betrifft: integration 2/96

Themenbereiche: Schule, Kultur
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Integration: Österreich / Verein Gemeinsam leben - Gemeinsam lernen (Hrsg.): betrifft: integration Nr. 2/1996, Herold Druck- und Verlagsges.m.b.H., Wien betrifft: integration (2/96)
Copyright: © betrifft: integration 1996

Liebe Leserin, Lieber Leser

Vor Ihnen liegt die Sommerausgabe 1996 von betrifft:integration. Und nur an Sie verraten wir auch unser diesmaliges Rezept:

  • Wir nehmen eine kräftige Brise politische Situation (und gehen hoffentlich nicht an Atemnot zugrunde)! Dazu bieten wir Ihnen, neben der Offenlegung unserer verzwickten Situation mit dem Ministerium zum Thema Sekundarstufe, auch Auszüge aus dem Wahrnehmungsbericht der "Aktion Menschenrechte für Staatsbürger mit geistiger Behinderung". Letzterer weist einerseits eine grundsätzlich positive Bilanz der schulischen Entwicklung seit der Volksschulgesetzgebung aus, verweist aber allerdings auch auf eine Reihe von Problemen, die es bei der Verwirklichung des gemeinsamen Unterrichts für behinderte und nichtbehinderte Kinder weiterhin gibt. Übrigens, das Ministerium, das eigentlich den Auftrag zur Berichtlegung vom Nationalrat bekommen hat, ist seit Jahresende säumig! Außerdem gibt es eine Zusammenschau über integrative Regelungen in den Landes-Kindergartengesetzen. Dazu ist zu sagen: es gibt kein Recht auf einen Kindergartenplatz, das Kindergartenwesen fällt in die Rechtskompetenz des jeweiligen Bundeslandes und das bewirkt, daß jedes Bundesland eigene Verordnungen hat.

  • Dazu kommt ein ordentlicher Schuß "Landesrundschau". Besonderen Stellenwert bekommt hier der Blick ins Bundesland Kärnten, wo sich nicht nur aus dem obigen Wahrnehmungsbericht "Seltsamkeiten" herauslesen lassen. Tatsächlich wurde hier auffallend oft sonderpädagogischer Förderbedarf beantragt, nämlich über 30% mehr als vor Gesetzwerdung! Wie allerdings das Bundesland bzw. die Schulbehörde damit umgeht, läßt Integrationsbefürworterinnen die "Grausbirne aufsteigen".

  • Abgeschmeckt wird betrifft:integration mit einem Blick weit über unsere Grenzen. Mit der Beilage "Getting there" wollen wir Ihnen internationale Entwicklungen für Menschen mit Behinderungen näher bringen. Deshalb haben wir uns vorgenommen, alle in deutscher Sprache erscheinenden Ausgaben ab nun regelmäßig beizulegen. (betrifft nur Printversion)

  • Als zusätzlichen Geschmacksverstärker verwenden wir einen Bericht aus dem Bereich wirtschaftliche Eingliederung von behinderten Menschen. Im Rahmen des Helios Programmes (EU) werden Studienbesuche in ganz Europa organisiert. Wir dürfen staunen, was es andernorts bereits gibt.

  • Leider müssen wir diesmal aus redaktionellen Gründen auf die altbekannte Serie "Fünf-Sterne-Ghettos" verzichten. Wir hoffen, beim nächsten Mal klappt´s wieder.

Außerdem finden Sie auch unsere altbewährte Gewürzmischung aus Tips und Reaktionen sowie Wissenswertes aus der "Integrationsszene".

Einen besonders erholsamen Sommer wünscht Ihnen

Ihr Redaktionsteam

Wenn es nicht so wäre, wie es ist ...

Wie seit 1993 bekannt ist, werden die ersten Klassen, in die behinderte Kinder aufgrund des Rechtes auf Nichtaussonderung aufgenommen wurden, 1997 mit der Volksschule fertig sein und weiterführende Integrationsmöglichkeiten brauchen.

Seit mehr als einem Jahr läßt Integration : Österreich keine Gelegenheit aus, gesetzliche Rahmenbedingungen für den Sekundarbereich zu fordern.

Als Antwort hören wir dann sinngemäß: "Wir wollen ja eh Integration", "Nicht aufregen, abwarten" ..., "Schließlich müssen wir erst intern unsere Meinung finden", ...

Als Meinungsgrundlage gilt der jeweilige Referentinnenentwurf, der - je nach Gesprächspartnerin - verändert werden kann oder weiterhin Sache ist.

Wir, INTEGRATION : ÖSTERREICH - der bundesweite Zusammenschluß der Elterninitiativen - dürfen bloß Wünsche deponieren und erfahren dann mit Glück und irgendwie "hintenherum", ob diese Vorschläge Aussicht auf Erfolg haben.

Das Ministerium ist von einem offenen, partnerschaftlichen Stil uns gegenüber (Eltern sind ein wesentlicher Teil der Schulpartnerschaft) weit entfernt.

Eltern sind frustriert

Mit diesem Verhandlungsstil des Ministeriums sind wir nicht zufrieden. Die Integration behinderter Kinder in "normale" Schulen wurde seinerzeit bekanntlich nicht von Erziehungswissenschafterinnen oder Schulbehörden verlangt, sondern kam im wesentlichen durch viel Überzeugungsarbeit und beharrlichen Kampf betroffener Eltern und einzelner, engagierter Lehrpersonen zustande.

Eltern sind nicht nur Expertinnen, was die Behinderungen ihrer Kinder betrifft, sondern haben sich in den letzten zehn Jahren längst auch international umgeschaut und pädagogisch sachkundig gemacht.

Länder: Termindruck oder Rechtsunsicherheit

Anfang des Jahres hieß es, daß noch rechtzeitig vor dem Sommer entsprechende Gesetze verabschiedet werden. Da der Zeitplan des Ministeriums immer wieder umgeworfen wird, soll nun erst "irgendwann im Herbst 1996" das Integrationsgesetz beschlossen werden.

Die Bundesländer, die den vom Parlament vorgegebenen Rahmen in landesspezifischen Ausführungsgesetzen zu füllen haben, geraten dabei unter starken Termindruck. Oder sie können den Eltern bei den Schuleinschreibungen für Hauptschule und Gymnasium keine verbindlichen Angaben über die Integration ihrer behinderten Kinder machen. Die Schuleinschreibungen für Herbst 1997 finden zwischen Jänner und März 1997 statt.

Übrigens: Das gleiche Problem gab es schon bei der Volksschulintegration, leider hat man aber daraus nicht gelernt.

Forderungen der Eltern

Die Wünsche der betroffenen Eltern sind bekannt: Sie selbst, die ihr Kind am besten kennen, wollen das klare individuelle Recht, für die Integration zu entscheiden, bei ebenso klarer Pflicht des Schulsystems, diese Entscheidung auch in den Schulen der 10- bis 14-jährigen zu respektieren und umzusetzen.

Integration ist unteilbar

Behindertengruppen auseinanderzudividieren, um diese zu integrieren und jene nicht, wird von den Eltern strikt abgelehnt. Nicht ausgesondert zu werden ist ein elementares Menschenrecht, das jede Person in Anspruch nehmen können muß.

Soziale Integration und Lernen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten

Wir verlangen, daß - wie jetzt schon in den Volksschulen - auch Hauptschulen und Gymnasien die Aufgabe übernehmen, die soziale Integration behinderter Schülerinnen durchzuführen. Und wir verlangen, daß daher diese Schulen sich auf unterschiedliche Lernziele (je nachdem, welche das konkrete Kind erreichen kann) und auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten einstellen. Beim Unterricht behinderter Kinder sollen außerdem die Bildungsaufgaben berücksichtigt werden, die automatisch vorlägen, wenn das Kind eine Sonderschule besuchte.

Neben der Einzelintegration brachte die "klassische Integrationsklasse" schon bisher die besten Ergebnisse: Mindestens zwei Lehrerinnen, eine davon mit (sonder)pädagogischer Ausbildung, unterrichten im Team eine Klasse von rund 20 Schülerinnen, von denen ca. vier "sonderpädagogischer Förderbedarf", d.h. unterschiedliche Handicaps, haben. Die Kinder werden nicht in Leistungsgruppen geteilt, sondern in kleine Gruppen, denen Kinder verschiedener Leistungsfähigkeit angehören. Dies deshalb, weil Kinder sehr gut von Kindern lernen und andere ihren Alterskolleginnen gut etwas beibringen können.

Integration auch am Gymnasium

Die von vielen als "Eliteschulen" wahrgenommenen oder intendierten AHS können die Integration behinderter Kinder ebenso leisten wie die Hauptschule. Und sie sollen das auch, denn gerade eine allfällige künftige "Elite" wird ohne soziales Bewußtsein nicht weit kommen.

Flexibilität, nicht bloß Bürokratie: Schon bei der Volksschulintegration hat sich gezeigt, wie positiv die Situation gestaltet werden kann, wenn Schule und Schulbehörde mit Engagement und Flexibilität am Werk sind. Und wie mühsam es für die Eltern wird, wenn Bürokratie nicht Gesetzestreue, sondern Sturheit, Ablehnung oder Gleichgültigkeit signalisiert. Flexible Regelungen, die der tatsächlichen Situation einer Klasse und ihrer Kinder dienen und sie nicht zusätzlich behindern, sind daher speziell für die Schulen der 10- bis 14-jährigen nötig.

red.

Christine Haidvogel, Zöfing: Uninformiert

Lieber Peter Herbist,

über Deinen Leserbrief in der Zeitschrift betrifft:integration war ich recht bestürzt, denn er zeigt einmal mehr, warum die Integrationsbewegung mitunter so kämpferisch sein muß ... : muß sie doch immer wieder einen Kampf gegen die Uninformiertheit vieler Menschen ausfechten, die noch immer nicht wissen (wissen wollen?), worum es bei der Idee der Integration prinzipiell geht. Glaubst Du im Ernst, es könnte das Ziel der Integration geistig Behinderter in die Regelschulen sein, diese Kinder mit den selben intellektuellen Anforderungen wie Gesunde zu unterrichten und sie auch mit denselben objektiven Qualifikationen abzuschließen? Als Sonderschuldirektor müßtest Du doch wissen, daß ein individuelles Annehmen eines Schülers kein Gleichmachen sein kann!

Und glaubst Du wirklich, die Integrationsbewegung ist eine Parteiideologie? Ich denke, so viel Uninformiertheit und Unverständnis ist gerade für einen "Schulmann" beschämend. Falls Dein "Integrationsdoktor" aber nur ein journalistischer Gag gewesen sein sollte, finde ich diesen recht billig und auch gefährlich, denn leider tragen so unüberlegte Aussagen immer wieder dazu bei, daß Menschen, die vielleicht bemüht sind, das ihre zur Integration Behinderter beizutragen, als Feindbilder abgelehnt werden. Das finde ich schade!

Christine Haidvogel, Zöfing

"Einbeziehen statt Ausschliessen"

Fragen und Antworten zur Integration behinderter Kinder in normale Schulen

heißt die neue, umfangreiche Informationsmappe von Integration : Österreich. In einzelnen Kapiteln werden Antworten auf die "brennensten" Fragen zur schulischen Integration gegeben - ein weiterer Schritt, um endlich die immer noch hartnäckigen Vorurteile gegen Integration auszuräumen, gleichzeitig aber auch, um transparent zu machen, was integrativer Schulunterricht für die Beteiligten wirklich bringt: Soziale Integration - der Umgang miteinander und das Voneinanderlernen im Umgang miteinander und ganzheitliche Bildung - die Förderung der Kinder in allen Dimensionen ihrer Persönlichkeit, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen. Erlebnisberichte und die Sicht der Eltern runden das Papier zu einem authentischen Erfahrungsbericht ab.

Das Papier ist gegen einen Kopien- und Versandkostenersatz über das Büro von I :Ö beziehbar. Tel.: 0222/5229407

Zwei Jahre gemeinsamer Unterricht

Die "Aktion Menschenrechte für Staatsbürger mit geistiger Behinderung", eine Gemeinschaft der Lebenshilfe Wien und der Lebenshilfe Steiermark, hat einen Wahrnehmungsbericht an den Nationalrat ausgearbeitet. Knapp vor Redaktionsschluß wurde der Bericht bei einer Pressekonferenz den Medienvertreterinnen präsentiert. Wir bringen die Zusammenfassung dieses Berichtes.

Seit dem Schuljahr 1993/94 können behinderte Kinder gemeinsam mit ihren nichtbehinderten Alterskolleginnen die Volksschule besuchen.

Nach fast einem Jahrzehnt der Schulversuche wurde den Eltern als Anwältinnen ihrer Kinder damit das Recht eingeräumt, selbst zu entscheiden, welche Schule sie für die Entwicklung ihres Kindes für die geeignetste halten. Diesen Schritt von der "Gnade per Schulversuch" zu einem verbrieften Recht hält die "Aktion Menschenrecht für Staatsbürger mit geistiger Behinderung" für einen wichtigen Fortschritt bei der Verwirklichung der Menschenrecht behinderter Menschen auf volle Anteilnahme am gesellschaftlichen Leben (Thema des Jahres behinderter Menschen 1981 und gleichlautende Erklärung der Bundesregierung).

Positive Bilanz und Sorge

Im dritten Schuljahr des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Kinder ziehen die Berichterstatterinnen anhand einer Erhebung der Schülerinnenstromentwicklung sowie den Erfahrungen der Elternselbsthilfe eine prinzipiell positive Bilanz, begleitet von Sorge um die weitere Entwicklung:

Positiv ist, daß in diesen Jahren in Fortsetzung der erfolgreichen Schulversuche mehrere tausend behinderte Kinder mit besonderen Bedürfnissen in den Volksschulen aufgenommen wurden und dort, entsprechend ihren Bedürfnissen unterrichtet werden.

Bedenklich ist, daß diese Zahl von integrierten Kindern nicht von einem gleich großen Rückgang der Zahl der Kinder an Sonderschulen begleitet ist. Wir schließen daraus, daß insgesamt wieder mehr Kinder als zuvor vom Schulsystem als "nicht der Norm entsprechend" definiert werden.

Während einerseits die wachsende Zahl von Kindern mit besonderen Bedürfnissen an den Volksschulen mithilfe von zusätzlichem Personal unterrichtet wird, geht anderseits die Zahl der Kinder an den Sonderschulen nicht im zu erwartenden Ausmaß zurück. Dabei gibt es einen vermehrten Trend zu den Spezial-Sonderschulen, deren Wachstum über dem allgemeinen Schülerinnenwachstum liegt.

Insbesondere stimmt dabei bedenklich, daß nach Bundesländern stark unterschiedliche Entwicklungen dies noch mehr verdeutlichen: Einerseits gibt es Bundesländer mit einem (erwartungsgemäß) beträchtlichen Rückgang der Zahl der Sonderschülerinnen und Sonderschüler, andererseits Bundesländer, in denen die Zunahmen an den Sonderschulen sogar über dem Schülerinnenwachstum an den Volksschulen liegt (Details im Bericht).

Besonderen Augenmerks bedarf der Umstand, daß die Zugänge zur Sonderschule nicht nur bei der Einschreibung, sondern vor allem auch während des Schuljahres erfolgen. Hier wird tendentiell die Bedeutung des Rechts auf gemeinsamen Unterricht unterlaufen, da die erst im Laufe der ersten Schuljahre erkannte Notwendigkeit der sonderpädagogischen Förderung nicht an die Volksschule, sondern durch Überweisung an die Sonderschule erfüllt wird.

Mit Skepsis beobachten die Berichterstatterinnen, daß die Zahl der Sonderschullehrerinnen in den letzten Jahren um über ein Viertel gewachsen ist. Dieser unerwartet hohe Anstieg liegt nach Erachten der Berichterstatterinnen an einem leichtfertigen Umgang mit der Zuschreibung "sonderpädagogischer Förderbedarf", der so allgemein der Verbesserung der Klassensituation an den Volksschulen zugute kommt, aber nicht ausschließlich jenen Kindern, die diese Bedürfnisse aufgrund ihrer Behinderung (vor allem bei geistiger und mehrfacher Behinderung) aufweisen.

Die Berichterstatterinnen warnen daher nachdrücklich vor einer Entwicklung, bei der die Integration behinderter Kinder mit dem Hinweis auf den höheren Lehrerinnenaufwand verhindert wird: Dies ist bei einem tatsächlichen Transfer der Ressourcen (Lehrerinnenstellen) aus dem Bereich der Sonderschulen in die allgemeinen Schulen nicht oder nur in geringem Ausmaß gegeben. Der Anstieg sollte der Schulbehörde ein Warnsignal dafür sein, daß die zugeteilten Lehrerinnenstellen nicht effizient im Interesse behinderter Kinder eingesetzt werden. Dies zeigt auch das Versagen der an Sonderschulen angeschlossenen Sonderpädagogischen Zentren, die an sich für diesen Ressourcentransfer verantwortlich wären.

Die großen regionalen Unterschiede sind ein deutlicher Hinweis darauf, daß Eltern ihr Recht regional unterschiedlich zuteil wird. Dies deckt sich auch mit einzelnen Erfahrungen der Elternselbsthilfe, daß Eltern nicht korrekt über ihr verbrieftes Wahlrecht zwischen Volksschule und Sonderschule informiert werden und teilweise die Entscheidung für Integration "von den Möglichkeiten der Schule" abhängig gemacht wird.

Als großes Versäumnis sehen die Berichterstatterinnen, daß bisher keine Anpassung der Lehrpläne der Volksschulen an die Notwendigkeiten des gemeinsamen Unterrichtes behinderter und nichtbehinderter Kinder erfolgte; desgleichen wurden die Ausbildungspläne der Pädagogischen Akademien in keiner Weise an die geänderte Aufgabenstellung der Volksschule angepaßt. Die Berichterstatterinnen plädieren dafür, daß die bisher getrennten Ausbildungswege von Volks- und Sonderschullehrerinnen vereint werden, damit dem integrativen Unterricht auch ein gemeinsames Fundament in der Ausbildung der Lehrerinnen gelegt wird.

Die "Aktion Menschenrecht für Staatsbürger mit geistiger Behinderung" fordert die rasche gesetzliche Verankerung der Fortführung des gemeinsamen Unterrichtes an allen Schulen der Sekundarstufe I (5.-9.), damit der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden kann und behinderte Kinder nicht neuerlich mit Ungewißheit über ihren weiteren Schulweg belastet werden. Die "Aktion Menschenrechte" hält dabei, im Einklang mit den UNESCO-Erklärungen zur gemeinsamen Schule, an der Unteilbarkeit von Integration fest:

Entsprechend ihren Bedürfnissen müssen alle Schularten behinderten Kindern, gleich welcher Behinderung, offenstehen.

red.

Der Wahrnehmungbericht kann bei der Lebenshilfe Wien, Tel.: 0222/812 26 35 bestellt werden.

Es geht weiter!

Nach dem Sommer geht´s für viele Kinder einer Volksschulintegrationsklasse als Schulversuch an der Hauptschule weiter. Zum Mutmachen für diese Schnittstelle in der integrativen Schulkarriere stehen die beiden folgenden persönlichen Berichte. Im ersten Teil schildert ein Vater von der geglückten Fortsetzung des Schulversuches, und im zweiten Teil läßt uns ein Hauptschullehrer an seinem "Entscheidungsprozeß" teilhaben.

Martin Hetzendorfer: Teil 1: Schulbehörde unterstützt Eltern

Wir können es noch gar nicht so richtig glauben, aber "unsere" Integrationsklasse kann an der Hauptschule weitergeführt werden. Tobias (Down-Syndrom) besucht seit 4 Jahren als Einzelintegrationskind die hiesige Volksschule, in der nach dem Montessori-Prinzip unterrichtet wird. Mit ihm besuchen 15 andere Kinder die gleiche Klasse, in den 4 Jahren sind auch die Eltern zu einen Gemeinschaft geworden. Für uns stellte sich daher schon in der dritten Klasse die bange Frage nach einer Weiterführung. Unser Optimismus hielt sich in Grenzen, hatten wir doch um die Integration und Volksschule hart kämpfen müssen. Beide Male hatten wir aber auch das Quentchen Glück, daß sich ohne unser Zutun die Umstände so entwickelten, daß die Integration wahrscheinlicher, leichter vorstellbar und so möglich wurde. Die große Frage war vor allem, ob wir wieder Mitstreiterinnen unter den Eltern finden würden und ob von seiten der Schulaufsicht eine Fortführung des Schulversuchs gewünscht wurde.

Und hier erlebten wir unsere erste Überraschung: Beim ersten Gespräch im September 1995 waren die Volksschullehrerin, der VS-Direktor, der HS-Direktor, Dr. Joppich vom Landesschulrat und der Bezirksschulinspektor (damals relativ neu im Amt) dabei. Wir hatten uns darauf eingestellt, Überzeugungsarbeit leisten, für unsere Idee werben zu müssen. Doch bereits gleich zu Beginn legte der Bezirksschulinspektor (BSI) seinen Standpunkt dar: Er halte es nicht nur für eine moralische Pflicht, ein Kind nach vier Jahren Integration weiter in eine I-Klasse gehen zu lassen und es nicht in die Sonderschule zurückzugeben, er fühle sich auch als Schulaufsichtsorgan herausgefordert. Es würde der Schulbehörde kein gutes Zeugnis ausstellen, wäre sie nicht imstande, einen Schulversuch zu Ende zu führen. Und dieses Ende sei eben erst nach der Pflichtschule erreicht. Auch Dr. Joppich vertrat die gleiche Meinung, ergänzte sie aber noch dahingehend, daß er eine Fortführung der Einzelintegration nicht für wünschenswert halte, sondern eine "richtige" Integrationsklasse mit einer ständigen Zweitlehrerin für die bessere Lösung hielte. Damit fiel uns einmal ein Stein vom Herzen, ohne daß deshalb gleich Euphorie ausbrach.

Der Leiter der Hauptschule zeigte sich reserviert bis skeptisch interessiert, hatte aber keine prinzipiellen Einwände gegen einen solchen Schulversuch an seiner Schule. Er wollte nur die strikte Freiwilligkeit der Lehrerinnen und der Eltern gewährleistet wissen. Abschließend bat uns der BSI noch, uns aus der Sache herauszuhalten, es könne nicht Aufgabe der Eltern sein, die Arbeit der Schulbehörde zu erledigen. Das war klar und logisch, in einer kleinen Stadt, wo man sehr häufig mit den Lehrerinnen der Schule zusammentrifft, aber nicht ganz leicht. Hier sei auch eine kleine Zwischenbemerkung gestattet: So positiv es ist, daß die zuständigen Organe sich einer solchen Sache annehmen, so hätten wir uns doch manchmal gewünscht, im Sinne der Schulpartnerschaft auch als Eltern mehr eingebunden zu sein, vielleicht etwas einbringen zu können.

Langer Atem

Für uns ging dann natürlich alles zu langsam, aber das geht wahrscheinlich allen so, die etwas erreichen wollen. Wir hörten auch lange nichts mehr, nur, daß sich der BSI sehr dafür einsetze, Lehrerinnen für dieses Projekt zu gewinnen. Was wir hörten, war, daß es auch Lehrerinnen gab, die aus ihrer Ablehnung des Schulversuchs kein Hehl machten. Daß es im Ort eine Sonderschule gibt, förderte das Verständnis vieler ebenso nicht übermäßig.

Als sich die anderen Kinder der Klasse für ihre weitere Schullaufbahn entschieden, zeigte sich, daß nur wenige "erhalten" bleiben würden. Neun werden ins Gymnasium gehen, einer in die Sporthauptschule, einer wird voraussichtlich wiederholen. Einem Schulversuch "Gemeinsame Mittelstufe" hätten einige etwas abgewinnen können, der war aber von vornherein unrealistisch. Es blieben also nicht viele, die uns am Elternabend unterstützen konnten.

(Die sehr erfreuliche Tatsache, daß so viele Kinder Gymnasiumsreife aufweisen, kann vielleicht ein wenig dazu beitragen, ein immer wieder vorgebrachtes Vorurteil abzubauen. Nämlich, daß die Nichtbehinderten in I-Klassen zu kurz kommen.)

Freud und Leid

Beim Elternabend in der Hauptschule vermeinten wir, seitens mancher Eltern eine eher ablehnende Stimmung zu verspüren, obwohl sich der für die Klasse vorgesehene Klassenvorstand größte Mühe gab, seine positive Haltung weiterzugeben. Auch der Schulleiter unterstützte ihn dabei. Zu groß aber war nach unserem Gefühl die Gruppe derer, die nur gekommen waren, um sich ihre alten Vorurteile bestätigen zu lassen. Auch die Integrationsgegnerinnen der ersten Stunde wiederholten ihren bereits vor vier Jahren vorgebrachten Standpunkt, daß ihre Kinder eine harte Hand brauchten und ohne Druck und Zwang nicht lernen würden. Wir gingen geknickt nach Hause. Um so größer war unsere Überraschung, als wir erfuhren, daß es zu viele Anmeldungen gab.

Erfreulich ist, daß die Klassenschülerinnenzahl mit zwanzig begrenzt werden soll. Am allermeisten aber freuen wir uns darüber, daß auf Vorschlag des Bezirksschulinspektors "unsere" Lehrerin als ständige I-Lehrerin die Klasse begleiten soll. Wir bewundern ihren Mut und ihr Engagement, dieses Angebot anzunehmen. Zuversichtlich stimmt uns vor allem auch die Wahl des Klassenvorstandes, bei ihm wissen wir die Klasse in guten Händen. Welche Lehrerinnen endgültig sein Team bilden werden, wissen wir noch nicht, wir danken ihnen aber schon jetzt für ihre Aufgeschlossenheit und Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.

Peter Böhm: Teil 2: Soziale Integration für Spätberufene

Ein Virus hat mich gepackt! Seit einem halben Jahr lese ich alles, was mir in die Hände kommt, über die Soziale Integration von Kindern mit Behinderungen auf der Sekundarstufe, konkret über Integrationsklassen an Hauptschulen. Aber ich will von vorne beginnen: Unterricht an der Hauptschule (HS) seit 1973, geprüft für Deutsch und Musikerziehung, unterrichte ebenso gerne Geschichte und Geographie (GW), verheiratet mit einer Volksschullehrerin, 3 Kinder.

Immer schon empfand ich sowohl besonders lernbegabte als auch lernwillige, aber lernbehinderte Kinder als Herausforderung, versuchte mich vom Einzelkämpfer zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit mit Kolleginnen weiterzuentwickeln. Eine Vermittlerinnenrolle entdecke ich an meiner Frau. Sie ist offenen Lernformen gegenüber aufgeschlossen, unterrichtet zwei Stunden Bildnerische Erziehung in einer Integrationsklasse, arbeitet mit deren Klassenlehrerin zusammen.

Nun soll die Integrationsklasse der VS in unserer HS im Rahmen eines vierjährigen Schulversuchs eine logische Fortsetzung finden.

Wer traut sich das zu? Zweifel, Ratlosigkeit, auch Ablehnung werden spürbar. Wie sieht so ein Modell aus?

Auf nach Mödling (NÖ) mit dem Leiter und zwei Kollegen in die Thoma-HS. Staunen, vier Männer hat man nicht erwartet. Besuch in den zwei Integrationsklassen: die entspannte und harmonische Atmosphäre, der wohnlich gegliederte Raum wirken sehr positiv auf mich. Wo sind eigentlich die Behinderten? Viele Fragen.

Neue Wege

Ich spüre von dem Tag an: Dafür lohnt es sich einzusetzen. Aber: Innere Differenzierung, Teamwork, Freiarbeit, Projektlernen, werde ich das können? Viele Gespräche mit Kolleginnen folgen, ich sondiere, träume von einem Idealteam. Konferenz mit dem Bezirksschulinspektor und dem Schulversuchsleiter: viele ehrliche Worte, die Angst der Zweiflerinnen ist wieder spürbar. Sind sie dann weniger wert? Haben sie Nachteile zu erwarten? Die Meinungsbildung geht weiter. Die Entscheidung drängt. Wer ist bereit, in der geplanten I-Klasse mitzuarbeiten? Ich staune bei der folgenden Besprechung: Es sind mehr, als ich dachte, leider nicht ausnahmslos ganz freiwillig, das Team formiert sich, aber es ist (zu) groß. Der Leiter ist erleichtert.

Ach so, Schülerinnen brauchen wir auch. Ein Elternabend für alle Eltern, deren Kind in die HS kommen wird, wird geplant. Ich stelle das Modell vor, das Team, die Diskussion ist zäh, das Video hat eher verwirrt, Anmeldungen werden vom Leiter verteilt.

Nach einer Woche: 26 Anmeldungen! Erstaunlich wenige aus der VS-Klasse, vier Schülerinnen mit Lernbehinderungen, fünf mit nichtdeutscher Muttersprache (was geht hier vor, am Elternabend waren diese Familien nicht), etliche lernschwache Kinder. Wird hier die I-Klasse mit einer Sonderschulklasse verwechselt?

Neuerliche Besprechung. Der Leiter meint, alles allein machen zu müssen, wir wollen aber mittragen und mitverantworten. Dazwischen: Modellberichte studieren, Arbeitsberichte analysieren, Besuch einer LAG zum Thema in der HS Pregarten im Mühlviertel, lesen, lesen. Zweimal Kurzbesuch des Bezirksschulinspektors in der Schule, er wird mit dem zukünftigen Klassenvorstand der I-Klasse sprechen wollen. Mitnichten! Ich fühle eine ernüchternde Leere. Hatte ich mir eingebildet, etwas Besonderes zu sein?

Wie es weitergeht: Längst sollten die Eltern ihre Anmeldungen bestätigt bekommen, die Zusammenarbeit, die Planung konkret werden. Aber: ein Verfahren wegen eines sprengelfremden türkischen Schülers bremst, viele schulfreie Tage, viele Krankenstände und Supplierungen. Ich ahne: Ich werde wohl oft Katalysator sein müssen; wieder in Schwung bringen, klären und reinigen.

Aber ich bin neugierig: auf unsere Schülerinnen, auf die Eltern, auf das Teamteaching, auf die Ideen aller Beteiligten, auf die Integrationsklasse an unserer Hauptschule.

Daniela Treiber: Arbeiten für Europa

Daniela Treiber: Vorstandsmitglied von Integration : Österreich und nominiert für den Bereich "Wirtschaftliche Integration" im Rahmen von HELIOS II

Helios II, von der Europäischen Gemeinschaft als drittes Aktionsprogramm zugunsten behinderter Menschen für den Zeitraum von 1.1.1993 bis 31.12.1996 beschlossen, initiiert regen Austausch über mögliche Arbeitsprojekte für Behinderte Menschen.

"Jeder behinderte Mensch hat, wie jeder andere Bürger auch, das Recht auf vollständige Entwicklung seiner Persönlichkeit und seiner Fähigkeiten sowie auf Respektierung seiner Unterschiede. Er darf nicht Ziel einer wie immer gearteten Diskriminierung werden." Auf diesen Zielen basiert HELIOS II, von der Europäischen Gemeinschaft als drittes Aktionsprogramm zugunsten behinderter Menschen für den Zeitraum von 1.1.1993 bis 31.12.1996 beschlossen.

Zu den Hauptaktivitäten zählen die "Aktivitäten zum Erfahrungs- und Informationsaustausch", mit den Zielen:

  1. Austausch von Informationen über nachahmenswerte Praktiken und innovative Verfahren

  2. Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den verschiedenen Stellen, die in Europa im Bereich Eingliederung und Chancengleichheit tätig sind

  3. Entwicklung einer zusammenhängenden Eingliederungsstrategie.

Damit bestehen zwei Aktionsmodelle nebeneinander: ein von unten ausgehendes ("bottom-up"), bei dem durch Erfahrungsaustausch eine Weiterentwicklung erwartet wird, und ein von oben bestimmtes ("top-down") und politisch ausgerichtetes, bei dem die Teilnehmerinnen auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene zum politischen Entwicklungsprozeß beitragen sollen.

Behindertenpolitik ist Landessache

Eines kann HELIOS II allerdings nicht leisten: Es hat nicht die Aufgabe, eventuelle Lücken in einer Politik zu schließen, für die nach wie vor allein die Mitgliedstaaten verantwortlich sind (lt. Mitteilung der Kommission). Hier hatten viele Teilnehmerinnen - wie auch ich - zu hohe Erwartungen.

Man hatte sich erhofft, daß die HELIOS-Ergebnisse dazu beitragen könnten, daß von europäischer Ebene her Unterstützung für die Durchsetzung von Gesetzesverbesserungen im nationalen Bereich gegeben werde. Für eine europäische Behindertenpolitik fehlt die rechtliche Grundlage.

Die Arbeit der Kommission und daher auch des HELIOS-Programmes muß streng dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen. Sie will jedoch durch den Informations- und Erfahrungsaustausch eine europaweite Debatte über Behindertenpolitik in Gang bringen. Wie weit das möglich ist, wird sich zeigen.

Für meinen Bereich kann ich feststellen, daß ich auf meinen Studienvisiten sehr interessante und effektive Konzepte kennengelernt habe, die ich schon sehr gut in Österreich einsetzen konnte, um in der Diskussion neue Vorstellungsbilder anschaulich zu machen.

Effektive Konzepte

Nachfolgend seien zwei Studienvisiten näher beschrieben.

Beispiel 1, Erlangen (D): Siemens fördert Arbeitsplätze für behinderte Menschen

Die Stadt Erlangen hat das erklärte Ziel, sich als Arbeitgeber stets über der 6% Quote zu bewegen (seit 1987 ist das deutlich gegeben), auch behinderte Menschen mit sehr geringer Arbeitsleistung zu beschäftigen und spezielle Arbeitsplätze zu schaffen. Erlangen hat eine hauptamtliche Behindertenberatung installiert und einen Personalrat, der aus der Schwerbehinderten-Vertrauensfrau und zwei Arbeitsassistentinnen besteht.

Es ist ein erklärtes sozialpolitisches Ziel des Unternehmens, arbeitslose schwerbehinderte Menschen in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Für die Firmenleitung gilt der Grundsatz, daß bei Neueinstellungen behinderten Menschen mit entsprechender Ausbildung der Vorzug zu geben ist. Dennoch kann die gesetzlich vorgeschriebene Quote (6%) nicht erreicht werden.

Seit Jahren ist die Beschäftigung von schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen rückläufig und die Zahl der nicht besetzten Pflichtstellen ansteigend. Siemens med beschäftigt gegenwärtig 270 behinderte Arbeitnehmerinnen (4% aller Beschäftigten). Nur ein kleiner Teil wurde als "Behinderte" eingestellt, der Großteil fiel im Laufe seiner Tätigkeit durch Krankheit oder Unfall in den Behindertenstatus.

Als Gründe für den Mangel an behinderten Arbeitskräften wurde angenommen, daß es keine Kriegsopfer mehr gibt, behinderte Menschen oft keine ausreichende Qualifikation haben, daß die Zahl der hochqualifizierten Arbeiten zunimmt und einfache Tätigkeiten abnehmen.

In Zusammenarbeit mit dem Berufsausbildungswerk Mittelfranken bildet die Firma Siemens junge Menschen mit Lernschwierigkeiten im Rahmen der Lehrlingsausbildung aus. Die Integrationsgruppen werden kleiner gehalten, um besser auf die Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten eingehen zu können. Nach Abschluß der "Anlehre" bekommen die Jugendlichen einen entsprechenden Arbeitsplatz bei der Firma Siemens. Vor 15 Jahren wurden 120 Lehrlinge pro Jahr ausgebildet, davon sechs mit Lernbehinderung, 1995 nur mehr 70 Lehrlinge, aber ebenso sechs mit Lernbehinderung.

Beispiel 2, Shaw Trust in Bromsgrove (GB):

1981, angeregt durch das Internationale Jahr der Behinderten, begann eine kleine Gruppe in der Ortschaft Shaw in Wiltshire Arbeitsplätze für schwer behinderte Menschen zu suchen. Dabei zeigte sich, wie sich Fertigkeiten und Selbstvertrauen am Arbeitsplatz entwickelten und wieviel Menschen mit Behinderungen anzubieten haben. Das brachte eine neue Sichtweise mit sich, im Vordergrund standen nicht mehr die Behinderungen, sondern die Fertigkeiten.

Heute ist Shaw Trust die größte karitative Organisation Englands, die sich mit der wirtschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderungen befaßt. Für über 5.000 Menschen konnten Arbeitsplätze gefunden werden. Zweigstellen gibt es in ganz England und im südlichen Schottland, wobei in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden, Ausbildungsstätten und Handelskammern auf die lokalen Bedürfnisse eingegangen wird.

Die nationale Strategie-Stelle ist zur Koordination und zur Ausarbeitung der grundlegenden Strukturen da. Über transnationale Partnerschaften wird versucht, ein breites Erfahrungsspektrum einzubeziehen.

Das definierte Ziel von Shaw Trust ist: Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten an einem Arbeitsplatz zu entfalten.

Die Finanzierung von Shaw Trust erfolgt größtenteils durch den Staat, unabhängig von der Anzahl der betreuten Menschen, außerdem durch private Spenden. Klientinnen mit einem unterstützten Arbeitsplatz sind beim Shaw Trust angestellt und werden von diesem in Höhe des Lohnniveaus des arbeitgebenden Betriebes entlohnt. Die Arbeitgeberin zahlt einen Lohnanteil an Shaw Trust, der der erbrachten Leistung entspricht. In einem Vertrag zwischen Shaw Trust und Arbeitgeberin werden dieses Zahlungsverhältnis und die Rechte und Pflichten der unterstützenden Arbeitnehmerin festgelegt, die denen anderer Arbeitnehmerinnen des Betriebes entsprechen müssen. Bei den Besuchen des Shaw trust-Officers am Arbeitsplatz wird je nach Weiterqualifizierung der Arbeitgeberinnenanteil neu verhandelt.

Vor drei Jahren kam es zu einer empfindlichen Kürzung der staatlichen Zahlungen, und der Arbeitgeberinnenanteil mußte entsprechend eingehoben werden. Entgegen allen Befürchtungen kam es zu keinem Rückgang der vermittelten Arbeitsplätze, und es zeigte sich, daß qualifizierte Beratung und fortdauernde Betreuung im Krisenfall die wesentlichsten Faktoren für die Motivation der Arbeitgeberin sind.

Auch behinderte Menschen nehmen teil

Die Austausch- und Informationsaktivitäten erstrecken sich auf die Sektoren funktionelle Rehabilitation, wirtschaftliche Integration und soziale Integration - eigenständige Lebensführung, die in ca. 60 Themengruppen mit jeweils 4 bis 20 Teilnehmerinnen geteilt ist. Daran nehmen 832 Teilnehmerinnen insgesamt (40 aus Österreich) teil, die von den jeweiligen Regierungen ausgewählt wurden.

HELIOS II forciert die Einbeziehung von behinderten Menschen als Teilnehmerinnen - die tatsächliche Auswahl obliegt jedoch den nationalen Regierungen. In Österreich ist die Betroffenen-Quote relativ hoch, dies liegt aber vielleicht an der Definition, die bei uns weiter gefaßt ist.

Reise- und Aufenthaltskosten werden von der EU finanziert. Der Ablauf ist so organisiert, daß es drei "study visits" im Jahr gibt, die jedesmal von einer anderen Teilnehmerin der Themengruppe organisiert werden. Eine Synthesekonferenz, in der mehrere Themengruppen zusammengefaßt sind, erstellt am Ende des Jahres den Schlußbericht.

Meine Themengruppe erstellt einen Fragebogen für Arbeitgeberinnen, durch dessen Fragestellungen einerseits Vorurteile abgebaut werden sollten und anderseits die vorgeschobenen Argumente für Nichteinstellung von behinderten Menschen deutlich gemacht werden.

Außerdem muß jede Themengruppe zum Abschluß der HELIOS-Tätigkeiten eine Broschüre zur praktischen Anwendung der erarbeiteten Prinzipien herausgeben (z.B. Leitfaden für Arbeitgeberinnen).

1996 ist für Ende Juni noch eine study visit in Schweden bei LIKA VILLKOR, ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Arbeitgeberinnenverband, Gewerkschaftsbund, Zentralorganisation der Akademikerinnen, der Angestellten und Beamtinnen, der behinderte Menschen und der sehbehinderten im speziellen geplant. Mit dem Ziel, Unternehmerinnen bei der Einstellung von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. Dies halte ich für ein sehr interessantes und anzustrebendes Ziel für Österreich!

Anfang Oktober wird eine study visit von mir für Integration : Österreich zusammen mit dem Wiener Verein, "Gemeinsam Leben" organisiert, bei der die Wiener Arbeitsassistenz und vermittelte Arbeitsplätze besichtigt werden und eine Arbeitgeberinnen-Diskussionsrunde geplant ist.

betrifft:integration wird in der nächsten Ausgabe darüber berichten.

Volker Schönwiese: "Es ist normal, verschieden zu sein"

11. Österreichisches Integrationssymposium von 6. bis 8.Juni in Innsbruck.

Einige persönliche Wahrnehmungen und Einschätzungen

Größte Zufriedenheit stellt sich bei mir ein, daß es gelungen ist, das Symposium durchzuführen. Zweifel hatten sich ja schon eingeschlichen, ob nicht nach 10 Symposien der Faden zu reißen beginnt. Terminprobleme, Überschneidungsprobleme mit mehreren anderen Symposien (Kongreß der Elterninitiativen in der Schweiz, Montessorikongreß, Heilpädagogischer Kongreß), die kurze Vorbereitungszeit, die Semester-End-Müdigkeit, vielfältiger Ermüdungs-Frust - alles galt es zu überwinden.

Den Erfolg des Symposiums kann ich daran erkennen, daß es nach allen meinen Wahrnehmungen sehr ermutigend war und an Kernpunkten große Beteiligung feststellbar war.

Ich nehme einzelne Punkte heraus:

  • Wir stagnieren inhaltlich nicht, das Wissens- und Analyseniveau nimmt zu, wir haben in der Begründung von Integration noch einiges zuzusetzen. Das zeigte sich in den meisten Referaten und Arbeitskreisen, am deutlichsten bei den im besten Sinne fundamentalen Formulierungen von Georg Feuser.

  • Der Bogen der Alternativen zu den herkömmlichen aussondernden Einrichtungen wird vom Kindergarten bis zur Arbeitswelt immer kompletter und deutlicher.

  • Wir stellen uns weiterhin dem schwierigen Thema "Vernichtung im Nationalsozialismus" und den Konsequenzen bis zur neuen Euthanasiedebatte, biologischen Menschheitsverbesserung (Gen- und Reproduktionstechnologie) heute.

  • Wir sprengen Grenzen in dem Sinne, daß das erste mal - ohne groß aufzufallen - mehrere betroffene behinderte Personen selbst als Arbeitskreisleiterinnen auftraten, darunter eine Person mit dem Etikett "geistig behindert".

  • Wir sind vom politischen Prozeß der Umsetzung von Nichtaussonderung und Einlösung von Menschenrechten nicht abgekoppelt. Die Ermutigung, die wir erreichen, ist nicht geschenkt, sie ist erarbeitet. Sie hat immer wieder überraschende Folgen, die uns wie Geschenke erscheinen.

Beim Symposium war das z.B. das Lied der Schule aus dem Tannheimertal. Es bewegte uns in einem Maße, wie es schriftlich nicht ausdrückbar ist.

Noch einige Anmerkungen zur Politikerinnendiskussion: NR.Abg. Erwin Niederwieser sicherte zu, daß die schulische Integration nicht am Geld scheitern wird. Er zeigte aber deutlich, daß es beim Thema Integration Schwierigkeiten in der Koalition gibt, bei der Umsetzung der Integration in die Sekundarstufe ist vieles noch nicht "gelaufen". Wir müssen wachsam und aktiv bleiben! Die NR.Abg. Sonja Moser fand sehr positive Worte zur Integration, nur war nicht klar für wen sie hier spricht. Die zuständige Ministerin Gehrer war jedenfalls der Einladung nicht gefolgt, obwohl sie am Symposiums-Eröffnungstag in Innsbruck war und an der Fronleichnam-Prozession teilnahm.

Unter dem Eindruck des Referates von Georg Feuser entstand der Plan, den Nationalratsabgeordneten dieses Referat zukommen zu lassen. Alle anwesenden Politikerinnen waren bereit, sich dafür einzusetzen, daß Georg Feuser zu einem Referat ins Parlament eingeladen wird.

Die Referate und Berichte über die Arbeitsgruppen sind vermutlich ab Herbst in einem Tagungsband nachlesbar; so schnell, wie die Organisatorinnen die Texte bekommen, können sie per Internet abgerufen werden.

Für Melanie

von Gudrun

1.) Hilf mir meinen Stolz zu bewahren.

Hilf mir alles selber zu tun.

Hilf mir einmal groß zu werden,

um auf den Gipfel des Lebens zu steig´n.

Laß mich auf meinen Füßen stehen.

Laß mich mit meinen Händen spüren.

Hilf mir, ja mein Schicksal zu verstehen,

aber laß mich da, wo ich kann auch allein.

Im Leben spiel ich oft die Rolle es Clowns,

an dessen Dummheit sich die anderen aufbau´n.

Ein Tollpatsch, dem man alles 3x sagen muß.

Aber sieh doch ein, ich kann vieles ganz allein.

2.) Zeig mir die Sonne am Himmel.

Zeig mir auch das Dunkel der Nacht.

Hilf mir auch das Licht zu sehen,

das da leuchtet nach der finsteren Nacht.

Laß mich die Höhen erahnen.

Laß mich die Tiefen erspür´n.

Hilf mir meinen Weg zu gehen,

aber laß mich da, wo ich kann auch allein.

Wer läßt mich ohne Maske vollkommen sein

und läßt mich einfach nur einmalig bleib´n?

Ich will kein Mitleid oder falsches Lob von dir.

Aber sieh doch ein, ich kann vieles ganz allein.

3.) Glaub doch ich hab Freude im Herzen.

Glaub mir ich bin niemals allein.

Schau her, auch ich kann dir noch vieles

für dein kleines Leben zeig´n.

Freu dich die Zukunft ist mir sicher.

Freu dich auch wenn niemand sie kennt.

Helft mir diesem Licht zu folgen,

aber laßt mich da, wo ich kann auch allein.

Ist nur das Wissen und Können ein Ziel?

Warum zählt bei Euch die Leistung so viel?

Bin ich als Mensch zu wenig für die?

So sieh doch ein, auch ich kann vieles ganz allein.

Reicht nicht die Liebe für mein Sein?

Kindergarten für ALLE?

Auch im Vorschulbereich gibt es gesetzliche Regelungen und Empfehlungen für eine gemeinsame Betreuung von behinderten und nichtbehinderten Kindern.

Vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie gibt es eine Zusammenschau betreffend der landesgesetzlichen Grundlagen für die Kindergarten-Integration behinderter Kinder.

Burgenland:

Das Kindergartengesetz trifft spezielle Regelungen für die Einrichtung von Integrationsgruppen im allgemeinen Kindergarten. Die Anstellung einer zusätzlichen Kindergärtnerin ist zwingen vorgeschrieben. Für daraus entstehenden Personalkosten ist der Gemeinde vom Land eine zusätzliche Förderung zu gewähren.

Kärnten:

Das Kindergartengesetz trifft ebenfalls spezielle Regelungen für die Einrichtung von Integrationsgruppen im allgemeinen Kindergarten, aber die Aufnahme behinderter Kinder kann verweigert werden, wenn die personellen und räumlichen Voraussetzungen im allgemeinen Kindergarten nicht gegeben sind.Der Kindergartenhalter kann für die daraus entstehenden Mehrkosten eine zusätzliche Forderung des Landes beantragen, es besteht aber kein Rechtsanspruch.

Niederösterreich

Integrationsgruppen werden derzeit als Kindergartenversuche geführt. Mit einer Novelle zum Kindergartengesetz soll die Übernahme ins Regelsystem erfolgen.

Oberösterreich

Das Gesetz unterschiedet derzeit nur Sonderkindergärten und allgemeine Kindergärten - keine Regelung von Integrationsgruppen.

Salzburg

Das Gesetz unterscheidet derzeit nur Sonderkindergärten und allgemeine Kindergärten - keine Regelung von Integrationsgruppen. Der Kindergartenerhalter kann Kostenersatz für Rehabilitationsmaßnahmen für behinderte Kinder vom Land erhalten, auch wenn behinderte Kinder einen allgemeinen Kindergarten besuchen.

Vorarlberg

Das Gesetz unterscheidet derzeit nur Sonderkindergärten und allgemeine Kindergärten - keine Regelung von Integrationsgruppen.

Behinderte Kinder, welche die Gemeinschaft stören, dürfen nicht in den Kindergarten aufgenommen werden, wenn Nachteile für die übrigen Kinder zu erwarten sind.

Bundesländerrundschau

KÄRNTEN: Zur aktuellen Lage

Eines voraus - die Situation hat sich verschlechtert. Es gibt "Integrationsverhinderinnen", besonders im Schulbereich. Kärnten hat seit Beginn der 15.SchOG-Novelle einen eklatanten Anstieg von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Der Effekt, der mit der Integration im Schulbereich erzielt hätte werden sollen, ging nicht auf, nämlich die Umschichtung von Sonderschule in die Regelschule. Bevor eine I-Klasse gegründet wird, bzw. bevor "sonderpädagogischer Förderbedarf" zuerkannt wird, müssen laut Anordnung von Frau Landesschulinspektorin Kanzian sämtliche pädagogische Maßnahmen ausgeschöpft werden. Dies betrifft aber auch Kinder, bei denen es keinen Zweifel an der Behinderung gibt. Die Kinder werden entweder zurückgestellt oder sollten in eine Vorschulklasse, aber ohne zusätzliche Stützung. Dies hat die Wirkung, daß I-Klassen nicht zustandekommen, weil es an der notwendigen Zahl von drei bis vier Kindern fehlt.

Informationsdefizit

Ein weiteres Kriterium ist, daß die Schulbehörde zum Teil unvollständig, aber auch falsche Informationen über ihre gesetzlichen Möglichkeiten weitergibt.

Beispiel 1: Drei Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf bei der Schuleinschreibung stehen fest. Einem Kind wird attestiert, daß es mit sieben Jahren schulreif ist, also Vorschule. Den Eltern des zweiten Kindes wird eine Einzelunterstützung angeraten, weil ihr Kind "nicht so behindert ist". Für die Eltern des dritten Kindes ist eine wohnortnahe Integration nicht mehr möglich, und sie müssen ihr Kind jetzt in eine 20km entfernte I-Klasse bringen.

Beispiel 2: Den Eltern von drei behinderten Kindern wird gesagt, daß aufgrund der Schülerinnenzahl (derzeit ungefähr 50 Kinder d.h. zwei erste Klassen) eine Integrationsklasse nicht möglich ist, sie könnte aber in einem 15km entfernten Nachbarort sein. Der Transport obliegt den Eltern. Dies ist nicht möglich also Sonderschule.

In den bestehenden I-Klassen gibt es immer mehr Probleme mit dem Team-Teaching. Da oft erst kurz vor Schulbeginn das Team feststeht, ist manchmal eine Kooperation zwischen den Lehrerinnen schwierig.

Beispiel 3: Eine bestehende erste I-Klasse. Über die Art der Pädagogik sind sich die beiden Lehrerinnen nicht einig bzw. was eigentlich Integration bedeutet. Folge: Die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf wurden erst außerhalb des Klassenzimmers unterrichtet, jetzt gibt es eine "Besserung": die behinderten Kinder sind zwar im selben Raum, aber getrennt durch eine Bücherwand.

Bei all diesen Beispielen hat sich der Versuch der Arge BIK (Arbeitsgemeinschaft Behindertenintegration Kärnten) zu intervenieren dahingehend aufgelöst, daß die Eltern permanent unter Druck gesetzt wurden und sich vor lauter Angst, daß ihr Kind nicht in eine Regelschule gehen darf, sie sich doch mit den oben angeführten "Lösungen" zufrieden gaben.

Es gibt in Kärnten SPZ-Leiterinnen, die offensichtlich die 15.SchOG-Novelle nicht gelesen haben, denn sonst dürften sie die Passage übersehen haben, die lautet: Sonderpädagogische Zentren (SPZ) haben die Aufgabe, die Integration zu fördern. Aussagen einer SPZ-Leiterin, die die Mutter eines behinderten Kindes auf der Straße getroffen hat: "Die Sonderschule ist für Ihr Kind viel besser geeignet ... und wissen Sie, was Sie Ihrem Kind damit (gemeint ist die Regelschule, Anm. der Redaktion) antun?"

Kindergarten

Im Bereich Kindergarten gibt es ein Kärnten-spezifisches Problem, und das heißt AVS (Arbeitsvereinigung der Sozialhilfeverbände). Die AVS ist Trägerin der Sonderkindergärten bzw. der Sonderkindergärtnerinnen. Um diese Sonderinstitution aufzufüllen, findet Integration im Kindergarten kaum statt. Im Gegenteil, es werden neue Sonderkindergärten gebaut.

Beispiel: Im Frühjahr wurde ein neuer Sonderkindergarten in Spittal/Drau eröffnet. Den Eltern wurde versprochen, daß der Sonderkindergarten eng mit dem daneben befindlichen Regelkindergarten kooperiert bzw. daß es auch Integrationsgruppen geben wir. Zur Zeit ist es aber so, daß ein Zaun (!) um diesen Sonderkindergarten gezogen wurde und es zwei Gruppen gibt, und zwar mit behinderten Kindern. Von Integration keine Spur.

Ein anderes Problem stellt sich für die Eltern bei der Bezahlung. Es werden ihnen nämlich zusätzlich zum "normalen Kindergartenbetrag" (derzeit ca. öS 1.150,-) noch bis zu 50% des Pflegegeldes verrechnet

für eine Halbtagsbetreuung mit einem Betreuungs-Schlüssel von 1:10.

Sekundarstufe

Bei der Integration in den Sekundar-Schulversuchen (HS, AHS) gibt es zaghafte Versuche und viele Probleme. Diese Probleme kommen meist daher, daß es zuwenig Aufklärung und Unterstützung für Eltern, Kinder und Lehrerinnen gibt.

Beispiel: Ein hörbehindertes Mädchen in einer 4. HBLA-Klasse. Sie hat massive Schwierigkeiten, im Unterricht mitzukommen, da die Methodik nicht auf ihre Behinderung Rücksicht nimmt. Bei der Italienisch-Schularbeit spielt die Lehrerin eine Kassette vor, die die Schülerinnen übersetzen müssen. Für dieses eine Mädchen wäre eine schriftliche Prüfung kein Problem.

Zusammenzufassen ist das Ergebnis, daß die Bereitschaft, behinderte Menschen in die Gesellschaft in allen Lebensbereichen zu integrieren, abnimmt, wobei einfach der Wille, auch der politische, und das Verständnis von einem Miteinander fehlen.

Es wird noch gewaltiger Anstrengungen, Zeit, Mühe und Kraft bedürfen, um diesen Weg der Aussonderung und der Segregation zu verhindern.

Brigitte Arnusch, Arge BIK

OBERÖSTERREICH: Ewald Feyerer: Erfahrungsaustausch der Oberösterreichischen Integrationslehrerinnen im Hauptschulbereich

Ende März fand an der HS Oberneukirchen ein Erfahrungsaustausch zum Themenschwerpunkt "Überführung der Integration im Sekundarstufenbereich ins Regelschulwesen" statt. Aus 23 Integrationsklassen nahmen 37 Lehrerinnen an der Veranstaltung teil. Nach einem Rückblick auf vier Jahre Schulversuch, der Darstellung des momentanen Diskussionsstandes bezüglich der gesetzlichen Überführung und der Diskussion in kleinen Arbeitsgruppen kam es im Plenum zu folgenden Feststellungen und Forderungen:

Die Integration ist ein Recht der Eltern behinderter Kinder, daher kann es keine Freiwilligkeit der Lehrerinnen geben. Die Schulbehörde hat aber für die notwendigen Begleitmaßnahmen zu sorgen, damit das Teamteaching und der integrative Unterricht funktionieren können:

- vorbereitende und begleitende Fortdbildungsmöglichkeiten

- Mitsprache bei der Auswahl der Teampartnerinnen

- in jedem Team muß eine ausgebildete Sonderschullehrerin eingesetzt werden

- Öffentlichkeitsarbeit und Information über Integration auf allen Ebenen (Schulbehörde, Lehrerinnen, Leiterin, Eltern)

- Rechtzeitige Vorbereitung einer Schule auf Integration (Kollegiale Fortbildungen, Teambildung und Teamfindung durch gemeinsame Vorbereitung und Konzeptentwicklung, Information der Eltern, notwendige Unterrichtsmaterialien und eventuelle bauliche Maßnahmen).

Rahmenkonzept des OÖ Landesschulrates

Zur konkreten Umsetzung der integrativen Pädagogik hat sich das Rahmenkonzept des OÖ Landesschulrates sehr bewährt. Bei einer gesetzlichen Überführung ist daher dafür zu sorgen, daß diese Rahmenbedingungen auch im Regelschulwesen gelten:

ein hohes Ausmaß an Autonomie und Flexibilität am Standort durch die Zurverfügungstellung eines Stundenkontingentes von 30 zusätzlichen Stunden pro Integrationsklasse bei vier bis sechs Kindern

  • innere Differenzierung statt Leistungsgruppen und Teamteaching in allen Stunden

  • Möglichkeit zu alternativen Beurteilungsformen

  • Begrenzung der Klassenschülerinnenhöchstzahl auf maximal 25 Kinder

  • möglichst heterogene Klassenzusammensetzung bezüglich Leistung und Sozialverhalten

  • Mitspracherecht des Lehrerinnenteams bei der Klassenzusammensetzung

  • ein möglichst kleines Lehrerinnenteam

  • große Flexibilität bei Schulbüchern, Stundentafeln und Stundenplan (Möglichkeit zu Blockungen für Wochenplan und Feierarbeitsphasen bzw. Projekte)

  • ein fixer Zeitpunkt für die wöchentliche Koordination aller Lehrerinnen einer Integrationsklasse ist bei der Stundenplangestaltung vorzusehen.<SIZE

Landeslehrerinnendienstrecht

Bezüglich der dienst- und besoldungsrechtlichen Bedingungen ist zu fordern, daß die Arbeit in I-Klassen zu keiner Schlechterstellung führen darf. Im LDG ist daher folgendes zu regeln:

für die Fachlehrerin eine der Leistungsgruppenzulage adäquate Zulage für den differenzierten Unterricht in heterogenen Stammklassen

- für die Sonderschullehrerin eine der Abteilungszulage adäquate Zulage beim Unterricht von Kindern mit SPF nach verschiedenen Lehrplänen bzw. Schulstufen

- die Lehrverpflichtung der Sonderschullehrerin muß sich um eine Stunde für die Integration und um eine Stunde für die Korrekturarbeit verringern, da sie Dreh- und Angelpunkt im Team ist, mit jeder Fachlehrerin koordinieren muß und als gleichwertige Partnerin selbstverständlich auch für Hauptschülerinnen zuständig ist

- auch die Sonderschullehrerin soll Klassenvorstand sein können

- für jede Lehrerin der Schule besteht so wie in anderen Klassen auch eine Supplierverpflichtung in der Integrationsklasse

- die zweite Lehrerin in der Integrationsklasse ist eine vollwertig eingesetzte Lehrerin und daher keine heimliche Supplierreserve

Die Unterstufe der AHS ist im selben Ausmaß und unter den selben Bedingungen in die Verpflichtung zur Integration miteinzubeziehen.

Auch für die Polytechnischen Lehrgänge sind Lösungen zu finden.

Die Eingliederung behinderter Kinder ins Berufsleben ist entsprechend zu fördern. Für Kinder mit SPF in Integrationsklassen ist durch die momentanen Bedingungen (70% müssen teilnehmen, 28 Tage für Schulveranstaltungen dürfen nicht überschritten sein) die Berufsvorbereitung gefährdet. Hier sind Lösungen zu einer intensiveren Vorbereitung zu finden.

Der Aufgabenbereich des sonderpädagogischen Zentrums ist auf die Integrationsklassen in der Sekundarstufe auszuweiten. Damit sie diese Aufgabe entsprechend erfüllen können, sollen auch Fachlehrer in SPZ´s eingebunden werden können, die bereits Erfahrungen mit integrativem Unterricht haben.

In Integrationsklassen ist eine zusätzliche Begleitperson für Schulveranstaltungen zu finanzieren.

Bei Schwerbehinderten Kindern ist im Bedarfsfall eine Helferin für pflegerische Tätigkeiten einzusetzen.

Die Transportmöglichkeiten für Kinder mit SPF ist auch für den Transport in Integrationsklassen sicherzustellen.

SALZBURG: Lichtblicke in der Düsternis

Insgesamt sieht es mit der Situation in Salzburg eher finster aus, aber es gibt einige Lichtblicke. So etwa eine Aussage von BSI Franz Schinwald, veröffentlicht in den Salzburger Nachrichten vom 12. April:

Bezirksschulinspektor Franz Schinwald erklärte, daß das Gesetz den Eltern von behinderten Kindern grundsätzlich die Wahlfreiheit zwischen Integration und Sonderschule garantiere. "Im äußersten Fall müßte es zur Versetzung einzelner Lehrer kommen, wenn an einer Schule sich niemand bereit findet, eine integrative Klasse zu finden", sagte Schinwald.

NIEDERÖSTERREICH: Mobile Frühförderung

Der "Bunte Schirm" (Kinder und Jugendhilfe) und das NÖ Hilfswerk bieten gemeinsam ab sofort mobile Hausfrühförderung an. Die mobile Frühförderung findet zu Hause oder bei Bedarf auch in der Frühförderstelle statt.

Betreut werden Kinder mit besonderen Bedürfnissen von Geburt an bis zum Eintritt in den Kindergarten. Im diesbezüglichen Informationsfalter wird auch darauf hingewiesen, daß die Frühförderin die "soziale Integration des Kindes z.B. in den Kindergarten" unterstützt.

Info: Für die Bezirke Baden und Mödling: Bunter Schirm, Regionalbüro Leobersdorf, Leopold Hörbinger Str. 2, 2544 Leobersdorf, Tel.: 02256/65361/13, Eva Appinger. Für alle anderen Bezirke in Nö: NÖ Hilfswerk, Reichsratstraße 11, 1010 Wien, Tel.:0222/40 80 810, DW 53 oder 64

Bücher

Verlag Jugend & Volk, Wien 1996

Der Tommy kann das auch

Möglichkeiten der Integration eines autistischen Kindes in das Regelschulwesen

Helga Malischnek, Angelika Teller-Kainer

Tommy ist Autist. Was vielen Kindern mit seiner Behinderung noch immer verwehrt ist, wurde durch unermüdliches Elternengagement und Lehrerinneneinsatz ermöglicht:

Tommy besuchte eine Integrationsklasse. Er ging gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern in die Volks- und auch in die Hauptschule.

Die Autorinnen sind seit mehreren Jahren in der sozialen Integration tätig und schildern auf einfühlsame und fesselnde Weise den Verlauf ihrer vierjährigen Arbeit und stellen ihre Erfolgserlebnisse dar. Dabei verschweigen sie jedoch die vieleitigen Probleme in ihrer Tätigkeit nicht und beschreiben eindrucksvoll die - oft unkonventionellen - Lösungswege, welche sie dabei beschritten haben.

"Der Tommy kann das auch" wendet sich an engagierte Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch an Eltern von behinderten und nichtbehinderten Kindern, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und Chancen soziale Integration bietet und was alles mit dem nötigen Willen und Optimismus machbar ist.

Deutscher Studien Verlag

Weinheim 1996

Einführung in die IntegrationspädagogikHans Eberwein (Hrsg.)

Ein breites inhaltliches Spektrum von bildungs- und gesellschaftspolitischen, sowei fachpädagogischen Beiträgen ermöglicht eine grundlegende Einführung in unterschiedliche Bereiche der Integrationspädagogik.

Es wird demonstriert, wie integrationspädagogiosche Gesichtspunkte die einzelnen erziehungswissenschaftlichen Teilbereiche durchziehen und wie die verschiedenen pädagogischen Disziplinen sich mit Fragen integrativen Lernens wissenschaftstheoretisch und curricular auseinandersetzen.

Integrationspädagogik wird hierbei nicht als eigenständiges und unabhängiges Fachgebiet verstanden, sondern als ein pädagogisches Prinzip, das die gesamte Erziehungswissenschaft tangiert und herausfordert, insbesondere die Bereiche Schule und Unterricht, also auch die allgemeine und die Fachdidaktik. Integrationspädagogik muß deshalb Rückwirkungen haben auf die Ausbildung aller Lehrerinnen und Diplompädagoginnen.

Aus dem Inhalt:

  • Zur Kritik des Behinderungsbegriffes und des sonderpädagogischen Paradigmas. (Hans Eberwein)

  • Erziehungspsychologische Beiträge zur integrationspädagogischen Lehrerinnenausbildung (Günther F. Seelig)

  • Soziologische Theorien aus der Sicht der Integrationspädagogik (Herbert Striebeck)

  • Was kann Didaktik zur Integration von Behinderten und Nichtbehinderten in der Regelschule beitragen? (Klaus Riedel)

  • Erfahrung mit Mathematik für alle: Differenzierung und Integration im Mathematikunterricht (Gudrun Doll-Tepper)

  • Integrative Ansätze im Schul- und Freizeitsport von Menschen mit Behinderungen (Gudrun Doll-Tepper)

  • Die integrationspädagogische Ausbildung als Auftrag der Erziehungswissenschaften. Begründung, Entwicklungen, Perspektiven (Hans Eberwein)

Diesem Buch liegt eine vom Herausgeber im Sommersemester 1995 an der Freien Universität Berlin, Fachbereich Erziehungswissenschaft, Psychologie und Sportwissenschaft organisierte Ringvorlesung zugrunde.

Graz 1996

Raus aus dem Ghetto

Strategien und Perspektiven in der Arbeit mit Jugendlichen

Eine Dokumentation des Bildungshauses Retzhof, des Landesjugendreferates und der ARGE Jugend gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Ausländerinnenfeindlichkeit.

In Österreich wie auch in anderen Ländern steigt die Gewaltbereitschaft und lassen sich rechtsextreme Tendenzen feststellen. Fernsehbilder von randalierenden jugendlichen Skinheads hinterlassen bei Beobachterinnen oft fälschlicherweise den Eindruck, dies sei ein "Jugendproblem". Im Blitzlichtgewitter der Fotoreporterinnen heben sie schon mal die Hand zum Gruß. Doch wieviel davon ist Einstellung und wieviel einfach nur der Wunsch nach Anerkennung und Aufmerksamkeit - so seltsam das vielleicht klingen mag?

"Raus aus dem Ghetto" ist eine Seminarreihe, in dem sich die Veranstalterinnen mit diesen Themen auseinandersetzen, Hintergründe von Ausländerinnenpolitik beleuchten, Ursachen für Rassismus erklären, Jugendkultur verstehen versuchen und mögliche Strategien und konkrete Projekte überlegen, den rechtsextremen Tendenzen entgegenzutreten.

Info: Die Dokumentation "Raus dem Ghetto" ist im Bildungshaus Retzhof Tel.: 03452/82788-0 zum Preis von öS 100,- erhältlich.

Film

Gemeinsam I und II

Von der MA 13 - Landesbildstelle Wien wurden im Auftrag des Stadtschulrates für Wien zwei Videos produziert, die einen Einblick in die derzeitige Situation der schulischen Integration in Wien geben.

"Gemeinsam I" dokumentiert integrativen Unterricht am Beispiel einer Wiener Volksschulklasse. In "Gemeinsam II" nehmen erfahrene Lehrerinnen und Leiterinnen aus dem Haupt- und Mittelschul- bzw. AHS-Bereich zu ihrer Arbeit Stellung. Das Video geht auch auf die zentralen Aspekte integrativer Arbeit ein.

Beide Videos: ca. 30 Minuten,,jeweils ÖS 175,-.

Bestellung: MA 13-Landesbildstelle Wien, Zieglergasse 49, 1070 Wien.

Das Integrationskind. Mario B., 2A

In dem Feature von Beate Firlinger und Ina Zwerger wird der neunjährige Mario B. portraitiert, der heute eine Integrationsklasse in einer niederösterreichischen Volksschule besucht. Mehr als ein Jahr lang versuchte die Mutter vergeblich, ihr als schwerstbehindert eingestuftes Kind in einem ganz "normalen" Klassenverband unterzubringen. Durch das gemeinsame Lernen mit nicht-behinderten Kindern hat sich Mario zu einem aufgeweckten, lustigen und im wahrsten Sinn des Wortes "dickköpfigen" kleinen Kerl entwickelt.

Info und Bestellung: Medienservice des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten; Tel.: 0222/53120/4817.

Impressum

Die Blattlinie ergibt sich aus der Zielsetzung von I:Ö, nämlich einerseits die Öffentlichkeit über die Anliegen und Forderungen von Eltern behinderter Kinder/ Jugendlicher und behinderter Menschen zu informieren, andererseits die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen, den einzelnen Initiativen von Eltern und darüber hinaus zu den Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen zu fördern.

Jede Ausgabe beinhaltet einen thematischen Schwerpunkt, in dem Anliegen und Forderungen für ein gemeinsames Leben und Lernen und die dazu notwendigen sozial- und bildungspolitischen Überlegungen vorgestellt werden.

Grundlegende Richtung nach §25/2 Mediengesetz:

Information und Kommentar zu Fragen gesellschaftlicher Integration, insbesondere behinderter und nichtbehinderter Menschen.

betrifft:integration ist der UN-Erklärung der Menschenrechte und der Rechte des Kindes und den UN-Erklärungen über Rechte behinderter und geistig behinderter Menschen verpflichtet.

betrifft:integration ist unabhängig von politischen Parteien und Kirchen und erscheint mindestens viermal jährlich.

Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken.

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Betrifft: Integration ist der Rundbrief von Integration : Österreich der Zusammenschluß der Elterninitiativen für gemeinsames Leben behinderter und nichtbehinderter Menschen. BIDOK übernimmt diese Zeitschrift mit geringen Anpassungen. Die Anpassungen sind erforderlich aufgrund von technischen, ressourcemäßigen und terminlichen Einschränkungen (z. B. keine Verarbeitung von Photographien, geringe Layout-Gestaltung). Die Erfahrungen mit dieser Form der Veröffentlichung werden kontinuierlich gesammelt, überprüft und adaptiert für die Bedürfnisse unserer Benützerinnen und Benützer.

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Quelle:

Integration: Österreich / Verein Gemeinsam leben - Gemeinsam lernen (Hrsg.): betrifft: integration Nr. 2/1996, Herold Druck- und Verlagsges.m.b.H., Wien

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 18.08.2006

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