"Ein Leben ohne Arbeit macht mich psychisch krank"

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Bericht
Releaseinfo: Erschienen im Newsletter des Unternehmensservice Tirol, Ausgabe Juli 2010, (http://www.unternehmensservice-tirol.at)
Copyright: © Unternehmensservice Tirol 2010

"Ein Leben ohne Arbeit macht mich psychisch krank"

Maria Huter Foto: innovia

"Meine Epilepsie schränkt meine Arbeitsfähigkeit nicht ein. Aber ein Zustand der Arbeitslosigkeit kann krank machen," so die 29-jährige Maria Huter, die sich seit sieben Monaten auf der Suche nach einem Arbeitsplatz befindet, in einem Interview mit dem Unternehmensservice Tirol.

Wie haben Sie Ihre Ausbildungs- und Berufsbiografie erlebt?

Maria Huter: Ich habe Epilepsie seit ich Kleinkind war. Trotzdem konnte ich Volksschule, Hauptschule und Lehre ganz normal abschließen. Erst bei der Suche nach einem Arbeitsplatz begannen die Schwierigkeiten. Ich bekam auf Grund meiner Anfallserkrankung keine Stelle. Damals waren die Anfälle jedoch häufiger. Ich hatte später eine Operation, danach hatte ich die Anfälle nur mehr ganz selten. Ich machte dann noch unterschiedliche Trainingsmaßnahmen und habe mich speziell für Verwaltung und zum Thema Barrierefreiheit zusätzlich qualifiziert. Zwischenzeitlich habe ich viele Praktikumserfahrungen, wo meine Erkrankung nie mehr zum Problem geworden ist. Ich bin medikamentös sehr gut eingestellt und hatte in den letzten 1 ½ Jahren nur mehr 2 Anfälle in einer Krisensituation.

Wie schaut Ihre Arbeitssituation derzeit aus?

Maria Huter: Seit Jänner 2010 bin ich arbeitslos und suche eine Stelle im Verkauf, in der Verwaltung oder etwas Gemischtes wie Empfang, Lager, Organisation. Ich kann gut mit Menschen umgehen, arbeite jedoch auch sehr gerne am Computer. Leider fühlen sich viele ArbeitgeberInnen unsicher, wenn sie hören, dass ich eine Epilepsie-Erkrankung habe. Sie haben Angst, dass etwas passiert und sie dann nicht wissen, was sie tun sollen oder wofür sie verantwortlich sind. Ich glaube, dass sich viele einfach nicht trauen, mich genauer zu fragen und ich bin bei einem Vorstellungsgespräch auch etwas unsicher und schüchtern. Aber das Gespräch wäre hier am wichtigsten.

Was würden Sie denn einer/m ArbeitgeberIn empfehlen, die eine Person mit Epilepsie einstellen möchte?

Maria Huter: Zuerst einmal - reden, fragen, sich informieren lassen und keine Scheu haben! Wir können über das, was wir brauchen, reden. Epilepsie äußert sich bei jeder Person anders. Und jede Person kann in ihrem Betrieb sagen, was sie dort braucht, auf was man achten muss und wie im Notfall mit einem umgegangen werden soll. Wir leisten genau so wie andere unsere Aufgaben. Manchmal jedoch langsamer oder sind ab und zu nach einem Anfall noch krank. Da wir jedoch häufig als begünstigt behinderte ArbeitnehmerInnen eingestuft sind, bekommt der Betrieb für diese Minderleistung meistens einen Lohnkostenzuschuss. Oft gibt es zur Unterstützung auch eine Arbeitsassistenz, die sich um die Förderungen und die Aufklärung der Firma kümmert.

Wie informieren Sie einen Betrieb, der Sie einstellen würde?

Maria Huter: Ich selbst habe eine Powerpoint-Präsentation über Epilepsie und Arbeit zusammen gestellt, mit der ich dann in der Firma die KollegInnen informieren kann. Dann gibt es noch eine Notfallkarte mit folgenden Tipps:

  • Einfach nur Ruhe bewahren und schauen, dass ich mich nirgends anhaue; Anfall geht von selbst vorbei!

  • Wenn es ein langer und schwerer Anfall war, bitte Rettung rufen!

  • Informationskarte an meinem Arbeitsplatz: enthält alle wichtigen Daten wie Medikamente, Kontaktadresse und Telefonnummer, Nummer der Rettung, Sozialversicherungsnummer damit die Leute nicht lange suchen müssen.

Sie werden aber von mir informiert, dass ich eigentlich keine schweren Anfälle mehr habe, weil ich mit Medikamenten gut eingestellt bin. Manchmal habe ich kurzzeitige gedankliche Aussetzer, wo ich tief schnaufe und abwesend wirke. Hier braucht man nichts tun, da es gleich vorbei geht und ich das selbst gut unter Kontrolle habe. Ab und zu "nessle" ich mit den Händen herum, das geht jedoch gleich wieder vorbei. Hier braucht niemand 'was tun. Das war's dann auch schon. Es ist wirklich kein Problem im Alltag. Ich fahre ja auch Rad und hatte hierbei noch nie einen Anfall.

Was finden Sie sonst noch wichtig zum Thema Arbeit und Epilepsie?

Maria Huter: Personen mit Epilepsie müssen besonders auf ihre ausgeglichene Lebenssituation achten. Arbeit ist ein Teil davon. Wenn wir arbeiten, dann haben wir mit Menschen zu tun, haben also soziale Kontakte und fühlen uns gebraucht. Wenn ich arbeiten gehe, geht es mir psychisch viel besser. Das wirkt sich positiv auf meine Erkrankung aus. Du denkst nicht dauernd über deine Erkrankung nach, wenn du was zu tun hast und lernst neue Leute kennen. Hier ist meine Leistung und nicht meine Erkrankung Thema. Das brauche ich!

Vielen Dank für das Interview.

Quelle:

Unternehmensservice Tirol: "Ein Leben ohne Arbeit macht mich psychisch krank"

Erschienen im Newsletter des Unternehmensservice Tirol, Ausgabe Juli 2010

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 09.09.2010

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