Empathie-Förderung im Kindergarten

Themenbereiche: Vorschulischer Bereich
Textsorte: Buch
Releaseinfo: Erschienen in: Wege der Integration: Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und Fachleuten bei hörgeschädigten Kindern / René J. Müller (Hrsg.) - Luzern: Ed. SZH, 1994; ISBN 3-908263-00x. Anmerkung: Sie finden im o.a. Buch mehrere anschauliche Photographien, die in der BIDOK Internet-Veröffentlichung nicht zugänglich sind.
Copyright: © Beata Feldmann, René J. Müller 1994

Hörgeschädigte Kinder zusammen mit guthörenden Kindern

Während in einzelnen Ländern die gemeinsame Beschulung behinderter Kinder zusammen mit nichtbehinderten Kindern als Normalfall praktiziert wird, ist in anderen Ländern die Diskussion um Vor- und Nachteile einer gemeinsamen Beschulung erst angelaufen. Die deutschsprachige Schweiz muß - was die gesetzlichen Grundlagen der Integrationsmöglichkeiten anbelangt - als ein Entwicklungsland bezeichnet werden. De facto verhält sich die Sache allerdings anders. Zumindest für einige Behinderungsarten gilt, daß die Wirklichkeit der Gesetzgebung um Jahre voraus ist. So werden beispielsweise bereits seit Ende der Fünfziger Jahre mehr und mehr hörgeschädigte Kinder mit großem Erfolg integrativ unterrichtet.

Zielten in der Anfangsphase der integrativen Beschulung die Anstrengungen von Fachleuten und Eltern hauptsächlich darauf ab, das einzelne Kind optimal zu fördern und es dadurch an das vorgegebene Schulsystem anzupassen (Löwe 1987; Müller 1989), ist das Augenmerk seit den Achtziger Jahren vermehrt auf das System Schule selbst gerichtet, um dieses integrationsfähiger zu machen (Elmiger 1992; Sander 1992; Müller 1993; Schöler 1993). Das führte dazu, daß heute rund 90 Prozent der schwerhörigen Kinder mit einem mittleren Hörverlust[1] bis etwa 90 Dezibel auf dem besseren Ohr Kindergarten und Schule gemeinsam mit normalhörenden Kindern besuchen.

Neben dem Engagement von Fachleuten, Eltern, Therapeutinnen, Therapeuten, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen und Lehrern erwiesen sich weitere Faktoren als förderlich für diese Entwicklung. So flossen in die pädagogisch-therapeutischen Förderkonzepte neue Erkenntnisse aus Psychologie (Affolter 1987) und Linguistik (Bruner 1987). Dank verbesserten Hörgeräten, intensiver Frühförderung und vermehrter Elternberatung erlangten hörgeschädigte Kinder zusehends höhere sprachliche Kompetenzen sowie ein stärkeres Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl als in früheren Generationen. Diese Erfolge ließen den Druck auf die medizinische Früherkennung hörgeschädigter Kinder wachsen, womit erreicht wurde, daß die Hörgeräteanpassung und die Früherziehung in vielen Fällen schon im ersten Lebensjahr einsetzen können.

Gesellschaftliche und schulpolitische Veränderung führten vorübergehend ebenfalls zu günstigen Voraussetzungen für die gemeinsame Beschulung von nichtbehinderten und behinderten Kindern. Einen der wichtigsten Aspekte stellte dabei die kleinere Klassenfrequenz dar, waren dadurch doch zusehends mehr Lehrerinnen und Lehrer in der Lage, in ihrem Unterricht neue Wege zu beschreiten und ihre Kinder individuell zu fördern. Weiter setzte auch in den Seminarien ein Wandel in der Einstellung gegenüber behinderten Mitmenschen ein. In einzelnen Institutionen gehört das Thema Integration heute zum festen Lehrplan (z. B. Primarlehrer- und Primarlehrerinnenseminar Zürich Irchel).

Nicht zuletzt darf auch die Breitenwirkung durch die erfolgreich praktizierte Integration nicht unterschätzt werden: Hörgeschädigte Kinder in Regelkindergärten und Regelklassen werden von ihren Mitschülern und Mitschülerinnen in erster Linie als normale und nicht als behinderte Kinder erlebt. Dadurch kann in der Gesellschaft ein langsamer Wandel im Verhalten gegenüber behinderten Mitmenschen einsetzen. Aus den Ergebnissen einer Untersuchung bei über 300 integrativ beschulten hörgeschädigten Mädchen und Jungen in Zürich (Müller 1993) lassen sich wesentliche Erkenntnisse ableiten:

  • Die integrativ beschulten hörgeschädigten Mädchen und Jungen erbringen im Vergleich zu normalhörenden Kindern und Jugendlichen eine durchschnittliche bis gute schulische Leistung.

  • Die Alltagsbelastung hörgeschädigter Kinder in Regelschulen und deren Bezugspersonen wird nicht als größer als bei normalhörenden Kindern empfunden.

  • Die psycho-soziale Situation integrativ beschulter hörgeschädigter Kinder unterscheidet sich nicht von jener normalhörender Kinder und Jugendlicher.

Die gegenwärtige Sparpolitik, die sich beispielsweise in erhöhten Klassenfrequenzen äußert und dadurch das schulische Ökosystem massiv beeinträchtigt, stellt die Integration - trotz ihrer eindeutigen Ergebnisse - zusehends in Frage. Gerade in dieser gesellschaftlichen Entwicklungsphase ist es wichtig, daß möglichst alle Kinder in einer Klasse um die speziellen Bedürfnisse ihrer behinderten Mitschülerinnen oder Mitschüler Bescheid wissen. Eine erfolgreiche Methode, dies zu erreichen, besteht darin, der Klasse zu helfen, sich in die erschwerte Situation Behinderter hineinzuversetzen. Nur, wie kann diese Fähigkeit, die Empathie, bei den Kindern gefördert werden?

Am Beispiel von Anina, einem hochgradig hörgeschädigten Mädchen, das zusammen mit 17 anderen Kindern einen Regelkindergarten in Bubikon (Kanton Zürich) besuchte, skizzieren Beata Feldmann, die Kindergärtnerin, und ich Möglichkeiten, wie durch eine wirksame Empathieförderung bereits im Vorschulalter erfahrbar gemacht werden kann, daß eine Hörbehinderung eine erschwerte Situation bedeutet. Vorerst wird jedoch Aninas Mutter die verschiedenen Stationen des langen Weges vom ersten Verdacht auf eine Hörschädigung bis hin zur nichtaussondernden Erziehung im Kindergarten schildern.

René J. Müller



[1] Der durchschnittliche oder mittlere Hörverlust wird in der internationalen Praxis üblicherweise durch das arithmetische Mittel der Reintonaudiogrammwerte der Frequenzen 500 Hz, 1'000 Hz und 2'000 Hz auf dem besseren Ohr angegeben.

Der Weg bis zur Einschulung

Anina ist das zweite von vier Kindern. Sie hat einen älteren und einen jüngeren Bruder und eine kleine Schwester. Anina erblickte das Licht der Welt einen Monat vor dem errechneten Geburtstermin. Wir waren überrascht über die frühzeitige Geburt, vor allem, weil es während der Schwangerschaft keine Anzeichen dafür gegeben hatte. Nachdem uns die Ärzte und Ärztinnen nach den ersten Untersuchungen guten Bericht geben konnten, freuten wir uns so richtig über das gesunde, neugeborene Mädchen. Nach fünf Tagen verliessen wir als stolze Eltern von zwei Kindern das Spital. Nach einigen Wochen fiel uns auf, wie verkrampft unser Baby war. Man konnte Anina kaum die Arme hochhalten, sie lag oft mit Hohlrücken im Wägeli und schaute nach hinten, als ob es dort etwas besonders Spannendes zu sehen gäbe.

Der Kinderarzt riet uns zu einer Bobath-Therapie mit einer Kinderphysiotherapeutin. Wenige Wochen nachher, Anina war knapp fünf Monate alt, mutete es uns seltsam an, dass Anina so schlecht auf Töne reagierte. Von ihrem grösseren Bruder waren wir an andere Reaktionen gewohnt. War sie wohl introvertiert, ganz vertieft ins Spielen, oder hörte sie nicht gut? Mein Mann und ich waren beunruhigt und gingen mit unserem Baby wieder zum Kinderarzt. Er jedoch sah keinen Grund zur Beunruhigung. Da wir zu diesem Zeitpunkt einen Termin an der neurologischen Abteilung des Kinderspitals wegen Aninas Bewegungsstörungen hatten, packten wir die Gelegenheit beim Schopf und teilten unsere Bedenken dem Arzt mit. Er machte einige Hörübungen mit Anina, liess Glöcklein erklingen und fand am Schluss der Untersuchung, dass unsere Ängste völlig grundlos seien. Wie froh und befreit waren wir, als wir das Kinderspital verliessen.

Zwei Monate später holten uns unsere Ängste jedoch wieder ein. Wir experimentierten immer wieder mit Geräuschquellen und waren besorgt über die ausbleibende Reaktion unserer Tochter. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir aber nicht, dass ein so kleines Kind genau auf das Gehör untersucht werden kann. So suchten wir über Monate immer wieder den Kinderarzt auf und liessen uns durch seine Aussagen beruhigen.

Anina war inzwischen 20 Monate alt, Zeit, eine Abschlussuntersuchung in der neurologischen Abteilung des Kinderspitals zu machen. Die Verkrampfungen hatten sich gelöst, Anina brauchte keine Therapie mehr. Einmal mehr nahmen wir unseren Mut zusammen und äusserten dem diensthabenden Arzt gegenüber unsere Bedenken über die Aussagen der Ärzte und Therapeuten in bezug auf das Gehör unserer Tochter. Der Arzt untersuchte Anina und meldete ebenfalls Bedenken an der Richtigkeit des vor über einem Jahr gefällten Entscheides an. Er meldete Anina sofort an der pädaudiologischen Abteilung des Kinderspitals an. Für uns folgten drei lange Wochen des Wartens, denn wir wussten, dass wir nun ein echtes und wahres Ergebnis erwarten durften. Unsere Tochter war absolut fasziniert von der Tonwelt, die ihr bei der Untersuchung via Kopfhörer eröffnet wurde. Geschlagene zweieinhalb Stunden folgte sie mit grossem Interesse den Anweisungen der Pädaudiologin. Und dann folgte für uns das niederschmetternde Resultat: hochgradig hörgeschädigt! Wie konnten wir so lange die Wahrheit, die wir ja eigentlich schon wussten, verdrängen? Warum liessen wir uns so lange von den Ärzten beruhigen? Die Ernüchterung und die Leere folgten. Der Schmerz und die Betroffenheit waren riesengross, wir brauchten Zeit, uns wieder zu fassen. Das Annehmen der Behinderung war der erste Schritt, den wir zu vollziehen versuchten. Wir orientierten Nachbarn, Freunde. Wir wollten nichts verheimlichen, suchten den Weg nach aussen.

Der zweite Schritt war, nach Möglichkeiten zu suchen, wie unsere Tochter gefördert werden könnte. Alles für uns Mögliche wollten wir für unsere Anina unternehmen, damit sie gut sprechen lernen konnte. Sie war ja beinahe zweijährig und sprach noch kein Wort! Einige Tage nach ihrem zweiten Geburtstag erhielt sie ihre ersten Hörgeräte. Sie genoss es sichtlich, dass ihr da eine neue Welt, die Welt der Töne, der Geräusche eröffnet wurde. Von Anfang an wollte sie die Hörgeräte den ganzen Tag tragen. Am Abend durften wir sie erst nach ihrem Einschlafen abnehmen. Was für ein Geschenk für uns, dass sie die Hörhilfen von Anfang an so gut akzeptierte!

Zur Früherziehung wurden wir einer Therapeutin im Kinderspital zugeteilt. Der Weg nach Zürich spielte für uns keine Rolle, wir waren ganz einfach froh, einen Therapieplatz für unsere Tochter gefunden zu haben. Die Trauer und den Schmerz über die Behinderung unseres Mädchens mussten wir erst einmal selber verdauen und verarbeiten, bevor wir Kontakt mit der Elternvereinigung und damit auch mit anderen schwerhörigen Kindern und Erwachsenen aufnehmen konnten.

So erfuhren wir nach und nach mehr über Förderungsmöglichkeiten und Therapieformen. Nach gut einem Jahr Früherziehung stoppten bei Anina die Fortschritte. Wir sahen, dass eine neue Therapieform, die eher ihrem Wesen angepasst war, gesucht werden musste. Nach Gesprächen mit andern Eltern schwerhöriger Kinder bewarben wir uns dann telefonisch und brieflich um einen von uns gewünschten Therapieplatz. Wir waren nicht mehr gewillt, noch mehr Zeit zu verlieren mit einer Therapie, die unserem Kind nicht die erhofften Fortschritte brachte. Wir waren gebrannt aus früheren Zeiten und trauten uns darum auch, um diesen Platz zu kämpfen.

Die neue Therapieform war mit einigem Zeitaufwand verbunden. Neben den zwei Fahrten und den Therapiestunden, bei denen der Vater oder die Mutter immer zugegen war, folgte nun auch ein konsequentes Aufarbeiten der Lektion zuhause. Die Energie und Kraft, die von uns gefordert wurde, lohnte sich. Wir sahen riesige Fortschritte in kurzer Zeit. Natürlich war ab und zu auch der Druck vorhanden, nicht zu genügen, zuwenig zu arbeiten. Wir wollten ja auch, dass Anina so richtig Kind sein durfte, eine unbeschwerte Kindheit erleben durfte. Solche Freiräume wollten wir ihr auch immer wieder geben. Wir arbeiteten meistens am Morgen, sodass ihr der Tag zum unbeschwerten Sein blieb. Ganz spontan ergaben sich dann aber immer wieder Situationen, ihr so im `Nebenbei' etwas zu lehren, ohne dass es für sie `Arbeit' war. Auf eine gute und reiche Sprache zu achten, war für uns bald einmal eine Selbstverständlichkeit. Zum Glück konnten wir anstehende Probleme auch immer mit der Therapeutin besprechen. So konnten gemeinsam Wege gefunden werden.

Anina lernte in der Therapie fast immer an ihrer Leistungsgrenze, daheim wurde das Ganze in einer anderen Form aufgearbeitet. Der Sprung in den Kindergarten stand nun an. Der Sprach- und Leistungsstand von Anina war mittlerweile so hoch, dass wir sie ohne Bedenken in den Kindergarten schicken konnten. Wir wussten jedoch, dass eine gute Begleitung durch uns Eltern, die Therapeutin und den pädagogischen Berater wichtig war. Die Kindergärtnerin freute sich auf die neue Herausforderung und so war der Weg geebnet für eine gute, fruchtbare Kindergartenzeit. Anina war einerseits ein Kind wie alle anderen mit ihren Mustern, ihren Eigenheiten, ein fröhliches, willensstarkes Mädchen, andrerseits mussten aber auch die Voraussetzungen für sie geschaffen werden, damit sie dem Unterricht folgen konnte. Sie war mit einer FM-Anlage ständig verbunden mit der Kindergärtnerin, ein Spannteppich und eine gute Beleuchtung halfen ihr noch zusätzlich, dem Unterricht gut zu folgen.

Als einziges Kind mit Hörgeräten im Kindergarten, ja, als einziges Kind überhaupt im ganzen Dorf, das machte ihr manchmal schon Mühe. Sie wollte sein wie die anderen. Nachdem aber alle Kinder einmal wussten, wie nun die FM-Anlage funktionierte, alle sich bewusst waren, dass Anina Hörgeräte hatte, war der Wirbel um ihre Person nicht mehr so gross. Der Kontakt zur Kindergärtnerin war intensiv. Quartalsweise wurden wir Eltern in ein neues Thema eingeführt, bekamen das Liedmaterial und lernten die zum Thema gehörende Geschichte kennen. So hatten wir während des Quartals immer die Übersicht, ob Anina alles verstanden hatte. Regelmässige Kindergartenbesuche von mir oder meinem Mann bestätigten uns immer wieder, wie Anina gut integriert war. Und wenn ab und zu Herr Müller von der pädagogisch-psychologischen Beratungsstelleim Kindergarten vorbeikam, eine Lektion hielt und mit den Kindern spielte, fand Anina es sogar ganz toll, für ein Mal im Mittelpunkt zu stehen.

Nach anderthalb unbeschwerten Kindergartenjahren war es soweit, die Fühler nach der Schule auszustrecken. Wir wussten, dass es wichtig war, unsere Anliegen frühzeitig bei der Schulpflege zu deponieren. Unser Wunsch war es ja, eine geeignete Lehrkraft für Anina zu finden, eine kleine Klasse und allenfalls Änderungen im Schulzimmer vornehmen zu können. Ein erster Brief von der pädagogischen Beratungsstelle ging an den Schulpräsidenten. Gespräche folgten, und schon bald einmal stellte sich heraus, dass Anina im Sommer 1993 eine kleine Regelklasse besuchen konnte. Bei der Auswahl der neuen Lehrerin wurde ausdrücklich auf unser Kind hingewiesen.

So schauen wir jetzt dank dem Einsatz und der grossen Hilfe des pädagogischen Beraters, der Therapeutinnen, der Kindergärtnerin und der Schulpflege gelassen dem Kommenden entgegen. Der Einsatz aller beteiligter Personen und die weitsichtige Planung haben sich ganz sicher gelohnt!

Suzanne Grütter-Haerle, Mutter

Anina soll den regulären Kindergarten besuchen

Wie alles für mich begann

Mir war bewusst, dass im Quartier, in dem ich als Kindergärtnerin arbeitete, ein hörbehindertes Mädchen wohnte. Anina. Ihr um zwei Jahre älterer Bruder besuchte schon den Kindergarten bei mir. In dieser Zeit wuchs eine freundschaftliche Beziehung zu den Eltern.

Bis zum Zeitpunkt, in dem ich angefragt wurde, ob ich bereit sei, Anina in den Kindergarten aufzunehmen, machte ich mir keine Gedanken darüber, was das für alle Beteiligten bedeuten würde. Ich fand es nichts Besonderes, ein am Körper behindertes Kind in meiner Klasse zu haben. Denn, was dem einen Kind am Körper mangelt, kann einem anderen an einer geistigen oder seelischen Qualität fehlen ... Der Unterschied ist lediglich, dass ein physisches Gebrechen einfach messbar ist. So gab ich ohne grosse Bedenken meine Zusage.

Vorbereitungen für den Kindergarteneintritt

Etwa ein halbes Jahr vor Aninas Eintritt in den Kindergarten durfte ich eine Therapiestunde bei der Audiopädagogin, Heidi Heldstab, miterleben. Das Mädchen wurde derart konzentriert unterrichtet, dass ich nur so staunte. Nicht nur alle Sinne wurden beansprucht, auch mit Zahlen, Buchstaben, Musiknoten und der Schriftsprache wurde Anina bekanntgemacht. Lesen, Schreiben, Musizieren wurde spielerisch erprobt. Ich erfuhr dann, dass dies wichtig sei für ein hörgeschädigtes Kind. Es soll gegenüber den gut hörenden Kindern einen Vorsprung haben, um in der Klasse schneller und einfacher den Anschluss zu finden. Sie wird im Begreifen des schulischen Stoffes besser mitkommen, wenn sie nicht allein auf ihr Gehör angewiesen ist. Was in einer Gruppe so nebenbei gesprochen und auch gelernt wird, kann Anina nicht einfach verstehen. Sie muss also jedesmal aufmerksam hinhören, wenn sie den Inhalt eines Gespräches erfassen will. Unwillkürlich hatte ich begriffen, dass ich selber zur Lernenden wurde. Ich musste noch einiges erfahren, um Anina im Unterrichten auch gerecht werden zu können.

Kurze Zeit später empfing ich im Kindergarten Aninas Eltern, Therapeuten und eine Schulpflegerin zu einer Besprechung. Der Audiopädagoge, Christian Heldstab, brachte Unterlagen mit, aus denen ersichtlich war, dass Anina hochgradig schwerhörig ist. Er zeigte uns auf dem Audiogramm, dass Anina trotz der optimalen Anpassung der Hörgeräte niemals so gut hören wird wie normalhörende Menschen. Damit ihr das Verstehen möglichst erleichtert werde, sollte die Akustik im Raum gut sein. Auch sollte der Lärmpegel niedrig gehalten werden, da sie bei einem Stimmenwirrwarr und allerlei Nebengeräuschen kaum etwas verstehen kann.

Die äusseren Massnahmen waren nun, im Kindergarten einen Teppich zu legen, der die hallenden Geräusche schluckte, und auf eine gute Beleuchtung zu achten. Ich wurde instruiert, wo ich im Raum vorteilhaft meinen Platz zum Unterrichten einnehmen konnte, damit Anina mein Gesicht gut sehen konnte, wenn ich eine Geschichte erzählte. All diese Veränderungen waren für die ganze Klasse von Vorteil. Das Sich-Wohlfühlen in einem Raum, der hell und heimelig ist und in dem eine ruhige Atmosphäre herrscht, überträgt sich ebenso auf alle Anwesenden. Auf einem Teppich werden viele unangenehme Geräusche einfach geschluckt. Herunterfallende Spielsachen, Möbel, die verschoben werden und zappelige Kinder stören nicht mehr so stark.

Weil Anina auch von den Lippen abliest, sollte ich während den Lektionen die Kinder jeweils mit ihrem Namen aufrufen, damit Anina sofort zum sprechenden Kind hinsehen kann, um es so einfacher zu verstehen. Mit den Eltern vereinbarte ich, sie jeweils über den Stoff, den ich im Kindergarten behandeln wollte, im voraus zu informieren. Anina sollte die Möglichkeit bekommen, verpasstes Wissen zu Hause nachholen zu können oder Lieder bereits im voraus daheim gehört und gesungen zu haben, um besser mitmachen zu können. Weiter vernahm ich, dass es für Anina nötig sein würde, während des Unterrichtes eine FM-Anlage[2] zu tragen. Über die FM-Anlage mit mir, der Kindergärtnerin, verbunden, hört Anina meine Stimme speziell gut heraus, auch wenn ich einige Meter von ihr im Raum Anweisungen gebe. Ich würde also ein kleines Mikrophon anstecken müssen, während Anina ihr Gegenstück an ihre Hörgeräte anschliesst.

Nach all diesen wichtigen Informationen meldeten sich bei mir doch einige Bedenken: würde ich Anina sprachlich genügend aufmerksam unterrichten? Würde sie sich in der Gruppe von Kindern durchsetzen können und sich melden, wenn sie etwas nicht verstanden hatte oder würde sie einfach verstummen und sich in sich zurückziehen? Würde ich es schaffen, allen Kindern meine Aufmerksamkeit zu schenken, oder würde Anina Anlass zu Eifersüchteleien geben? ...

Zum Glück zeigte sich die Schulpflege bereit, auf die beantragten Massnahmen einzutreten. Es wurde bewilligt, im Kindergarten einen Teppich zu verlegen und auch, dass die Kinderzahl in meiner Klasse auf 16 beschränkt wurde. Diese Unterstützung seitens der Schulbehörde sowie das Wissen, dass ich mich bei auftretenden Problemen jederzeit an Aninas Therapeutin oder an den pädagogischen Berater wenden konnte und die herzliche Beziehung zu Aninas Eltern ermutigten mich. Ich schlug meine Unzulänglichkeitsgefühle wieder in den Wind. Zuversichtlich begann ich das neue Kindergartenjahr mit 16 munteren Kindern, unterteilt in zwei Altersgruppen. Zu meinem grossen Erstaunen stellte Anina trotz ihres Hörverlustes sofort fest, dass ich - anders als sie - in meinem Dialekt (aus dem Kanton Glarus) ‚Fingge' anstatt ‚Finke' sage ...

Meine Aufgabe als Kindergärtnerin

Eingebettet in das Team von pädagogischem Berater, Audiopädagogin und Aninas Eltern begann ich, nach meiner Aufgabe zu fragen: Welchen Bereich in Aninas Entwicklung kann ich durch meine Tätigkeit als Kindergärtnerin besonders fördern? Ich begann, meine Aufmerksamkeit auf die Gruppenentwicklung zu richten. Jedes Kind in der Gruppe hat seine speziellen Qualitäten, welche schon zur Geltung kommen oder noch in ihm schlummern. Mein Anliegen wurde es, Anina mit ihrer Besonderheit wie jedes andere Kind in die Gruppe einzugliedern. Sich in der Klasse behaupten und durchsetzen zu können, sind ebenso wichtige soziale Leistungen, wie sich in einen anderen Menschen einfühlen zu können, sich selbst und den nächsten anzunehmen. Aninas Bewusstsein sollte dahingehend gefördert werden, sich als eben dieses einzigartige Kind unter den andern einzigartigen Kindern wahrzunehmen. Das heisst in ihrem Fall, ihre Hörbehinderung mehr und mehr anzunehmen, aber daran nicht den Wert des eigenen Lebens zu beurteilen. Andererseits sollten sich die anderen Kinder in die speziellen Lebensbedingungen von Anina einfühlen lernen und sie durch das tiefere Verständnis ebenso wie jedes andere Kind in der Gruppe annehmen.



[2] Eine `FM-Anlage' oder `Mikroport-Anlage' ist eine Sende- bzw. Empfangsanlage von der Lehrerin bzw. vom Lehrer zum hörgeschädigten Kind. Die Lehrerin spricht in ein Mikrophon; die Stimme wird über UKW zum Empfangsteil des Kindes gesendet und von dort über ein Kabel direkt ins Hörgerät hinter dem Ohr geleitet.

Lektionen zur Empathieförderung

Mit Freuden empfing meine Kindergartengruppe jeweils den pädagogischen Berater, wenn er zu uns auf Besuch kam. René Müller hatte die Herzen der Kinder schnell erobert. Das gute Verhältnis, das sich im ersten Jahr, in dem er Anina im Kindergarten betreute, zwischen uns aufbaute, motivierte uns, gemeinsam eine Reihe von Lektionen zur Empathieförderung zu entwerfen und im Kindergarten durchzuführen. Damit die Lektionen erfolgreich sein konnten, war es für uns unerlässlich, neben den Kontakten zu den Eltern, der Audiopädagogin und der Logopädin, zuerst ein tragfähiges Beziehungsgeflecht zwischen uns und den Kindern aufzubauen. Als hervorragender Einstieg hat sich ein Besuch in der Klasse mit Renés zottigem Hirtenhund, einem Briard, erwiesen (DRAVE 1990, S. 80 ff.).

Dieser Hund war so gutmütig und gut erzogen, dass mit ihm bedenkenlos fast alles angestellt werden konnte, was man sich nur vorstellen kann: Er liess sich am Bauch kraulen und zwischen dem mächtigen Gebiss in den Rachen schauen. Da die meisten Kinder wissen, dass ein Hund mit seiner Nase viel besser riecht und mit seinen Ohren viel besser hört als wir Menschen, konnte so eine gute Brücke gebaut werden. So wurde es nachvollziehbar, dass auch nicht alle Menschen gleich gut hören oder sehen. Dabei stand nicht die hörgeschädigte Anina im Mittelpunkt, sondern es ging hauptsächlich um die Omas und Opas, deren Hör- und Sehvermögen beeinträchtigt war. Erst dann gingen wir kurz auf Aninas Hörproblem ein. Die Kinder durften mit einem Hörgerät hören und erfahren, dass die Höreindrücke anders sind, als wir es uns gewöhnt sind. Das war schon genug für den ersten Morgen. Anschliessend begaben wir uns mit dem Hund auf einen Spaziergang. Erst nach weiteren Besuchen in der Klasse setzten wir mit den eigentlichen Empathie-Förderungs-Lektionen, von denen nachstehend fünf exemplarisch beschrieben sind, ein.

Die Lektionen sollen dazu anregen, im pädagogischen Alltag nach Möglichkeiten und Situationen zu suchen, in denen Höraspekte bewusst in das Unterrichtsgeschehen eingebaut werden können. In ähnlicher Form kann Empathieförderung auch in Unterstufenklassen durchgeführt werden. Die EmpathieAspekte passten wir dem jeweils aktuellen Thema im Kindergarten an. Daraus entstand die folgende Lektionsreihe:

  • Lektion l: Hören und zuhören

  • Lektion 2: Töne produzieren und Töne erkennen

  • Lektion 3: Hören mit einem Hörgerät

  • Lektion 4: Wie das Gehör funktioniert

  • Lektion 5: Umsetzen von Musik in Bewegung

Hören und zuhören (Lektion 1)

"Wenn ich nicht mit den Augen sehe, hören meine Ohren aufmerksamer und meine Hände erkennen besser."

Absicht/Hinweise

Lektionsablauf

Wir können sozusagen auf Distanz erkennen, dass wir nicht alle gleich gut hören.

Die Kinder sitzen auf ihren Stühlen im Kreis. Ein Kind schlisst die Augen. Ein zweites Kind trägt ein leise klingelndes Glöcklein, entfernt sich damit, sogar zur Türe hinaus, bis das erste Kind das Glöcklein nicht mehr hören kann. Dieses öffnet die Augen und ruft: "Chumm zrugg!"

Das Gehör trainieren. Damit das hörgeschädigte Kind wie die normal hörenden Kinder bei dieser Übung mitmachen kann, und auch nicht blossgestellt wird, gehen jeweils zwei Kinder vor die Türe[a].

Zwei Diener[b] stehen solange vor der Türe, bis sie hören, dass der König sie einzutreten bittet, indem er sagt: "Halli-hallo, Diener, chasch inecho!" Er spricht dabei jedesmal ein wenig lauter, bis ihn die Diener hören und hereinkommen.

Die Kinder stellen fest, dass jeder Mensch eine eigene Stimme hat, an der man ihn erkennen kann, mit der Zeit auch, wenn sie verstellt wird.

Die Prinzessin spielt besonders gern im Schlosspark. Sie kennt dort alle Vögel. Eine Prinzessin wird ausgewählt, die bei mir einschaut. Ein anderes Kind geht hinter der Prinzessin hin und her. Es ist ein Vogel und spricht: "Pi, pi, pi, wer bin ich?" Die Prinzessin darf dreimal versuchen, den Vogel zu erkennen: "Du bist der Thomas - Vogel!"

Bei dieser Übung kann ein Kind, das hörbehindert ist, gegenüber normalhörenden Kindern sogar einen Vorteil haben. Wenn ein Kind das gesuchte übergeht, ermutigen wir es ein wenig später, in entgegengesetzter Richtung weiterzusuchen.

Die Diener suchen die Prinzessin im Schlossgarten. Die Kinder zählen verschiedene Möglichkeiten auf, wie sie die Prinzessin finden könnten: Gut schauen oder hören, rufen ... Wir versuchen, ein Kind nur durch Ertasten mit den Händen zu erkennen. Das suchende Kind wählt aus der Gruppe selbst eine Prinzessin aus, von der es glaubt, dass es sie alleine durch Tasten wiedererkennen wird. Während dem suchenden Kind die Augen verbunden werden, wechseln die Kinder im Stuhlkreis ihre Plätze. Nun tastet das Kind mit den verbundenen Augen von Beginn der Stuhlreihe ein Kind nach dem anderen ab, bis es seine Prinzessin erkennt.

Die Kommunikation zwischen den Kindern wird aktiviert, die Zusammenarbeit gefördert und Eigenverantwortung gestärkt. (habe ich verstanden, was mir gesagt wurde?)

Das Abstraktionsvermögen wird im zweiten Teil der Aufgabe gesteigert.

Begriffsbildung: Die Prinzessin muss nach Hause. Warum wohl? Die Kinder suchen nach Gründen. Ich lege verschiedene Gegenstände in die Mitte, um den Kindern auf die Spur zu helfen: z. B. Löffel: Die Prinzessin muss zum Essen gehen. Seife: Die Prinzessin muss ins Bett gehen.

Abstraktionsvermögen: Immer zwei Kinder, die nebeneinander sitzen, suchen sich zusammen einen Platz am Boden, von dem aus sie mich gut sehen können. Ein Kind setzt sich zwischen die Beine des anderen, das ihm mit beiden Händen die Augen verdeckt. Jetzt hält die Kindergärtnerin einen Gegenstand hoch, und das sehende Kind flüstert dem anderen ins Ohr, welcher Gegenstand zu sehen ist. Das vordere Kind wiederholt, was es verstanden hat und kontrolliert dann mit offenen Augen, ob es richtig verstanden hat. Danach wird nur noch die Bedeutung des Gegenstandes geflüstert; das Kind nennt nun das Symbol.

Die Kinder hören nicht nur, dass sie an der Reihe sind, sie erspüren auch, wenn ihr Stuhlnachbar weggeht.

Alle sitzen wieder auf ihren Stühlen. Im Schloss ertönt der Gong als Zeichen dafür, dass es Zeit zum Essen ist. Alle Kinder schliessen die Augen. Die Kindergärtnerin schlägt auf den Gong. Das erste Kind der Stuhlreihe öffnet die Augen und holt sich seinen Znüni. Beim nächsten Gangschlag geht das nächste Kind usw.

[a] Es hat sich gezeigt, dass es auch für manches guthörende Kind eine Beruhigung ist, wenn es nicht alleine entscheiden muss, ob da nun wirklich gerufen wurde ...

[b] Das zu dieser zeit aktuelle Hintergrundthema war ein Bilderbuch zum Thema leben im Schloss: "Ein Brüderchen für Josefine" von Wagner &Sacré.

Überlegungen zur Lektionsgestaltung

In unserer Zusammenarbeit waren wir bestrebt, einerseits das Bewusstsein der Kinder für das Hören an sich gezielt zu heben, andererseits die dafür geeigneten Übungen möglichst unspektakulär im für die Kinder gewohnten Rahmen durchzuführen. Da wir uns zu dieser Zeit mit dem Leben am Königshof beschäftigten, hüllte ich die Übungsvorschläge in die Kulisse eines Schlosses.

Während der Lektion sass René mit den Kindern im Kreis. So war er zum Teil auch aktiver Übungsleiter und diskreter Fotograf. Aninas Mutter und RAHEL LICHTENSTEIGER, die Logopädin, die bei der Planung der Lektionsfolge mitgewirkt hatten, sassen beobachtend im Hintergrund. Auch sie waren für die Kinder begehrte Gesprächs- und Spielpartner.

Töne produzieren und Töne erkennen (Lektion 2)

"Ich kann verschiedene Töne und Geräusche erzeugen, sie zuordnen und unterscheiden."

Absicht/Hinweise

Lektionsablauf

Unterschiedliche Klangfarben im Raum kennenlernen; einzelne Klangfarben bewusster wahrnehmen.

Wir begrüssen einander im Kreis stehend, indem wir klatschen und dazu rhythmisch sprechen: "Grüezi mitenand!" Jedes Kind geht in den Raum hinaus. Miteinander rufen wir uns das "Grüezi mitenand!" zu, indem jedes Kind dazu rhythmisch auf einen Gegenstand, ein Möbelstück, an die Wand usw. klopft. Dann wird ein neuer Ort zum Klopfen gesucht. Wer alleine zu allen die Begrüssung sprechen und klopfen will, bleibt am Ort, die anderen setzen sich an den Platz. Wer seinen Grüezi-Rhythmus geschlagen hat, setzt sich wieder hin.

Bekannte - mit dem Körper erzeugte - Geräusche wiedererkennen und richtig benennen.

Wir singen das Lieblingslied von Prinzessin Josefine: "If You`re Happy"[a], das wir gut kennen. Zu jeder Strophe gehört das passende Körpergeräusch (z. B. mit den Fingern schnippen, mit der Zunge schnalzen, mit den Händen klatschen etc.). Bevor wir eine Strophe singen, schliessen wir die Augen. Ein bestimmtes Kind macht ein Geräusch, das wir nun im Lied richtig besingen.

Bekannte Geräusche im Raum wiedererkennen. Für diese Übung ist absolute Ruhe erforderlich. Damit es für alle Kinder spannend wird, können auch die Kinder am Platz ihre Augen schliessen.

Der Prinz ist noch klein. Er muss früher als die Prinzessin ins Bett gehen. Er liegt in seiner Wiege und hört den Geräuschen im Schloss zu. Ein Kind legt sich als kleiner Prinz (das Brüderchen von Josefine) auf die Wolldecke am Boden und schliesst die Augen. Es versucht herauszufinden, was für ein Geräusch ich im Raum mache, beispielsweise das Licht aus- und anknipsen, die Türe öffnen, den Schlüssel drehen usw.

Sich selber bewusster wahrnehmen und berühren lernen, so wie es einem Spass macht.

Der Prinz kann einfach nicht einschlafen. So beginnt er an sich selber Musik zu machen und Töne zu finden. Jedes Kind sucht sich einen Platz am Boden und probiert, auf dem Rücken liegend, an sich Töne und Geräusche aus (Beispiel: Mit den Händen auf die weichen Wangen patschen, Mund auf- und zuklappen, stossend Luft durch die Nase atmen). Mit der Zeit unterbreche ich, damit alle nur einem Kind, das weitermacht, zuhören und es dann eine Zeitlang nachahmen.

Töne als Schwingungen an sich selbst wahrnehmen.

Die Königin hört den Prinzen spielen, kommt in sein Zimmer und singt ihm ein Wiegenlied vor[b]. Wir singen das Lied gemeinsam. Die Kinder legen dabei ihre Hände auf den Bauch und auf die Brust, um die Singtöne auch durch die Vibration am Körper wahrzunehmen. Auf leisen Sohlen gehen die Kinder nun zum Platz zurück.

Erfahren, dass ich am gleichen Gegenstand durch die Art, wie ich ihn anschlage, laut oder leise Töne erzeugen kann.

Prinzessin Josefine spielt vor dem Zubettgehen noch in ihrem Zimmer. Sie macht Musik mit einem Holzstäblein, das sie an verschiedenen Möbeln und Dingen einmal laut, einmal leise anschlägt. Nachdem die Kinder mit ihrem Stäbchen ausprobiert haben, gibt die Kindergärtnerin das Signal, ob laut oder leise angeschlagen wird: Steht sie, wird laut, sitzt sie, wird leise gespielt.

Hohe, mittlere und tiefe Töne singen lernen, sie unterscheiden und gemeinsam erklingen lassen. Konzentration üben.

König und Königin kommen ins Zimmer und singen mit Josefine das Lied `Mi, Ma, Mo'. Josefine singt hoch, auf dem Stuhl stehend: `Mi'. Die Königin singt in mittlerer Tonlage auf dem Stuhl sitzend: `Ma'. Der König steht und singt tief: `Mu'. Jedes Kind sucht sich eine der drei Rollen aus und geht in die entsprechende Position. Zuerst singen die drei Stimmen getrennt. Dann zeigt die Kindergärtnerin mit den Händen (unten, Mitte, oben), welche Stimme gerade singen soll.

Die Kinder lieben es, kreuz und quer übereinander zu liegen. Sie werden so miteinander vertraut. Sie entspannen sich schnell nach dem andstrengenden Singen von vorhin.

Jetzt ist auch für Josefine die Zeit zum Schlafen gekommen. König und Königin singen mit ihr das Schlaflied[c]. Die Kinder, die nebeneinander sitzen, legen ihren Kopf auf die Knie bzw. auf den Rücken des Nachbarn. So singen wir gemeinsam das Lied, am Körper des anderen lauschend und ohne Anstrengung.

Sanftes Lösen und ruhiges Überleiten zur Znünipause.

Ich blase jedem der nun `schlafenden' Kinder fein durchs Haar. So löst sich eines nach dem anderen aus der Gruppe und holt sich sein Znünibrot.

[a] Sing mit uns, Unicef, 1982, Zürich

[b] 'Stille, stille' von Landis, Julie: Lieder aus der Kinderzeit, AT Verlag, Aarau, 1983.

[c] Abendlied: Bächli, Gerda: Der Tausenfüssler, Ed. Pelikan, Zürich, 1977.

Überlegungen zur Lektion

Die Kinder haben inzwischen die Geschichte von Prinzessin Josefine vollständig kennengelernt. Die folgende Lektion ist eingebettet in das familiäre Schlossleben zu dem Prinzessin Josefine, der neugeborene Prinz sowie der König und die Königin gehören.

Hören mit einem Hörgerät (Lektion 3)

"Ein Hörgerät verändert meine Wahrnehmung. Trotzdem kann ich damit verstehen, was gesagt wird. "

Die Kinder hören mit zugehaltenen Ohren anders, können aber trotzdem verstehen.

Die Kinder am Platz halten ihre Hände auf die Ohren. Ein Kind geht in die Mitte und spricht dort, ohne das betreffende Kind anzuschauen: "Guete Tag, Daniela!" Wer aufgerufen wird, geht nun in die Mitte, usw.

Sich vermehrt in die Schwerhörigkeit von Anina einfühlen können. Hören mit dem Hörgerät.

René sitzt mit uns im Kreis und erklärt den Kindern, wie ein Hörgerät funktioniert. Er zeigt, wie man es trägt und wie man die Lautstärke regulieren kann. Jedes Kind darf heute einmal durch dieses sonderbare Gerät, wie es Anina immer trägt, hören.

Die Kinder erfahren, dass man mit dem Hörgerät ausser der Stimme der Kindergärtnerin auch andere Stimmen und Geräusche hört.

Die Kindergärtnerin erzählt den Kindern nochmals die Geschichte von Prinzessin Josefine, die sie gut kennen und die sie ganz besonders gern haben. Dabei trägt ein Kind das Hörgerät. Es hört damit solange zu, bis die Geschichte falsch weitererzählt wird. Wer den Fehler bemerkt, stellt sich sofort auf seinen Stuhl. Ein Kind erzählt nun, wie es richtig hätte erzählt werden müssen. Das Hörgerät wird dem nächsten Kind weitergegeben.

Überlegungen zur Lektion

Inzwischen befassten wir uns im Kindergarten mit einem neuen Stoff. Mit dem Besuch von René, der Logopädin und Aninas Mutter war jedoch sofort die Brücke zu der Geschichte von Prinzessin Josefine geschlagen. Da René heute ein Hörgerät zum Ausprobieren mitbrachte, ging es nun vermehrt um das veränderte Wahrnehmen und den technischen Aspekt, wie ein Hilfsmittel zum besser Hören funktioniert. Das Einfühlen in die Situation von Anina war zentral, und daher gestalteten wir die Lektionen von nun an losgelöster von unserem alltäglichen Kindergartengeschehen.

Beate Feldmann

Wie das Gehör funktioniert (Lektion 4)

"Im Ohr muss so vieles richtig arbeiten, damit ich höre."

Ziel in dieser Lektion war, den Hörvorgang für die Kinder auf anschauliche Weise sichtbar, erlebbar und nachvollziehbar zu machen. Dies sollte durch eine Art "Reise" entlang der Schalleitungskette von der Ohrmuschel bis hinein ins Gehirn erreicht werden. Dieses anspruchsvolle Vorhaben wurde durch die Elemente der vorangegangenen Empathie-Förder-Lektionen in den Grundzügen vorbereitet. Insbesondere leistete ein großes Kunststoffohr, das die Kinder zwei Wochen früher mit Begeisterung zerlegen und wieder zusammensetzen durften, einen guten Dienst.

Damit die Kinder in gewohnter Weise in die Geborgenheit des Kindergartens eintauchen konnten, lag das Begrüßungsritual auch diesmal in Beatas Händen. Ich selbst schlüpfte in dieser Phase in die Rolle eines Kindergärtners. Durch einfache Vorübungen, die den Kindern Spaß machten, führte Beata immer näher ans Thema heran: Ein "Telefon-Spiel" sensibilisierte uns auf die Wichtigkeit eines zuverlässigen Zusammenarbeitens der einzelnen Kinder. Bei der ersten Spielvariante versuchten wir einen Impuls mittels Händedruck zu einem bestimmten Mädchen oder Jungen zu senden. Nachdem das klappte, sandten wir verbale Botschaften durch den Kreis. Hier stellte es sich heraus, daß eine Meldung zwar bei der richtigen Person ankommen kann, jedoch nach dem unterschiedlichen Aufmerksamkeitsmaß, der vorhandenen Störgeräusche, des individuellen Hörvermögens oder einer undeutlichen Aussprache der einzelnen Übermittler und Übermittlerinnen vielleicht verändert wird. Bei beiden Spielen wurde klar, daß die Botschaft (das Signal oder der Impuls) nur dann richtig am richtigen Ort - beim richtigen Kind - ankommen kann, wenn sämtliche Zwischenstationen zuverlässig arbeiten.

Reisevorbereitungen

Dank den vorausgegangenen Lektionen war es für mich nun einfach, auf den Hörvorgang überzuleiten. Die Kinder wußten, daß die uns umgebenden Schallwellen durchs Ohr in uns hineinkommen. Auf einem großen Halbkarton (Format A2) zeichnete ich die einzelnen Stationen der Schalleitungskette auf. In dieser Skizze, die noch wesentlich einfacher als die untenstehende (Abb. 1) war, konnten die Kinder mit den Fingern den Weg der Schallwellen Punkt für Punkt bis zum Gehirn nachvollziehen.

Abb. 1: Das menschliche Hörorgan (Lienhard 1992)

Die Vorstellung, daß die Kinder nun selbst einzelne Elemente der Schalleitungskette darstellen sollten, faszinierte alle sehr. Nur, wie sollten wir das bewerkstelligen? Gespannt hörten die Kinder zu, als wir ihnen unsere Ideen darlegten. Alle Kinder sollten in die Reise zum Gehirn - den gespielten Hörprozeß - miteinbezogen werden. Das bedeutete, daß jedes Kind eine klar definierte Aufgabe übernehmen durfte. Da unser "Ohr" viel Platz beanspruchte, wählten wir den Boden als Aktionsraum. Der Gehörgang wurde durch zwei einander zugekehrte Stuhlreihen (1) gebildet, auf denen Kinder mit je verschiedenen Musikinstrumenten sassen. Trommelfell (2) und ovales Fenster (3) wurden je durch ein umgekipptes Tischchen dargestellt und schlossen das Mittelohr ein, in dem drei Kinder (10, 11, 12) lagen und sich mit den Händen an den Knöcheln faßten und so Hörknöchelchen spielten. Die Hörschnecke (Cochlea), bzw. die Härchen darin, bildeten wiederum auf dem Boden liegende Kinder, die je eine farbige Schnur (4, 5, 6, 7, 8) in der einen Hand hielten und mit der anderen das nächste Kind wiederum am Knöchel berührten. Das sah dann etwa so aus (Abb. 2):

Abb. 2: Schematische Darstellung des Hörorgans auf dem Fußboden des Kindergartens

Die Reise durchs Ohr ins Gehirn beginnt

Handlungsabfolge:

  1. Ein Kind auf einem Stühlchen im Gehörgang (1) produziert einen Klang, beispielsweise indem es einen Triangel (9) anschlägt.

  2. Der Klang wird durch die drei Mittelohrknöchelchen Hammer (10), Amboß (11) und Steigbügel (12) zum ovalen Fenster (3) weitergeleitet. (Die Kinder realisieren, daß es hier keine Rolle spielt, welches Instrument einen Klang erzeugt hat; sie haben in jedem Fall einfach den Impuls zu übermitteln.)

  3. Das dritte Knöchelchen, der Steigbügel (12), muß den an seinem Knöchel empfangenen Impuls durch Klopfen an das Tischchen, das ovale Fenster (3), an die Härchen im Innenohr (die Cochlea) übertragen. Die einzelnen Härchen "wissen" ganz genau, welchem Instrument sie zugeordnet sind. Sie "wissen", daß sie nur dann an der Schnur (der Nervenfaser) ziehen dürfen, wenn ihr Instrument zuvor am Beginn der Schallkette erklang.

  4. Kommt zum ersten Härchen ein Impuls, der nicht von seinem ihm zugeordneten Instrument herrührt, muß dieses Härchen den Impuls durch Knöcheldrücken ans nächste Härchen weiterleiten.

  5. Empfängt das Härchen jedoch den von seinem Instrument ausgelösten Impuls, z. B. den Triangel, so zieht es an der Schnur (4), die ihn ins Gehirn (13) leitet.

  6. Im Gehirn, am anderen Ende der Schnur (13), sitzt nun ein Kind, das das gleiche Instrument in der Hand hält wie das den Klang auslösende Kind im Gehörgang, hier also den Triangel. Spürt das Kind den Zug an der Schnur, spielt es sein Instrument. Dadurch ist die Schalleitungskette geschlossen. Im Gehirn erklingt damit der gleiche Klang wie außerhalb des Kopfes.

Bemerkungen zur Reise durchs Ohr

Die Kinder sind von der Tatsache begeistert, daß sie durch dieses System Töne und Klänge ganz gezielt und erst noch lautlos übertragen können.

Soziale Aspekte

Natürlich hören ja alle Kinder, welches Instrument (im Gehörgang) jeweils gespielt wird. Sie wissen also auch, daß dasselbe Instrument am Schluß der Schalleitungskette (im Gehirn) wieder gespielt werden muß. Das bedeutet, daß sich die Kinder, die die Härchen der Hörschnecke sind, merken müssen, welcher Ton gespielt wird und dann solange warten müssen, bis sie den für sie bestimmten Impuls an ihrem Fuß spüren. Erst dann dürfen sie an ihrer Schnur ziehen, um ihr Instrument, das im Gehirn, am anderen Ende der Schnur, sitzt zu aktivieren. Dadurch wird die Aufmerksamkeit enorm erhöht und die Rücksichtnahme stark gefordert. Stephan, ein extrem verhaltensauffälliger Junge wurde durch dieses Spiel dermaßen in Bann gezogen, daß er während der ganzen Lektion, die über eine Stunde dauerte, nicht ein einziges Mal unangenehm auffiel.

Natürlich muß das für die Lektion benötigte Material durch die Kindergärtnerin vorbereitet sein. In den meisten Kindergärten ist das von uns eingesetzte Material ohnehin vorhanden, so daß weder ein großer materieller noch ein großer zeitlicher Aufwand notwendig ist.

René J. Müller

Umsetzen von Musik in Bewegung (Lektion 5)

Absicht/Hinweise

Lektionsablauf

Wir reden nicht nur mit Worten, sondern auch mit Lauten und mit dem Ausdruck.

Ich gähne laut, anstatt die Kinder wie üblich zu begrüssen. Die Kinder reagieren sofort und fragen, ob ich müde sei. Ich frage sie, ob sie andere Geräusche kennen, von denen sie auch wüssten, was sie bedeuten. Pssst! Finger vor den Mund: Still sein. Mmh! Bauch reiben: Das ist gut. Brrr! Sich schütteln: Es friert einen usw. Wir machen die Geräusche und die entsprechende Gestik gemeinsam.

Geräusche von draussen identifizieren, die Geräuschquelle darstellen.

Wir hören, welche Geräusche wir von draussen erkennen. Wir bewegen uns nun selber als Vogel, der gesungen hat, als Auto, welches vorbeifuhr oder als Regen, der ans Fenster klopft.

Die Kinder entwickeln in der Bewegung das Bewusstsein, dass die Musik zum Ausdruck gebracht werden kann und wirklich etwas bedeutet.

Ich erzähle den Kindern, dass die Komponisten das, was sie hören und erleben, in der Musik zum Ausdruck bringen, so, wie ein Maler ein Bild macht von dem, was er sieht oder was ihn bewegt. Die Kinder bewegen sich anschliessend zur Musik durch den Raum und probieren, sich so einzufühlen, was mit der entsprechenden Musik gemeint sein könnte; zuerst in einen Elefanten ( 1.), dann in eine Fee (2.), einen Vogel (3.)[a] usw.

Musik und innere Bilder miteinander verbinden. Sich geistig anregen lassen.

Ob der Tag oder die Nacht wohl auch eine Musik haben? Die Kinder richten sich mit Kissen, Tüchern und Decken einen Platz ein, wo sie bequem liegen können. Ich spiele beide Stücke vor mit dem Hinweis, die Kinder mögen darauf achten, welche Musik ruhig und dunkel tönt und welche hell klingt und einen freudig zum Auf stehen bewegt (4. Tag, 5. Nacht).

Wetter haben wir schon des öfteren körperlich dargestellt. Die Kinder fühlen sich im Ausdruck sicher und erleben die Musik als animierend.

Wir hören nun Wettermusik. Die Kinder sitzen am Boden vor ihrem Stuhl und machen auf der Sitzfläche mit ihren Händen das Wetter gleich mit: Beim Regen (6.) klopfen sie mit den Fingern, beim Gewitter (7.) schlagen sie mit den Handflächen, zur Sonnenmusik (8.) stehen sie auf und gehen mit ausgestreckten Armen als strahlende Sonnen umher.

Regelmässigkeiten in der Musik erkennen und mit dem Körper in eine (sichtbare) Form bringen.

Zur Musik können wir auch Muster malen. Zu drei verschiedenen Sätzen aus Vivaldis Gitarrenkonzerten malen wir in die Luft einmal senkrecht auf und ab (9.), einmal wiegend halbrund hin und her (10.), und schliesslich kreisen wir unsere Hand (11.). Die Kinder machen die Zeichen nun selbständig zur entsprechenden Musik in die Luft, später zeichnen sie die Muster am Boden auf ein Blatt Papier.

Gemeinsam Lieblingsmusik und Bewegung wählen.

Die Kinder dürfen eine Musik auswählen, mit der sie in die Garderobe gehen, um das Znüni zu holen. Sie sind sich einig und bringen als Elefanten (1.) ihr Znünitäschli herein.

[a] Musik siehe am Schluss der Lektion

Überlegungen zur Lektion

Nachdem sich die Kinder der komplexen Vorgänge des Hörens bewusst geworden sind und erlebt haben, wie wir andauernd von unserer Umwelt unterschiedlichste Töne aufnehmen und diese auch unterschiedlich wahrnehmen können, war es unser Bedürfnis, als Abschluss dieser Lektionsreihe dem Ausdruck, den wir den verschiedensten Klängen geben, unsere vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken.

Verzeichnis der in der Lektion verwendeten Musikstücke

  1. Elefant: W. DISNEY: The Jungle Book (Nr.3), CD WDR 36006-2.

  2. Fee: P. TSCHAIKOWSKY: Nussknacker-Suite (Danse de la Fée -Dragée), CD ST 10.011.

  3. Vogel: MOONDOG: Elpmas (Bird of Paradise), CD kd 123314.

  4. Tag: E. GRIEG: Peer Gynt (Morgenstimmung), CD 410 026-2.

  5. Nacht: A. VIVALDI: Flötenkonzerte (Nr.6), CD 423 702-2.

  6. Regen: P. FAVRE: Solitudes (Pluies), CD ECM 1446 849' 654-2

  7. Gewitter: A. VIVALDI: Die Vier Jahreszeiten (Sommer - Presto), CD 419 214-2.

  8. Sonne: DEUTER: Cicada (Sun On My Face), CD KUCKUCK 11056-2.

  9. Muster: A. VIVALDI: Gitarrenkonzerte, CD Philips 412 624-2, (Nr. 5, 14, 15).

Beata Feldmann

Schlussgedanken

Das Zusammenarbeiten im Team-Tesching von Kindergärtnerin, Logopädin und mir als Hörgeschädigtenpädagogen hat sich für alle Beteiligten als sehr hilfreich erwiesen. Die normalhörenden Kinder lernten im Laufe der Zeit mehr und mehr, sich in die besondere Situation der hörbehinderten Anina hineinzuversetzen. Umgekehrt gilt jedoch auch für Anina, dass sie sich noch besser in die hörenden Kinder einfühlen konnte. Darüber hinaus profitierten auch die erwachsenen Bezugspersonen von diesem kleinen Projekt. Die Kindergärtnerin und die Logopädin lernten so ganz nebenbei viele Aspekte der Hörgeschädigtenpädagogik kennen.

Was jedoch auch klar wurde, ist einerseits die Tatsache, dass jedes Projekt, bei dem (hör)behinderte Kinder zusammen mit nichtbehinderten Kindern unterrichtet werden, nur dann begründete Aussicht auf Erfolg hat, wenn die involvierten Personen dies auch ganzherzig wollen. Neben den pädagogisch tätigen Personen gehören hier auch die Behördenmitglieder dazu, die beispielsweise Anträge auf eine Reduktion der Klassengrösse oder akustische Anpassung des Klassenraumes unterstützen müssen.

Am Beispiel von Anina wird ein notwendiges Prinzip des integrativen Unterrichts deutlich:

Auch die Nichtbehinderten müssen etwas Neuartiges lernen, was sie bei aussondernder Erziehung in der Regel nicht lernen könnten. Gemeinsamer Unterricht bedeutet nicht, alle einander gleich zu machen, sondern vielmehr: miteinander leben, spielen und lernen zu können, ohne den andern ganz verstehen zu müssen, ohne sich ganz und gar in den andern einfühlen zu müssen; den andern und sich selbst in seinem Sein so zu lassen wie er ist. - Das macht die Bereicherung in der Gemeinschaft aus.

Literatur und Musik

Affolter, F. (1987). Wahrnehmung, Wirklichkeit und Sprache. Villingen-Schwenningen,

Bruner, J. (1987). Wie das Kind sprechen lernt. Bern,

Drave, W. (1990). Lehrer beraten Lehrer. Würzburg, Edition Bentheim.

Elmiger, P. (1992). Soziale Situation von integriert geschulten Schwerhörigen in Regelschulen (Diplomarbeit an der Universität Freiburg). Freiburg (Schweiz),

Lienhard, P. (1992). Ertaubung als Lebenskrise - Bewältigung des Gehörverlustes im Erwachsenenalter. Luzern, SZH.

Löwe, A. (1987). Pädagogische Hilfen für hörgeschädigte Kinder in Regelschulen. Heidelberg,

Müller, R. J. (1989). Zur integrativen Beschulung hörgeschädigter Kinder. Diplomarbeit am Heilpädagogischen Seminar Zürich. Zürich,

Müller, R. J. (1993). Ich höre ... nicht alles! Hörgeschädigte Mädchen und Jungen in Regelschulen. Berlin,

Sander, A. (1992). Selektion bei der Integration. Behinderte Kinder und Jugendliche in der Schule. Bad Heilbronn, Verlag Julius Klinkhardt. 106-117.

Schöler, J. (1993). "Gibt es Grenzen bei der Integration von Kindern mit Behinderungen?" Die Sonderschule 38(2): 106-110.

Anschrift der Verfasserin und des Verfassers:

Beata Feldmann

Lindenhofstraße 15

CH-8645 Jona

René J. Müller

Drosselstraße 19

CH-8038 Zürich

Siehe auch: http://www.gsr.ch

Quelle:

Beata Feldmann, René J. Müller: Empathie-Förderung im Kindergarten

Erschienen in: Wege der Integration: Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und Fachleuten bei hörgeschädigten Kindern / René J. Müller (Hrsg.) - Luzern: Ed. SZH, 1994; ISBN 3-908263-00x

Anmerkung: Sie finden im o.a. Buch mehrere anschauliche Photographien, die in der BIDOK Internet-Veröffentlichung nicht zugänglich sind.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 12.10.2005

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