Jahrestagung der IntegrationsforscherInnen 1999 in Waldheim

AG "QUALITÄT VON UNTERRICHT" / Untergruppe: Unterrichtsstandards

Autor:in - Ada Sasse
Themenbereiche: I-Tagung
Textsorte: Bericht
Releaseinfo: MitarbeiterInnen: Freimut Bahmann, Inge Krämer-Kilic, Harald Obenaus, Ada Sasse, Jutta Schöler
Copyright: © bei der Arbeitsgruppe 1999

Einleitung

In der Arbeitsgruppe bestand Konsens darüber, daß eine Festschreibung von normativen Standards für den gemeinsamen Unterricht die Gefahr in sich birgt, Spielräume zu beschneiden. Stattdessen wurde nach Schwerpunkten gesucht, die eine Orientierung bei der Beurteilung von Qualitäten des Unterrichts ermöglichen können. Folgende sieben Schwerpunkte wurden benannt:

1. Ermöglichung von Kooperation

Gemeinsamer Unterricht ist guter Unterricht, wenn alle Beteiligten (Lehrer und Schüler gleichermaßen) die Möglichkeiten haben, zu kooperieren. Dies funktioniert, wenn

  • Lehrer und Schüler die Fähigkeit besitzen, "in Projekten zu denken"

  • klare Arbeitsteilungen exisitieren, unterschiedliche Kompetenzbereiche ausgehandelt sind

  • Planungen gemeinsam vorgenommen werden und genügend Zeit für Absprachen vorhanden ist

2. Offenlegung zuverlässiger Strukturen

Unter Strukturen werden hier Beziehungen zwischen den Akteuren des Unterrichts als auch Arbeitsformen verstanden. Guter gemeinsamer Unterricht ist möglich, wenn

  • Strukturen von vornherein verbindlich festgelegt sind

  • dienstliche und private Interaktionen nicht miteinander verbunden sind

  • Vorverständigungen über mögliche Unterrichtsformen langfristig unternommen werden

  • Strukturveränderungen (wie die Öffnung des Unterrichts) allmählich vorgenommen werden

  • bestimmte Arbeitsformen immer wieder eingeübt werden (wie z.B. die Übertragung von Ergebnissen aus Teilarbeitsgruppen in die Gesamtgruppe)

3. SchülerInnen und LehrerInnen sind "Forscher"

Guter gemeinsamer Unterricht gelingt, wenn Lehrer und Schüler "forscherisch" tätig sind in dem Sinne, daß sie Unterricht (selbst)reflektierend begleiten, u.a. durch

  • die Beobachtung, Systematisierung und Dokumentation von Entwicklungen (Wissens-zuwachs, Verhaltensformen etc)

  • die Evaluation des von ihnen initiierten Unterrichts.

4. Bewußte Gestaltung von Beziehungen

Guter gemeinsamer Unterricht wird ermöglicht, indem auch unterhalb der Schülerselbst-verwaltung auf Schulebene die Qualität von Beziehungen reflektiert wird, z.B. hinsichtlich

  • des Verhältnisses behinderter zu nichtbehinderten Schülern

  • verschiedener Fremd- und Selbstbilder

  • des Thematisierens "atmosphärischer Störungen" sowie

  • unterschiedlicher Konfliktlösungsstrategien.

5. Eltern als Experten (...)

6. Wohlfühlen- "wellcoming school"

In gutem gemeinsamen Unterricht sind die SchülerInnen willkommen und fühlen sich wohl. Voraussetzung hierzu sind

  • für Schüler interessante und anregende Lernumwelten

  • ausgeglichenes und freundliches Schulklima

  • das Freisein der Schule/Klasse von latenten Konflikten.

7. Initiierung und Begleitung von differenzierten Lernprozessen

Gemeinsamer Unterricht ist notwendigerweise lernzieldifferent; um der Heterogenität der Schülerschaft zu entsprechen,

  • sind für möglichst jedes Kind nachprüfbare, zeitlich begrenzte Ziele zu formulieren

  • muß jedem Kind ein Zugang zum gemeinsamen Gegenstand/Thema eröffnet werden können

  • ist ein Minimum an sonderpädagogischer Kompetenz erforderlich

  • dürfen Ziele und Methoden nicht miteinander verwechselt werden

  • müssen Schüler lernen, auch selbst Lernprozesse zu initiieren.

Wegen der hohen Ansprüche, die zieldifferenter Unterricht an die LehrerInnen stellt, müssen sie zugleich in der Lage sein, sich vor der "Last der großen Verantwortung" auch zu schützen; die Differenz zwischen Realität und Ideal muß im Schulalltag einen Platz haben.

Ada Sasse

Pädagogische Hochschule Erfurt

Institut für Sonder- und Sozialpädagogik

Quelle:

Ada Sasse: Arbeitsgruppe: Jahrestagung der IntegrationsforscherInnen 1999 in Waldheim, "Qualität von Unterricht"/Untergruppe Unterrichtsstandards

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 13.10.2005

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