Soziale und emotionale Integration von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten

Themenbereiche: Schule
Textsorte: Diplomarbeit
Releaseinfo: Unveröffentliche Diplomarbeit von Theresa Lughofer am Institut für Psychologie der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg 1996. gekürzte Fassung der Diplomarbeit von Th. Lughofer mit Gottfried Wetzel, 1998
Copyright: © Theresa Lughofer 1996

1. Ausgangslage

Mit der 15. SchOG-Novelle wurde in Österreich beginnend mit dem Schuljahr 1993/94 der Volksschule der gesetzliche Auftrag erteilt, behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam zu unterrichten. "In Abkehrung von der bisher verfolgten Zielsetzung, in gesonderten Bildungseinrichtungen die beste mögliche Schule für behinderte Kinder zu entwickeln, sieht das Unterrichtsministerium die Entwicklung einer Schule unter Einschluß aller Kinder als zentrale Notwendigkeit zur Wahrung des Wohles behinderter wie nichtbehinderter Kinder." ... "Integration kann nur als ausdauernder Prozeß verstanden werden. Das bedingt, daß man bislang als 'Grenzen' verstandene Hindernisse als Aufgabe definiert, für die Wege und Lösungen gesucht werden müssen. Dabei muß auch anerkannt werden, daß es Probleme und Schwierigkeiten für alle Beteiligten geben wird, an denen sie aber letztlich menschlich und pädagogisch wachsen und reifen können." - so Unterrichtsminister SCHOLTEN in einer Grundsatzerklärung vom 12. Juni 1992.

Diese Novelle zur Eingliederung behinderter SchülerInnen in das Regelschulsystem d.h. die zunehmende Verlagerung sonderpädagogischer Förderung von der Sonderschule in die Regelschule stellt nicht nur für die LehrerInnen, sondern für alle an der Schule Beteiligten eine große Herausforderung dar. Heftige und engagierte Diskussionen über Vor- und Nachteile von Sonderschul- und Integrationsklassen waren und sind die Folge.

Laut Literatur (DUMKE & SCHÄFER, 1993; WOCKEN & ANTOR, 1987; REISER, 1990)und Meinungen von LehrerInnen handelt es sich bei verhaltensauffälligen SchülerInnen gerade um jene Schülergruppe, deren Integration die größten Schwierigkeiten bereitet. Diese SchülerInnen werden - so die Autoren - eher als lästig erlebt denn als mitleiderregend, wie das bei körperlich oder geistig behinderten Kindern der Fall ist, obwohl auch verhaltensauffällige Kinder ein besonderes Schicksal tragen. Das Ziel sollte auch für verhaltens- und lernbehinderte Kinder eine integrative Pädagogik sein, denn diese Beeinträchtigungen dürfen nicht zur Aussonderung von Kindern aus allgemeinen Schulen führen. Es ist daher sehr ermutigend, daß übereinstimmend berichtet wird, daß die Kinder mit Lern- und Verhaltensstörungen in integrativen Klassen "gute Entwicklungschancen" haben. (REISER, 1990, S. 254)

In Österreich ist zu dieser Thematik keine Vergleichsstudie bekannt, auch in den deutschsprachigen Forschungsprojekten (beispielsweiseHAEBERLIN ET AL., 1991; WOCKEN & AN-TOR, 1987)sind vorwiegend Untersuchungen zur Integration von Körper-, Sinnes-, Geistes- oder Lernbehinderten durchgeführt worden.Andere Autoren (z.B.MUTZECK & PALLASCH, 1987; SPECK ET AL., 1978)setzen sich bei der Integration von Schülern mit Verhaltens- und Lernauffälligkeiten vorwiegend mit praktischen Modellen und Versuchen auseinander, weniger aber mit der tatsächlichen emotionalen und sozialen Integration dieser Kinder. Hier soll aber besonders der Frage: "Wie weit können verhaltensauffällige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf beim gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder sozial und emotional integriert werden?" nachgegangen werden.

2. Verhaltensauffällige Kinder

Kaum abgrenzbar und sehr schwierig einzuordnen sind "verhaltensauffällige Kinder". Im Zusammenhang mit diesem Syndrom werden verschiedenste Begriffe verwendet - beispielsweise Auffälligkeiten, Abweichungen, Probleme, Schwierigkeiten, Störungen. Die Bezeichnung "Verhaltensauffälligkeit" hat dabei besonders weite Verbreitung gefunden. Die Definition ist aber "stark von der jeweils zugrundeliegenden theoretischen Ausrichtung des Definierenden abhängig - und schließt damit bereits unterschiedliche Erklärungsmodelle mit ein." (HANSEN & STEIN, 1994, S. 229)

Folgende Schwierigkeiten bei der Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten müssen deshalb mitbedacht werden:

  • Die Feststellung einer Verhaltensauffälligkeit hängt von Sichtweisen, Beurteilungen und daraus abgeleiteten Definitionen ab. Durch beispielsweise unterschiedliche Begriffsbildung und Abgrenzung können sich große Zahlenunterschiede ergeben.

  • Erhebungen werden oft von den für diese Problemgruppen zuständigen Institutionen durchgeführt und sind daher oft interessensorientiert.

  • Symptome können in vielen Situationen als "auffällig" betrachtet werden, in der Familie oder Bezugsgruppe kann jedoch ein angemessenes Verhalten dargestellt werden.

  • Sehr unterschiedliche Erscheinungen werden als Verhaltensauffälligkeiten bezeichnet, sind aber untereinander oft nicht vergleichbar.

  • Die Erfassung der Symptome geschieht oft losgelöst von Zusammenhängen - beispielsweise von lebensgeschichtlichen Daten oder dem situativen Kontext, in denen sich Verhaltensauffälligkeiten bilden. Aber nur durch die Miteinbeziehung dieser Faktoren lassen sich Verhaltensauffälligkeiten dementsprechend interpretieren.

In der Untersuchung selbst wird die Bezeichnung "Verhaltensauffälligkeit" verwendet, da dieser Begriff offener ist und nicht nur das Auffällige sondern zugleich auch derjenige eingeschlossen wird, dem etwas auffällt (vgl. GOETZE & NEUKÄTER, 1989). Als zusätzliche Einschränkung wurden nur jene SchülerInnen herangezogen, bei denen gleichzeitig ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde.

3. Forschungsstand der sozialen Integration von verhaltensauffälligen Kindern

Es wurden - im Vergleich zu Untersuchungen zur sozialen Integration von lernbehinderten Kindern - zu der Problematik "Verhaltensauffälligkeit" noch sehr wenige Untersuchungen durchgeführt, obwohl es ein sehr aktuelles und allseits diskutiertes Themengebiet ist. Es wird lediglich immer wieder darauf hingewiesen, daß die verhaltensauffälligen Kinder die niedrigsten soziometrischen Statuswerte - auch unter den behinderten Kindern - überhaupt haben. Die wenigen Ergebnisse und Statements, die gefunden wurden, werden zusammenfassend angeführt.

  • WOCKEN & ANTOR (1987, S. 81) kommen in ihren Untersuchungen zu den Ergebnissen, daß die nichtbehinderten Kinder meist ein "feines Gespür" entwickeln, welche Kinder besondere Rücksichtnahme und Zuwendung verdienen und welche nicht. Leider ist dabei der schwierige Umgang mit aggressiven Kindern ausgenommen, die "in aller Regel abgelehnt werden".

Dazu eine Tabelle von WOCKEN & ANTOR (1987, S. 245f):

Soziale Rollen

VH

SP

LB

GB

KB

"Beliebte"

     

2

1

"Lieblinge"

     

3

2

"Anerkannte"

   

1

1

1

"Unauffällige"

2

1

3

7

2

"Unbeliebte"

3

1

2

2

 

"Außenseiter"

2

 

1

2

 

Summe

7

2

7

17

6

Diese differentiellen Befunde sind nach WOCKEN & ANTOR ausdrücklich als vorläufige Tendenz anzusehen. Es bestehen in dieser Stichprobe auffällige Unterschiede zwischen körper- und geistigbehinderten Kindern einerseits und verhaltensauffälligen, sprach- und lernbehinderten Kindern andererseits. Als Hypothese wurde dazu formuliert, daß Kinder mit sichtbaren Behinderungen "gleichgewichtig am Rollensystem von Grundschulklassen" (WOCKEN & ANTOR, 1987, S. 246)teilnehmen, während Kinder mit Verhaltens-, Sprach- und Lernproblemen, also mit optisch eher unauffälligen Beeinträchtigungen in sozialen Rollen zu finden sind, die weniger positiv bewertet werden.

  • DUMKE & SCHÄFER (1993, S. 70)sind der Meinung, daß in Integrationsklassen ein dichtes Netz von sozialen Beziehungen, eine intakte Sozialstruktur und das Überwiegen einer sozialen Integration der behinderten Schüler vorgefunden werden kann. Jedoch gehören zu den abgelehnten Schülern ganz besonders "Kinder mit hypermotorischen und aggressiven Verhaltensweisen unabhängig von bestimmten Behinderungen".

In integrativen Klassen könnten "schwerwiegende Verhaltensstörungen" aufgefangen werden, wenn dementsprechende Hilfen zur Verfügung stehen. (REISER, 1990)Kinder mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten müssen nicht aus allgemeinen Schulen ausgesondert werden, obwohl diese Schüler enorme Anforderungen an die Integrationsfähigkeit stellen. Nach den Erhebungen von REISER "heben die Lehrerinnen fast ausschließlich auf die Verhaltensstörungen der nichtbehinderten Kinder ab, obwohl mindestens 1/3 aller als behindert geltenden Kinder zusätzlich zu einer geistigen, körperlichen, Sprach- oder Lernbehinderung eine solche aufweisen, wobei 10 % sogar als schwer verhaltensgestört gelten können."

  • Diese Aussage von REISER bestätigen auch WOCKEN & ANTOR (1987): In Integrationsklassen sind nicht die behinderten Kinder, diejenigen die Sorgen machen, sondern eher die sogenannten nichtbehinderten Kinder. So befinden sich in einigen Integrationsklassen in der Gruppe der nichtbehinderten SchülerInnen eine Reihe von Kindern mit unerwarteten Lern- und Verhaltensschwierigkeiten. Eine unverhältnismäßige Anhäufung von solchen Kindern kann die Arbeitsproduktivität und das Lernklima einer Klasse erheblich belasten, und auch von Integrationsklassen pädagogisch nicht mehr bewältigt werden. Es ist wichtig, daß jede Integrationsklasse gleichsam als ruhenden Pol eine Kerngruppe stabiler und emotional gefestigter Kinder hat, damit das soziale Gleichgewicht in der gesamten Klasse nicht aus den Fugen gerät.

Fast alle Untersuchungen kommen zu den Ergebnissen, daß verhaltensauffällige und lernbehinderte Kinder in Integrationsklassen zu den abgelehnten Schülern zählen. Dieser unerfreuliche Befund gilt allerdings nicht für Kinder mit anderen Behinderungen: So erfahren körper- und geistigbehinderte Kinder sehr wohl soziale Akzeptanz. Auch sind die Ergebnisse von den verwendeten Erhebungsmethoden abhängig. "Ferner sollte der relativ ungünstige generelle Befund zur sozialen Stellung vor allem lernbehinderter und verhaltensauffälliger Kinder in Integrationsklassen nicht den Eindruck erwecken, daß nichtbehinderte Kinder immer beliebt sind und ein hohes Ansehen genießen. Auch unter den Regelschülern kommen Gruppen wenig anerkannter und abgelehnter Kinder vor." (BENKMANN & PIERINGER, 1991, S.100-101)

4. Fragestellung und Darstellung der Meßinstrumente

In den entsprechenden Klassen wurden der Fragebogen zur Erfassung von Dimensionen der Integration von Schülern (FDI 4 - 6) von HAEBERLIN ET AL. (1989) und eine soziometrische Untersuchung zur empirischen Überprüfung des Integriertseins von verhaltensauffälligen Kindern durchgeführt.

* Der FDI 4-6 ist ein standardisierter Fragebogen, der ein objektives Urteil zur Beurteilung der Frage, ob ein (schulschwaches) Kind sozial, emotional und leistungsmotivational2) in einem Klassenverband integriert ist, erlaubt. Der FDI mißt die Selbsteinschätzung des Integriertseins und liefert damit Informationen über das tatsächliche Integriertsein aus der psychischen Sicht des Schülers.

* Beim Soziometrischen Test für die 3. bis 7. Klassen (ST 3-7) von PETILLION handelt es sich um einen standardisierten Test, der exakte Grenzen angibt, ab wann ein Statuswert als niedrig, mittel oder hoch in verschiedenen Altersstufen und Schularten einzustufen ist. Von großer Bedeutung ist das Wahlkriterium. Hier wurden folgende Fragen verwendet, wobei die Anzahl der Wahlen, die die SchülerInnen abgeben können, nicht begrenzt wurde: Welche Kinder aus deiner Klasse magst du sehr gerne? Welche Kinder aus deiner Klasse magst du nicht so gerne?

5. Durchführung der Untersuchung

5.1. Vorerhebung

Das Ziel der Vorerhebung war in erster Linie die Erfassung der Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, aber auch Kinder mit anderen Behinderungen oder chronischen Krankheiten sollten eruiert werden. Die Adressen von den in Frage kommenden Klassen wurden vom Landesschulrat Oberösterreich zur Verfügung gestellt (Stand: September 1994), wobei keine genauere Differenzierung ersichtlich war, ob es sich um Schulversuche ab der 3. Volksschulklasse oder um Klassen, die bereits im Regelschulsystem geführt werden, handelt. Insgesamt erhielten 38 Integrationsklassen an Volks- und Sonderschulen, 60 Stützlehrerklassen an Volksschulen und 12 Klassen der Allgemeinen Sonderschule die beiden Erhebungsblätter. Aufgrund der ausgefüllten Erhebungsblätter, die eine subjektive Beurteilung seitens des jeweiligen Lehrers beinhalten, wurden die Kinder ausgewählt, die für die Hauptuntersuchung in Frage kamen.

2) Auf diesen Subtest wurde verzichtet, da es in der Vorerhebung Bedenken der LehrerInnen gab, daß der Fragebogen für die SchülerInnen zu lang sein könnte.

5.2. Haupterhebung

Insgesamt wurden 22 Kinder zwischen 9 und 12 Jahre alt ausgewählt, davon sind 18 Buben und 4 Mädchen. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede entsprechen damit sehr genau den bereits bekannten Untersuchungen: Das Verhältnis verhaltensauffälliger Buben zu Mädchen wird weltweit als 4 : 1 angegeben. Die Klassenschülerzahl liegt bei den Integrations- und Stützlehrerklassen zwischen 9 und 24 Kindern, wobei der Durchschnitt bei 17,9 Kindern je Klasse liegt. Die Klassenschülerzahl liegt in den Sonderschulklassen zwischen 6 und 11 Kindern. Der Durchschnitt liegt bei 7 Kindern je Klasse.

Bei 17 Kindern wurde ein erhöhter Förderbedarf festgestellt. Fünf Kinder haben keinen sonderpädagogischen Förderbedarf, aber große Lernschwierigkeiten und müssen - oder haben bereits - die Klasse wiederholt/en. Daher wurden sie für die Untersuchung beibehalten: Vier dieser Kinder besuchen eine Stützlehrerklasse, ein Schüler eine Integrationsklasse. Ein zusätzlicher Lehrer, der für ein verhaltensauffälliges Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Stützlehrerklasse zur Verfügung steht, hat zwischen 0 und 14 Unterrichtseinheiten für den Schüler zur Verfügung.

Wie vielfältig Verhaltensauffälligkeiten mit sonderpädagogischem Förderbedarf sein können, zeigen einige Beispiele. Die LehrerInnen haben ihre "verhaltensoriginellen" Schüler folgendermaßen beschrieben:

  • "Niedrige Frustrationstoleranz, starke Blockaden im Bereich Schreiben und Lesen, sehr aggressiv, verletzt andere Kinder oft absichtlich, sucht immer Aufmerksamkeit und Anerkennung mit negativem Verhalten, kurz belastbar, hyperaktiv, sehr jähzornig und grob in seinem verbalen Ausdruck."

  • "Distanzlosigkeit, aggressives Verhalten den Mitschülern und Lehrpersonen gegenüber, Zerstörungswut, große Mitteilungsbedürftigkeit, motorische Hyperaktivität, geringe Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer, Leistungen bleiben hinter der Altersnorm zurück, er verweigerte lange Zeit die Schreibschrift."

  • "Stört den Unterricht durch Geräusche (Mund, Hände, Körper), reagiert nicht auf Ermahnung; Schuldzuweisung immer an andere, große Sprachschierigkeiten (d statt f), s-Probleme, geringe Merkfähigkeit, setzt sich in den Mittelpunkt."

  • "Kann sich nur kurzfristig selber beschäftigen, hyperaktiv, ständig unterwegs, geht selten in den Sesselkreis, ..., hat größte Schwierigkeiten im räumlichen und mathematischen Bereich, ebenso im grobmotorischen Bereich (Anziehen, Knöpfe zumachen)."

  • "Die Schülerin ist sehr 'bockig'. Sie zeigt dann gegen alles und jeden ablehnendes Verhalten (Pubertät?). Gleichgültigkeit gegenüber ihren schulischen Leistungen wird mir häufig vorgespielt. Die Schülerin hat große Teilleistungsschwächen im auditiven Bereich. Zudem ist sie sprachbehindert. Motorisch ist sie sehr geschickt."

  • "Kann Spielregeln nicht einhalten. Er wird dann gegen sich selbst und seine Mitschüler aggressiv. Ist sehr unsicher, fürchtet sich, wenn er alleine etwas holen soll (ängstlich). Will diese Unsicherheit aber durch 'wildes' Auftreten kaschieren. Sehr schlechte Arbeitshaltung, sehr langsam. Schwäche in der Raumorientierung. Motorisch ungeschickt. Sehr unkonzentriert."

  • "Der Schüler spuckt, beißt, kratzt, brüllt und schlägt grundlos andere Kinder. Er nimmt am Unterrichtsgeschehen nur sporadisch teil, akzeptiert die Anweisungen des Klassenlehrers überhaupt nicht, tut was ihm Spaß macht und stört den Unterricht permanent."

  • "Der Schüler möchte bei allen Mitschülern beliebt sein. Aufgrund seines aggressiven Verhaltens ihnen gegenüber, gelingt ihm das nicht. Darunter leidet er sehr. Neigt zu Perfektionismus. Kann im Spiel nicht verlieren. Der Schüler mischt sich gerne in Angelegenheiten ein, die ihn nicht betreffen ('gschaffteln')."

  • "Da das Kind in einem 'schlechten', sozialen Umfeld aufwächst, zeigt es auch Formen psychischer Behinderung. Sie ist oft verstört und reagiert aggressiv. Sie kann auch oft Wunschdenken und Realität nicht auseinanderhalten. Das Kind reagiert mit Allergien und Hautkrankheiten. Dysgrammatismus, Schwächen in der akustischen Wahrnehmung, Probleme im Bereich der Raumorientierung, leichte Ablenkbarkeit, geringe Frustrationstoleranz."

  • "... bemüht sich, jedoch schlechte Konzentrationsfähigkeit, nimmt regen Anteil an den Geschehnissen der Klasse, sehr hilfsbereit, trägt Konflikte in der Pause durch Kräftemessen (Raufen) aus."

  • "Kann Spielregeln nicht einhalten und wird dann gegen sich selbst und Mitschüler aggressiv."

  • "... hochgradige motorische Unruhe, Tendenzen zu aggressivem Verhalten, Orientierungslosigkeit um sozialen Gefüge der Klasse. Große Probleme im Bereich der Konzentration, ausgesprochene Lernbehinderung trotz durchschnittlicher Intelligenz, massive Integrationsstörungen, Redeflußstörung, erhöhter Tonus."

  • "Hyperaktivität, starke Stimmungsschwankungen, kann Folgen seiner Handlungen nicht abschätzen, keine innere und äußere Ordnung, Probleme in der Feinmotorik, geringe Konzentrationsfähigkeit, stark vernachläßigt."

  • "Hat großes Bedürfnis in der Klasse für Ordnung und Ruhe zu sorgen (v. a. in den Pausen), er mischt sich auch in Streitereien, die ihn eigentlich nicht betreffen ein, somit kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit ihm. Hat große motorische Schwierigkeiten (v. a. im Turnunterricht zeigen sich Auffälligkeiten)."

  • "... hat sich recht gut im Klassenverband eingefügt. Paßt ihm jedoch etwas nicht, wird er ausfallend ('ich bring dich um, ...'). In der Freizeit ist er viel unterwegs, er ist oft in der Bezirksstadt anzutreffen, wo er ganze Nachmittage verbringt."

  • "geringe Frustrationstoleranz, überempfindlich, empfindet fast jede Art von Kritik (positiv und negativ) wie verbessern, auffordern, ermahnen, als Angriff auf seine Person und reagiert mit Grimassen und Gesten; ebenso im Umgang mit seinen Mitschülern, wobei er hier mit Beschimpfung, destruktiven Aktionen und tätlichen Angriffen reagiert. Sehr konzentrationsschwach und leicht ablenkbar, kämpft meiner Meinung (Lehrer) nach, immer mit der Angst 'nicht gemocht zu werden'; spricht mit unnatürlich hoher, gepreßter Stimme."

Besonders erfreulich war, daß fast alle Schulen, die die Vorerhebungsblätter ausgefüllt haben, auch bei der eigentlichen Untersuchung mitmachten. Insgesamt wurden die Fragebögen von 264 SchülerInnen ausgefüllt. Die Hälfte der beteiligten Kinder kommt aus den Integrationsklassen, 39 % werden in einer Stützlehrer-Klasse unterrichtet, und die restlichen 11 % der SchülerInnen besuchen eine Allgemeine Sonderschule. Für Kinder mit schwerer geistiger Behinderung und für Kinder mit fremder Muttersprache war das Ausfüllen des Fragebogens nicht ganz einfach. So konnten vier Kinder den Fragebogen nicht ausfüllen. Das Soziogramm wurde - mit zwei Ausnahmen - von allen SchülerInnen ausgefüllt. Bis auf zwei SchülerInnen haben alle auch MitschülerInnen genannt, die sie nicht so gerne mögen. Leider war die Beteiligung der Sonderschulklassen - trotz mehrmaligen Anfragen - an der Untersuchung selbst sehr gering. Die Rückmeldungsquote mit 42 % ist zwar gleich mit den Rückmeldungen der Stützlehrer-Klassen, aber es ist davon auszugehen, daß in den Klassen der Allgemeinen Sonderschule von den lernbehinderten Schülern ein höherer Anteil auch verhaltensauffällig ist. Zu vermuten ist,daß die große Unsicherheit der noch bestehenden Sonderschulen eine wichtige Rolle spielt (Ängste und Befürchtungen vor den "neuen" Schulmodellen) bzw. eine gewisse Scheu und Skepsis vor dem Vergleich der einzelnen Schulmodelle besteht (die Sonderschulklassen könnten nicht "entsprechend abschneiden").

Die zurückgeschickten Fragebögen wurden mit großer Sorgfalt ausgefüllt und mit persönlichen Anmerkungen versehen. Das große Interesse der beteiligten LehrerInnen an den Ergebnissen der Untersuchung zeigt auch, daß die soziale und emotionale Integration von Kindern für viele ein wichtiges Anliegen ist. Nur durch die bewußte Kenntnis können eventuelle Probleme aufgegriffen und behoben werden.

6. Ergebnisse

6.1. Dimensionen der sozialen und emotionalen Integration von SchülerInnen

Vergleich und Interpretation der Ergebnisse mit dem Mittelwert der eigenenSchulklasse

 

Integrationsklassen = 8

     

Stützlehrer-Klassen = 8

     

Sonderschulklassen = 6

     
 

signifikant

 

nicht sig.

 

signifikant

 

nicht sig.

 

signifikant

 

nicht sig.

 
 

über x

unter x

besser

niedr.

über x

unter x

besser

niedr.

über x

unter x

besser

niedr.

SI

1

5

1

1

1

1

4

1

1

1

2

1

EI

3

3

1

1

0

2

2

3

1

2

2

0

a) Integrationsklassen

Soziale Integration: Nur ein Schüler schätzt seine SI signifikant über dem Mittelwert der eigenen Schulklasse ein, d. h. er schätzt die Beziehungen zu den anderen Mitschülern in der Klasse als recht gut ein. Anders ist das bei den fünf SchülerInnen, die die SI signifikant unter dem Durchschnitt der Klasse einschätzen. Zwei Schüler haben keine signifikanten Werte.

Emotionale Integration: Hier ist das Ergebnis ganz ausgeglichen: Vier Schüler schätzen ihr Wohlbefinden in der Klasse - im Vergleich zu ihren Klassenkameraden - als recht gut ein. Drei Schüler liegen signifikant unter den vergleichbaren Mittelwerten, ein Schüler schätzt seine EI unter dem Mittelwert der Klasse ein.

Die verhaltensauffälligen Schüler schätzen ihre sozialen Beziehungen in der Klasse weniger gut ein, aber trotzdem dürften sie sich zum Teil recht wohl in der Regelschulklasse fühlen.

b) Stützlehrer-Klasse

Soziale Integration: Fünf Schüler liegen über dem Mittelwert der Klasse (einer davon signifikant). Nur zwei Schüler schätzen ihre Beziehungen zu den Mitschülern weniger positiv ein.

Emotionale Integration: Hier sind die Werte etwas anders: Nur zwei Schüler schätzen ihre EI besser ein als der Mittelwert der Klasse. Fünf Schüler (zwei davon signifikant) beurteilen ihr eigenes Befinden in der Klasse als weniger gut.

Hier geht das Ergebnis - im Vergleich zu den Integrationsklassen - in die entgegengesetzte Richtung: Die verhaltensauffälligen Schüler in der Stützlehrer-Klasse schätzen die sozialen Beziehungen zu ihren Klassenkameraden viel besser ein, trotzdem sind die Ergebnisse der emotionalen Integration eher niedrig.

c) Sonderschulklasse

Soziale Integration: Die Einschätzungen der Schüler sind recht ausgeglichen.

Emotionale Integration: Auch hier ergibt sich ein ähnliches Bild: Drei Kinder schätzen das eigene Wohlbefinden besser ein als der Mittelwert der Klasse. Zwei Schüler liegen mit ihren Werten signifikant unter den Mittelwerten der Klasse.

d) Vergleich der Schulmodelle (FDI 4-6)

Auffallend ist, daß in den Integrationsklassen von acht Kindern sechs - fünf sogar signifikant - ihre soziale Integration unter dem Durchschnitt ihrer Klasse einschätzen. Die Beziehungen zu den anderen Mitschülern dürften also doch nicht so gut sein. Wesentlich besser schneidet dabei die Stützlehrer-Klasse ab. Auch in den Sonderschulklassen sind die Werte relativ gleichmäßig verteilt. Auf der Dimension der emotionalen Integration haben die Integrationsklassen die besten Ergebnisse. In den Sonderschulklassen ist das Ergebnis relativ ausgeglichen. Die schlechtesten Werte bringen hier die Stützlehrer-Klassen: Nur zwei Schüler schätzen ihr eigenes Befinden in der Klasse besser ein als der Mittelwert der Klasse; alle anderen liegen unter dem Mittelwert.

Kritische Anmerkungen zu den Ergebnissen (besonders zur sozialen Integration in den Integrationsklassen, die scheinbar noch größere Schwierigkeiten bereitet)

  • In den Integrationsklassen werden besonders "schwierige" verhaltensauffällige SchülerInnen integriert, da ständig ein/e ZweitlehrerIn zur Verfügung steht. Es ist den Lehrern im vorhinein bekannt, daß ein verhaltensauffälliger Schüler mit Lernbehinderung in die Klasse kommt. Anders ist dies häufig in einer Stützlehrer-Klasse: Hier kristallisiert sich ein/e SchülerIn erst im Laufe des Schuljahres oder der Schuljahre als verhaltensauffällig heraus: Gerade bei diesen Kindern ist oft der Teufelskreis Verhaltensauffälligkeit - Lernbehinderung zu beobachten.

  • Eine andere Erklärung könnte sein: In einer Integrationsklasse werden neben dem verhaltensauffälligen Schüler noch etwa drei andere behinderte Kinder integriert. Die MitschülerInnen, aber auch die LehrerInnen, könnten mit vier behinderten Kindern überfordert sein: Sie kommen mit Schülern, die verschiedene andere Behinderungen haben (z.B. körper-, sprach- und geistigbehinderte Kinder), recht gut zurecht. Ihre Integrationsfähigkeit hat aber Grenzen. Sie sind imstande drei behinderte Kinder anzunehmen, aber der am schwierigsten integrierbare Schüler - nämlich der Verhaltensauffällige - wird doch (eher) abgelehnt.

Dazu werden drei Beispiele angeführt: Wie werden Kinder mit anderen Behinderungen in einer Integrationsklasse, in der auch ein verhaltensauffälliger Schüler unterrichtet wird, integriert?

Beispiel "Knabe 7":

FDI 4-6

Knabe 7 (verhaltensauffällig)

Knabe (körperbehindert)

Knabe (körperbehindert)

Mädchen (sprachbehindert)

SI

41

60

60

46

EI

38

50

60

47

Besonders die beiden körperbehinderten Kinder scheinen sich sehr wohl zu fühlen in der Klasse. Aber auch das sprachbehinderte Mädchen liegt mit ihren Punkt-Werten nur gering unter dem Mittelwert ihrer Vergleichsgruppe (x = 48,00).

 

Knabe 7 (verhaltensauffällig)

   

Knabe (körperbehindert)

   

Knabe (körperbehindert)

   

Mädchen(sprachbehindert)

   
 

Erhalt

Nenn

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

WS

2

11

0,78

15

3

1,35

12

15

1,17

8

-

0,94

AS

10

2

1,43

1

1

0,86

0

3

0,8

3

-

0,98

Typ

2: "Abgelehnter"

   

6: "Beachteter"

   

4: "Unauffälliger"

   

4: "Unauffälliger"

   

Auch bei der soziometrischen Untersuchung haben die Schüler mit anderen Behinderungsarten wesentlich bessere Werte.

Beispiel "Knabe 5":

FDI 4-6

Knabe 5 (verhaltensauffällig)

Knabe (geistigbehindert)

Mädchen (geistigbehindert)

Mädchen (körperbehindert)

SI

34

50

48

57

EI

20

46

51

60

Bei dem vergleichbaren Mittelwert der Klasse (SI = 43,62 bzw. EI = 47,29) haben alle Schüler mit anderen Behinderungen (deutlich) bessere Werte.

 

Knabe 5(verhaltensauffällig)

   

Knabe (geistigbehindert)

   

Mädchen(geistigbehindert)

   

Mädchen(körperbehindert)

   
 

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

WS

7

10

0,80

11

7

1,00

12

13

1,05

10

20

0,95

AS

9

9

1,25

3

0

0,95

3

0

0,95

3

0

0,95

Typ

2: "Abgelehnter"

4: "Unauffälliger"

4: "Unauffälliger"

4: "Unauffälliger"

               

Auch bei der soziometrischen Untersuchung haben die Schüler mit anderen Behinderungen wesentlich bessere Werte.

Beispiel "Knabe 4":

FDI 4-6

Knabe 4 (verhaltensauffällig)

Knabe (geistigbehindert)

Mädchen (geistigbehindert)

SI

26

-

-

EI

34

-

-

Die beiden geistigbehinderten Schüler konnten selbst keinen Fragebogen ausfüllen.

 

Knabe 4 (verhaltensauffällig)

   

Knabe (geistigbehindert)

   

Mädchen(geistigbehindert)

         
 

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio. Index

Erhalt

Nenn.

Vergabe

Nenn.

Sozio Index

WS

1

2

0,60

11

-

1,25

9

-

1,12

     

AS

11

15

1,29

0

-

0,58

1

-

0,64

     

Typ

1: "Ausgestoßener"

   

7: "Star"

   

5: "Anerkannter"

         

Bei der soziometrischen Untersuchung erhält der schwergeistigbehinderte Bub ausgezeichnete Werte und dürfte in der Klasse eine wichtige Rolle spielen. Ebenso das geistigbehinderte Mädchen, die in der Klasse recht gut akzeptiert wird.

Schon an diesen drei Beispielen merkt man, daß SchülerInnen mit verschiedenen anderen Behinderungsarten wesentlich besser integriert sind als SchülerInnen mit Verhaltensauffälligkeiten. Dies sollte bei der Interpretation der Ergebnisse in den Integrationsklassen zu denken geben.

Vergleich der Mittelwerte verhaltensauffälliger SchülerInnen (in den Schulmodellen)

 

Soziale Integration

Emotionale Integration

 

x verhaltensauff. S.

x der Klassen

x verhaltensauff. S.

x der Klassen

VS*

43,5

47,6

38,7

41,6

Integrationklassen

40,9

47,6

42,9

43,1

Stützlehrerk.

46,6

47,6

33,9

40,0

ASO

39,4

39,7

35,2

36,6

Das Ergebnis ist für die Integrations- und Stützlehrer-Klassen recht positiv: Wird der Mittelwert von den Werten der verhaltensauffälligen Schüler gebildet, so ergeben sich in Summe bessere Werte als in den ASO-Klassen.

Soziale Integration: Die verhaltensauffälligen Schüler in Integrationsklassen schätzen ihre soziale Integration auf 40,9; verhaltensauffällige Schüler in Stützlehrer-Klassen sogar auf 46,6 Punkte ein. Letztes Ergebnis ist sogar knapp signifikant gegenüber den ASO-Klassen. Die soziale Integration ist in den Regelschulklassen signifikant besser als in den ASO-Klassen. Interessanterweise ist der Mittelwert der Integrations- und Stützlehrer-Klassen mit 47,6 gleich.

Emotionale Integration: Hier liegt der Mittelwert der beiden Integrations-Modelle mit 38,7 doch niedriger als bei der ´sozialen Integration´. Dieser ist aber höher als in den ASO-Klassen (35,2 Punkte). Mit dem Mittelwert 42,9 schätzen die verhaltensauffälligen Kinder in den Integrationsklassen ihre emotionale Integration recht gut ein. Er liegt nur ganz knapp unter dem jeweiligen Klassen-Mittelwert. Der Mittelwert in den Stützlehrer-Klassen ist mit 33,9 unter den Ergebnissen der ASO-Klassen. Die Einschätzung des eigenen Befindens in der Stützlehrer-Klasse ist bei den verhaltensauffälligen Schülern am schlechtesten.

Die Werte in den Klassen der Allgemeinen Sonderschule sind insgesamt recht niedrig. Dies sollte zu denken geben. Obwohl die Ergebnisse der beiden Integrationsmodelle bei verhaltensauffälligen Schülern insgesamt recht positiv sind, dürfen diese nicht überbewertet werden.

6.2. Soziometrische Untersuchung

a) Integrationsklassen

Wird streng nach der groben Orientierung von PETILLON (1980)eingeteilt, werden je drei Schüler zu den "Ausgestoßenen" und zu den "Abgelehnten" gezählt. Je ein Schüler wird als "Unbeliebter" bzw. "Unauffälliger" eingestuft.

b) Stützlehrer-Klassen

Ein wesentlich besseres soziometrisches Ergebnis haben die Stützlehrer-Klassen. Hier werden immerhin fünf Schüler als "unauffällig" eingestuft. Drei Schüler werden aber auch zu den "Ausgestoßenen" gezählt.

c) Sonderschulklassen

Zwei Kinder werden in der Klasse als "Beachtete" gesehen, vier Schüler zählt man allerdings auch zum Typ 1 "Ausgestoßene".

Nach dieser soziometrischen Untersuchung gehören die verhaltensauffälligen Schüler doch eher zu den Außenseitern.

6.3. Vergleich soziale Integration und soziometrische Untersuchung

Werden die Ergebnisse des FDI 4 - 6 (Dimension der sozialen Integration) und der soziometrischen Untersuchung miteinander verglichen, so zeigen sich sehr wohl Zusammenhänge:

a) Integrationsklassen

Verhaltensauffällige Kinder schätzen ihre soziale Integration selbst nicht recht gut ein, die Fremdeinschätzung mit Hilfe des Soziogramms bestätigt dieses Ergebnis.

b) Stützlehrer-Klassen

Die sozialen Beziehungen zu den Klassenkameraden schätzen die verhaltensauffälligen Schüler selbst recht gut ein. Die soziometrische Untersuchung bestätigt dieses Ergebnis wiederum: Von acht Schülern werden immerhin fünf als "Unauffällige" eingestuft, und das ist doch ein großer pädagogischer Erfolg. (vgl. HEYER et al., 1990, S. 58)

c) Sonderschulklassen

Auf der sozialen Dimension waren die Einschätzungen der verhaltensauffälligen Schüler recht ausgeglichen; die Fremdeinschätzung zeichnet sich jedoch mit zwei Extrempositionen aus: Tendenziell schätzen sie ihre soziale Integration selbst besser ein.

Werden die Ergebnisse miteinander verglichen, so kann an WOCKEN & ANTOR (1987, S. 256)angeschlossen werden: Die sozialen Beziehungen zwischen verhaltensauffälligen behinderten und nichtbehinderten Kindern entsprechen "nicht voll und ganz" der postulierten Gleichgewichtigkeit, "jedoch sind die Abweichungen von den idealen Erwartungsnormen durchwegs geringfügig."

7. Resumee und Schlußfolgerungen

Die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, daß weder ein voller Erfolg der sozialen und emotionalen Integration noch erst recht nicht ein voller Mißerfolg abgelesen werden kann. Die Ergebnisse sind zwar großteils signifikant, es muß aber trotzdem auf die relativ geringe Stichprobengröße hingewiesen werden. Die hier ermittelten Ergebnisse passen aber durchaus in die Erfahrungen bisher vorliegender Studien aus anderen Ländern:

Die von BLESS (1995, S. 43f) zusammengefaßten "Ergebnisse zum Selbstkonzept behinderter Kinder in Integrationsklassen" zeigen, daß je nach vorliegender Behinderung spezifische Aspekte in den Vordergrund der Betrachtung treten. Das Verlassen des Schonraumes "Sonderschule" hin in den ständigen sozialen Austausch mit nichtbehinderten Kindern übt unweigerlich einen Einfluß auf die Selbstwahrnehmung und somit auf die Selbstbeurteilung der Behinderten aus, was in Anbetracht realistischerer Einschätzungen, auch wenn sie mehrheitlich eher als ungünstig gewertet werden, nicht ausschließlich als Argument gegen die Integration gewertet werden kann."

Die Ergebnisse sind insgesamt doch sehr ermutigend: Auch wenn es Schwierigkeiten bei der Integration von verhaltensauffälligen Schülern in den Integrations- und Stützlehrer-Klassen gibt, so sind diese Modelle selbst für die am schwierigsten integrierbare Schülergruppe besser als die Sonderschulklassen.

1. Im Zuge der Integration sind bisherige Vorstellungen von Schwerstbehinderung zu revidieren. So sind viele Kinder mit Down-Syndrom die Integrationslieblinge. Verhaltensauffälligkeiten wirken sich auf die Integration hinderlicher als schwere Körper- bzw. Sinnesbehinderungen oder vielfach auch als geistige Behinderungen aus.

2. Daher scheint es, daß im Vergleich zu anderen Behinderungsformen der sonderpädagogische Förderbedarf bei verhaltensauffälligen Kindern zu gering eingestuft wird.

3. Da die Ergebnisse zur sozialen und emotionalen Integriertheit bei verhaltensauffälligen Kindern in Integrationsklassen gegenüber Sonderschulklassen besser sind, sind die Integrationsbemühungen weiter auszubauen, allerdings unter veränderten Rahmenbedingungen, da die Probleme nicht unübersehbar sind.

4. In Integrationsklassen mit drei weiteren behinderten Kindern sind die verhaltensauffälligen Kinder die relativen Verlierer. Daraus ist zu folgern, daß bei der Zusammenstellung von Integrationsklassen mit verhaltensauffälligen Kindern Konsequenzen gezogen werden sollten. Dies könnte z. B. sein, daß die anderen drei Kinder nur einen geringen Förderbedarf haben, sodaß die Lehrpersonen sich intensiver dem einen Kind widmen können. Insbesondere bei der Integration verhaltensauffälliger Kinder ist darauf zu achten, daß es zu keiner Anhäufung mit schwierigen, aber trotzdem als "nichtbehindert" eingestuften Kindern kommt.

5. Die Vorteile des Stützlehrer-Modells bei der sozialen Integration und des Integrationsklassen-Modells bei der emotionalen Integration bedarf erst der Bestätigung durch weitere Studien. Für weitere Aufschlüsse sind umfangreichere, längerfristige, systematische Beobachtungen und Erhebungen der sozialen Lernprozesse verhaltensauffälliger SchülerInnen durchzuführen. Es könnte z. B. auch sein, daß die Maßnahmen des integrativen Unterrichts bei verhaltensauffälligen SchülerInnen später als bei anderen Behinderungen erst so richtig zu greifen beginnen.

6. Es hat den Anschein, daß die Lehrpersonen auf andere Behinderungen besser vorbereitet scheinen, als auf Verhaltensauffälligkeiten. Darauf ist bei der Aus- und Fortbildung in verstärktem Ausmaß zu achten.

Literaturverzeichnis

BENKMANN, R. & PIERINGER, G. (1991). Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher in der Allgemeinen Schule. Entwicklungsstand und Forschung im In- und Ausland. Berlin: Pädagogisches Zentrum.

BLESS, G. (1995). Zur Wirksamkeit von Integration. Forschungsüberblick, praktische Umsetzung einer integrativen Schulform, Untersuchungen zum Lernfortschritt. Bern: Haupt.

DUMKE, D. & SCHÄFER, G. (1993). Entwicklung behinderter und nichtbehinderter Schüler in Integrationsklassen. Einstellungen, soziale Beziehungen, Persönlichkeitsmerkmale und Schulleistungen. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

GOETZE, H. & NEUKÄTER, H. (1989 Hrsg.). Pädagogik bei Verhaltensstörungen. Handbuch der Sonderpädagogik. (Band 6). Berlin: Marhold.

HAEBERLIN, U., BLESS, G., MOSER, U. & KLAGHOFER, R. (1989) Integration in die Schulklasse. Fragebogen zur Erfassung von Dimensionen der Integration von Schülern. FDI 4 - 6. Bern: Haupt. http://pedcurmac13.unifr.ch/Integration/INTSEPd.html

HAEBERLIN, U., BLESS, G., MOSER, U. & KLAGHOFER, R. (1991). Die Integration von Lernbehinderten: Versuche, Theorien, Forschungen, Enttäuschungen, Hoffnungen. (2. Auflage. Bern: Haupt. http://pedcurmac13.unifr.ch/Integration/INTSEPd.html

HANSEN, G. & STEIN, R. (1994 Hrsg.). Sonderpädagogik konkret. Ein praxisnahes Handbuch in Schlüsselbegriffen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

HEYER, P., Preuß-Lausitz, U. & Zielke, G. (1990). Wohnortnahe Integration in Berlin. Weinheim: Juventa.

MUTZECK, W. & PALLASCH, W. (1987). Integration von Schülern mit Verhaltensstörungen. Praktische Modelle und Versuche. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

PETILLION, H. (1980). Soziometrischer Test für 3.-7. Klassen. Weinheim: Beltz.

REISER, H. (1990). Nichtaussonderung bei Lern- und Verhaltensbeeinträchtigungen - eine Zwischenbilanz bisheriger Integrationsversuche. In: Eberwein, H. (Hrsg.). Behinderte und Nichtbehinderte lernen gemeinsam. Handbuch der Integrationspädagogik. Weinheim: Beltz.

SPECK, O., GOTTWALD, P., HAVERS, N. & INNERHOFER, P. (1978 Hrsg.). Schulische Integration lern- und verhaltensgestörter Kinder. München: Ernst Reinhardt.

WOCKEN, H. & ANTOR, G. (1987 Hrsg.). Integrationsklassen in Hamburg. Erfahrungen - Untersuchungen - Anregungen. Oberbiel: Jarick.

Quelle:

Theresa Lughofer , Gottfried Wetzel: Soziale und emotionale Integration von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten

Unveröffentliche Diplomarbeit von Theresa Lughofer am Institut für Psychologie der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg 1996,

gekürzte Fassung der Diplomarbeit von Th. Lughofer mit Gottfried Wetzel, 1998

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