Luzia - Studie zur Lebenssituation arbeitsmarktferner Frauen mit Behinderung in Wien

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Bericht
Releaseinfo: Ein von Sozialstaatssekretär Sigisbert Dolinschek unterstütztes Projekt, gefördert aus Mitteln der Beschäftigungsoffensive der österreichischen Bundesregierung (Behindertenmilliarde) für Menschen mit Behinderungen; Statistische Auswertung: Mag.a Sabine Gruber
Copyright: © Verein Sofia - Institut für ganzheitliche Sozialforschung und ihre Anwendung 2006

Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

Die vorliegende Studie zur Erfassung der Lebenssituation arbeitsmarktferner Frauen in Wien wurde von "Sofia - Institut für ganzheitliche Sozialforschung & ihre Anwendung" für das Bundessozialamt Wien erstellt. Aufgabe und Anliegen des Bundessozialamtes ist es, die Integration von Menschen mit Behinderung in das Erwerbsleben und ihre Integration am jeweiligen Arbeitsplatz zu fördern. In vielfältigen innovativen Projekten werden bereits jetzt zielgruppengerechte Interventionen umgesetzt. Um passende Integrationsmaßnahmen setzen zu können, ist eine genaue Kenntnis der Zielgruppe, ihrer spezifischen Lebenssituation und ihrer Bedürfnisse notwendig. Das Institut Sofia wurde in den letzten Jahren vom Bundessozialamt bereits mit zwei Studien zur Erforschung der Lebens- und Arbeitssituation gehörloser, sowie blinder und sehgeschädigter Frauen in Wien betraut, in denen ausgehend von den geäußerten Bedürfnissen und Anliegen der interviewten Frauen Anregungen für gezielte Fördermaßnahmen entwickelt wurden.

Mit dieser Studie wendet sich das Bundessozialamt einer Zielgruppe zu, über die wenig bekannt ist: Menschen, die sich zwar beim Bundessozialamt als erheblich behindert einstufen haben lassen, zumeist auch als "begünstigt behindert" registriert sind, die aber nicht im Erwerbsleben integriert sind. Dazu zählen BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, also beim AMS als arbeitslos gemeldete Personen, aber auch Menschen mit Behinderung, die weder erwerbstätig sind noch vom AMS erfasst werden. Ziel dieser Studie ist es, diese Personengruppe genauer kennen zu lernen und ihre Lebenssituationen, ihre Anliegen und Bedürfnisse zu erforschen, wobei der Fokus auf einer möglichen (Re)Integration ins Erwerbsleben liegt. Im Vordergrund des Interesses stand dabei die Erforschung der Situation der arbeitsmarktfernen Frauen mit Behinderungen, die von einer potenzierten Diskriminierung betroffen sind, und in wesentlich geringerer Zahl im Erwerbsleben integriert sind als Männer mit Behinderung. Die Untersuchung stellt damit einen Beitrag zur Erforschung einer bisher wenig beachteten Personengruppe und deren spezifischen Anliegen dar.

Die vorliegende Studie LUZIA leistet:

  1. eine Beschreibung der Lebenssituationen arbeitsmarktferner Menschen mit Behinderungen

  2. das Herausarbeiten geschlechtsspezifischer Differenzen

  3. die Zusammenfassung der Problemfelder und Anliegen von den Frauen dieser Zielgruppe

  4. Empfehlungen für Ansätze der sozialen und beruflichen (Re)integration

Die Ergebnisse der Studie beruhen auf den Angaben von insgesamt 243 Frauen und Männer, die an der Fragebogenerhebung teilnahmen sowie auf 30 strukturierten Interviews, welche mit ausgewählten Frauen der Untersuchungsgruppe geführt wurden.

Vorausgestellt werden in Kapitel 2 Daten und Studien, die den theoretischen Rahmen für diese Untersuchung bilden. Im Anschluss daran wird die Vorgangsweise der Studie erläutert. Die Ergebnisse der qualitativen Erhebung (Interviews mit 30 Frauen) werden in den Kapiteln 4 und 5 vorgestellt. In der Auswertung der Interviews werden Lebenssituation, Probleme und Anliegen der Frauen besonders deutlich. Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung (Fragebögen von 243 Männern und Frauen) zusammen.

Die Zusammenfassung und Empfehlungen schließen in Kapitel 7 die Studie ab.

2 AUSGANGSSITUATION

2.1 Der Begriff Behinderung

In der Definition von Behinderung aus dem Jahr 1980 unterscheidet die WHO folgende Bereiche:

  • Impairment (Schädigung) - als Funktionsstörung bzw. Schädigung auf der organischen Ebene

  • Disability (Unzulänglichkeit) - als Störung auf der individuellen und personalen Ebene

  • Handicap (Benachteiligung) - als Störung bzw. Konsequenz auf der sozialen Ebene

Die modifizierte Fassung von 1998 berücksichtigt veränderte Sichtweisen auf Behinderung. Statt einer defizitorientierten Bewertung auf individueller Ebene werden nun systemorientiert positive Möglichkeiten betont.

Damit stellt sich die Dreiteilung wie folgt dar:

  • Impairment (Schädigung)

  • Activity (Aktivitäten) - die Möglichkeiten auf personaler Ebene

  • Participation (Teilhabe) - gesellschaftlich und sozial[1]

Diese Dreiteilung stellt einen Bezugsrahmen dar, um zu bestimmen, auf welcher Ebene Behinderung beschrieben und bewertet wird. Medizinische Gutachten stützen sich auf den Bereich der Schädigung, das AMS beurteilt individuell die Unzulänglichkeiten und Möglichkeiten bezogen auf den Arbeitsmarkt (Handicap/Partizpation). Auch Integrationskonzepte, spezielle Rehabilitationsmaßnahmen oder Gesetzgebungen bewegen sich im Bereich der Benachteiligung bzw. Teilhabe.

Laut Hensle und Venooij (2002)[2] sind die Bereiche Impairment und Handicap hinlänglich abgedeckt, es fehlt jedoch an Auseinandersetzung im Bereich von Disability/Activity. Hier geht es darum, den behinderten Menschen als Subjekt zu betrachten mit einer psychischen Befindlichkeit und eigenen Identitätsbildung. Die vorliegende Studie LUZIA gibt einen Einblick in die Verarbeitung körperlicher und gesellschaftlicher Realitäten. Ein erster Aspekt der Subjekt-Werdung ist bereits, die Interviewpartnerinnen als Frauen wahrzunehmen und anzusprechen und nicht nur als geschlechtsneutrale "Menschen mit Behinderung".

2.2 Frauen und Männer mit Behinderung in Österreich

Es gibt in Österreich keine präzisen Daten über die Anzahl von Menschen mit Behinderung.[3] Die Mikrozensus-Erhebung des Österreichischen Statistischen Zentralamtes von 1995 zu körperlichen Beeinträchtigungen beruht auf einer subjektiven Einschätzung der Bevölkerung. Knapp 30% geben mindestens eine körperliche Beeinträchtigung an, beinahe jede/r Vierte hat eine chronische Krankheit.[4]

Die Mikrozensus-Erhebung 2002 über "Beschäftigung behinderter Menschen" fragte nach lang anhaltenden Gesundheitsproblemen oder Behinderungen[5]: 15.8% der österreichischen Gesamtbevölkerung in Privathaushalten gaben an, darunter zu leiden.[6]

In der Studie "Zur Lebenssituation behinderter Menschen in Österreich" von Badelt und Österle[7] wird die Zahl der geistig behinderten Menschen in Österreich auf ca. 0.6% der Bevölkerung, also etwa 48.000 Menschen geschätzt.

Schätzungen auf europäischer Ebene gehen von einem etwa 10%igen Anteil behinderter Menschen an der Bevölkerung im EU-Raum aus.[8]

Die Feststellung des Grades der Behinderung durch das Bundessozialamt bezieht sich auf eine Leistungseinschränkung in Bezug auf den "generellen" Arbeitsmarkt. Für bestimmte körperliche Beeinträchtigungen gibt es dabei feste Prozentsätze: so gilt ein blinder Mensch zu 100% beeinträchtigt. Ab einem 50% Behinderungsgrad kann diese Person einen Behindertenpass beantragen und damit gewisse Begünstigungen in Anspruch nehmen (Steuerbegünstigungen, Ermäßigungen u. ä.). 2004 gab es österreichweit 166.061 ausgestellte Behindertenpässe (aus den Jahren 1991- 2004)[9], das entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa 2%.[10]

Ebenfalls ab einem Behinderungsgrad von 50% kann sich die betreffende Person als "begünstigt behindert" registrieren lassen und unterliegt damit den Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes. Zum 1.1.2005 waren österreichweit 91.102 begünstigte Personen erfasst, davon 35.373 Frauen und 55.729 Männer.[11]

Das Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) wendet einen erweiterten Behindertenbegriff an: wesentlich ist hier, dass die körperliche Einschränkung die betroffene Person tatsächlich an der Ausübung von möglichen Erwerbstätigkeiten hindert. Unabhängig vom Grad der Behinderung geht es um Personen mit physischen, psychischen oder geistigen Einschränkungen. Im Oktober 2005 waren in Österreich nach der Statistik des Arbeitsmarktservice rund 27.000 Menschen (10.129 Frauen, 16.932 Männer) mit Behinderung arbeitssuchend, knapp 5.200 (1.896 Frauen, 3.241 Männer) gehörten davon zum Kreis der begünstigt behinderten Menschen.[12]

Das Pflegegeld[13] orientiert sich am konkreten Betreuungs- und Hilfsbedarf von behinderten und pflegebedürftigen Menschen. Es ist eine abgestufte finanzielle Leistung, auf die unabhängig von Einkommen und Vermögen sowie Ursache der Pflegebedürftigkeit ein Rechtsanspruch besteht. Rund 330.000 Personen bezogen 1999 Pflegegeld.[14] Rund zwei Drittel der PflegegeldbezieherInnen sind Frauen, die meisten sind Personen über 60 Jahre. Beim Pflegegeld handelt sich daher um eine Leistung, die aufgrund des höheren Lebensalters von Frauen ihnen auch häufiger zugute kommt und die für untere Einkommensschichten besonders wichtig ist.[15] In der vorliegenden Fragebogenerhebung, die sich an Personen im erwerbsfähigen Alter richtete, hat sich jedoch herausgestellt, dass nur wenige Befragte Pflegegeld erhielten, die Frauen dabei noch wesentlich seltener als die Männer.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass je nach Fragestellung oder gesellschaftspolitischer Aufgabe die Definition von Behinderung variiert und somit auch die Anzahl der davon betroffenen Menschen. Damit sind die vorliegenden Daten der verschiedenen im Bereich der Politik für behinderte Menschen relevanten AkteurInnen, die auch im folgenden zitiert werden, nur schwer vergleichbar.[16]

2.3 Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung - sozialpolitische Aspekte

Das Behindertenkonzept der österreichischen Bundesregierung zielt auf eine umfassende Eingliederung behinderter Menschen in möglichst alle Lebensbereiche[17], wobei die berufliche Betätigung als ein wesentlicher Schritt zur gesellschaftlichen Integration gilt.

Nach dem Mikrozensus aus dem Jahr 2002 waren 519.000 Menschen im Erwerbsalter zwischen 15 und 64 Jahren körperlich beeinträchtigt. In dieser Gruppe waren 42.9% der Frauen und 57% der Männer erwerbstätig- im Gegensatz zu 65.6% der Frauen und 81.6% der Männer ohne körperliche Einschränkung.

Klar zeigt sich bei diesen Zahlen, dass sowohl die körperliche Beeinträchtigung als auch das Geschlecht "Frau" entscheidend sind für eine geringere Integration in das Erwerbsleben. Nach dem Mikrozensus 2002 ist nicht einmal jede zweite Frau mit körperlichen Beeinträchtigungen im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig.

Etwas günstiger schaut die Statistik des Bundessozialamtes Wien aus: hier waren im Juli 2004 insgesamt 18.766 Personen als begünstigt behindert registriert, davon 8.431 Frauen und 10.335 Männer.

Tabelle 1 Erwerbstätigkeit von begünstigt behindert gemeldeten Personen in Wien Bundesrechenzentrum GmbH, Stichtag 1.7.2004.

Status Erwerbstätigkeit

Frauen

%

Männer

%

Gesamt

%

Erwerbstätig

4.784

56.74%

5.942

57.49%

10.726

57.16%

Nicht erwerbstätig

3.647

43.26%

4.393

42.51%

8.040

42.84%

Gesamt

8.431

100.0%

10.335

100.0%

18.766

100.0%

Diese Statistik zeigt, dass es - in absoluten Zahlen - weniger Frauen als Männer mit Behinderung gibt, die sich als begünstigt behindert registrieren lassen. Diejenigen, die als begünstigt behindert erfasst sind, sind jedoch im etwa gleichen Ausmaß erwerbstätig wie Männer. Die Anzahl der nicht Erwerbstätigen ist jedoch auch hier hoch, vor allem wenn man bedenkt, dass der Status "Begünstigt Behindert" eine Schutzmaßnahme für Menschen mit Behinderung im Erwerbsleben ist, und von daher vor allem von Menschen mit Behinderung beantragt wird, die erwerbsorientiert sind.

Ein wichtiges Instrument zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung stellt das Bundesbehinderteneinstellungsgesetz dar. Es verpflichtet jeden Dienstgeber, der 25 oder mehr Personen beschäftigt, auf je 25 Beschäftigte einen "begünstigt behinderten" Menschen einzustellen. Tut dies ein Dienstgeber nicht, ist eine Ausgleichstaxe von derzeit 201,- Euro pro Monat für jeden nicht beschäftigten behinderten Menschen zu zahlen. Mehr als ein Drittel der Pflichtstellen waren 2003 jedoch nicht besetzt[18], nicht einmal ein Viertel aller einstellungspflichtigen Arbeitgeber erfüllen vollständig ihre gesetzliche Verpflichtung.[19] Auch der Bund als wichtigster Arbeitsgeber für Menschen mit Behinderung kommt der Beschäftigungspflicht nicht voll nach: so waren zum 1.2.2006 knapp 21% der Pflichtstellen nicht besetzt.[20]

Dabei sind Menschen mit Behinderung häufiger und länger von Arbeitslosigkeit betroffen als nicht behinderte Menschen.[21] Ihr Arbeitslosengeld bzw. ihre Notstandshilfe sind geringer als die Leistungen für Nichtbehinderte.[22]

Zu interessanten Erkenntnissen kommt man, wenn man diese Zahlen geschlechtsspezifisch aufschlüsselt: der Unterschied in der Höhe des Leistungsbezuges zwischen behindert und nicht behindert ist dabei geringer als die Differenz zwischen den Geschlechtern, das heißt, behinderte Männer erhalten einen höheren Bezug als nicht behinderte Frauen.[23]

Das zeigen auch die Zahlen über die durchschnittlichen Tagessätze für Arbeitslosen- und NotstandshilfebezieherInnen aus dem Juli 2005:

Tabelle 2 Durchschnittliche Tagsätze für BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in EURO Quelle: AMS Statistik für Juli 2005.

 

Arbeitslosengeld

   

Frauen

 

Männer

 

Mit Behinderung

Ohne Behinderung

Mit Behinderung

Ohne Behinderung

20,20

21,10

25,-

25,70

 

Arbeitslosengeld und Notstandshilfe

   

Mit Behinderung

Ohne Behinderung

Mit Behinderung

Ohne Behinderung

17,-

19,10

20,90

23,30

Das Geschlecht "Frau" hat damit eine stärkere negative Auswirkung auf den Leistungsbezug als eine vorhandene Behinderung. Ebenso ist es bei der Bezugsdauer: behinderte wie nicht behinderte Frauen sind länger Bezieherinnen der Unterstützungsleistungen[24] und somit länger arbeitslos als Männer, behindert wie nicht behindert.

Zur Verbesserung der Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderung wurden in den Jahren 2001/2002 mit der "Behindertenmilliarde" Impulse gesetzt: von den geförderten Personen waren 45% Frauen.[25] Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsassistenz, Einstellungs- und Integrationshilfen haben jedoch nur einen Teil der für diese Studie LUZIA befragten Zielgruppe erreicht und waren zumeist bei ihnen nicht erfolgreich. Die Intention dieser Studie ist es, die wichtigsten Gründe dafür herauszuarbeiten.

Das Prinzip "Rehabilitation vor Pension" zielt durch berufliche Umschulungen, Arbeitsplatzadaptierungen u. ä. ebenfalls auf eine möglichst lange Integration im Berufsleben. Pensionen auf Grund von geminderter Arbeitsfähigkeit werden nur befristet für die Dauer von zwei Jahren zuerkannt und müssen danach neu beantragt werden. Auch hier schildern die Interviewpartnerinnen, wie sich diese Grundsätze für sie in der Praxis auswirken.

Auffällig sind jedoch bei krankheitsbedingten Pensionen[26] ebenfalls die geschlechtsspezifischen Unterschiede: es beziehen wesentlich mehr Männer als Frauen diese Pensionsleistung[27] und die Durchschnittspension der Frauen beträgt nur etwa die Hälfte der männlichen krankheitsbedingten Pension (ohne Ausgleichszulagen).[28]

2.4 Frauen und Behinderung

Bereits die Daten der letzten Kapitel machen deutlich, dass Frauen mit Behinderung eine doppelte oder sogar potenzierte Diskriminierung[29] erleben. Frauenspezifische Benachteiligungen in Ausbildung, Berufschancen, Arbeitsteilung und Gewaltgefährdung verstärken die Benachteiligungen, die sie als Menschen mit Behinderung erfahren. Die oben beschriebenen statistischen Daten belegen:

  • Frauen mit Behinderung sind seltener erwerbstätig als Männer mit Behinderung.

  • Sie machen dennoch nur ein gutes Drittel der vorgemerkten arbeitslosen Personen mit Behinderung aus.

  • Arbeitslose Frauen mit Behinderung beziehen die geringsten finanziellen Leistungen.

  • Frauen mit Behinderung beziehen seltener krankheitsbedingte Pensionen als Männer mit Behinderung.

  • Ihr durchschnittlicher Leistungsbezug aus diesen Pensionen ist nur etwa halb so hoch wie der von Männern.

Damit ist bereits eine extreme Armutsgefährdung für diese Bevölkerungsgruppe der Frauen mit Behinderung anzunehmen.

Der erwähnte Mangel an vergleichbaren Zahlen zu Menschen mit Behinderung wirkt sich zu ungunsten von Frauen mit Behinderungen aus. Oft fehlen Statistiken, die nach Geschlecht differenzieren - damit wird eine potentiell vorhandene Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschleiert. In den Gesprächen mit den ExpertInnen war es nicht immer möglich, detaillierte Information auch genderdifferenziert zu erhalten. Die wenigen vorhandenen, nach dem Geschlecht unterschiedenen Daten, die oben erwähnt worden sind, stammen oft aus dem AMS-Bereich[30], und weisen auf große Unterschiede im Sinne einer potenzierten Diskriminierung hin.

Eine ausführliche Beschreibung der Situation von Frauen mit Behinderung in Deutschland gibt die Studie "Live. Leben und Interessen Vertreten - Frauen mit Behinderung".[31] Für Österreich fehlt eine entsprechend große Untersuchung zur speziellen Situation von Frauen mit Behinderung. Einzelne Studien beschäftigen sich jedoch mit speziellen Gruppen oder Aspekten des Themas:

In der Studie "Frau sein - barrierefrei"[32] wurde festgestellt, dass Frauen mit Behinderung über ihr Frau-Sein definiert sein wollen und dieselben Bedürfnisse haben wie Frauen ohne Behinderung[33], nämlich den gleichberechtigten Zugang zu allen Bereichen des öffentlichen Lebens.

Die Studie "VITA"[34] zeigt auf, wie eine lautsprachlich orientierte Gehörlosenausbildung zu Bildungsdefiziten führt. Die von gehörlosen Mädchen häufig absolvierte Ausbildung als Schneiderin ist zudem beruflich nicht umsetzbar. So waren viele der interviewten Frauen in unqualifizierten Berufen tätig oder arbeitslos.

Die Lebens- und Berufssituation von blinden und hochgradig sehbehinderten Frauen in Wien wurde 2004 in der Studie "PERSPEKTIVA"[35] untersucht. Sie beschreibt, wie auch gut qualifizierte und hoch motivierte Frauen nur schwer adäquate Arbeitsplätze erlangen. Es sind wesentlich weniger blinde und sehbehinderte Frauen erwerbstätig als gleich beeinträchtigte Männer.

In der Studie von Zemp und Pircher (1996)[36] wurden Frauen mit körperlicher, geistiger und/oder psychischer Behinderung, die in Institutionen leben, nach ihren Gewalterfahrungen befragt. Mehr als jede zweite Frau gab an, einmal oder mehrmals in ihrem Leben sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Danach sind Frauen mit Behinderung in weit höherem Ausmaß von sexueller Gewalt betroffen als Frauen ohne Behinderung.

Diese Studienergebnisse bestätigen ebenfalls die potenzierte Diskriminierung von Frauen mit Behinderung und ihre schwierige Situation im Berufsleben.



[1] Zit. in Hensle, Ulrich; Vernooij, Monika a. (2002). Einführung in die Arbeit mit behinderten Menschen 1. Psychologische, pädagogische und medizinische Aspekte. Wiebelsheim: Quelle und Mayer. S. 12f.

[2] Ebenda, S. 24f.

[3] Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten (2003). Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich. S. 10.

[4] Ebenda, S. 10.

[5] Der Begriff "lang andauernd" bezog sich dabei auf eine Zeitspanne von mindestens sechs Monaten.

[6] Statistik Austria. Mikrozensus Juni 2002. Körperlich Beeinträchtigte und Erwerbstätigkeit. Mit dem Lebensalter nimmt die Betroffenheit zu: von den 30 bis 45-Jährigen geben 9.0% eine körperliche Schädigung an, von den 45 bis 59-Jährigen bereits .2%. Im Alter zwischen 15 und 64 Jahren ist der Prozentsatz gesundheitlich geschädigter Männer durchwegs höher als jener der Frauen. Im höheren Alter ist aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung die absolute Zahl von Frauen mit Gesundheitsproblemen zwar deutlich größer als jene der Männer, der prozentuelle Anteil der davon betroffenen Männer und Frauen ist allerdings nahezu gleich. (In: Statistik Austria (2005). Statistisches Jahrbuch 2006. S. 284).

[7] Badelt, Christoph; Österle, August (1993). Zur Lebenssituation behinderter Menschen in Österreich. der Schriftenreihe des BMSG "Forschungsberichte aus Sozial- und Arbeitsmarktpolitik", Nr. 49. Zit. In: Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich. S. 11.

[8] Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich. S. 10.

[9] Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Sektion IV/7. Statistische Daten der Behinderteneinstellung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz und Angelegenheiten nach dem Bundesbehindertengesetz. Ausgabe 2005. S. 13.

[10] 2.03% - gerechnet mit dem österreichischen Bevölkerungsstand 2004: 8.174.000 Menschen. (Quelle: Statistik Austria, 2004).

[11] Ebenda, S. 1.

[12] Quelle: AMS-Statistik. Oktober 2005. Obwohl bei den Personen ohne Behinderung lt. Statistik vom Oktober 2005 etwa gleich viel Frauen und Männer als arbeitslos vorgemerkt sind (jeweils rund 105.000 Personen), spiegelt sich dieses Verhältnis bei den Menschen mit Behinderung nicht wieder: hier sind wesentlich weniger Frauen als arbeitslos vorgemerkt.

[13] Das Pflegegeld ist eine eigenständige Sozialleistung, welche unabhängig von gesetzlichen Sozialversicherungen (Vollzug der Auftragsverwaltung) aus dem Budget des Bundes finanziert wird. Es ist eine von Einkommen und Vermögen unabhängige Sozialleistung, die 12mal jährlich ausbezahlt wird. Auf die Gewährung des Pflegegeldes besteht bei Bedarf Rechtsanspruch. Die Einstufung der Höhe des Pflegegeldes erfolgt in insgesamt sieben Stufen, die sich jeweils am Ausmaß des Pflegebedarfs orientieren und die in der Einstufungsverordnung BPGG, BGBI. II, Nr. 37/1999 gesetzlich geregelt ist. Die Feststellung des Pflegebedarfes (z. B. Ausmaß an Unterstützung zum Aus- und Anziehen, bei der Körperpflege, der Zubereitung von Nahrung und der Einnahme, ...) erfolgt durch ärztliche Sachverständigengutachten, die im allgemeinen nach Hausbesuchen erstellt werden. Für die Einstufung in die Pflegstufen 1-4 ist ein vorgegebener zeitlicher Pflegeaufwand entscheidend, ab Pflegestufe 5 muss neben dem zeitlichen Aufwand noch ein zusätzliches Qualitätskriterium hinzukommen (vgl. Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten (2003). Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich. S. 152f).

[14] Ebenda, S. 158.

[15] Ebenda, S. 160.

[16] Das betrifft auch die Evaluierung von Maßnahmen. Siehe auch die "Empfehlungen" in BMSG: Evaluierung der Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung. Gemeinsamer Jahresbericht 2001/2002. S. 30.

[17] Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen und Konsumentenschutz. Evaluierung der Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung. Gemeinsamer Jahresbericht 2001/2002. S.18.

[18] Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (Sektion IV/Abteilung 7). Statistische Daten der Behinderteneinstellung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz und Angelegenheiten der Behinderten nach dem Behindertengesetz. Ausgaben 2005. S. 7: 84.903 Pflichtstellen, davon 53.010 besetzt und 31.893 nicht besetzt (Daten für 2003).

[19] Arbeiterkammer Wien. Internetseite http://wien.arbeiterkammer.at/www_397-IP-22848.html. (Stand: 6.7.2005).

[20] Lt. Statistik des Bundeskanzleramts vom 1.1.2006. In absoluten Zahlen: Pflichtzahl: 6.261, erfüllt: 4.949. Daher Erfüllung der Einstellungspflicht: -1.312.

[21] Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten. Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich, 2003. S. 14. 2001 haben behinderte Menschen durchschnittlich 152 Tage Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen, das ist um 61 Tage länger als bei nicht behinderten Arbeitslosen.

[22] Ebenda, S. 14. 2001 lag das durchschnittliche Arbeitslosengeld/ Notstandshilfe bei Menschen mit Behinderung bei monatlich 568,80 Euro im Vergleich zu 647,80 bei Menschen ohne Behinderung.

[23] Ebenda, S. 67. AMS Arbeitsmarktdaten 2001: durchschnittlicher Leistungsbezug 1. behinderter Frauen: 483,- Euro, 2. nicht behinderte Frauen: 532,- Euro, 3. behinderte Männer: 617,- Euro, nicht behinderte Männer: 641,- Euro.

[24] Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten (2003). Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich. S. 67. AMS Arbeitsmarktdaten 2001.

[25] Ebenda, S. 67.

[26] Unter dem Begriff "krankheitsbedingte Pensionen" werden zusammengefasst: Berufsunfähigkeitspension (für Angestellte), Invaliditätspension (ArbeiterInnen) und Erwerbsunfähigkeitspension (Gewerbetreibende und BäuerInnen).

[27] Pensionsversicherungsanstalt: Veränderliche Werte und Daten 2005. S. 4. Dezember 2004: 194.852 Männer und 122.728 Frauen waren BezieherInnen von Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspensionen.

[28] Ebenda, S. 5: Durchschnittspensionen Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension: Arbeiter: 950,44 Euro/Monat, Arbeiterinnen: 449,65 Euro/Monat, männliche Angestellte: 1.348,34 Euro/Monat, weibliche Angestellte 729,49 Euro/Monat.

[29] Die Begriffe "doppelte Diskriminierung" und "potenzierte Diskriminierung" zur Beschreibung der Lebenssituation von Frauen mit Behinderung werden von der Frauenforschung in der Behindertenpädagogik verwendet. Vgl. Schildmann, Ulrike; Bretländer, Bettina (Hrsg.) (2000). Frauenforschung in der Behindertenpädagogik. Systematik-Vergleich-Geschichte- Bibliographie. Ein Arbeitsbuch. Münster, Hamburg, London: Lit-Verlag.

[30] Das Prinzip des Gender Mainstreaming im AMS umfasst auch eine geschlechtsdifferenzierte Aufbereitung der internen Statistiken. Seit dem Jahr 2000 wird bei der Planung und Durchführung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Ansatz des Gender Mainstreaming im AMS umgesetzt (z. B. durch Integration einer geschlechtssensiblen Perspektive - Berücksichtigung unterschiedlicher Situationen und Bedürfnisse von Frauen und Männern - Überprüfung auf geschlechtsspezifische Wirkungen). Die Strategie des Gender Mainstreaming wird im Rahmen der Jahresziele und des ESF-Programms jeweils durch einen frauenspezifischen Schwerpunkt ergänzt. Im Bereich Arbeitsmarktförderungen werden die Förderausgaben, die geschlechtsspezifisch zuordenbar sind, ebenfalls nach Geschlecht aufgeschlüsselt (Quelle: Arbeitsmarktservice Österreich. Geschäftsbericht 2004. S. 27).

[31] Eiermann, Nicole; Häußler, Monika; Helfferich, Cornelia (2002). Live Leben und Interessen vertreten - Frauen mit Behinderung. Lebenssituation, Bedarfslage und Interessensvertretung von Frauen mit Körper- und Sinnesbehinderung. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Band 183. Stuttgart: Kohlhammer.

[32] Götzinger, Kornelia; Haider, Monika; Kreilinger, Barbara; Pauser, Norbert (2004). Frau sein - barrierefrei. Zur Lebens- und Arbeitssituation von Frauen mit Behinderung. Wien: Projektbericht.

[33] Ebenda, S. 13.

[34] Breiter Marion (2005). Muttersprache Gebärdensprache. VITA - Studie zur lebens- und Berufssituation gehörloser Frauen in Wien. Wien, Mühlheim/Ruhr: Guthmann Peterson.

[35] Witt-Löw, Kerstin; Breiter, Marion (2005). "... nicht Mitleid sondern faire Chancen!" PERSPEKTIVA - Studie zur Lebens- und Berufssituation blinder und hochgradig sehbehinderter Frauen in Wien. Wien, Mühlheim/Ruhr: Guthmann Peterson.

[36] Zemp, Ahia; Pircher, Erika (1996). Weil das alles weh tut mit Gewalt. Sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Frauen mit Behinderung. Schriftenreihe der Frauenministerin. Band 10. Wien: Bundesministerium für Frauenangelegenheiten.

3 UNTERSUCHUNGSDESIGN

Zielgruppe der Untersuchung waren Wiener Frauen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50%, größtenteils im Alter von 20 bis 50 Jahren, die vom Bundessozialamt als "begünstigt behindert" erfasst sind, die aber nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind, höchstens als geringfügig Beschäftigte.

Über diese Personengruppe ist wenig bekannt. Ein Teil ist arbeitslos gemeldet, sie sind somit Kundinnen des Arbeitsmarktservice, einige sind geringfügig beschäftigt, oder aber sie sind nicht beim AMS registriert, weder als erwerbstätig, noch als arbeitslos oder als Ausbildungsmaßnahmen befindlich.

Folgende Daten wurden vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellt, getrennt nach dem vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger erfassten Beschäftigungsstatus:

*absolute HäufigkeitenTabelle 3 Ausgangszahlen der Studie: arbeitsmarktferne Frauen und Männer in Wien mit Bescheid als "begünstigt behindert" Bundesrechenzentrum GmbH., Stichtag: 1.7.2004.

Status

Frauen

Männer

Gesamt

Nicht beim AMS registriert

558*

520*

1078*

Geringfügig beschäftigt

127

166

293

Arbeitslos/ Notstandshilfe

585

901

1486

Arbeitsmarktferne Personen Gesamt

1270

1587

2857

Um genaueres über die Lebenssituation der "nicht AMS registrierten" Frauen zu erfahren, und insbesondere mehr über ihre Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich einer möglichen Integration in den Arbeitsmarkt, wurde an alle diese 558 Frauen ein Fragebogen geschickt. Zur Herausarbeitung geschlechtsspezifischer Unterschiede und zur Erweiterung der Datenbasis wurden auch alle gleich betroffenen Männer (520) sowie alle geringfügig beschäftigten Frauen (127) und Männer (166) und jede dritte Person der arbeitslosen Frauen (195) und Männer (300) angeschrieben.

Da die Befragten Ende Dezember 2004 nach der Datenlage des Bundesrechenzentrums vom 1.7.2004 ausgewählt wurden, konnten die 3 Gruppen - nicht beim AMS registriert, geringfügig beschäftigt, arbeitslos - nicht punktgenau erfasst werden. In den Monaten zwischen Datenerhebung des Bundesrechenamtes und Fragebogen-Versendung haben vermutlich mehrere vorher arbeitsmarktferne Personen einen Arbeitsplatz gefunden und scheinen dadurch in der Auswertung der Fragebögen als Berufstätige auf.

* absolute HäufigkeitenTabelle 4 Fragebögen ergingen an ...

Status

Frauen

Männer

Gesamt

Nicht beim AMS registriert

558*

520*

1078*

Geringfügig beschäftigt

127

166

293

Arbeitslos/ Notstandshilfe

195

300

495

Angeschriebene Personen Insgesamt

880

986

1.866

Die Fragebögen wurden vom Bundessozialamt im Jänner 2005 an die Adressen geschickt, die das Bundesrechenamt zur Verfügung gestellt hatte. Die Briefe enthielten folgende Beilagen:

  • Beibrief des Wiener Bundessozialamtes - in diesem wurden die Ziele der Studie kurz beschrieben und die Anonymität für diejenigen klargestellt, die einen Fragebogen ausfüllen und zurückschicken

  • Gewinnschein - für diejenigen, die an einem Gewinnspiel teilnehmen wollten (Hauptpreis war ein Gutschein des Vital-Hotels Steirerhof in Bad Waltersdorf im Wert von 500,- Euro - die Preise wurden im März 2005 gezogen, die GewinnerInnen danach verständigt)

  • Interviewformular - für diejenigen, die bereit waren, ein Interview zu geben

  • Antwortkuverts (mit Stempel: Porto zahlt Empfänger)

Für hochgradig sehbeeinträchtigte oder blinde Personen mit Internetzugang wurde die Aussendung auf die Homepage des Instituts Sofia (www.institut-sofia.at) gestellt, um das Ausfüllen am Computer zu ermöglichen.

Insgesamt wurden 1.866 Fragebögen verschickt. Von den versendeten Postsendungen konnten insgesamt 257 nicht ausgeliefert werden und kamen mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" zum Bundessozialamt zurück. Nach Bereinigung um diese nicht zugestellten Postsendungen ergeben sich insgesamt 1.609 zugestellte Fragebögen, von denen 243 ausgefüllt zurückgeschickt wurden. Die Rücklaufquote beträgt damit 15,10%, was in Anbetracht einer schwierigen Zielgruppe, über die wenig bekannt ist, relativ hoch ist.

Der quantitative Teil der Studie basiert auf der Auswertung von 243 ausgefüllten Fragebögen (120 Frauen, 123 Männer).

Zur Vertiefung wurden 30 dieser Frauen in mehrstündigen Interviews befragt. Die von ihnen angesprochenen Hauptthemen bilden die zentralen Kapitel dieser Studie.

Empfehlungen für Maßnahmen fassen ihre Anliegen und Erkenntnisse der Studie zusammen.

Zur Abrundung der Problemlage wurden darüber hinaus 10 ExpertInnen aus folgenden Bereichen interviewt:

  • AMS[37]

  • PVA[38]

  • Bundessozialamt Wien[39]

  • Beratungsstelle DOMINO[40]

  • BBRZ[41]

  • ÖAR[42]

  • Fonds Soziales Wien[43]



[37] Interviews mit Herrn Kendlbacher, AMS Schönbrunner Straße, am 15.Juli 2005 und Frau Mag.a Appiano-Kugler, GM-Beauftragte, am 11. Juli 2005.

[38] Interview mit Frau Luger, Herrn Nadim und Frau Jungwirth am 26. Juli 2005.

[39] Interview mit Herrn HR Dr. Schuster am 21. Juni 2005, Frau Atzler, Abteilungsleiterin Stellvertreterin des Sozialservice, am 11.Juli 2005, und Herrn Dr. Tiefenbacher, am 25.Mai 2005.

[40] Interview mit Mag.a Grundstein am 21. Juni 2005.

[41] Interview mit Mag.a Schlapper, Service Arbeit und Gesundheit am 13. September 2005.

[42] Telefoninterviews mit Herrn Riha und Herrn Dr. Williams am 17. August 2005.

[43] Interview mit Frau Mag.a Matysek, Fachbereich Behindertenarbeit, Leiterin des Referats Begutachtung, und Frau Mag.a Blochberger am 27. Juli 2005.

ABSCHNITT I

4 ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN DATENANALYSE

4.1 Methodische Vorgehensweise

Der qualitative Teil dieser Studie bezieht sich auf die Auswertung von 30 strukturierten Interviews mit arbeitsmarktfernen Frauen mit Behinderung.

In der Fragebogenerhebung wurden alle Befragten um eine Rückmeldung gebeten, ob sie auch zu einem vertiefenden Interview bereit wären. Dieses Formular mit ihrer Kontaktadresse oder Telefonnummer/ Fax konnten Interessierte in dem frankierten Umschlag direkt an das Institut Sofia schicken. Insgesamt war das Interesse an einem Interview überraschend groß: 243 ausgefüllte Fragebögen wurden zurückgeschickt, dabei haben 151 Personen ihre Bereitschaft für ein Interview bekundet. Die Interviewbereitschaft der Männer war etwas größer als die der Frauen (62 Frauen, 89 Männer). Alle Personen, die trotz ihres Angebotes nicht interviewt werden konnten, bekamen vom Institut Sofia eine schriftliche Verständigung mit Dank für ihre Interviewbereitschaft.

Da das vorrangige Ziel dieser Untersuchung ist, mehr über die Lebenssituation arbeitsmarktfernen Frauen zu erfahren, wurden zunächst die 34 Frauen der Kategorie 1 "nicht AMS erfasst" kontaktiert, die Interesse an einem Interview bekundet hatten.

Sechs Frauen schieden aus, da sich herausstellte, dass sie voll berufstätig sind (3 Frauen), sich als Studentinnen noch in Ausbildung befinden (2 Frauen) oder nicht in Wien wohnhaft sind (1 Frau), und somit nicht in die Zielgruppe dieser Untersuchung fallen. Fünf Frauen konnten trotz mehrmaliger Versuche nicht erreicht werden und zwei Frauen sagten ab.

Insgesamt wurden daher 21 Frauen der Kategorie 1 interviewt. Aus der Kategorie 2 "geringfügig beschäftigt" wählten wir 4 Interviewpartnerinnen und aus der Kategorie 3 "arbeitslos" 5 Frauen.

Alle Frauen wurden von der Interviewerin kontaktiert, die dann auch das Interview durchführte. Die Verabredungen gestalteten sich teilweise schwierig, mehrmals kam es zu Verschiebungen, etwa wegen gesundheitlicher Probleme der Interviewpartnerin.

Um die Lebenssituation, Erfahrungen und Bedürfnisse arbeitsmarktferner Frauen zu erfassen und sie dabei selbst zu Wort kommen zu lassen, wurde die Methode des strukturierten Interviews gewählt. Anhand eines Interviewleitfades wurden die Bereiche Behinderung und Alltag, Berufserfahrungen und Bedürfnisse erfragt, wobei die interviewten Frauen in den einzelnen Gesprächen selbst vertiefende Schwerpunkte setzen.

Die Interviews fanden in den Monaten Mai bis August 2005 statt und dauerten durchschnittlich 2-3 Stunden. Den Ort für das Interview wählten die Interviewpartnerinnen: oft war es in ihrer eigenen Wohnung, aber es fanden auch Interviews in den Räumlichkeiten des "BBFZ-Berufsbildungs- und Forschungszentrum für Blinde und Sehbehinderte"[44] und in der Frauenberatungsstelle Wien[45] statt. Alle Interviews wurden - bis auf die Gespräche mit den stark hörgeschädigten oder gehörlosen Frauen - akustisch aufgezeichnet und thematisch geordnet transkribiert. Auszüge aus den nummerierten Interviews werden in der vorliegenden Studie zitiert. Dabei wurde darauf geachtet, persönliche Angaben so zu anonymisieren, dass die Identität der Interviewpartnerinnen nicht erkennbar ist. Die vier Interviewerinnen waren als Sozialwissenschaftlerinnen, Journalistin und Psychologin erfahren im Durchführen von Interviews, und mit der Thematik "Behinderung" vertraut. Eine Interviewerin ist selbst hochgradig sehbehindert.

Alle Interviewerinnen standen in engem Kontakt zur Projektleitung und zu den anderen Interviewerinnen. Das Sammeln ihrer spontanen Eindrücke und Gedanken war bereits Teil des Forschungsprozesses. Eine gemeinsame thematische und methodische Einschulung und zwei Interviewerinnensitzungen dienten der Abstimmung, dem Austausch und am Abschluss der gemeinsamen Hypothesenbildung. Da einige der interviewten Frauen auch konkrete Fragen und Anliegen hatten, bemühten sich die Interviewerinnen und Projektleiterinnen, ihnen die gewünschten Informationen nach Abschluss des jeweiligen Interviews zukommen zu lassen.

Parallel zu den Interviews mit den betroffenen Frauen wurden ExpertInnengespräche mit VertreterInnen von Institutionen geführt, die mit den verschiedensten Aspekten dieser Zielgruppe betraut sind. Dazu gehören: das Bundessozialamt Wien, das Arbeitsmarktservice Wien (AMS), die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und der Fonds Soziales Wien. Weitere Informationen wurden von einer Beratungsstelle für behinderte Menschen[46] gegeben, von einer Schulungseinrichtung in der Rehabilitation[47] und von einer Interessenvertretung behinderter Menschen.[48] Problematisch war, dass geschlechtsspezifisch aufbereitetes Datenmaterial nur sehr beschränkt zur Verfügung stand. Die Gespräche hatten daher teilweise aktivierenden Charakter, da sich die GesprächspartnerInnen bemühten die gewünschten Daten innerhalb ihrer Institutionen für diese Studie zusammenzustellen. Auch wenn das nur teilweise möglich war, ist zu hoffen, dass damit ein Impuls für eine zukünftige geschlechtsdifferenzierte Gestaltung der Statistiken entstanden ist.

Zu den verschiedenen Fragestellungen werden jeweils typische Aussagen von Interviewpartnerinnen zitiert. Aus Gründen des Datenschutzes wurde jedoch darauf verzichtet, die Zugehörigkeit der Zitate zu den Interviews durch Nummerierung kenntlich zu machen. Auch biografisch auffällige Details wurden verändert, um die Anonymität der Frauen zu gewährleisten.

4.2 Die Interviewpartnerinnen

4.2.1 Motivation

Unerwartet hoch war die Bereitschaft der TeilnehmerInnen der Fragebogenerhebung, sich auch für ein Interview zur Verfügung zu stellen: über 60% füllten ein Kontaktformular aus. Das wirft bereits ein Licht auf die hohe Motivation. Hier ist eine Personengruppe befragt worden, die sonst wenig zu Wort kommt, aber viel über ihre Situation zu sagen hat.

Die meisten Interviewpartnerinnen nannten als Motivation, durch die Weitergabe ihrer Erfahrungen zur Veränderung der Situation für behinderte Menschen beitragen zu können:

"Ich hab mich schon beim Fragebogen gefreut, dass ich Gelegenheit habe, auf meine Situation aufmerksam zu machen. Vielleicht ändert sich dadurch etwas für Behinderte und für Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind."

"Vielleicht kann man mir und anderen in dieser Situation helfen. Uns werden so viele Steine in den Weg gelegt, die beim Magistrat verlangen unzählige Bescheinigungen, obwohl sie wissen, dass wir nicht gescheit gehen können und kaum in die Tram reinkommen."

In der Beschreibung der Motivation klingen bereits viele bittere Erfahrungen durch. Einige der Interviewpartnerinnen befinden sich in verzweifelten Lebenssituationen und erhoffen sich durch das Interview Hilfe für sich selbst.

"Weil ich mir da erhoff, dass da was rauskommt zwecks Weiterbildung, eine Hilfe, dass ich einen Arbeitsplatz kriege, weil im August sind es dann 3 Jahre, dass ich arbeitslos bin und das ist für mich schon sehr lang."

Themen, die dann in den Interviews vertieft angesprochen werden, kommen bereits in diesen ersten Antworten zur Motivation vor: der Informationsmangel, die enttäuschenden Kontakte mit den Ämtern und besonders die frustrierenden Erfahrungen mit dem Arbeitsmarkt:

"Ich habe eine Behinderung und fortgeschrittenes Alter kommt auch noch dazu, das sind zwei Komponenten, die sich ergänzen. Ich hätte gerne einen Job und ich hab schon wirklich alles probiert, und es fällt mir nicht mehr allzu viel ein, was ich tun könnte. Es haben es ja schon gesunde Über-Vierzigjährige schwer."

"Weil ich's wichtig finde, dass man auch wenn man behindert ist, arbeiten kann, dass man diese Situation verbessert, dass man vielleicht auch 2 oder 3 Stunden arbeiten kann."

Einige Frauen sprechen auch speziell die Situationen von Frauen mit Behinderung an.

"Ich hoffe, dass sich etwas am Arbeitsmarkt für Alleinerziehende und Mütter tut."

"Dass andere sehen, welche Probleme Frauen mit Behinderung am Arbeitsplatz haben und dass man was macht für sie. Es soll Arbeitplätze für Mädchen und Frauen mit Behinderung geben und es soll Rücksicht auf sie genommen werden und sie sollen nicht unter Druck gesetzt werden."

Aber auch Aspekte der Behindertenpolitik, speziell die finanzielle Unterstützung, werden als Motivation für das Interview genannt:

"Ich glaube, dass Gelder in Österreich falsch vergeben werden. Die Öffentlichkeit hat keine Ahnung, in welchen problematischen Situationen sich die Leute wirklich befinden, die eine Behinderung haben, die was tun wollen, die man aber nicht lässt."

"Ich bin teilweise stinksauer über die Verhältnisse, wie man die Menschen mit Behinderung behandelt in Österreich, vor allem in den letzten 5 bis 6, Jahren wird's, was mir auffällt, immer extremer. Sie bekommen immer weniger, etwa an Zuschüssen, was die Leute wirklich brauchen, das ist teilweise eine Katastrophe."

Die in der Motivation angesprochenen Problemfelder werden in den folgenden Kapiteln der Studie noch ausführlich beschrieben werden. Erwähnte Bedürfnisse, Wünsche und Forderungen werden im Kapitel "Anliegen" aufgegriffen werden.

4.2.2 Zusammenfassung - Motivation der Interviewpartnerinnen (Box 1)

Die Motivationen der Interviewpartnerinnen für ihre Teilnahme an einem Interview sind:

• der Wunsch, die Situation für behinderte Menschen zu verbessern und eigene Erfahrungen weiterzugeben

• das Bedürfnis, über die eigene Situation zu sprechen und Unterstützung zu bekommen

• Botschaften an Ämter, Arbeitgeber und Gesetzgeber

• frauenspezifische Aspekte zu betonen

4.2.3 Demografische Aspekte

  1. Momentaner Status

Die Datenlage des Bundesrechenamtes, die der Auswahl der AdressatInnen des Fragebogens mit den 3 Kategorien "nicht AMS erfasst", "geringfügig beschäftigt" und "arbeitslos" zugrunde lag, erwies sich in allen Kategorien, speziell aber bei den Frauen der Gruppe "Nicht AMS erfasst" als ungenau. Das hängt u. a. mit dem oben beschriebenen Zeitraum zwischen der Datenerfassung des Bundesrechenamtes und der Aussendung der Fragebögen zusammen.

Im Gesamtbild ergibt sich bezüglich ihres realen momentanen Status folgende Verteilung:

Tabelle 5 Übersicht zum momentanen Status der Interviewpartnerinnen

Momentaner Status

AZ der Frauen

Erwerbstätig- Teilzeit oder geringfügig

3

Erwerbstätig- Vollzeit

2

Arbeitslos

10

Arbeitslos und geringfügig beschäftigt

3

Arbeitslos, z. Zt. in Beschäftigungsprojekt oder -therapie

3

Krankheitsbedingte Pension (inkl. Bevorschussung)

5

Witwenpension und geringfügig beschäftigt

1

Sozialhilfe

1

Im Haushalt tätig

2

Gesamt

30

Die größte Gruppe, mehr als die Hälfte der Interviewpartnerinnen, sind arbeitslos gemeldete Frauen. Damit sind sie Kundinnen des AMS, oft schon seit vielen Jahren. Drei dieser Frauen befinden sich in Beschäftigungsprojekten, eine absolviert zur Zeit eine AMS-Ausbildung.

Die krankheitsbedingte Pension[49] ist zumeist befristet, stellt also nicht immer einen endgültigen Ausstieg aus dem Arbeitsleben dar. Zudem befinden sich zwei Frauen nur im Stadium der Bevorschussung, was noch nicht bedeutet, dass die Pension tatsächlich genehmigt werden wird.

"Geringfügig beschäftigt" sind die interviewten Frauen zumeist neben einer anderen Einkunftsquelle, wie Arbeitslosengeld/Notstandshilfe oder einer Pension.

Die berufstätigen Frauen dieser Studie sind zwar nicht die Zielgruppe gewesen, wurden jedoch zwecks größerer Vielfalt einbezogen. Nur zwei der befragten Frauen sind in Vollzeit erwerbstätig und somit in der Lage von ihrem Einkommen auch wirklich leben zu können - eine davon nach Jahren der Erwerbsunfähigkeitspension. Drei weitere Frauen sind als Teilzeitbeschäftigte bzw. geringfügig Beschäftigte meist in finanziell prekären Situationen.

Vergleichsweise gering ist mit 2 Frauen die Anzahl derer, die ausschließlich im Haushalt tätig und durch einen Ehemann mitversichert sind.

  1. Alter

Abb 1: Altersgruppen der Interviewpartnerinnen

Auffällig ist der große Anteil an Frauen, die am Arbeitsmarkt bereits als "älter" gelten. Speziell die Gruppe der Frauen, die über 45 Jahre alt sind - in dieser Studie fast die Hälfte - hat am Arbeitsmarkt grundsätzlich Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg nach Arbeitslosigkeit.[50] Das durchschnittliche Alter der interviewten Frauen beträgt 45,1 Jahre.

  1. Lebensform

Befragt nach ihrem Familienstand antworteten die Interviewpartnerinnen:

Abb. 2: Lebensform der Interviewpartnerinnen

Von den Interviewpartnerinnen sind 20 Frauen Mütter, mit durchschnittlich 2 Kindern. Durch das hohe Durchschnittsalter der Interviewpartnerinnen bedingt sind jedoch viele dieser Kinder bereits erwachsen und leben nicht mehr im gemeinsamen Haushalt. Kinder unter 14 Jahren haben nur 4 Interviewpartnerinnen.

Die momentane Lebensform der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen stellt sich folgendermaßen dar:

Abb 3: Personen im gemeinsamen Haushalt der Interviewpartnerinnen

Etwa die Hälfte der Interviewpartnerinnen lebt somit mit einem Partner. Das kann Unterstützung bieten, es bedeutet aber auch eine stärkere finanzielle Abhängigkeit, da eigene Ansprüche - etwa Notstandshilfe - gegen das Familieneinkommen gerechnet werden. In den Interviews wird deutlich, welche Dynamik und Konflikte darin liegen.

Hoch ist auch der Anteil der allein lebenden und allein erziehenden Frauen. Durch die fehlende Integration in den Arbeitsmarkt und damit fehlende Möglichkeit der finanziellen Eigenständigkeit ist diese Gruppe fast durchgehend von Armut betroffen.

  1. Behinderung

Auffällig ist, dass sehr viele Interviewpartnerinnen (60%) multiple Beeinträchtigungen haben, die das subjektive Befinden von Behinderung enorm verstärken.

Einfache Beeinträchtigung 12 Frauen

Mehrfache Beeinträchtigung 18 Frauen

Behinderungshäufungen können etwa wie folgt aussehen: "Sehbeeinträchtigung, Epilepsie, Sarkoidose, Gehbeeinträchtigung, Neurodermitis, Konzentrationsschwäche.

In der folgenden Aufzählung werden nur die starken Beeinträchtigungen aufgenommen, einige Frauen kommen dennoch mehrfach vor.

Tabelle 6 Formen der Beeinträchtigungen der Interviewpartnerinnen

Form der Beeinträchtigung

Anzahl der Nennungen

Bewegungseinschränkung*

20

Schmerzen

12

Psychische Erkrankung (Depression, Panikattacken)

8

Atemwegserkrankungen, Allergien

6

Adipositas (starkes Übergewicht)

6

Herz/Kreislauf-Erkrankungen

1

Hörschädigung

5

Sehschädigung

5

Karzinome, Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitis C)

4

Erschöpfungszustände

3

Erkrankungen des Magen/Darmtraktes, Urogenitalbereich

3

Neurologische Erkrankungen (Multiple Sklerose, Epilepsie)

5

Lernbeeinträchtigung

2

Suchterkrankung (Alkoholismus)

1

Erkrankungen der inneren Organe (Organschäden, Schilddrüsenunterfunktion, Sarkoidose)

3

Die zahlreichen Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates gliedern sich wie folgt:

*Beeinträchtigung des Bewegungsapparates Anzahl der NennungenTabelle 7 Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates der Interviewpartnerinnen

*Beeinträchtigung des Bewegungsapparates

Anzahl der Nennungen

Beeinträchtigung der Wirbelsäule, Bandscheiben

10

nicht näher definierte Beeinträchtigung

2

Beeinträchtigung der Beine, Knie

6

Beeinträchtigung der Gelenke, Gelenksentzündungen

3

Beeinträchtigung der Hüfte

3

Beeinträchtigung der Schultern, Halswirbelsäule

4

Beeinträchtigung der Hände, Arme

2

Diese Häufung im Bereich der Bewegungseinschränkungen ist - wie auch die Auswertung der Fragebögen zeigt - auffällig und tritt oft, bei 11 Frauen, in Verbindung mit Schmerzen auf. Auch Depression, Müdigkeit, Übergewicht und Alkoholismus sind häufig in Kombination mit körperlichen Beeinträchtigungen genannt worden. Diese Zusammenhänge sind aus Studien zur Psychosomatik bekannt und werden im Kapitel "Psychosomatische Zusammenhänge" näher erläutert.

Befragt nach dem Alter beim Auftreten der Behinderung ergibt sich bei den Interviewpartnerinnen folgendes Bild:

Kindheit (bis 14 Jahre) 11 Frauen

Jugend (15 bis 25 Jahre) 5 Frauen

26 bis 35 Jahre 5 Frauen

36 bis 40 Jahre 7 Frauen

Über 45 Jahre 2 Frauen

Das Alter des Erstauftretens der Behinderung bestimmt, welche Lebensabschnitte mit der Beeinträchtigung bewältigt werden mussten. So musste gut ein Drittel bereits die Schulzeit mit Handikap durchlaufen, gut die Hälfte hatte im Alter des Berufseinstiegs eine Beeinträchtigung. Auffällig hoch ist jedoch mit knapp der Hälfte der interviewten Frauen auch die Zahl derer, bei denen die Behinderung erst im Erwachsenenalter und damit zumeist während des Berufslebens einsetzt.

Obwohl viele Interviewpartnerinnen aufgrund ihrer Krankheiten große Probleme bei der Bewältigung des Alltags haben, erhält nur eine einzige Interviewpartnerin Pflegegeld - dabei handelt es sich um eine blinde Frau. Auch die Fragebogenauswertung ergab, dass wenige der Befragten Pflegegeld erhalten - Frauen noch seltener als Männer.

  1. Berufswege

  • Schulausbildung

Die höchste erreichte Schulbildung stellt sich bei den Interviewpartnerinnen wie folgt dar, in Klammern steht die Anzahl derjenigen Frauen dieser Gruppe, die bereits in der Kindheit mit einer Behinderung gelebt haben:

Pflichtschulabschluss 8 Frauen (5)

Abgeschlossene Lehre u. ä. 14 Frauen (5)

Matura 7 Frauen

Universitätsabschluss 1 Frau (1)

Auffällig ist hier, dass die Interviewpartnerinnen, die bereits in ihrer Kindheit massive Beeinträchtigungen hatten, einen deutlich geringeren Schulabschluss erreichten, als die Frauen, bei denen die Behinderung erst später aufgetreten ist. Ausnahme ist eine Interviewpartnerin, die ihr Studium mit Hörbeeinträchtigung bewältigt hat.

Das Bildungsniveau der Interviewpartnerinnen entspricht in etwa dem der österreichischen Gesamtbevölkerung. [51] Nimmt man nur die Frauen, die ihre Schulbildung noch ohne Behinderung absolviert haben, dann liegt ihr Bildungsschnitt sogar über dem österreichischen Bildungsstand. Es ist daher anzunehmen, dass die für diese Studie interviewten Frauen in Relation zur Gesamtgruppe der arbeitsmarktfernen Frauen mit Behinderung wahrscheinlich eine überdurchschnittlich gute Schulausbildung haben.

  • Letzte Berufstätigkeit

Alle Interviewpartnerinnen waren in ihrem Leben, wenn auch unterschiedlich intensiv, berufstätig - arbeitsmarktfern heißt für diese Gruppe also nicht, dass sie nie im Arbeitsleben gestanden sind. Viele der Interviewpartnerinnen haben in ihrem Berufsleben mehrere Berufe ausgeübt. Mit ihrer Lehrausbildung haben die zuletzt ausgeübten Berufe jedoch oft nichts mehr gemein. So haben etwa 5 Interviewpartnerinnen eine Friseurlehre absolviert und 3 eine Ausbildung zur Schneiderin - sie alle waren oft nur kurz in diesen Berufen tätig und sind danach zumeist in unqualifizierten Jobs im Einzelhandel oder in der Reinigung gelandet. Damit haben sie einen für weibliche Berufswege typischen Verlauf der Dequalifizierung, oft nach kindbedingten Unterbrechungen, genommen. Werden die zuletzt ausgeübten Berufstätigkeiten betrachtet, ergibt sich folgendes Bild:

* davon eine Frau in LeitungspositionAbb. 4: Zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit der Interviewpartnerinnen

Trotz einer auf die Gesamtbevölkerung bezogen durchschnittlich guten Schulausbildung sind die zuletzt ausgeübten Berufe somit oft im niedrig qualifizierten Bereich. Viele dieser Berufe erfordern körperlichen Einsatz (Einzelhandel, Arbeiterin, Reinigung) und sind somit schwer oder gar nicht mit körperlichen Behinderungen bewältigbar.

  • Abwesenheit vom Arbeitsmarkt

Abb. 5: Abw esenheit vom Arbeitsmarkt der Interview partnerinnen

In diese Statistik sind auch die zwei Frauen aufgenommen worden, die zur Zeit in AMS-geförderten befristeten Beschäftigungsprojekten arbeiten - ob sie nach Ablauf der Projektzeit den Schritt in den regulären Arbeitsmarkt schaffen, ist noch unklar.

Nicht in dieser Statistik vertreten sind folgende sieben Frauen: Zwei von ihnen sind geringfügig beschäftigt und nicht arbeitslos gemeldet, eine Frau ist in unbefristeter Beschäftigungstherapie, zwei arbeiten Vollzeit, eine ist in Teilzeit selbständig und eine Frau hat einen befristeten Teilzeit- Dienstvertrag.

Auffällig ist an dieser Aufstellung, dass viele der Frauen bereits sehr lange vom Arbeitsmarkt entfernt sind. "Arbeitsmarktfern" heißt für viele der Interviewpartnerinnen dieser Studie somit meist ungewollte Langzeitarbeitslosigkeit.

4.2.4 Zusammenfassung - Die Interviewpartnerinnen (Box 2)

Der Schritt vom Fragebogen zum Interview scheint wesentlich kleiner, als der, überhaupt an einer Befragung teilzunehmen. Während die Rücklaufquote des Fragebogens bei gut 15% liegt, waren von den TeilnehmerInnen der Fragebogenerhebung über 62% zu einem Interview bereit.

Bereits auf die Fragebogenerhebung haben Menschen mit Behinderungen geantwortet, die eine bestimmte Auswahl dieser Gruppe "arbeitsmarktfern" darstellen. So sind Frauen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung kaum vertreten. Da einige Fragen des Fragebogens auf die frühere Berufstätigkeit und Ausbildungserfahrungen und -wünsche abzielen, scheinen sich Personen besonders angesprochen gefühlt zu haben, die eine Reintegration ins Berufsleben anstreben und arbeitslos gemeldet sind.

Für die Interviewpartnerinnen dieser Studie ergibt sich folgendes Bild:

• Das Durchschnittsalter ist mit 45.1 Jahren relativ hoch.

• Fast alle Frauen waren einmal, wenn auch unterschiedlich intensiv, beruflich integriert.

• Viele haben Kinder, die jedoch oft schon erwachsen sind.

• Etwa die Hälfte lebt mit einem Partner.

• Mehr als die Hälfte der Frauen hat multiple Beschwerden, die meisten Beeinträchtigungen sind im Bewegungsapparat.

• Viele Frauen waren zuletzt im niedrig qualifizierten Bereich tätig.

• Die Kombination von Alter, geringer Qualifikation und körperlichen Beeinträchtigungen führt zu geringen Chancen am Arbeitsmarkt - viele der Frauen zählen zu den Langzeitarbeitslosen.

4.3 Typologie exemplarischer weiblicher Lebensläufe

Unterscheidungen und Zusammenfassungen kann man nach den verschiedensten Merkmalen machen: Altersgruppen, Behinderungsarten, Berufshintergrund u. ä. Im folgenden wird die Zusammenfassung oder "Typologie" auf die momentane Lebenssituation bezogen, die im Mittelpunkte des Forschungsinteresses der Studie steht. Abgeleitet aus dieser Situation unterscheiden sich auch die Empfehlungen für Interventionen zur Verbesserung der Lebenssituationen der jeweiligen Frauen. Die folgenden Beschreibungen sind fiktiv und setzen sich aus Elementen der verschiedenen Interviews zusammen.

4.3.1 TYP 1 "Alles kommt zusammen" (Vielfältig benachteiligt und belastet)

Fallbeispiel

Frau X ist 46 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem fast erwachsenen Sohn und einem kleinen Hund. Aufgewachsen ist sie in Niederösterreich, mit mehreren Geschwistern, in einem einfachen Elternhaus. Seit Geburt hat sie ein Hüftleiden und hinkt dadurch etwas. Sie hat in ihrer Kindheit viel Spott erlitten und wurde vom Vater häufig geschlagen. Nach der Pflichtschule begann sie in einer Fabrik zu arbeiten, wurde mit 18 erstmals schwanger und hat geheiratet. Sie hat insgesamt 3 Kinder, nur ihr fast erwachsener Sohn wohnt noch mit ihr. Ihre Kinder erlebt sie als wenig unterstützend. Seit 10 Jahren ist sie geschieden, ihr Ex-Mann ist Alkoholiker, gewalttätig, zur Zeit ist auch er arbeitslos. Sie bekommt daher keinen Unterhalt von ihm und auch keinen Unterhaltsvorschuss.

Zuerst hat sie in der Fabrik gearbeitet, dann aufgrund von Schwangerschaften mehrere Jahre unterbrochen. Es folgten Jobs in der Reinigung, zuletzt war sie Supermarktkassiererin. Körperliche Beschwerden tauchten früh auf, ihr Hüftleiden hat sich stetig verschlechtert, dazu kommen Rückenschmerzen. Sie hat mehrmals Jobs gewechselt, weil sie die Belastung nicht ausgehalten hat. Mit 40 Jahren musste ihr rechtes Hüftgelenk operiert werden und sie verlor aufgrund des Krankenstandes ihren letzten Arbeitsplatz. Inzwischen plagen sie oft Schmerzen und immer wieder Depression.

Sie ist körperlich nicht leistungsfähig, es gibt oft Tage, an denen es ihr sehr schlecht geht. Dazu kommt starkes Übergewicht.

Beim AMS ist sie als Langzeitarbeitslose vermerkt. Zweimal hat sie bei Bewerbungstrainings teilgenommen, die jedoch keinen Erfolg zeigten. Sie wurde ermutigt, um Erwerbsunfähigkeitspension anzusuchen, diese wurde aber nicht bewilligt.

Frau X lebt in einer kleinen, sehr bescheiden eingerichteten Gemeindewohnung, die finanzielle Armut ist überall spürbar. Sie spart an der Qualität der Ernährung, hat Kontakt zu nur wenigen Menschen. Einen Urlaub konnte sie sich schon seit vielen Jahren nicht mehr leisten. Sie hat keinerlei finanzielle Rücklagen und fürchtet daher unerwartete Belastungen wie etwa eine kaputte Waschmaschine oder einen Heizungsdefekt, die für sie eine finanzielle Katastrophe darstellen würden. Diese Situation verursacht permanenten Stress.

Zehn der Interviewpartnerinnen lassen sich diesem "Typ" zuordnen, der sich dadurch auszeichnet, dass die körperliche Behinderung in Kombination mit einer rundum unterpriviligierten Lebenssituation auftritt. Dabei beeinflussen und verstärken sich die verschiedenen Komponenten wie Armut, Gewalterfahrungen, schlechte Ausbildung, Isolation mit der körperlichen und psychischen Behinderung gegenseitig.

Frauen dieses Typs benötigen niederschwellige und ganzheitlich lebensumfassende Interventionen und Hilfen, bevor sie wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

4.3.2 TYP 2 "Unterstützt durch das Umfeld"

Fallbeispiel

rau Y ist 47 Jahre. Sie lebt mit ihrem Ehemann in einer kleinen Wohnung, die geschmackvoll aber bescheiden eingerichtet ist.

Nach ihrem Pflichtschulabschluss hat sie eine Ausbildung als Friseurin absolviert, geheiratet, und bis zur Geburt ihres ersten Kindes in dem Beruf gearbeitet. Ihre beiden Kinder sind inzwischen erwachsen und Frau Y ist bereits Großmutter. Nach mehreren Jahren der kinderbedingten Berufsunterbrechung hat sie eine Fortbildung zur diplomierten Ordinationshilfe absolviert und einige Jahre Teilzeit in einer Arztpraxis gearbeitet. Vor 4 Jahren entdeckte sie einen Knoten in ihrer Brust. Seit einer Lymphknotenentfernung und Brustoperation vor 5 Jahren ist ihr rechter Arm beeinträchtigt. Durch die lange Zeit der Krankheit kam es zu einer Kündigung, seitdem ist sie arbeitslos.

Ihre Familie erlebte sie in der Zeit der Krankheit und auch danach unterstützend. Finanziell ist es allerdings knapp. Ihr Mann verdient gerade soviel, dass Frau Y keine Notstandshilfe mehr bekommt. Jede Reparatur reißt Löcher in die Haushaltskasse, auf Urlaub waren sie die letzten Jahre nicht mehr. Diese Situation belastet Frau Y. Gerne würde sie wieder Teilzeit arbeiten, aber in ihrem Alter und mit der körperlichen Beeinträchtigung gibt es keine Angebote.

Frau Y betreut regelmäßig ihre Enkeltochter und engagiert sich in der Pfarrgemeinde.

14 Frauen haben wir diesem Typus zugeordnet, der sich dadurch auszeichnet, dass die Interviewpartnerinnen in ein familiäres Umfeld eingebettet sind, das eine finanzielle und emotionale Ressource darstellt. Unterstützung kommt meist von Partnern, bei manchen auch von Eltern, Kindern oder Geschwistern. Aber auch die Interviewpartnerinnen selbst unterstützen Menschen ihrer Umgebung. Das Herausfallen aus dem Berufsleben wird jedoch als belastend erlebt, weil es oft eine Armutsgefährdung nach sich zieht.

Frauen dieses Typus bräuchten Arbeitsmarktangebote, die ihre eingeschränkte Arbeitsfähigkeit berücksichtigen und doch finanziell attraktiv sind. Fatal wirkt sich in dieser Gruppe aus, dass eigene Ansprüche, wie etwa die Notstandshilfe, gegen das Einkommen des Ehemannes aufgerechnet werden. Dadurch verringert sich das Familieneinkommen dramatisch und es kommt zu einer völligen finanziellen Abhängigkeit vom Partner, eine emotional belastende Konstellation.

4.3.3 TYP 3 "Plötzlich ist alles anders" (Mit plötzlicher Veränderung konfrontiert)

Fallbeispiel

Frau Z ist 41 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann in einer geräumigen aber etwas verwahrlosten Wohnung.

Ihre berufliche Entfaltung und ihre finanzielle Unabhängigkeit waren Frau Z immer wichtig. Nach der Matura hat sie im künstlerischen Bereich gearbeitet, mit befristeten Anstellungen oder Werkverträgen bei den verschiedensten Arbeitgebern

Mit ihrem Mann strebte sie eine gleichberechtigte Partnerschaft an, beide verband ein großer Freundeskreis, gemeinsame Freizeitaktivitäten und das Interesse an Reisen.

Vor 3 Jahren erlitt sie einen Autounfall. Mehrere Operationen folgten, zusätzlich hat sie Krankenhausinfektionen erlitten, sie war mehrere Monate in medizinischer Rehabilitation. Inzwischen ist ein Bein fast steif und verkürzt und sie geht unsicher. Ihre frühere Tätigkeit scheint damit nicht mehr möglich zu sein. Sie hat Schwierigkeiten beim Gehen, auch die Hausarbeit fällt ihr schwer.

Unsicher ist, wie ihr Leben weiter verläuft - alles was es früher ausgemacht hat, scheint verloren. Sie erhält keine Notstandshilfe. Das Einkommen des Mannes sichert zwar im Moment die Existenz der beiden, aber der gewohnte Lebensstandard ist sehr eingeschränkt. Frau Z fragt sich, wie lange der Ehemann noch bei ihr bleiben wird. Auch der Freundeskreis hat sich sehr eingeschränkt. Sie ist oft deprimiert.

Sechs Interviewpartnerinnen haben wir diesem Typ zugeordnet. Deren beruflicher Hintergrund ist sehr unterschiedlich, meist aber qualifiziert und basiert auf einer guten Schulausbildung. Durch eine plötzlich auftretende Behinderung (durch Unfall oder Krankheit) gerät das bisherige Lebenskonzept völlig durcheinander, sie fallen aus alten Bezugssystemen heraus.

Frauen dieses Typus brauchen für die Neuorientierung psychische Hilfe und konkrete Angebote für die berufliche Rehabilitation.



[44] BBFZ - Berufsbildungs- und Forschungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, Hägelingasse 3, 1140 Wien, www.bbfz.at.

[45] Verein Frauen beraten Frauen, Seitenstettengasse 5/7, 1010 Wien, www.frauenberatenfrauen.at.

[46] Domino - Zentrum für Kompetenzen, Wassergasse 2, 1030 Wien, www.zfk.at.

[47] BBRZ, Geiselbergstraße 26-32, 1120 Wien, www.bbrz.at.

[48] ÖAR - Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Stubenring 2/1/4, 1010 Wien, ww.oear.or.at.

[49] Krankheitsbedingte Pensionen umfassen laut PVA: Berufsunfähigkeitspension (Angestellte), Invaliditätspension (ArbeiterInnen) und Erwerbsunfähigkeitspension (Gewerbetreibende und Bauern).

[50] Im Jahr 2002 waren in der Altersgruppe "über 45" mit 14.883 Personen die meisten Arbeitssuchenden. Im Vergleich: 15 bis 24-Jährige: 1.877 Personen, 25 bis 44-Jährige: 14.279 Personen. (Quelle: Dyk, Irene (2003). Arbeitsmarktchancen für Menschen mit Behinderungen. Linz: Projektbericht. S. 18. http://www.sozialplattform.at/publikationen/armut-leseheft 2004.pdf. [Stand: November 2005]).

[51] Statistik Austria. Mikrozensus von 2003. (www.statistik.at ). Pflichtschule: 30.3 %, Lehre: 35.8%, Fachschule: 10.6%, Höhere Schule: 15.8%, Hochschule: 7.5%.

5 ZENTRALE THEMEN DER QUALITATIVEN DATENANALYSE

Inhaltsverzeichnis

5.1 Alltag - Das Leben mit Behinderung

"Das Schlimmste ist, dass man mir meine Schmerzen nicht ansieht."

5.1.1 Körperliche Schädigung, Beeinträchtigungen und Behinderung

Das Spektrum der körperlichen Schädigungen der Interviewpartnerinnen ist groß. Schädigungen am Bewegungsapparat, chronische Krankheiten, Sinnesschädigungen bedingen individuell die unterschiedlichsten Leidenserfahrungen und Krankheitsgeschichten. Gerade diese Vielfältigkeit macht jede Geschichte so einmalig und wenig vergleichbar, was auf der Ebene der innerpsychischen Verarbeitung zu Gefühlen des Allein-Seins mit der körperlichen Behinderung, führen kann (siehe auch Kapitel 5.2 "Identität"). Dies ist ein Faktor für den Mangel an Interessensvertretung und Lobbying für diese Bevölkerungsgruppe. Frauen werden dabei aber auch zu Expertinnen ihres eigenen Körpers, entdecken psychosomatische Zusammenhänge oder auch Auswirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten.

"Es ist sehr schwierig, wenn ich zu viel tue oder nicht ordentlich esse, bin ich wieder krank."

"Es geht auch auf die Seele, diese Krankheit ist vor allem nervlich bedingt und die löst alles aus. Ich kann zum Beispiel im Berufsleben nicht mehr 100% leisten, weil es mir dann wieder schlecht gehen würde."

"Mein Gewicht ist durch die ganzen Medikamente und durch 30 Jahre Cortisonkonsum so hoch, und es kann auch nicht mehr runtergehen."

Auf der Ebene der Beeinträchtigungen, beziehungsweise Aktivitäten nach der WHO-Definition, ergeben sich trotz der individuell unterschiedlichen Leidensgeschichten Gemeinsamkeiten. So berichten viele Frauen von:

  • körperlichen Beeinträchtigungen beim Heben, Bücken, Tragen, Stiegen steigen u. ä.

"Ich kann mich nicht hoch strecken. Staubsaugen z. B. geht nicht, alles körperlich Anstrengende geht nicht gut."

  • Wahrnehmungsbeeinträchtigungen bei Seh- und Hörschädigungen

"Ich kann Lautsprecher nicht verstehen, nicht telefonieren. Bei Verstärkern bekomme ich Kopfweh, ich kann keine Diktiergeräte abhören, bei Diskussionen kommt es auf die Personenzahl an."

  • Kurzatmigkeit und Schwindel

"Ich krieg sehr schlecht Luft. Es kommt darauf an, wie das Wetter ist und bei körperlicher extremer Anstrengung, da kann ich dann überhaupt nichts mehr machen, durch das Asthma."

  • Rasche Ermüdung und Konzentrationsschwächen

"Die kognitiven Fähigkeiten sind beeinträchtigt. Ich ermüde sehr rasch, die Konzentration lässt nach, ich bekomme auch Probleme mit den Augen und mit Schwindel."

Auf der Ebene der Benachteiligungen beziehungsweise der sozialen Teilhabe ähneln sich die Beschreibungen der Hindernisse. Alle Interviewten gaben hier oft ausführliche und häufig auch sehr emotionale Antworten. Besonders häufig wurden die Hindernisse im Bereich Mobilität und dabei insbesondere die (mangelnde) Zugänglichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel genannt, und die negativen Reaktionen der menschlichen Umwelt.

Folgende Bereiche werden häufig erwähnt:

  1. Hindernisse bei der Bewegung im öffentlichen Raum

"Baustellen machen mir sehr zu schaffen. Weil ich viel mit dem Gehör gehe, nehme ich dann die Autos nicht mehr wahr." (sehbeeinträchtigte Frau)

  1. Zugänglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel

"Die alten Straßenbahnen und Busse sind eine Katastrophe für mich, ich komme da nicht rein."

"Es sind so viele Sachen die beschwerlich sind: die depperte Rolltreppe ist außer Betrieb, der Lift auch - wenn ich endlich oben bin, bin ich fertig. Und dann hast du nicht einmal die Möglichkeit, dich irgendwo hinzusetzen."

  1. öffentliche Toiletten

"Die Möglichkeit aufs WC zu gehen ist ein Hindernis. Die öffentlichen Toiletten sind verschmutzt oder zu. Ich hab zwar den Euroschlüssel [52] , aber der sperrt nicht bei den Straßenbahnen und U-Bahnen."

  1. Reaktionen der Umwelt

"Es ist traurig, wenn du heute mit Krücken gehst oder humpelst, die Leute ignorieren das. Andererseits brauche ich auch kein Mitleid."

"Ich versuche ohne Krücken zu gehen. Dumm angemacht bin ich aber schon oft worden wegen meinem Gang."

"Als Hindernis kommt mir entgegen, dass man von jedem angeschaut wird. Wenn du sagst, du hast eine Behinderung, dann bist irgendwie aussätzig, also ich will nichts mehr mit dir zu tun haben."

"Die Leute sind of unfreundlich und ungeduldig. Viele Leute glauben, dass ich eine andere Sprache spreche." (gehörlose Frau)

"Wenn man eine Behinderung hat, wie ich, dann fühlt man sich zurückgestoßen. In einer Runde, z. B. mit meinen Kindern, sitze ich daneben und fühl mich oft wie ein Trottel. Überhaupt mit anderen Menschen, deswegen bin ich meistens zu Hause." (hörgeschädigt Frau)

Als weitere Bereiche der Benachteiligung werden der fehlende Arbeitsplatz und eingeschränkte Freizeitaktivitäten genannt.

Die beschriebenen Benachteiligungen beziehen sich auf die Bereiche Mobilität, Anerkennung und soziale Integration, Kommunikation und Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben. Barrierefreiheit, wenn es um die Mobilität und um die Zugänglichkeit öffentlicher Einrichtungen geht, ist somit eine wichtige Grundvoraussetzung für die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die bisher noch nicht erreicht ist.[53] Ebenso deutet die häufig beschriebene Ignoranz und Rücksichtslosigkeit der Mitmenschen darauf hin, dass Integration bislang nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen wird, die alle betrifft.

5.1.2 Sichtbar - Unsichtbar

In einer besonderen Situation befinden sich die Frauen, deren Behinderung nicht sichtbar ist. Sie spüren zwar ihre Beeinträchtigungen, müssen aber in einer Umwelt agieren, die diese Beeinträchtigungen nicht wahrnimmt oder sogar in Frage stellt.

"Ich komme mir unverstanden vor, denn man sagt mir, es kann doch nicht so schlimm sein. Denn von außen schau ich aus wie ein schöner roter Apfel, aber innen schaut es ganz anders aus."

Oft werden im Bereich der unsichtbaren Beeinträchtigung Schmerzen genannt, unter denen 12 Frauen, also mehr als ein Drittel der Interviewpartnerinnen, leiden:

"Das Schlimmste ist ja, dass man mir meine Schmerzen nicht ansieht. Wenn's schon im engsten Kreis (Mutter) nicht ernst genommen wird, das setzt sich im Beruflichen fort. (...) Am AMS hat es geheißen: Ich kann Sie nicht vermitteln, aber Sie schauen eigentlich eh nicht schlecht aus!"

"Bei Schmerzen ist es schwer, sich bei Ärzten, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten glaubhaft zu machen. Nur wenn sie sehen, wenn man einknickt oder es sonst sichtbar wird. Man glaubt schon, dass man hypochondrisch ist. Es dauert sehr lange, bis die Ärzte darauf reagieren und etwas gemacht wird."

"Früher habe ich gegen die Schmerzen wegen meinem Arbeitsdruck nur Pulver genommen und habe die Signale des Schmerzes nicht wahrgenommen und ihn unterdrückt. Zuhause habe ich erst gelernt, auf meinen Körper zu hören."

"Wenn man ständig Schmerzen hat, dreht man einmal durch. Ich habe nicht eine Stunde ohne Schmerzen."

Das gesellschaftliche Bild von Behinderung mit dem Symbol des Rollstuhlfahrers reagiert nur auf sichtbare und massive Beeinträchtigungen, bei denen Rücksichtnahme zumindest geboten erscheint. Kaum eine der für diese Studie interviewten Frauen entspricht jedoch diesem Bild. So müssen viele Frauen darum kämpfen, mit ihren Beeinträchtigungen anerkannt zu werden. Gleichzeitig erleben sie aber die Benachteilungen durch Barrieren der Umwelt.

5.1.3 Tagesablauf

Schilderungen von typischen Tagesabläufen beschreiben zumeist Tätigkeiten und Abläufe in der häuslichen Wohnung, wie das tägliche Einkaufen und Kochen. Die meisten Interviewpartnerinnen sind allein (7 Frauen) oder größtenteils allein (13 Frauen) für die Hausarbeit verantwortlich, fünf Frauen bezeichnen die Aufteilung der Hausarbeit als "Halbe-Halbe" mit dem Partner oder einem erwachsenen Kind, nur eine Frau beschreibt sich als wenig aktiv in der Hausarbeit. Die meisten Frauen fühlen sich trotz Schmerzen oder körperlicher Einschränkungen für die Hausarbeit zuständig: so wird oft die Mithilfe des Partners positiv als Unterstützung genannt, wenn auf Grund der Behinderung gewisse Tätigkeiten besonders erschwert sind, wie Fensterputzen oder Einkaufen.

Auffällig ist ebenfalls, dass die sozialen Kontakte in vielen Schilderungen begrenzt sind. Wichtig ist in den Beschreibungen die unmittelbare Familie, ein Partner, Eltern oder Kinder, sowie Haustiere. Arbeitslosigkeit und Armut schränken den Radius ein und viele körperliche Behinderungen verstärken diese Tendenz zusätzlich. So beschreiben einige Interviewpartnerinnen, dass bereits der normale Alltag sie anstrengt und sie zum Ausruhen zwingt. Das schränkt die außerhäuslichen sozialen Kontakte, die nicht durch das Zusammenleben entstehen, noch zusätzlich ein. Befragt, ob sie ausreichend nahe Kontakte zu anderen Menschen haben, antworten 17 Interviewpartnerinnen mit "Ja", aber fast die Hälfte, nämlich 13 Frauen mit "Nein". Gute, meist langjährige Freundinnen werden als wichtiger Kontakt gesehen.

Die Isolation und die fehlende Struktur im Tagesablauf beschrieben folgende Interviewpartnerinnen:

"80% meiner Zeit verbringe ich zuhause, wenn mal wer auf einen Kaffee kommt, ist das schon ein Highlight. Ich bin da total in einer vielleicht selbst gewählten Isolation (...) Ich sitze am Computer und informiere mich über Reisen, die man gern gemacht hätte, wenn man das Geld und die Mobilität hätte."

"Ich muss mich aufraffen, täglich die Wohnung zu verlassen, sonst versumper ich hier."

"Es ist trostlos. Aufstehen, frühstücken dann den Haushalt machen, dann schauen, dass man ein bisserl an die Luft kommt, dann schauen, was kann ich kochen, dann kochen, essen und dann kommt das große Loch. Das ist der Nachmittag. Morgen geht's mir gut, morgen hab ich am Abend Dienst im Theater (Anmerkung: geringfügige Beschäftigung). Da muss ich mich herrichten, das gibt dem Einerlei in dieser Trostlosigkeit Aufschwung. Da geht es nicht so sehr um das bisserl, das ich dabei verdiene, da geht's darum, man ist raus, man hat Kommunikation und Kontakte, man kommt aus dieser Trostlosigkeit, diesem Grau heraus."

Deutlich wird in diesem letzten Zitat, wie wichtig Arbeit als Sinngebung und für die soziale Integration ist.

Viele Interviewpartnerinnen haben die Interviewsituation als angenehme Abwechselung ihres Alltags erlebt und sich am Ende des Gesprächs für die Aufmerksamkeit bedankt.

Die strukturiertesten Tagesabläufe mit genauen Zeitangaben haben die wenigen berufstätigen Interviewpartnerinnen und die Mütter von (Schul)kindern.

Sowohl Ämterwege wie auch die medizinische Versorgung gestalten sich zeitaufwändig und bestimmen viele Tagesabläufe:

"(...) Arztbesuche, viele organisatorische Dinge, Rezepte bewilligen lassen, zur Krankenkasse, zum AMS gehen, oder am Nachmittag zur Therapie oder zur Psychotherapie, das ist alles anstrengend."

Mehr dazu auch im Kapitel 5.4 "Ämter".

5.1.4 Unterstützung und Hilfsmittel

13 Frauen geben an, zur Bewältigung des Alltags Unterstützung zu benötigen. Die Angaben beziehen sich dabei zumeist auf Haushaltstätigkeiten, besonders Einkaufen und (Fenster)putzen. Als unterstützende Personen werden der Partner, aber auch Freundinnen, Nachbarinnen, Eltern und Kinder genannt. Nur 4 Frauen haben eine bezahlte Hilfe (Putzfrau, Haushaltshilfe, Heimhilfe).

16 Frauen verneinen diese Frage nach Unterstützungsbedarf, beschreiben aber häufig, wie schwer es ihnen fällt, den Alltag ohne Unterstützung bewältigen zu müssen:

"Nein, ich mache alles selbst. Wenn ich einen guten Tag habe, trau ich mich zu fragen. Derzeit geht es mir aber psychisch nicht gut, da lasse ich meinen Einkaufskorb einfach stehen und gehe wieder, wenn ich etwas nicht finde." (sehbeeinträchtigte Frau)

"Fensterputzen (...), Aufräumen, Waschen, Putzen - das geht sehr an die Substanz. Ich nehme dann nicht dreimal am Tag die Medikamente, sondern ich nehme sie dann zwischendurch auch, wenn's extrem wehtut."

Unterstützung durch Hilfsmittel erwähnen nur wenige Frauen. Vier Frauen verwenden Krücken, bzw. einen Stock - alle haben dieses Hilfsmittel privat bezahlt. Die Hörgeräte und Sehbehelfe sind teils von der Krankenkasse, teils selbst finanziert. In den Schilderungen der Frauen entsteht der Eindruck, dass wenig Wissen über Ansprüche und Förderungen existiert.

"Bis jetzt zahlt die Pensionsversicherung meine Hörgeräte. Die Krankenkasse zahlt einen Minimalbetrag, den Rest die PVA, warum weiß ich ehrlich gesagt nicht. Dafür brauchte ich aber einen Brief vom HNO-Arzt, der meine Erkrankung betonte. Ich brauche die Geräte, um den Alltag mit zwei kleinen Kindern zu bewältigen."

"Ich zahle mir selbst die Steh- und Sitzhilfe, das andere die Pensionsversicherung. Warum wer was zahlt, ist für mich absolut nicht durchschaubar."

"Es zahlt dir kein Mensch irgendwas. (...) Ich bezahle mir die Krücken und die Schuh-Besohlung selbst. Es gibt keinen Krankenkassenzuschuss, nur eine geringe Absetzbarkeit im Jahresausgleich. Auch die teuren Ersatz-Stützstrümpfe musste ich selbst zahlen."

Zwei Frauen berichten von der Notwendigkeit eines barrierefreien Badezimmers mit einer Dusche statt einer Badewanne. Eine Interviewpartnerin hat sich diesen Umbau "selbst zusammengespart", die andere Interviewpartnerin möchte von ihrer Interviewerin entsprechende Informationen für Förderungen. Die hohen, privat aufzubringenden Kosten für Hilfsmittel treffen eine Gruppe, die nur wenig eigenes Geld zur Verfügung hat und kaum über Förderungsmöglichkeiten Bescheid weiß.

Positiv wurde von einer blinden Interviewpartnerin die Ausstattung mit einem PC samt Lesegerät, Drucker, Scanner und Sprachausgabe vom Bundessozialamt erwähnt.[54] Eine Interviewpartnerin führt aus, dass für gehörlose und schwerhörige Menschen Computer und die Übernahme der monatlichen Kosten für Datenmengen zeitgemäßer wären als die zur Zeit übliche Förderung von Schreibtelefonen und monatlichen Telefongebühren.

5.1.5 Unterstützung geben

Auch wenn viele der interviewten Frauen selbst Unterstützung benötigen, schildern doch fast alle, dass auch sie andere unterstützen. Häufig werden die Partner und Kinder genannt, aber auch die eigenen alten Eltern, ältere oder kranke Nachbarinnen und Freundinnen. Dabei sind zumeist Betreuungsarbeit und Haushaltstätigkeiten gemeint, aber auch die emotionale Unterstützung.

"Voriges Jahr war der Schwiegervater im Burgenland zu pflegen. (...) Eine alte Frau aus dem Haus betreue ich täglich und gehe für sie einkaufen und erledige auch andere Wege für sie - Nachbarschaftshilfe sozusagen."

"Meinen Mann, meine Kinder und eine Tante und etliche Leute, die ich vor allem seelisch unterstütze, ich habe ein offenes Ohr für viele."

Im privaten Rahmen, im familiären Umfeld und in der Nachbarschaft übernehmen damit diese Frauen einen großen Teil der gesellschaftlichen wichtigen, wenn auch zumeist unbezahlten Arbeit. Nur wenige Frauen erhalten für Einkäufe, Besuche u. ä. ein kleines, privat gezahltes Taschengeld. Eine Frau ist im Besuchsdienst der Caritas geringfügig beschäftigt, und leistet somit bezahlte Unterstützungstätigkeit.

Folgende AdressatInnen der Unterstützungsarbeit, außerhalb der unmittelbaren Familie, werden genannt:

Abb. 6: Personen, die von den Interviewpartnerinnen unterstützt werden

Die vorliegende Studie LUZIA macht somit deutlich, dass ein Großteil der Unterstützungs- und Betreuungsarbeit für kranke, alte und behinderte Personen, aber auch für Kinder, privat und unbezahlt organisiert wird. Dieses Netzwerk wird überwiegend von Frauen getragen, auch wenn sie selbst von körperlichen Beeinträchtigungen betroffen sind. Es ist zu vermuten, dass es für die interviewten Frauen wichtig ist, sich selbst auch als gebend und helfend im Sinne einer traditionellen sozialen Frauenrolle zu erleben. Diese von Frauen geleistete, unbezahlte Unterstützungsarbeit in sozialen Netzwerken ist gesellschaftlich äußerst wertvoll. Sie trägt aber auch dazu bei, dass Frauen sich in ungesicherten finanziellen Verhältnissen und belastenden privaten Abhängigkeiten wiederfinden.

Unterstützungsarbeit, die von fast allen geleistet wird, ersetzt jedoch nicht enge soziale Kontakte. Wie oben beschrieben fehlen fast der Hälfte der Frauen enge und nahe soziale Kontakte.

5.1.6 Leben mit Kindern

20 Interviewpartnerinnen haben Kinder, durchschnittlich etwa 2 Kinder pro Frau. 18 dieser Frauen haben ihre Kinder auch selbst aufgezogen. Die meisten dieser Kinder sind inzwischen erwachsen, nur vier Frauen haben zur Zeit noch Kinder unter 14 Jahren zu betreuen.

  • Entscheidung für eine Schwangerschaft

Die Hälfte der Frauen hat ihre Kinder vor Auftreten der körperlichen Beeinträchtigung geboren. Bei den Frauen, die bereits mit einer körperlichen Beeinträchtigung schwanger geworden sind, waren die Reaktionen der Umwelt unterschiedlich. Positiv oder besorgt reagierten viele Familien, drei Frauen berichten jedoch von heftigen ablehnenden Reaktionen:

"Katastrophal. Also meine Mutter war total entsetzt, weil sie gedacht hat, ich bin nicht fähig und es tut mir sicher auch nicht gut, es ist eine zu große Belastung. Meine Schwiegermutter war nur darauf bedacht, ihren Sohn zu beschützen und hat gesagt ich zerstör das Leben von ihrem Sohn."

Zwei Frauen gaben ihre Kinder nach der Geburt, beziehungsweise nach Auftreten der Behinderung zu Pflegeeltern.

Eine Interviewpartnerin schildert, wie sie als junge Frau mit Behinderung, unaufgeklärt ohne ihr Wissen schwanger wurde. Von ihrer Familie bekam sie keinerlei Hilfe, Informationen oder Beratung über Schwangerschaft, Geburt und Betreuung eines Babys. Sie fühlte sich mangels Unterstützung so überfordert, dass sie sich entschloss, ihren Sohn in eine Pflegefamilie zu geben.

  • Alltag mit Kindern

Mütter mit körperlichen Beeinträchtigungen müssen beweisen, dass sie ihre Mutterrolle trotz ihrer Behinderung gut ausfüllen. Viele Beschreibungen vom Leben mit den Kindern betonen daher eher die Normalität und die positive Reaktionen der Kinder.[55]

"Für die Tochter ist das selbstverständlich. Sie fragt mich zwar manchmal, warum fragst du noch mal, und dann erkläre ich es ihr wieder. Beim Spielen sagt sie manchmal: Das Stofftier hört nicht auf mich, vielleicht braucht es auch Hörgeräte."

Vier Frauen haben zur Zeit Kinder unter 14 Jahren, davon sind zwei Frauen Alleinerzieherinnen. Speziell die Situation dieser zwei Frauen verdeutlicht die belastende Situation, wenn mangelnde Unterstützung, Armut und körperliche Einschränkungen zusammenwirken:

"Dadurch dass ich ständig Gerichtsbriefe kriege, weil der Vater sich weigert, Alimente zu zahlen, geht es mir schlecht. Ich habe nicht genug Geld für die Kinder und wollte immer, dass die Kinder Kontakt zu ihrem Vater halten, er hat aber kaum Interesse. (...) Dazu kommt meine Arbeitslosigkeit. Die Gesundheit meiner Tochter macht mir auch Sorgen, sie ist zusammengebrochen, war teilgelähmt und man weiß nicht warum. Die Ärzte vermuten, dass es auch psychisch bedingt ist, weil sie sich so auf den Papa freut, zu dem es jetzt keinen Kontakt gibt. (...) Dazu meine schlechte finanzielle Situation und das Gerenne auf die Ämter wegen irgendwelchen Zuschüssen, das ist einfach zuviel."

"Es ist sehr schwierig jemanden zur Betreuung aufzutreiben. Ein Kindermädchen geht nur in Notfällen, weil es sehr teuer ist, eine Taufpatin hilft in Notfällen aus. Mein Hauptproblem ist die Begleitung der Tochter auf dem Schulweg. Als Alleinerzieherin fühlt man sich allein gelassen. Ich bin froh, mein Kind überhaupt aufziehen zu können. Aber ich fühle mich abhängig von der Umwelt, dort höre ich aber statt Ermutigung: selbst schuld, wenn du ein Kind bekommen hast."

5.1.7 Zusammenfassung - Alltag - Das Leben mit Behinderung (Box 3)

Trotz der unterschiedlichsten körperlichen Schädigungen ähneln sich die Beschreibungen, wie sich die Frauen durch die Außenwelt behindert empfinden: Mobilitätshindernisse und das als ignorant und rücksichtslos empfundene Verhalten von Mitmenschen werden als besondere Barrieren beschrieben.

Der Alltag der Frauen ist auf die Wohnung konzentriert: durch Armut, körperliche Beeinträchtigungen und die meist fast vollständige Zuständigkeit für den Haushalt verbringen die erwerbslosen Frauen den Großteil des Tages zuhause.

Fast jeder zweiten Frau fehlen ausreichend enge soziale Kontakte. Die wenigsten Frauen, besonders wenn sie Bewegungseinschränkungen haben, besitzen bezahlte Hilfsmittel. Das Wissen über Förderungen und Unterstützungen ist gering.

Benötigte Unterstützung wird fast vollständig privat organisiert und geleistet. Fast alle Frauen beschreiben sich auch als Unterstützung Gebende und halten ein (unbezahltes) soziales gesellschaftliches Netzwerk aufrecht.

Alleinerzieherinnen mit Behinderung haben besonders schwierige Lebensbedingungen.

5.2 Identität - Hilfe und Selbsthilfe

5.2.1 Faktoren individueller Lebensgeschichten

Die deutsche Live-Studie (1999)[56] führt aus, dass folgende Faktoren entscheidend sind für die Verarbeitung und beim Leben mit der Behinderung:

  • Die Art der Behinderung

  • Das Alter bei Eintritt der Behinderung

  • Die Zugehörigkeit zu einer Generation oder Alterskohorte

  • Das soziale Umfeld

Diese Faktoren spielen auch bei den Interviews der vorliegenden Studie eine wichtige Rolle.

  1. Form der Behinderung

Bereits im ersten Kapitel wurde die Vielfalt der Beeinträchtigungen der Interviewpartnerinnen beschrieben. Das Erleben und die Verarbeitung werden davon geprägt, ob die Behinderung sichtbar oder unsichtbar ist, ob sie stabil oder fortschreitend ist, ob sie mit Schmerzen verbunden ist, ob es eine einzelne Beeinträchtigung oder eine Kombination verschiedenster Schädigungen ist. Mehrmals haben die Interviewpartnerinnen auch erwähnt, wie wichtig bei starken aber diffusen Beeinträchtigungen eine eindeutige medizinische Diagnose war.

  1. Alter bei Eintritt der Behinderung

Für die Lebenswege und Selbstwahrnehmung bedeutet es einen Unterschied, ob bereits die Kindheit durch die Beeinträchtigung geprägt war, ob dadurch die Schullaufbahn oder auch Berufswahl beeinflusst wurde oder ob erst im Erwachsenenalter der Verlust von körperlichen Funktionen oder Fähigkeiten verarbeitet werden musste. In dieser Studie hat ein gutes Drittel der interviewten Frauen bereits in der Kindheit mit einer Behinderung gelebt.

  1. Zugehörigkeit zu einer Generation oder Alterskohorte

Laut Live-Studie haben sich die Sozialisationserfahrungen von Mädchen mit Behinderung in den letzten Jahrzehnten verändert.[57] Die eine Gruppe - meist jüngere Frauen unter 30 Jahren - stellt Ansprüche auf eine gleichwertige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und hat einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst. Einige, speziell die hörgeschädigten Interviewpartnerinnen der vorliegenden Studie, können ebenfalls zu dieser Gruppe gezählt werden.

Die andere Gruppe, die tendenziell "älteren" Frauen, hat belastendere Lebenserfahrungen, wie verweigerte Anerkennung und mangelnde Integration erlebt, die zu fehlendem Selbstbewusstsein führten. Diese Frauen haben Erfahrungen mit einer Außenseiterrolle gemacht.

In der vorliegenden Studie überwiegen die "älteren" Frauen. Die Situation der Erwerbslosigkeit, in der sich die meisten befinden, verstärkt noch ihre Zurückgezogenheit.

  1. Soziales Umfeld

Entscheidend für das Erleben der Schädigungen, die Verarbeitung von Beeinträchtigungen und die Bewältigung von Barrieren und Behinderungen, also die drei von der WHO beschriebenen Ebenen von Behinderung, ist es, inwieweit das soziale Umfeld unterstützend, fördernd und ermutigend verhält. Das bezieht sich besonders auf die Familie und enge FreundInnen, aber auch die weitere Gesellschaft, sich. In den folgenden Beschreibungen der Reaktionen des engeren sozialen Umfelds auf die Behinderungen zeigt sich ein breites Spektrum.

5.2.2 Familienbotschaften und Reaktionen der Herkunftsfamilie auf die Behinderung

Die Frage nach Familienbotschaften folgt der These, dass die Reaktionen der engen Familienangehörigen auf die körperlichen Schädigungen und der Umgang mit den Beeinträchtigungen die eigene Wahrnehmung und Handlungsfähigkeit stark beeinflussen. In der Studie "PERSPEKTIVA" bezeichneten viele der blinden und sehbehinderten Interviewpartnerinnen die elterlichen Botschaften und das Verhalten ihrer Eltern als wichtig für ihre weitere Entwicklung.[58]

In der vorliegenden Studie hatten 11 der Interviewpartnerinnen bereits in ihrer Kindheit körperliche Beeinträchtigungen. Die familiären Botschaften und die Erfahrungen in der Kindheit erinnern fünf dieser Frauen - also fast die Hälfte - als negativ und sehr belastend:

"In der Familie hat man keine Rücksicht genommen, ich hab ab meinem 8.Lebensjahr arbeiten müssen. Der Vater war Maurer, das Geld war sehr knapp, wenn er Hilfe gebraucht hat, hab ich arbeiten gehen müssen. Das Material, das übergeblieben ist, hab ich mit nach Hause tragen müssen. Mein Vater hat zu mir gesagt: "Du heiratest eh einmal, du brauchst keine Ausbildung." Ich bin ohne Mutter aufgewachsen, meine Kindheit war ein Vagabundenleben, mal bei der Tante und mal bei der, mal bei der Nachbarin oder der Großmutter." (Frau mit Hüftprobleme von Geburt an)

"Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, dann wäre ich wahrscheinlich in einem Heim gelandet, weil mein Vater eigentlich der Typ ist, der immer gesagt hat: du wirst es nie schaffen." (Frau mit Sehbeeinträchtigung und Epilepsie seit der Kindheit)

"Mein Vater war ein Säufer, wir waren 15 Geschwister, es hat bei uns keine Botschaften gegeben. Wie ich 17 war, hab ich gedacht, schnell von zuhause weg, und habe dann mit 18 geheiratet. Das haben bei uns alle so gemacht." (Frau mit Hörbeeinträchtigung seit der Kindheit)

Auffällig ist, wie hier schwierige, unterprivilegierte und patriarchalische Familienverhältnisse auch den Umgang mit der körperlichen Schädigung prägen: entweder wird die Beeinträchtigung ignoriert oder sie ist eine weitere Quelle der Herabsetzung und Demütigung. Es ist zu vermuten, dass dieser Umgang, und teilweise zusätzlich Gewalt und sexuellen Missbrauch, einige körperliche Schädigungen verstärkt oder sogar hervorgerufen hat. Diese in der Kindheit erlittenen Erfahrungen beeinflussen Bildung, Lebensplanung und Selbstbewusstsein.

Es werden aber auch von 3 jüngeren Interviewpartnerinnen ermutigende und positive Familienbotschaften geschildert:

"Die Botschaft war: geh deinen Weg, den du machen möchtest. Lass dich von niemandem aufhalten. Lass dich nicht entmutigen. Toleranz. Ich hatte die besten Eltern gehabt, die man sich nur vorstellen kann. (...) Sie haben viel für mich getan. Sie haben mich aber nicht an sich gebunden. Sie haben gesagt, geh in die Welt. Sie haben mich aber auch immer zur Selbstreflexion angeregt, damit ich selbst hinterfragen kann, ob ich etwas kann oder ob ich mir zuviel zumute." (Frau mit Hörschädigung)

"Meine Mutter war Kindergärtnerin und sehr sprachorientiert. Die Botschaft war: "Wir ziehen das durch, wir schaffen das". Trotzdem habe ich sehr an mir gezweifelt. Zuerst hat man nicht viel davon gewusst, und dann ab dem Zeitpunkt, als die Hörschädigung klar war, haben wir alles gemacht, was ging. Es wurde eher nur intellektuell und sachlich darüber gesprochen, aber von der emotionalen Seite her nicht. Eine schlimme Erfahrung hatte ich, als ich wegen meiner Hörbehinderung im Kindergarten nicht mit in die Ferien fahren durfte, das war furchtbar für mich." (Frau mit Hörschädigung)

Stärkende Botschaften betonen die Normalität, die individuelle Leistungsfähigkeit, Entfaltung und Selbständigkeit. Gerade das letzte Beispiel zeigt jedoch auch, dass trotz starker Unterstützung belastende Erfahrungen gemacht werden, und eine Familie emotional überfordert sein kann, wenn die weitere Umwelt nicht integrativ agiert.

Andere, erst als Erwachsene mit einer körperlichen Beeinträchtigung konfrontierte Interviewpartnerinnen erinnern sich an Familienbotschaften, die ihren heutigen Umgang mit der Behinderung prägen. Auch hier werden Selbständigkeit, Wehrhaftigkeit, Durchsetzungsfähigkeit mehrfach genannt als (Über)Lebens- und Bewältigungsstrategien für ein Leben mit Behinderung. Diese Haltungen können sowohl aus positiven wie auch aus negativen Kindheitserfahrungen heraus entwickelt worden sein.

"Mein Elternhaus war unterstützend. Ich war die zweite von sieben Geschwistern und habe gelernt, mich zu wehren, mich zu behaupten und für mich selbst zu sorgen."

"Ich bin zur Selbständigkeit erzogen worden und hab einen Dickschädel sonst wäre ich heute nicht mehr hier. Mutterliebe war keine da, Vaterliebe wollte ich nicht. Ich hatte immer Angst, dass er mir sexuell etwa tut, schon mit 8 Jahren hätte ich ihn umgebracht. Ich musste das Leben immer alleine meistern."

"(...) wenn ich etwas wollte, dann habe ich das immer durchgesetzt, mit dem Kopf durch die Wand. Meine Mutter hat mich immer unterstützt, sie hat mich sehr lieb gehabt. Ich glaube, dass ich es heute schaffe, weil ich eine gute, glückliche Kindheit gehabt habe."

5.2.3 Schulbildung mit Behinderung

In der deutschen Live-Studie[59] wird betont, wie besonders Sinnesschädigungen die Schullaufbahn beeinflussen und erschweren. Die Studie VITA von Marion Breiter zeigt auf, dass in der Gehörlosenbildung Defizite entstehen, besonders in der Beherrschung der deutschen Schriftsprache.[60] In der Studie PERSPEKTIVA[61] schildern blinde und sehbeeinträchtigte Frauen ihre Schulzeiten, entweder in der blindenspezifischen Ausbildung oder in der schulischen Integration. Der persönliche Einsatz der Schülerinnen und auch meist der Eltern war dabei enorm. Die Integration in das "normale" Schulsystem erfordert spezielle Unterstützung, methodische Vielfalt und aufbereitete Lehrmaterialien, und umfasst doch oft nicht die soziale Integration. Das beschreibt auch die folgende, hörgeschädigte Interviewpartnerin:

"(...) Der Schulversuch bestand darin, dass man mich in die Klasse genommen hat. (...) Wenn die Lehrer meinten, dass ich die Diktate in Englisch und Deutsch von den Mitschülern abschreiben sollte, haben das die Mitschüler boykottiert, denn sie wollten es nicht. Meistens bin ich auch allein in der Bank gesessen. (...) Ich habe nie Freunde in der Schule gehabt, ich war meistens sehr einsam. (...) Ich habe einen Nervenzusammenbruch gehabt und habe dann die private Maturaschule besucht."

Das Lernen im Regelschulsystem verlangt von Kindern mit Sinnesbehinderungen zumeist intensive Kompensationsleistungen für den geschädigten Sinn. Spezialschulen bieten, wenn auch um den Preis der fehlenden Integration, eine eigene Identität als hör- oder sehgeschädigte Menschen. Damit ist ein gegenseitiger Austausch sowie das Wissen um Hilfsmittel, Förderungen und Interessensvertretungen verbunden.

Auch in der vorliegenden Studie sind die sinnesgeschädigten Frauen, speziell die seit der Kindheit davon Betroffenen, am besten über Hilfsmittel informiert.

Die seit Kindheit von einer Behinderung betroffenen Frauen haben im Vergleich zu den später davon beeinträchtigten Frauen einen deutlich geringeren Schulabschluss erreicht. Die beiden Interviewpartnerinnen, die keinen Hauptschulabschluss haben, waren bereits von Kindheit an behindert. Eine dieser Frauen schildert, wie der Besuch einer Sonderschule es ihr später verunmöglichte, einen Lehrberuf zu ergreifen. Noch heute wird ihr Bildung vorenthalten: sie möchte gerne den Hauptschulabschluss nachholen, nur fehlt ihr dafür - wiederum - der Besuch der regulären Volksschule.

5.2.4 Behinderung im Erwachsenenalter - Reaktionen und Bewältigung

Die Interviewpartnerinnen schildern eine große Bandbreite von Reaktionen ihres näheren familiären Umfelds auf eine diagnostizierte und kommunizierte Behinderung. Von dramatischen emotionalen Reaktionen, die wenig hilfreich waren, berichten 5 Frauen:

"Meine Eltern haben herumgeheult: oh Gott, das arme Kind. Das hat mir nicht geholfen, ich bin besser allein klar gekommen."

Ebenfalls wenig förderlich waren Mitleid, Selbstvorwürfe oder das Leugnen, Abschwächen oder Abstreiten der Beeinträchtigung:

"Meine Familie hat gesagt, ich bin eine Spinnerin, die haben's mir nicht geglaubt. Bei der Epilepsie haben alle gesagt, ich bin verrückt und bilde mir das nur ein, auch beim Asthma, dasselbe in grün. Nur bin ich dann zum Arzt gegangen, und der Neurologe und der Lungenfacharzt, die haben das beide diagnostizieren können. Daraufhin haben sie mir das abgenommen."

"Meine Mutter glaubte, dass ich nur Spaß mache. Sie hat mich fast nie besucht, alles andere war ihr wichtiger. Ich habe keine Unterstützung erhalten."

Die Hälfte der Interviewpartnerinnen beschreibt, dass sie in ihrem engen sozialen Umfeld Unterstützung und Hilfe erhalten hat, besonders häufig werden der Lebenspartner, Kinder, Eltern und enge FreundInnen genannt.

"Mein Mann war toll, hat aber fürchterliche Probleme damit gehabt, dass ich über viele Jahre immer wieder im Spital gelegen bin. Dem hat das so leid getan, er konnte mit ja nicht helfen. Meine beste Freundin ist uns zur Seite gestanden. In der Situation gibt es nämlich ein hochgradiges Alleinsein und eine Dauerangst."

"Mein Mann war eine Hilfe. Der nimmt das ernst. Der weiß wirklich, was es heißt, wenn's mir wehtut, der hört das auch. Da kommt auch ein 'Lass das jetzt, das mach ich!' Also da ist wirklich volle Unterstützung. (...) Er sagt mir nicht: reiß dich zusammen, wie die anderen, sondern: ‚Wirst sehen, nach der Operation wird es dir besser gehen."

"Ich muss sagen, die Reaktion von meiner Familie war super. Sie haben mich sehr unterstützt mit meiner Arbeit, seelisch, drum glaub ich, hab ich es auch so gut verkraftet."

Als hilfreiche Komponenten der als positiv erlebten Unterstützung gelten: das emotionale Mitschwingen, das Ernstnehmen und die praktische Hilfe.

Als weitere Hilfen bei der Bewältigung werden genannt: Psychotherapie, der behandelnde Arzt, ein Vorgesetzter, Medikamente, Lebensumstellung, Religion und nicht zuletzt der Glaube an sich selbst.

Einige Interviewpartnerinnen schildern, dass sich durch das Auftreten der Behinderung das soziale Umfeld geändert hat:

"Einige reagieren, du Arme, ist es immer noch nicht besser. andere ziehen sich zurück: mit der wird es nichts mehr. Einige wenige gute Freunde sind aber übrig geblieben."

Auch hier sind Mitleid und Unverständnis Reaktionen, die die Interviewpartnerinnen als negativ empfinden, Verständnis und Unterstützung können die Beziehung intensivieren. Bei vielen Interviewpartnerinnen schränkte sich das soziale Umfeld ein - aufgrund des Rückzugs einiger Bekannter und Freunde, aber auch, weil die Interviewpartnerinnen selbst weniger aktiv den Kontakt suchen.

"Meine Freunde sehe ich nur gelegentlich, meine Behinderung isoliert mich schon. Vor meinem Unfall bin ich viel mehr weggegangen."

Im Kapitel "Alltag" wurde aufgezeigt, dass fast die Hälfte der Interviewpartnerinnen nicht über genügend enge soziale Kontakte verfügt. Die Reaktionen der Umwelt mögen dazu beitragen, ebenso wie die körperlichen Einschränkungen aufgrund der Behinderungen. Wie im Kapitel Armut ausgeführt wird, sind jedoch auch Arbeitslosigkeit und die finanziell oft dramatische Knappheit für die Beengung der sozialen Kontakte mit ausschlaggebend.

Befragt nach Unterstützung, die sie sich gewünscht hätten, geben die Interviewpartnerinnen Antworten, die sich häufig auf die Institutionen beziehen, mit denen sie aufgrund der Behinderung zu tun haben: Spitäler, Krankenkassen, das Bundessozialamt, die Pensionsversicherungsanstalten, das AMS. Hier fühlen sich einige Interviewpartnerinnen nicht ausreichend in ihrer Lebenssituation wahrgenommen und mit ihren Bedürfnissen und Anliegen unterstützt. Ausführlicher werden diese Erfahrungen im Kapitel "Ämter" beschrieben.

Das Fehlen von Unterstützung kann zu traumatisierenden Erlebnissen führen. Eine Interviewpartnerin etwa schildert eindrücklich, wie sie entwertet und allein gelassen von der Familie, sowie völlig uninformiert und entmündigt von ärztlicher Seite, als Frau mit Behinderung ihr Kind gebar. Eine andere Frau, mit Multipler Sklerose, schildert ebenfalls traumatische Erfahrungen:

"Bei meinem ersten Anfall habe ich die deutsche Sprache komplett vergessen, meine Muttersprache tschechisch zum Teil auch, das war nicht lustig. (weint) Aber keiner hat sich dafür interessiert und keiner hat mir geholfen zu verstehen, was eigentlich ist. Binnen einer Woche war ich komplett auf der rechten Körperhälfte gelähmt und konnte noch nicht mal das Auge schließen."

Geprägt von den eigenen Erfahrungen sind daher auch die Ratschläge, die die Interviewpartnerinnen anderen Frauen in ihrer Situation geben würden:

12 Interviewpartnerinnen beziehen sich in ihren Tipps auf den persönlichen Umgang mit der Behinderung. Dazu gehören vor allem tatkräftige, die Realität akzeptierende, auch konfrontative Haltungen und Verhaltensweisen, es wird aber auch die Wichtigkeit der persönlichen Stärkung und Reflexion erwähnt: "Zähne zusammenbeißen", "durchbeißen", "schauen, was man tun kann", "das Bestedraus machen", "nicht aufgeben, kämpfen", "selbst stark sein", "Durchhaltevermögen", "an sichselbst glauben, Vertrauen in sich selbst", "die Krankheit annehmen", "gesundheitlich wieder auf dieFüße kommen", "das Leben überdenken, neue Prioritäten setzen".

9 Interviewpartnerinnen empfehlen den Kontakt mit Personen, mit denen sie sich austauschen können, die sie um Rat fragen können und von denen sie Hilfe bekommen. Diese Kontakte können informell aber auch professionell (Psychotherapie, Beratung) sein. Zweimal wird auch eine (Selbsthilfe-) Gruppe genannt.

5 Interviewpartnerinnen geben gute Freunde, Partner oder Familie als wichtigste Empfehlung.

4 Frauen nennen den richtigen Arzt, die passenden Medikamente und die nötigen Informationen als wichtigsten Tipp.

5.2.5 Kommunikation über die Beeinträchtigung

Sehr unterschiedlich sind die Antworten auf die Frage, inwieweit die Interviewpartnerinnen mit anderen über ihre Beeinträchtigungen sprechen. Die Hälfte der Frauen gibt an, über die eigene Behinderung zu reden:

"Ja, wozu verheimlichen. Es bringt nichts. Wenn man mich fragt, gebe ich offen Antwort. Wenn es z. B. um Kontakte geht, gebe ich meine SMS mit dem Hinweis, dass ich das Telefon nur so benutzen kann. Es ist aber eine Frage, ob die Leute antworten." (hörbeeinträchtigte Frau)

"Prinzipiell ja, weil sonst weiß ja keiner, was mit mir los ist. Wenn die bei einem epileptischen Anfall, den ich habe, nicht wissen, was ich habe und dumm daneben stehen, dann bekomme ich nicht die Hilfe."

Fünf Frauen sprechen nicht über ihre Beeinträchtigung, 10 Interviewpartnerinnen nur gezielt. Gemeinsam sind ihnen die Erfahrungen unangenehmer Reaktionen der Umwelt:

"Ich habe das früher gemacht und wurde eines besseren belehrt und deswegen halt ich mich eigentlich zurück. Ich habe früher über das Problem gesprochen und wurde dann eben noch mehr ausgegrenzt und hatte eigentlich gar keine Freunde mehr."

"Wenn ich angesprochen werde, wie's mir geht, spreche ich davon. Von selbst fange ich aber nicht davon an. Am Anfang dachte ich, dass mir die Leute ansehen, dass ich krank bin, als ob ich stigmatisiert wäre."

"Nicht mehr sehr viel. Die anderen wollen das gar nicht hören und man kommt sich dann als Raunzer vor."

"Überhaupt nicht, nein überhaupt nicht, weil ich den Verdacht habe, es glaubt ein jeder, ich tu simulieren, ich bin wehleidig."

"Eher nicht. Manchmal hätte ich das schon gerne. Mit meinem Partner kann ich es nicht, er glaubt immer, ich bin eine Mimose, versteht nicht, warum ich Medikamente brauche."

"Ich bin keine Jammerliese."

"Eigentlich will ich gar nicht darüber reden, ich hasse das Bemitleidetwerden."

In diesen Antworten schwingt die Befürchtung mit, durch das Reden über die eigenen Beeinträchtigungen Reaktionen hervorzurufen, die kränkend sind und isolieren.

Ebenfalls sehr gemischt sind die Antworten auf die Frage, ob die Interviewpartnerinnen Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen haben. Jeweils die Hälfte antwortet mit Ja und Nein. Bei den Frauen, die Austausch haben, ist dieser durch Kontakte im Spital oder bei der Rehabilitation entstanden, häufiger noch zufällig über das Netzwerk der Verwandten, FreundInnen und Bekannten:

"Ich habe eine Bekannte, die ist Fleischerfrau von der Nachbarortschaft. Der habe ich schon viele Tipps weitergeben können, weil sie ein Jahr nach mir operiert wurde. Und durch die Gymnastik lernt man immer wieder Leute kennen, die das gleiche haben, da ist ein Austausch dann."

"In der Christengemeinde, da erzählen alle von den gleichen Problemen mit AMS und PVA."

Betont werden hier die Vorteile des Austausches und des Weitergebens von Informationen. Organisiert in einer Selbsthilfegruppe ist jedoch nur eine einzige Frau (mit Multiple Sklerose). Jedoch hat auch die zweite Interviewpartnerin mit MS Kontakt zur MS-Beratungsstelle.[62]

"Dort kann ich hingehen, wenn ich irgendein Problem habe. Dort beraten Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Nach dem Tod meines Mannes hat mich mein Freund verlassen, weil ich ihm zu krank war. Danach hatte ich verschieden Probleme und bin dort gut beraten worden."

Zwei weitere Interviewpartnerinnen sind in Selbsthilfegruppen als Mütter engagiert, einmal im Verein der Cochlea-Implantat[63]-Angehörigen und einmal zum Thema ADSH.[64] Alle diese drei Gruppen haben ein klar definiertes Krankheits-, bzw. Behinderungsprofil als gemeinsame Basis. Viele der Interviewpartnerinnen haben jedoch multiple Bewegungseinschränkungen, Schmerzen oder multiple Beschwerden, für die es keine einheitlichen Angebote oder Interessensvertretungen gibt.

Nur eine einzige Interviewpartnerin ist in einer behindertenspezifischen Interessensvertretung engagiert. Sie beschreibt, wie die Aktivitäten bei "People first"[65] ihr Selbstbewusstsein gestärkt und ihren Horizont erweitert haben:

"Ich bin bei "People first", das ist eine Organisation, die sich dafür einsetzt, dass behinderte Menschen sich selbst vertreten und selbst helfen können. Die habe ich über Jugend am Werk kennen gelernt. Ich bin da als Vertreterin dabei und bin einmal zu einem Kongress nach London gefahren, obwohl ich große Angst vorm Fliegen habe. Aber ich habe gesagt, wenn ich den Landsitz von Lady Di besuchen kann, dann flieg ich. Und das hab ich dann auch gemacht."

Eine Interviewpartnerin ist Mitglied im Blindenverband[66], drei Frauen beim Kriegsopfer- und Behindertenverband.[67]

Von den 15 Frauen, die keine Kontakte zu Personen mit ähnlichen Beeinträchtigungen haben, erwähnen 3 Frauen, dass sie bewusst keinen Kontakt suchen, weil sie "nicht ständig mit anderen über Krankheiten reden" möchten, oder weil "ich (bin) übersättigt vom ständigen Jammern, von Menschen, die neben mir beim Arzt oder im Krankenhaus sitzen". Eine einzige Frau würde sich einen Austausch wünschen:

"Ich weiß von niemandem, der etwas Ähnliches hat. Es wäre vielleicht manchmal leichter für mich, weil ich manchmal so einen Durchhängertag habe. Da habe ich solche Depressionen und frage mich, um Gottes Willen, warum hab ich so schwache Knochen, warum muss das ausgerechnet ich haben. Vielleicht käme ich da leichter hinweg, wenn ich wüsste dem oder dem geht's genauso."

Das Bedürfnis nach der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe äußern drei Interviewpartnerinnen.

5.2.6 Psychotherapie als Unterstützung im Heilungsprozess

"Man muss sich gönnen, gesund zu werden."

Internationale Studienergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass Psychotherapie eine wirksame Methode ist, die körperliche Konstitution und Heilungsprozesse zu fördern. Der Psychosomatik- Professor Joachim Bauer beschreibt in seinem Buch zahlreiche Studien, die zeigen, dass Psychotherapie z. B. "beim Vorhandensein einer depressiven Störung nicht nur die Funktionen des Immunsystems stärkt, sondern auch bei Patienten, die bereits an einer Krankheit leiden, den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen."[68] So konnte etwa nachgewiesen werden, dass bei Personen, die unter Einsamkeit oder schweren familiären Belastungen litten, die Teilnahme an einer Gesprächsgruppe schon nach einigen Wochen zu einer Verbesserung der Funktion des Immunabwehrsystems führte.[69]

Fast jede dritte Interviewpartnerin hat Erfahrungen mit Psychotherapie oder psychologischer Beratung gemacht. Mehrere Frauen erhielten Psychotherapie im Rahmen von medizinischer Rehabilitation, was sehr hilfreich für ihre psychische Stabilisierung und die Bewältigung ihrer neuen Lebenssituation mit einer schweren Krankheit und Behinderung war. Andere bekamen psychosoziale Beratung während einer Umschulung oder im Zuge ihrer Arbeit in einem sozioökonomischen Projekt. Alle diese Frauen beurteilen ihre Erfahrungen mit Psychotherapie und Beratung sehr positiv.

Dagegen berichteten mehrere Interviewpartnerinnen von negativen Erfahrungen mit "Psychospielen", zu denen sie von unerfahrenen jungen Trainern und Trainerinnen im Rahmen von Berufsortierungs-Kursen und ähnlichen AMS-Maßnahmen genötigt wurden. Dies wurde von den Frauen als entwürdigend erlebt.

5.2.7 Sozialisation durch Krankheit und Behinderung

Dass eine Krankheit oder Behinderung auch ein Auslöser für Persönlichkeitsentwicklung sein kann, führt die Autorin Barbara Klose Ullmann[70], die als erfolgreiche Managerin einen gefährlichen Hirntumor überlebte, in ihrem Buch "Wenn der Körper sagt, er will nicht mehr" aus. Darin beschreibt sie Gespräche mit 18 schwer kranken Frauen und Männern über Einschnitte im Leben, Erfahrungen mit Schmerzen und Angst und über die Kraft von Liebe und den eigenen Lebenswillen. Diese Lebensgeschichten gehören nach der in der vorliegenden Studie erstellten Kategorisierung fast alle zum Typ 3 - "plötzlich war alles anders." Alle haben auf eigene Weise wieder ins Leben zurückgefunden und ein Stück neue Lebensqualität gewonnen. Sie konnten die Krankheit letztlich auch als Chance für Veränderungen betrachten. Eines hatten sie mit einer einzigen Ausnahme gemeinsam: sie erlitten zwar durch die Krankheit finanzielle Einbußen, wurden aber nicht in Armut gestürzt, weil sie ihren Arbeitsplatz behalten konnten oder eine neue Arbeit fanden oder weil sie anderwärtig finanziell abgesichert waren, durch eine Rente, durch die Familie oder durch Ersparnisse.

Mehrere Interviewpartnerinnen der vorliegenden Studie erwähnen, wie sie durch die Krankheit oder Behinderung zu einer veränderten Sicht auf die Welt und zu Verhaltensveränderungen gekommen sind:

"Ich bin erzogen worden, es allen recht zu machen und lieb und nett zu sein - man kann es aber nicht allen recht machen, das hab ich inzwischen gelernt. Deswegen hab ich auch die längeren Zeiten im Spital durchgestanden, sonst wäre ich übergeschnappt. Habe immer die Sedierungspulver abgelehnt, die man mir gegeben hat."

Einige Frauen haben in der Auseinandersetzung mit den Behinderungen, die sie durch die Außenwelt erfahren haben, Durchsetzungsvermögen entwickelt.

Zwei Frauen schildern, dass sie durch die Behinderung Prioritäten neu gesetzt haben und sich dadurch ihr Leben sehr verändert hat.

"Für mich sind viele Dinge, die früher sehr wichtig waren, nach den gesundheitlichen Schicksalsschlägen unwichtig geworden. Ich habe mich ganz umorientiert, was berufliche Karriere und Materielles usw. betrifft. Mein Bandscheibenvorfall sehe ich nicht als Behinderung, sondern als etwas, was mir die Augen geöffnet hat. (...) Seit meiner Umstellung fühle ich mich wesentlich besser."

"Ich habe mein Leben total umgestellt. Zuerst komme ich, dann die Familie, dann alles andere."

Wie eine Krankheit tatsächlich das Leben auch positiv beeinflussen kann, schildert eine Interviewpartnerin: nach einer Diagnose, die ihr nur ein geringe weitere Lebenserwartung prognostizierte, nahm sie einen Kredit auf und baute ein kleines Haus für sich und ihre Kinder in der unmittelbaren Nachbarschaft ihrer Familie - etwas, was sie sich, so sagt sie, ohne diese dramatische Diagnose nie getraut hätte. Das enge familiäre Umfeld war und ist für sie sehr wichtig. Der Kredit ist inzwischen abgezahlt und sie ist nach Jahren der Invaliditätspension wieder voll berufstätig.

5.2.8 Zusammenfassung - Identität - Hilfe und Selbsthilfe (Box 4)

Durch die Unterschiede, in der Art der Behinderung, dem Erstauftrittsalter, der Generationszugehörigkeit und dem sozialen Umfeld ergibt sich eine Vielfalt verschiedener Lebensgeschichten. Die Unterschiedlichkeit der körperlichen Einschränkungen und Krankheiten ist ein wichtiger Faktor für die fehlende Integration in Interessensvertretungen und damit auch den Mangel an Informationen. Lediglich für Menschen mit Sinnesbehinderung, mit MS-Erkrankung und mit Lernschwächen gibt es gut organisierte Verbände.

Entmutigende Botschaften in dysfunktionalen Familien verhinderten bei Interviewpartnerinnen, besonders wenn sie bereits in ihrer Kindheit beeinträchtigt waren, eine geeignete schulische Ausbildung und prägten ihr Leben auf negative Weise.

Als unterstützende Reaktionen im näheren sozialen Umfeld auf das Auftreten der Beeinträchtigung oder Krankheit werden das emotionale Mitschwingen, das Ernstnehmen und die praktische Hilfe gewertet. Negativ werden dramatische Reaktionen, Mitleid oder das Leugnen oder Ignorieren bewertet.

Viele Interviewpartnerinnen berichten von einer Verengung ihres sozialen Umfelds aufgrund der Behinderung. Nur die Hälfte der Frauen redet offen über ihre Beeinträchtigung. Mehrere Frauen beschreiben negative Reaktionen ihrer Umwelt auf das Thematisieren ihrer Beeinträchtigung.

Die Hälfte der befragten Frauen hat Austausch mit andern Menschen mit einer ähnlichen Beeinträchtigung. Diese Kontakte sind meist zufällig über Spitals- und Rehabilitations-Aufenthalten oder mehr noch durch das informelle Netzwerk von Verwandten und Bekannten entstanden.

Nur drei Frauen sind in einer Selbsthilfegruppe engagiert (2 davon als Mütter), eine einzige ist in einer behindertenspezifischen Interessensvertretung aktiv.

Jede dritte Frau hat Psychotherapie oder psychologische Beratung erhalten. Sie alle beurteilen dies sehr positiv und hilfreich.

Einige Frauen erwähnen, wie die Auseinandersetzung mit ihrer Behinderung zur Persönlichkeitsentwicklung beigetragen und ihr Leben verändert hat- zum Teil auch in positiver Weise.

5.3 Armut

"Es ist von Monat zu Monat immer ein Kämpfen und Sparen."

Die aktuelle Armutsgrenze in Österreich liegt bei 785,- Euro.[71] Als armutsgefährdet gelten Personen, deren Pro-Kopf-Einkommen bei unter 60% des österreichischen Medianeinkommens liegt. Für einen Einpersonenhaushalt entspricht das dem monatlichen Nettobetrag von 785,- Euro, weitere im Haushalt lebende Personen werden "gewichtet" hinzugezählt.[72]

Laut Sozialbericht 2003-2004[73] liegt die Quote der akuten Armut bei 4% der Wohnbevölkerung[74], armutsgefährdet sind 13.2% - das entspricht 1.044.000 Personen. Von "akuter Armut" oder auch "verfestigter Armut" spricht man, wenn sich zusätzlich zur Einkommensarmut bereits die Auswirkungen der finanziellen Knappheit manifestieren: durch Substandardwohnungen, Zahlungsrückständen bei Miete und Krediten, beim Beheizen der Wohnung, in der Unmöglichkeit abgenützte Kleidung zu ersetzen und in der Unmöglichkeit, andere Personen einmal im Monat nach Hause zum Essen einzuladen.

5.3.1 Einkommenssituation der Interviewpartnerinnen

Im folgenden beziehen wir uns nur auf die Aussagen der Interviewpartnerinnen zu ihrer Einkommenssituation. Diese wurde unterschiedlich ausführlich beantwortet. So haben einige Interviewpartnerinnen nur die Zahlungen aus (geringfügiger) Erwerbstätigkeit, durch Pension oder Arbeitslosengeld, Notstand angegeben, andere wiederum führten auch Familienbeihilfen, Alimentenzahlungen, Pflegegeld und Wohnbeihilfen an. Oft machen letztere einen großen Teil des Haushaltetats aus. In offiziellen Berechnungen gelten jedoch Familienbeihilfen und Pflegegeld nicht als Einkünfte, Unterhaltszahlungen hingegen schon.[75]

  • Arbeitslosengeld

Fünf Frauen beziehen Arbeitslosengeld. Drei dieser Frauen erhalten einen Betrag um die 1.000,- Euro, zwei Frauen jedoch liegen mit ihrem Arbeitslosengeld unter der Armutsgrenze (650,- Euro und 400,- Euro). Eine Frau ist neben dem Bezug von Arbeitslosengeld geringfügig beschäftigt. Zusätzlich arbeiten zwei Frauen in AMS geförderten Beschäftigungsprojekten, und beziehen monatlich ca. 700,- Euro.

  • Notstandshilfe

Da ein großer Teil der interviewten Frauen bereits längere Zeit arbeitslos sind, ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld in die Notstandsbeihilfe übergegangen. So bekommen:

50,- Euro 1 Frau

300,- Euro 1 Frau

Ungefähr 400,- Euro 2 Frauen

Ungefähr 500,- Euro 2 Frauen

650,- Euro 1 Frau

Fast alle Bezieherinnen von Notstandsbeihilfe befinden mit ihrem Bezug trotz Partnereinkommen unter der Armutsgrenze. Eine Frau ist zusätzlich geringfügig beschäftigt. Die Höhe der Notstandshilfen liegt deutlich unter dem Bezug des Arbeitslosengeldes - merkbar werden hier besonders die Anrechung weiterer Einkommensquellen und das Partnereinkommen.

"Mein Mann hat 832,- Euro Pension und deswegen bekomme ich so wenig Notstandshilfe. Er hat um einige Euro zuviel Pension, deswegen bekomme ich nur 48,- Euro monatlich."

Zwei Frauen haben deshalb überhaupt kein Anrecht auf Notstandshilfe:

"Ich erhalte keine Notstandshilfe, weil mein Lebensgefährte zuviel verdient (1.000,- Euro)."

"Ich habe derzeit kein eigenes Einkommen, bekomme keinen Notstand, weil mein Mann 1.350,- verdient und weil ich 2,5 ha Nutzwald besitze für die Heizung im Haus meiner Mutter im Waldviertel - und diese wurden mit 500,- Euro Einheitswert angerechnet. Ich kann aber nichts von dem Holz verkaufen, weil wir es fürs Haus der Mutter brauchen zum Heizen."

Die Anrechung der Partnereinkommen ist besonders problematisch, weil es die Frauen in eine finanzielle Abhängigkeit vom Partner bringt, die als sehr belastend erlebt werden kann. Zudem ist oft mit lediglich einem Einkommen nur ein äußerst bescheidenes Leben an der Armutsschwelle möglich (s. u.).

Eine Interviewpartnerin arbeitet neben dem Bezug der Notstandshilfe in einem Beschäftigungsprojekt und erhält dafür ein Taschengeld von 50,- Euro. Ihr Mann ist im gleichen Projekt beschäftigt - die Ausgleichzulage, die ihnen beiden aufgrund der niedrigen Notstandshilfen zusteht, bekommt zur Gänze er auf sein Konto überwiesen.

  • Pension wegen erminderter Arbeitsfähigkeit

Zwei Frauen erhalten zur Zeit eine Pensionsbevorschussung, drei Frauen sind in (befristeter) Invaliditätspension. Sie erhalten

150,- bis 200,- Euro 2 Frauen

Ungefähr 500,- Euro 2 Frauen

Ungefähr 700,- Euro 1 Frau

Alle diese Frauen beziehen demnach ein Pensionseinkommen unter der Armutsgrenze und sind damit zumeist auf Ausgleichzahlungen, andere Einkommensquellen oder Unterstützungen angewiesen. Anders als Notstandshilfen bezieht sich die Höhe der Pensionen jedoch auf erworbene Ansprüche und wird nicht mit anderen Einkommensquellen verrechnet. Einigen Frauen erscheint die Pension daher als erstrebenswerte, wenn auch geringe, Grundsicherung.

  • Witwenpension

Zwei Frauen erhalten Witwenpensionen, um 600,- Euro. Eine Frau bezieht zusätzlich Invaliditätspension, die andere ist zusätzlich geringfügig beschäftigt.

  • Erwerbseinkommen

Neun Frauen beziehen Einkommen aus Erwerbsarbeit, nur 2 Frauen können von diesem Einkommen auch leben. Alle anderen benötigen weitere Einkommensquellen oder die finanzielle Unterstützungen von Partner oder Eltern. Zwei Frauen sind Vollzeit im regulären Arbeitsmarkt tätig, und zwar als Portierin und Hauswartin, mit Nettoeinkommen von 800,- bzw. 1.500,- Euro.

  • Sozialhilfe

Eine Frau, eine alleinerziehende Mutter, bezieht 500,- Euro Sozialhilfe. Unterhaltszahlungen für das Kind und Familienbeihilfe betragen monatlich weitere 300,- Euro. Damit lebt sie mit ihrem Kind weit unterhalb der Armutsschwelle.

  • Wohnbeihilfe

Vier Frauen geben an, Wohnbeihilfen zu erhalten - diese Zahl könnte jedoch noch höher sein, da im Interview nur nach Einkommen gefragt wurde und möglicherweise einige Frauen Wohnbeihilfe nicht als Einkommen gewertet haben. Es ist jedoch auch möglich, dass manche Frauen aus Informationsmangel oder aus Scham nicht um Wohnbeihilfe eingereicht haben.

  • Pflegegeld

Zum Zeitpunkt der Befragung erhält nur eine einzige Interviewpartnerin Pflegegeld, nämlich in der Stufe 4 monatlich 632,- Euro. In ihrem Fall verhindert es einen völligen finanziellen Absturz. Mit einem Arbeitslosengeld von monatlich 400,- Euro, einer monatlichen Kinderbeihilfe für ihre zwei kleinen Kinder von 340,- Euro und ohne die Unterhaltzahlungen ihres geschiedenen Ehemanns - er weigert sich seit Monaten die festgelegten 400,- Euro zu zahlen - hätte sie wahrscheinlich Anspruch auf Sozialhilfe. So bewegt sie sich durch das Pflegegeld mit ihrem monatlichen Budget knapp über der Armutsschwelle - muss dabei jedoch noch den behindertenspezifischen Mehraufwand bezahlen, für den das Pflegegeld bestimmt ist.

5.3.2 Leben unter der Armutsschwelle

Wie bereits beschrieben, handelt es sich bei der Gruppe der interviewten Frauen um eine Bevölkerungsgruppe die überwiegend in eingeschränkten finanziellen Verhältnissen, meist sogar in Armut lebt. Bezogen auf die Armutsschwelle in Österreich, leben

Frauen unterhalb der Armutsschwelle 18 Frauen

Frauen knapp oberhalb der Armutsschwelle 5 Frauen

Frauen außerhalb des Armutsbereiches 7 Frauen

Von den 18 in Armut lebenden Frauen, leben

Alleine 7 Frauen

Alleinerziehend mit Kind(ern) 4 Frauen

Mit Partner 5 Frauen

Mit Partner und Kindern 1 Frau

Mit Eltern 1 Frau

Von den 6 Frauen knapp oberhalb der Armutsschwelle leben

Alleine 1 Frau

Alleinerziehend mit Kind(ern) 1 Frau

Mit Partner 3 Frauen

Von den 7 Frauen außerhalb des Armutsbereiches leben

Mit Partner 4 Frauen

Mit Partner und Kindern 3 Frauen

Alle Frauen, die allein oder als Alleinerzieherinnen leben, befinden sich unterhalb oder knapp oberhalb der Armutsschwelle. Alle Frauen, die außerhalb des Armutsbereiches leben, sind dazu nur auf Grund des Partnereinkommens in der Lage. Eine Partnerschaft bedeutet jedoch nicht notwendigerweise gesicherte finanzielle Verhältnisse: mehr als die Hälfte der in Partnerschaft lebenden Frauen befinden sich trotzdem unter oder knapp oberhalb der Armutsschwelle.

5.3.3 Subjektives Erleben der finanziellen Situation

Die Fragen nach der subjektiven Einschätzung des vorhandenen Einkommens hat oft heftige emotionale Reaktionen der Interviewpartnerinnen hervorgerufen: die Interviewerinnen erlebten Traurigkeit, Verzweifelung, Depression. Zynismus, Scham und Zorn bei den interviewten Frauen.

Befragt, wie sie das bestehende Einkommen gemessen an den Bedürfnissen einschätzen, antworten nur drei Frauen, dass es ausreichend ist. Alle anderen Frauen berichten, wie teilweise dramatisch sich ihre finanzielle Situation darstellt:

"Ich muss sehr sparen. Das Konto ist immer überzogen und ich habe keine Rücklagen für Notfälle."

"Zum Leben zu wenig, zum Sterben auch ..."

"Knapp, aber es muss gehen, irgendwie. Es ist von Monat zu Monat immer ein Kämpfen und Sparen."

"Zu wenig, ich kann die Schulden nicht zurückzahlen und gehe bald in Privatkonkurs."

"Wir müssen uns schon sehr schmälern."

"Sehr gering, mir bleiben nur 344,- Euro netto im Monat."

"Gering, sehr gering, also mehr Fixkosten als dir zum Leben bleibt."

"Ich würde 750 bis 800,- Euro brauchen, dass ich durchkomme. So wie es jetzt ist, ist es sehr, sehr schwierig, mein Mann verdient auch sehr wenig."

11 Frauen antworten, dass ihr Einkommen ihnen ein selbständiges Leben ermöglicht - teilweise wird diese Frage auch auf ein vorhandenes gemeinsames Familieneinkommen bezogen. 19 Frauen verneinen die Frage, das Einkommen ermöglicht ihnen also kein selbständiges Leben. Ein Teil dieser Frauen erwähnt die finanziell unterstützende Person, meist ist es der Partner, es werden aber auch Eltern, Freundinnen oder Verwandte genannt. Einige Frauen haben aber auch keine weitere finanzielle Unterstützung, ihr Geld reicht nicht für ein selbständiges Leben und sie sparen oft auch an der Qualität ihrer Ernährung.

Die finanzielle Abhängigkeit vom Partner wird oft benannt und meist ambivalent - zwischen Dankbarkeit und Hilflosigkeit - beschrieben. Durch ihre körperlichen Beeinträchtigungen benötigen die Interviewpartnerinnen häufig die Hilfe und Unterstützung des Partners, die finanzielle Abhängigkeit vergrößert diese Ungleichheit zusätzlich. Zudem verstärken Abhängigkeiten die Gefahr von Gewalterfahrungen (siehe Kapitel "Gewalterfahrung"). Während in einigen Partnerschaften tatsächlich ein Konzept des gemeinsamen Haushaltseinkommens besteht, schildern andere Interviewpartnerinnen belastende Aspekte der finanziellen Abhängigkeit:

"Ich hänge finanziell zur Gänze von meinem Verlobten ab. Er lässt es mich aber nicht spüren und spricht von ‚unserem Geld'. Ich habe mit ihm nur gute Erfahrungen gemacht."

"Mir ist das sehr peinlich meinem Mann gegenüber."

"Ich bin von meinem Mann abhängig. Ich war nicht darauf vorbereitet, das meine Pension so gering ausfällt. Ich hab immer mein eigenes Geld gehabt und jetzt muss ich von meinem Mann leben. Das mag ich gar nicht."

"Die Aussagen von meinen Verwandten sind kränkend. Ich will mir nicht mehr anhören: du bist ja schon seit drei Jahren daheim und lässt dich von deinem Mann aushalten. Ich tät mich nicht von meinem Mann aushalten lassen, wenn ich eine Arbeit hätte und ich will ja arbeiten!"

"Ich bin heute angewiesen auf meinen Mann, das kann ich nicht leiden. Ich war immer stark, seitdem ich so wenig verdiene, komme ich mir schwach und ungebraucht vor."

5.3.4 Die Auswirkungen von Armut

Welche Belastung diese engen oder unzureichenden finanziellen Verhältnisse bedeuten, belegen viele Interviews. Wie aus den oben zitierten Aussagen hervorgeht, bedeutet ein Leben in Armut permanenten Stress. Unerwartete Ereignisse und Notfälle- wie etwa zusätzliche Rezeptgebühren oder auch Reparaturen - z. B. eine undichte Wasserleitung oder eine defekte Waschmaschine - können zu einem kaum bewältigbaren Problem werden. Die Gefahr einer Delogierung aufgrund von Miet-Rückständen ist ständig präsent. Soziale Kontakte werden stark eingeschränkt, da das Geld nicht dazu reicht, Einladungen auszusprechen.

Es ist zu vermuten, dass Armut die bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen noch verstärkt. Im folgenden weitere Zitate, welche die breiten Folgewirkungen von Armut verdeutlichen:

  • Armut macht depressiv

"Da muss ich lachen, eigenständiges Leben, das ist nur mehr vegetieren, am Nullpunkt gehen Sie spazieren. Sie wissen nicht, wie Sie ein Loch stopfen sollen, schon reißt das nächste auf. Das kann man nicht leben nennen, das ist vegetieren."

"Es macht mich traurig - ich war mein ganzes Leben für andere da und habe hart gearbeitet. Aber wenn man dann selbst in die Knie geht, hat man nichts. Ich fühle mich momentan arm und allein. Wissen Sie, wie angenehm es wäre, wenn ich mich massieren lassen könnte oder schwimmen gehen könnte, aber das geht nicht, weil kein Geld da ist. Einmal jährlich kann ich zur REHA gehen. Schauen Sie sich meine leere Wohnung an. Ich kann noch nicht mal die Schäden reparieren lassen."

  • Armut bedeutet Mehraufwand

"Bei meinem Einkommen unter Anführungszeichen muss ich eher in zwei oder drei Geschäft gehen, wo halt was günstiger ist. Früher war mir das egal, da hab ich angerufen und mir abends was in Haus liefern lassen. Die Zeiten sind vorbei. Jetzt schau ich schon Flugblätter an, was gibt's günstig da und da. Und da ich kein Auto habe, muss ich alles zu Fuß machen, das ist hier nicht ganz einfach."

  • Armut erzeugt Stress

"Vor zwei Monaten haben wir eine Räumungsklage gekriegt, das wird immer schlimmer, obwohl die Miete niedrig ist. Mein einziger Kontakt zur Außenwelt ist oft das Telefon, das können wir auch nicht zahlen. Von den Möbeln hier gehört uns fast nichts mehr, alles verkauft. (...) Für die Verlängerung der Notstandshilfe musste ich ins AMS mit Unterlagen fahren, das war fast unmöglich zu schaffen. Ich darf nichts tragen, habe außerdem zwei Krücken, ein Taxi oder Transport wird mir aber nicht gezahlt."

  • Armut macht abhängig

"Wenn ich nicht meinen Mann hätte, ginge es nicht, überhaupt nicht, ich wüsste nicht, wie es ginge."

  • Armut macht einsam

"Als Arbeitslose haben Sie wenige Freunde. Sie haben kein Geld, Sie können nicht hingehen in ein Kaffeehaus und sich einen Kaffee kaufen, oder ins Kino, weil das Kino können sie sich nicht leisten. Man vereinsamt."

  • Armut schränkt Freizeitaktivitäten ein

"Ich würde gern so vieles tun, es ist aber nicht finanzierbar. Ich würde so gern einmal fortfahren, das ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann. Ich war zum Beispiel noch nie in meinem Leben in der Oper."

Die unerfüllbare Sehnsucht nach einem Urlaub wird von 8 Interviewpartnerinnen genannt.

  • Armut heißt, an der Ernährung zu sparen

"Alles wird immer teurer, ich will was kriegen für mein Geld, ich will mich einmal satt essen. Ich will nicht nur eine Packerlsuppe auf zwei Tage aufteilen!"

  • Armut verhindert gesundheitsfördernde Aktivitäten

"Ich würde mir Unterwassertherapie wünschen. (...) Ich habe nach 3 Monaten aufhören müssen, weil die Krankenkasse nicht mehr bezahlt. Es wird nicht verlängert, ich weiß nicht warum. Das wäre gut für den Muskelaufbau, 1 Stunde in der Woche, das wäre super gewesen."

"Ich würde mir gerne die Lymphdränage leisten können, die die Krankenkasse nicht mehr zahlt."

  • Armut heißt, keine Rücklagen zu haben oder anlegen zu können

"Es sind ständig Reparaturen in der Wohnung, dauernd geht etwas kaputt, das nächste ist die Waschmaschine, ich hör es schon. (...) Und ich hätte auch gern einen Rückhalt für später, für's Alter, das geht mit diesem Einkommen nicht."

  • Armut kann Ressentiments begünstigen

Einige wenige Interviewpartnerinnen, die sich selbst in den schwierigsten Lebenssituationen befinden, äußern Vorbehalte gegenüber MigrantInnen. Zugleich betonen andere Interviewpartnerinnen eine besondere Hilfsbereitschaft von AusländerInnen.

5.3.5 Zusammenfassung - Armut (Box 5)

Die große Mehrheit der befragten Frauen lebt in Armut.

Vom Einkommen aus Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pensionen und geringfügigen Beschäftigungen können nur wenige Frauen selbständig leben.

Nur eine einzige Interviewpartnerin erhält Pflegegeld.

Partnerschaften können zwar eine finanzielle Unterstützung bedeuten, gleichzeitig verlieren viele Frauen aber durch die Anrechnung von Partnereinkommen eigenständige Ansprüche (vor allem hinsichtlich Notstandshilfe), und die finanzielle Abhängigkeit wird verstärkt.

Armut bedeutet permanenten Stress und hat vielfältige negative Auswirkungen auf die befragten Frauen. Ihre unzureichende Einkommenssituation belastet viele Frauen sehr stark und verstärkt vermutlich auch die bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen und Krankheiten.

5.4 Ämter

"Je länger man in diesem Kreis ist: Krankengeld-Arbeitslosengeld-Notstandshilfe, desto mehr wird man hin- und hergereicht, weil niemand die auszahlende Stelle sein will."

Fast alle Interviewpartnerinnen beschreiben ihre Erfahrungen mit den verschiedenen Institutionen, mit denen sie auf Grund ihrer Lebenssituation zu tun haben. Es werden besonders die Institutionen genannt, die für die finanzielle Unterstützung und Förderung zuständig sind, und somit einen unmittelbaren Einfluss auf ihre finanzielle Situation haben. Wie beschrieben, ist die finanzielle Lage bei vielen Interviewpartnerinnen äußerst eng. Obwohl berechtigte Ansprüche bestehen, fühlen sich die meisten Frauen nicht als Kundinnen oder Klientinnen sondern als Bittstellerinnen behandelt. Genannt werden folgende Institutionen

  • Krankenkassen: Finanzierung von medizinischer Unterstützung, Ausgleich von Verdiensteinbußen infolge von Krankheit (Krankengeld)[76]

  • Pensionsversicherung: Bewilligungen von Pensionen auf Grund von Erwerbsunfähigkeit, Finanzierung von Maßnahmen zur Rehabilitation[77]

  • AMS: Prüfung und Auszahlung von Lohnersatzzahlungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe), Durchführung von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ( Beratung, Vermittlung, arbeitsmarktpolitische Förderungen wie Qualifizierungen)[78]

  • Bundessozialamt: koordiniert und fördert eine breite Palette von Angeboten und Projekten für Menschen mit Behinderung, Bewilligung von Förderungen und Behindertenpass/Status "begünstigt behindert" (dazu mehr im Kapitel "begünstigt behindert")[79]

  • Sozialamt: öffentliche Dienststelle für soziale Wohlfahrt, finanzielle Unterstützung für sozial bedürftige Menschen (Sozialhilfe, Mietbeihilfen, Pflegegeld)[80]

Zumeist betonen die Interviewpartnerinnen in ihren Schilderungen des Kontakts mit den zuständigen Institutionen die belastenden Aspekte. Plastisch beschrieben die Frauen ihre Hilflosigkeit, Ohnmacht und Wut, wenn sie sich mit ihrer Lebenssituation, ihren Bedürfnissen und Anliegen nur unzureichend wahrgenommen fühlen und zwischen den verschiedenen Ämtern - vor allem zwischen Pensionsversicherung, Krankenkassen und AMS - hin- und hergeschickt werden.

Die Zusammenarbeit der verschiedenen zuständigen Behörden ist auch nach den Aussagen der befragten ExpertInnen schwierig, vor allem aufgrund der Rahmenbedingungen und der unterschiedlichen Definitionen von Behinderung.

So ist die medizinische Begutachtung von den Vorgaben und Kriterien der jeweiligen Behörde abhängig:

  • das Bundessozialamt beurteilt, wie stark die gesundheitliche Beeinträchtigung ist

  • die Pensionsversicherung fragt nach grundsätzlicher Erwerbsunfähigkeit

  • für das AMS ist die Vermittelbarkeit in den Arbeitsmarkt wichtig

Daher sind Methoden, Zugang und Vorgaben der jeweiligen GutachterInnen sehr unterschiedlich. Für die Betroffenen ist dies, wie die Aussagen der Interviewpartnerinnen verdeutlichen, schwer durchschaubar und verständlich.

5.4.1 Subjektives Erleben der Ämter

Im folgenden sind lassen wir Interviewpartnerinnen zu Wort kommen:

  • Informationsmangel

"Informationen zu bekommen ist schwierig, wenn man nicht weiß was es gibt und was man fragen soll. Mir hat z .B. niemand erklärt, dass es eine Berufsunfähigkeitspension gibt. Das ist wie ein Kreislauf, wenn man nicht weiß, was es gibt, kann man auch nicht danach fragen."

"Warum wer was zahlt, ist für mich absolut nicht durchschaubar. Wenn ich nicht so gute Informationen von meinen Ärzten bekäme und nicht selbst stark genug wäre, würde ich hilflos dastehen. Warum da niemand generell die Infos ausgibt, ist mir schleierhaft."

"Ich habe viel zu wenige Informationen, zum Beispiel die Förderrichtlinien vom Fonds Soziales Wien, die sind auch für Behinderte nicht verständlich. Ein verständliches Informationsblatt wäre wichtig, auch beim Bundessozialamt."

  • Ämter-Odyssee

"Ich pilgere vom AMS zur Krankenkasse, von der Krankenkasse zum Chefarzt, vom Chefarzt wieder zum praktischen. Ich habe genauso viele Termine und Verpflichtungen wie in der Berufstätigkeit. Ich muss zum Beispiel für den Krankenstand jede Woche zum praktischen Arzt gehen, um mir einen Stempel zu holen für die Krankenkasse. Die Krankenkasse lädt mich aber auch immer wieder vor. Es wird kein Unterschied in der Behandlung zwischen kurzen, akuten Krankenständen und längerfristigen gemacht. Jedes Mal, wenn Sie wohin kommen, haben Sie einen Unbekannten vor sich und du kannst jedes Mal die Geschichte neu erzählen. Niemand macht sich die Mühe, einmal in der Krankengeschichte nachzulesen, warum ist diese Frau denn schon seit 3 Monaten krank geschrieben. Sondern dieses ewige: hinpilgern, betteln, erklären."

"Je länger man in diesem Kreis ist (Krankengeld-Arbeitslosengeld-Notstandshilfe) desto mehr wird man hin- und hergereicht, weil niemand die auszahlende Stelle sein will."

"An Hand von alten Krankengeschichten usw. weiß man doch schon über die Bedürfnisse der einzelnen bescheid. Man muss immer von neuem beginnen und bei jeder Stelle, wo man vorspricht, wieder von vorne die Geschichten vorbringen, es ist wirklich mühsam."

"Beim AMS habe ich immer unterschiedliche Betreuer gehabt. Der erste Herr war nett, nur wurde man dann weitergeschickt. Warum ich zum AMS kommen musste, weiß ich nicht, weil ich war unvermittelbar und habe die Zahlung von der Pensionsversicherung bekommen, nicht vom Arbeitsamt. Das war also Schikane oder ich weiß nicht, was es war. Dann war das Jahr um, und ich habe beide Ablehnungen bekommen, also das Arbeitslosengeld war aus und ich hab den Bescheid bekommen, dass ich nicht invalid bin - da war ich zu einer Untersuchung eingeladen worden, die Ärztin schaute mich an und sagt: was wollen Sie, Sie haben einen pippifeinen Blutbefund. Ob ich jetzt eine Beeinträchtigung hab oder nicht, war egal. Notstand hab ich dann keinen bekommen, weil ich eine Witwenpension hatte. Durch Zufall hab ich irgendwo einmal gelesen, dass es eine Ausgleichszulage gibt. Dann hab ich eingereicht und 60,- Euro drauf gekriegt."

"Seit zwei oder drei Jahren muss ich jedes halbe Jahr z. B. wegen Gebührenbefreiung neu einreichen. Da haben die mir gesagt: so wie Sie sagen auch andere irgendwann `habt mich gern` und dann zahlen es die Leute doch irgendwie selbst und der Staat springt nicht ein und erspart sich was. Behinderten wird es wirklich nicht einfach gemacht, jedes Mal muss man mit 5 Tonnen Unterlagen und Dokumenten kommen."

  • Abwertende Behandlung

"Das Schlimmste ist für mich, auf ein Amt zu gehen. Ich fürchte mich immer davor, die ewige Bettelei."

"Man muss immer nachfragen und nachbohren, hart sein, dreimal auf die Pensionsversicherung gehen und Beschwerdebriefe schreiben - nicht so dumm sein wie ich, wenn jemand sagt, das ist nicht. Mir hat mein Operationsarzt einen Beschwerdebrief an die Pensionsversicherung geschrieben, weil er gesagt hat: das ist eine Frechheit. Der hat mir damals viel geholfen und hilft mir heute noch sehr."

"Mit einer Behinderung wirst du so behandelt, als wenn man einen Poscher hat. Man wird nicht für voll genommen von niemandem, von keiner Behörde, von keinem Amt."

"Es kommt keine Unterstützung, weder vom Bundessozialamt, noch vom Arbeitsmarktservice noch von irgendeiner Organisation. Du bist auf dich selbst angewiesen, finanziell bekommst du keine Unterstützung, ich aus dem Grund, weil ich verheiratet bin und mein Mann verdient angeblich so viel. Man wird nicht für voll genommen, nicht einmal beim Bundessozialamt, weil man könnte das ja alles ERFUNDEN haben. Man muss alles doppelt und dreifach belegen, dass die Behinderung auch angenommen wird. Ich hab mir das nicht ausgesucht, dass ich eine Behinderung habe, im Gegenteil, ich wollt ja gar keine, und mein Kind hätte sich sicher auch keine ausgesucht."

"Es ist oft so erniedrigend, was du auf Ämtern erlebst, die Art, wie mit mir umgegangen wird. Zum Beispiel Pflegegeld: da wurde am Arbeits- und Sozialgericht behauptet, von Leuten, die mich gar nicht kennen, dass es mir angeblich besser geht und das Pflegegeld entzogen. Und man muss wieder zurück und fühlt sich als Bittsteller und als das Letzte. Ich habe mich so gefühlt bei der Pensionsversicherungsanstalt, beim Bundessozialamt, bei den Gutachtern, die vom Gericht bestellt wurden, beim Magistrat und bei der Krankenkasse."

"Während meiner Chemotherapie wurde ich dreimal in die Wiener Gebietskrankenkassa bestellt, um zu sehen, ob ich wirklich krank bin. Wie kann das sein? Ich hatte miserable Blutwerte. Das werde ich nie in meinem Leben vergessen. Ich habe eine Ärztin gefragt, was das soll. Sie hat sich entschuldigt, aber das hat mir auch nichts geholfen. Nach meiner Chemotherapie wurde ich auf Kur geschickt. Ich habe dann bei meiner Rückkehr eine starke Entzündung an den Lymphen bekommen und konnte meinen Arm nicht bewegen an der Seite, wo die Brust amputiert wurde. Daraufhin hat der Arzt der Gebietskrankenkassa gesagt, Sie schauen gesund aus, Sie können arbeiten gehen."

  • Widersprüchliche Botschaften

"Am AMS hat es geheißen: Ich kann Sie nicht vermitteln, aber Sie schauen eh nicht schlecht aus! Andererseits sagt die Chefärztin der Krankenkasse: Gehen Sie arbeiten! - Was soll ich tun?" (Frau mit Schmerzzuständen, eine "unsichtbare" Behinderung")

"Ich kann den Haushalt nicht mehr so führen, wie ich möchte, mir stünde auch eine Haushaltshilfe vom Jugendamt zu, aber die muss ich bezahlen, das wird eingestuft nach dem Gehalt meines Mannes. Gleichzeitig soll ich aber mit meiner Behinderung arbeiten gehen, da widerspricht sich doch was."

Auffallend ist bei diesen Schilderungen die Empörung über das Ausgeliefert-Sein gegenüber den Vorschreibungen und Vorgehensweisen der Ämter. Eindrücklich beschreiben die Interviewpartnerinnen, welche Kraft und Anstrengung die Auseinandersetzung mit den Ämtern und die Erfüllung ihrer Vorgaben erfordern - Kräfte und Energien, die, wie eine Interviewpartnerin gut schildert, dann für andere Aspekte der Lebensbewältigung, etwa für Arbeitssuche und Weiterbildung, aber auch für den Heilungsprozess fehlen. Es ist zu vermuten, dass durch diese Erfahrungen nicht alle bestehenden finanziellen Ansprüche tatsächlich beantragt werden.

Auffallend ist auch, dass die Interviewpartnerinnen keine Unterstützung sowohl von den Ämtern selbst wie auch für den Umgang mit den Ämtern erleben.

Als Anliegen formulieren Interviewpartnerinnen daher umfassende Informationen und individuelle Unterstützung:

"Von den Behörden hätte ich gerne mehr Unterstützung, mehr Aufklärung, was man für Möglichkeiten hat, was kannst du machen, und nicht abgeschoben werden."

"Ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht, vom Bundessozialamt zum Beispiel, mehr Unterstützung von der PVA, vielleicht mehr Unterstützung von einem, der was dich wirklich versteht, der nicht sagt: Sie spielen nur Theater und das ist alles nur Show und aus, gemma, Wiederschauen, einfach Abfertigung. Keiner lässt sich mehr auf ein persönliches Gespräch ein und will in die Tiefe gehen, jeder blockt nur ab."

"Als ich meinen Behindertenpass bekommen habe, hätte ich gerne einen Termin mit einem Berater bekommen, um über die Möglichkeiten von Behinderten aufgeklärt zu werden, z. B. was Leistungen wie Pflegegeld und so betrifft. Alles das, was ich überhaupt nicht weiß. Ich wünsche mir, dass da mehr Anregungen aus dem Bundessozialamt kommen."

In den ExpertInneninterviews entstand dagegen der Eindruck, dass Führungskräfte und BeraterInnen grundsätzlich engagiert sind, jedoch selbst oft unter Druck stehen.

5.4.2 Pflegegeld

Nur eine Interviewpartnerin bezieht zur Zeit Pflegegeld. Die Bewilligung von Pflegegeld bestimmt sich aus dem bestehenden aktuellen Unterstützungsbedarf[81], und stützt sich auf die Begutachtung durch einen Amtsarzt. Die allermeisten Interviewpartnerinnen haben noch nie Pflegegeld beantragt - obwohl viele von ihnen behinderungsbedingt große Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags haben und Hilfe beim Einkaufen, bei Reinigungstätigkeiten und bei der Betreuung ihrer Kinder sowie Geld für Taxifahrten und für Hilfsmittel bräuchten.

Zwei Interviewpartnerinnen wurde das Pflegegeld (Stufe 1) wieder entzogen:

"Ein Arzt kam zu mir nach Hause, um zu kontrollieren. Weil ich schon die Tür aufmachen konnte, meinte er, dass ich keine Unterstützung mehr brauche. Mein Einspruch wurde abgelehnt."

"Ich habe schon einmal Pflegegeld bezogen, aber dann hat die Gutachterin gemeint, es geht mir schon besser, ohne mich wirklich zu kennen. Es geht mir nicht besser, eher schlechter. Du bist so abhängig von deinem Gutachter, das ist eine bodenlose Gemeinheit. Da müsste es allgemeine Richtlinien geben, nicht abhängig davon, ob der mit dem linken Fuß aufgestanden ist."

5.4.3 Leben im Wartezustand

Einige Frauen befinden sich in Stadien, in denen sie auf Bescheide warten. Pensionsbevorschussungen bedeuten noch keine Zusage für die Genehmigung einer Pension durch geminderte Erwerbsfähigkeit, einige Frauen haben schon, auch mehrmals, Ablehnungen erhalten. Zwei Frauen warten schon seit mehreren Monaten auf Pensionsbewilligungen aus dem Ausland - in einem Fall verhindert die ungeklärte Situation, laut Interviewpartnerin, die Auszahlung von Pflegegeld von österreichischer Seite. Beide Frauen sind dadurch in besonders prekären finanziellen Situationen. Wie belastend ungewisse Situationen sind, schildern zwei Interviewpartnerinnen:

"Ich wünschte, es würde sich jemand finden, der beschließt, dass ich jetzt entweder arbeitsfähig bin oder nicht. Das heißt, dass ich nicht mehr herumrudere, sondern dass es heißt: Sie haben einen Job oder Sie sind Frühpensionistin. Einfach, dass nicht diese Unsicherheit und Erwartung da ist und dass man planen kann."

"Auf der einen Seite bekommt man keine Arbeit, aber ist zu jung für die Pension. Von 1995 bis 1997 habe ich eine befristete bekommen. Jetzt im Moment habe ich wieder eingereicht. Das Verfahren läuft seit 8 Jahren und ca. achtmal habe ich bis jetzt insgesamt eingereicht. Ich kann nicht einmal einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, denn dann würde die Berufsunfähigkeitspension überhaupt nicht genehmigt werden."

Auch bei der Fragebogenerhebung hat sich herausgestellt, dass insgesamt sehr wenige der Befragten Pflegegeld erhalten, Frauen dabei nur halb so häufig wie Männer.

5.4.4 Zusammenfassung - Ämter (Box 6)

Viele Interviewpartnerinnen schildern belastende Erfahrungen mit Ämtern (Krankenkassen, Pensionsversicherungsanstalten, Bundessozialamt, Arbeitsmarktservice). Sie beschreiben Informationsmangel, durchlaufene Ämterodysseen, abwertende Behandlung von Seiten der Ämter und widersprüchliche Auskünfte.

Die Durchsetzung von finanziellen Ansprüchen erfordert viel Kraft und Energie - und dies betrifft eine Personengruppe, die durch ihre körperlichen Beeinträchtigungen unter erschwerten Lebensbedingungen leidet.

Belastend sind auch unklare Situationen bezüglich des Status.

Es besteht der Wunsch nach umfassender, ausführlicher und wertschätzender Beratung und Unterstützung.

5.5 "Begünstigt Behindert"

"Begünstigt behindert - was heißt das?"

5.5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Bundesssozialamt versteht sich als zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen in Österreich.[82] Hier wird der Grad der Behinderung durch einen ärztlichen Sachverständigen festgestellt. Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 von Hundert (vH) haben Personen, die in Österreich leben, das Anrecht auf einen Behindertenpass. Dieser führt zu Preisermäßigungen etwa bei kulturellen Ereignissen und zu Steuerbegünstigungen.

Zusätzlich können diese Personen, sofern sie nicht SchülerInnen, StudentInnen oder PensionistInnen sind, die Aufnahme in den Kreis der "begünstigt Behinderten" beantragen. Der Status "begünstigt behindert" hat das Ziel der verbesserten Integration in den Arbeitsmarkt, durch Förderung, Schutzbestimmungen und Beschäftigungspflicht für DienstgeberInnen.

Zu den Vergünstigungen gehören:

  • erhöhter Kündigungsschutz: DienstgeberInnen müssen vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung des Behindertenausschusses einholen. Der Kündigungsschutz besteht allerdings nicht in den ersten 6 Monaten.

  • Förderungen im beruflichen Bereich: Dienstgeberlohnförderungen, technische Arbeitshilfen und Arbeitsplatzadaptierungen, berufliche Aus- und Weiterbildung

  • Zusatzurlaub

  • Lohnsteuerfreibetrag

  • Fahrpreisermäßigungen (ab 70 vH bei den ÖBB)

Der Vermerk "begünstigt behindert" ist auf dem Behindertenpass eingetragen. Ist eine Person als "begünstigt behindert" gemeldet, so muss der Dienstgeber darüber informiert werden. Der Status "begünstigt behindert" ist nicht reversibel, außer der gesundheitliche Zustand verbessert sich erheblich.

Die hier interviewten Frauen sind nicht im Arbeitsmarkt integriert, die vielfältigen positiven Schutz- und Förderbestimmungen für "begünstigt Behinderte" sind für sie daher auch aktuell nicht anwendbar. Stattdessen bekommen sie die negative Seite dieses Status zu spüren: Arbeitgeber scheuen sich davor, eine begünstigt behinderte Person anzustellen. Daher ist ihre Chance auf einen neuen Arbeitsplatz gering.

5.5.2 Informationsdefizite

Alle interviewten Frauen haben entweder einen Behindertenpass und/oder sind als "begünstigt behindert" beim Bundessozialamt registriert, da sich diese Studie auf die Frauen stützt, die in dieser Form mit ihren Daten erfasst sind.

Die meisten Frauen haben in Bezug auf die Kategorie "Begünstigt behindert" Informationsdefizite. 21 Frauen geben an, als "begünstigt behindert" zu gelten, drei davon erkannten allerdings erst im Interview, beim Nachschauen auf ihrem Behindertenpass, diese Zuordnung. Bei den restlichen 9 Frauen bleibt unklar, ob sie zusätzlich zu ihrem Behindertenpass auch als "begünstigt behindert" gemeldet sind.

Den wenigsten Frauen ist die Bezeichnung "begünstigt behindert" geläufig, meist wird pauschal vom Behindertenpass gesprochen, wenn konkret der Status "begünstigt behindert" gemeint ist. Nur 6 Frauen von 30 Befragten können auf Grund ihrer Aussagen als informiert gelten. Im folgenden zwei Aussagen, die als exemplarisch für den Informationsmangel oder auch falsche Annahmen innerhalb der Gruppe der Interviewpartnerinnen gelten können:

"Ich bin begünstigt behindert gemeldet worden, ohne dass ich das beeinflusst habe. Das Arbeitsamt hat mich zum Bundessozialamt geschickt, sonst bekäme ich kein Arbeitslosengeld. Beim Bundessozialamt habe ich mich begünstigt behindert gemeldet."

"Begünstigt behindert, was heißt das? Ich habe keine Information darüber. Ich habe mich nicht als begünstigt behindert gemeldet. Das steht da auf meinem Behindertenpass drauf, ich habe es nicht einmal gemerkt. Ich sehe das jetzt das erste Mal."

5.5.3 Beantragung des "Behindertenpasses"

Zeitpunkt der Registrierung:

2000 bis 2004 19 Frauen

1995 bis 1999 5 Frauen

1987 bis 1994 5 Frauen

keine Angabe 1 Frau

Auffällig ist, dass 2/3 der Frauen erst in den letzten 5 Jahren ihren Behindertenpass und/oder den Status "begünstigt behindert" erhalten haben. Eine Häufung mit 7 Frauen gab es im Jahr 2002.

Als Institution oder Person, die auf den Behindertenpass/"begünstigt behindert" aufmerksam machte, nannten die Frauen folgendes:

AMS (2x mit der Begründung, dass sie damit auch Arbeitsangebote ablehnen könnten) 4 Frauen

Finanzamt 2 Frauen

Bundessozialamt 2 Frauen

Bekannte, Verwandte 2 Frauen

Krankenhaus, Hausarzt 2 Frauen

ÖBB 1 Frau

Vorgesetzten (wegen einer höheren Abfertigung) 1 Frau

Mehrere Interviewpartnerinnen berichteten, dass Ihnen vom AMS eindringlich nahe gelegt wurde, sich als begünstigt Behinderte zu melden. Die befragten ExpertInnen bestätigten, dass bis vor wenigen Jahren das AMS tatsächlich Betroffene eher in diese Richtung beraten hat.

Zum Zeitpunkt der Beantragung waren 13 Frauen berufstätig, etwas mehr als die Hälfte war nicht berufstätig.

Als erwartete Vorteile wurden von einigen Frauen vor allem der Kündigungsschutz und der Schutz vor nicht mehr zu erfüllenden Leistungsanforderungen am Arbeitsplatz genannt und damit eine bessere Absicherung im Beruf. Da fast alle interviewten Frauen zur Zeit nicht (mehr) am Arbeitsmarkt integriert sind, ist ihre Enttäuschung über die nicht in Erfüllung gegangenen Erwartungen verständlich.

"Ich habe den Behindertenpass beantragt, damit ich meine Arbeit behalte. Ich hatte damals 50% Behinderung. Die Arbeit habe ich aber trotzdem verloren." (Anmerkung: die Firma ging in Konkurs)

"Ich hatte aufgrund der Krankheit viele Krankenstände und habe dadurch oft den Job verloren. Ich habe mir einen Kündigungsschutz erwartet, aber der Kündigungsschutz setzt erst nach 6 Monaten ein und so lange war ich kaum an einem Stück beschäftigt."

5.5.3.1 Erlebte Vorteile

Einer Interviewpartnerin wurde von ihrem Vorgesetzten geraten, sich als "begünstigt behindert" zu melden, da sie damit bei der absehbaren Firmenschließung eine höhere Abfertigung aushandeln könne - was auch eintrat.

Zwei Frauen haben bewusst den Status "Begünstigt behindert" beantragt, sie sind die einzigen, die von positiven Auswirkungen berichten:

"Es ist eine gewisse Absicherung, ich hab was in der Hand. Das Bundessozialamt war damals auch herb, als ich den Pass beantragt habe. "Weiß ihr Mann, dass Sie da sind?" hat mich der Beamte gefragt, weil mein Mann mein Dienstgeber war. Da hab ich ihm gesagt: "Gleiches Recht für alle."

"Mir wurde 1994 abgeraten, denn es wären Nachteile bei der Arbeitssuche zu erwarten. Seit einem Jahr habe ich jetzt den Pass, denn ich will mich selbstständig machen. Seitdem habe ich manchmal weniger Eintritt gezahlt und bei meinem Mann wurde die Steuerabsetzbarkeit möglich, so lange er Alleinverdiener ist. Ich glaube auch, dass ich durch die "begünstigt Behinderte" eventuell für die Selbständigkeit Förderungen bekomme."

Als weitere Vorteile, die vorwiegend den Behindertenpass betreffen, werden genannt:

  • steuerliche Begünstigungen

  • Befreiung von Studiengebühren

  • Ermäßigungen für Fernseher, Telefon

  • Ermäßigte Eintritte bei Museen und kulturellen Veranstaltungen

  • ÖBB- Ermäßigungen

13 Frauen beschreiben, dass der Status "begünstigt behindert" zu keinen Veränderungen geführt hat - zumeist, weil sie sich seitdem nicht am Arbeitsmarkt beworben haben.

5.5.3.2 Erlebte Nachteile

11 Frauen berichten von Hindernissen bei der Arbeitssuche, auch aufgrund des Status "begünstigt behindert":

"Ich hab mich 1995 gemeldet, weil es beim Arbeitsamt geheißen hat, dass ich sonst jede Arbeit annehmen muss, und das geht mit meiner Lunge nicht. Ich musste das fürs Arbeitsamt belegen. Zurückgeben trau ich mich aber nicht. Ich habe jetzt noch mehr Probleme einen Job zu bekommen. Beim Arbeitsamt wurde mir gesagt, für Invalide ist die Chance, einen Job zu bekommen noch schwieriger, bzw. gleich null. Das Gesetz geht für uns nach hinten los."

"2001 hat mir das das AMS geraten, weil ich sonst Arbeiten annehmen hätte müssen, die ich wegen der Behinderung nicht machen kann. Das war aber ein schlechter Rat, das wäre nur gut gewesen, wenn ich zu der Zeit einen Job gehabt hätte, dann wär's mehr Sicherheit gewesen, aber heute bekomme ich keinen Job mehr, weil die Firmen Angst haben, sie werden mich nicht mehr los."

"Wenn du deinen Invalidenausweis vorlegst, dann brauchst du kein Formular mehr ausfüllen, du bekommst nicht mehr die Chance, dass du danke sagst und auf Wiederschauen, dir wird gleich die Tür zugehauen."

"Ich habe den Behindertenpass seit 1994. Ich habe es ehrlich gesagt aus Geldgier gemacht, damit ich nicht gekündigt werden kann. Das würde ich nie wieder machen, es beeinträchtigt zu sehr bei der Arbeitssuche. Ich habe es immer wieder bei meinen Bewerbungen gesehen, wenn meine Behinderung zur Sprache gekommen ist, dann wurde ich gleich abgelehnt."

"Der Behindertenausweis ist für mich ein rotes Tuch - ich hab bis jetzt noch nichts davon gehabt."

Einige Frauen benennen konkret den Kündigungsschutz als Hindernis für eine Anstellung. Mehr Frauen erleben jedoch, dass sie mit Vorlage des Behindertenpasses als Frau mit Behinderung erkennbar sind und sie der potentielle Dienstgeber daher nicht einstellen will.

Problematisch ist, dass hier ein Instrument, das der verbesserten Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt dienen sollte, zumindest in der Phase der Arbeitssuche gegen sie verwendet wird. Aufgrund dieser Erfahrungen rät das AMS inzwischen ab, den Status "begünstigt behindert" in der Phase der Arbeitssuche zu beantragen.[83]

Eine Interviewpartnerin berichtet, wie sie durch möglichst langes Verschweigen ihres Status als "begünstigt behindert" eine Anstellung erhalten hat:

"Ich hatte schon vor meiner letzten Stelle starke Schmerzen und auch schon den Behindertenausweis. Nachdem ich eine Zeitlang nur Absagen bekommen habe, hab ich mir gedacht: diesmal sagst du es nicht gleich, sondern warte bis kurz vorm Ende der Probezeit. Ich hab dann den Job wirklich bekommen und in der letzten Woche der Probezeit habe ich es meinem Vorgesetzten gesagt und ihm den Behindertenausweis gezeigt. Ich hab Glück gehabt, mein Vorgesetzter hat gemeint, es wäre ihm egal, was auf dem Papier steht. Seine Oberen haben sich zwar furchtbar aufgeregt, weil ich ja unkündbar war, aber es hat funktioniert. Das war wirklich ein großer Glücksfall - und so was passiert mir sicher nicht noch einmal. - Ich habe dann nach 3 Jahren selbst gekündigt, weil die Schmerzen unerträglich wurden."

5.5.4 Zusammenfassung - "Begünstigt Behindert" (Box 7)

Es besteht ein großes Informationsdefizit hinsichtlich der Differenzierung zwischen Behindertenpass und dem zusätzlichen Status "begünstigt behindert". Obwohl die meisten Interviewpartnerinnen als "begünstigt behindert" gemeldet sind, ist ihnen der Begriff wenig geläufig.

Viele Interviewpartnerinnen erklären, bezüglich der Vorteile und Auswirkungen des Behindertenpasses und des Status "begünstigt behindert" zu wenig informiert worden zu sein.

Die erhofften Vorteile eines vergrößerten Schutzes am Arbeitsplatz haben sich für die Interviewpartnerinnen nicht erfüllt. Vorteile werden im Bereich von steuerlichen Begünstigungen und diversen Ermäßigungen gesehen.

Speziell die Frauen, die auf Arbeitsplatzsuche sind und sich immer wieder bewerben, berichten von Nachteilen aufgrund des Status "Begünstigt behindert".

5.6 Arbeit und Beruf

"Es gibt nicht nur schwarz und weiß, krank und gesund, voll arbeiten oder gar nicht arbeiten - es gibt viel dazwischen!"

5.6.1 Bedeutung von Erwerbsarbeit

Auf die Frage, ob sie zur Zeit eine berufliche Tätigkeit ausüben, antworten mit:

Ja 15 Frauen

Nein 9 Frauen

Keine Angabe 7 Frauen

Damit beschreiben sich mehr Frauen als beruflich tätig, als die Zahlen der Zuschreibungen von arbeitslos, geringfügig beschäftigt, erwerbstätig wiedergeben. Zusätzlich werden Tätigkeiten angeführt, die spontan, gelegentlich und im näheren Umfeld der Frauen entstehen.

Gerade in der folgenden Aussage wird deutlich, dass in dieser erwerbsmäßig grauen Zone wichtige gesellschaftliche Arbeit passiert:

"Ich muss nebenbei was tun, mit meinem Einkommen komme ich nicht durch. Ich habe einige alte Damen, die ich besuche, tratsche ein bisschen mit ihnen, Karten spielen, die zahlen mir etwas. Gehe vielleicht zwei bis dreimal, kommt darauf an. Manchmal verdiene ich dadurch wöchentlich ein paar Euro, ist aber unregelmäßig. (...) Das wichtigste ist dabei das Psychologische, ich brauche den Umgang mit diesen Leuten, das Finanzielle ist dabei nur ganz gering. (...) Ich helfe den älteren Damen beim Einkaufen mit meinem Wagerl, das geht nicht nach Zeit, sondern auf die menschliche Basis. Wir gehen ganz langsam, machen viele Pausen, die ich auch brauche. Ich fühle mich gut, weil ich da gebraucht werde."

Immer wieder betonen die Interviewpartnerinnen, wie wichtig ihnen die beruflichen Tätigkeiten sind. So sind die erwerbstätigen Interviewpartnerinnen, selbst wenn sie nur geringfügig beschäftigt sind, deutlich zufriedener mit ihrem Leben als die nicht ins Erwerbsleben eingebundenen Frauen.

Wenn die Frauen ihre Erwerbslaufbahn, meist vor Auftritt der körperlichen Beeinträchtigung schildern, dann schwingt oft Stolz und Zufriedenheit mit, selbst wenn es eine unqualifizierte Tätigkeit war:

"Am glücklichsten war ich, als ich 13 Jahre im Schweinestall gearbeitet habe. Das habe ich wahnsinnig gern gemacht, da war ich allein, nur mit einer Kollegin im Wechsel, das hat Spaß gemacht, ich hatte viele Erfolgserlebnisse."

Gefragt, wie zufrieden sie mit ihrer beruflichen Situation waren, oder, falls erwerbstätig, noch sind, antworten mit:

Sehr gut 11 Frauen

Gut 5 Frauen

Befriedigend 1 Frau

Ausreichend -

Ungenügend 6 Frauen

Gemischte Erfahrungen 7 Frauen

Eine Mehrzahl der Frauen war demnach zufrieden mit ihrer beruflichen Situation, 6 Frauen äußerten sich allerdings sehr unzufrieden. 7 Frauen gaben an, sehr unterschiedlich zufrieden stellende Erfahrungen gemacht zu haben.

Auffällig ist die Häufung der Antworten in den Extrembereichen "sehr gut" oder "ungenügend". Im Durchschnitt ergibt es die "Note" 2.35 für die Zufriedenheit im Beruf.

Da die meisten der Frauen inzwischen nicht mehr im Arbeitsmarkt integriert sind, kann es sein, dass sie in der rückblickenden Betrachtung ihrer ehemaligen beruflichen Situation mehr zu den polarisierten Wahrnehmungen "sehr gut" oder "ungenügend" tendieren. Die Häufung im Bereich "sehr gut" kann ebenfalls in Bezug auf die momentane Situation gesehen werden, wo allein die berufliche Integration schon erstrebenswert erscheint und zu einer Idealisierung der einstigen Berufstätigkeit führt.

Oft wird der Kontakt zu Menschen, KundInnen oder KollegInnen, als wichtiger Teil für die Arbeitszufriedenheit genannt:

"Kassiererin sein hat mir wirklich Spaß gemacht, mit den Leuten, ich hab gern Kontakt zu Menschen."

Auf die Frage, inwieweit sie in ihrem Beruf ihre Kompetenzen entfalten konnten, antworteten mit

Sehr gut 7 Frauen

Gut 3 Frauen

Befriedigend 7 Frauen

Genügend 3 Frauen

Mangelhaft 3 Frauen

6 Frauen gaben an, in ihrem Berufen unterschiedliche Erfahrungen mit der Entfaltung ihrer Kompetenzen gemacht zu haben.

Der Durchschnitt liegt hier bei 2.65. Die Antworten sind relativ gleichmäßiger auf die Antwortmöglichkeiten verteilt.

Insgesamt ist die Beurteilung, der im Beruf gemachten Erfahrungen, überraschend gut und spiegelt sich auch in der Erwerbsorientierung vieler Interviewpartnerinnen wieder.

5.6.2 Bedeutung von Arbeitslosigkeit

Demgegenüber wird der Zustand der Arbeitslosigkeit, in dem sich 24 Frauen befinden, von vielen Interviewpartnerinnen als sehr belastend erlebt.

"Dann bin ich aufs AMS losgezogen, und das war wie die Hölle für mich. Das hat mich seelisch zurückgehauen. Da wird einem dann wieder bewusst: wie viel wert bist du noch ... ."

"Wenn man arbeitslos ist, dann gibt's kein Ziel mehr, man denkt nur noch an heute und morgen, es ist sehr begrenzt."

Befragt, welche Veränderungen durch eine erneute Berufstätigkeit eintreten würden, werden vor allem finanzielle, aber auch psycho-soziale Auswirkungen benannt, die Rückschlüsse auf die momentane Situation erlauben. Fast alle Frauen haben diese Fantasien, die vor allem eine erneute Integration in ein "normales" gesellschaftliches Leben beinhalten.

"Vieles würde sich ändern, ich glaube, ich wäre der glücklichste Mensch auf Erden. Momentan bin ich in einer Krise. Mir ist es völlig egal, was es für eine Arbeit ist, ich will aber unbedingt arbeiten gehen. Ich käme wieder unter die Leute und hätte eine Aufgabe. So habe ich den ganzen Tag nur Haushalt, Kinder, Haushalt, Kinder. Dann hätte ich auch keine blöden Gedanken, wie: wozu lebe ich denn eigentlich noch?"

"Das Finanzielle wäre leichter, ich muss mir momentan jeden Kaffee überlegen."

"Ich würde mich besser fühlen. Die Depressionsphasen wären, glaube ich, nicht mehr so schlimm."

"Viel, hoffe ich, ich müsste nicht mehr zuhause sitzen, finanziell wäre es anders, leichter."

"Ich könnte früher die Schulden begleichen, ich könnte finanziell ein freieres Leben führen, könnte früher umziehen, wäre kreditwürdig."

"Ich wäre glücklich, wenn ich wieder mehr Geld hätte. Ich könnte ins Theater gehen und mehr Aktivitäten mitfinanzieren. Ich wäre nicht mehr von meinem Mann abhängig."

"Ich würde ein fröhlicherer Mensch sein als jetzt, jetzt bin ich eher zurückgezogen. Weil die Sicherheit, eine Arbeit zu haben, in eine Arbeit zu gehen, ganz anders auf die Nerven wirkt. Die momentane Unsicherheit, kriegst eine Arbeit oder nicht, ist eine Belastung. Und ich hätte wieder mehr Kontakte."

"Viel! Ich wäre mobil, ich könnte leben, mir schöne Kleider kaufen, ich könnte essen gehen, einen Urlaub könnte ich machen, ein neues Wohnzimmer könnte ich mir kaufen, ein schönes kuscheliges Bett. Und Essen - Berge!"

5.6.3 Auswirkungen der Beeinträchtigung im beruflichen Bereich

Zwei Schwerpunkte werden hier genannt: die verminderte Leistungsfähigkeit und die eingeschränkten Berufschancen.

  1. Verminderte Leistungsfähigkeit

"Vorher habe ich mich mit sehr viel Kraft und Energie an die Spitze gearbeitet, bis vor 3-4 Jahren ging es immer noch, jetzt geht es nicht mehr."

"Dass ich nimmermehr soviel schaffe, dass es immer weniger wird, das ist eigentlich traurig. Ich möchte viel mehr machen, aber es geht einfach nicht."

  1. Eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten

"Ich habe vorher viel und gerne gearbeitet, sehr gut verdient. Seit meinem Unfall habe ich keine Engagements mehr bekommen, durch die ständigen Spitalsaufenthalte ging das auch nicht mehr. Jetzt will mich niemand mehr."

"Ich konnte beruflich deswegen keine Karriere machen. Die Krankheit hat mein Berufsleben schwer beeinträchtigt, zerstört."

  1. Beschränktes Berufsspektrum

Zwei Frauen, die bereits ihre Schulbildung mit Beeinträchtigung durchliefen, stießen bereits bei der Berufswahl auf Schranken:

"Ich konnte nicht die Kindergartenausbildung machen, die ich wollte, denn ich konnte klein Instrument spielen." [84] (schwerhörige Frau)

"Ich wollte Kindergärtnerin oder Blumenbinderin werden und war nach der Schule mit meiner Mutter beim WIFI. Aber kaum hab ich gesagt, dass ich in der Sonderschule war, war es aus, da hab ich keine Lehrstelle gekriegt. Ich hab keine Chance gekriegt."

5.6.4 Reaktionen am Arbeitsplatz auf die Behinderung

Die Interviewpartnerinnen berichten von vielfältigen Reaktionen auf das Bekanntwerden der Beeinträchtigungen:

Abb. 7: Reaktionen auf die Bekanntwerdung der Beeinträchtigung der Interviewpartnerinnen

Die negativen Reaktionen waren zumeist mit einer Kündigung oder Aufgabe des Arbeitsverhältnisses verbunden. Dazu ein Beispiel:

"Erst sollte ich gleich entlassen werden, nachdem die Chefin erfahren hat, dass ich MS habe. Ich habe mich dagegen gewehrt und die Kündigung wurde zurückgezogen. Ich musste dann an den Händen operiert werden und war 3 Wochen zuhause. Dann wurde ich von der Fleischabteilung (im Supermarkt) zur Milch abgezogen, da war mehr zu heben und es war sehr kalt. Das habe ich nicht sehr lange ausgehalten. Ich habe die Kündigung bekommen und mich dann nicht mehr gewehrt, ich hatte keine Kraft mehr."

Einige Frauen, wie diese Interviewpartnerin, beschreiben, dass sie ihr körperliches Leistungsvermögen am Arbeitsplatz so lange überschreiten, bis es zu einem völligen Zusammenbruch kommt. Neuerliche Krankheiten, Unfälle oder eine gravierende Verschlechterung des körperlichen Zustands sind die Folgen, die dann auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen. Hier wären direkte betriebliche Interventionen gefragt, bevor es zu diesem negativen Kreislauf kommt. Zur körperlichen Überforderung noch ein Beispiel:

"Ich habe gekündigt, weil die Schmerzen unerträglich geworden sind. Ich habe starke Schmerzmittel gebraucht, um überhaupt ins Auto einsteigen zu können. Ich war in der Früh die erste und abends die letzte in der Firma, das Diensthandy war sogar im Urlaub aufgedreht. (...) Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass sich mein körperlicher Zustand so verschlechtert hat. Ich habe mich jahrelang selbst so stark gefordert und habe so lange so starke Schmerzmittel genommen. Damit ist man für die Außenwelt voll funktionsfähig, da merkt man ja nichts. Aber die zeit danach, wo man denkt, ich kann nicht mehr, beim Heimkommen denkt, den ersten Stock jetzt hinaufgehen, das schaffe ich jetzt nicht mehr."

Positive Reaktionen nehmen auf die besonderen Bedürfnisse Rücksicht und wirken integrativ:

"Die haben Verständnis und nehmen Rücksicht darauf wie's mir geht. Wenn's mir schlecht geht, soll ich die Arbeit lassen, wenn mir schwindlig ist, kann ich mich hinlegen." (Frau in Beschäftigungstherapie)

"Beim Vorstellungsgespräch, aber erst zum Schluss, habe ich darauf hingewiesen, sodass der Chef wusste, dass es keine Kommunikationsschwierigkeiten gibt. Es wurde in allen Außenstellen bekannt gemacht. Und per Aktennotiz haben wir die Gespräche festgehalten." (hörgeschädigte Frau)

Die letztere Interviewpartnerin beschreibt, wie im Gespräch mit ihrem Chef deutlich wurde, dass sie sich trotz ihrer Hörbeeinträchtigung gut unterhalten kann. Damit erhielt sie auch gleichzeitig die nötigen Unterstützungen für die weitere Kommunikation am Arbeitsplatz.

Neutrale Reaktionen nehmen die Beeinträchtigungen zur Kenntnis, dies hat jedoch keine Folgen, weder negative noch positive. Die Anforderungen an die Arbeitsleistung bleiben die gleichen.

"Es gab keinerlei Probleme. Ich war eine gute Arbeiterin."

Auch gemischte Reaktionen wurden geschildert - ein Teil der Arbeitsumgebung reagierte positiv, der andere jedoch negativ:

"Ich habe gute Erfahrung mit dem Vorgesetzten gemacht. Bei den Kollegen war das Unverständnis manchmal spürbar: ja, kannst du das denn nicht alleine tragen."

5.6.5 Verlust des letzten Arbeitsplatzes

Als Grund für den Verlust des letzten Arbeitsplatzes nennen die Interviewpartnerinnen:

Abb. 8: Gründe für den Verlust des Arbeitsplatzes der Interviewpartnerinnen

Auch wenn die Frauen einen Grund hervorheben, so kommt in den Schilderungen doch heraus, dass es oft eine Kombination mehrerer Faktoren ist: etwa, dass die gesundheitlichen Einschränkungen Kündigungen zur Folge haben. Oder im Fall einer Schauspielerin: sie bekommt als Frau mit einer sichtbaren körperlichen Beeinträchtigung keine festen Aufträge mehr.

Fast die Hälfte der Frauen geben gesundheitliche Gründe als Ursache für den Arbeitsplatzverlust an. Die gesundheitlichen Gründe umfassen sowohl langwierige Krankheiten und Operation, wie auch körperliche Beeinträchtigungen, die die bisherige berufliche Tätigkeit erschweren oder verunmöglichen.

  • Krankheit als Auslöser für Arbeitsplatzverlust

"Bis zum Ausbruch meiner Leukämie habe ich schon Karriere gemacht und mein Wissen und Können sehr breit angelegt. Es war für mich immer einfach eine neue Arbeit zu finden. (Nach der Chemotherapie) wollte ich so gerne wieder zurück in mein früheres Leben. Jeder Schnupfen endete jedoch in einer Lungenentzündung, das war sehr schlimm. Ich war viel im Krankenstand, habe dann gekündigt und mir eine andere Arbeit gesucht, weil ich weniger Stunden arbeiten wollte. Ich habe es dann mit 19 Wochenstunden versucht, das hat auch nicht funktioniert, dort bin ich gekündigt worden. Der Grund war, dass ich so oft krank war. Ich konnte es verstehen, das war das erste Mal, dass ich gekündigt worden bin. Es hat aber keinen Sinn gemacht, weiterzuarbeiten. Ich konnte nichts zu Ende bringen."

  • Tätigkeit körperlich zu belastend

"Meine letzte Tätigkeit war bei der Post, da hab ich Briefe umgeleitet. Das hab ich dann wegen der Schmerzen und Bewegungseinschränkungen nicht mehr machen können."

"Es ist körperlich einfach nicht mehr gegangen, die Schmerzen waren unerträglich."

"Es war eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen. Ich hab die nötigen Bewegungen nicht mehr ausführen können, ich hab nicht mehr so lange stehen und sitzen können, ich hab starke Schmerzen gehabt."

6 Frauen benennen das Verhalten der Dienstgeber als Grund für den Verlust des Arbeitsplatzes: durch Kündigung oder Mobbing.

  • Mobbing

"Als ich mit den Bandscheiben zu tun hatte, hat sich mein Chef, der Arzt, eine andere Ordinationshilfe gesucht, als Ersatz während dem Krankenstand. Danach hat er mich gemobbt, es ging mir so schlecht. Er hat darauf gewartet, bis ich sagte, ich kann nicht mehr. Er hat mir die Arbeitsbedingungen so schwer gemacht, dass ich nicht mehr konnte."

"Als ich zu meiner letzten Stelle gekommen bin, wurde ich mit den Worten begrüßt: "Ach, Sie sind der Invalide?!" Ich war auch keine typische Beamtin und wurde gemobbt, weil ich damals sehr dick war. Alle wussten von meiner Behinderung, woher weiß ich auch nicht."

  • Kündigung

"Ich hab's nicht freiwillig abgebrochen, ich wurde gekündigt. (...) Immer aus dem Grund, weil ich die Leistung nicht mehr bringen konnte. Das war ein fadenscheiniger Grund, das war aufgrund meiner Behinderung."

Das Auslaufen von Dienstverhältnissen durch Befristung oder Konkurs nennen 6 Frauen als Grund für das Ende ihres letzten Arbeitsverhältnisses. Danach haben sie es nicht geschafft, einen neuen Arbeitsplatz zu erhalten.

  • Firmenkonkurs

"Ich war zuletzt in der Produktion von Telefonwertkarten bis diese Firma in Konkurs gegangen ist. Seither hab ich Schwierigkeiten, wegen dem Alter auch und die Behinderung dazu, wieder einzusteigen. Und keinen erlernten Beruf haben, das spielt halt auch mit."

  • Befristetes Dienstverhältnis

"Es war ein befristetes Dienstverhältnis. Und jetzt bekomme ich keinen Job mehr. Ich habe jetzt auch immer mehr Angst, mich irgendwo vorzustellen. Weil die Zeit immer länger wird, trau ich mir jetzt schon nichts mehr zu, weil ich schon 40 bin und alles können muss."

Zwei Frauen führen Schwangerschaften und die anschließende Situation mit Kleinkindern als

Grund an:

"Wegen meiner Schwangerschaften. Nach der Karenzzeit wollte ich wieder zurück. Inzwischen ist die Firma aber auf vier Schichtdienste umgestellt worden, vorher gab es nur eine Arbeitszeit von 8-16 Uhr, das war für mich ideal. Schichtdienst schaffe ich als alleinerziehende Mutter nicht. Der neue Chef riet mit telefonisch, mich mitsamt meiner Kinder aufzuhängen, "den Strick kann ich Ihnen zur Verfügung stellen", sagte er. Ich wollte beidseitig kündigen. Die Firma wollte mich schon wiederhaben, mit den Kindern ist das aber unmöglich. Ich kann die Kinder morgens um fünf nirgendwo hinbringen."

"Wegen der Kinder und es hat mich nicht wirklich interessiert."

5.6.6 Hindernisse für die Ausübung eines Berufes

Als Hindernisse für die Ausübung eines Berufes werden genannt (Mehrfachnennung):

Abb. 9: Hindernisse bei der Berufsausübung der Interviewpartnerinnen

Die meisten Frauen sehen bei der Beantwortung dieser Frage das Hindernis für die Ausübung eines Berufes bei sich selbst: zumeist in ihren körperlichen Beeinträchtigungen, aber auch in ihrem Alter, ihre Ausbildung und dem fehlenden Selbstvertrauen. Damit reagieren sie auf Anforderungen des Arbeitsmarktes, denen sie nicht (mehr) entsprechen.

Nur vier Frauen benennen bei dieser Frage den Arbeitsmarkt selbst, unflexible Arbeitszeiten oder das Unverständnis der Arbeitgeber für ihre besonderen Bedürfnisse als Hindernis und fehlende passende Arbeitsplätze.

Mehrmals werden verschiedene Hindernisse aufgezählt, besonders die Kombination "Alter" und "Behinderung":

"Das wird überall gesagt: mit dem Alter und der Behinderung. In der Produktion gibt's sowieso nichts mehr und das Hindernis ist jetzt eigentlich, dass ich erst wieder einen neuen Beruf lernen muss und eine Chance kriegen muss."

Wie diese Interviewpartnerin haben einige Frauen Ideen, was Ihnen bei einem Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt behilflich sein könnte.

5.6.7 Berufswünsche

Befragt, ob sie an einer Berufsausübung interessiert sind antworten:

Abb. 10: Interesse der Interviewpartnerinnen an Berufstätigkeit

Auffällig hoch ist das Interesse der interviewten Frauen, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Die meisten Antworten sind eindeutig positiv:

"Ja, natürlich, ich arbeite gerne"

"Ja, schon, dass man eine Aufgabe hat im Leben."

"Unbedingt. Ein Rhythmus gehört in mein Leben, sonst fällt einem die Decke auf den Kopf."

Zwei Frauen benennen Bedingungen, unter denen sie sich eine Berufstätigkeit wünschen würden:

"Ja, wenn ich es körperlich aushalte. Es geht halt nicht regelmäßig, an manchen Tagen geht gar nichts."

"Ja, aber keine 40 Stunden, weil ich es mit den Knien nicht schaffe."

Eine Frau hofft auf ihre Pension, fügt aber hinzu, dass diese bereits zweimal abgelehnt worden ist. Vier Frauen sind unentschlossen, teilweise, weil sie bereits entmutigende Jahre der Arbeitssuche hinter sich haben:

"Eigentlich hab ich mir in letzter Zeit gedacht: wozu überhaupt ? (weint) Es ist immer irgendwie irgendjemand da, der einen schief anschaut. Da bin ich jetzt schon zu empfindlich geworden."

"Ehrlich gesagt, steh ich da an einem Scheideweg. Finanziell würde ich die Arbeit brauchen, andererseits mag ich nicht mehr. Ich hoffe jetzt mit 40 noch auf ein Kind."

"Jein, ja wegen dem Einkommen, aber ich bin schon so lange vom Arbeitsmarkt weg. Ich hab wenig Selbstvertrauen."

Auf die Frage nach den Berufsfeldern, für die sie sich geeignet fühlen und in denen sie gerne arbeiten würden, werden genannt:

Abb. 11: Interessensgebiete der Interview partnerinnen für Berufstätigkeit

Zwei Frauen sind noch im Prozess der beruflichen Zielfindung.

Auffällig ist hier die Häufung im sozialen Bereich und bei den Bürotätigkeiten.

Unter den sozialen Tätigkeiten werden verstanden:

"Ich würde gerne Besuchsdienste machen für ältere Leute, das wird nur leider nicht bezahlt."

"Selbständige Beratungstätigkeit im Bereich Schmerzberatung, psychologische und spirituelle Beratung."

"Eben das, was ich jetzt mache: Besuchsdienste, für andere Leute da sein und es ihnen so leicht wie möglich machen. (...) Ich kann mit Menschen gut umgehen."

"Ich hab gern mit Kindern zu tun. Eine Ausbildung zur Tagesmutter würde ich machen, wenn es bezahlt wird."

"Im sozialen Bereich, z. B. für geistig Behinderte. Ich würde mir ohne weiteres zutrauen, die Wärme und Liebe und Geborgenheit, die was viele nicht haben, weil sie ausgegrenzt werden, zu geben, weil ich habe es auch am eigenen Leib erfahren."

"Ich würde irrsinnig gern mit Menschen arbeiten, mit Kindern oder alten Leuten, ich hätte soviel zu geben, ich bin eigentlich ein sozialer Mensch."

Viele der genannten Tätigkeiten werden von den Frauen bereits jetzt durchgeführt, nur zumeist unbezahlt. Eine Professionalisierung dieser Alltagsfertigkeiten wäre ein Ansatz für ein Qualifizierungsangebot.

Bürotätigkeiten werden ähnlich häufig genannt, meist im wenig qualifizierten Bereich:

"Büro, Telefonieren, Schreiben."

"Rezeption, administrative Tätigkeiten, Bürotätigkeiten."

"Ich habe beim AMS vorgeschlagen, in einem Call Center zu arbeiten. Man hat mir wegen der Computer abgeraten. Oder leichte Bürogehilfinnen Arbeiten, wenn möglich ohne Computer."

"Ja, ein Telefonjob, bei dem ich Auskunft und Information geben kann, weil ich gut im Kontakt mit Menschen bin."

"Bürotätigkeit, Botendienste. Ich habe mir selbst beigebracht, am Computer zu arbeiten."

Einige der Frauen haben unqualifiziert in körperlich anstrengenden Bereichen gearbeitet (Reinigung, Produktion, Verkauf). Für sie wären leichte Arbeiten im körperlich weniger fordernden Bürobereich erstrebenswert - nur fehlt ihnen dafür meist die Grundqualifikation.

5.6.8 Chancen und Strategien

  • Einschätzung der Berufschancen

Der hohen Berufsmotivation steht jedoch eine überwiegend negative Einschätzung der eigenen Berufschancen gegenüber. Von den Interviewpartnerinnen werden die Chancen folgendermaßen benannt:

Abb. 12: Einschätzung der Chancen auf einen Beruf durch die Interview partnerinnen

Die Einschätzung "schlecht" wird folgendermaßen begründet und kommentiert:

"Gleich Null. Wegen der Probleme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, da müsste ich gegen die Panikattacken Medikament nehmen, die ich nicht vertrage. Ein eigenes Auto wäre die Lösung, das können wir uns aber nicht leisten."

"Sehr schlecht, gleich null. Mich nimmt keine Firma mehr."

"Im Moment bin ich nicht sehr optimistisch. Nach 40 Bewerbungen ohne eine einzige Einladung zu einem Vorgespräch kann man nicht optimistisch sein."

"Schwierig, was glauben Sie, wie oft ich mich vorstellen war. Die meisten fragen: Wie lange brauchen Sie noch bis zum Ruhestand. Da vergeht es einem gleich. Auf der einen Seite bekommt man keine Arbeit, aber ist zu jung für die Pension."

Von den fünf Frauen, die ihre Chancen gut einschätzen, ist eine zur Zeit in einem befristeten, AMS geförderten Beschäftigungsprojekt, eine weitere Frau befindet sich in einer AMS Ausbildung, und eine dritte erhofft sich eine AMS-Schulung:

"Die Chance schätze ich jetzt gut ein, weil ich kann jetzt zum abz [85] in Beratung gehen und ich erhoff mir da eine Schulung, die auch vom AMS finanziert wird. Und ich hoff, dass es wirklich eine Firma gibt, die sagt, wir probieren es mit dir und du kannst wieder arbeiten."

Hier haben die Angebote des AMS positive Auswirkungen auf die Einschätzung der Berufschancen. Eine weitere Frau, die ihre Chancen gut einschätzt, ist bereits selbständig berufstätig.

Die Problematik zwischen einerseits dem Wunsch berufstätig zu sein, und andererseits der oft eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit oder einem als abweisend erlebten Arbeitsmarkt, versuchen einige der interviewten Frauen mit unterschiedlichen Strategien zu lösen:

  1. Geringfügige Beschäftigung/Teilzeit

Vier Frauen üben geringfügige Beschäftigungen aus, eine Interviewpartnerin arbeitet einen Tag in der Woche und verdient dabei ungefähr 300,- Euro im Monat.

Eine Frau ist neben ihrer Witwenpension geringfügig beschäftigt. Sie schildert ihre Situation als sehr zufriedenstellend: durch die Witwenpension ist sie finanziell abgesichert, die geringfügige Beschäftigung als Caritas Heimhilfe empfindet sie als erfüllend. Drei Frauen sind arbeitslos gemeldet und geringfügig beschäftigt, als Billeteurin, in einer Tanzschule und als Kassiererin. Auch sie erleben ihre Berufstätigkeit als positiv, für eine Frau ist es vor allem eine finanzielle Verbesserung neben dem Bezug von Arbeitslosengeld. Zwei Frauen betonen mehr die psycho-sozialen Gründe, da sie trotz dieser Beschäftigung unter bzw. an der Armutsgrenze leben.

Eine Interviewpartnerin erhofft sich, dass ihre zur Zeit nur geringfügige Beschäftigung das Sprungbrett in die Vollberufstätigkeit werden kann:

"Ich bin Billeteurin im Theater, geringfügig. Vielleicht kann ich im Herbst Inspizientin mit mehr Stunden werden, dann wäre ich heraußen aus der Arbeitslose, das wäre mein Wunschtraum."

  1. Gelegenheitsarbeiten oder Professionalisierung von Nachbarschaftsarbeit

Dazu gehören die bereits oben beschriebenen Tätigkeiten, wie die Betreuung von älteren Frauen, Reinigungsarbeiten oder familiäre Hilfeleistungen, die informell und nicht in einem gemeldeten Arbeitsverhältnis passieren. In den Interviews haben nur wenige Frauen diese Tätigkeiten erwähnt. Die Grenze zwischen unbezahlter und bezahlter Arbeit ist hier fließend. Eine ökonomische Basis für die eigene Existenzsicherung wird bei keiner der Frauen durch diese Arbeiten erreicht.

  1. Arbeitsverhältnisse im familiären Umfeld

Eine Besonderheit stellen die Arbeitsbeziehungen im Verwandtenkreis dar. Vier Interviewpartnerinnen berichten von dementsprechenden Arbeitsverhältnissen. Hier eröffneten sich durch die persönlichen Beziehungen Chancen für Frauen, die am anonymen Arbeitsmarkt weniger Möglichkeiten hätten. Bei einer Frau ist ihr Vorgesetzter im Bürobereich ihr Vater (Teilzeitbeschäftigung), eine andere Frau ist bei ihrem selbständig tätigen Mann angestellt. Nur dadurch ist es ihr möglich, selbst mit schwerer Krankheit flexibel, je nach schwankender Leistungsfähigkeit, noch beruflich tätig zu sein. Sie beschreibt allerdings auch die ambivalente Situation, die sich aus dieser Vermischung ergibt:

"Mein Mann ist mein Arbeitgeber. Er ist sehr verständnisvoll, aber ich habe oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich meine Arbeit nicht so erbringen kann oder wenn ich so oft im Spital war. Wenn ich ausfalle, dann muss er die Arbeit mitmachen."

Bei zwei Frauen stellten sich die verwandtschaftlichen Arbeitsbeziehungen allerdings als längerfristige Sackgasse heraus. Eine Interviewpartnerin arbeitete jahrelang als nicht ausgebildete Ordinationshilfe in der Praxis ihres Vaters. Mit dessen Pensionierung verlor auch sie ihren Job.

Eine zweite Interviewpartnerin mit Hörbeeinträchtigung hat viele Jahre gemeinsam mit ihrem Mann ein Geschäft geführt. Durch die Scheidung verlor sie auch den Arbeitplatz.

  1. Wünsche nach selbständiger Tätigkeit

Die Erfahrung, mit ihren besonderen Bedürfnissen nicht in einem Angestelltenverhältnis im regulären Arbeitsmarkt integrierbar zu sein, lässt vier Interviewpartnerinnen zu dem Schluss kommen, es mit selbständiger Tätigkeit zu versuchen. Drei dieser Frauen sind gut ausgebildet und qualifiziert.

Eine Interviewpartnerin schildert, dass sie körperlich nicht immer einsatzfähig ist. Ein Arbeitgeber, sagt sie, würde das nicht akzeptieren, daher versucht sie gerade eine selbständige Tätigkeit im Vertrieb aufzubauen.

Eine andere Interviewpartnerin erlebt, dass sie wegen ihrer Behinderung keine Aufträge mehr im künstlerischen Bereich bekommt. Sie meint:

"Ich bekomme nichts mehr, aufgrund meines hohen Behinderungsgrades, da stellt mich niemand mehr fix ein. Das einzige was noch klappen könnte, sind selbst Projekte auf die Beine zu stellen, und das versuche ich gerade. Das Problem ist nur, dass ich diese Projekte nicht selbst finanzieren kann, meine Behandlung hat die ganzen Ersparnisse aufgefressen."

Eine Interviewpartnerin ist aufgrund ihrer Immunschwäche nicht in der Lage, außer Haus zu arbeiten oder unter Termindruck Arbeiten zu erledigen. Gleichzeitig ist sie im EDV-Bereich hoch qualifiziert. Sie überlegt, inwieweit sie in selbständiger Arbeit ihre Fähigkeiten trotz der eingeschränkten Leistungsfähigkeit beruflich umsetzen könnte.

Eine Interviewpartnerin, Mutter von zwei Kindern, hat sich für eine selbständige Tätigkeit in der medizinisch-psychologischen Beratung entschieden, die ihr Interesse mit den zeitlichen Bedürfnissen kombiniert. Sie ist bereits selbständig tätig.

Selbständigkeit ist eine Möglichkeit, trotz der individuellen Einschränkungen, beruflich tätig zu sein. Ob der Verdienst jedoch zu einer eigenständigen finanziellen Absicherung reichen wird, ist fraglich. Hier sind Modelle gefordert, die diese Tätigkeiten fördern und die Frauen gleichzeitig finanziell stützen.

  1. Beschäftigungsprojekte und Beschäftigungstherapie

Zwei Interviewpartnerinnen sind zur Zeit, bei Bezug ihres Arbeitslosengeldes, in befristeten Beschäftigungsprojekten tätig. Beide äußern sich sehr zufrieden über die Möglichkeit, damit beruflich aktiv zu sein. Eine Frau ist optimistisch, mit dieser Erfahrung auch wieder in den regulären Arbeitsmarkt einsteigen zu können, die zweite würde sich eine Weiterbeschäftigung in diesem Projekt wünschen.

Eine Frau befindet sich in unbefristeter Beschäftigungstherapie. Die Tätigkeit, die sie in Vollarbeitszeit ausführt, empfindet sie als befriedigend, nicht jedoch ihre finanzielle Situation: neben ihrer Notstandhilfe erhält sie nur ein Taschengeld von monatlich 50,- Euro.

5.6.9 Zusammenfassung - Arbeit und Beruf (Box 8)

Obwohl die meisten Frauen nicht mehr in den regulären Arbeitsmarkt integriert sind, bezeichnet sich doch fast die Hälfte als beruflich tätig. Arbeitsmarktpolitische Projekte, geringfügige oder Teilzeitbeschäftigungen sowie Gelegenheitsarbeiten tragen zu einer beruflichen Identität bei.

Ein Mehrheit der Interviewpartnerinnen war mit ihrem Beruf zufrieden, viele sogar sehr zufrieden. Die Entfaltung ihrer Kompetenzen wurde unterschiedlich erlebt. Insgesamt ist der Beurteilung der eignen Berufstätigkeit jedoch mehrheitlich positiv. Dazu steht im Gegensatz die als sehr belastend empfundene Arbeitslosigkeit.

Bei einer Mehrheit der zur Zeit nicht berufstätigen Frauen waren gesundheitliche Gründe ausschlaggebend für die Auflösung des letzten Arbeitsverhältnisses. Nur wenige Frauen hatten von positiven Reaktionen am Arbeitsplatz auf ihre (einsetzende) Beeinträchtigung, also von gezielt unterstützenden Maßnahmen, berichtet. Gesundheitliche Gründe, bzw. die Behinderung werden auch als hauptsächlicher Hindernisgrund für einen Wiedereinstieg genannt.

Viele Frauen haben Berufswünsche, die zumeist im sozialen und im Bürobereich liegen. Hier sehen sie die Möglichkeit, ihre Interessen mit den körperlichen Möglichkeiten zu verbinden.

Die Chancen, wieder eine Beschäftigung am regulären Arbeitsmarkt zu finden, schätzen die meisten Interviewpartnerinnen als gering ein. Strategien, wie eine Berufstätigkeit trotz der eigenen und der Einschränkungen des Arbeitsmarktes möglich ist, sind: geringfügige und Teilzeitbeschäftigungen, Nachbarschaftshilfe (teils gegen geringe Bezahlung), Anstellungen im familiären Nachfeld, berufliche Selbständigkeit und Beschäftigungsprojekte. Die meisten dieser Strategien bieten jedoch keine gesicherte ökonomische Grundlage.

5.7 Geschlechtsspezifische Aspekte

"Männern wird allein aufgrund ihres Geschlechts mehr geholfen."

5.7.1 Frauenspezifische Berufsverläufe

Trotz einer Schulbildung, die dem österreichischen Durchschnitt entspricht, leben viele Interviewpartnerinnen in einer finanziell äußerst beengten Situation. Diese ist nur zum Teil auf ihre Behinderung zurückzuführen, wie auch die AMS-Zahlen über die Bezughöhe der finanziellen Leistungen von Frauen mit Behinderung im Vergleich zu denen der Männer mit Behinderung nahe legen (siehe dazu Kapitel 2.4 "Frauen und Behinderung"): Männer mit Behinderung beziehen eine höhere finanzielle Unterstützung als Frauen ohne Behinderung. Die Benachteiligungen auf Grund des Geschlechtes wiegen somit höher als die Hindernisse, die durch die Behinderung entstehen.

Schaut man sich die Berufsverläufe und Aussagen der Frauen an, dann fallen folgende geschlechtsspezifische Faktoren auf:

  • die Berufsausbildungen bewegten sich im frauentypischen Spektrum

  • viele der Frauen arbeiteten nicht in den Berufen, für die sie ausgebildet sind

  • viele der Frauen haben einen Dequalifizierungsprozess erlebt. Sie haben wegen Kindern ihre Berufstätigkeiten unterbrochen und waren danach zeitweise nur teilzeitbeschäftigt und arbeiteten dann meistens in einer angelernten Tätigkeit, die nicht ihrer Berufsausbildung entsprach

  • die Berufsverläufe waren selten karriereorientiert, häufiger eine Aneinanderreihung wenig Qualifikation erfordernder Tätigkeiten

  1. Berufswahl und Ausbildung

Befragt nach ihren ursprünglichen Berufswünschen ist das Spektrum der Berufe größer und vielfältiger, als es das reale Arbeitsleben spiegelt. Auffällig ist auch hier, wie bei den aktuellen Berufswünschen aus Kapitel 5.6.7 das große Interesse an sozialen Berufen, die nicht in eine Ausbildung umgesetzt wurden. Je fünf Frauen hatten den Berufswunsch Kindergärtnerin und Lehrerin, gefolgt von Friseurin (4 Frauen), Krankenschwester (3 Frauen), Tierärztin, Sozialarbeiterin, Archäologin, Floristin (je 2 Frauen), Kellnerin, Köchin, Hebamme, Schneiderin, Büro, Schauspielerin, LKWFahrerin, Schriftstellerin, Juristin, Chemikerin (je 1 Nennung).

Real bekamen 7 Frauen keine über den Pflichtschulabschluss hinausgehende Berufsausbildung.

"Wir waren 7 Kinder, mein Vater konnte 2 Jahre nicht arbeiten (1967), das war das letzte Schuljahr bei mir. Ich wollte in die Lehrerbildungsanstalt in Eisenstadt gehen. Aber so musste ich ab 15 in der Fabrik arbeiten, mit 16½ habe ich die Tochter bekommen und geheiratet, mit 17 bin ich (als Reinigungsfrau) ins Finanzamt nach Wien gekommen. Mit 19 bekam ich das zweite Kind, da war an ein Studium nicht mehr zu denken. Ich habe das akzeptiert, dass es anders gelaufen ist."

Die Interviewpartnerinnen wurden für folgende Berufe ausgebildet (Mehrfachnennungen, da einige Frauen zwei Ausbildungen angaben):

Abb. 13: Berufsausbildungsbereiche der Interviewpartnerinnen

Keine der als Friseurinnen und Schneiderinnen ausgebildeten Frauen war lange in diesen Berufen tätig.

"Grundsätzlich war es mein Berufswunsch. Zu dieser Zeit wurde man halt Schneiderin oder Friseurin. Aber man kann nichts verdienen in diesem Beruf. Als ich aufgehört habe, habe ich keine Arbeitsstelle als Gesellin bekommen, weil die Friseure lieber neue, billige Lehrlinge aufgenommen haben."

Ausbildungen im Bürobereich werden unterschiedlich beurteilt. Drei Frauen haben entsprechende Ausbildungen entgegen ihrer Interessen und Neigungen absolviert, meist auf Druck der Eltern, und waren dementsprechend nur kurz in diesem Bereich tätig.

Andere Interviewpartnerinnen beurteilen ihre Büroausbildungen positiv. Problematisch dürften hier eher die veränderten Anforderungen aufgrund der technologischen Fortschritte sein:

"Der Bürokaufmann war eigentlich schon gut, weil ich das auch gerne gemacht habe. Inzwischen ist es durch die EDV-Umstellung schwierig geworden. Es werden immer weniger Angestellte benötigt."

Besonders, wenn bereits eine Behinderung von Kindheit an vorlag, und Eltern wenig fördernd eingestellt waren, engte sich bei einigen Frauen das Spektrum der Möglichkeiten noch weiter ein:

"Die Entscheidung war nicht gut. Ich habe sie nicht selbst getroffen, das wurde über meinen Kopf hinweg von meinen Eltern bestimmt. Sie haben auch nie zugehört, wenn ich gesagt habe, ich möchte gerne das oder das machen."

Mutterschaft und frauenspezifische Lebensentwürfe bestimmen einige Berufswege in Weichen stellenden Jahren:

"Ich hab nach der Matura gleich geheiratet, weil ich geglaubt hab, wenn ich mit 19 nicht heirate, dann heirate ich nie. Großer Fehler! Mein erster Job war Sekretärin, um gleich nach der Matura Geld zu verdienen. Dann hab ich mein erstes Kind bekommen und bin in Karenz gegangen."

"Meine Berufswahl als Physiotherapeutin war gut, aber ich kann es halt nicht mehr machen, weil es zu anstrengend ist. Und es ist von den Arbeitszeiten schwer mit Kindern zu vereinbaren."

  1. Berufsverläufe

Nur 9 Frauen waren vor ihrem Ausstieg aus dem Erwerbsleben noch in den Berufen tätig, für den sie ausgebildet wurden. Dazu gehören:

Bürobereich 4 Frauen

EDV 1 Frau

Ordinationshilfe 3 Frauen

Physiotherapeutin 1 Frau

Eine Interviewpartnerin ist als Kinesiologin ausgebildet und zur Zeit auch tätig.

Zwei Frauen wurden erst im Laufe ihres Berufslebens zur Ordinationshilfe umgeschult.

Typisch für die Friseurinnen, Schneiderinnen und die Frauen ohne Ausbildung sind Berufswege, die sich durch Unterbrechungen und Umstiege in unqualifizierte Tätigkeiten im Handel oder als Reinigungsfrau auszeichnen. Im folgenden ein Beispiel, das die Abfolge prekärer Arbeitsverhältnisse in der Kombination mit geringer Qualifizierung, fehlender Berufspraxis und körperlichen Beeinträchtigungen zeigt:

"Meine damalige Arbeit (Fertigung am Fließband) habe ich nicht mehr machen können. Dann habe ich Umschulungen gemacht, fürs Büro, Buchhaltung und Lohnverrechung. Da war ich extrem frustriert, weil sie haben mich nicht genommen, weil ich keine Praxis habe. Dann bin ich zum Gerngross gegangen, aber der ist in Konkurs gegangen und alle sind gekündigt worden. Dann war ich bei einem Friseur, aber nicht lang, weil da hat's mich zusammen gehauen. Ich habe eine Allergie auf Haare und Staub und habe davon Asthma bekommen. - Dann war ich noch kurz bei einer Firma und hab die Post gemacht und Rechnungen geschrieben. Aber die ist dann auch in Konkurs gegangen. Seit fast 8 Jahren bin ich jetzt arbeitslos."

Viele der von Frauen ausgeübten Tätigkeiten haben sich als schwer vereinbar mit einer körperlichen Beeinträchtigung erwiesen:

"Mit einer Behinderung kann man nicht den ganzen Tag stehen als Verkäuferin oder Friseurin, was ja die typischen Frauenberufe sind. Oder mit Rückenschmerzen werde ich mich auch schwer tun, als Bürokauffrau den ganzen Tag am Computer sitzen."

Zwei Frauen haben sich in typischen beruflichen Frauenbereichen vor Auftritt der Behinderung in Führungspositionen hochgearbeitet: eine Interviewpartnerin war Filialleiterin im Einzelhandel, die andere war Niederlassungsleiterin einer Gebäudereinigungsfirma. Beide Frauen hatten einen hohen Leistungsanspruch und eine berufliche Karriereorientierung. Ihre körperlichen Beeinträchtigungen haben jedoch in beiden Fällen zu einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse geführt.

  1. Berufsschutz

Problematisch ist es, dass keine der von den Interviewpartnerinnen aufgezählten Berufstätigkeiten einen so genannten "Berufsschutz" hat, durch den die Frauen bei Auftritt einer Behinderung Anspruch auf eine bezahlte berufliche Rehabilitation haben.[86] Ein Beruf mit Berufsschutz ist die Friseurin - da aber alle hier interviewten Friseurinnen bei Auftreten der Behinderung nicht mehr in diesem Beruf gearbeitet haben, trifft er nicht mehr auf sie zu:

"Ich habe schon die Invaliditätspension beantragt und 6 Verhandlungen gehabt. Man hat mir gesagt, ich habe keinen Berufsschutz, als Friseurin habe ich ja nicht mehr gearbeitet. Ich gehe zwar gern arbeiten, aber eine Basisfinanzierung hätte mir geholfen."

"Ich kann meinen letzten Beruf als Reinigungskraft nicht mehr ausüben. Als Schneiderin bekomme ich keinen Arbeitsplatz, weil ich zu alt bin, das wurde mir klipp und klar am Telefon gesagt. Und durch das, dass ich nicht meinen erlernten Beruf ausgeübt habe, habe ich keinen Berufsschutz und das ist das nächste Handikap. Wenn ich einen Berufsschutz hätte, würde ich mich mit der Pension auch leichter tun, dann wäre ich vielleicht schon in Invaliditätspension."

Neben den Benachteiligungen, die sich durch die frauenspezifischen Berufs- und Lebensläufe ergeben, werden Frauen mit Behinderungen zusätzlich durch Regelungen, die sich an männlichen Berufsfeldern und Erwerbsverläufen orientieren, benachteiligt.

Berufliche Reha-Maßnahmen, die von der PVA bezahlt werden, sind für die Betroffenen vorteilhafter als AMS-Maßnahmen:

  • sie bekommen für die Dauer der Schulungsmaßnahmen ein Übergangsgeld in der Höhe von mindestens 630,- Euro (zusätzliche Einkommen werden aber angerechnet) - dieses Übergangsgeld ist höher als DLU (Zuschuss zur Deckung des Lebensunterhaltes) bei AMS-Maßnahmen

  • Sie erwerben in dieser Zeit auch Pflichtversicherungsmonate und sind arbeitslosenversichert.

  • Meistens dauern Reha-Ausbildungen ca. 1 bis 2 Jahre, sind also intensiver und meist qualitativ höherstehender als viele AMS-Maßnahmen.

Laut ExpertInnengespräch in der PVA gibt es zur Zeit keine genderdifferenzierten Statistiken über die Genehmigung von beruflicher Rehabilitation. Da jedoch der "Berufsschutz" auf mehr Berufe im männlich dominierten Bereich zutrifft und die männliche Erwerbsbiographie als Grundlage hat, ist anzunehmen, dass auch mehr Männer die Möglichkeit einer beruflichen Rehabilitation erhalten. Die befragten ExpertInnen der PVA hatten den Eindruck, dass Frauen weniger häufig und wenn, dann später, in höherem Alter, zur Rehabilitationsberatung kommen. Sie schätzen, dass etwa 65% der Personen, die berufliche Rehabilitations-Maßnahmen bekommen, Männer sind. Neben dem bereits erwähnten Grund, dass Männer häufiger bei Eintreten der verminderten Erwerbsfähigkeit noch in dem Beruf arbeiten, in dem sie ausgebildet wurden, führen die ExpertInnen an, dass eine Umschulung in Richtung Büroberuf für Frauen oft keine Option darstellt, weil sie bereits eine Ausbildung im Bürobereich haben.

5.7.2 Unterschiede zu Männern mit Behinderungen

Bis auf drei Frauen benennen fast alle Interviewpartnerinnen geschlechtsspezifische Differenzen zu Männern mit Behinderung. Zumeist sind es Differenzen, die sie als benachteiligend erleben.

  1. Männer haben größere Berufschancen auch mit Behinderung

"Frauen haben weniger Berufsmöglichkeiten. Als Portier setzen sie zum Beispiel nur Männer ein. Das können Frauen doch genauso tun."

"Männer mit Behinderung bekommen leichter einen Job, weil die Männer zusammenhalten, da sind sie sich einig. Egal wie viel Konkurrenz sonst herrscht, wenn's zwischen Mann und Frau geht, bleibt immer die Frau über."

  1. Behinderte Männer finden grundsätzlich bessere Bedingungen in der Gesellschaft vor

"Männer werden von verschiedenen Stellen stärker gefördert, verdienen mehr. Männer gelten mehr, Männer haben das Sagen."

"Männern wird allein aufgrund ihres Geschlechts geholfen. Sie verdienen mehr, werden besser behandelt, bekommen bessere Wohnungen, werden in der Öffentlichkeit bevorzugt. Behinderte Männer werden nicht mit Vorurteilen konfrontiert, wenn sie Familie möchten, behinderte Frauen schon."

  1. Frauen sind zusätzlich für die Reproduktion zuständig, erledigen den Haushalt und übernehmen die Kinderbetreuung. Sie tragen mehr Verantwortung und Belastungen

"Haushalt, Kinder - das gehört irgendwo immer noch den Frauen. Ein Mann kann sich eher gehen lassen, wir haben doch eher die Verantwortung. Wäsche, einkaufen, Kochen - da haben es die Männer leichter und kriegen mehr Unterstützung."

"Eine Frau fühlt sich für alles verpflichtet, kochen, putzen, waschen - der Mann hilft nur mit, der fühlt sich nicht verpflichtet, die Hausarbeit zu machen. Männer sind, wenn sie krank sind, krank. Dann gibt's eben nichts. Mein Mann hat, als ich nicht konnte, gekocht, gewaschen, usw. Für mich war es schwer zuzuschauen und nichts zu tun. Manchmal wünschte ich mir, dass ich daneben sitzen könnte in Ruhe. Das muss Erziehungssache sein."

  1. Männer haben ein größeres Durchsetzungsvermögen und bekommen mehr Hilfe und Unterstützung. Frauen fehlt oft das Selbstbewusstsein

"Frauen haben viel mehr Probleme. Ich sehe das bei meinem Zwillingsbruder, er fordert viel mehr, geht offen damit um, lässt sich in Geschäften helfen. (...) Ich trau mich selten um Hilfe bitten, wenn ich mutlos bin, schon gar nicht."

"Frauen haben sicher mehr Probleme, weil Männer haben meistens Frauen, die ihnen den Haushalt und alles machen. Ich glaube schon, dass den Männern mehr geholfen wird als den Frauen."

  1. Frauen mit Behinderung sind mit Schönheitsnormen konfrontiert, denen sie nicht entsprechen

"Bei Frauen kommt es allgemein viel auf das Äußere an und eine Frau, die hinkt, hat's deswegen sicher schwerer als ein Mann."

"Natürlich haben es behinderte Frauen (als Schauspielerinnen) viel schwieriger als behinderte Männer. Ich weiß von einem Mann, der regelmäßig spielt und viele Rollen kriegt, trotz kaputtem Bein. Als Frau ist man dann aber ein schiarcher Trampel."

  1. Frauen setzen sich anders - besser - mit ihrer Behinderung auseinander

"Frauen können damit besser umgehen."

"Frauen sind nicht solche Jammerlappen wie Männer und fallen nicht so schnell in Depressionen, wie ich es im Spital mitgekriegt hab."

"Männer versuchen das mehr zu verdrängen als Frauen. Mein Mann ist schwerhörig, ich glaube, er verdrängt mehr als ich."

"Die Frauen bewahren kühlen Kopf. Die Männer schimpfen herum, wenn ihnen was fehlt."

"Männer fressen mehr in sich herein und können dann überhaupt nicht mehr damit umgehen."

Es ist anzunehmen, dass viele dieser Aussagen das reale Erleben von Ungleichheiten und erlebten Ungerechtigkeiten reflektieren.

5.7.3 Zusammenfassung - Geschlechtsspezifische Aspekte (Box 9)

Neben der körperlichen Beeinträchtigung erfahren die Interviewpartnerinnen durch frauenspezifische Sozialisationsbedingungen und Lebensläufe weitere Benachteiligungen im Berufsleben. Dazu gehören: Ausbildung in typischen Frauenberufen (die schlecht bezahlt, ohne Berufsperspektiven und oft körperlich einseitig belastend sind), Berufsunterbrechungen durch Kindererziehungszeiten und berufliche Wiedereinstiege im niedrig qualifizierten Bereich.

Absicherungen wie der "Berufsschutz", der berufliche Rehabilitation bei Behinderungen ermöglicht, orientieren sich an "männlichen" Berufen und Berufsverläufen.

Die Interviewpartnerinnen erleben Benachteiligungen gegenüber Männern mit Behinderung. Dazu gehören: geringere Unterstützungsangebote und eingeschränktere Berufschancen, bei gleichzeitiger einseitiger Verantwortlichkeit für Haushalt und Kinderbetreuung. Schönheitsnormen treffen Frauen mit Behinderung intensiver.

Einige Interviewpartnerinnen vertreten die Meinung, dass Frauen sich mit ihrer Behinderung intensiver auseinandersetzen und einen tatkräftigeren Zugang haben.

5.8 AMS - Aus- und Weiterbildung: Erfahrungen und Bedarf

"Ich bin jetzt 45 und habe weiß Gott wie viele Kurse gemacht, und bringen tut's nichts."

5.8.1 Erfahrungen mit dem AMS

Die meisten Interviewpartnerinnen haben Erfahrungen mit dem AMS gemacht. Viele dieser Erfahrungen waren frustrierend, weil sie nicht den gewünschten Erfolg des Wiedereinstiegs in den Beruf mit sich brachten.

Da das AMS die entscheidende Stelle für Arbeitsvermittlung ist, aber auch Ausbildungen bewilligt und Bedingungen für die Auszahlung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe stellt, beziehen sich die Antworten der Interviewpartnerinnen auf die verschiedensten Funktionen und Praktiken:

Regelmäßige Zuweisungen zu "Auffrischungskursen" werden als Bevormundung erlebt (2) und als "Zwangmaßnahmen".

  • Zu wenig Betreuung

"Meine Beraterin am AMS sagt mir: "Schauen Sie, wo Sie Kurse herkriegen, ich stecke Sie nirgendwo rein, Sie müssen selbst schauen." Dann müsste ich selber zum Bundessozialamt oder AMS gehen, um herauszufinden, wer mir die Kurse finanziert. Ich muss zugeben, derzeit habe ich dazu nicht die Kraft."

"Angeboten wurde mir noch nie was, wenn man nicht selbst nachfragt, gibt's gar nichts."

"Das AMS, bei denen ich früher öfter war, hat mir gesagt, dass sie für mich nichts tun können. Ich habe sie immer wieder um eine geringfügige Beschäftigung gebeten. Das geht angeblich nicht, weil ich eine Invaliditätspension von 150,- Euro bekomme."

  • Ausbildungen führen nicht zu Arbeitsplätzen

"Bei der Ausbildung am BBRZ haben von 12 Teilnehmern nur 2 einen neuen Job erhalten."

"Ja, das war gut, aber ich hab kein Jobangebot bekommen."

"Ich bin jetzt 45 und hab weiß Gott wie viele Kurse gemacht, und bringen tut's nichts."

  • AMS-Kurs war zu heterogen zusammengesetzt und didaktisch von schlechter Qualität

"Der AMS PC-Kurs vor einigen Jahren war sinnlos, weil die Kursteilnehmer willkürlich zusammengewürfelt waren: einige hatten noch nie einen PC eingeschaltet, andere, wie ich selbst, hatten jahrelange differenzierte PC Erfahrungen in ihrem Beruf. Es gab kaum Vortrag und niemand kümmerte sich um die Teilnehmer."

  • Unpassende Angebote

"Das AMS wollte mir einen Friseurkurs anbieten, sonst nichts. Ich war auch bei einem Schnuppertag bei einem Nobelfriseur in Hietzing. Aber schauen Sie mich an, dort sind Schauspielerinnen und reiche Damen als Kundinnen, da passe ich einfach nicht dazu. Und ich bin sicher, die wollten mich auch gar nicht, so etwas spürt man."

  • Kurszeiten nicht bewältigbar

"Das AMS bietet mit 8 Stunden pro Tag an, das schaffe ich nicht. Für mich wäre Buchhaltung oder EDV interessant, aber nur wenige Stunden am Tag. Mein AMS Berater hat gesagt, er weiß auch nicht, was er mit mir machen soll."

  • entmutigende Botschaften

"Ich war in einem Projekt für Langzeitarbeitslose. Der hätte 4-5 Wochen gedauert, und dann hat das die Sozialarbeiterin nicht in den Griff gekriegt und die hat gesagt: na reichen Sie ein um die Pension, bei Ihnen kann man eh nichts mehr machen."

  • unfähige TrainerInnen

"Ich habe bisher 4 Berufsorientierungskurse gemacht. Was das für ein Geld kostet. Da hätte man mir eine gute Ausbildung dafür finanzieren können. Außerdem habe ich den Eindruck, dass die jungen Trainerinnen überhaupt nicht wissen, was ein Mensch in unserer Situation fühlt. (...) Ich bin so verzweifelt, wir machen ununterbrochen so Psychosachen, wie: was ist gut an Arbeit, was negativ, wir werden ununterbrochen vor der Gruppe psychisch auf den Prüfstand gestellt. Ich halte das nur mehr schwer aus. Ich komme mir schon langsam gestört vor."

  • AMS zahlt gewünschte Qualifikation nicht

"Ich war auf der Messe für Bildung und Beruf, habe mich erkundigt und auch einen Test gemacht, den ich geschafft habe: ich möchte so gerne den Hauptschulabschluss nachholen, aber beim BFI können das nur Leute machen, die schon in der Hauptschule waren und den Volkshochschulkurs für Leute, die nicht in der Hauptschule waren, bezahlt das AMS nicht."

  • Benachteiligungen als Menschen mit Behinderung

"Ich habe bisher viele Entmündigungen erlebt, etwa beim EDV-Kurs beim AMS. Nicht Behinderte konnten nach dem Kurs frei an den Geräten probieren, bei uns Behinderten hieß es, wir MÜSSEN noch 2 Stunden anhängen. (...) Außerdem wurde von uns ein Praktikum verlangt, von Nicht-Behinderten keins."

Einige Frauen berichten jedoch auch von positiven Erfahrungen mit AMS geförderten Maßnahmen: Eine Interviewpartnerin ist zur Zeit im einjährigen Langzeitarbeitslosenprojekt "Visitas - Besuchsund Pflegedienste für alte Menschen"[87] tätig, und hofft, dass sie mit dieser Berufserfahrung wieder eine Anstellung findet. Eine weitere Interviewpartnerin arbeitet ebenfalls in einem befristeten Beschäftigungsprojekt der Volkshilfe[88] als Verkäuferin und erhofft sich eine Verlängerung.

Eine andere Interviewpartnerin hat bei der Grazer Firma Team 4[89] eine gute Beratung mit für sie hilfreichen Inhalten wie Konfliktmanagement und Kosten- und Steuerwesen, Vertragswesen erhalten. Von einer positiven Kurserfahrung, auch wenn es nicht zu einem Arbeitsplatz geführt hat, berichtet eine weitere Frau:

"Der Bürokurs bei BEST [90] war sehr gut, da war alles drinnen für mich, die Dosierung war richtig, man hat sich wohl gefühlt, es war wie an einer Zapfsäule, wo man alles kriegt, was man braucht, wie die Muttermilch. Man hat sich richtig das nehmen können, was man braucht in dem Tempo, das man gebraucht hat."

Eine Interviewpartnerin ist mit der von ihr besuchten AMS-Maßnahme zur Berufsorientierung und Qualifizierung zufrieden: Es wurde ihr eine Umschulung empfohlen und dafür hat sie bereits einen Beratungstermin beim abz austria.[91]

Positive Erfahrungen mit anderen Bildungsträgern erwähnt eine Interviewpartnerin: den Gründungsworkshop für Selbständige, veranstaltet von der Wirtschaftskammer[92], empfand sie als hilfreich.

5.8.2 Ausbildungswünsche und -bedarf

10 Frauen äußern den Wunsch nach einer Berufsberatung, die abgestimmt auf die individuelle Situation der derweiligen Frau, Möglichkeiten auslotet.

"Ich hätte gerne eine Berufsberatung, was es im EDV-Bereich noch für Möglichkeiten gibt, von zuhause aus zu arbeiten."

"Ich hätte in der Berufsberatung gerne nicht nur Standardtests, sondern eine wirklich gezielte Beratung zu den Fragen: was können Sie? In realistischem Zusammenhang mit: was ist am Arbeitsmarkt gefragt."

Zwei zusätzliche Frauen hätten gerne eine Arbeitsassistenz:

"... die einem Perspektiven eröffnet, die einem hilft, im Job, im Berufsleben wieder Fuß zu fassen."

Zwei Frauen möchten gezielte Beratung zu Projektförderungen beziehungsweise zu einer Existenzgründung als Selbständige.

Damit äußert insgesamt fast die Hälfte der Frauen einen Bedarf an gezielter, individueller Beratung und Unterstützung bei der Entwicklung neuer beruflicher Perspektiven.

Trotz einiger negativer Erfahrungen bei bereits durchlaufenen Ausbildungen, ist das Bildungsinteresse der Interviewpartnerinnen groß: insgesamt 19 Frauen sind an Weiterbildungen und Umschulungen interessiert. Folgende Bereiche werden genannt (Mehrfachnennungen):

Abb. 14: Interessensgebiete der Interviewpartnerinnen für

Fünf Frauen sagen, sie sind nicht an Ausbildungen interessiert - weil ihr Fokus auf dem Erlangen eines Arbeitsplatzes liegt, oder weil sie andere Perspektiven haben (Pension).

Besonders EDV- Kenntnisse, wohl im Anwenderbereich, sind somit als Weiterbildung gefragt. Von den 30 Interviewpartnerinnen verfügen 15 über eine Email-Adresse, haben somit Zugang zu einem PC. 6 Frauen äußern den Wunsch nach einem Computer, vier Frauen nach einem Vergrößerungsprogramm.

Die konkreten Vorstellungen für Aus- und Weiterbildungen bewegen sich damit zumeist im bereitsvorhandenen und bekannten Spektrum, hauptsächlich für den Berufsbereich "Büro". Die vielen Berufswünsche, die in den sozialen Bereich weisen, sind damit nicht erfasst. Hier sind vermutlich konkretere Angebote, die auf eine berufliche Anwendung hin ausbilden, gefragt.

5.8.3 Spezielle Angebote für Frauen

Auf die Frage, ob sich die Interviewpartnerinnen Weiterbildungsangebote speziell für Frauen wünschen würden, antworten:

Ja 11 Frauen

Nein 7 Frauen

Egal/anderes ist wichtiger 6 Frauen

Keine Angabe 5 Frauen

Gemischte Erfahrungen 1 Frau

Mehr als ein Drittel der Frauen wäre an Weiterbildungsangeboten speziell für Frauen interessiert. Die Erwartungen beziehen sich auf die Inhalte der Angebote, auf spezielle Zielgruppen und auf eine Organisation der Bildungsangebote, die die besonderen Bedürfnisse der Kinderbetreuung berücksichtigt.

Als inhaltliches Weiterbildungsinteresse in speziellen Frauenkursen nennen 3 Frauen den Umgang mit dem Computer und dem Internet auf Einsteigerinnenniveau:

"Ich hätte gern auch was mit dem Computer gemacht, aber das ist mir nie angeboten worden. Das würden sicher viele Frauen gerne machen, wenn sie mit den Kindern lange zu Hause waren und nicht die Möglichkeit hatten wie so mancher in der Weiterbildung."

Hier kommt zum Ausdruck, dass speziell Frauen, die niedrig qualifiziert sind und/oder eine lange Zeit vom Arbeitsmarkt entfernt waren, die technologische Weiterentwicklung nicht mitvollzogen haben. Sie benötigen einen angstfreien, niederschwelligen Zugang zur Anwendung der Computertechnologie, die in der Arbeitswelt, aber zunehmend auch im Alltagsgebrauch, etwa bei Ämtern, vorausgesetzt wird.

Weitere inhaltliche Wünsche waren: "Betreuung von Menschen", "Erziehungskurse für Eltern", "Stress- und Zeitmanagement", "Schneiderei und Basteln" sowie "Bürokurs".

Als weibliche Zielgruppen, für die spezielle Frauenkurse angeboten werden sollten, wurden genannt:

  • Wiedereinsteigerinnen nach der Karenz

  • junge Frauen mit Kindern ohne Ausbildung

  • ältere Frauen im "Krisenalter" (über 45 Jahre)

  • Frauen mit psychischen Problemen

Von den interviewten Frauen sind nur 4 Mütter von Kindern unter 15 Jahren. Eine dieser Mütter betont, dass sie gerne Weiterbildungsformen hätte, die die Vereinbarkeit der Bildung mit ihren Aufgaben als Mutter (eines Kindes mit Behinderung) berücksichtigt:

"Es sollte kindergerecht sein, etwas dass eine Frau ihr Kind auch mitbringen kann. Und wenn ich Familie und Kurs und alles unter einen Hut bringen soll, dann sollte ich auch die Möglichkeit haben, es variabel und flexibel zu gestalten, etwa blockweise, wo man es sich selbst zusammenstellen kann."

Eine Interviewpartnerin erwartet sich in einer Frauengruppe mehr Unterstützung und bevorzugt weibliche Trainerinnen. Eine andere Frau (mit Gewalterfahrungen) betont, dass sie sich in reinen Frauengruppen wohler fühlt.

Sieben Interviewpartnerinnen möchten keine speziellen Weiterbildungsangebote für Frauen, teils weil sie sich in reinen Frauengruppen Konkurrenz, Intrigen und Klatsch erwarten, es gibt aber auch das Misstrauen, dass spezielle Angebote für Frauen keine qualifizierte Ausbildung anbieten und somit ihre Arbeitsmarktchancen nicht wesentlich verbessern:

"Wenn Sie sich diese Kurse anschauen: Sie lernen Buchhalterin, Lohnverrechnerin oder EDVBereich und dann sind Sie wieder eine von 5.000 Lohnverrechnerinnen, die arbeitslos sind, weil alle dieselben Kurse beim AMS besucht haben - wie groß ist die Qualifikation wirklich? Es gibt nicht umsonst Berufe, die man 3 bis 4 Jahre lernt, da kann man sich nicht viel erwarten von einem 3 oder 6-monatigen Kurs. Ich glaube, dass Angebote für Frauen auf sehr wenige Berufe beschränkt bleiben und da hat man wenige Chancen. Die meinen, ein Mann muss die Familie ernähren, aber eine Frau kann ja im Notfall immer noch zuhause bleiben."

5.8.4 Zusammenfassung - AMS - Aus- und Weiterbildung (Box 10)

Fast alle Interviewpartnerinnen haben Erfahrungen mit dem Arbeitsmarktservice als Institution der beruflichen Beratung und Qualifizierung. Da bei der Zielgruppe dieser Studie (arbeitsmarktferne Menschen mit Behinderung) diese Aktivitäten nicht zu einer (Re)Integration in den Arbeitsmarkt geführt haben, ist es wenig verwunderlich, dass zumeist von negativen Erfahrungen berichtet wird. Kritisiert werden:

• mangelnde Betreuung, aber auch die "Zwangszuweisung" zu Kursen

• Qualifizierungsmaßnahmen, die nicht zum Ziel der Wiedereingliederung geführt haben

• didaktisch oder in der Gruppenzusammensetzung als schlecht erlebte Kurse

Keine der befragten Frauen hat an einer durch die PVA finanzierten beruflichen Rehabilitations-Maßnahme teilgenommen, die günstigere Bedingungen bieten würde als AMS Kurse.

Fast die Hälfte der interviewten Frauen äußern einen Bedarf an gezielter, individueller Beratung und Unterstützung bei der Entwicklung neuer beruflicher Perspektiven. Trotz einiger negativer Erfahrungen bei bereits durchlaufenen Ausbildungen, ist das Bildungsinteresse der Interviewpartnerinnen groß: insgesamt 19 Frauen sind an Weiterbildungen und Umschulungen, hauptsächlich im Bürobereich, interessiert.

Mehr als ein Drittel der Frauen wäre an Weiterbildungsangeboten speziell für Frauen interessiert. Die Erwartungen beziehen sich auf die Inhalte der Angebote, auf spezielle Zielgruppen und auf eine Organisation der Bildungsangebote, die die besonderen Bedürfnisse der Kinderbetreuung berücksichtigt.

5.9 Gewalterfahrungen

"Ich wurde früher als Dummchen hingestellt, und dass man mit der eh alles machen kann."

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat der Bekämpfung von Männergewalt gegen Frauen, besonders im sozialen Nahbereich, oberste Handlungspriorität eingeräumt, denn das hohe Ausmaß und die schwerwiegenden Auswirkungen auf Körper und Psyche machen Gewalt von Männern gegen Frauen zu einem sehr verbreiteten Gesundheitsrisiko für Frauen.[93]

Eine kürzlich vollendete Studie aus Deutschland, an der 1.772 Frauen teilgenommen haben, bestätigt diese Erkenntnisse. Sie zeigt auf, dass die gesundheitliche Situation von Frauen um so belasteter ist, je mehr Gewalt sie erlitten haben.[94]

Auch in den Berichten der Interviewpartnerinnen kommt dies zum Ausdruck. Der Anteil der interviewten Frauen, die in ihrem Leben massive körperliche Gewalt erlebt haben, ist hoch: etwa jede dritte von ihnen gibt an, dass sie als Erwachsene von einem Gewalttäter misshandelt bzw. vergewaltigt wurde, und jede 4. berichtet über Gewalterfahrungen, die sie bereits als Kind gemacht hat - sexuellen Missbrauch, grobe Misshandlungen und Schläge, Zwang zu harter körperlicher Arbeit und psychische Gewalt.

In 9 von 10 Interviews mit Frauen, die dem Typ 1 zugeordnet wurden, werden Gewalterfahrungen beschrieben, aber auch jede zweite der Frauen von Typ 3 und fast jede dritte von Typ 2 hat solche Erfahrungen gemacht.

Einige Interviewpartnerinnen haben zunächst die Frage nach Gewalterfahrungen verneint und erst am Ende des Gespräches oder nach nochmaligem Nachfragen der Interviewerin schwere Gewalterlebnisse geschildert. Vielleicht wollten auch andere Frauen im Interview nicht über ihre Gewalterfahrungen sprechen und haben sie nicht thematisiert, d. h. die Anzahl der Interviewpartnerinnen, die Gewalt erlebt haben, ist möglicherweise sogar noch höher.

Dazu ein Beispiel

Die Interviewpartnerin sagt zuerst, dass sie in ihrem Leben nie geschlagen wurde, höchstens einmal von der Mutter, weil sie ein schlimmes Kind war. Aber nach nochmaligem Nachfragen erzählt sie:

"Von meinem Ex-Mann wurde ich geschlagen und das hat auch den Ausschlag gegeben, dass ich mich scheiden ließ. Er wollte es nicht, aber ich war entschlossen. Das war das Beste, das ich in meinem Leben je getan habe. Er hat wirklich einen schlechten Charakter."

Gewalterfahrungen sind traumatische Erlebnisse, die in Seele und Körper gravierende Spuren hinterlassen-vor allem dann, wenn sie nicht aufgearbeitet wurden. Nach Joachim Bauer[95], Professor für Psychosomatik, erkranken 45 bis 65% der Betroffenen nach Gewaltverbrechen wie Vergewaltigung oder körperlicher Misshandlung an einer posttraumatischen Stresserkrankung, die sich sehr unterschiedlich auswirken kann - u. a. in Form von Depression, Suchterkrankungen, Panikattacken und verschiedenen körperlichen Beschwerden - die besonders Herz und Kreislauf betreffen (siehe auch Kapitel 5.10 "Psychosomatische Zusammenhänge").

Es ist anzunehmen, dass die psychischen und physischen Erkrankungen und die körperlichen Beeinträchtigungen der betroffenen Frauen auch mit ihren traumatischen Erlebnissen zusammenhängen. Umso tragischer ist die von einigen geschilderte entwürdigende Behandlung in Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens.

5.9.1 Gewalterfahrungen als Kind

Viele Interviewpartnerinnen haben bereits als Kinder massive Gewalt erlebt: etwas mehr als jede vierte Interviewpartnerin berichtet im Gespräch von solchen Erfahrungen. Die Hälfte von ihnen wurde auch als Erwachsene von Gewalttätern misshandelt.

*n=30Tabelle 8 Gewalterfahrungen im Kindesalter (zum Teil mehrfache Gewalterfahrungen einer Person)

Formen der Gewalterfahrung

 

Anzahl der Frauen

Sexueller Missbrauch (2x durch den Vater, 1x durch den Stiefvater, 1x durch Bruder und Cousin)

 

4

Massive körperliche Misshandlungen und Schläge

 

4

Massive psychische Misshandlungen (ständige Abwertung und Beschimpfungen)

 

3

Zwang zu nicht kindgemäßer schwerer körperlicher Arbeit

 

2

Gesamt

 

13

 

Lebensphasen, in denen Gewalt erlebt wurde

 

Gewalterfahrungen als Kind (insgesamt)

8 Frauen

26.6%*

davon Gewalterfahrungen auch als Erwachsene

4 Frauen

13.3%

Dazu die Aussage einer Interviewpartnerin, der als Kind und als Erwachsene schwere Gewalt zugefügt wurde:

"Ich wurde auch vergewaltigt, und ich glaub dass es mit dem zusammenhängt, dass ich früher als Dummchen hingestellt wurde, was ich eigentlich nicht bin, und dass man mit der eh alles machen kann. Als ich vergewaltigt worden bin, da war ich 19 ... und ich bin auch als Kind geschlagen worden, weil mein richtiger Vater war Alkoholiker, das ist er auch heute noch, und der hat unsere Ehe eigentlich zerstört und hat meine Mutter unter Druck gesetzt, und meine Mutter ist eine Frau, die ist mit dem nicht fertig geworden, darauf hin bin ich bei der Großmutter aufgewachsen, meine Mutter wurde seelisch mit dieser Scheidung nicht fertig, und nachdem meine Mutter den neuen Mann kennen gelernt hat wurde ich wieder abgeschoben."

  • Formen von Gewalterfahrungen in der Kindheit

  1. Sexueller Missbrauch

Über sexuellen Missbrauch berichten 4 Interviewpartnerinnen ausdrücklich (ca.13%). Zwei von ihnen wurden vom Vater sexuell missbraucht, eine vom Stiefvater und eine von Bruder und Cousin. Die Mutter wird meist als schwach geschildert oder sie hat den Kindern nicht geglaubt.

Dazu einige Aussagen:

"Mein Vater war Alkoholiker, meine Mutter hat sich nicht viel gekümmert. Ich hatte als Kind schon Depressionen, wollte mich umbringen. Ich hab das Leben gehasst. Meine Depressionen haben sich später durch die Krankheit verstärkt. Mutterliebe war keine da, Vaterliebe wollt ich nicht, hatte immer Angst, dass er mir sexuell wieder was antut, schon mit 8 Jahren hätte ich ihn am liebsten umgebracht."

"Ich wurde bereits als Kind vom Vater sexuell missbraucht und geschlagen, er wollte mir keine Ausbildung zahlen, die Mutter war schwach und hat nicht eingegriffen."

"Mein Stiefvater hat meine Schwester und mich missbraucht und wir haben es meiner Mutter erzählt, aber die hat uns nicht geglaubt und hat zum Stiefvater geholfen. Wie ich dann mit 23 schwanger war, hab ich gar nicht gewusst, dass ich schwanger bin."

  1. Schwere Misshandlungen und Schläge

4 Interviewpartnerinnen (ca. 13 %) beschreiben schwere Misshandlungen, die ihnen als Kind vor allem durch ihren Vater zugefügt wurden. Dessen Gewalthandlungen haben meist auch die Mutter betroffen und die Familien zerstört. Auch die schulischen und beruflichen Möglichkeiten der betroffenen Frauen litten darunter.

"Stellen Sie sich vor, Sie bekommen mit einer dicken Peitsche, einer Hundeleine Schläge auf den Rücken und können nicht aufstehen. Ich durfte als Mädel nicht fortgehen, wenn ich weg war, musste ich um drei Uhr früh mit der Zahnbürste den Boden schrubben. Einmal hatte ich einen Freund, der mich geprügelt hat, da war ich drei Tage auf der Intensivstation."

Der Vater dieser Interviewpartnerin hat auch ihre Mutter geschlagen, auch als letztere hochschwanger war, worauf ihn diese verlassen hat. Die Interviewpartnerin wuchs daher ohne Mutter auf. Auch eine Berufsausbildung wurde ihr vom Vater verweigert.

"Mein Vater war Alkoholiker, hat mich geschlagen und abgewertet. Seine Botschaft war - du wirst es nie schaffen".

Die Mutter dieser Interviewpartnerinnen hat nochmals geheiratet und das Kind, wegen Schwierigkeiten mit dem zweiten Mann, zu den Großeltern gegeben.

  1. Psychische Gewalt

Drei Interviewpartnerinnen (10%) beschreiben massive psychische Gewalt, die sie als Kinder in ihrer Familie erfahren haben. Eine von ihnen formuliert dies so:

"Ich wurde als Kind psychisch misshandelt, der Vater war pädophil, die Mutter psychisch schwer krank."

Zwei weitere Frauen erwähnen vor allem psychische Gewalt durch häufige Abwertung und Beschimpfungen in der Familie- durch den Vater sowie durch Eltern und Geschwister. Einer von ihnen wurde auch ihre Sehbeeinträchtigung nicht geglaubt.

  1. Zwang zu harter körperlicher Arbeit

Zwei Interviewpartnerinnen wurden als Kinder zu schwerer, nicht kindgemäßer Arbeit gezwungen. Sie haben das als Gewalt empfunden und machen diese Arbeiten auch für die spätere Erkrankung verantwortlich- eine von ihnen hatte bereits als Kind ein Hüftleiden, das sich durch diese Arbeiten verschlimmert hat. Der Vater wird von ihr als Gewalttäter beschrieben, der sie auch in anderer Weise misshandelt hat. Eine weitere Frau beschreibt folgende Erfahrung:

"Als Kind musste ich schon sehr viel arbeiten, auch so dass ich es manchmal als Gewalt empfunden habe. Möglicherweise kann auch meine Krankheit dadurch entstanden sein, ich hatte schon mit 30 den ersten Bandscheibenvorfall, bedingt von der schweren Arbeit beim Hausbau."

5.9.2 Gewalterfahrungen als Erwachsene

12 Interviewpartnerinnen (40%) beschreiben Gewalterfahrungen als Erwachsene. Der Gewalttäter war fast immer ein Mann aus dem sozialen Nahraum - in 7 Fällen der Ehemann oder Freund, in einem Fall der Sohn, in einem anderen Fall der Nachbar. Eine Interviewpartnerin wurde durch Fremde vergewaltigt, eine weitere Frau durch einen Arbeitskollegen sexuell belästigt. Eine andere litt unter psychischer Abwertung und Mobbing durch ihren Bruder, in dessen Firma sie arbeitete. Eine Interviewpartnerin empfand ein Erlebnis mit einer Ärztin als massive Gewalt. Einige Frauen haben von mehreren Personen, einige in verschiedener Weise durch den gleichen Täter Gewalt erlebt. 4 Frauen wurden bereits in der Kindheit Opfer von Gewalttätern in der Familie.

*n=30Tabelle 9 Gewalterfahrungen im Erwachsenenalter (zum Teil mehrfache Gewalterfahrungen)

Formen der Gewalterfahrungen

 

Anzahl der Frauen

Physische Misshandlungen und Schläge (7x Ex-Mann oder Freund, 1x Sohn)

 

8

Vergewaltigung

 

1

Sexuelle Belästigung durch Arbeitskollegen

 

1

Massive psychische Gewalt durch Ehemann (z. B. ständige Beschimpfungen wegen der Behinderung)

 

1

Psychische Gewalt und Mobbing durch den Bruder in dessen Firma

 

1

Stalking (Psychoterror) durch Nachbarn

 

1

Gewalterfahrung im Gesundheitssystem

 

1

Gesamt

 

14

Gewalterfahrungen als Erwachsene (insgesamt)

12

40.0%*

davon Gewalterfahrungen auch als Kind gemacht

4

13.3%

Formen von Gewalterfahrungen als Erwachsene

  1. Schwere Misshandlungen durch Gewalttäter aus dem sozialen Nahbereich

Am häufigsten berichten die Frauen über Misshandlungen durch nahe männliche Angehörige - vor allem den (Ex-)Ehemann oder Freund.

Art und Folgen der Misshandlungen sind teils sehr massiv: Eine Frau wurde von ihrem Ex-Freund im Vollrausch geschlagen, auf den ein MS-Schub folgte. Eine andere erlitt so starke Schläge durch einen früheren Freund, dass sie danach mehrere Tage in einer Intensivstation betreut werden musste. Einer wurde vom Lebensgefährten die Nase gebrochen. Eine andere flüchtete vor ihrem Exmann ins Frauenhaus. Von ihrem Sohn wurde eine Interviewpartnerin blau geprügelt, anschließend stahl er ihr das Auto.

  1. Sexuelle Gewalt

Eine Interviewpartnerin wurde mit 19 Jahren durch Fremde vergewaltigt, nachdem sie als Kind bereits durch einen gewalttätigen Vater traumatisiert war.

Eine andere berichtet von der sexuellen Belästigung durch einen ehemaligen Arbeitskollegen.

  1. Psychische Gewalt

Psychische Gewalt durch die Familie und Mobbing durch den Bruder beschreibt eine Interviewpartnerin sehr plastisch:

"Teilweise hab ich psychischen Terror durch meinen Bruder erlebt, der war auf meine Krankheit nicht gut ansprechbar. Da hab ich dann immer mehr Anfälle gekriegt, und auch Asthma, da hab ich dann beides zusammen gekriegt. Das eine hat sich dann ausgeschlichen, das hab ich einstellen können, dann ist das andere gekommen. Drum bin ich auch aus seiner Firma gegangen. Der ist mit vielen nicht fertig geworden in der Zeit und dann hat er mich gemobbt bis aufs Letzte. Bis es mir gereicht hat und ich gegangen bin."

Eine andere Interviewpartnerin berichtet über psychische Gewalt durch ihren Mann, der sie oft wegen ihrer Hörbeeinträchtigung beschimpft.

Eine weitere Interviewpartnerin fühlt sich durch ihren Nachbarn bedroht, der sie regelmäßig beschimpft und psychisch terrorisiert, eine Art von Gewaltanwendung, die als "Stalking" bezeichnet wird. Eine Übersiedlung in eine andere Wohnung kann sie sich jedoch aufgrund ihrer angespannten finanziellen Situation nicht leisten.

  1. Gewalt durch Medizinsystem

Eine Interviewpartnerin wurde durch eine Medizinerin zu einer Behandlung genötigt worden, die sie nicht wollte, "das war wie eine Vergewaltigung".

  1. Strukturelle Gewalt

Die meisten Interviewpartnerinnen beschreiben die große psychische und organisatorische Belastung ihrer Odyssee zwischen den verschiedenen Institutionen, die für ihre Probleme als Menschen mit Behinderungen zuständig sind. Manche ihrer Erfahrungen, z. B. die Willkür von Entscheidungen oder besonders entwürdigende Behandlungen, waren psychisch und teils auch physisch so belastend, dass sie als strukturell bedingte Gewalt angesehen werden können.

Dazu einige Aussagen:

"Es ist oft so erniedrigend, was du auf Ämtern erfährst, die Art, wie mit dir umgegangen wird. Zum Beispiel beim Pflegegeld, dass am Arbeits- und Sozialgericht behauptet wird von Leuten, die mich gar nicht kennen, dass es mir angeblich besser geht und das Pflegegeld wird entzogen. Und man muss wieder zurück und fühlt sich als Bittsteller und als das Letzte. Das hab ich bei vielen Institutionen erlebt, bei der Pensionsversicherungsanstalt, beim Bundessozialamt, bei den Gutachtern, die vom Gericht bestellt wurden, beim Magistrat, bei der Krankenkassa."

"Am Anfang musste ich bei der Krankenkassa betteln gehen um einen Katheter, die wollten mir vorschreiben, wie viele Katheter ich verwenden darf, das waren böse Dinge. Mit dem Antrag damals bin ich heulend aus der Krankenkassa hinausgegangen. Oder dass du innerhalb einer gewissen Zeit nur so und so viele Vorlagen brauchen darfst - Sie haben erst wieder Anspruch in drei Monaten. Jetzt hab ich mir das erkämpft, auch mit dem Katheter, ich bin draufgekommen, die dürfen mir das ja gar nicht vorschreiben. Es ist sehr willkürlich, einer hat mir immer zuwenig bewilligt oder gar nicht, ein anderer schon - lauter Schikanen. Auch die Spritzen, die ich brauche, werden mir jetzt nur noch für drei Monate, nicht mehr wie früher für ein halbes Jahr bewilligt, es wird immer mehr bürokratischer Aufwand. Man muss kämpfen und kämpfen und kämpfen. Das erfordert irrsinnig viel Kraft - und die geht dir irgendwo ab, zum Beispiel bei deiner beruflichen Tätigkeit: Zeit, Kraft, Geld - alles."

"Auf der Krankenkasse muss man sich in einer Reihe anstellen, du hast gar keine Möglichkeit zu sitzen, du musst stehen in der Reihe. Du kannst dir keine Nummer ziehen und dich wieder hinsetzen und warten. Es gibt nichts zum Anhalten, nicht einmal eine Wartestange. Die Angestellten sind freundlich, aber sie haben selbst viel Druck durch den Stellenabbau."

"Während meiner Chemotherapie wurde ich von den Ärzten der WGKK bestellt, um zu sehen ob ich wirklich krank bin. Wie kann das sein? Ich hatte miserable Blutwerte. Das werde ich nie im Leben vergessen. Als ich während der Chemo dreimal in die WGKK bestellt wurde, hab ich die Ärztin gefragt, was das soll. Sie hat sich entschuldig, das hat mir aber auch nichts geholfen. Zudem bestand noch die Gefahr einer Infektion für mich zwischen all den kranken Menschen, das war eine Riesenschweinerei!"

Auch bauliche Gegebenheiten schließen gehbehinderte Menschen sehr häufig von der Teilnahme am öffentlichen Leben aus - das ist ebenfalls ein Aspekt von struktureller Gewalt.

Dazu die Aussage einer Interviewpartnerin, die aufgrund von MS gehbeeinträchtigt ist:

"Viel weggehen hat keinen Sinn, auch nicht ins Museum- es mangelt dann immer an Klos oder oft gibt es nur Stiegen. In St. Pölten im Veranstaltungszentrum beim Regierungsgebäude haben wir nicht einmal einen Aufzug gefunden und den gibt's angeblich auch nicht. Auch die Schnellbahn ist irre, du kommst nicht die Stufen in den Waggon hinauf. Oder die Rolltreppe ist gesperrt das erleb ich sehr oft, oder der Aufzug ist außer Betrieb und einer ist da, den du fragen kannst. Und das hindert dich auch daran wegzugehen, einfach so frei hinauszugehen."

Eine andere Form von Entwürdigung stellt die Situation einer Interviewpartnerin dar, die bei einer Beschäftigungseinrichtung seit vielen Jahren 40 Stunden pro Woche arbeitet, aber für ihre Arbeit nur 50,- Euro Taschengeld pro Monat bekommt. Denn ihre Arbeit gilt lediglich als Beschäftigungstherapie- obwohl sie selbst den Eindruck hat, eine vollwertige Bürokraft zu sein.

  1. Gefährdung aufgrund der Behinderung

Die meisten Interviewpartnerinnen waren nicht der Ansicht, dass sie aufgrund der Behinderung mehr gefährdet sind, Opfer eines Gewalttäters zu werden. Einige jedoch haben diesbezüglich negative Erfahrungen oder Beobachtungen bei anderen gemacht.

Ihre Aussagen dazu:

"Wenn eine behinderte Frau misshandelt oder vergewaltigt wird, die die das machen glauben, sie können das mit uns machen, weil wir uns nicht wehren können wie ein gesunder Mensch. Ich hab eine Freundin, die ist von einem Kollegen missbraucht worden, der ist zwar jetzt weg, aber ein Mensch mit Behinderung hat nicht die Kraft sich so zu wehren."

"Ich kann nicht davonlaufen und habe auch keine Kraft, mich zu verteidigen."

"Ich persönlich nein, weil ich kaum allein unterwegs bin, aber ich kann mir gut vorstellen, dass ich als Rollstuhlfahrerin oder Behinderte mehr Gewalt zu spüren bekommen könnte."

Eine Interviewpartnerin kritisiert die Ignoranz und Rücksichtslosigkeit der Umwelt im Alltag, besonders bei größeren Menschenansammlungen. Sie betont die Wichtigkeit ihres Autos, in dem sie sich weitaus sicherer fühlt als im öffentlichen Raum.

"Menschen mit sichtbaren Behinderungen werden vielleicht als Opfer gesehen, das leichter übergangen wird oder weniger wert ist oder (Pause) wo man weniger Verteidigung erwartet. Ich denke, dass die Hemmschwelle von Tätern hier einfach niedriger ist. Vielleicht erwarten sie hier auch eher nicht, dass das Opfer zu Gericht geht."

"Ich kann mich nicht wehren, z. B. werde ich oft von Fremden im Autobus gestoßen."

"Heute bin ich nicht mehr so gefährdet, weil ich eigentlich stark genug bin, weil ich mehr Selbstbewusstsein und mehr Selbstvertrauen habe. Aber für andere Menschen sehe ich da eine Gefährdung, weil - ich will jetzt nicht sagen, dass Menschen schwach sind aufgrund ihrer Behinderung - aber ich glaub dass es viele Menschen gibt, die unter ihrer Behinderung und der Gewalt leiden."

  1. Persönliche Abwertung und Mobbing

Einige Interviewpartnerinnen schildern persönliche Abwertungen und Mobbing-Situationen, die sie aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung erfahren haben und die sie psychisch sehr belastet haben. Vor allem die Unterstellung, sie seien Simulantinnen, ist bei den Frauen, die unter nicht sichtbaren Krankheiten und Behinderungen leiden, sehr kränkend.

Dazu ein Zitat aus einem Interview:

"Die Verwandten haben blöd geredet - sie sagen, ich sei eine wehleidige Simulantin, die sich von ihrem Mann aushalten lässt- und da hab ich mich zurückgezogen und sag nichts mehr, daher ist da keine Angriffsfläche mehr - und die Kolleginnen waren auch nicht verständnisvoll und da hab ich mich auch zurückgezogen und hab eigentlich eine Mauer um mich aufgebaut zum Schutz."

5.9.3 Zusammenfassung - Gewalterfahrungen (Box 11)

• Viele Interviewpartnerinnen haben bereits als Kinder massive Gewalt erlebt haben, etwas mehr als jede vierte Interviewpartnerin berichtet im Interview von solchen Erfahrungen: sexueller Missbrauch, schwere körperliche Misshandlungen, massive psychische Gewalt durch permanente Abwertung und Beschimpfung sowie Zwang zu nicht kindgemäßer harter körperliche Arbeit trotz physischer Beeinträchtigungen. Die Hälfte von ihnen wurde auch als Erwachsene von Gewalttätern misshandelt.

• 12 von den 30 befragten Frauen haben im Erwachsenenalter Gewalt erfahren - meist erlitten sie massive körperliche Misshandlungen, einige wurden von ihrem Lebenspartner krankenhausreif geschlagen.

• Die Gewalttäter waren Männer - mit Ausnahme einer Ärztin, deren Vorgehensweise ebenfalls als Gewalterfahrung eingestuft wurde. Die männlichen Gewalttäter stammten fast ausnahmslos aus dem sozialen Nahraum der betroffenen Frauen - meist handelte es sich um ihren Vater, Ehemann, Freund oder Lebensgefährten.

• Die meisten Interviewpartnerinnen beschreiben die große psychische und organisatorische Belastung ihrer Odyssee zwischen den verschiedenen Institutionen, die für ihre Probleme als Menschen mit Behinderungen zuständig sind. Manche ihrer Erfahrungen, z. B. die Willkür von Entscheidungen oder besonders entwürdigende Behandlungen, waren psychisch und teils auch physisch so belastend, dass sie als strukturell bedingte Gewalt angesehen werden können.

• Diese Ergebnisse stimmen mit den Erkenntnissen zahlreicher Studien zum Thema Gewalt gegen Frauen überein.[a]

[a] Vgl. Lewis Herman, Judith (2003). Bauer (2005).

Amann, Gabriele; Wipplinger, Rudolf (Hrsg) (2005). Sexueller Missbrauch. Überblick zu Forschung, Beratung und Therapie. Ein Handbuch. Tübingen: Dgvt-Verlag.

5.10 Psychosomatische Zusammenhänge zwischen Belastung und Krankheit

"Es reicht nicht, eine Krebskranke zu operieren und Chemotherapie zu geben und danach zu glauben, sie sei gesund. Das Seelische spielt eine sehr große Rolle."

5.10.1 Theoretischer Hintergrund von Psychosomatik

Laut WHO-Definition stellt Gesundheit einen Zustand des sozialen, psychischen und physischen Wohlbefindens dar - Krankheit hängt demnach mit einer Störung auf einer oder mehrerer dieser Ebenen zusammen. Von der Schulmedizin wird Krankheit jedoch auch heute noch meist als organisches Problem dargestellt, das quasi von selbst entsteht oder angeboren ist. Eine Krankheit erscheint bei dieser Betrachtungsweise als etwas Fremdes, als Feind, der notfalls mit brutalen Methoden zu bekämpfen ist, wobei die Effektivität der Behandlung am Verschwinden der Symptome gemessen wird. Der Körper gleicht in diesem Bild einer Maschine, deren Qualität vom Funktionieren der einzelnen Teile nach bestimmten Norm-Werten abhängt. Geist und Seele, Gefühle und Bedürfnisse sind von sekundärer Bedeutung und werden in die Behandlung kaum mit einbezogen. Körper, Seele und Geist werden getrennt gesehen.

Diesem Paradigma steht das psychosomatische Krankheitsmodell gegenüber, das zunehmend wieder in das Blickfeld rückt. Richtungsweisend für ein neues Verständnis von Gesundheit und Krankheit war im vergangenen Jahrhundert im deutschsprachigen Raum der Arzt und Analytiker Georg Groddeck,[96] der weit über Freuds Theorien[97] von neurotisch bedingten Krankheitssymptomen hinausging, indem er annahm, dass bei jeder Erkrankung und sogar bei jedem Unfall neben einer organischen Disposition vor allem die psychische Verfassung der betroffenen Person den Ausschlag gibt. Die Lebenskraft eines Individuums, die er "Es" nannte, signalisiere Krankheitsbereitschaft und wähle aufgrund unbewusst verlaufender Prozesse das passende Symptom aus. Groddeck vernachlässigte dabei die Bedeutung sozialer und struktureller gesellschaftlicher Probleme, die später besonders von Wilhelm Reich[98] und Alexander Mitscherlich thematisiert wurden. Mitscherlich plädierte für eine psychosomatisch orientierte Sozialmedizin, die "am Einzelfall, wie bruchstückhaft auch immer, die krankheitserregenden Lebensbedingungen einer Gesellschaft zu erkennen versuchen"[99] soll.

Joachim Bauer, Professor für Psychosomatik beschreibt in seinem Buch "Das Gedächtnis des Körpers" zahlreiche aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen, die die große Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen für die biologische Gesundheit belegen. Er führt auch Ergebnisse arbeitsmedizinischer Studien an, die zeigen, dass "die Gesundheit heute in weit größerem Umfang von den so genannten ‚soft facts' (also den ‚weichen Tatsachen') bedroht ist, d. h. durch zwischenmenschliche Konflikte, fehlende soziale Unterstützung oder andere Stressfaktoren."[100] Umgekehrt verdeutlichen zahlreiche Studienergebnisse, dass "soziale Unterstützung und zwischenmenschliche Beziehungen das ganze Leben hindurch der entscheidende Schutzfaktor gegenüber übersteigerten und potentiell gesundheitsgefährdenden Folgen der Stressreaktionen bleiben."[101]

Sozial bedingte Probleme wie Gewalterfahrungen, belastende Lebensereignisse, langfristige Erlebnisse von Stress und Überforderung, Arbeitslosigkeit und Armut können die Ursache für psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen und für schwere körperlichen Krankheiten bilden.

In der Studie über Erkrankungsrisiken armutsbetroffener Frauen in Österreich wird Arbeitslosigkeit als wichtiger Krankheitsfaktor beschrieben: "Arbeitslosigkeit bedeutet nicht nur den Verlust der materiellen Grundlage, sondern ist für viele Arbeitslose mit physischen und/oder psychischen Krisen verbunden. Diese belastende Lebenssituation kann zu Depression, Antriebsschwäche, u. a. Alkoholismus, Angstzuständen und Schlaflosigkeit führen. Physisch können sich bei Verlust des Arbeitsplatzes Herzrhythmusstörungen, Kreislaufstörungen, Blutdruckerhöhungen und Magen-Darmkrankheiten einstellen. Bei Frauen sind die Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und Krebserkrankungen der Harn- und Geschlechtsorgane mit Todesfolge als statistisch hoch signifikant einzustufen, gefolgt von den Erkrankungen des zerebrovaskulären Systems"[102] (Herz-Kreislauf- Erkrankungen).

Frauen aus sozialen Schichten, die hinsichtlich Bildung, beruflichem Status und Einkommen einen niedrigeren Status haben, weisen dieser Studie zufolge ein höheres Erkankungs- und Sterblichkeitsrisiko auf als Frauen aus besser gestellten sozialen Schichten, besonders infolge von Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Infektions- und Atemwegserkrankungen. Auch das Risiko für Depressionen und psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen etc. ist bei ihnen höher ausgeprägt.

Folgende weitere Faktoren, die Krankheit und Mortalität beeinflussen, werden in dieser Studie genannt:

  • arbeitsbedingte Belastungsfaktoren - niedrige Einkommen, körperliche Belastungen, Zeitdruck, eintönige Arbeitsprozesse, erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko

  • psychosoziale Belastungsbedingungen und belastende Lebensumstände - geringe Einbindung in soziale Netzwerke

  • gesundheitsschädigendes Verhalten (fettreiche und vitaminarme Ernährung, Bewegungsmangel, Zigaretten- und Alkoholkonsum, Übergewicht)

  • geringe Inanspruchnahme medizinischer Vorsorge- und Früherkennungsprogramme.[103]

  • In den letzten 25 Jahren wurden auch zahlreiche Arbeiten veröffentlicht, welche die geschlechtsspezifische Arbeits-, Geld und Machtverteilung und geschlechtsspezifische Rollenstereotype als krankheitserregenden Faktor begreifen.[104]

  • Materielle Armut birgt - wie bereits in vielen Studien[105] nachgewiesen wurde- ein hohes Krankheitsgefährdungsrisiko, vor allem aufgrund der Begleiterscheinungen von Armut:

  • schlechte Wohn-, Arbeits- und Umweltbedingungen sowie wenig soziale Kontakte.

In einer weiteren Studie über armutsbetroffene Frauen in Österreich[106] wurden folgende Zusammenhänge von Armut und Krankheit im Leben von Frauen herausgearbeitet:

  • Prekäre Arbeitsbedingungen, unsichere Arbeitsplätze und finanzielle Knappheit führen dazu, dass materielle Bedürfnisse und Zeitprobleme das eigene Gesundheitsverhalten überschatten.

  • Alleinerzieherinnen sind gesundheitlich besonders belastet.

  • Infolge von Doppelbelastung durch Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung haben Frauen oft hohe Stresswerte - ebenso hoch wie Topmanager, jedoch ohne deren gesellschaftliche Anerkennung und Honorierung sowie Entspannungsmöglichkeiten

  • Soziale Isolation und Einsamkeit - dies wird oft als Grund für das Aufsuchen von Frauenberatungseinrichtungen genannt

  • Frauen, die aus unterprivilegierten Schichten stammen, haben insgesamt weniger Entfaltungs- und Kompensationsmöglichkeiten, z. B. durch ein befriedigendes Berufsleben.

  • Sozial benachteiligte armutsbetroffene Frauen nehmen Gesundheitsleistungen in geringerem Ausmaß in Anspruch als andere Frauen - vor allem wegen ökonomischer Faktoren ("Gesundheit ist für mich Luxus") und knappem Zeitbudget.

In den letzten Jahren hat sich als Ergebnis der fachlichen und öffentlichen Diskussionen zu den Ursachen von Krankheiten ein Trend herausgebildet, in dem verschiedene Ansätze in der Krankheitsdefinition und -beschreibung miteinander kombiniert werden.

Die Grundgedanken dieses multifaktoriellen Krankheitsmodells werden in der Internet-Enzyklopädie wikipedia[107] wie folgt zusammengefasst:

  • Es gibt genetisch vorgegebene und umweltbezogene Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich ein Krankheitsgeschehen manifestiert. Hier spielen sowohl körperliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz z. B. durch Schadstoffbelastungen, wie durch ungesunde Wohnverhältnisse beispielsweise mit starker Lärmbelästigung, oder sonst ein Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Stoffen eine Rolle. Soweit es sich nicht um Unfälle oder solchen direkten äußeren Einwirkungen handelt ist ein komplexes Geschehen am Ausbruch einer Krankheit beteiligt.

  • Als Auslöser von Erkrankungen müssen innerhalb dieses Rahmens psychosomatische Faktoren, stressbedingte Belastungen, Risikoverhalten und Belastungsreaktionen durch aktuelle Ereignisse, Life Events, in Betracht gezogen werden.

  • Selbst beim Vorliegen der genannten Belastungen ist eine Manifestation der Erkrankung noch nicht unausweichlich. Individuelle und kollektive Coping-Strategien können die Krankheitsreaktion noch immer verhindern oder abschwächen.

  • Das manifeste Krankheitsgeschehen steht schließlich am Ende eines komplexen Prozesses, in dem individuelle Belastungen und Ressourcen, gesellschaftliche Bedingungen, kollektive Bewältigungsmuster und aktuelle Ereignisse zusammen wirken.

Ausgehend von den Annahmen eines multifaktoriellen Krankheitsmodells ist es notwendig, in jedem Fall die besonderen Bedingungen zur Auslösung einer Erkrankung zu rekonstruieren, um die bestmöglichen Heilungschancen zu realisieren. So wird es nicht viel nützen, wenn zur Linderung von Krankheitssymptomen bestimmte Medikamente zu Einsatz kommen, das soziale Umfeld oder die belastende familiäre Situation des Patienten aber außer Acht bleibt, die evt. einen bedeutenden Anteil am Ausbruch der Erkrankung hatte. Ebenso kommt die Notwendigkeit einer gezielten Gesundheitsprävention und -vorsorge bei bekannten Belastungsfaktoren in das Blickfeld. Durch Erweiterung und Veränderung der Leistungen im Gesundheitssystem wurde in den letzten Jahren versucht, z. B. durch die systematische Ausweitung von Vorsorgeuntersuchungen auf diese Einsichten zu reagieren.

Im folgenden werden einige psychosomatische und soziale Faktoren geschildert, die mit den Erkrankungen der Interviewpartnerinnen im Zusammenhang stehen.

5.10.2 Konkrete Zusammenhänge

5.10.2.1 Zusammenhang von Krankheiten und Gewalterfahrungen

Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte, wie etwa die der amerikanischen Psychiaterin Judith Lewis Herman[108], haben gezeigt, dass Opfer von Gewaltverbrechen unter vielfältigen und schwerwiegenden körperlichen und psychischen Problemen leiden, die unter dem Namen "posttraumatische Belastungsstörung" zusammengefasst werden. Die Ausprägung der Symptome kann sehr unterschiedlich, mitunter auch gegensätzlich sein.

Professor Joachim Bauer fasst in seinem Buch "Das Gedächtnis des Körpers" den aktuellen Forschungsstand zu Auswirkungen von Traumaerlebnissen zusammen:

Traumaerlebnisse führen zu einer extremen Aktivierung der Alarmsysteme des Gehirns (Amygdala, Hypothalamus, Hirnstamm). Das seelische Traumaerlebnis verändert in den genannten Gehirnzentren die Aktivität von Genen und erzeugt Veränderungen in neurobiologischen Strukturen. (...) Nach Gewaltverbrechen wie Vergewaltigung oder körperlicher Misshandlung erkranken 45-65% der Betroffenen an einer posttraumatischen Stresserkrankung.[109]

Letztere kann sich vielfältig auswirken - u. a. in Form von Depression, Suchterkrankungen, Panikattacken und verschiedene körperliche Beschwerden - die besonders Herz und Kreislauf betreffen. Wenn die Gewalterfahrungen bereits im Kindesalter stattgefunden haben, sind die gesundheitlichen und psychischen Auswirkungen noch wesentlich stärker. Als einzig geeignete Behandlung bezeichnet Bauer die Psychotherapie.[110]

Da die vorliegende Studie nicht auf Gewalterfahrungen und ihre krankheitsfördernde Wirkung fokussiert war, konnte nicht in jedem Interview auf diesen Zusammenhang eingegangen werden. Auffällig ist jedoch, dass fast jede zweite Interviewpartnerin Gewalterfahrungen hat.

Von einigen Frauen wird der Zusammenhang zwischen Gewalt und ihrer Krankheit ausdrücklich benannt oder er kommt durch die Schilderung von Krankheitsschüben nach Gewalterlebnissen sehr deutlich zum Ausdruck:

  • Zusammenhang mit Gewalt in der Kindheit und/ oder durch Ex-Mann

Drei Interviewpartnerinnen, die als Kind massive Gewalt durch ihren Vater erlitten, erwähnen, dass sie schon als Jugendliche Depressionen und Selbstmordgedanken hatten. Die Krankheiten, die sich später bei ihnen entwickelten, sind damit im Zusammenhang zu sehen.

Eine dieser Frauen beschreibt, dass sie bereits als Kind vom Vater misshandelt und sexuell missbraucht wurde und als Folge davon Depression und Panikattacken sowie Atembeschwerden und eine Lungenkrankheit entwickelte.

Eine zweite dieser Interviewpartnerinnen berichtet über sexuellen Missbrauch durch den Vater sowie über Misshandlungen als Erwachsene durch ihren Freund und ihren Ehemann. Bei ihr trat bereits in jungen Jahren Multiple Sklerose auf- mit starken Schüben nach akuten Gewalterlebnissen, z. B. nachdem sie ihr Freund massiv verprügelt hatte.

Die dritte wurde von ihrem Vater massiv misshandelt und abgewertet, mit 19 wurde sie von Fremden vergewaltigt. Später entstanden bei ihr Schmerzzustände, Bewegungseinschränkungen und Panikattacken.

Eine andere Frau erzählt über Gewalterfahrungen durch ihren Exmann, die zur Scheidung führten und eine jahrelange Krisenphase bei ihr auslösten. In dieser Zeit wurde sie zur Alkoholikerin, zog sich eine schweren Infektionskrankheit zu und erkrankte an Krebs.

  • Zusammenhang mit Gewalt durch Zwang zu schwerer körperlicher Arbeit als Kind

Zwei Interviewpartnerinnen wurden als Kinder zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen, eine von ihnen außerdem vom Vater brutal misshandelt, wenn sie sich dagegen wehrte. Beide sehen ihre jetzigen Krankheiten als Folge davon an: die eine hatte bereits mit 30 Jahren einen schweren Bandscheibenvorfall und ist seither stark in ihrer Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt, bei der anderen verschlimmerte sich dadurch ein angeborenes Hüftleiden, sodass sie schon als Kind ständig Schmerzmittel nehmen musste.

  • Zusammenhang mit psychischen Gewalterfahrungen

Auch psychische Gewalterfahrungen können eine Krankheitsspirale auslösen- wie etwa bei einer Interviewpartnerin, der ihre Familie als Kind nicht geglaubt hat, dass sie eine Sehbehinderung hat. Sie wurde als Spinnerin bezeichnet. Ihre Familienangehörigen nahmen ihre Leidenszustände und Schmerzen erst im Lauf der Zeit ernst, als weitere - immer gravierendere - Krankheiten, vor allem Asthma und schmerzhafte Arthritis diagnostiziert wurden. Besonders ihr Bruder, in dessen Firma sie arbeitete, übte ihrem Empfinden nach Psychoterror auf sie aus, sodass sie schließlich diese Arbeit kündigte. Dies führte jedoch zu einer Verschlechterung der Krankheiten, vermutlich wegen der daraus resultierenden existentiellen Probleme und Armutsgefährdung.

  • Zusammenhang mit strukturellen Gewalterfahrungen

Es kann angenommen werden, dass auch strukturelle Gewalterfahrungen, wie sie im vorigen Kapitel beschrieben wurden, den Heilungsprozess behindern. Ebenso wie Informationsmangel, Armutsgefährdung, Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsmarkt und die in vielfacher Hinsicht belastende Odyssee durch verschiedene Behörden mit ihren schwer zu durchschaubaren Zuständigkeiten, Kriterien und Regelungen sind strukturell bedingte Gewalterfahrungen dazu geeignet, eine Krankheit zu verstärken. Daher ist diese Art des Public Managements von Krankheiten und körperlichen Beeinträchtigungen im Sinne einer ganzheitlichen ökonomischen Betrachtung wohl eher als kostensteigernd anzusehen.

5.10.2.2 Zusammenhang mit Depression

Depression ist häufig Folgeerscheinung von traumatischen Erlebnissen, sowie von ungelösten zwischenmenschlichen Konflikten und sozialen Verlusterlebnissen.

Sie kann jedoch auch als Folgeerscheinung von belastenden Krankheitsprozessen auftreten und diese verstärken.

Bauer fasst zahlreiche wissenschaftliche Forschungsergebnisse zusammen, die gezeigt haben, dass Depression grundsätzlich die Immunabwehr des Körpers gegenüber Krankheitserregern, "schlafenden" Viren und Tumorzellen herabsetzt und somit Ursache, Verstärker und Motor für den Ausbruch von Krebs und anderen schweren Erkrankungen sein kann.[111] Sie vermindert auch die Fähigkeit des Körpers, mit Entzündungen und Verletzungen fertig zu werden.

Jede 5. Interviewpartnerin erwähnt ausdrücklich Depression im Vorfeld oder als Begleiterscheinung ihrer Krankheit. Ein Zusammenhang zwischen Depression und den schweren physischen Krankheiten wie etwa Krebs, Asthma und Arthritis kann demnach auch in diesen Fällen vermutet werden.

5.10.2.3 Zusammenhang mit belastenden Lebens-Ereignissen

Aus der Life-Event-Forschung[112] ist seit längerem bekannt, dass belastende Lebensereignisse Krankheiten auslösen oder verstärken können. Zu den bedeutsamsten Erlebnissen gehört etwa der Verlust von geliebten Personen. Aber auch grundsätzlich positive Ereignisse wie eine Heirat, Schwangerschaft und Geburt eines Kindes können belastend wirken, da sie eine Neuorientierung in der gesamten Lebenssituation nach sich ziehen.

Dieser Zusammenhang kann auch in den Lebensgeschichten von einigen Interviewpartnerinnen hergestellt werden: bei zwei von ihnen nahm die Krankheit ihren Anfang, als sie schwanger waren und verstärkte sich nach der Geburt des Kindes. In einem Fall handelte es sich um Multiple Sklerose, im anderen um Morbus Crohn.

Bei einer weiteren Frau begannen ihre schwere Lungenerkrankung sowie Panikattacken im Kindesalter, als ihre wichtigste Bezugsperson starb. Eine andere Interviewpartnerin erkrankte unmittelbar nach der Heirat.

5.10.2.4 Zusammenhang mit jahrelanger körperlicher Überforderung im Beruf

Eine Interviewpartnerin betont selbst den Zusammenhang ihrer Krankheit (Hüftleiden und Rheuma) mit jahrelanger körperlicher Überforderung im Beruf und hohem inneren Leistungsdruck:

"Das ist vielleicht ein Grund dafür, dass sich mein körperlicher Zustand so verschlimmert hat, dass ich mich jahrelang selbst so stark gefordert habe und so lange so starke Schmerzmittel genommen habe, damit ich arbeiten kann."

Möglicherweise litt sie wie auch einige andere Interviewpartnerinnen unter einem "Burnout-Syndrom". Nach Bauer befinden sich in Deutschland bis zu 25% der insgesamt etwa 36 Millionen Erwerbstätigen in einer gesundheitlichen Situation, die der New Yorker Arzt und Psychoanalytiker Herbert Freudenberger 1974 erstmals als "Burnout-Syndrom" bezeichnet hat. Symptome sind Erschöpfung, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Schwindelgefühle ohne körperlichen Befund, Angst oder depressive Verstimmungen. Risikofaktoren für das Burnout-Syndrom sind: hohe Belastung und Eintönigkeit der Arbeit, geringe Anerkennung und fehlender kollegialer Zusammenhalt sowie fehlende positive Rückmeldung von Seiten derjenigen, für die man tätig ist.[113]

5.10.2.5 Krisenbewältigung und Krankheit als Chance

Aus einigen Interviews geht hervor, was den Frauen bei der Bewältigung der Krisen geholfen hat, die mit den Krankheiten und den Erfahrungen von Behinderungen einhergingen. Besonders hilfreich sind offenbar Naturerlebnisse: ein Aufenthalt im Garten, Spaziergänge im Grünen u. ä. Auch der Kontakt zu Haustiere wie Hunde oder Katzen spielt eine wichtige positive Rolle.

Zwei Interviewpartnerinnen beschreiben, dass sie ihre Krankheit auch als Chance sehen. Sie haben die Krankheit zum Anlass genommen, ihr Leben zu überdenken und Prioritäten neu zu setzen. Eine Frau hat dadurch den Mut gefunden, sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen und ein Haus mit Garten zu erwerben. Eine andere Interviewpartnerin hat sich von dem Mann getrennt, den sie kurz vor einem schweren Krankheitsschub geheiratet hat und der sich während ihrer Krankheit zu wenig um ihren Sohn gekümmert hat. Sie sieht diese Entscheidung sehr positiv.

Beide Frauen sind jedoch durch ihre Krankheit nicht in eine akute Armutssituation geraten. Vermutlich spielt das bei ihrer positiven Sichtweise eine wichtige Rolle. Sie konnten tatsächlich auf die "Botschaft" ihrer Krankheit eingehen und ihr Leben zum besseren verändern.

5.10.3 Zusammenfassung - Psychosomatische Zusammenhänge zwischen Belastungen und Krankheit (Box 12)

Ausgehend von einem multifaktoriellen Krankheitsmodell wurden einige psychosomatische und soziale Faktoren herausgearbeitet, die vermutlich mit den Erkrankungen der Interviewpartnerinnen in engem Zusammenhang stehen:

• physische, sexuelle und psychische Gewalterfahrungen als Mädchen und als Frau

• Depression sowie Stress infolge von Armut und belastenden Lebensereignissen

• langjährige Überforderung im Beruf

• strukturelle Gewalt

Zahlreiche Studien[a] der letzten Jahre belegen den Zusammenhang dieser Faktoren mit dem Ausbruch bzw. mit der Verstärkung und Chronifizierung schwerer Krankheiten.

Einige Frauen berichten jedoch auch von positiver Krisenbewältigung und der Wahrnehmung von Krankheit als Chance und Motor für Veränderungen.

[a] Vgl. Lewis Herman, Judith (2003).

Bauer (2005).

Amann, Gabriele; Wipplinger, Rudolf (Hrsg) (2005). Sexueller Missbrauch. Überblick zu Forschung, Beratung und Therapie. Ein Handbuch. Tübingen: Dgvt-Verlag.

5.11 Anliegen und Lösungsvorschläge - von A bis Z

Die interviewten Frauen haben zu den Problemen und Schwierigkeiten, die sie erleben, vielfältige Lösungsansätze genannt, einige sind bereits im Text genannt worden. Im folgenden sind weitere Anliegen und Anregungen nach Themen alphabetisch geordnet:

Arbeitsmarkt

"Gnadenjobs: die die behindert sind, haben 100% Anrecht auf ein Gnadenbrot, d. h. auf einen Gnadenjob ihrer Wahl. Ich hab's eh schon schwer genug, dann such' ich mir wenigstens einen Job aus, den ich machen kann und will, den mir keiner vorschreibt, wo kein Zwang ausgeübt wird."

"Man sollte sie einfach mitarbeiten lassen, nur stundenweise arbeiten lassen. Aber das ist bei uns halt alles nicht möglich, es ist ein Jammer. Zumindest 4-5-Stunden Jobs. Die Arbeitgeber müssten flexibler sein."

"Ausbildungs- und Lehrstellen speziell für behinderte Mädchen und Frauen."

"Mehr geschützte Arbeitsstellen für Behinderte, wo auf die Behinderung Rücksicht genommen wird, etwa bei mir: nicht zu langes Sitzen."

"Behinderten Frauen sollte man Jobs in Heimarbeit ermöglichen, es gibt so viel, was man auch von zuhause machen könnte. Die ganzen notwendigen Hilfsmittel kann ich mir aber nicht leisten."

"Es sollten die Arbeitgeber informiert werden, dass es auch aktive Behinderte gibt. Man sollte klarmachen, dass nicht alles vom Telefon abhängt. Es gibt doch auch Stellen, wo man Email verwendet."

"Ich würde mir wünschen, dass es in jedem Bezirk Wiens Firmen gibt, die ausschließlich Behinderte anstellen und denen einen Job bis zur Pensionierung bieten."

Ämterkoordination

"Ich finde es eine Schweinerei, dass auf fünf Ämtern jeder die Behinderung anders sieht. Eine zentrale Stelle sollte her, die stellt das fest und aus. DAS wäre Arbeitsersparnis."

Beratung und Betreuung

"Bessere, individuellere Beratung und Weiterbildung, auf die individuelle Situation und das Niveau der Behinderten zugeschnitten. Hilfe und Begleitung bei der konkreten Jobsuche."

"Frauen sollten in jeder Hinsicht besser beraten werden, beruflich wie persönlich, um mehr Selbstbewusstsein und Mut zu entwickeln."

"Die Ärzte sollten sich mehr Zeit nehmen für Behinderte, zum Beispiel im Spital. Wir haben bei Jugend am Werk eine Psychologin, mit der man reden kann, wenn man Probleme hat. Aber wenn es ums Kinderkriegen geht, da gibt's niemanden."

Mehrsprachige und Muttersprachliche Beratung von Menschen mit Behinderung in Ämtern (Bundessozialamt, AMS, Krankenkassen, PVA, Finanzämter):

"Diese Ämter könnten durch die Einstellung von MigrantInnen mit Behinderung als Vorbild dienen und Kunden dieser Ämter den Kontakt erleichtern, z. B. durch Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen, Formularen usw. Diese Menschen müssten sich dann nicht minderwertig fühlen und beiden Seiten wäre geholfen, auch den Ämtern und deren Mitarbeitern. - Ich wäre ohne Umschulung einsatzbereit."

"Von den Behörden (hätte ich gern) mehr Unterstützung, mehr Aufklärung, was man für Möglichkeiten hat, was kannst du machen, und nicht abgeschoben werden."

Bildung

"Es sollte einen freien Zugang zur Bildung für Behinderte jeden Alters geben, unterstützt mit Stipendien."

Finanzielle Grundsicherung/ Teilpension

"Ich würde mir einen Teil des Schweizer Modells in Österreich wünschen: das wäre eine Teilpension. [114] Wenn Sie 50% Behinderung haben, dann bekommen sie 50% Pension und 50% können Sie dazuverdienen. Ich möchte das Recht haben, dass ich ab einem gewissen Prozentsatz in Pension gehen darf, und dass ich mir aussuchen kann, was ich noch dazu machen kann. Oder dass es eine Grundsicherung gibt, die jeder kriegt, soviel dass er davon leben kann, also 700 bis 1.000,- Euro, und dafür keine zusätzlichen Förderungen mehr."

Frauenspezifisches

"Gleiches Geld für gleiche Arbeitsleistung."

"Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung - in Österreich ist die Spanne ein Skandal."

"Frauen sollten normal bezahlt werden, gleich wie Männer."

"Ein Gesetz gegen Stalking."

"Mehr Frauen auf Posten, wo Entscheidungen getroffen werden."

Gesundheit

bezahlte Regenerationszeit: "Es sollte ein Programm geben für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, damit sie sich regenerieren und so gesund wie möglich werden, ohne dauernden Druck vom AMS, sich eine Arbeit zu suchen, die man in dem Zustand eh nicht bekommt. (...) Also ein Angebot für den Zwischenzustand zwischen noch nicht arbeitsfähig aber nicht mehr akuter Krankheitszustand."

Infrastruktur

"Gebäude sollten behindertengerecht zugänglich sein."

"Die Wiener Linien haben keine Überwachung. Gut wäre ein Wagon speziell für Frauen, der mit Kameras ausgestattet ist. In Japan gibt es das schon seit 10 Jahren. Diese Wagons sind rosarot und wenn ein Mann einsteigt, dann kommen Aufsichtspersonen, die solche Wagons begleiten. In diesen Wagons kann auch eine Informationsbroschüre für Frauen aufliegen. Das wäre gut für das Selbstbewusstsein, denn wenn man angepöbelt wird, dann ist das furchtbar."

Information

"Es sollte mehr Information für Menschen mit Behinderung geben, wo man sich mit allem hinwenden kann und Beratung bekommt."

Eigene, leicht auffindbare Inserate auf der Homepage des AMS über Arbeitsstellen speziell für Menschen mit Behinderung:

"Damit erspart man sich die Bewerbungen und Vorstellungsgespräche bei Firmen, für die das nicht in Frage kommt, die unnötigen Zeit- und Energieaufwand bedeuten und zunehmende Enttäuschung bedeuten."

Kinder

"Es soll für behinderte Kinder Stellen geben, an die sie sich wenden können, wenn sie Probleme haben oder geschlagen werden."

"Kostenlose Kindergärten und Horte, damit Mütter Familie und Beruf besser vereinbaren können."

Mütter

"Unterstützung bei den mütterlichen Aufgaben behinderter Mütter, vor allem bis zum 12. Lebensjahr der Kinder, in Form von Haushaltshilfen und Kindermädchen."

"Rücksicht auf alleinerziehende Mütter, was die Arbeitszeiten betrifft - ich kann keinen Schichtdienst annehmen."

Politik

"Ein Behindertenvertreter im Nationalrat, Landtag und im Gesundheitsministerium, Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte, Anhebung der Quoten für Behinderte im öffentlichen Dienst, eine Stelle in jeder Wiener Gemeinde mit statistischen Daten der Behinderten im Bezirk, für die in der Gemeinde dann ein Arbeitsplatz vergeben werden soll."

Selbstbewusstsein

"Man soll ganz einfach mal probieren. Man kann alles schon auf Probe machen und nicht schon sagen: Finger weg (...) Aus der Sicht des Arbeitgebers und aus der Sicht der Behinderten, weil oft trauen sie sich das gar nicht zu."

"Man muss den Leuten die Gelegenheit bieten, auf die Behinderung zu reagieren. (...) Ich habe offen gesagt, dass ich ein Hörproblem habe."

"Man muss ein Bewusstsein schaffen bei den Kindern mit Behinderung genauso wie bei den Frauen. Dass sie sich auch wagen in mehr männerdominierte Berufe einzusteigen, nicht nur in die typisch weiblichen und dass man versucht, sie auch selbstbewusster zu machen, dass sie sich das trauen. Sie sind wer, sie können was, auch Behinderte bitte, sie sind keine Dodeln vom Dienst."

Die Motivation der Interviewpartnerinnen für die Teilnahme an der vorliegenden Untersuchung war groß. Alle haben das Gespräch genutzt, um ihre Lebenssituation zu beschreiben, aber auch um Anliegen zu äußern und mögliche Lösungen vorzuschlagen. Häufig wird der Wunsch geäußert, mit dieser Studie auch Änderungen bewirken zu können.

Wenn es um die privaten Visionen geht - die Antworten auf die Frage, wie sie sich ihr Leben in 5 Jahren vorstellen würden - dann bleiben die Interviewpartnerinnen bescheiden. Sie wünschen sich einen Arbeitsplatz, finanzielle Absicherung, Sicherheit bezüglich ihres Status, eine unterstützende Familie, bessere Gesundheit und endlich wieder einmal einen Urlaub.

5.12 Sechs Monate später: Veränderungen und Aktuelles

Einige Interviewpartnerinnen haben sich zum Zeitpunkt des Interviews in Umbruchphasen befunden, in denen schon wenige Monate entscheidende Veränderungen bringen können. Ob und wie sich ihre Situation 6 Monate nach den Interviews geändert hat, war der Inhalt einer neuerlichen Kontaktaufnahme (telefonisch, per Fax oder Email) aller Interviewerinnen mit ihren Interviewpartnerinnen.

Inwieweit sie Impulse der Interviewerin umsetzen konnten, war eine zweite Frage in den Follow-up Kontakten. Denn viele Frauen zeigten in den Interviews einen deutlichen Informationsmangel und hatten teilweise konkrete Fragen. Einige Interviewerinnen haben daher nach dem Interview noch Anregungen gegeben und sogar eigene Recherchen durchgeführt und die Informationen an die Frauen weitergeleitet

Von den 30 Interviewpartnerinnen konnten 24 Frauen erreicht werden und über ihre momentane Lebenssituation Auskunft geben.

Insgesamt berichten von ...

positiven Veränderungen 9 Frauen

negativen Veränderungen 7 Frauen

gemischten Erfahrungen 3 Frauen

keinen Veränderungen 5 Frauen

  • Positive Veränderungen

Zwei Frauen fanden einen Arbeitsplatz, beide aufgrund eigener Initiative und selbst gesetzter Aktivitäten, zu denen sie auch das Interview ermutigt hat. Eine Befragte ist jetzt im öffentlichen Dienst beschäftigt, die andere arbeitet 30 Wochenarbeitsstunden in der Privatwirtschaft.

Zwei Frauen absolvierten ECDL-Ausbildungen, eine Frau wurde im Interview angeregt, dieses im EQUALIZENT zu versuchen und war von dieser Ausbildung sehr begeistert. Beide Frauen haben jedoch trotz Bewerbungen noch keinen Arbeitsplatz erhalten.

Drei Frauen ist ihr Pensionsantrag positiv bewilligt worden. Damit hat sich bei zwei Frauen auch die finanzielle Situation stabilisiert. Zusätzlich erhalten diese zwei Frauen jetzt Pflegegeld der Stufe 1.

Zwei Frauen haben Kontakt zu Beratungsstellen und Interessensvertretungen aufgenommen und setzten verschiedenste Aktivitäten, um ihre Interessen und Anliegen zu vertreten. Finanziell wirkte sich dies entlastend aus (Begleichung der finanziellen Rückstände), andere Anliegen sind noch nicht entschieden. Einer Frau geht es körperlich wie seelisch besser.

  • Negative Veränderungen

Vier Interviewpartnerinnen berichten von finanziellen Verschlechterungen, etwa durch Kürzung der Notstandshilfe oder dem Wegfallen der Familienbeihilfe durch die Volljährigkeit der Tochter. Bei zwei Frauen hat sich die Armut weiter verfestigt und verschärft - eine Frau kann jetzt im Winter nicht ausreichend heizen.

Bei vier Frauen hat sich ihre gesundheitliche Situation verschlechtert.

Drei Frauen beschreiben mehrfache gescheiterte Bewerbungen und die Auswirkungen dieser negativen Erfahrungen auf das eigene psychische Befinden.

Einer Frau, die in einem befristeten Eingliederungsprojekt beschäftigt war, wurde wegen Krankheit gekündigt.

  • Gemischte Erfahrungen

Drei Frauen beschreiben sowohl positive wie auch negative Entwicklungen. So geht es einer Frau zwar gesundheitlich besser, ihre befristete Tätigkeit läuft aber aus und sie wird in Kürze wieder arbeitssuchend sein. Eine zweite Frau hat ihre geringfügige Beschäftigung aufgegeben, erlebt es aber als positiv, dass sie aktiv vom AMS kontaktiert und angesprochen wird. Die dritte Frau hat vielfältige Aktivitäten gesetzt: ihr Antrag für einen Zuschuss zur Förderung der gewerblichen Selbständigkeit ist allerdings abgelehnt worden. Andere Aktivitäten speziell im Bereich der Interessensvertretung schwerhöriger Kinder und ihrer Eltern verfolgt sie mit viel Energie.

  • Keine Veränderungen

Fünf Frauen schildern, dass sich ihre Situation nicht verändert hat. Dazu zahlen die beiden in Vollarbeitszeit berufstätigen Interviewpartnerinnen. Während eine dieser Frauen zufrieden mit ihrer Arbeits- und Lebenssituation ist, berichtet die andere, dass sie durch die anstrengende Arbeit körperlich sehr belastet ist.

Ebenfalls gleich geblieben ist die Arbeitssituation einer teilzeitbeschäftigten Interviewpartnerin, die auch im Interview keine Absichten zur Veränderungen geäußert hatte.

Eine Interviewpartnerin befindet sich zur Zeit nach einer Operation in medizinischer Rehabilitation, eine weitere Frau ist nach 11 Monaten im Krankenstand jetzt arbeitssuchend gemeldet und zieht eine Umschulung in Erwägung.

Alle Interviewpartnerinnen zeigten sich erfreut über den erneuten Kontakt mit der Interviewerin und äußerten ein großes Interesse an den Ergebnissen der Studie.

Die vielen beschriebenen Veränderungen in einem relativ kurzen Zeitraum von sechs Monaten bestätigen, dass sich viele der Frauen in einer Umbruchsituation befunden haben.

Auffällig ist, dass das Interview einige Frauen bestärkt hat, aktiv zu werden. Damit bestätigt das Follow-up die Vermutung, dass individuelle Zuwendung - und als eine solche ist bereits oft die Interviewsituation erlebt worden - ein wichtiger erster Schritt für Veränderungsprozesse ist.



[52] Den Euroschlüssel erhalten Personen, die keine gewöhnliche WC-Anlage benutzen können, gratis durch Antragstellung bei der ÖAR (Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation).

[53] Am 6. Juni 2005 wurde das Behindertengleichstellungsgesetz und die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache im Nationalrat beschlossen. Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz soll Behinderte im Zuständigkeitsbereich des Bundes vor Diskriminierung schützen und Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. Das Behindertengleichstellungspaket trat mit 1. Jänner 2006 in Kraft. In Bezug auf bauliche Barrieren und nicht behindertengerechte öffentliche Verkehrsmittel und Verkehrsanlagen sind allerdings längere Übergangsfristen - zum Teil bis zum Jahr 2015 - verankert. Betreiber von Verkehrseinrichtungen, Verkehrsanlagen oder von öffentlichen Verkehrsmitteln sind jedoch angehalten, bis Ende 2006 einen Etappenplan zum Abbau von Barrieren zu erstellen. (Quelle: Parlament der Republik Österreich: http://www.parlament.gv.at/. [Stand: 16. Jänner 2006]).

[54] Im Rahmen der Behindertenmilliarde werden blinden Menschen, die entweder erwerbstätig oder erwerbsfähig sind, vom Bundessozialamt Computer finanziert. Diese technologische Ausstattung ermöglicht blinden Menschen einen Zugang zur Welt und eröffnet neue Berufschancen (siehe auch: Witt-Löw, Breiter (2005), PERSPEKTIVA-Studie).

[55] Siehe auch: Hermes, Gisela (Hrsg.) (1998). Krücken, Babys und Barrieren. Zur Situation behinderter Eltern in der Bundesrepublik. Kassel: Bifos Schriftenreihe. Bestellung: service@bifos.de .

[56] Eiermann, Häußler, Helfferich (2002). S. 16.

[57] Ebenda, S. 17.

[58] Witt-Löw, Breiter (2005), PERSPEKTIVA-Studie, S. 64-66.

[59] Eiermann, Häußler, Helfferich (2002). S. 23.

[60] Breiter (2005), VITA-Studie, S. 83.

[61] Witt-Löw, Breiter (2005), PERSPEKTIVA-Studie.

[62] MS-Gesellschaft Wien, Hernalser Hauptstraße 15-17, 1170 Wien. www.msges.at.

[63] Ein Cochlea-Implantat ist ein elektronisches Gerät zur Vermittlung eines Höreindrucks bei Innenohrertaubten mit intaktem Hörnerv. (Quelle: Brockhaus 2002. Mannheim: Brockhaus).

[64] Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - früher Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom - ist eine Kombination von Aufmerksamkeitsstörung mit übersteigertem Bewegungsdrang (Hyperaktivitätsstörung), verbunden mit psychischer Unruhe. (Quelle: Brockhaus 2002).

[65] People First Wien - Verein für Selbstvertretung und Barrierefreiheit. Laut Vereinsstatuten arbeitet dieser Verein dafür, dass Menschen mit Behinderung und im Alter selbst bestimmen und sich selber vertreten können, barrierefrei in möglichst allen Lebensbereichen leben können und die gleichen Rechte bekommen wie jeder andere Mensch. Donau-City-Straße 2, 1220 Wien. www.service4u.at/peoplefirst/.

[66] Österreichischer Blinden- und Sehbehindertenverband, Hägelingasse 3, 1140 Wien. www.oebsv.at.

[67] Kriegsopfer- und Behindertenverband Österreich (KOBV-Ö). Vereinzweck ist die Wahrung, Vertretung und Förderung der Interessen der Kriegsopfer und Behinderten, sowie die Mitwirkung an der Erhaltung des Friedens. Die Mitgliedsverbände informieren und beraten ihre Mitglieder insbesondere in Sozialrechtsangelegenheiten und vertreten sie kostenlos vor Ämtern, Behörden und Sozialgerichten. Sitz für Wien, NÖ und Burgenland in der Lange Gasse 53, 1080 Wien. www.kobv.at.

[68] Bauer, Joachim (2005). Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern. Frankfurt: Eichborn. S. 126.

[69] Ebenda, S. 118.

[70] Klose-Ullmann, Barbara (2005). Wenn der Körper sagt, er will nicht mehr. Krankheit als Signal und Chance. München: Piper.

[71] Statistik Austria (Hrsg.) (2005). Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC 2003 in Österreich.

[72] Die Armutsschwelle in Österreich wird festgelegt bei 60% des gewichteten Medianeinkommens. Lt. Sozialbericht des BMSG (2003) gelten folgende Beträge als Armutsschwelle:

Einpersonenhaushalt: 785,- Euro

1 Erwachsene/r, ein Kind: 1.021,- Euro

1 Erwachsene/r, zwei Kinder: 1.257,- Euro

2 Erwachsene: 1.178,- Euro

2 Erwachsene, 1 Kind: 1.414,- Euro

2 Erwachsene, 2 Kinder: 1.649,- Euro

Aus: Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (2004). Armut und Armutsgefährdung in Österreich 2003.

[73] Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (2004). Bericht über die soziale Lage 2003-2004.

[74] Die österreichische Armutskonferenz führt aus, dass aktuellere Zahlen von 5,9% sprechen, da dabei verstärkt sogenannte Lebenslagen mitberücksichtigt werden, welche die Lebensumstände und Möglichkeiten der sozialen Teilhabe beeinflussen (siehe: Die Armutskonferenz. Armut in Österreich. Sozialbericht 2003/2004. www.armutskonferenz.at/daten_sozialbericht_0304.pdf. [Stand: Oktober 2005].

[75] Quelle: Arbeiterkammer Wien. http:www.arbeiterkammer.at/www-192-IP-15371-IPS-4.html. [Stand: Dezember 2005].

[81] Rechtsanspruch auf Pflegegeld haben Personen, die aufgrund einer Behinderung ständigen Pflegebedarf von monatlich mehr als 50 Stunden haben, der voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird. Es gibt 7 Pflegestufen, die sich nach dem Pflegeausmaß richten. 2005 wurde bei Pflegestufe 1 (mehr als 50 Stunden) ein monatlicher Betrag von 148,30 Euro gewährt.

[83]

[84] Der gesetzliche Ausschluss von gehörlosen und schwerhörigen Mädchen aus vielen sozialen und pädagogischen Berufsfeldern ist eine Diskriminierung, die in der VITA-Studie (Breiter, 2005) genauer beschrieben wird.

[85] Das abz austria bietet Beratung und Schulung für arbeitslose Frauen an. www.abzaustria.at.

[86] Zu beantragen bei der PVA. www.pensionsversicherung.at.

[87] Visitas ist eine soziale Dienstleistung des Wiener Roten Kreuzes und bietet Betreuung und Begleitung für ältere Menschen. Dieses Projekt wird im Auftrag des Arbeitsmarktservice (AMS) durchgeführt und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (esf) kofinanziert. Ziel des Projektes ist es, langzeitarbeitslose Frauen, die Interesse an einer sozialen Tätigkeit haben, für diesen Bereich zu sensibilisieren, fachlich anzuleiten und ihnen interdisziplinäres Fachwissen im Bereich Sozialbetreuung älterer Menschen zu vermitteln. Adresse: Spallartgasse 10a, 1140 Wien. www.wrk.at/visitas/.

[88] Volkshilfe Wien, Weinberggasse 77, 1190 Wien. www.volkshilfe-wien.at.

[89] Team 4 versteht sich als Unternehmen des Know-how-Transfers im Bereich der Entwicklung und Durchführung von arbeitsmarktpolitischen Projekten und innovativer Qualifizierungsmaßnahmen. Das TEAM 4, gemeinsam mit dem AMS Wien und Kooperations-Partnern bietet, im Rahmen vielfältiger Weiterbildungsangebote, speziell auf KünstlerInnen abgestimmte Programme, welche sowohl eine Erhöhung der Chancen zum beruflichen Wiedereinstieg, ein Reaktivieren eigener Ressourcen, als auch eine kreative Entdeckungsreise von branchenbezogenem Neuland ermöglichen. Adresse: Gacisstraße 69, 8010 Graz. www.team4.or.at.

[90] "BEST Institut für berufsbezogene Weiterbildung und Personaltraining GmbH" - kurz BEST Training - ist ein privates Institut, das seit 20 Jahren in der Aus- und Weiterbildung, in der Persönlichkeitsentwicklung sowie in der internationalen Bildungsforschung tätig ist. BEST Training konzipiert, organisiert und betreut Weiterbildungsmaßnahmen und Betreuungsprojekte arbeitsuchende und berufstätige Personen. KundInnen sind u. a. das Arbeitsmarktservice und Arbeitsstiftungen wie der WAFF. Pro Jahr werden etwa 3.000 Arbeitsuchende im Auftrag des AMS geschult und betreut. Adresse: Mariahilfer Straße 8, 1070 Wien. www.best-training.com.

[91] Das abz austria bietet Frauen neue Perspektiven auf dem österreichischen Arbeitsmarkt und ist zugleich Pool für Personalressourcen und Servicestelle für Wirtschaft und öffentliche Hand. Adresse: Wickenburggasse 26/5, 1080 Wien. www.abzaustria.at.

[92] Das Gründer-Service der Wirtschaftskammer bietet in Wien mehrmals wöchentlich immer von 9-12 Uhr Gründerworkshops an. Wesentliches wird dabei in komprimierter Form vermittelt (Gewerbeordnung, Firmenrecht, Sozialversicherung, Steuern, Förderungen, u. s. w.). Termine erfährt man unter Tel. 51 450 DW 1347, Gründer-Service der Wirtschaftskammer Wien, Stubenring 8-10, 1010 Wien. http://www.gruenderservice.net/.

[93] WHO-Euro (1994). Gesundheit 21. Das Rahmenkonzept "Gesundheit für alle" für die Europäische Region der WHO. Konferenz über die Gesundheit von Frauen in Mittel- und Osteuropa. Bonn: UNO-Verlag GmbH.

[94] Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004). Frauen, Gesundheit und Gewalt im sozialen Nahraum. Repräsentativbefragung bei Patientinnen der Maternité Inselhof Triemli, Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bern: Edition Soziothek.

Vgl. auch: Springer-Kremser, Marianne (2001). Die Funktion individueller und institutioneller Gewalt bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheit, Enquete: Gewalt macht krank. Wien: Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen.

[95] Bauer (2005), S. 176.

[96] Groddeck, Georg. Psychische Bedingtheit und psychosomatisches Leiden (1917). In: Clauser, Günter (Hrsg.): Psychoanalytische Schriften zur Psychosomatik. Wiesbaden 1966.

[97] Freud Sigmund (1893). Studien über Hysterie. Ges. Werke, Bd. 1. Frankfurt: Fischer 1966.

[98] Reich, Wilhelm (1927). Die Entdeckung des Orgons I. Frankfurt: Fischer 1972.

[99] Mitscherlich, Alexander (1966). Krankheit als Konflikt. Frankfurt: Suhrkamp. S. 34.

[100] Bauer (2005), S. 16.

[101] Ebenda, S. 51.

[102] Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen (2003). Armutsbetroffene Frauen in Österreich - Gesundheits- und Erkrankungsrisiko. Wien. S. 15.

[103] Ebenda, S. 42.

[104] Vgl.: Fischer, Gabriele (2005). Warum Frauen gesünder leben und Männer früher sterben. Geschlechtsbezogene Krankheitsbilder. Wien: Verlag-Haus der Ärzte.

Burgard, Roswitha (1986). Wie Frauen verrückt gemacht werden. Berlin: Sub-Rosa-Frauenverlag.

Olbricht, Inge (1993). Was Frauen krank macht. Der Einfluss der Seele auf die Gesundheit der Frau. München: Kösel.

Eichenbaum, Luise; Orbach, Susie (1984). Feministische Psychotherapie. München: Kösel.

Gipser, Dietlinde; Stein-Hilbers, Marlene (Hrsg.) (1987). Wenn Frauen aus der Rolle fallen - Alltägliches Leiden und abweichendes Verhalten von Frauen. Weinheim, Basel: Beltz.

Schneider, Ulrike (1981). Was macht Frauen krank? New York, Frankfurt: Campus.

Teegen, Frauke (1983). Ganzheitliche Gesundheit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

[105] Vgl. Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen: Nutzung von Gesundheitsleistungen durch sozial schwächere Gruppen, Schriftenreihe "Originalarbeiten-Studien-Forschungsberichte" des BMAGS 2/99, Wien. Oder: Bundesministerium für soziale Sicherheit und Genderationen (Hrsg.) (2001). Bericht über die soziale Lage 1999 - Einkommen. Wien.

[106] Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen (2002). Armutsbetroffene Frauen in Österreich. Frauen und Gesundheitseinrichtungen. Wien.

[107] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Krankheitsmodell [Stand: Dezember 2005].

[108] Lewis Herman, Judith (2003). Die Narben der Gewalt. Paderborn: Junfermann.

[109] Bauer (2005), S 176.

[110] Ebenda, S. 198.

[111] Bauer (2005), S. 111ff.

[112] Vgl. Teegen (1983).

[113] Bauer (2005), S. 208.

ABSCHNITT II

6 ERGEBNISSE DER QUANTITATIVEN DATENALAYSE

Inhaltsverzeichnis

6.1 Methodischer Hintergrund

Die vorliegenden Daten basieren auf den Angaben von insgesamt 243 Personen (n=243), die beim Bundessozialamt Wien als begünstigt Behindert registriert sind - davon 120 Frauen und 123 Männer.

Die Auswertung der Daten, welche mittels Fragebogenerhebung zwischen Jänner und Mai 2005 erhoben wurden, stellt den quantitativen Teil eines Methodenbündels aus qualitativen und quantitativen Methoden dar: strukturierte Interviews mit Betroffenen und ExpertInnen, Sekundäranalysen, Fragebögen und statistische Verfahren. Die Anwendung des komplexen Spektrums unterschiedlicher wissenschaftlicher Methoden wurde gewählt, um sowohl eine tiefer gehende Analyse des Datenmaterials zu ermöglichen, als auch den standardmäßigen Anforderungen moderner wissenschaftlicher Forschung zu entsprechen.

Die in dieser Studie gewonnen Daten werden darüber hinaus mit anderen Datenquellen in Verbindung gesetzt - wobei jedoch anzumerken ist, dass die Vergleichbarkeit der aus unterschiedlichen Quellen stammenden Daten lediglich in einem eingeschränkten Rahmen gegeben ist.

Die Rücklaufquote der Fragebogenerhebung betrug knapp über 15%, d. h. die erfasste Gruppe kann zwar nicht als repräsentativ für die Gesamtstichprobe gesehen werden, sie ist jedoch groß genug für aussagekräftige Ergebnisse.

Zur Erfassung der gewünschten Informationen wurde eigens für diese Studie ein Fragebogen konstruiert, der insgesamt 63 Items mit unterschiedlichen Antwortformaten enthält. Diese 63 Items beinhalten Fragen zu den Bereichen:

  • Demografie

  • Familiäre und soziale Situation

  • Gesundheitliche Situation

  • Schul- und Berufsausbildung

  • Berufstätigkeit

  • Abwesenheit vom Arbeitsmarkt

  • Mögliche Unterstützungen für den Wiedereinstieg

  • Aus- und Weiterbildung

  • Informationseinrichtungen und Stand der Informiertheit

  • Wünsche für eine angenehmere Lebensgestaltung

  • Psychosoziale Aspekte und Lebensgefühl

Die Auswertung der Daten erfolgte mittels deskriptivstatistischer[115] sowie mittels inferenzstatistischer Verfahren[116], die auf das Datenniveau und die Fragestellungen abgestimmt wurden.

6.2 Stichprobengröße, Geschlechterverhältnis und Alter

An der Fragebogenerhebung zum quantitativen Teil der Studie LUZIA haben insgesamt 243 Personen (n=243) teilgenommen, davon sind 120 Frauen (49.4%) und 123 Männer (50.6%).

45.4% der UntersuchungsteilnehmerInnen befinden sich in der Altersgruppe der über 45-Jährigen, 28.8% in jener der 36 bis 45-Jährigen. Die Altersgruppen der Personen bis 25 Jahren sowie der der 26 bis 35-Jährigen weisen lediglich einen Prozentanteil von 25.8% auf. Das relativ hohe Alter der Untersuchungsgruppe spiegelt sich in den Zahlen zum Alterdurchschnitt wider. Der Altersdurchschnitt der Frauen liegt demnach bei 42.7 Jahren, jener der Männer bei 42.2 Jahren.

Abb. 15: Altersdifferenzierung

In Abbildung 16[117] sind die Altersgruppen, der beim Bundessozialamt Wien im Jahre 2005 gemeldeten Personen dargestellt. Wie aus dieser Abbildung ersichtlich wird, stimmt die prozentuale Verteilung, der in den unterschiedlichen Altersgruppen befindlichen Personen des Bundessozialamts Wien beinahe völlig mit jener der Personen aus der Studie LUZIA überein.

Abb. 16: Altersdifferenzierung: Gesamt Bundessozialamt Wien (2005)

6.3 Familiäre Situation

6.3.1 Familienstand

Knapp die Hälfte der untersuchten Frauen und Männer sind verheiratet bzw. leben in einer Lebensgemeinschaft (48.1%).

Knapp ein Drittel der Befragten ist ledig (29.2%). Die Frauen und Männer unterscheiden sich diesbezüglich deutlich, da signifikant mehr Männer als Frauen der Untersuchungsgruppe ledig sind.[118] Zu möglichen Begründungen dafür können jedoch nur weiterführende Fragen aufgeworfen werden: Haben ledige Männer häufiger den Fragebogen beantwortet, weil sie sich über ihre soziale Situation austauschen möchten? Sind Männer mit Behinderung weniger häufig in soziale Netzwerke eingebunden? Haben sich mehr ledige Männer gemeldet, weil sie ohne familiäre Verpflichtungen mehr Zeit haben? Oder ist es ein Hinweis darauf, dass Männer ohne Partnerin eher gesundheitsgefährdet sind?

Wie stellt sich letzterer Aspekt bei den Frauen dar? Wirkt sich das Alleineleben durch den Wegfall familiärer Belastungen anders auf die Gesundheit von Frauen aus? Die Wiener Universitätsprofessorin und Psychiaterin Gabriele Fischer beschreibt dazu in ihrem Buch Studienergebnisse, in denen unverheiratete Männer eine höhere Sterblichkeitsrate aufweisen als verheiratete. Besonders stark steigt die Sterblichkeitsrate von Männern, die sich nach ihrem 45. Lebensjahr scheiden lassen, während sich der Gesundheitszustand der Frauen in dieser Altersgruppe nach Scheidungen bessert.[119]

Insgesamt 20.6% der UntersuchungsteilnehmerInnen sind geschieden.

Im Vergleich dazu sind innerhalb der Wiener Bevölkerung (2001)[120] 51.7% verheiratet, 29.9% ledig und 10.6% geschieden. Auch hier zeigt sich, dass die Männer in Wien etwas häufiger als die Frauen ledig sind, jedoch nicht in jenem Ausmaß wie bei den TeilnehmerInnen der Studie LUZIA. Auch die Scheidungsrate liegt bei den Frauen und Männern der Studie deutlich über dem Durchschnitt der Wiener Frauen und Männer - sie ist hier beinahe doppelt so hoch. Jene Personen, die in der Studie angeben in Lebensgemeinschaft zu leben, machen zwar insgesamt nur einen wenig bedeutenden Anteil innerhalb der Stichprobe aus, können jedoch mit den Daten zur Microzensus Erhebung (2001) nicht verglichen werden, da diese Beziehungsform darin nicht erhoben wurde.

* LG = LebensgemeinschaftAbb. 17: Familienstand UntersuchungsteilnehmerInnen LUZIA - Wr. Bevölkerung

6.3.2 Zusammenleben mit anderen

Insgesamt leben 71.7% der Untersuchungsgruppe gemeinsam mit anderen Personen in einem Haushalt und davon die Mehrheit in einem 2 bis 3 Personenhaushalt (59.2%).

28.3% leben alleine, wobei signifikant mehr Männer als Frauen angeben, alleine zu leben.[121] Die meisten Frauen und Männer leben entweder mit der Partnerin/dem Partner oder mit der Partnerin/ dem Partner und einem oder mehreren Kindern zusammen (64.8%).

In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass wesentlich mehr Frauen als Männer alleinerziehend sind und dass wesentlich mehr Männer als Frauen mit ihren Eltern zusammenleben.[122]

6.3.3 Kinder

Wesentlich mehr Frauen (65.0%) als Männer (48.4%) haben Kinder. Die meisten dieser Personen haben dabei durchschnittlich ein bis zwei Kinder (78.1%).

Abb. 19: Anzahl der Kinder

Entsprechend dem relativ hohen Altersdurchschnitt in der Untersuchungsgruppe, haben die meisten der UntersuchungsteilnehmerInnen Kinder im Erwachsenenalter (46.9%) bzw. Kinder im Schul- bzw. Jugendalter (44.9%). Somit ist es bei knapp der Hälfte der UntersuchungsteilnehmerInnen erforderlich, Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, z. B. während einer Aus- oder Weiterbildung, auf das höhere Lebensalter der Kinder (Schul- und Jugendalter) abzustimmen.

Abb. 20: Lebensphase der Kinder

6.4 Finanzielle Situation

6.4.1 Monatliches Nettoeinkommen

Die Ergebnisse zum monatlichen Nettoeinkommen weisen auf eine äußerst kritische finanzielle Situation der untersuchten Personen hin. 59.1% der Befragten haben entweder kein eigenes Einkommen (11.2%) oder ein Einkommen unter 700,- Euro (47.9%). Wie aus Abbildung 21 hervorgeht, befinden sich in jener Gruppe, die über kein eigenes Einkommen verfügt mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer. Vermutlich hängt dies mit der Tatsache zusammen, dass Frauen häufig wegen der Anrechnung des Partnereinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe haben. Auffällig ist weiters, dass nur 23% der Frauen gegenüber 32% der Männer ein Einkommen erhalten, das höher als 900,- Euro ist.

Abb. 21: Monatliches Nettoeinkommen

Innerhalb der erwerbstätigen Wiener Bevölkerung liegt das monatliche Durchschnittseinkommen (Netto) bei ca. 1.360,- Euro, davon bei den Wiener Frauen bei ca. 1.177,- Euro und bei den Wiener Männern bei ca. 1.646,- Euro[123] im Monat. In der untersuchten Personengruppe ist das Monatseinkommen jedoch bei der überwiegenden Mehrheit nicht höher als 700,- Euro. Somit liegt das Einkommen der meisten UntersuchungsteilnehmerInnen der Studie LUZIA deutlich unterhalb des Einkommensdurchschnitts in der Wiener Bevölkerung.

Vermutlich ist demnach der Großteil von ihnen armutsgefährdet. Dies hat jedenfalls die genauere Beschreibung der Einkommen der Interviewpartnerinnen im qualitativen Untersuchungsteil ergeben.

6.4.2 Pflegegeld und Pflegestufe

Wie später noch gezeigt werden wird, erhalten trotz des langjährigen Bestehens und den multiplen Formen der Erkrankungen lediglich 11.1% der untersuchten Personen Pflegegeld. Die Höhe des Pflegegeldes bezieht sich dabei bei den meisten auf die Pflegestufen 1-3 (siehe dazu Tabelle 10).

Wie sich zeigt, befinden sich unter den wenigen Personen der Untersuchungsgruppe, denen Pflegegeld zugesprochen wurde, fast doppelt so viele Männer wie Frauen.

Abb. 22: Erhalt von Pflegegeld

Tabelle 10 Pflegestufen

 

Frauen

 

Männer

 

Gesamt

 
 

a. H.

%

a. H.

%

a. H.

%

Pflegestufe 1

4

3,3

5

4,1

9

3,7

Pflegestufe 2

2

1,7

4

3,3

6

2,5

Pflegestufe 3

1

0,8

5

4,1

6

2,5

Pflegestufe 4

2

1,7

2

1,6

4

1,6

Pflegestufe 5

1

0,8

1

0,8

2

0,8

Summe

10

8.3

17

13.9

27

11.1

6.5 EXKURS - Situation von Alleinerzieherinnen mit Kindern bis 10 Jahren

Da davon ausgegangen werden kann, dass alleinerziehende Frauen mit Beeinträchtigung in einer besonders schwierigen Lebenslage sind, wurden die Daten der insgesamt 15 alleinerziehenden Frauen mit einem oder mehreren Kindern bis zu 10 Jahren speziell ausgewertet, um differenzierte Einblicke in die Lebensbedingungen dieser Frauen zu gewinnen.

Insgesamt ist jede vierte[124] Frau der Untersuchungsgruppe alleinerziehend, mit Kindern unterschiedlicher Alterstufen und jede achte[125] ist alleinerziehend, mit einem oder mehreren Kindern unter 10 Jahren.

Die familiäre Situation von 11 der 15, durchschnittlich knapp 40-jährigen Frauen[126] dieser Gruppe stellt sich so dar, dass sie mit zwei bis drei Kindern zusammen leben und von ihren Partnern geschieden sind. Es kann vermutet werden, dass die Versorgungs- und Erziehungsleistung somit in vielen Fällen von den Frauen alleine getragen wird.

Deshalb ist es besonders erschreckend, dass 12 der 15 Frauen lediglich ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 700 und 1.200,- Euro[127] zur Verfügung steht, um die durchschnittlich drei- bis vierköpfige Familie zu versorgen. Dieser Betrag liegt deutlich unterhalb der festgelegten Armutsgrenze und kann in Anbetracht der steigenden Lebenserhaltungskosten gerade zur Befriedigung der elementarsten Grundbedürfnisse ausreichen. Damit bestätigt sich die Annahme, dass gerade alleinerziehende Frauen mit körperlicher Beeinträchtigung von Armut betroffen sind.

12 der 15 Frauen hatten in den letzten sechs Monaten gesundheitliche Beschwerden, deren Anzahl zumeist mit drei und mehr unterschiedlichen Beschwerdeformen angegeben wird. Dabei leiden die Frauen vor allem an Beeinträchtigungen im Bereich des Bewegungsapparats[128], an Schmerzzuständen mit unterschiedlichen Ursachen, an Problemen im Urogenitalbereich sowie zusätzlich an psychischen Erkrankungen, wie z. B. Depression, Angst- und Panikattacken. Der Beginn dieser Beeinträchtigungen wird von sieben Frauen zwischen dem ersten und dem 20. Lebensjahr angegeben und von ebenfalls sieben mit über dem 20. Lebensjahr. Die Dauer, in der die Beeinträchtigungen bestehen, liegt bei den meisten über 10 Jahre. Trotz dieser langjährigen, multiplen Erkrankungen führte dies bei nur wenigen der Frauen zur Pensionierung bzw. zum Erhalt von Pflegegeld. Lediglich eine der Frauen erhält Pflegegeld der Pflegestufe 4.

Der Grad der Schulbildung der Frauen ist als durchschnittlich einzuschätzen. Insgesamt 13 der 15 Frauen haben einen Schulabschluss zwischen Volksschule, Hauptschule, Lehre und Fachschule angeben. Ihre Berufsausbildung haben sie v. a. im administrativen und Dienstleistungsbereich bzw. zwei im Gesundheits- und Sozialbereich absolviert, wobei diese Ausbildungsbereiche bei den meisten nicht dem ursprünglichen Ausbildungswunsch entsprochen hat.

Auch die berufliche Situation der Frauen ist als schwierig zu bezeichnen, da sechs der 15 Frauen langzeitarbeitslos sind. Jeweils drei sind berufstätig bzw. in krankheitsbedingter Pension. Als Ursachen für den Abbruch der Berufstätigkeit geben die Frauen an, dass sie gekündigt worden sind, am Arbeitsplatz gemobbt wurden sowie, dass die zunehmenden gesundheitlichen Probleme keine Berufstätigkeit mehr zuließen. Als mögliche Unterstützung, um wieder ins Berufsleben einzusteigen zu können, wird von den Frauen hauptsächlich eine bessere persönliche Betreuung, eine Ausbildung bzw. Umschulung, welche ihren Fähigkeiten entspricht, mehr Unterstützung in der Bewältigung des Alltags sowie eine insgesamt bessere finanzielle Absicherung vorgeschlagen. Entsprechend den Ausbildungsbereichen waren 12 der Frauen vor ihrem Ausstieg aus dem Berufsleben im administrativen und Dienstleistungsbereich tätig und dabei zumeist in einem Angestellten- bzw. Arbeiterinnenverhältnis. Ebenfalls 12 Frauen erachten Berufsarbeit jedoch für sehr wichtig und sind deshalb mit ihrer derzeitigen beruflichen Situation nicht zufrieden. Die meisten von ihnen schätzen darüber hinaus die Chancen auf den Erhalt eines Arbeitsplatzes als sehr schlecht ein.

Neun der 15 Frauen haben zumindest eine Aus- oder Weiterbildung absolviert, deren Nutzen von den Frauen als relativ gut bewertet wird. Wünsche für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen liegen vor allem im Bereich von Schulungen zur PC-Anwendung, im Bereich Administration sowie im Gesundheits- und Sozialbereich. Ebenfalls neun Frauen haben AMS Kursmaßnahmen besucht, die jedoch weniger nützlich eingeschätzt werden. Als Vorraussetzungen für die positive Absolvierung einer Aus- oder Weiterbildung sieht die Hälfte der Frauen eine Wochenstundenanzahl von 5-20 Stunden und die andere Hälfte eine Wochenstundenanzahl von über 20 Stunden als möglich an. Sehr wichtig ist den Frauen dabei, dass sie die Möglichkeit zur adäquaten Kinderbetreuung während dieser Zeit haben, sowie, dass es spezielle Kursangebote für Frauen gibt.

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Frauen grundsätzlich wenig für sie wichtige Informationen aus Ämtern, Behörden und ähnlichen Einrichtungen erhalten: So wurden acht Frauen im letzten Jahr von keiner Einrichtung auf Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung aufmerksam gemacht, die anderen erhielten meistens vom AMS solche Informationen. Der Informationsstand der Frauen zu ausgewählten Aspekten zum Bildungs- und Beratungsbereich ist insgesamt als sehr schlecht einzustufen. Besonders wenig informiert sehen sich die Frauen im Bereich der Aus- und Weiterbildung, der Fördermöglichkeiten sowie zu Hilfsmittel und Selbsthilfegruppen. Geringfügig besser, aber keineswegs gut ist der Informationsstand im Bereich Umschulung, zu AMS Kursangeboten sowie zu Beratungsmöglichkeiten.

An möglichen Unterstützungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen wird von den Frauen vor allem eine bessere finanzielle Unterstützung sowie die Möglichkeit zur persönlichen und beruflichen Beratung angeführt.

Ihre psychische Befindlichkeit wird im Erhebungszeitraum von den meisten der Frauen als eher gut eingeschätzt. Sie führen an, dass sie beinahe täglich ihre Wohnungen verlassen, sich für kontaktfreudig und selbstsicher im Umgang mit anderen halten und dass andere sie als wertvolle Menschen betrachten. Sie schätzen ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstvertrauen positiv ein und fühlen sich weder besonders traurig noch besonders niedergeschlagen. Dessen ungeachtet schätzen sie ihre private Lebenssituation insgesamt als wenig zufriedenstellend ein.

Die Ergebnisse zu den Erfahrungen der Frauen mit Gewalt bestätigt wieder das hohe Ausmaß an Gewalt, mit dem Frauen konfrontiert sind. Vier Frauen geben an, dass sie oft und fünf, dass sie zumindest gelegentlich Gewalt erlebt haben. Nur sechs der fünfzehn Frauen haben angeführt, dass sie keine Gewalterfahrungen haben! Die Gewalterfahrungen wurden zumeist im Erwachsenenalter gemacht. Die gewaltausübende Person war in diesem Fall bei beinahe allen Frauen der Lebenspartner. Hatten die Frauen Gewalt in der Kindheit erlebt, war der Gewalttäter in den meisten Fällen der Vater.

Als wichtigste Unterstützungspersonen werden von den Frauen in der Mehrzahl andere Frauen angegeben. Dabei handelt es sich meist um Familienangehörige, jedoch auch um Freundinnen. Fast alle Frauen geben an, dass sie gute und verlässliche Freundinnen haben. Familienangehörige und Freundinnen sind somit die Hauptunterstützungspersonen der Alleinerzieherinnen. Ohne deren Unterstützung müssten wahrscheinlich viele der Frauen mit körperlicher Beeinträchtigung ihr Leben unter erheblich schwierigeren Bedingungen gestalten.

In Hinsicht auf den Wunsch nach Beratung und Selbsthilfe zeigt sich, dass jede dritte Alleinerzieherin gerne psychologische Beratung in Anspruch nehmen würde und etwa jede zweite gerne mehr Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen hätte.

6.6 Gesundheitliche Situation

Die Analyse der gesundheitlichen Beschwerden zeigt, dass die UntersuchungsteilnehmerInnen an einer Vielzahl von unterschiedlichen, langjährigen, zumeist gravierenden und bei vielen auch chronisch verlaufenden Erkrankungen leiden. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Krankheit eine zentrale Rolle im Leben der Betroffenen spielt. Zur Bewältigung krankheitsspezifischer Auswirkungen wären demnach individuelle und spezifische Beratungs- und Behandlungsmethoden von großer Bedeutung.

6.6.1 Gesundheitliche Beschwerden in den letzten 6 Monaten

3 von 4 der befragten Frauen und Männer hatten in den letzten 6 Monaten an spezifischen gesundheitlichen Beschwerden unterschiedlicher Intensität und Form gelitten. Die Frauen sind davon tendenziell häufiger betroffen als die Männer.

Abb. 23: Gesundheitliche Beschwerden in den letzten 6 Monaten

6.6.2 Anzahl der gesundheitlichen Beschwerden

Die Anzahl der angegebenen gesundheitlichen Beschwerden zeigt, dass vier von 10 UntersuchungsteilnehmerInnen an drei und mehr als drei Beschwerden leiden, drei von 10 an zwei und ebenfalls drei von 10 hauptsächlich an einer Beschwerde. Wie aus Abbildung 24 ersichtlich wird, geben Frauen tendenziell häufiger eine höhere Anzahl an Beschwerden an.

Abb. 24: Anzahl der gesundheitlichen Beschwerden

6.6.3 Formen der gesundheitlichen Beschwerden

Wie in Tabelle 11 dargestellt ist, stehen Beeinträchtigungen, welche den Bewegungsapparat betreffen, in dieser Untersuchungsgruppe an erster Stelle. Insgesamt 63.0% der befragten Personen leiden an unterschiedlichen Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats, wobei die meisten vor allem Schäden der Wirbelsäule (Bandscheiben) anführen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Betroffenen die Beeinträchtigung im Bewegungsapparat erst im Laufe ihres Lebens erworbenen hat und es sich somit wahrscheinlich um sogenannte Abnützungserscheinungen handelt. An zweiter Stelle finden sich mit 17.3% Schmerzzustände unterschiedlicher Ursachen. Es ist jedoch anzumerken, dass nur jene Angaben zur Kategorie Schmerzzustände gezählt wurden, welche explizit von den UntersuchungsteilnehmerInnen als solche angeführt wurden. Das bedeutet, viele haben zwar schwere Krankheiten wie etwa Morbus Crohn oder Arthritis angegeben, aber nicht ausdrücklich Schmerzen erwähnt. Aufgrund dessen ist zu vermuten, dass die Häufigkeit von Schmerzzuständen real wesentlich höher ist. Werden hier jene Personen hinzugezählt, die an wiederkehrenden Kopfschmerzen bzw. Migräneattacken leiden, Krankheiten, die bekanntermaßen mit großen Schmerzen verbunden sind, erhöht sich die Anzahl der Personen bereits auf 26.4% und somit auf knapp über ein Viertel der Gesamtstichprobe. An dritter und vierter Stelle finden sich mit jeweils ca. 14.0% Erkrankungen des Verdauungs- und Urogenitalbereiches bzw. psychologische und psychiatrische Erkrankungen.

*Mehrfachnennungen, absolute HäufigkeitenTabelle 11 Beeinträchtigungsformen

 

Frauen

 

Männer

 

Gesamt

 

Beeinträchtigungsformen

a. H.*

%

a. H.

%

a. H.

%

Beeinträchtigung des Bewegungsapparats (Differenzierungen hierzu siehe Tabelle 2)

77

64,2

76

61,8

153

63,0

Schmerzzustände

24

20

18

14,6

42

17,3

Psychologische und psychiatrische Erkrankungen (z. B. Depression, Angsterkrankungen, Burn out, Schizophrenie)

20

16,7

13

10,6

33

13,6

Verdauungstrakt, Urogenitalbereich (z. B. Morbus Crohn, Inkontinenz)

17

14,2

17

13,8

34

14,0

Atmungsorgane (z. B. Asthma, chron. Bronchitis)

16

13,3

7

5,7

23

9,5

Herz- Kreislauf Erkrankungen (z. B. Hyper- Hypotonie, Koronare Erkrankungen)

15

12,5

15

12,2

30

12,3

Migräne, Kopfschmerzen

15

12,5

7

5,7

22

9,1

Beeinträchtigung des Hörvermögens (z. B. vermindertes Höhrvermögen, Gehörlosigkeit, Tinnitus)

13

10,8

5

4,1

18

7,4

Neurologische Erkrankung (z. B. Epilepsie, Lern- Sprach- und Gedächtnisbeeinträchtigungen)

10

8,3

10

8,1

20

8,2

Allergien, Infektionskrankheiten (z. B. Asthma, Lactoseunverträglichkeit, HIV, Hepatitis C)

10

8,3

5

4,1

15

6,2

Beeinträchtigung des Sehvermögens (z. B. verminderte Sehfähigkeit, Blindheit, Star)

8

6,7

11

8,9

19

7,8

Karzinome (z. B. Lunge, Schilddrüse, Mamma)

7

5,8

1

0,9

8

3,3

innere Organe (z. B. Niere, Galle, Leber)

6

5

9

7,3

15

6,2

Diabetes, Adipositas

5

4,2

10

8,1

15

6,2

Anderes

12

10

8

6,5

20

8,2

Tabelle 12 Beeinträchtigungsformen des Bewegungsapparats

Beeinträchtigung des Bewegungsapparats

Frauen

 

Männer

 

Gesamt

 
 

a. H.

%

a. H.

%

a. H.

%

Beeinträchtigung der Wirbelsäule, Bandscheiben

39

32,2

20

16,3

59

24,3

nicht näher definierte Beeinträchtigung

16

13,2

25

20,3

41

16,9

Beeinträchtigung der Beine, Knie

15

12,4

24

19,5

39

16,0

Beeinträchtigung der Gelenke, Gelenksentzündungen

12

9,9

8

6,5

20

8,2

Beeinträchtigung der Hüfte

9

7,4

9

7,3

18

7,4

Beeinträchtigung der Schulter, Halswirbelsäule

8

6,6

10

8,1

18

7,4

Beeinträchtigung der Hände, Arme

5

4,1

6

4,9

11

4,5

6.6.4 Ersterkrankungsalter

Die Ergebnisse zum Alter, in dem die Beeinträchtigungen das erste Mal auftraten, zeigen einerseits, dass nur ca. ein Drittel der untersuchten Personen bereits in einem frühen Alter zwischen dem ersten und dem 10. Lebensjahr erkrankt sind (31.9%). Die meisten (58.7%) haben ihre Erkrankung(en) erst im Laufe des Erwachsenenlebens erworben. Bei genauerer Betrachtung von Abbildung 25 wird erkennbar, dass deutlich mehr Frauen der Untersuchungsgruppe bereits vor dem 10. Lebensjahr erkrankt sind, ebenso wie zwischen dem 31. und 40. Lebensjahr, also in einer Phase der erhöhten Stressbelastung aufgrund der gesellschaftlich bedingten Mehrfachbelastung von Frauen. Bei den Männern zeigt sich im Gegensatz zu den Frauen eine deutliche Häufung von Ersterkrankungen im Jugendalter.

Sechs von 10 Personen der Untersuchungsgruppe geben an, bereits seit mehr als 10 Jahren an den jeweiligen Erkrankungen zu leiden.

Abb. 25: Alter der Ersterkrankung

6.7 Soziale Situation

6.7.1 Die wichtigsten Unterstützungspersonen

Von 42.8% der UntersuchungsteilnehmerInnen wird die Partnerin bzw. der Partner, von 42.4% Familienangehörige und von 24.7% FreundInnen als wichtigste Unterstützungspersonen angegeben. Insgesamt zeigt dieses Ergebnis die Wichtigkeit von Familienangehörigen und FreundInnen im Unterstützungsbereich von Menschen mit Behinderung. Beide Gruppen zusammen werden von 73.3% der Frauen und von 61.0% der Männer als wichtigste Unterstützungspersonen angeführt.

Abb. 26: Wichtigste Unterstützungspersonen

6.7.2 Geschlecht der wichtigsten Unterstützungspersonen

Interessant sind die Antworten auf die Frage nach dem Geschlecht der wichtigsten Unterstützungspersonen: Grundsätzlich werden von 59.6% der Untersuchungsgruppe Frauen und von 40.4% Männer als ihre wichtigsten Unterstützungspersonen angegeben. Dieses Ergebnis lässt bereits den unterschiedlichen Unterstützungsbeitrag, den Frauen innerhalb der Gesellschaft leisten, erahnen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich einerseits, dass Frauen zumeist Männer als wichtigste Unterstützungspersonen benennen und Männer zumeist Frauen. Damit wird deutlich, wie wichtig die Unterstützung durch die Partnerin/den Partner ist. Andererseits weist dieses Ergebnis auch darauf hin, dass im Krankheitsfall die Unterstützung von Männern durch Männer signifikant[129] geringer ist als die Unterstützung von Frauen durch Frauen. Dieses Ergebnis verweist somit auf die Bedeutung sozialer weiblicher Netzwerke für Frauen. Dies kommt auch in den geführten Interviews zum Ausdruck. Die Frauen leisten demnach einen Großteil der Beziehungsarbeit und halten unterschiedliche soziale Netzwerke aufrecht.

Abb. 27: Geschlecht der wichtigsten Unterstützungsperson

6.7.3 FreundInnen

Sieben von 10 Personen der Untersuchungsgruppe geben an, verlässliche und gute FreundInnen zu haben. Allerdings stimmt es bedenklich, dass immerhin jede dritte Person keine verlässlichen FreundInnen hat. Tendenziell haben die untersuchten Frauen häufiger verlässliche und gute FreundInnen als die Männer, was die oben angeführten Ergebnisse bestätigt.

Abb. 28: Verlässliche und gute FreundInnen

6.8 Schul- und Berufsausbildung

6.8.1 Höchste abgeschlossene Schulbildung

Knapp ein Drittel der UntersuchungsteilnehmerInnen weisen als höchste abgeschlossene Schulbildung einen Abschluss im Pflichtschulbereich auf (29.3%). 36.4% besitzen einen Lehrabschluss und 25.5% einen Abschluss einer Fachschule, AHS oder BHS. Lediglich 6.3% haben eine höhere Ausbildung an einer Fachhochschule bzw. Universität absolviert. In Abbildung 29 wird ersichtlich, dass die Frauen der Untersuchungsgruppe etwas häufiger lediglich einen Pflichtschulabschluss aufweisen und die Männer häufiger einen Lehrabschluss. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass jene Frauen, die bereits im Kindesalter (1-10 Jahre) erkrankt sind tendenziell einen geringeren Grad an schulischer Qualifizierung aufweisen, als jene Frauen, die im Jugend- oder Erwachsenenalter erkrankt sind.

Abb. 29: Höchste abgeschlossene Schulbildung

Innerhalb der Wiener Bevölkerung haben 27% einen Pflichtschulabschluss, 30% einen Lehrabschluss, 17% einen Abschluss einer AHS bzw. BHS und 13% einen Fachhochschul- bzw. Universitätsabschluss, um die vier wichtigsten Ausbildungsformen zu nennen.[130] Damit liegen die UntersuchungsteilnehmerInnen der Studie in Bezug auf den Pflichtschulabschluss in etwa gleich mit der Wiener Bevölkerung. Dagegen weisen die UntersuchungsteilnehmerInnen zu einem etwas häufigerem Prozentsatz Lehrabschlüsse auf, Abschlüsse von Höheren Schule sind jedoch in einem weniger häufig. Was den Abschluss einer Fachschule bzw. Universität betrifft, liegen die TeilnehmerInnen der Studie deutlich unter dem Durchschnitt der Wiener Bevölkerung. Somit bestehen im unteren Bildungsbereich keine wesentlichen Unterschiede, jedoch sehr wohl im höheren Bildungsbereich: im Vergleich zur Wiener Bevölkerung verfügen die untersuchten Menschen mit Behinderung wesentlich seltener über eine höhere Schulausbildung oder einen Universitätsabschluss.

Abb 30: Höchste abgeschlossene Schulbildung Wr. Bevölkerung (2001)

6.8.2 Bereiche der absolvierten Beraufsausbildung

Die meisten UntersuchungsteilnehmerInnen haben eine Berufsausbildung im Bereich der Administration (26.8%) gemacht, im Dienstleistungsbereich (20.2%) sowie im Handwerksbereich (18.6%). Wie in Abbildung 31 erkennbar ist, zeigen sich in diesem Zusammenhang typische geschlechtsspezifische Unterschiede. Demnach haben die Frauen der Untersuchungsgruppe signifikant häufiger als die Männer ihre Ausbildung im Administrations- und Dienstleistungsbereich sowie im Gesundheits- und Sozialwesen absolviert und die Männer signifikant häufiger im Handwerks- und im technischen Bereich.[131]

Insgesamt sind 38.3% der Frauen nicht mehr in dem Berufsbereich tätig, in dem sie ihre Ausbildung absolviert haben. Nur 32.5% arbeiten nach wie vor in ihrem erlernten Berufsbereich. Bei denen Männern ist diese Diskrepanz deutlich stärker ausgeprägt: 57.7% arbeiten nicht mehr in dem Bereich in dem sie ihre Berufsausbildung gemacht haben. Lediglich 14.6% sind noch in ihrem erlernten Berufsbereich tätig.

Abb. 31: Bereiche der absolvierten Berufsausbildung

6.8.3 Entsprechung von Berufausbildung und Berufswunsch

62.3% der Untersuchungsteilnehmerinnen führen an, dass die absolvierte Berufsausbildung ihrem Berufswunsch entsprochen hatte. Dem gegenüber stehen 37.7%, bei denen dies nicht der Fall war und damit der ursprüngliche Berufswunsch der tatsächlich absolvierten Berufsausbildung nicht entsprochen hatte. Bei den Frauen der Untersuchungsgruppe ist diese Diskrepanz zwischen tatsächlichem Ausbildungsbereich und Ausbildungswunsch etwas ausgeprägter als bei den Männern.

Abb. 32: Entsprechung von Berufsausbildung und Berufswunsch

6.9 Berufstätigkeit

Im Jahre 2001 startete die Österreichische Bundesregierung eine Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderung, um der sehr schwierigen Situation am Arbeitsmarkt, welcher diese Personengruppe ausgesetzt ist, entgegen zu wirken.

Das Ziel der Beschäftigungsoffensive ist die Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt sowie die Sicherstellung des Erhalts gefährdeter Arbeitsplätze.

Die Chancengleichheit beim Zugang zum Arbeitsmarkt ist vor allem deshalb für Menschen mit Behinderung nicht gegeben, weil gegenüber dieser Personengruppe nicht nur Berührungsängste von Seiten der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen bestehen, sondern auch aufgrund sich hartnäckig haltender Vorurteile (z. B. Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Unkündbarkeit etc.).

Es bestehen jedoch auch Probleme in Bezug auf mögliche (längere) Krankenständen, die vor allem für Klein- und Mittelbetriebe schwer zu bewältigen sind. Diese Problematik wäre nur durch strukturelle Maßnahmen wie z. B. durch höhere Lohnzuschüsse abzufedern.

Zudem zeigt sich wenig Bereitschaft von Seiten der ArbeitgeberInnen, auf die individuellen Bedürfnisse der betroffen Personen einzugehen und mögliche Arbeitsplätze entsprechend zu adaptieren. Sie zahlen eher die geringe Ausgleichstaxe von 201,- Euro pro Monat für jeden nicht eingestellten Menschen mit Behinderung[132], anstatt sich mit der Problematik auseinander zu setzen und strukturelle bzw. organisatorische Veränderungen vorzunehmen, welche Menschen mit Behinderung die Berufstätigkeit ermöglichen könnten. Im Jahre 2004 hatten 15.004 Betriebe die Beschäftigungspflicht zu erfüllen. Davon sind jedoch lediglich rund ein Viertel (3.450) der Verpflichtung nachgekommen, wie in Abbildung 33[133] deutlich ersichtlich ist.

Abb. 33 : Betriebe, die ihrer Beschäftigungsverpflichtung nachkommen (2004)

Als besonders problematisch anzusehen ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass rund 20% (siehe Kapitel 2.3) der Pflichtstellen für Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst unbesetzt bleiben. Es sollte jedoch gerade der öffentliche Dienst als gesamtgesellschaftlich verantwortliche Institution, welche eine Vorbildfunktion erfüllen sollte, Menschen mit Behinderung integrieren.

Die Mehrheit der Betriebe ist nicht bereit, Menschen mit Behinderungen neu einzustellen, obwohl sämtliche Kosten, z. B. für etwaige Umbauarbeiten für RollstuhlfahrerInnen, Einschulungen, Sensibilisierungsmaßnahmen von den entsprechenden Stellen finanziert werden. Eine bessere Information der Öffentlichkeit sowie strukturelle Maßnahmen wie etwa Zuschüsse wären in diesem Zusammenhang vor allem für Klein- und Mittelbetriebe oder NGOs besonders wichtig.

6.9.1 Derzeitige Arbeitssituation

Zielgruppe der Studie waren grundsätzlich arbeitsmarktferne Frauen und Männer. Dass in die Untersuchungsgruppe auch berufstätige Personen eingegangen sind, ist auf mögliche Ungenauigkeiten im Datenmaterial des Bundesrechenzentrums zurückzuführen. Es können jedoch auch bei einigen Befragten Veränderungen im Beschäftigungsstatus in den Monaten zwischen dem Datum des Datenauszugs (11. Juli 2004) und der Fragebogenaussendung (Jänner 2005) entstanden sein.

Die derzeitige Beschäftigungssituation der UntersuchungsteilnehmerInnen sieht demnach folgendermaßen aus: 53.1% der Befragten sind von Arbeitslosigkeit betroffen und 22.0% sind berufstätig. Die Kategorie Berufstätigkeit bezieht sich jedoch nicht nur auf Vollzeitbeschäftigte (8.6%), sondern beinhaltet vor allem Geringfügig- und Teilzeitbeschäftigte (13.4%), d. h. insgesamt kann man von einer wenig bis gar nicht in den Arbeitsmarkt integrierten Gruppe sprechen.

Abb. 34: Derzeitige Arbeitssituation

6.9.2 Beschäftigungsverhältnis der letzten Berufstätigkeit

Die Mehrheit der Befragten war im Rahmen ihrer letzten Berufstätigkeit als Angestellte (42.9%) bzw. als ArbeiterInnen (34.7%) tätig.

Nur wenige waren vor der Phase der Arbeitslosigkeit im öffentlichen Dienst beschäftigt. Dieses Ergebnis könnte damit zusammenhängen, dass öffentlich Bedienstete ihren Arbeitsplatz im Falle einer Erkrankung eher behalten als Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Der öffentliche Dienst stellt sicherlich eine besonders günstige Möglichkeit der Erwerbstätigkeit für diese Personengruppe dar.

Abb. 35: Beschäftigungsverhältnis der letzten Berufstätigkeit

6.9.3 Bereiche der letzten Berufstätigkeit

Die Bereiche, in denen die UntersuchungsteilnehmerInnen zuletzt beschäftigt waren, liegen bei den meisten im Dienstleistungs- (37.1%), Administrations- (24.0%) oder Handwerksbereich (15.3%). Die Frauen waren, wie in Abbildung 36 deutlich wird, wesentlich häufiger als die Männer im administrativen Bereich tätig.

Grundsätzlich waren viele der UntersuchungsteilnehmerInnen in weniger qualifizierten Positionen beschäftigt.

Abb. 36: Bereiche der letzten Berufstätigkeit

6.9.4 Individuelle Einschätzungen zur Berufstätigkeit

6.9.4.1 Wichtigkeit von Berufsarbeit

Berufstätigkeit ist für Menschen mit und ohne Behinderung von wesentlicher Bedeutung. Es geht dabei nicht nur um die Möglichkeit der eigenständigen Existenzsicherung, sondern auch um die damit verbundene soziale Integration. Die Wichtigkeit von Berufsarbeit wird dementsprechend von den UntersuchungsteilnehmerInnen hoch eingeschätzt: 85.5% geben an, dass ihnen Berufstätigkeit wichtig bzw. eher wichtig ist. Hier zeigt sich, dass die häufig geäußerte Annahme, für Frauen sei Berufsarbeit weniger wichtig als für Männer, nicht stimmt. Frauen möchten berufstätig sein, und sie müssen es auch - wie die Aussagen der Frauen in den Interviews zur oft äußerst misslichen finanziellen Situation zeigen.

Abb. 37: Wichtigkeit von Berufsarbeit

6.9.4.2 Chancen auf einen Arbeitsplatz

Die Chance für einen beruflichen Wiedereinstieg wird von der überwiegenden Mehrheit der Befragten negativ bewertet: 65.2% sehen nur wenig Chancen, in absehbarer Zeit eine Arbeitsstelle zu erhalten. Wie aus Abbildung 38 hervorgeht, sind die Frauen der Untersuchungsgruppe in ihrer Einschätzung um einiges pessimistischer als die Männer. Die Einschätzung ihrer Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt wird ihnen, wie aus der Auswertung der Interviews hervorgeht, von Seiten des AMS auch bestätigt. Zudem fühlen sich, wie aus den Anmerkungen in den Fragebögen hervorgeht, viele der UntersuchungsteilnehmerInnen in diesem Zusammenhang zynisch behandelt: Sie werden einerseits von Seiten der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) als gesund genug eingestuft, um keinen Anspruch auf Pension zu haben. Andererseits kann sie das AMS, aufgrund der krankheitsbedingten eingeschränkten Arbeitsfähigkeit, nicht in den derzeit bestehenden Arbeitsmarkt vermitteln.

Abb. 38: Chancen auf einen Arbeitsplatz

6.10 Abwesenheit vom Arbeitsmarkt

6.10.1 Zeitraum der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt

Die meisten UntersuchungsteilnehmerInnen sind bereits seit längerer Zeit nicht mehr erwerbstätig.[134] Dies erschwert ihren Wiedereinstieg zusätzlich zur Behinderung. Insgesamt sind 75,6% der arbeitslosen Personen der Untersuchungsgruppe bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr erwerbstätig, d. h. sie sind langzeitarbeitslos - davon sind 73.8% der arbeitslosen Frauen und 77.2% der arbeitslosen Männer betroffen (siehe dazu Abbildung 39). Die Länge der Arbeitslosigkeit steht in direktem Zusammenhang mit dem Lebensalter der UntersuchungsteilnehmerInnen. Es besteht ein signifikanter Unterschied zwischen Personen bis 44 Jahren und jenen ab 45 - je älter sie sind, desto länger ist die Phase der Erwerbslosigkeit.[135]

Abb. 39: Zeitraum der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt

6.10.2 Die Situation älterer Menschen am Arbeitsmarkt

Die Situation älterer ArbeitnehmerInnen am Arbeitsmarkt ist in Österreich schwierig. Obwohl nach einschlägigen Prognosen die Anzahl der über 40-jährigen ArbeitnehmerInnen bis zum Jahre 2010 auf 53% ansteigen wird und damit die Mehrheit des Arbeitskräftepotentials darstellt, wird von Seiten der Wirtschaft nicht auf die speziellen Bedürfnisse dieser Personengruppe eingegangen. Der Arbeitsmarkt ist einem schnellen Wandel unterworfen. Der internationale Wettbewerb, die ständig neuen Technologien und Strukturveränderungen sowie der damit verbundene steigende Arbeitsdruck und das steigende Arbeitstempo stellen immer höhere und neue Anforderungen an die ArbeitnehmerInnen und haben zumeist negative Konsequenzen für sie. Die Gruppe der über 40- Jährigen ist überproportional oft vom Arbeitsplatzabbau bei Firmenumstrukurierungen und danach von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen ist. Die Zunahme von Stress und Ängsten, verbunden mit einem Mangel an gesundheitsfördernder Maßnahmen in den Betrieben, erschwert die Berufstätigkeit zusätzlich und trifft vor allem eine Personengruppe, die nach langjähriger Berufstätigkeit mitunter bereits an unterschiedlichen Abnützungserscheinungen leidet. Die physische und psychische Beanspruchung durch die Berufsausübung geht oft bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Die vielfältigen Kompetenzen älterer ArbeitnehmerInnen wie z. B. die berufliche Erfahrungen, Gelassenheit oder Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Arbeiten haben dagegen zur Zeit wenig Bedeutung in den meisten Bereichen am Arbeitsmarkt.

Den negativen Aspekten können nach ExpertInnenmeinungen u. a. Maßnahmen in gesellschaftspolitischer Dimension entgegengesetzt werden.

Von großer Bedeutung sind für ExpertInnen und Betroffene Maßnahmen zur Änderung der Einstellung gegenüber älteren ArbeitnehmerInnen. Die Bewusstseinsbildung soll zum einen auf der betrieblichen Ebene ansetzen, wobei insbesondere die Kompetenzen und Potentiale älterer ArbeitnehmerInnen kommuniziert werden müssen. Best-Practice-Beispiele können hier Vorbildfunktion haben. Zum anderen sei aber auch auf privater Ebene ein Umdenkprozess vonnöten, sodass der längere Verbleib im Erwerbsleben in die individuelle Lebensplanung Eingang finden kann. Die (...) älteren ArbeitnehmerInnen selbst nennen das Bedürfnis nach mehr Anerkennung und Respekt gegenüber älteren MitarbeiterInnen und generell älteren Menschen in der Gesellschaft als wichtigen Punkt.[136]

Für die UntersuchungsteilnehmerInnen bildet jedoch nicht nur ein höheres Lebensalter eine Barriere für den beruflichen Wiedereinstieg, sondern es sind vor allem die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die eine Berufstätigkeit erschweren. Denn den meisten ist es aufgrund ihrer Erkrankung nicht möglich, kontinuierlich einer Erwerbsarbeit im Umfang von 40 Wochenstunden nachzugehen. Deshalb wären gerade für diese Personengruppe Maßnahmen von existentieller Bedeutung, welche es ihnen ermöglichen, auch mit einer Teilzeitbeschäftigung ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Das wäre besonders für Frauen wichtig, da ihre Lebenssituation häufig noch schwieriger ist als die der Männer: Frauen sind grundsätzlich häufiger erwerbslos, haben wesentlich niedrigere Einkommen und betreuen, oft als Alleinerzieherinnen, ihre Kinder und mitunter auch noch ihre Eltern bzw. Schwiegereltern (siehe auch Interviewergebnisse).

6.10.3 Ursachen für den Abbruch der Berufstätigkeit

Die Ursache für den Abbruch der Berufstätigkeit war für jede zweite UntersuchungsteilnehmerIn eine Kündigung. Manchmal handelte es sich dabei auch um Insolvenzen der Firma, bei der sie tätig waren. Bei jeder vierten Person standen die gesundheitlichen Probleme als Grund für den beruflichen Ausstieg im Vordergrund. Jeder zehnten Person war die zu diesem Zeitpunkt ausgeübte Tätigkeit zu anstrengend. Wie in Abbildung 40 ersichtlich wird, sind die Männer der Untersuchungsgruppe häufiger von einer Berufsunterbrechung durch Kündigung betroffen als die Frauen.

Abgesehen von Kündigungen scheinen die Frauen etwas häufiger ihre Berufstätigkeit auch deshalb unterbrochen zu haben, weil sie gemobbt wurden, oder weil sie Kinder zu betreuen hatten und dies offenbar nicht mit ihrer Berufsarbeit vereinbaren konnten.

Abb. 40: Ursachen für den Abbruch der Berufstätigkeit

6.11 Mögliche Unterstützung für den Wiedereinstieg

Auf die Frage, welche Unterstützungen die UntersuchungsteilnehmerInnen brauchen würden, um wieder berufstätig sein zu können, antwortet die Hälfte (51.1%) der Befragten, dass vor allem eine bessere finanzielle Absicherung für sie wichtig wäre. An zweiter Stelle würden sie sich Weiterbildungsmaßnahmen wünschen, welche ihren Fähigkeiten entsprechen (36.2%). An dritter Stelle führen sie den Wunsch nach einer besseren persönlichen Betreuung an (35.0%) und an vierter Stelle den nach einer flexibleren krankheitsbedingten Pension (29.6%), die ihnen erlauben würde, einer Teilzeitarbeit über der Geringfügigkeitsgrenze nachzugehen, ohne die Pension zu verlieren. Nach der Bedeutung einer solchen Pensionsregelung gefragt, sagen 75.3%, dass dies für sie wichtig wäre.

Erstaunlich ist hier, dass die Männer der Untersuchungsgruppe häufiger als die Frauen den Wunsch nach psychologischer Beratung sowie den Austausch mit anderen betroffenen Personen anführen.

Dieses Ergebnis könnte damit in Verbindung gebracht werden, dass die Männer der Untersuchungsgruppe häufiger an Einsamkeit leiden, da sie weniger häufig in soziale Netzwerke eingebunden sind. Frauen hingegen wünschen sich etwas häufiger eine bessere persönliche Betreuung und mehr Unterstützung im Alltag.

Abb. 41: Mögliche Unterstützungen für den Wiedereinstieg*

6.12 Aus- und Weiterbildung

6.12.1 Grundsätzlicher Besuch von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

Aufgrund der zumeist langjährigen Arbeitslosigkeit der UntersuchungsteilnehmerInnen sowie der bei vielen eher niedrigeren Qualifizierung wäre es besonders wichtig, den Frauen und Männern entsprechende Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, um einen Wiedereinstieg ins Berufsleben realisierbarer zu machen.

Die Realität sieht diesbezüglich jedoch gerade für Frauen wenig erfreulich aus. Es werden zwar in letzter Zeit zunehmend häufiger Konzepte für Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Behinderung ins Erwerbsleben erstellt, dennoch zeigen unterschiedliche Analysen, dass Frauen bei der Teilnahme an Maßnahmen tendenziell benachteiligt werden.[137] Diese Benachteiligungen ergeben sich z. B. im Beratungsbereich, mit dem betroffene Frauen häufig nicht zufrieden sind. Sie führen an, dass Beratungen oft demotivierend sind und darauf hinauslaufen, dass sie sich mit weniger zufrieden geben sollen. Darüber hinaus liegt die Orientierung für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oftmals im Bereich klassischer Frauenberufe mit wenigen bis keinen Entwicklungs- bzw. Aufstiegsmöglichkeiten. Des weiteren werden Zugangserschwernisse, wie z. B. ganztägige Kursmaßnahmen und lange Anfahrtszeiten oftmals wenig in der Planung der Ausbildungen berücksichtigt. Diese Erschwernisse treffen Frauen in besonderem Maße, da sie zumeist auch den Großteil der Familienarbeit leisten - Hausarbeit, Kinder- und Altenbetreuung, Aufrechterhalten von sozialen Netzwerken.

Grundsätzlich hat mehr als die Hälfte der UntersuchungsteilnehmerInnen (54.1%) eine oder mehrere Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme in unterschiedlicher Form und in unterschiedlichen Einrichtungen besucht. Von diesen Personen haben 32.0% angeführt eine Ausbildungsmaßnahme[138] besucht zu haben, 32.8% zwei und 17.6% drei.

Männer haben etwas häufiger Weiterbildungsmaßnahmen besucht - 58% - im Gegensatz zu 50% bei den Frauen.

6.12.2 Bereiche besuchter Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

Die Bereiche, in denen die UntersuchungsteilnehmerInnen eine Aus- und Weiterbildung gemacht haben, sind sehr vielfältig. Am häufigsten wurden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im EDV-Bereich absolviert (19.8%), bei denen es sich hauptsächlich um einführende Anwendungskurse in Microsoft Office handelte.

Am zweithäufigsten wurden Maßnahmen im Bereich Administration (11.5%) besucht und am dritthäufigsten Maßnahmen im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens. Die Frauen absolvierten etwas häufiger als die Männer Maßnahme im EDV- und Dienstleistungsbereich sowie im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Männer besuchten dafür etwas häufiger Maßnahmen im Administrationsbereich.

Abb. 42: Bereiche besuchter Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

6.12.3 Nützlichkeit der absolvierten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

Die Nützlichkeit der absolvierten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen wird von den meisten UntersuchungsteilnehmerInnen relativ positiv eingeschätzt. Insgesamt 42.4% befinden diese Maßnahmen für nützlich. 26.3% halten sie jedoch für nicht nützlich, was immerhin mehr als einem Viertel der Untersuchungsgruppe entspricht. Die Frauen schätzen die Nützlichkeit der besuchten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen grundsätzlich weniger gut als die Männer ein.

Abb. 43: Nützlichkeit der absolvierten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

6.12.4 Wunschbereiche für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

Die Frage nach den Wünschen für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen wurde lediglich von 21.4% der Untersuchungsgruppe beantwortet, was ein Zeichen für den schlechten Informationsstand bzw. für Resignation sein könnte. Die Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen, welche die UntersuchungsteilnehmerInnen gerne besuchen würden, betreffen vorwiegend den EDV- und Dienstleistungsbereich, Sprachkurse sowie das Gesundheits- und Sozialwesen.

Abb. 44: Wunschbereiche für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

6.12.5 AMS Kursmaßnahmen

6.12.5.1 Grundsätzlicher Besuch von AMS Kursmaßnahmen

Insgesamt hat etwas weniger als die Hälfte der UntersuchungsteilnehmerInnen AMS Kursmaßnahmen besucht (46.5%). Die Frauen haben dabei tendenziell weniger häufig Kursmaßnahmen des AMS besucht als die Männer.

Abb. 45: Grundsetzlicher Besuch von AMS Kursmaßnahmen

6.12.5.2 Nutzen der besuchten AMS Kursmaßnahmen

Der Nutzen der besuchten AMS Kursmaßnahmen wird von jenen UntersuchungsteilnehmerInnen, die die Frage[139] danach beantwortet haben, ziemlich negativ eingeschätzt. Mögliche Begründungen dafür können in diesem Zusammenhang jedoch nicht aufgezeigt werden. Die AMS Kursmaßnahmen werden in punkto Nützlichkeit jedenfalls wesentlich schlechter beurteilt als allgemeine nicht näher definierte Weiterbildungsmaßnahmen. Das könnte u. a. auch am Mangel an Freiwilligkeit und der damit verbundenen Herabsetzung der Motivation bei vielen AMS Kursmaßnahmen liegen. Auch in den Interviews wurden AMS Kurse aus diesem Grund sowie wegen unpassender Didaktik und Gruppenzusammensetzung sowie Erfahrungen mit inkompetenten TrainerInnen von den meisten eher negativ beurteilt.

Abb. 46: Nutzen der besuchten AMS Kursmaßnahmen

6.12.6 Voraussetzungen für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

6.12.6.1 Anzahl an Wochenstunden

Die Mehrheit der UntersuchungsteilnehmerInnen (63.8%), die die Frage beantwortet haben[140], hält eine Wochenstundenanzahl im Ausmaß von 5 bis 20 Stunden für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für bewältigbar, wobei den Frauen eine Wochenstundenzahl unter 20 Stunden noch etwas wichtiger ist als den Männern.

Abb. 47: Anzahl an Wochenstunden einer Aus- oder Weiterbildung

6.12.6.2 Wichtigkeit der Möglichkeit zur Kinderbetreuung

In Hinblick auf das eher höhere Lebensalter der untersuchten Frauen und Männer sowie auf das damit verbundene höhere Lebensalter ihrer Kinder, ist die Möglichkeit zur adäquaten Unterbringung der Kinder während einer Aus- bzw. Weiterbildungsmaßnahme nur für insgesamt 28.8% wichtig. Es sind vor allem jüngere Frauen mit kleineren Kindern, die Kinderbetreuung während einer Aus- bzw. Weiterbildungsmaßnahme als wichtige Voraussetzung erachten. Sie unterscheiden sich darin signifikant von Frauen mit älteren Kindern bzw. von Frauen über 45 Jahren.[141] Die Männer der Untersuchungsgruppe erachten Kinderbetreuungsangebote, vor allem ab der Altersgruppe der 36-Jährigen, im Rahmen von Aus- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen zumeist für weniger wichtig.

Abb. 48: Wichtigkeit von Kinderbetreuung während einer

6.12.6.3 Kursangebote speziell für Frauen

Mehr als die Hälfte der UntersuchungsteilnehmerInnen (56.8%) geben an, dass es Kursangebote speziell für Frauen geben sollte. Dabei sind die Frauen (61.7%) häufiger als die Männer (52.0%) dieser Meinung.

Abb. 49: Wunsch: Kursangebote speziell für Frauen

6.13 Informationseinrichtungen und Stand von Informationen

6.13.1 Informationseinrichtungen

Den Informationsfluss über mögliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen schätzen die UntersuchungsteilnehmerInnen sehr negativ ein. Insgesamt 64.2% wurden im letzten Jahr nicht auf bestehende Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung aufmerksam gemacht. Lediglich 24.0% wurden über Angebote informiert. 11.8% können sich nicht mehr erinnern, ob sie Informationen erhalten hatten oder nicht.

Abb. 50: Informationen zu Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen

Auf die Frage, von welchen Einrichtungen sie Informationen zu Weiterbildungsmaßnahmen erhielten, antworteten nur 28% der Untersuchungsteilnehmerinnen. Die meisten von ihnen haben ihre Informationen - bzw. vermutlich die Zuteilung zu einem Kurs - vom AMS bekommen. Auch Organisationen, die Kurse organisieren - wie etwa Wien Work, BBFZ, Team 4, Wifi, Caritas, Rotes Kreuz, WAFF u. ä. werden genannt, ebenso wie Bundessozialamt und Arbeitsassistenz sowie Beratungsstellen von AK, ÖGB und Wirtschaftskammer.

6.13.2 Stand von Informationen

Der Informationsstand der UntersuchungsteilnehmerInnen zu ausgewählten Aspekten im Bildungs- und Beratungsbereich ist als eher mangelhaft einzuschätzen, deshalb könnte es im Sinne der Zielgruppe erforderlich sein, bestehende Informationskonzepte zu analysieren bzw. diese gegebenen Falls zu modifizieren.

Die UntersuchungsteilnehmerInnen führen mehrheitlich an, dass ihr Informationsstand zu Ausbildungen (39.9%), zu Weiterbildungen (42.8%), zu Umschulungen (49.8%) sowie zu AMS- Kursangeboten (43.6%) als schlecht zu bezeichnen ist, wobei der Informationsstand zu Umschulungsmöglichkeiten am schlechtesten eingeschätzt wird.

Abb. 51: Informationsstand Schulungs- und Bildungsbereich

Der Informationsstand zu Förderungen (52.3%), Hilfsmittel (53.5%), Selbsthilfegruppen (50.2%) sowie zu Beratung (41.6%) wird sogar noch etwas schlechter eingeschätzt als jener zum Bildungsbereich. Frauen haben dabei besonders im Bereich Umschulungsmöglichkeiten, Hilfsmittel und Förderungen ein Informationsdefizit.

Abb. 52: Informationsstand Förderungen, Hilfsmittel, Selbsthilfe, Beratung

6.14 Wünsche zur Verbesserung der Lebenssituation

Die Frage nach möglichen Unterstützungen zur Verbesserung der Lebenssituation[142] wird nur von etwas mehr als der Hälfte der UntersuchungsteilnehmerInnen (54.3%) beantwortet, was möglicherweise ebenfalls auf eine gewisse Resignation der befragten Frauen und Männer hindeuten könnte. In erste Line geht es den Personen, die geantwortet haben, um eine bessere finanzielle Absicherung (39.4%), wobei sich die Frauen diese Form der Unterstützung häufiger wünschen als die Männer. In zweiter Linie sehen die UntersuchungsteilnehmerInnen die Möglichkeit einer persönlichen oder beruflichen Beratung bzw. Unterstützung für die Verbesserung ihrer Lebenssituation an (25.0%). Weiters wünschen sich die UntersuchungsteilnehmerInnen eine Arbeitstelle (19.7%), wobei dieser Wunsch von den Männern häufiger als von den Frauen angeführt wird. Das könnte damit zusammenhängen, dass Frauen ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz generell negativer als Männer beurteilen.

Abb. 53: Mögliche Unterstützung für angenehmere Lebensgestaltung

6.15 Psychosoziale Aspekte und Lebensgefühl

6.15.1 Psychische Befindlichkeit

Bei Fragenbogenerhebungen, bei denen persönliche Frage, wie z. B. zur seelischen Gesundheit oder zu Gewalterfahrungen gestellt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse nicht völlig den realen Gegebenheiten entsprechen, relativ hoch, da sie durch bewusste oder unbewusste Antworttendenzen[143] verzerrt sein können.

6.15.1.1 Kontaktfreude und Selbstsicherheit

Acht von 10 Personen der Untersuchungsgruppe schätzen sich für kontaktfreudig bzw. für eher Kontaktfreudig und selbstsicher im Umgang mit anderen ein (83.3%), zwei von 10 für eher nicht bzw. nicht kontaktfreudig und selbstsicher (16.7%).

Abb. 54: Kontaktfreude und Selbstsicherheit gegenüber anderen

6.15.1.2 Gefühl, von anderen für einen wertvoller Menschen gehalten zu werden

Sowohl Menschen mit Behinderung als auch Menschen, die arbeitslos sind, werden von der Gesellschaft oft abgewertet. Deshalb ist die Einschätzung der UntersuchungsteilnehmerInnen diesbezüglich um so interessanter, da sie sowohl von körperlichen Einschränkungen als auch in hohem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Knapp über drei Viertel der UntersuchungsteilnehmerInnen haben den Eindruck, dass sie von anderen für wertvolle bzw. für eher wertvolle Menschen gehalten werden (78.0%). Knapp unter einem Viertel hat hingegen den Eindruck gewonnen, dass andere sie für eher weniger bzw. gar nicht für einen wertvollen Menschen halten (22.0%). Die Einsschätzung der Frauen ist hier, gegenüber den Männern, geringfügig positiver - was möglicherweise mit dem besseren Eingebunden-Sein in soziale Netzwerke zu tun haben könnte. In den Interviews betonen viele Frauen, dass sie über Kinderbetreuung hinaus viel für andere tun, z. B. ihre Eltern oder eine Nachbarin betreuen.

Abb. 55: Gefühl, von anderen für einen wertvollen

6.15.1.3 Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl

Die Mehrzahl der UntersuchungsteilnehmerInnen hat wenig Selbstvertrauen. Sechs von 10 Personen der Untersuchungsgruppe schätzen ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl (eher) nicht gut ein (58.6%), wobei die Frauen ihr Selbstvertrauen noch etwas negativer beurteilen als die Männer.

Abb. 56: Selbstvertrauen und Selbstwert in letzter Zeit

6.15.1.4 Gefühle der Trauer und Niedergeschlagenheit

Die UntersuchungsteilnehmerInnen scheinen zu depressiven Verstimmungen zu neigen, da sich die meisten (60.0%) (eher) oft für traurig und niedergeschlagen halten, die Frauen (63%) etwas häufiger als die Männer (56%).

Abb. 57: Gefühle der Traurigkeit und Niedergeschlagenheit

6.15.1.5 Zufriedenheit mit privater Lebenssituation

Die eine Hälfte der UntersuchungsteilnehmerInnen ist (eher) zufrieden mit ihrer privaten Lebenssituation, die andere dagegen nicht. Die Frauen der Untersuchungsgruppe schätzen ihre private Situation häufiger positiver ein als die Männer.

Abb. 58: Zufriedenheit mit privater Lebenssituation

6.15.1.6 Leistungsdenken

Was andere über die Leistungen der UntersuchungsteilnehmerInnen denken, ist für rund drei Viertel der Gruppe wichtig bzw. eher wichtig (76.0%). Für die Frauen der Untersuchungsgruppe ist es signifikant wichtiger, was andere über ihre Leistungen denken als für die Männer.[144] Dadurch besteht jedoch für die Frauen die Gefahr, dass sie sich aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit vom Urteil anderer einer zusätzlichen Stressbelastung aussetzen.

Abb. 59: Wichtigkeit, was andere über eigene Leistungen denken

6.16 Gewalterfahrungen

6.16.1 Häufigkeit von Gewalterfahrungen

39.4% der UntersuchungsteilnehmerInnen haben Gewalt erlebt - die Frauen (42%) etwas häufiger als Männer (37%).

Es wäre interessant, der Frage nach der Definition von Gewalt und der Art von Gewalterfahrungen von Frauen und Männern speziell nachzugehen. Aus einer Studie zur Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik der BRD geht beispielsweise hervor, dass Frauen und Männer in ganz unterschiedlichen Situationen mit Gewalt konfrontiert sind:

Während für Frauen und Mädchen der soziale Nahraum und bekannte Männer, sogar Personen ihres Vertrauens, besonders gefährlich sind, ist es für Männer der öffentliche Raum, sind es andere, fremde Männer, von denen die größte Gefahr ausgeht- und das bereits im Hellfeld der bei der Polizei angezeigten Taten.[145]

Gewalttaten gegen Männer werden demnach in erster Linie im öffentlichen Bereich, im Freien und durch ihnen fremde männliche Täter verübt, Gewalttaten gegen Frauen dagegen vor allem im privaten Raum, in einer Wohnung und durch ihnen bekannte, vertraute Täter. Dies wird grundsätzlich auch durch neuere Studien aus Deutschland bestätigt, wonach mehr als drei Viertel der Buben Erfahrungen mit sexueller Ausbeutung außerhalb der Familie - also eher im öffentlichen Bereich machen - Mädchen dagegen nur zu 21%.[146]

Abb. 60: Häufigkeit von Gewalterfahrungen

6.16.2 Lebensphasen, in denen Gewalt erlebt wurde

Werden die Angaben zu den Lebensphasen, in denen die Gewalterfahrungen gemacht wurden betrachtet, zeigt sich, dass 40.6% derjenigen Personen, die Gewalt erlebt haben in mehreren Lebensphasen mit Gewalt in Berührung gekommen sind. Von den Frauen geben 37.3% an, Gewalt in mehreren Lebensphasen erlebt zu haben. Wie in Abbildung 61 ersichtlich wird, liegen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Zeitpunkt des Erlebens von Gewalt: in der Kindheit sind tendenziell mehr Männer als Frauen und im Erwachsenenalter signifikant mehr Frauen als Männer von Gewalt betroffen.[147]

In den Interviews hat sogar etwas mehr als jede vierte der Frauen von Gewalterfahrungen in der Kindheit berichtet. Die Hälfte von ihnen wurde auch als Erwachsene von Gewalttätern misshandelt. Insgesamt wurde in etwa jede zweite Interviewpartnerin im Erwachsenenalter Opfer eines Gewalttäters.

Abb. 61: Lebensphase, in der Gewalt erlebt wurde

6.16.3 Gewaltausübende Personen

Die gewaltausübenden Personen stammen bei 44.7% der UntersuchungsteilnehmerInnen aus dem engen Familienkreis. Davon weisen die Eltern einen Prozentsatz von insgesamt 22.2% an gewaltausübenden Personen auf. Von der überwiegenden Mehrheit werden hier die Väter genannt.

Im Erwachsenenalter sind es, mit einer signifikanten Häufigkeit, die Ehe- und Lebenspartner der Frauen, die ihnen gegenüber gewalttätig sind.[148] Insgesamt gibt knapp ein Viertel der Frauen an (22.5%), von ihrem Ehe- bzw. Lebenspartner Gewalt erfahren zu haben, 12.7% von ihnen häufig, 5% selten. Ebenfalls ca. 5% der Frauen beantworten, die im Fragebogen vorangehende Frage, ob sie überhaupt jemals Gewalt erlebt haben zwar mit "Nie", führen jedoch auf die Frage, wer die Gewalttätigkeit ausgeübt hat, den Partner an. Dies kann als ein Hinweis auf die in diesem Zusammenhang häufig beobachtete Sprachlosigkeit der Frauen in Bezug auf Gewalterfahrungen gesehen werden. Das tatsächliche Ausmaß an Gewalterfahrungen lässt sich demnach nur erahnen.

Abb. 62: Personen, die Gewalt ausüben

6.16.4 Psychologische Beratung und Selbsthilfe

6.16.4.1 Inanspruchnahme psychologischer Beratung

Die Frage, ob sie gerne eine psychologische Beratung in Anspruch nehmen würden, wird von mehr als einem Drittel (35.8%) der Befragten bejaht.

Wie aus Abbildung 63 ersichtlich wird, möchten die Männer der Untersuchungsgruppe diese Möglichkeit etwas häufiger in Anspruch nehmen als die Frauen. Dieses Ergebnis ist überraschend, da in der Realität etwa in Familienberatungsstellen oder bei PsychotherapeutInnen überwiegend Frauen als Ratsuchende auftreten. Es könnte damit zusammenhängen, dass die befragten Männer häufiger als die Frauen alleine leben und nicht gut in soziale Netzwerke eingebunden sind.

In den Interviews dagegen hat fast jede dritte Frau von positiven Erfahrungen mit Psychotherapie und psychologischer Beratung erzählt.

Abb. 63: Wunsch nach Inanspruchnahme psychologischer Beratung

6.16.4.2 Teilnahme an Selbsthilfegruppe

Die Frage nach dem Wunsch an einer Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe wird von der überwiegenden Mehrheit der UntersuchungsteilnehmerInnen abgelehnt (62.1%).

Auch die meisten Interviewpartnerinnen lehnten die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ab, da sie sich der befürchteten Konfrontation mit belastenden Schicksalen oder "Jammern" nicht aussetzen möchten. Der geringe kollektive Organisations- und Identifikationsgrad von Menschen mit teils nicht sichtbaren Behinderungen und Krankheiten ist möglicherweise auch für den Mangel an Interessensvertretungen und Lobby-Arbeit sowie für den schlechten Informationsstand dieser Gruppe verantwortlich.

Abb. 64: Wunsch nach Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe

6.16.4.3 Wunsch nach Kontakt zu Menschen mit ähnlicher Beeinträchtigung

Der Wunsch nach Kontakt mit Menschen, die eine ähnliche Beeinträchtigung aufweisen, wird dagegen immerhin von 43.7% geteilt. Insgesamt besteht in diesem Punkt größere Zustimmung als beim Wunsch nach Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Möglicherweise wissen vielen der UntersuchungsteilnehmerInnen nicht, worin die Arbeit von Selbsthilfegruppen besteht und welche Vorteile diese für Betroffene bieten könnten.

Abb. 65: Wunsch nach Kontakt zu Menschen mit ähnlichem Hintergrund

6.17 Zentrale Ergebnisse der quantitativen Datenanalyse

Die durchschnittlichen statistischen Angaben zu den zentralen Lebens-Daten der Teilnehmerinnen an der Fragebogenerhebung stimmen mit denen der Interviewpartnerinnen überein: Alter, Familienstand, Lebensform, Gesundheitszustand, Schulbildung und Berufsausbildung, Art der letzten Berufstätigkeit, Dauer der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt und Einkommenssituation. Das bedeutet, dass die detailreicheren Aussagen der Interviewpartnerinnen als repräsentativ für die gesamte Gruppe der befragten Frauen angesehen werden können.

Die wichtigsten Ergebnisse, die sich aus der Auswertung der Fragebogenerhebung ergeben, werden im folgenden zusammengefasst. Die Unterschiede zur Situation der Männer sind dabei zum Teil signifikant, zum Teil als Tendenz erkennbar:

Alter und Lebensform der TeilnehmerInnen der Fragebogenerhebung

  • Fast die Hälfte der Befragten ist über 45 Jahre alt, etwa 75% sind älter als 35.

  • Etwa jede 2. Frau ist verheiratet und lebt mit ihrem Partner und Kind(ern) zusammen - im Unterschied zu den Männern, die wesentlich häufiger ledig sind als die Frauen der Untersuchungsgruppe.

  • Die Scheidungsrate in der Untersuchungsgruppe ist ca. doppelt so hoch wie in der Wiener Gesamtbevölkerung, bei den Frauen ist dies noch ausgeprägter als bei den Männern.

  • Etwa 2/3 der Frauen haben Kinder, insgesamt häufiger als die Männer. Die Kinder sind meistens bereits erwachsen oder im Schulalter.

  • 25% der Frauen sind Alleinerzieherinnen, die Hälfte von ihnen hat Kinder unter 10 Jahren.

Soziales Umfeld

  • Als wichtigste Unterstützungspersonen wurden von den Befragten mehrheitlich Frauen genannt.

  • Häufig werden die Befragten auch von den eigenen LebenspartnerInnen unterstützt.

  • Frauen haben eher als Männer auch verlässliche FreundInnen und tragfähige soziale Netzwerke. Alleinerzieherinnen mit Kindern unter 10 Jahren werden hauptsächlich von Frauen, Familienangehörige und Freundinnen, unterstützt.

  • Die meisten Befragten haben wenig Interesse an der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Möglicherweise wissen sie nicht genau, wie Selbsthilfegruppen arbeiten und welche Vorteile diese für sie hätten.

Gesundheitszustand

  • Die befragten Frauen haben intensivere und mehr gesundheitliche Beschwerden als die Männer. Besonders häufig sind dabei Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates. Etwas häufiger als die Männer leiden die Frauen unter Schmerzzuständen, psychischen Erkrankungen, Erkrankungen der Atmungsorgane, Migräne und Kopfschmerzen, Beeinträchtigungen des Hörvermögens, Allergien und Infektionskrankheiten, Karzinomen sowie unter einer Beeinträchtigung der Wirbelsäule und der Bandscheiben.

  • Die meisten der Betroffenen sind erst im Erwachsenenalter erkrankt. Die Frauen sind jedoch häufiger als die Männer schon vor dem 10. Lebensjahr erkrankt sowie in der Phase zwischen 31 und 40 Jahren, wobei letztere eine Zeit der gesellschaftlich bedingten Mehrfachbelastung von Frauen mit Berufs- und Familienarbeit darstellt. Männer erkranken dagegen häufiger zwischen 11 und 20 Jahren.

  • Alleinerzieherinnen mit Kindern unter 10 Jahren haben besonders viele körperliche Beschwerden angegeben, ihr Gesundheitszustand ist offenbar besonders kritisch.

Psycho-soziale Aspekte

  • Fast jede zweite der befragten Frauen hat im Lauf ihres Lebens Gewalterfahrungen gemacht, besonders häufig im Erwachsenenalter durch den eigenen Lebenspartner. Männer haben dagegen mehr Gewalt als Kinder erlebt, am häufigsten durch den Vater.

  • Besonders häufig haben Alleinerzieherinnen Gewalterfahrungen angegeben.

  • Die Mehrheit der Frauen und Männer der Untersuchungsgruppe stufen sich als wenig selbstbewusst ein, die Frauen noch etwas weniger als die Männer.

  • Die Frauen der Untersuchungsgruppe fühlen sich etwas häufiger als die Männer traurig und niedergeschlagen und deutlich stärker von der Beurteilung durch andere Personen abhängig. Ewas häufiger als die Männer sind sie jedoch der Meinung, dass andere sie für einen wertvollen Menschen halten.

Finanzielle Situation

  • Der Großteil der Befragten ist vermutlich von Armut betroffen oder akut gefährdet, mit einem Einkommen unterhalb oder knapp über der Armutsgrenze. In den Interviews wurde dies genau erhoben und verifiziert.

  • Frauen sind besonders von Armutsgefährdung betroffen, denn ...

  1. doppelt so viele Frauen wie Männer verfügen über kein eigenes Einkommen

  2. dagegen haben die Männer häufiger als die Frauen ein Einkommen über 900,- Euro

  • Die 15 Alleinerzieherinnen der Untersuchungsgruppe mit Kindern unter 10 Jahre beziehen mehrheitlich ein Einkommen unter der Armutsgrenze, trotz durchschnittlicher Schul- und Berufsausbildung

  • Nur wenige der Befragten bekommen Pflegegeld, Frauen halb so häufig wie Männer.

Schul- und Berufsausbildung

  • Die Befragten verfügen im Vergleich zur Gesamtgruppe der Wiener Bevölkerung über eine ähnliche durchschnittliche Schulbildung. Sie haben jedoch weniger häufig eine Fachhochschul- oder Universitätsausbildung abgeschlossen.

Berufstätigkeit

  • Die Frauen und Männer der Zielgruppe finden Berufsarbeit etwa gleich wichtig.

  • 43% der Frauen haben jedoch - häufiger als die Männer - eine Berufsausbildung absolviert, die nicht ihrem Berufswunsch entspricht.

  • 35% von ihnen haben zuletzt einen Beruf ausgeübt, der - häufiger als bei den Männern - im Bereich Büro und Administration liegt - das ist einer der Gründe dafür, dass Frauen seltener in den Genuss von Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund des Berufsschutzes kommen.

  • Die Kündigung wurde am häufigsten als Ursache für den Abbruch der Berufstätigkeit genannt, von den Männern deutlich häufiger als von den Frauen. Ebenfalls oft wurden gesundheitliche Probleme angegeben. Mobbing und Kinderbetreuung wurde fast nur von Frauen als ausschlaggebender Grund für den Abbruch der Berufstätigkeit angeführt.

  • Die Frauen und Männer der Untersuchungsgruppe waren oder sind sehr selten im öffentlichen Dienst tätig. Die meisten hatten einen Job in der Privatwirtschaft- was vermutlich zum Arbeitsplatzverlust aufgrund ihrer Krankheit beigetragen hat.

  • Die meisten Befragten schätzen ihre Chancen auf den Erhalt eines Arbeitsplatzes sehr schlecht ein, die Frauen noch schlechter als die Männer.

Abwesenheit vom Arbeitsmarkt

  • Drei von vier Frauen sind bereits länger als ein Jahr nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert.

Weiterbildungsmaßnahmen

  • Etwa die Hälfte der Befragten hat AMS Kurse besucht, die Frauen weniger häufig als die Männer.

  • Der Großteil der Befragten beurteilt die Nützlichkeit von AMS-Maßnahmen schlechter als allgemeine Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die sie besucht haben.

  • Die befragten Frauen haben weniger häufig als die Männer allgemeine Weiterbildungsmaßnahmen besucht. Die häufiger von Frauen besuchten Kurse lagen im Bereich EDV, Dienstleistungen sowie im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Männer absolvierten dagegen häufiger Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Administration, Sprachen und Technik.

Informationsstand

  • Der Informationsstand der meisten Befragten zu Weiterbildungsmöglichkeiten und ähnlichen Maßnahmen ist sehr mangelhaft. Frauen fühlen sich noch etwas schlechter als Männer informiert, besonders hinsichtlich Umschulungen, Förderungen und Hilfsmittel.

Die wichtigsten Anliegen zur Verbesserung ihrer Situation

  • Die Mehrheit der Befragten wünschen sich dementsprechend vor allem eine bessere finanzielle Absicherung, die Frauen noch mehr als die Männer.

  • Die Frauen wünschen auch häufiger als die Männer bessere persönliche Betreuung und mehr Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags.

  • Die Mehrheit der Befragten findet eine flexible Form der krankheitsbedingten Pension wichtig, welche ihnen erlauben würde, einer Teilzeitbeschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze nachzugehen, ohne den Pensionsanspruch völlig zu verlieren.

  • Die meisten der Befragten wünschen sich Weiterbildungsmaßnahmen mit maximal 20 Wochenstunden, die Frauen häufiger als die Männer.

  • Etwa jede dritte Frau - besonders häufig im Alter von 25 bis 45 Jahren - wünscht sich Kinderbetreuung während einer Weiterbildungsmaßnahme, den Männern ist dies weniger wichtig.

  • Zwei von drei Frauen wünschen sich Kursangebote speziell für Frauen.

  • Besonders Alleinerzieherinnen mit Kindern unter 10 Jahren wünschen sich Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen, jede dritte von ihnen hätte auch gerne psychologische Beratung.

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass Frauen mit Behinderungen tatsächlich mehrfach belastet und benachteiligt sind!

  • Sie haben häufig kein Einkommen oder eines unter 700,- Euro, sind also vermutlich armutsgefährdet oder finanziell stark von ihrem Partner abhängig.

  • Andererseits hat jede zweite der befragten Frauen Gewalterfahrungen gemacht, besonders häufig durch ihren (Ex-)Lebenspartner - die finanzielle Abhängigkeit ist also vermutlich für viele von ihnen ein existentielles Problem.

  • Die befragten Frauen haben massivere und mehr gesundheitliche Beschwerden als die Männer. Der Gesundheitszustand von Alleinerzieherinnen mit Kindern unter 10 Jahren ist dabei offenbar besonders kritisch.

  • Jede vierte Frau ist Alleinerzieherin, viele von ihnen leben in Armut.

  • Die befragten Frauen bekommen noch seltener als die Männer Pflegegeld.

  • Jede zweite von ihnen hat eine Berufsausbildung, die nicht ihrem Berufswunsch entspricht.

  • Ihre Chance auf einen Arbeitsplatz schätzen sie sehr schlecht ein.

  • Und sie fühlen sich noch etwas schlechter informiert als die Männer, besonders über Schulungsmaßnahmen, Förderungen und Hilfsmittel.



[115] Statistische Methoden zur Beschreibung der Daten in Form von Grafiken, Tabellen oder einzelnen Kennwerten bezeichnen wir zusammenfassend als deskriptive Statistik (Bortz, Jürgen (1999). Statistik für Sozialwissenschaftler. Berlin, Heidelberg: Springer. S. 17).

[116] Ein anderer Teilbereich der Statistik ist die Inferenzstatistik bzw. die schließende Statistik. Sie befasst sich mit dem vergleichsweise schwierigen Problem der Überprüfung von Hypothesen (Ebenda, S. 17).

Die hier angewendeten Verfahren beziehen sich auf Chi2 Tests für Häufigkeiten (α=5%) sowie U-Tests (α=5%) von Mann & Whitney.

[117] Quelle: Bundessozialamt Wien, 2005.

[118] Chi2=11.616, df=4, p=0.020.

[119] Fischer (2005), S. 173.

[120] Quelle: Wiener Daten: Statistik Austria, Mikrozensus Sonderprogramm "Fragen zur Familie", 2001.

[121] Chi2=9.425, df=1, p=0.002.

[122] Chi2=29.702, df=5, p<0.001.

[123] Durchschnittlicher Jahresbezug je Arbeitnehmer/in Netto: Wien Gesamt: 16.327,- Euro; Frauen: 14.126,-; Männer 19.762,- Euro (Quelle: Statistik Austria, Direktion Volkswirtschaft, 2003). Die oben angeführten Zahlen wurden durch 12 dividiert, obwohl ArbeitnehmerInnen in der Regel 14mal ihr Gehalt ausbezahlt bekommen, um die monatlichen Beträge besser vergleichen zu können.

[124] n=24 Frauen (24.5%).

[125] n=15 Frauen (12.5%).

[126] Mw=39.86, Md=39, Range: 32 bis 51 Jahre.

[127] Armutsschwelle: Erwachsener und 1 Kind: 1.021,- Euro; Erwachsener und 2 Kindern 1.257,- Euro. Diese Beträge entsprechen 1/12 des Jahreswertes (Quelle: Statistik Austria, EU-SILC 2003.).

[128] z. B. Wirbelsäule, Hüfte, Arme und Beine.

[129] Chi2=61.630, df=2, p<0.001.

[130] Quelle: Statistik Austria, Volkszählung 2001.

[131] Chi2=53.208, df=7, p<0.001.

[132] Alle DienstgeberInnen mit mehr als 25 DienstnehmerInnen sind verpflichtet, begünstigt behinderte Menschen einzustellen. Kommen sie dieser Vorgabe nicht nach, müssen sie in den sogenannten Ausgleichstaxenfonds je nach nicht eingestellten Menschen mit Behinderung monatlich 201,- einbezahlen. Der Ausgleichstaxenfonds kommt Maßnahmen zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung zugute (Quelle: Bundessozialamt Landesstelle Wien, 2005).

[133] Quelle: Bundessozialamt Landesstelle Wien, 2004.

[134] Zur Information: Im Mai 2005 waren laut AMS Wien insgesamt 76.704 Personen arbeitslos gemeldet. Das entspricht einem Prozentanteil von 9.2% der Gesamtbevölkerung - davon sind 7.8% Frauen und 10.5% Männer betroffen.

[135] U-Test: Z=-2.356, p=0.018.

[136] AMS-Info 67, 2004.

[137] Bergmann, Nadja; Gindl, Karoline (2004). Geschlechterrollen und Behinderung - Wunsch und Realität. GEM Gleichstellung von Frauen und Männern. Wien: GEM Koordinationsstelle.

[138] Die UntersuchungsteilnehmerInnen wurden nach insgesamt 3 Angaben zu Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen befragt. Deshalb kann keine Auskunft darüber geben werden, wie viele mehr als drei Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen besucht haben.

[139] Die Frage nach dem Nutzen der besuchten AMS Kursmaßnahmen wurde lediglich von 25.5% der UntersuchungsteilnehmerInnen beantwortet.

[140] Die Frage wurde von 61.3% der UntersuchungsteilnehmerInnen beantwortet.

[141] U-Test: Z=-2.927, p=0.003.

[142] Frage im Fragebogen: Welche Unterstützung würden Sie dringend brauchen, um Ihr Leben angenehmer zu gestalten.

[143] Bei der Bearbeitung von Persönlichkeitsfragebögen kommt es regelmäßig zu unerwünschten Einflüssen auf das Testergebnis, weil die Testperson Antworten nicht (nur) aufgrund der ihr eigenen Ausprägungen in Bezug auf die mit dem Fragebogen zu messende Eigenschaft gibt, sondern (auch) aufgrund verschiedener anderer Faktoren, welche entweder primär durch die Einstellung der Testperson oder durch Eigenheiten des Fragebogens bedingt sind. Diese Faktoren bezeichnet man als Antworttendenzen (Kubinger, K. D. & Jäger, R. S. (Hrsg.) (2003). Schlüsselbegriffe der Psychologischen Diagnostik. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag. S. 29).

Beispiele hierfür wären: "unterschiedliche Interpretation der Items, Erinnerungsfehler, Defizite der Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis, Tendenzen zur konsistenten Selbstdarstellung, sozial erwünschte Antworten, Positionseffekte, absichtliches Verfälschen (Lügen, Simulation)", etc. (Jäger, R. S. & Petermann, F. (Hrsg.) (1999). Psychologische Diagnostik. München, Weinheim: Psychologie Verlags Union).

[144] U-Test: Z=-2.218, p=0.027.

[145] Steffen, Wiebke (Grüsch, 1990). Gewalt gegen Frauen. Art und Ausmaß dieser Gewalt und ihre Behandlung durch die Polizei. In: Schuh, Jörg (Hrsg.) (1990). Gewalt im Alltag. Schweizerische Arbeitsgruppe für Kriminologie. Zürich: Ruegger. S. 248.

[146] Lenz, Hans-Joachim (Hrsg.) (2000). Männliche Opfererfahrungen. Problemlagen und Hilfsansätze in der Männerberatung. Weinheim, München: Juventa.

[147] Chi2=16.974, df=6, p=0.009.

[148] Chi2=14.261, df=6, p<0.001.

7 ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN

Das Bundessozialamt Wien möchte mit dieser Studie genaueres über eine Zielgruppe erfahren, die bisher kaum von den bereits existierenden Förderungen und Maßnahmen zur (Re)integration in das Erwerbsleben profitieren konnte.

Die vorliegende Untersuchung hat daher das Ziel, durch eine genauere Kenntnis der Personengruppe der arbeitsmarktfernen Frauen mit Behinderung und durch eine Auseinandersetzung mit ihren Anliegen und Bedürfnissen auch mögliche Ansatzpunkte für gezielte Maßnahmen und Förderung zu erhalten.

Ausgehend von den Daten des Bundesrechenzentrums wurden an "begünstigt behinderte" Personen in Wien, die nicht, oder nur als geringfügig Beschäftigte, erwerbstätig sind, 1.609 Fragebögen zugestellt. Themen der Befragung waren eine Bestandsaufnahme der momentanen Lebenssituation, die Erfahrungen von Verlust und versuchter Wiederaufnahme von Arbeitsverhältnissen, die Anliegen und die Unterstützungswünsche. Der quantitative Teil der Studie bezieht sich auf die Auswertung von 243 ausgefüllten Fragebögen, davon 120 Frauen und 123 Männer. Die Rücklaufquote der Fragebogenerhebung betrug 15.1%, d. h. die erfasste Gruppe kann zwar nicht als repräsentativ für die Gesamtstichprobe gesehen werden, sie ist jedoch groß genug für aussagekräftige Ergebnisse. Aufgrund der gleichmäßigen Geschlechterverteilung sind auch vorhandene geschlechtsspezifische Unterschiede gut erkennbar.

Zur Vertiefung und um Zusammenhänge verschiedener Faktoren, persönliche Problemfelder und Bewältigungsstrategien kennen zu lernen, wurden mit 30 Frauen, die sich anschließend an die Fragebogenerhebung zusätzlich zu einem Interview bereit erklärten, Tiefeninterviews geführt. Diese intensiven Gespräche eröffneten einen vielfältigen und breiten Zugang zu den Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten dieser Personengruppe.

Gerade in den Interviews wird deutlich, dass die Lebenssituation der einzelnen Betroffenen ganzheitlich zu betrachten ist. Viele der angesprochenen Themen, wie etwa die Armut, sind zudem nur sozialpolitisch zu lösen und gehen damit weit über den Handlungsspielraum des Bundessozialamtes Wien hinaus. Es werden im folgenden dennoch auch diese Themen zusammengefasst, da sie zum Verständnis der Zielgruppe notwendig sind.

  1. Beschreibung der Zielgruppe

Die Zielgruppe der arbeitsmarktfernen Frauen mit Behinderung hat nach der statistischen Auswertung der Fragebögen folgendes Profil:

Die Frauen sind zumeist zwischen 40 und 50 Jahren alt. Sie leben in der Mehrheit mit einem Partner zusammen und haben Kinder, die oft schon erwachsen sind.

Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen liegen vor allem im Bewegungsapparat und sind meist vielfältig. Kaum eine der Frauen erhält Pflegegeld. Falls sie Unterstützung erhalten, dann zumeist von einer männlichen Person, vermutlich ihrem Partner.

Mehrheitlich haben die Frauen eine Lehre im klassischen weiblichen Berufsfeld absolviert (Friseurin, Büro, Einzelhandelskauffrau), auch wenn diese Ausbildung nur teilweise oder gar nicht den eigenen Berufswünschen entsprochen hat. Zur Zeit sind die meisten Frauen arbeitslos, mehrheitlich seit über 2 Jahren. Vorher haben sie im Büro, in der Reinigung, im Gesundheitswesen oder im Verkauf gearbeitet, waren angestellt, und wurden gekündigt oder sind aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden.

Das eigene Einkommen ist gering: 20% verfügen über kein eigenes Einkommen, knapp 60% erhalten unter 700,- Euro im Monat.

Die große Mehrheit der Frauen ist unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation, etwa die Hälfte der Frauen auch mit ihrem Privatleben. Fast allen ist die zwar Berufsarbeit wichtig, sie sind jedoch pessimistisch, was ihre Chancen am Arbeitsmarkt betrifft.

Die Alleinerzieherinnen unter ihnen sind trotz durchschnittlicher Schul- und Berufsausbildung besonders häufig von Armut gefährdet. Sie haben mehr körperliche Beschwerden angegeben als die andere Frauen oder die Männer. Ihr Gesundheitszustand ist offenbar besonders schlecht. Die meisten von ihnen hätten gerne Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen, jede dritte wünscht sich auch psychologische Beratung.

Die Auswertung der Interviews hat einen differenzierteren Blick auf die Lebenssituationen der befragten Frauen ermöglicht. Die Interviewpartnerinnen leiden an den unterschiedlichsten körperlichen Beeinträchtigungen. Bezüglich ihrer lebensgeschichtlichen Vorerfahrungen, ihrer momentanen Lebenssituation und ihrer Verarbeitungsprozesse ergeben sich jedoch Ähnlichkeiten, die Hinweise auf den unterschiedlichen Unterstützungsbedarf geben. Dabei kann man folgende "Typen" unterscheiden:

Typ 1, "alles kommt zusammen", beschreibt Frauen, die neben ihrer körperlichen Beeinträchtigung noch von vielfachen weiteren Handikaps betroffen sind, etwa durch eine belastende Kindheit, schlechte Schulausbildung, Gewalterfahrungen, soziale Einsamkeit oder Armut. Frauen dieses Typus benötigen neben einer finanziellen Absicherung, eine individuelle, niederschwellige, langfristige umfassende Beratung und Unterstützung: sowohl um Möglichkeiten im beruflichen Bereich ausloten und ergreifen zu können, als auch um ganz allgemein und umfassend ihr Leben zu gestalten.

Typ 2 "unterstützendes Umfeld" ist im Gegensatz zu Typ 1 sozial eingebunden, auch wenn viele der anderen Belastungen ebenfalls auf sie zutreffen (schlechte Schulausbildung, frauenspezifische Berufsverläufe, Armut). Diese Frauen benötigen besonders individuell abgestimmte Modelle von Arbeitsmöglichkeiten, die sie finanziell absichern, ihre begrenzte Leistungsfähigkeit jedoch berücksichtigen.

Typ 3 "plötzlich war alles anders" hat die auftretende körperliche Beeinträchtigung als Auslöser für eine komplette Lebensveränderung und Verlust des "alten Lebens" erfahren. Die vertraute berufliche und soziale Integration fehlt. Diese Frauen benötigen psychologische und berufsspezifische Orientierungshilfen und Angebote.

  1. Anliegen der Zielgruppe und mögliche Lösungsansätze

Viele der interviewten Frauen befinden sich in einem Stadium der sozialen Unsicherheit und finanziellen Unabgesichertheit. Krankheitsbedingte Pensionen werden zunehmend seltener bewilligt, gleichzeitig wird der Arbeitsmarkt von nicht durchgängig voll leistungsfähigen Menschen als abweisend erlebt. Die Mehrheit der befragten Frauen lebt in Armut. Wichtig erscheinen eine finanzielle Absicherung und eine Berücksichtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt. Sozialpolitische Lösungen sollten daher entweder eine finanzielle Grundsicherung favorisieren und/oder den Lebensunterhalt sichernde Arbeitsplätze schaffen, die den körperlichen und geistigen Möglichkeiten der Frauen und Männer mit Behinderung entsprechen. Das kann sowohl durch geförderte Arbeitsplätze geschehen als auch mit Hilfe einer konsequenteren Umsetzung des Behinderteneinstellungsgesetzes.

Informationsmangel und das Herumirren im Ämterdschungel wird von vielen Frauen als sehr belastend und behindernd empfunden. Gleichzeitig besteht der große Wunsch, eine umfassende, langfristige und individuelle Beratung und Betreuung zu erhalten, die alle Bereiche betrifft: Information über Förderungen, Ansprüche und rechtliche Grundlagen, ärztliche Gutachten, Arbeitsplatzsuche, passende Weiterbildungen, psychische Unterstützung, Hilfe bei der Kinderbetreuung u. ä. Statt der bisher üblichen spezialisierten Beratung sollte es für alle Menschen mit Behinderung eine Person oder Institution geben, die diese vielfältigen Bedürfnisse vernetzt und individuell unterstützt. Empfehlenswert wäre auch die Einrichtung einer "Ombudsfrau", speziell für Frauen mit Behinderung. Wichtig wäre zudem eine Absprache der relevanten Institutionen über Vorgehensweisen, die das Interesse der betroffenen Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt stellt.

Die Reichweite und langfristige Auswirkung des Status "begünstigt behindert" ist keiner der befragten Frauen bei der Beantragung bewusst gewesen. Eine grundsätzlich Schutz gebende Bestimmung ist hier zu einer zusätzlichen Barriere für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt geworden. Detaillierte und verständliche Informationen zu Behindertenpass und dem Status "begünstigt behindert" erscheinen dringend notwendig. Aufklärung der ArbeitgeberInnen über die tatsächlichen rechtlichen Anwendungen etwa des Kündigungsschutzes ist notwendig. Gewünscht wird auch eine flexiblere Handhabung des Status: es sollte möglich sein, diesen wieder abzulegen.

Viele der Frauen sind mehrfach belastet: die körperliche Beeinträchtigung tritt häufig in Kombination mit Gewalterfahrungen und anderen belastenden Erlebnissen auf. Diese Frauen benötigen eine niederschwellige, ganzheitliche und umfassende psychologische und medizinische Beratung und Betreuung. Das könnten entweder bestehende Einrichtungen, etwa Frauenberatungsstellen, übernehmen, indem sie gezielt auch diese Gruppe von Frauen mit Behinderung ansprechen, oder neu zu gründende Beratungsstellen.

Menschen mit Beeinträchtigungen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor stigmatisiert und erfahren vielfältige Behinderungen. Nur sehr wenige Interviewpartnerinnen haben eine selbstbewusste Identität als Frau mit Behinderung, kaum eine ist in einer Interessensvertretung aktiv, nur wenige haben Austausch mit anderen Frauen mit einer ähnlichen Beeinträchtigung. Da Frauen mit Behinderung jedoch unter mehrfacher Diskriminierung leiden, ist es wichtig "Empowerment"-Prozesse zu fördern.

  1. Empfehlungen für Ansatzpunkte von Maßnahmen und Förderungen

Die schlechte Datenlage im Bereich von Menschen mit Behinderung verstärkt sich, wenn es um das Erfassen der Situation von Frauen mit Behinderung geht. Der Mangel an genderdifferenzierten Statistiken verschleiert die Situation von Frauen mit Behinderung, die oft unter einer potenzierten Diskriminierung leiden. Nur wenn aussagekräftige Statistiken vorhanden sind, kann gezielt die Situation von Frauen mit Behinderung verbessert werden. Alle AkteurInnen im behinderungspolitischen Bereich sollten daher sämtliche Daten geschlechtsdifferenziert aufbereiten.

In den folgenden Empfehlungen geht es um die Fragen:

Wie können arbeitsmarktferne Frauen mit Behinderung besser erreicht werden?

Wie können sie zu einer sinnvollen Ausbildung und zu einem Arbeitsplatz kommen?

  1. Informationsstand der Zielgruppe verbessern

Menschen mit Behinderungen sind wenig in Interessensvertretungen und Selbsthilfegruppen organisiert und daher über diesen Weg meist nur schwer zu erreichen. Daher haben sie oft nur wenig Informationen über Förderungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, besonders Frauen bezeichnen sich als sehr schlecht informiert. Dementsprechend sollte

  • das Bundessozialamtes, etwa durch E-mails und Briefe, aktiv, gezielt und regelmäßig den Kreis der begünstigt Behinderten informieren: über neue geförderte Projekte, veränderte rechtliche Rahmenbedingungen, neue Serviceangebote u. ä.

  • Information über vielfältige Kanäle verbreiten werden, vor allem in niederschwelligen Medien, etwa Regionalsender wie Studio Wien

  1. Mehr und niederschwelligere Zugänge zu Leistungen schaffen: Beratung über Rechte und soziale Dienstleistungen ausweiten und bestehende Beratungsmöglichkeiten ausbauen und vernetzen

  • Ausbau der niederschwelligen Beratung im Bundessozialamt, mehr Personalressourcen

  • Vermehrtes Coaching und Arbeitsassistenz für die Zeit von Arbeitssuche und beim beruflichen Wiedereinstieg - besonders Frauen wünschen sich individuelle Beratung und Betreuung

  • Das Beratungs-Know-how in Frauen- und Mädchenberatungsstellen nutzen und dort zusätzliche Beratungs-Ressourcen schaffen, indem Mitarbeiterinnen von Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen für die Anliegen und Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen sensibilisiert und hinsichtlich gesetzlicher Grundlagen und Förderungsmöglichkeiten geschult werden. Speziell Frauen, die durch Gewalterlebnisse traumatisiert oder durch Schmerzen belastet sind, können in Frauenberatungsstellen ganzheitlich und kompetent beraten und betreut werden.

  • Vernetzung der frauenspezifischen Beratungsstellen mit den relevanten Ämtern.

  • Eine Beratungsstelle speziell für Frauen mit Krankheiten und Behinderungen einrichten - als Treffpunkt, Kontaktstelle, Informationsquelle und Raum für Gruppenangebote sowie für individuelle Beratung und Coaching

  1. Den Ämterdschungel entwirren: Zusammenarbeit der zuständigen Behörden und Verwaltungsebenen

  • Die Interessen der Menschen mit Behinderung als KundInnen der Ämter in den Mittelpunkt stellen: vereinfachte und transparente Verfahren und direkte kundenbezogene Absprachen

  • Dialog in behördenübergreifender Arbeitsgruppe intensivieren

  • Regelmäßige Fachforen

  • Schulungen und Supervision für BeraterInnen, AmtsärztInnen u. ä.

  1. Qualifikationsmaßnahmen stärker an den Wünschen und Bedürfnissen von Frauen mit Behinderung orientieren

  • Ausbildungen für soziale Berufe - z. B. Besuchsdienst, Lebens- und Sozialberaterin

  • Kinderbetreuungsangebote für Mütter kleinerer Kinder und Qualifizierungen mit weniger Wochenstunden und spezielle Kursangebote nur für Frauen

  1. Realistische Erwerbsmöglichkeiten eröffnen

  • Möglichkeit einer existenzsichernden Teilzeit-Erwerbstätigkeit schaffen, damit Menschen mit Behinderungen nicht in akute bzw. verfestigte Armut geraten. Erwerbstätigkeit ist wegen der sozialen Integration grundsätzlich wichtig für die Betroffenen. Sie sind jedoch oft gesundheitlich nicht in der Lage, eine Vollzeit-Beschäftigung auszuüben.

  • Ausbau von sozialökonomischen und gemeinnützigen Betrieben mit unbefristeten Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen

  • mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst

  • gezielte Aufnahme von Frauen mit Behinderung in Nischenbereiche für Niedrigqualifizierte, wie Portierin, Billeteurin

8 LITERATUR, EINRICHTUNGEN, LINKS

8.1 Literatur

Amann, Gabriele; Wipplinger, Rudolf (Hrsg.) (2005). Sexueller Missbrauch. Überblick zu Forschung, Beratung und Therapie. Ein Handbuch. Tübingen: Dgvt-Verlag.

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Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (2003). Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich. Wien.

Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (Sektion IV/7). Statistische Daten der Behinderteneinstellung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz und Angelegenheiten nach dem Bundesbehindertengesetz. Ausgabe 2005.

Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (Sektion IV/Abteilung 7). Statistische Daten der Behinderteneinstellung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz und Angelegenheiten der Behinderten nach dem Behindertengesetz. Ausgaben 2005.

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Kubinger, K. D. & Jäger, R. S. (Hrsg.) (2003). Schlüsselbegriffe der Psychologischen Diagnostik. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz.

Lenz, Hans-Joachim (Hrsg.) (2000). Männliche Opfererfahrungen. Problemlagen und Hilfsansätze in der Männerberatung. Weinheim, München: Juventa.

Lewis Herman, Judith (2003). Die Narben der Gewalt. Paderborn: Junfermann. Mitscherlich, Alexander (1966). Krankheit als Konflikt. Frankfurt: Suhrkamp.

Olbricht, Inge (1993). Was Frauen krank macht. Der Einfluss der Seele auf die Gesundheit der Frau. München: Kösel.

Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen. Armutsbetroffene Frauen in Österreich - Gesundheit und Erkrankungsrisiko. Wien 2003.

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Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen. Nutzung von Gesundheitsleistungen durch sozial schwächere Gruppen. Schriftenreihe "Originalarbeiten-Studien-Forschungsberichte" des BMAGS 2/99, Wien.

Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Veränderliche Werte und Daten 2005.

Reich, Wilhelm (1972). Die Entdeckung des Orgons I. Frankfurt: Fischer.

Schildmann, Ulrike; Bretländer, Bettina (Hrsg.) (2000). Frauenforschung in der Behindertenpädagogik. Systematik-Vergleich-Geschichte-Bibliographie. Ein Arbeitsbuch. Münster, Hamburg, London: Lit-Verlag.

Schneider, Ulrike (1981). Was macht Frauen krank? New York, Frankfurt: Campus.

Springer-Kremser, Marianne (2001). Die Funktion individueller und institutioneller Gewalt bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheit. Enquete: Gewalt macht krank. Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen. Wien 2001.

Statistik Austria (Hrsg.) (2005). Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC 2003 in Österreich.

Statistik Austria, Mikrozensus Sonderprogramm "Fragen zur Familie", 2001.

Statistik Austria. Direktion Volkswirtschaft 2003.

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Statistik Austria. Volkszählung 2001.

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Teegen, Frauke (1983). Ganzheitliche Gesundheit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

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8.2 Einrichtungen, Links

abz.austria

Chancen für Frauen - Chancen der Wirtschaft

Wickenburggasse 26/5, A-1080 Wien

Tel.: (01) 667 03 00

Fax: (01) 667 03 00-4

Email: abzaustria@abzaustria.at

Web: www.abzwien.at

AHV - Eine obligatorische Versicherung für alle

Zentrale Ausgleichsstelle

Av. Edmond-Vaucher 18

Postfach 3000, CH-1211 Genf 2

Tel.: 0041-(0)22-795 91 11

Fax: 0041-(0)22-797 15 01

Email: webmaster@zas.admin.ch

Web: www.avs-ai.ch

AMS Österreich, Bundesgeschäftsstelle

Treustraße 35-43, 1200 Wien

Tel.: (01) 33178-0

Fax: (01) 33178-121

Email: ams.wien@ams.at

Web: www.ams.at

BBFZ - Berufsbildungs- und Forschungszentrum

für Blinde und Sehbehinderte

Hägelingasse 3, A-1140 Wien

Tel.: (01) 786 70 78-0

Fax: (01) 786 70 78-99

Email: info@bbfz.at

Web: www.bbfz.at, www.sozialinfo.wien.gv.at

AMS Wien, Landesgeschäftsstelle

Landstraßer Hauptstraße 55-57, 1030 Wien

Tel.: (01) 878 71

Fax: (01) 878 71-504 90

Email: ams.wien@ams.at

Web: www.ams.at

BBRZ Reha GmbH.

Geiselbergstr. 26-32, 1110 Wien

Tel.: (01) 740 22-0

Fax: (01) 740 22-333

Email: wien@bbrz.at

www.bbrz.at

BEST - Institut für berufsbezogene Weiterbildung

und Personaltraining GmbH.

Mariahilfer Straße 8, 1070 Wien

Tel.: (01) 585 28 82

Fax: (01) 585 28 82-88

Email: office@best-training.com

Web: www.best-training.com

Bifos - Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten

Leben Behinderter/ Bundesgeschäftsstelle

Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e. V. - ISL

Hermann-Pistor-Str. 1, D-07745 Jena

Telefon: (0049) 3641 234795

Telefax: (0049) 3641 396252

Email: service@bifos.de

Web: www.isl-ev.org.de , www.bifos.org

Bundesarbeiterkammer Wien

Prinz Eugen Strasse 20-22, 1040 Wien

Tel.: (01) 501 65-0

Email: akmailbox@akwien.at

Web: wien.arbeiterkammer.at

Bundesrechenzentrum GmbH

Hintere Zollamtsstraße 4, A-1030 Wien

Tel.: (01) 71123-0

Fax: (01) 71123-3500

Email: office@brz.gv.at

Web: www.brz.gv.at

Bundessozialamt - Landesstelle Wien

Babenbergerstraße 5, 1010 Wien

Tel.: (01) 05 99 88

Fax: (01) 05 99 88-23 02

Email: bundessozialamt.wien1@basb.gv.at

Web: www.basb.bmsg.gv.at

Die Armutskonferenz - Netzwerk gegen Armut

und soziale Ausgrenzung

Gumpendorferstraße 83

1060 Wien

Tel.: (01) 402 69 44-11, Fax: (01) 402 69 44-19

Email: office@armutskonferenz.at

Web: www.armutskonferenz.at

Domino - Zentrum für Kompetenzen

Beratungsstelle für behinderte Menschen

Wassergasse 2, A-1030 Wien

(Eingang Erdberger Lände)

Tel.: (01) 92 914 92, Fax.: (01) 92 914 92-33

Email: info@zfk.at

Web: www.zfk.at

Fonds Soziales Wien

Guglgasse 7-9, 1030 Wien

Tel.: (1) 4000-661 00

Fax: (1) 4000-663 95

Email: post@fsw.at

Web: www.fsw.at

Frauen beraten Frauen

Lehárgasse 9/2/17, 1060 Wien

Seitenstettengasse 5/7, 1010 Wien

Tel.: 587 67 50, Fax: 586 28 30

Email: verein@frauenberatenfrauen.at

Web: www.frauenberatenfrauen.at

Kriegsopfer- und Behindertenverband Österreich

(KOBV-Ö)

Sitz für Wien, NÖ und Burgenland

Lange Gasse 53, 1080 Wien

Tel.: (01) 406 15 80

Email: kobvoe@kobv.at

Web: www.kobv.at

Multiple Sklerose Gesellschaft Wien

Beratungszentrum

Hernalser Hauptstraße 15 - 17, 1170 Wien

Tel.: (01) 409 26 69

Fax: (01) 409 26 69/20

Email: office@msges.at

Web: www.msges.at

Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation

(ÖAR)

Dachverband der Behindertenverbände Österreichs

Stubenring 2/1/4, 1010 Wien

Tel.: (01) 513 15 33-0

Fax: (01) 513 15 33-150

Email: dachverband@oear.or.at, Web: www.oear.or.at.

Österreichischer Blinden- und Sehbehindertenverband

Hägelingasse 3, 2. Stock, 1140 Wien

Tel.: (01) 982 75 84-12

Fax: (01) 982 75 84-14

Email: office@blindenverband.at

Web: www.oebsv.at oder www.blindenverband.at

Parlament der Republik Österreich

Dr. Karl-Renner-Ring 1-3, 1017 Wien

Tel.: (01) 40110-0, Fax: (01) 40110-0

Literaturdokumentation

Tel.: (01) 40110-2218, Fax: (01) 40110-2827

Email: litdok@parlament.gv.at, Web: www.parlament.gv.at

Pensionsversicherungsanstalt (PVA)

Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien

Tel.: (1) 05 03 03-0

Fax: (1) 05 03 03-288 50

Email: pva@pva.sozvers.at

Web: www.pensionsversicherung.at

People First Wien - Verein für Selbstvertretung

und Barrierefreiheit

Donau City Straße 2 (Würfel-Kirche), 1220 Wien

Tel.: 06991-20 52 799, 0664-39 68 340

Email: info@peoplefirst-wien.at

Web: www.peoplefirst-wien.at

Statistik Austria

Bundesanstalt Statistik Österreich

Guglgasse 13, 1110 Wien

Tel.: (1) 711 28

Tel.: Mikrozensus: (1) 71128-83 38

Fax: (1) 715 68 28

Email: info@statistik.gv.at

Web: www.statistik.at

Team 4 - KünstlerInnenservice Wien

Salztorgasse 1, 1010 Wien

Tel.: (01) 53 33 828, Web: www.team4.or.at

 

Team 4 - Projektmanagement GmbH. Graz

Glacisstrasse 69, 8010 Graz

Tel.: 0316-81 56 56

Mail: t.karlovic@team4.or.at, Web: www.team4.or.at

Volkshilfe Wien

Weinberggasse 77, 1190 Wien

Tel.: (01) 360 64-0

Fax: (01) 360 64-61

Email: landessekretariat@volkshilfe-wien.at

www.volkshilfe-wien.at

Wiener Roten Kreuzes

Visitas

Betreuung und Begleitung für ältere Menschen

Spallartgasse 10a, 1140 Wien

Tel.: (01) 79580-8400

Email: visitas@w.redcross.or.at, Web: www.wrk.at/visitas

Wikipedia - Die freie Enzyklopädie

Web: de.wikipedia.org

Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)

Gründer-Service Wien

Stubenring 8-10, 1010 Wien

Tel.: (01) 514 50-1347 oder 1211, Fax: (01) 514 50-1491

Email: gruenderservice@wkw.at

Web: www.gruenderservice.net

8.3 Die Autorinnen

Dr.in Kerstin WITT-LÖW (Jahrgang 1960) ist Sozialwissenschaftlerin, Organisationsberaterin und Coach. In ihrer Tätigkeit in Forschung, Lehre und Beratung verbindet sie die Themen Diversity, die Wertschätzung kultureller Vielfältigkeit, mit Empowerment, also der Stärkung von gesellschaftlich Benachteiligten - auf individueller organisatorischer und gesellschaftlicher Ebene. Ein Schwerpunkt liegt in der beruflichen Förderung von Frauen.

Ihre Publikationen befassen sich u. a. mit Mentoring für Frauen und weibliche Karrierewegen. Sie ist, gemeinsam mit Marion Breiter, die Autorin des 2005 erschienenen Buches "... nicht Mitleid sondern faire Chancen!" PERSPEKTIVA - Studie zur Lebens- und Berufssituation blinder und hochgradig sehbehinderter Frauen in Wien.

Kerstin Witt-Löw ist Mitbegründerin des sozialwissenschaftlichen Instituts SOFIA und seit vielen Jahren Lehrbeauftragte für Frauen- und Genderforschung an der Universität Wien.

www.institut-sofia.at/kerstinwitt-loew.html

Dr.in Marion BREITER (Jahrgang 1952) ist Sozialwissenschaftlerin, Projektmanagerin und Psychotherapeutin. In ihrer beruflichen Arbeit verbindet sie Forschung, Lehre und praktische Anwendung, Projektarbeit und internationale Vernetzung von Frauenorganisationen, um zur Verbesserung de Lebenssituation von Frauen beizutragen. Sie hat die erste Wiener Frauenberatungsstelle, das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen und das sozialwissenschaftliche Institut SOFIA mitbegründet.

Ihre wichtigsten Publikationen befassen sich mit den Themen Frauenberatung, Gewalt gegen Frauen und Lebenslagen von Frauen mit Behinderungen. Sie ist die Autorin des Buches "Muttersprache Gebärdensprache. VITA - Studie zur Lebens- und Berufssituation gehörloser Frauen in Wien" (2005). Marion Breiter ist seit vielen Jahren Lehrbeauftragte für Frauen- und Genderforschung an der Universität Wien.

www.institut-sofia.at/marionbreiter.html

9 ANHANG

Interviewleitfaden

Fragebogen

I MOTIVATION für die Teilnahme am Interview

  1. Was hat Sie dazu bewogen, als Interviewpartnerin an dieser Studie teilzunehmen?

II BEHINDERUNG, AUSWIRKUNGEN und REAKTIONEN

  1. Welche Form von Beeinträchtigung/Erkrankung haben Sie? Zusatzfrage: Haben Sie außer der eben beschriebenem Beeinträchtigung/Erkrankung noch andere Beeinträchtigungen/Krankheiten?

  2. Welche körperlichen Auswirkungen/Symptome haben Sie durch diese Beeinträchtigung?

  3. Stoßen Sie aufgrund Ihrer Erkrankung auf irgendwelche Barrieren/Hindernisse in ihrer Umwelt?

  4. Seit wann haben Sie diese Beeinträchtigung?

  5. Wie hat Ihre Beeinträchtigung Ihre Schulausbildung/ Berufsausbildung/ Berufsleben beeinflusst? (!Frage bitte in Abhängigkeit von Antwort zu Frage 5 stellen!)

  6. Was hat sich dadurch in Ihrer Schulbildung/ Berufsausbildung/ Berufsleben verändert (vorher/nachher)

  7. Wie haben Ihre Familienangehörigen auf Ihre Beeinträchtigung reagiert?

  8. Was hat Ihnen in der Situation geholfen?

  9. Was hätten Sie sich an diesem Punkt in Ihrem Leben an Unterstützung gewünscht?

  10. Welche Botschaften für Ihr Leben haben Sie von ihren engsten Familienmitgliedern bekommen?

  11. Welche Tipps können Sie einer anderen Frau geben, die in eine ähnliche Situation kommt?

  12. Haben Ihrer Meinung nach Frauen mit körperlichen Beeinträchtigungen andere oder mehr Probleme als Männer in der gleichen Situation?

III ALLTAG

  1. Wie gestalten Sie derzeit Ihren Alltag? Beschreiben Sie bitte einen typischen Tagesablauf?

  2. Benötigen Sie irgendeine Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags?

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 16

  • wenn Nein, weiter zu Frage 17

  1. Von wem bekommen Sie diese Unterstützung?

  2. Wie ist die Hausarbeit in Ihrer Familie aufgeteilt?

  3. Haben Sie Kinder? Wenn Ja, Frage 19 (!Frage 27!), Wenn Nein, Frage 20

  4. Wie ist die Betreuung Ihrer Kinder in Ihrer Familie aufgeteilt?

  5. Verwenden Sie im Alltag irgendwelche Hilfsmittel, wie z. B. Gebärdendolmetsch, eine spezielle EDV- oder technische Ausrüstung?

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 21

  • wenn Nein, weiter zu Frage 22

  1. Wer bezahlt diese Hilfsmittel?

  2. Wen unterstützen Sie im Alltag?

IV SOZIALES UMFELD

  1. Haben Sie genügend nahe Kontakte zu anderen Menschen?

  2. Sprechen Sie (grundsätzlich) mit anderen über Ihre Beeinträchtigung? Haben Sie Personen, mit denen Sie über Ihre Beeinträchtigung sprechen?

  3. Wie reagieren FreundInnen bzw. Ihr soziales Umfeld auf Ihre Beeinträchtigung?

  4. Haben Sie Kontakte zu Personen, die eine ähnliche Beeinträchtigung haben?

V MUTTERSCHAFT

  1. (!Frage 18!) Sie haben gesagt, dass sie ein Kind/Kinder haben. Haben Sie sich für diese Schwangerschaft nachdem oder bevor sie erkrankt sind entschieden?

  • Wenn Nachdem, weiter zu Frage 28 - wenn Bevor, weiter zu Frage 32

  1. Welche Reaktionen haben Sie, aufgrund der Entscheidung ein Kind zu bekommen in ihrem Umfeld erhalten?

  2. Benötigen Sie irgendeine Unterstützung zur Betreuung ihres Kindes/Ihrer Kinder?

  • Wenn Ja, welche?

  1. Wie hat ihr Kind/ haben Ihre Kinder auf Ihre Beeinträchtigung reagiert?

  2. Welche Tipps können Sie anderen Müttern mit einer Beeinträchtigung/Krankheit geben?

VI ENTSCHEIDUNG für eine bestimmten Beruf/ Berufsausbildung

  1. Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?

  2. Wie schätzen Sie Ihre Entscheidung für diese Berufsausbildung im Nachhinein ein?

  3. Gibt es Ihrer Meinung nach für Frauen oder Mädchen, die eine Beeinträchtigung/Krankheit haben, spezielle Probleme im Rahmen einer Berufsausbildung?

  • Wenn Probleme, weiter zu Frage 35 - wenn keine Probleme, weiter zu Frage 36

  1. Haben Sie dazu Unterstützungs- Lösungsvorschläge?

  2. Sollte es Weiterbildungskurse speziell für Frauen geben, z. B. im EDV Bereich?

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 37 - wenn Nein, weiter zu Frage 38

  1. Was würden Sie sich von Kursen speziell für Frauen erwarten?

VII BEHINDERTENPASS

  1. Seit wann haben Sie den sogenannten "Behindertenpass?

  2. Was hat sich durch den Erhalt dieses Passes? in Ihrem Leben verändert?

  3. Haben Sie sich als "begünstig Behinderte" gemeldet?

  • Wenn Ja, weiter mit Frage 42 - wenn Nein, weiter mit Frage 41 (dann Frage 44)

  1. Aus welchen Gründen haben sie das nicht getan?

  2. Wann und aus welchen Gründen haben Sie sich dazu entschlossen?

  3. Was hat sich dadurch in Ihrem Leben geändert?

VIII BERUF

  1. Üben Sie zur Zeit eine beruflicher Tätigkeit aus, auch wenn diese unbezahlt oder ehrenamtlich ist?

  • Wenn Ja, weiter mit Frage 46 (!ACHTUNG: Gegenwart benutzen!)

  • wenn Nein, weiter mit Frage 45 (dann ab Frage 46 in der Vergangenheit bleiben!)

  1. Haben Sie früher einen Beruf ausgeübt?

(falls die Interviewpartnerin sagt, dass sie derzeit berufstätig ist, dann weiter mit Frage 46,

jedoch alle Fragen zum Beruf in der Gegenwartsform stellen)

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 46 - wenn Nein, weiter zu Frage 47

  1. Welcher Beruf war das?

  2. Kurze BESCHREIBUNG DER BERUFSLAUFBAHN - mit WICHTIGEN WENDEPUNKTEN. Können Sie kurz ihre berufliche Laufbahn, mit den wichtigsten Stationen/ Veränderungen/ Wendepunkten beschreiben?

  3. Hat Ihnen Ihr Beruf die Entfaltung Ihres Wissens, Ihrer Fähigkeiten und Talente ermöglicht? (Einschätzung von 1 bis 5 - nach Schulnoten: 1= sehr gut, 5= mangelhaft)

  4. Waren Sie mit Ihrer beruflichen Situation zufrieden? (Einschätzung von 1 bis 5 - nach Schulnoten !)

  5. War Ihren KollegInnen und Vorgesetzten Ihre Beeinträchtigungen bekannt?

  6. Wie haben sie davon erfahren?

  7. Wie haben sie darauf reagiert?

  8. Warum haben Sie Ihre Berufstätigkeit abgebrochen?

  9. Was hindert Sie heute daran, einen Beruf auszuüben?

  10. Für welche Art von Tätigkeit würden Sie sich trotz oder gerade wegen ihrer Behinderung geeignet fühlen? Welche besonderen Fähigkeiten oder Ressourcen haben Sie?

  11. Wäre es für Sie wünschenswert, wieder (= bei vorher Berufstätigen - "wieder" weglassen, wenn sie nie berufstätig waren) eine berufliche Arbeit zu haben?

  12. Wie schätzen Sie die Chance ein, wieder ins Berufsleben einzusteigen?

  13. Was würde sich in Ihrem Leben ändern, wenn sie wieder berufstätig wären?

  14. Was würden Sie brauchen, um wieder berufstätig werden zu können?

  • Ausbildung, Umschulung - welche:

  • Hilfsmittel - welche:

  • Haushaltshilfe

  • technische Geräte - welche:

  • EDV, was genau:

  • Unterstützende Personen, besonders für:

  • Informationen - welche:

  • Beratung - welche: psychologische, psychotherapeutische

  • Berufsberatung

  • Selbsthilfegruppen

  1. Sind irgendwelche dieser Punkte besonders wichtig für Sie?

  2. Ist Ihnen davon schon in irgendeiner Einrichtung etwas angeboten worden?

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 62 - wenn Nein, weiter zu Frage 65

  1. Von wem und wann?

  2. Wie schätzen Sie die Nützlichkeit dieser Angebote ein?

  3. Welche Informationen haben Sie dort bekommen zu:

  • Beratungen

  • Umschulungen

  • Kurse

  • Selbsthilfegruppen

  • medizinische Maßnahmen

  1. Machen Sie zur eine Form von Weiterbildung, beruflicher oder persönlicher Art?

  2. Welche Maßnahmen würden Sie grundsätzlich für sich als nützlich erachten (gemeint: Anregungen für Veränderungen, neue Entwicklungen etwa Kurse, Beratung, gesetzliche Maßnahmen, wie z. B. Möglichkeit der Teilzeitarbeit neben Erwerbsunfähigkeitspension)

VIII BESONDERE FÄHIGKEITEN

  1. Gibt es etwas, von dem Sie sagen, Sie können es besonders gut?

  2. Was machen Sie besonders gern?

IX EINKOMMEN

  1. Wie hoch ist ihr persönliches monatliches Nettoeinkommen?

  2. Erhalten Sie Pflegegeld?

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 70 - wenn Nein, weiter zu Frage 71

  1. Wie viel Pflegegeld erhalten Sie? Und welcher Pflegestufe entspricht dieser Betrag?

  2. Gemessen an Ihren Bedürfnissen, wie schätzen Sie Ihr Einkommen ein?

  3. Ermöglicht Ihnen Ihr Einkommen ein eigenständiges Leben?

X GEWALTERFAHRUNGEN

  1. Ich weiß, es ist eine heikle Frage, aber haben Sie jemals Gewalt erlebt?

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 73 - wenn Nein, weiter zu Frage 74

  1. Glauben Sie, dass wenn ein Mensch in seinem Leben Erfahrungen mit Gewalt gemacht hat, das Einfluss auf die Entstehung von Krankheiten hat? / Gibt es Ihrer Meinung nach einen Zusammenhang zwischen Ihrer Krankheitsgeschichte und den Gewalterfahrungen?

  2. Fühlen Sie sich aufgrund Ihrer Beeinträchtigung stärker durch Gewalt gefährdet?

XI HOBBIES, INTERESSEN, FREIZEIT

  1. Wie verbringen Sie ihre Freizeit?

  2. Haben Sie Ideen, Wünsche, Anregungen in diesem Bereich?

XII GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT

  1. Sind Sie in irgendwelchen Vereinen, Interessensvertretungen oder Frauenorganisationen tätig?

  • Wenn Ja, weiter zu Frage 78 - wenn Nein, weiter zu Frage 79

  1. Haben Sie Wünsche oder Anregungen in diesem Bereich?

  2. Haben Sie politische Forderungen für Menschen mit Behinderung?

  3. Haben Sie Forderungen speziell für Frauen?

XIII ABSCHLUSS

  1. Stellen Sie sich in 5 Jahren vor: Es kommt alles so, wie Sie es sich wünschen, wie würde Ihr Leben dann ausschauen?

  2. Was wünschen Sie sich als Auswirkung der Studie?

  3. Möchten Sie zu unserem Gespräch noch irgendetwas sagen oder ergänzen?

Herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben!

Anmerkung der bidok-Redaktion: Der Fragebogen kann unter http://bidok.uibk.ac.at/download/anhang-witt-loew-luzia.pdf herunter geladen werden.

Quelle:

Kerstin Witt-Löw, Marion Breiter: Luzia - Studie zur Lebenssituation arbeitsmarktferner Frauen mit Behinderung in Wien

Ein von Sozialstaatssekretär Sigisbert Dolinschek unterstütztes Projekt, gefördert aus Mitteln der Beschäftigungsoffensive der österreichischen Bundesregierung (Behindertenmilliarde) für Menschen mit Behinderungen

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 16.09.2013

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