Selbstbestimmt Leben. Behindertenpolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Autor:in - Volker Schönwiese
Themenbereiche: Recht, Selbstbestimmt Leben
Textsorte: Referat
Releaseinfo: Fachsymposium "Pflegevorsorge - gestern-heute-morgen". 25. Juni 03, Austria Center Vienna, veranstaltet vom BMSG (Bundesministerium für soziale Sicherheit , Generationen und Konsumentenschutz). Konzeption: ÖKSA.
Copyright: © Volker Schönwiese 2003

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Pflegegeldbezieher und Mitarbeiter bei den Verhandlungen, die vor 10 Jahren zur Einführung des Pflegegeldes geführt haben, habe ich eine sehr skeptische Beurteilung der Entwicklung des Pflegegelds, das von uns Betroffen ja immer als erster Schritt gesehen wurde, dem weitere zur Schritte zur Abdeckung des tatsächlichen Bedarf folgen sollten. Die Entwicklung geht in die gegenteilige Richtung, worüber unter uns Betroffenen größter Unmut herrscht.

Ausgehen möchte ich von der Frage

1 WAS IST BEHINDERUNG

Die Zielgruppe des Bundespflegegeldgesetzes ist vor allem über Behinderung und Alter definiert. Was damit gemeint ist, ist nicht so selbstverständlich, wie die alltägliche Wahrnehmung vermuten ließe. Die geht nämlich davon aus, dass jemand behindert ist, der/ die eine Schädigung im Bereich der Sinne, Bewegung oder der Leistung hat. Was ich im Folgenden sage gilt vielfach auch ganz analoge für alte Menschen.

Zumindest drei Dimensionen müssen unterschieden werden:

1. Die Erste Dimension geht davon aus, dass

Behindert ist, wer Hilfe braucht.

Dieses Hilfe benötigen bezieht sich darauf, dass behinderte Menschen vielfache gesellschaftliche Forderungen nach Leistungsfähigkeit, Fähigkeit sich beruflich zu betätigen und damit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren nicht entsprechen, dass behinderte Personen persönliche Hilfeleistungen zur Abwicklung des Alltags und der persönlichen Pflege benötigen, die andere Personen - sogenannte nichtbehinderte Personen - nicht benötigen. Wir aus der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung sagen, wir sind auf persönliche Assistenz angewiesen. Die sozialen Sicherungssysteme wie das Pflegegeldgesetz setzen hier an.

2. In einer zweiten Dimension der Beschreibung der Situation behinderter Menschen in Österreich füge ich eine weitere Definition hinzu, was behindert sein bedeutet.

Behindert ist, wer keinen gleichen Zugang zu allen gesellschaftlichen Institutionen und Einrichtungen hat, wie er anderen Bürgerinnen und Bürgern selbstverständlich ist.

Diesem Fehlen von BürgerInnenrechten, die Behinderung konstituieren, steht der Kampf von uns Betroffenen zur Durchsetzung eines allgemeinen Diskriminierungsschutz und den Abbau von Diskriminierungen im Rahmen von Rechten auf Bildung, Rechten im Arbeitsleben, Baurechtsregelungen, Rechten auf Mobilität, Rechten auf Kommunikation, Gleichstellung behinderter Frauen usw. Entgegen. Dem entspricht die Forderung nach einem Gleichstellungsgesetz.

3. Es muss aber auch folgende These aufgestellt werden:

Behindert ist, wer gesellschaftlichen Projektionen ausgesetzt ist, die ihn zum symbolischen Träger allgemeiner, gesellschaftlicher oder existentieller Probleme macht.

Es ist zu fragen, wie stereotype Gefühle gegenüber behinderten Menschen in politischen Systemen entstanden sind und entstehen. Der Regelkreis von abwertenden und diskriminierenden Gefühlen gegenüber behinderten Menschen - die den Alltag von behinderten Menschen dominieren - und politisch strukturellen Entscheidungen ist zu erklären. Es muss in diesem Zusammenhang von der Bedeutsamkeit der Angst gegenüber und vor Behinderungen und von Projektionen geredet werden. Projektion meint, dass in andere Menschen das hineinlegt wird, wovor alle Menschen die größte Angst haben, z.B. das, was wir selbst an uns ablehnen, oder das, was uns bedroht; sprich: Niemand will unschön/ekelerregend aussehen, niemand will unglücklich sein, niemand will verletzt werden, niemand will krank werden, alle haben Angst vor dem Tod. All diese angstbesetzten Themen, mit denen wir in unserer Welt der Ansprüche an den perfekten, arbeits- und konsumfähigen Menschen so schwer umgehen können, verdrängen wir alltäglich, wollen sie von uns ferne haben, weghaben. Ganz verdrängen können wir sie nicht. Es ist aus allen unseren Erfahrungen festzustellen, dass behinderte Menschen gefühlsmäßig mit all dem identifiziert werden. Aus dieser Leidensprojektion leitet sich die übliche gesellschaftliche Bewusstsein im Sinne Verdrängung von Behinderung ab, deren klassische Auswirkung Isolation und institutionelle Absonderung in eigne Einrichtungen ist.

Meine These ist, dass das Pflegegeld

  • dem Konzept "behindert ist, wer Hilfe braucht" so halbwegs entspricht

  • zur Lösung des Problems der Gleichstellung nur beiträgt, wenn es eine tatsächlich bedarfsgerechte Höhe hat

  • von den in der dritten Dimension angesprochenen Problemen der gesellschaftlichen Angstabwehr konterkariert wird.

Ich meine, es gibt keine rationale Logik, Selbstbestimmung über ein ausgeweitetes Pflegegeld abzulehnen, es gibt aber gute Gründe, die Ablehnung des Pflegegeldes als gesellschaftlichen Wunsch nach Isolation von behinderten Menschen zu interpretieren (in letzter Konsequenz auch als Vernichtung - siehe neue Euthanasie- und Sterbehilfedebatte), dem sich auch PolitikerInnen nicht oder nicht deutlich genug entziehen.

2 WAS IST SELBSTBESTIMMUNG

Die "independent living" -Bewegung geht davon aus, dass es in der üblichen Behindertenhilfe eine Dominanz der Helfenden über die behinderten und pflegebedürftigen Personen als strukturelle Schwierigkeit angelegt ist, und es im Netz sozialer Dienste zu den bisherigen Konzepten Alternativen braucht.

Das Konzept von "independent living" bzw. das Konzept selbstbestimmter "persönlicher Assistenz" wird in einer klassischen Formulierung so beschrieben:

"Selbstbestimmt leben heißt, KONTROLLE ÜBER DAS EIGENE LEBEN zu haben, basierend auf der Wahlmöglichkeit zwischen akzeptablen Alternativen, die die Abhängigkeit von den Entscheidungen anderer bei der Bewältigung des Alltags minimieren. Das schließt das Recht ein, seine eigenen Angelegenheiten selbst regeln zu können, an dem öffentlichen Leben der Gemeinde teilzuhaben, verschiedenste soziale Rollen wahrnehmen und Entscheidungen fällen zu können, ohne dabei in die psychologische oder körperliche Abhängigkeit anderer zu geraten. Unabhängigkeit ('Independence') ist ein relatives Konzept, das jeder persönlich für sich bestimmen muß." (Definition der amerikanischen 'INDEPENDENT-LIVING-BEWEGUNG' nach Horst FREHE: Thesen zur Assistenzgenossenschaft, in: Behindertenzeitschrift LOS Nr. 26/1990, S.37)

Dies ist kein Konzept, das sich auf sowieso schon autonome Körperbehinderte bezieht, es ist ein Konzept, das für alle behinderten und natürlich alte Menschen gilt.

Das Konzept "Selbstbestimmt leben" geht davon aus, dass nicht nur HelferInnen, sondern vor allem auch die betroffenen behinderten und pflegebedürftigen Personen zu schulen und zu begleiten sind. Es sollen ihre Fähigkeiten unterstützt werden, gegenüber den HelferInnen ArbeitgeberInnen-Funktionen zu erfüllen. Dabei geht es im optimalen Fall um den Erwerb der Kompetenz, HelferInnen zu suchen, auszuwählen, anzuleiten und die Bezahlung abzuwickeln. AusbildnerInnen dabei sind selbst betroffene Personen. Es geht aber dabei nicht einfach darum, selbständig zu werden, sondern dass jede behinderte Person in Relation zu den eigenen Lebens-Bedingungen die ihr möglichen Schritte setzt. Assistenz-Genossenschaften können hier wichtige unterstützende Organisationen sein.

Auch die Selbstvertretungsgruppen von Personen mit Lerneinschränkungen (sog. geistig Behinderte - oder: "Menschen mit besonderen Fähigkeiten", wie sie sich auch nennen[1]) in der "people first"-Bewegung fordern Selbstbestimmung und persönliche Assistenz.

Sie verlangen dabei z.B.:

"Bei der inhaltlichen Unterstützung hat die Unterstützungsperson eine aktivere Rolle. Hier geht es darum, sein gesamtes Wissen zur Verfügung stellen.

Das kann sein:

  • Informationsquelle zu sein

  • Aktivitäten unterstützend vor- und nachzubereiten

  • Neutral die Aktivitäten zu reflektieren

  • Sicherheit im Hintergrund zu vermitteln

  • Zu beraten

  • Komplexe Abläufe zu strukturieren

  • An Termine zu erinnern

  • Zu erfragen, welche Hilfen gebraucht werden

  • Ideen und Ratschläge zu geben

Wichtig ist bei alledem, dass alle Entscheidungen, was gemacht wird, grundsätzlich bei den betroffenen Personen liegen." (http://www.people1.de/02/t/05forderungskatalog.shtml)

Das ist keine Forderung nach Entprofessionalisierung sondern die Forderung, dass das professionelle System der Behindertenhilfe sich diesen Forderungen konsequent stellen muss (was sich z.B. im Konzept des "Empowerment" umsetzt). Den Geldfluss von öffentlichen Geldern über die betroffenen Person und nicht über Betreuungsorganisationen abzuwickeln, wie es die Grundidee des Pflegegeldes ist, entspricht einer wichtigen strukturellen Konsequenz aus der Forderung nach Selbstbestimmung.



[1] Reinhard Köbler u.a.: "Ich sehe mich nicht als Behindert". Studie über die Lebensbedingungen von Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Projekt Freiraum, Verein TAFIE Innsbruck Land, 2003, S.19. Zu bestellen bei: Verein Tafie Innsbruck-Land, Egger-Lienz-Str. 2, 6112 Wattens, e-mail: tafie-innsbruck-land@aon.at)

3 POSITIONEN DER POLITISCHEN PARTEIEN UND DIE ÖSTERREICHISCHE REALITÄT

Bei der Einführung des Pflegegeldes ging es um Verhandlungen, an denen der Bund, die politischen Parteien, die Interessensvertretungen, die Sozialversicherungen und die Länder beteiligt waren. Die Situation stellte sich damals wie heute - heute allerdings mit großen Verschärfungen - folgendermaßen dar:

Auf der einen Seite wird unter dem Titel Selbsthilfe, Regionalisierung, mehr Verantwortung für den Einzelnen, Eigenvorsorge, Familienunterstützung unter dem Titel "Subsidiarität" eine konservative Sozialabbau- und Sparpolitik vertreten, auf der anderen Seite wird unter dem Titel "Solidarität" das Heil im "Sachleistungs-" Ausbau und dem Monopol der institutionalisierten Versorgung gesehen und es besteht Widerstand bis Ratlosigkeit gegenüber der Forderung nach einem radikalen Umbau der Sozialen Dienste von zentralen Großinstitutionen zu dezentralen, kleinen und flexiblen Einrichtungen und zum Prinzip Selbstbestimmung und persönliche Assistenz.

Beide Positionen, die sich nicht immer trennscharf auf die verschiedenen österreichischen Parteien, Interessensvertretungen und Länder verteilen lassen, vereinen im Sinne einer Politik für ein selbstbestimmtes Leben richtige und falsche Aspekte.

So ist das Konzept der Eigenverantwortung sehr zu begrüßen, wenn es nicht durch Sparpolitik auf ein "hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott" reduziert wird.

Und so ist es auch natürlich richtig, dass professionelle soziale Dienste flächendeckend benötigt werden. Wenn diese Dienste aber mehr Bedürfnisse regulieren als Service- und Dienstleistungsinstitutionen im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen zu sein, bleibt der traditionelle Zustand der institutionellen Entmündigung der betroffenen behinderten und pflegebedürftigen Personen mit ihren vielfältigen persönlichkeitsschädigenden Folgen aufrecht.

Wie sehr in Österreich Reformbedarf bei der Finanzierung von Assistenz- und Hilfsleistungen besteht, wenn nicht die kleinen sozialen Netze mit unabsehbaren finanziellen und strukturellen Folgen reißen sollen, soll folgende Aufstellung zeigen:

Von den Gesamtkosten der Assistenzleistungen in Österreich für hilfs- und pflegebedürftige Personen (Stand 1999) werden im Durchschnitt 43% aus privater Hand bezahlt. Die gesamten Leistungen durch stationäre und ambulante Pflegedienstleistungen betragen knapp 30% wobei jeweils 15% durch stationäre und 15% durch ambulante Dienste erbracht wird (OTS -APA)

4 FRAGEN ZUR FINANZIERUNG

Jenseits der Frage, ob fundamentale Menschenrechte - wie das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben - überhaupt nach Kosten-Nutzen-Rechnungen zu bewerten sind, möchte ich davon ausgehen, dass erhöhte Kosten für sozialpolitische Maßnahmen sich trotz der allgemeinen Sparpolitik im Sinne der um sich greifenden "New Economy" durchaus auch in einer realistischen Kosten-Diskussion rechtfertigen und begründen lassen. Mein Eindruck als nicht ökonomisch ausgebildete Person ist, dass in der derzeitigen Sozialpolitik die Diskussion zur Begrenzung der Ausgaben von sehr immanenten politisch Argumenten und auch schwer zu durchschauenden Mythen getragen ist. Kosten für die Schaffung verbesserter sozialer Bedingungen werden dabei sehr schnell als "verlorene" Kosten gewertet.

Ich fürchte, dass insbesondere langfristige präventive Effekte gegenüber kurzfristigen budgetpolitischen Argumentationen vernachlässigt werden. Auf Langfristigkeit wird nur über düstere demografische Prognosen Bezug genommen. Als ob die Demografie über unsere Zukunft entscheiden könnte. Da gibt es aber wohl andere Dimensionen auch noch.

Solange nicht auf den folgenden Ebenen glaubwürdig argumentiert und gehandelt wird, kann ich der derzeit herrschenden Sparradikalität nicht folgen. Die Dimensionen sind:

  • Umverteilung: Bei der Diskussion um die steigenden Kosten sozialer Versorgung wird nicht unterschieden zwischen einem quantitativen Ausbau bestehender zentraler Institutionen (kostenintensiv) und einem Auf- und Ausbau dezentraler, gemeindenaher sozialer Hilfen (personalintensiv). Bei einer Umverteilung können nach einer Übergangsphase viele Kosten der zentralen Einrichtungen gespart werden.

  • Prävention: In der derzeitigen Kosten-Diskussion wird immer nur langfristig ein steigender Bedarf an zentralen Institutionen festgestellt und der präventive Charakter qualitativ verbesserter sozialer Dienste und autonomer Lebensmöglichkeiten ausgeklammert. Die Kostenersparnisse bei präventivem Arbeiten sind kaum abzuschätzen.

  • "Nutzer": Die Auswirkungen von Autonomie und Selbstbestimmung stützenden Hilfen auf das Umfeld einer betroffenen Person ist zu berücksichtigen. Jede Art von Aussonderung und Überforderung (z.B. Familie mit geistig behindertem Kind) führt zu weiteren psycho-sozialen Problemen, im Sinne einer Kettenreaktion. Insofern ist die ev. teure individuelle Hilfe immer Hilfe für ganze soziale Systeme und damit sehr effizient präventiv.

  • Arbeitsmarkt: Zusätzliche Personalaufwendungen mit entsprechenden Fixkosten sind volkswirtschaftlich keineswegs verlorene Kosten, wenn sie in ein entsprechendes Wirtschaftskonzept eingebaut sind. Der Umbau in Richtung Dienstleistungsgesellschaft geht in einer historischen Entwicklung weiterhin rasant voran, eine Steuerung in Richtung sinnvoller Dienstleistung ist besonders wichtig.

Die langfristigen Folgen der Stützung von Selbstbestimmung und Integration sind in ihren positiven finanziellen Konsequenzen zu berücksichtigen. Dagegen hat die jetzt noch vielfache Dominanz von Aussonderung wohl hohe Folgekosten (z.B. lebenslange Karrieren als abhängige Personen, Zerstörung von familiären und sozialen Netzen mit seinen psychischen, sozialen und somatischen Folgen) die auch einmal genannt und einmal berechnet werden müssten.

5 UNTERSTÜTZUNGSSTRUKTUREN

Ich möchte daran erinnern, dass der Bericht der Arbeitsgruppe "Vorsorge für pflegebedürftige Personen" (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Mai 1990), der die Vorraussetzungen für die Einführung des Pflegegeldes erarbeitete, durchaus weiterhin wichtige und bis jetzt nicht wirklich umgesetzte Grundsätze formuliert. Dazu prägnante Zitate:

Kapitel "Förderung autonomer Entscheidungen":

"Ein selbstbestimmtes Leben der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen muß Richtschnur aller Maßnahmen sein. Die Voraussetzungen dafür müssen allerdings vielfach erst geschaffen werden, so unter anderem

a) durch die Auszahlung eines ausreichenden und den individuellen Bedarf abdeckenden Pflegegeldes direkt an die Betroffenen (u.a. zur Sicherung der Persönlichen Assistenz);

b) durch Training und Schulung der Betroffenen zur eigenständigen Organisation und Anleitung von Hilfen im Sinn Persönlicher Assistenz; und

c) indem die hilfs- und pflegebedürftigen Menschen auf ein Angebot an qualifizierter Hilfe in einer geregelten Dienstleistungsbeziehung zurückgreifen können."

Kapitel über Großheime:

"Großheime (Heime mit über 30 Pflegebetten) sollen (ÖAR und Grüner Klub: dürfen) nicht mehr neu gebaut werden. Der Schwerpunkt der Neubaubestrebungen muß unbedingt in der Schaffung von Wohngruppen liegen. Mehrheitlich wurde die Auffassung vertreten, daß für geistig, körperlich, psychisch und sinnesbehinderte Personen ausschließlich Wohngruppen vorzusehen sind (die Vertreter der Länder sprechen sich gegen diese Ausschließlichkeit aus, ÖAR und Grüner Klub wollen sie auch auf die Gruppe der alten pflegebedürftigen Menschen ausgeweitet sehen)."

"....In diesem Zusammenhang (Heimgesetz) ist auch ein Zeitpunkt festzulegen, ab dem keine Neueinweisungen in Großheime mehr erfolgen dürfen."

6 KURZE SCHLUSSFOLGERUNGEN

Das Pflegegeld darf nicht Opfer einer linearen Spardiskussion werden. Umstrukturierungen und Erhöhung der Qualität der Behindertenhilfe im Sinne der Förderung der Selbstbestimmung sind möglich.

Um die strukturellen und präventiven Effekte des Pflegegeldes zu fördern, sollte neben den derzeitigen Pflegegeldstufen eine "offene" Stufe eingerichtet werden, die es behinderten und pflegebedürftigen Personen ermöglicht, Pflegegelder nach dem tatsächlichem Bedarf zu erhalten.

Nur ein realistisch hohes Pflegegeld ermöglicht:

  • die Selbstbestimmung der behinderten, pflegebedürftigen oder auf persönliche Assistenz angewiesenen Personen

  • Umverteilung von Angeboten sozialer Dienste von Großeinrichtung und helferdominanten ambulanten Diensten zu Diensten, die in den kleinen persönlichen und regionalen Netzwerken wirksam werden

  • die adäquate Bezahlung und soziale Sicherung für die persönlichen AssistentInnen und helfenden/ pflegenden Personen.

Effiziente Sozial- und Behindertenpolitik muss meiner Meinung nach das Instrument des Pflegegeldes ausbauen und sollte das auch als aktiven Akt zur gesellschaftlichen Normalisierung und von Angstabbau gegenüber behinderten und alten Menschen sehen.

Quelle:

Volker Schönwiese: Selbstbestimmt Leben. Behindertenpolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Fachsymposium "Pflegevorsorge - gestern-heute-morgen". 25. Juni 03, Austria Center Vienna, veranstaltet vom BMSG (Bundesministerium für soziale Sicherheit , Generationen und Konsumentenschutz). Konzeption: ÖKSA

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 16.06.2010

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