Behinderung – Geschlecht – Soziale Ungleichheit

Intersektionelle Perspektiven

Autor:in - Monika Windisch
Themenbereiche: Rezension
Textsorte: Rezension
Copyright: © Monika Windisch 2014

Titelseite:

Buchcover Behinderung. Geschlecht. Soziale Ungleichheit von Monika
Windisch

Buchinformationen:

AutorIn/Hrsg.: Monika Windisch

Titel: Behinderung – Geschlecht – Soziale Ungleichheit. Intersektionelle Perspektiven. Bielefeld

Infos: Bielefeld: Transcript Verlag, 2014 – 232 Seiten. ISBN 978-3-8376-2663-6.

Themenbereich: Theoretische Grundlagen

Buchbesprechung von Petra Flieger

Zum Ausgangspunkt ihrer Abhandlung über Behinderung, Geschlecht und soziale Ungleichheit nützt Monika Windisch das „analytische Potenzial der Auseinandersetzung mit Differenzen zwischen Frauen“ (10), das ursprünglich zur Entwicklung intersektioneller Ansätze in der Theorie geführt hat. In einem großen Bogen erläutert sie systematisch die sozial- und kulturwissenschaftlichen Grundthemen sowohl der Gender- als auch der Disability Studies. Bislang sind diese Diskussionen mehr parallel geführt als miteinander verknüpft worden, daher ist es das Anliegen der Autorin, diese Parallelität zu überwinden und das Potential zu nützen, das sich aus der Verknüpfung beider Perspektiven ergibt.

Im ersten Kapitel geht Windisch der Frage von Körperlichkeit in wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskursen nach. Sie stellt dar, wie ausschlaggebend körperliche Eigenschaften und Merkmale für gesellschaftliche Positionen, für Macht oder Ohnmacht der Einzelnen, „wie eng körperbezogene Normen mit gesellschaftlicher Funktionalität und ökonomischer Effizienz verbunden sind“. (63) Das zweite Kapitel widmet sich ausführlich aktuellen soziologischen Modellen von Ungleichheit, die körperbezogene Merkmal bislang eher vernachlässigen. Windisch zeigt auf, dass Behinderungen ein besonders großes Risiko von Ungleichbehandlung der Betroffenen mit sich bringen. Im dritten Kapitel befasst sich die Autorin mit der UN-Behindertenrechtskonvention, deren zentralen Zielsetzungen und Prinzipien. Im vierten geht sie der Frage nach, ob Behinderung als soziale Kategorie verstanden werden kann und erläutert die europäischen Rechtsgrundlagen für Nicht-Diskriminierung aufgrund von Behinderungen. In der politischen Auseinandersetzung, so Windisch, erweisen sich Behinderungen als „entscheidende Bezugspunkte für sozialpolitische und arbeitsmarktbezogene Regelungen“ (141), die im Sinne einer sozialen Kategorie „durchaus als strukturierender Teil sozialer Ordnungssysteme interpretiert werden“ (ebd.) kann. Das fünfte Kapitel widmet sich spezifisch intersektionellen Perspektiven, das sechste untersucht schließlich, wie politische Programme und Vereinbarungen auf europäischer Ebene intersektionelle Zusammenhänge und Wechselwirkungen berücksichtigen.

In ihrem Fazit warnt Windisch vor Vereinfachungen: „Nur die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Ökonomie, Recht, Politik, Kultur, Identität und Körper verspricht eine Antwort auf die Frage, wie strukturelle Dominanzverhältnisse gesellschaftlich (re-)produziert werden, wie eng sie miteinander verknüpft sind, sich institutionell verdichten und – vor allem – wie sie verändert werden könnten.“ (189f, Hervorhebung im Original, P.F.)

Mit der systematischen Verknüpfung von Perspektiven der Gender- und der Disability Studies, deren Übertragung auf politische Programme und Strategien sowie der kritischen und analytischen Verortung in aktuelle politische Prozesse ist Monika Windisch ein großer und bemerkenswerter Wurd gelungen. Sie schafft neue und außerordentlich wichtige theoretische Bezüge und regt weitere Auseinandersetzungen an. Für Einsteigerinnen ist die Lektüre aufgrund der vielfältigen theoretischen Verortungen eher nicht geeignet, für Expertinnen allerdings umso mehr. Dem Buch sind daher viele LeserInnen zu wünschen, vor allem solche, die aus der Theorie Brücken in die Praxis schlagen können.

Quelle

Monika Windisch: Behinderung – Geschlecht – Soziale Ungleichheit. Intersektionelle Perspektiven

Rezensiert von Petra Flieger in AEP Informationen 4/2015, S. 37.

bidok - Rezensionshinweise

Stand: 02.03.2016

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