es sich um Behinderte/Nichtbehinderte, Frauen/Männer etc. handelt. Nur die dauernde Präsenz und Transparenz sichert die Berücksichtigung der Unterschiedlichkeiten und damit kommt man auch dem Ziel der Gleichstellung näher.

Dr. Alfred Fellinger, Mag.a Verena Purer

Bundessozialamt - Landesstelle Steiermark

Babenbergerstraße 35

8021 Graz

T: 0316/70 90-640

F: 0316/70 90-504

www.basb.bmsg.gv.at

  • Das BSB Steiermark ist strategischer Partner von QSI. Das BSB arbeitet aktiv in Modul 4 im Netzwerkkreis 1 (Berufsbild-Entwicklung - politische Anerkennung) mit und stellt im Rahmen der Aktion 3 Kontakte zum Bundessozialamt und seinen Landesstellen sowie zum BMSG her.

In unzähligen aus der sogenannten Behindertenmilliarde, dem Ausgleichstaxfonds oder dem Europäischen Sozialfonds geförderten Projekten sind österreichweit Schlüsselkräfte beschäftigt, die mit verschiedenartigsten Maßnahmen versuchen, Menschen mit Behinderung ins Berufsleben zu integrieren. Mit geringen Ausnahmen gibt es keine einheitlichen Standards bzw. Qualitätskriterien für die Ausbildung dieser Schlüsselkräfte.

Aus diesem Grunde war mir die Einbindung der Landesstelle Steiermark des Bundessozialamtes in das EQUAL Projekt QSI von Anfang an sehr wichtig. Meine Rolle sehe ich vor allem darin, die erarbeiteten Ergebnisse und im Speziellen die Curriculumsentwicklung dem Bundessozialamt mit seinen Landesstellen und dem BMSG zu präsentieren. Eine weitere Aufgabe sehe ich darin, die Projektverantwortlichen von QSI bei der Bildung von Netzwerken und Kooperationen zu unterstützen, um ihnen die Verbreitung der Produkte von QSI zu erleichtern.

Interessant habe ich die Arbeiten im Netzwerkkreis 1 "Berufsbild-Entwicklung - politische Anerkennung" vor allem durch die Einbindung aller AkteurInnen empfunden, wodurch auch die Ansichten der "Nichtfördergeberseite" besser verstanden werden konnten.

Mit Recht stolz sein können die Projektverantwortlichen auf den Dokumentarfilm "Blickbestimmung - Bilder selbstbestimmter Leben".

Dr. Diethart Schliber, Leiter Abt. Berufliche Reha, Stv. Landesstellenleiter

Bundesarbeiterkammer

Prinz Eugen Straße 20-22

1040 Wien

T: 01/501 65-0

F: 01/501 65-26 83

www.akwien.or.at

  • Die AK beteiligt sich im Wesentlichen auf strategischer Ebene an der Entwicklungspartnerschaft QSI. Sie sieht ihre Funktion in der inhaltlichen Mitgestaltung des Gesamtprojekts. Im Bereich der Module wird sie ihre Kernkompetenz als ArbeitnehmerInnen-Vertretung einbringen.

Wir alle können sehen, dass es eine Vielzahl von Ausbildungsschienen gibt und immer neue Berufe entstehen. Wir haben eine große Vielfalt von Ausbildungsansätzen und eine große Überschneidung einzelner Berufsfelder. Umgekehrt müssen wir uns vergegenwärtigen, dass in den nächsten Jahrzehnten ein gesellschaftlicher Wandel stattfinden wird. Der Bedarf an Fachkräften, die andere Menschen unterstützen, wird größer werden. Das heißt: Die gesellschaftlichen Aufgaben in diesem Bereich werden steigen. Jetzt nützt es aber nichts, das als Erkenntnis festzuhalten, sondern es gilt die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Betrachtet man die Entwicklung, so muss man für Österreich feststellen, dass vor allem im Pflegebereich Überstunden anfallen, die mit den in diesem Bereich Beschäftigten nicht bewältigt werden können. Wenn die Institutionen nicht bereit sind, mehr Frauen und Männer einzustellen, deutet dies auf eine wirklich kritische Situation hin. Sieht man sich die künftige Entwicklung an, kann man erkennen, dass in diesen Bereichen der Wechsel aus dem Beruf ein sehr hoher ist und die Zahl derjenigen, die nicht in diesen Berufsbereichen bleiben, besorgniserregend ist. Es kann uns also als Gesellschaft nicht gleichgültig sein, ob in Zukunft sichergestellt ist, dass genügend geschulte, qualifizierte, motivierte Menschen diese wichtigen Aufgaben wahrnehmen. Arbeitsbedingungen, Entlohnung, Aufstiegschancen, Arbeitsbelastungen, Arbeitsinhalte müssen überdacht werden, wenn man sicherstellen will, dass qualifizierte Mitarbeiter auch in Zukunft in diesen Bereichen tätig sein sollen.

Mag. Herbert Tumpel, AK Präsident

Wirtschaftskammer Österreich

Wiedner Hauptstraße 63

1045 Wien

T: 05/90 900-44 89

F: 05/90 900-35 88

http://wko.at

  • Die WKÖ ist strategische Partnerin des Projekts. Sie bringt die Interessen und Standpunkte der Wirtschaftsvertretung ein, bietet Unterstützung bei Kontakten zu einzelnen Wirtschaftsbetrieben für eine Intensivierung der Zusammenarbeit und Interessensabgleichung von 1. und 3. Sektor.

2003 war das "Europäische Jahr für Menschen mit Behinderungen" und die Schwerpunkte der österreichischen Aktionen lagen auf der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für ein verändertes Bild von Menschen mit Behinderungen. Die Wirtschaftskammer Österreich hat einige Maßnahmen ergriffen und zur Information sowie Sensibilisierung von Betrieben folgende Aussendungen und Broschüren publiziert: "100 % qualifiziert", "Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen", "An den Rollstuhl gefesselt?". Für Jänner 2005 ist die Installierung einer online-Jobbörse (Bewerber- und Bewerberinnendatenbank) in Zusammenarbeit mit dem Human-Institut für Humanistisches Management geplant.

Die soeben zitierten Aktionen zeigen, dass die Wirtschaftskammer Österreich Projekte begrüßt, die Menschen mit Behinderung die (Re)Integration in ein Erwerbsleben ermöglichen. Als Vertretung der Arbeitgeberseite im Projekt QSI, das sich zum Ziel gesetzt hat, Curricula und Qualitätskriterien für Ausbildungen im Integrationsbereich zu entwickeln, unterstützt die WKÖ die Projektverantwortlichen in den Bereichen der Vernetzung und Verbreitung der Ergebnisse der Arbeiten. Die WKÖ wird nach Möglichkeit jene AkteurInnen in der Organisation einbeziehen, die mit der Thematik beschäftigt sind und auf diese Weise zum "Mainstreaming" der Projektergebnisse einen Beitrag leisten.

Mag.a Maria Ratzinger, EQUAL Beauftragte der Wirtschaftskammer Österreich

IMPRESSUM

Für den Inhalt verantwortlich:

EQUAL Entwicklungspartnerschaft QSI

Quality Supported Skills for Integration

Koordinierende Stelle:

Integration:Österreich

Tannhäuserplatz 2

1150 Wien

T: 01/789 17 47-22

F: 01/789 17 46

info@qsi.at

www.qsi.at

ISBN 3-9051881-3-4

Quelle:

Equal Entwicklungspartnerschaft QSI: QUALITÄTSSICHERUNG IN DER INTEGRATIONSARBEIT. Erkenntnisse und Empfehlungen der EQUAL Entwicklungspartnerschaft QSI, Wien, November 2004

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 26.05.2010

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