Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen

Autor:in - Anna Schachner
Textsorte: Diplomarbeit
Releaseinfo: Diplomarbeit zur Erreichung des akademischen Grades Magistra der Philosophie (Mag.phil.), Universität Wien, Diplomstudium Pädagogik, Betreuer Dr. Mikael Luciak.
Copyright: © Anna Schachner 2012

Inhaltsverzeichnis

Anstelle eines Vorworts...

„Behinderung ist kein Schicksal, kein medizinisches Problem, sondern ein Problem politischer und persönlicher Macht, vor allem aber eine Frage des Bewusstseins.“ Adolf Ratzka

Einleitung

Das Modell der Persönlichen Assistenz gibt Menschen mit Behinderung Möglichkeiten in die Hand, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Menschen mit Behinderung sollen, wie jeder andere Mensch auch, selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie leben wollen, unabhängig von Institutionen und professionellen Fachkräften der Behindertenhilfe, die ihren Alltag allumfassend planen. Mit dieser Zielsetzung des Modells geht eine deutliche Veränderung bisheriger Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse einher: Menschen mit Behinderung sind nicht mehr passive EmpfängerInnen von Unterstützungsleistungen, sondern ArbeitgeberInnen der persönlichen AssistentInnen.

Basierend auf der „Independent-Living-Bewegung“ wurde das Modell der Persönlichen Assistenz von und für Menschen mit sensorischer und körperlicher Behinderung entwickelt, erst etwas später setzte die Forderung nach diesem Modell auch in den Bewegungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten ein. Jedoch wird in den Primärwissenschaften[1] und in der Politik diskutiert, inwieweit das Konzept für Menschen mit Lernschwierigkeiten adaptierbar erscheint. Viele dieser Diskussionen drehen sich um den Begriff der Selbstbestimmung und der selbstständigen Übernahme von Kompetenzen, welche die AssistenznehmerInnen vorweisen sollten, um ihre Aufgaben als ArbeitgeberInnen erfüllen zu können.

Zielgruppe für Persönliche Assistenz waren bisher in Österreich, von Einzelfällen abgesehen, Menschen mit körperlicher und sensorischer Behinderung. Mit dem seit Herbst 2009 initiierten Pilotprojekt „Assistiertes Wohnen“ für Menschen mit Lernschwierigkeiten sollen Erfahrungen zur Persönlichen Assistenz auch für diesen Personenkreis in Österreich gesammelt werden.

Die vorliegende Arbeit will sich unter Bezugnahme auf das genannte Projekt und auf Grundlage der theoretischen Diskussion bezüglich der Adaptierung des Modells mit der Frage beschäftigen, inwieweit das Konzept der Persönlichen Assistenz auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten neue Möglichkeiten zu einem selbstbestimmteren Leben eröffnet? Wie kann oder soll sich das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn gestalten, damit eine Selbstbestimmung für Menschen mit Lernschwierigkeiten ermöglicht wird?

Auf Grundlage der Disability Studies soll erörtert werden, weshalb gerade das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen ein so wichtiger Dreh- und Angelpunkt in der Diskussion über die Adaptierung des Modells auf den Personenkreis der Menschen mit Lernschwierigkeiten ist. Aus dem Blickwinkel der Disability Studies wird Selbstbestimmung erst in sozialer Interaktion hergestellt und ist somit ein Konstrukt, welches im Beziehungsverhältnis zwischen AssistentInnen und AssistenznehmerInnen realisierbar wird. Wie sich das Beziehungsverhältnis nun gestalten sollte, versuchten bereits einige theoretische Entwürfe der Sonder- und Heilpädagogik und Rehabilitation darzulegen. Empirische Auseinandersetzungen unter Bezugnahme auf die Disability Studies gibt es vor allem im österreichischen Raum bisher nicht.

Obwohl Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderung ohne Ausgrenzung bestimmter Personengruppen eine Umsetzung erfahren sollte, läuft eine unkritische Übernahme des Modells auf die Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten Gefahr, Inhalt und Zielsetzung des Modells, wie jene der Selbstbestimmung, nicht mehr zu hinterfragen. Es ist daher von besonderer Relevanz, in der Wissenschaft und in der Praxis nicht nur Chancen der Selbstbestimmung zu erarbeiten, sondern auch aus dem Blickwinkel der Disability Studies zu hinterfragen, wie Selbstbestimmung auf Beziehungsebene zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen realisiert wird und welche Risiken darin liegen. Mit dieser Arbeit soll ein Beitrag geleistet werden, die Ansätze der Disability Studies mit der Sonder- und Heilpädagogik zu verknüpfen und so einen neuen Blick auf die Selbstbestimmung als zentralen Begriff der Sonder- und Heilpädagogik zu erlangen sowie Antwort auf die Diskussionen zu finden, inwieweit Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten adaptierbar erscheint.

Zur Diskussion und Beantwortung der aufgeworfenen Forschungsfragen wurde die Diplomarbeit in einen theoretischen sowie einen empirischen Teil gegliedert. Der theoretische Teil bewegt sich in den einzelnen Kapiteln in den Spannungsbögen zwischen Theorie und Praxis sowie zwischen theoretischen Ansichten der Primärwissenschaften und der Disability Studies. Teilweise ergänzen sich diese vier `Eckpfeiler´, teilweise scheinen sie im Widerspruch zueinander zu stehen. Der empirische Teil widmet sich schließlich der Aufgabe, diese zu verknüpfen und auf Grundlage der Ergebnisse der durchgeführten Studie eine mögliche Antwort auf die Forschungsfragen zu geben.

Das erste Kapitel erarbeitet die der Diplomarbeit zugrundeliegenden Begrifflichkeiten. Behinderung und Selbstbestimmung werden in Abgrenzung zu anderen theoretischen Sichtweisen als soziale Konstrukte diskutiert. Hierbei soll auch ein Blick in die Geschichte verdeutlichen, warum gerade Selbstbestimmung lange Zeit Menschen mit Behinderung nicht zuerkannt wurde. Weiters wird der Personenkreis der Menschen mit Lernschwierigkeiten begrifflich umfasst, wobei hier vor allem Betroffene selbst zu Wort kommen.

Das zweite Kapitel greift die historischen Entwicklungen von Selbstbestimmung auf, um das daran ansetzende Modell der Persönlichen Assistenz in seinen Grundzügen zu erörtern. Es werden die Realisierungsmöglichkeiten der Persönlichen Assistenz allgemein und in Österreich im Speziellen dargestellt und schließlich die fünf erforderlichen Kompetenzen beschrieben, welche AssistenznehmerInnen als ArbeitgeberInnen übernehmen sollten.

Daran anknüpfend widmet sich das dritte Kapitel der Umsetzung der Persönlichen Assistenz auf Menschen mit Lernschwierigkeiten. Das Kapitel setzt sich mit der Diskussion bezüglich der Übernahme des Modells der Persönlichen Assistenz auf Menschen mit Lernschwierigkeiten in den Disability Studies und Primärwissenschaften auseinander, um anschließend Anwendungsbeispiele in vier ausgewählten europäischen Ländern darzustellen: Schweden, Norwegen, Deutschland und Österreich.

Das vierte Kapitel der theoretischen Auseinandersetzungen konzentriert sich auf Grundlage der Erkenntnisse des vorangegangenen Kapitels auf das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen. Aus dem Blickwinkel der Disability Studies wird erörtert, weshalb gerade dieses Beziehungsverhältnis eine besondere Relevanz in der Diskussion der Adaptierung des Modells und der Umsetzung von Selbstbestimmung einnimmt. Basierend darauf werden anschließend theoretische Entwürfe aus den Primärwissenschaften dargelegt und diskutiert, welche weitere Bezugspunkte für empirische Auseinandersetzungen bilden.

Abschließend werden im fünften Kapitel die ersten Erkenntnisse kurz zusammengefasst und der Grundstein für den empirischen Teil der Diplomarbeit gelegt.

Der empirische Teil der Arbeit versucht, auf Grundlage eines Pilotprojektes der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten direkte Antworten auf die Forschungsfragen zu geben. Hierfür wird im sechsten Kapitel nochmals detailliert auf die Forschungsfragen und deren Subfragestellungen eingegangen.

Das siebte Kapitel stellt das Pilotprojekt und alle darin involvierten Personen vor. Hierbei wird nicht nur die Projektstruktur erörtert, sondern auch die Begleitstudie dargestellt, welche von Frau Mag. Mayrhofer als Projektleiterin der Begleitstudie und mir durchgeführt wurde.

Im achten Kapitel wird das wissenschaftliche Vorgehen der empirischen Studie vorgestellt. Die Grundzüge qualitativer Forschung werden erörtert und sowohl ethische, methodologische als auch praktische Aspekte in der Forschung mit der Personengruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten diskutiert. Schließlich wird das Forschungsdesign dargelegt und alle Erhebungs- und Auswertungsmethoden werden detailliert beschrieben. Abschließend folgt eine Reflexion des Forschungsvorgehens.

Nach Darstellung der Forschungsfragen, des Pilotprojektes und des Forschungsvorgehens werden im neunten Kapitel die Ergebnisse der Diplomarbeit strukturiert dargestellt. Hierbei wird nicht nur direkter Bezug auf Ausschnitte des Materials, sondern auch auf Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil der Diplomarbeit Bezug genommen.

Das zehnte Kapitel greift schließlich Problemstellungen der empirischen Studie auf und mögliche Fragestellungen für weiterführende Arbeiten werden diskutiert.

Abschließend wird in einem Fazit nochmals über die Ergebnisse und Antworten auf die Forschungsfragen resümiert. Hierbei soll auch die eigene Meinung und Schlussfolgerung der Forscherin Platz finden.



[1] Wissenschaften, wie die Sonder- und Heilpädagogik, Medizin, Rehabilitationswissenschaften, Soziologie, Psychologie, „life sciences“ und viele mehr.

1. Begriffsklärung

Der Forschungsbereich der Sonder- und Heilpädagogik ist gekennzeichnet durch eine breite und stark differenzierte Begriffswelt, welche zum einen durch einen historischen sowie gesellschaftlichen Wandel und zum anderen durch intra- und interdisziplinär unterschiedliche Auseinandersetzungen geprägt wurde (vgl. Speck 2008).

In einem ersten Schritt sollen daher die der Diplomarbeit zugrunde liegenden Begriffe und Konzepte dargestellt und diskutiert werden, um einen Rahmen und die Basis für die theoretische Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Disability Studies sowie dem Thema der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu schaffen.

1.1. Der Behinderungsbegriff: zwischen individueller Zuschreibung und sozial-kultureller Kategorie

Spätestens seit Beginn der Aufklärung ist die Beschäftigung mit dem Begriff „Behinderung“ und seiner Bedeutung Bestandteil der europäischen Kultur. Der Bedeutungsinhalt des Behinderungsbegriffs war immer schon im historischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Wandel eingebettet und die damit einhergehenden institutionalisierten Hilfen folgten oft unterschiedlicher Motivation, beispielsweise einer sozial-karitativen, einer medizinisch-kurativen oder auch pädagogischen Motivation (vgl. Dederich 2007: 9). Auch heute ist der Begriff „Behinderung“ kaum einheitlich und wissenschaftsübergreifend definierbar. Hinter dem Begriff und dessen Bedeutung liegen komplizierte und multidimensionale Konzepte, welche kontextuell variieren und eine globale Definition kaum sinnvoll erscheinen lassen (vgl. Altman 2001: 97).

Behinderung sowie Schädigung, so schreibt Markus Dederich, sind „(…) Allgemeinbegriffe, die es überhaupt erst ermöglichen, eine unendliche Fülle und Varianz von Einzelerscheinungen kategorial zusammenzufassen und zur Sprache zu bringen. Jedoch ist die sprachlich erzeugte `Ordnung der Dinge´ kein Abbild der Wirklichkeit, sondern das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Bezeichnungen, Aussagen, Aussagesystemen und einem Netzwerk gesellschaftlicher Praktiken, die den in ihren zur Verwendung kommenden Wörtern ihren spezifischen Sinn geben“ (Dederich 2007: 48).

Dieses Zitat bringt unter anderem zwei für diese Arbeit wichtige Aspekte auf den Punkt: Zum einen zeigt Dederich auf, dass der Begriff Behinderung ein Allgemeinbegriff ist und somit Einzelerscheinungen in einen Begriff zusammenfasst. Dies bedeutet, dass der Behinderungsbegriff zwar ermöglicht, ein komplexes Phänomen sprachlich zusammenzufassen und zu ordnen, gleichzeitig jedoch mit dieser Vereinfachung die große „Varianz von Einzelerscheinungen“ (ebd.) eingebüßt wird und ihr Spezifisches verliert. Zum anderen wird im Zitat auch aufgezeigt, dass der Begriff Behinderung sozial konstruiert wird, er ist ein Ergebnis eines Zusammenspiels.

Es existieren heute unterschiedlichste Sichtweisen und Modelle über Behinderung (vgl. Biewer 2009: 41; Altman 2001: 97), die disziplinär, historisch sowie kulturell gefärbt sind und unterschiedlich diskutiert werden. In der Folge sollen zwei Modelle beziehungsweise Sichtweisen des gegenwärtigen Behinderungsdiskurses erörtert werden, wobei ersteres Modell vielmehr als Kontrastfolie fungieren soll, um den der Arbeit zugrunde liegenden sozial-kulturellen Blick auf Behinderung, in Anlehnung an die Disability Studies, erörtern zu können.

1.1.1. Das defizitorientierte medizinische Modell von Behinderung

Ansätze eines defizitorientierten medizinischen Modells von Behinderung können bis in das 18. und 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden (vgl. Biewer 2009: 41). Im Zentrum des medizinischen Modells, welches vor allem von Primärwissenschaften wie der Medizin, Psychologie, Rehabilitationswissenschaft und der Sonder- und Heilpädagogik vertreten wurde und auch teilweise noch wird, steht ein Verständnis von Behinderung aufgrund eines körperlichen und kognitiven Defekts eines Individuums und einer Abweichung vom „gesellschaftlichen Normalzustand“ (vgl. Hermes 2006: 16). Die damit einhergehenden fehlenden Funktionen werden in erster Linie dem Individuum und dessen Körper zugeschrieben. Behinderung wird somit als naturgegebenes Defizit und die körperliche Beeinträchtigung als individuelles Schicksal interpretiert (vgl. Schillmeier 2007: 79). Ausgangspunkt ist die Betrachtungsweise, dass das „Problem“ Behinderung gelöst werden kann, indem der Mensch mit Behinderung an die Umwelt angepasst wird. Ziel ist es, durch rehabilitative Maßnahmen von Fachpersonal als ExpertInnen das naturgegebene Defizit zu heilen oder zumindest zu mildern (vgl. Waldschmidt 2005: 3).

Kritisiert wird aber auch an diesem Modell die Sicht der Behinderung als eine Abweichung von „Normalität“ und die Generalisierung des Defizits als Hauptmerkmal des Individuums. Andere Merkmale wie jene des Geschlechts, des Familienstandes, der Religionszugehörigkeit und vor allem individueller Fähigkeiten rücken in den Hintergrund. Der Mensch mit Behinderung wird als „unzulängliches Mangelwesen und ewig Kranker“ (Hermes 2006: 17) angesehen. Die Folge ist, dass dem Mensch mit Behinderung damit Entscheidungsfähigkeit sowie Handlungsfähigkeit teilweise nicht zuerkannt und der/die Betroffene gleichzeitig durch die „besondere“ Behandlung von der Gesellschaft ausgegrenzt wird (vgl. ebd.: 16). „Das `Problem Behinderung´ wird im Individuum verortet und Anstrengungen zur Überwindung des Problems richten sich entsprechend auf den einzelnen Menschen“ (ebd.: 17, Hervorhebung im Original).

Exkurs: Kategorisierung von Behinderung nach der ICF

Eine Möglichkeit, das individuelle medizinische Modell zu überwinden, zeigt das von der Weltgesundheitsorganisation entwickelte Modell der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health). In der ICF wurde der Versuch unternommen zum einen die medizinische Sichtweise abzuschwächen und zum anderen das bisher der Wissenschaft und Praxis zugrundliegende bio-psycho-soziale Modell zu erweitern, indem zwei Kontextfaktoren Berücksichtigung finden: personenbezogene Faktoren und Umweltfaktoren.

Abbildung 1. ICF Wechselwirkung der Komponenten

Pfeildiagramm zur Wechselwirkung der einzelen
 Komponenten
                           (Gesundheitsproblem, Körperfunktion und -strukturen,
 Aktivität,
                           Partizipation, Umweltfaktoren, personenbezogene Faktoren)

(vgl. DIMDI: Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF 2005: 23, wurde abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Alle Rechte liegen bei der WHO.)

Mit dem ICF -Modell sollen ein ganzheitlicher Blick auf den einzelnen Menschen mit Behinderung ermöglicht und unterschiedliche Faktoren systematisch einbezogen werden, die auf die Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten der Individuen Einfluss nehmen. Durch den Einbezug der Umweltfaktoren, welche hemmend und förderlich wirken können, scheint Behinderung nun nicht mehr nur als naturhaft-individuelle, sondern auch als von der Umwelt beeinflusste Kategorie angesehen zu werden. Aber auch an diesem Modell wird einige Kritik geübt. So scheint beispielsweise die defizitorientierte Sicht auf Behinderung durch Begriffe wie Gesundheitsproblem oder Funktionsfähigkeit wieder reproduziert zu werden (vgl. Fischer 2003: 317ff). Ein soziales Modell von Behinderung wird nur gering berücksichtigt und die Kategorisierungen tragen wiederum zur sozialen Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung bei. Ebenso fehle, so die KritikerInnen, die individuelle Sichtweise und die ausreichende Berücksichtigung biographischer Aspekte (vgl. ebd.: 411ff).

Ein ganz anderer Zugang zu Behinderung lässt sich in den Disability Studies finden, welche vehement das defizitorientierte medizinische Modell kritisieren und sich davon abgrenzen.

1.1.2. Das sozial-kulturelle Modell von Behinderung im Blickfeld der Disability Studies

Die Disability Studies sind eine relativ junge transdisziplinäre Wissenschaft mit politischer Komponente. Verknüpft mit Bürgerrechtsbewegungen von Menschen mit Behinderung seit den 1960er Jahren, ist es Zielsetzung der Disability Studies, unter dem Paradigma der Inklusion gegen Diskriminierung und für Autonomie, Unabhängigkeit und gleiche Rechte für Menschen mit Behinderung einzutreten. Das Entstehen der Bewegung in den USA gründete auf der starken Kritik am medizinischen Modell und an der Professionalisierung in den Institutionen der Behindertenhilfe damaliger Zeit (vgl. Dederich 2007: 21). Menschen mit Behinderung begannen, gegen die Institutionalisierung und „Medizinisierung“ (ebd.) anzukämpfen und forderten von der Behindertenpolitik, selbst mitbestimmen zu können. Auch im deutschsprachigen Raum begründen die Disability Studies auf politischen Behindertenbewegungen der 70er Jahre (beispielsweise die Gründung der „Krüppelgruppe“[2] 1978).

Wissenschaften wie jene der Sonder- und Heilpädagogik und Rehabilitation widmen sich in ihrer Arbeit den Maßnahmen zur pädagogischen Unterstützung und Veränderung des Individuums. Die Disability Studies verstehen sich demgegenüber viel mehr als eine „Instanz der Reflexion und Kritik sowie als Korrektiv“ (ebd.: 52). Während das medizinische Modell dem Ziel folgt, medizinisch-rehabilitative Maßnahmen zu schaffen, machen es sich VertreterInnen des sozialen Modells innerhalb der Disability Studies zur Aufgabe, soziale Mechanismen der Diskriminierung und Unterdrückung von Menschen mit Behinderung innerhalb der Gesellschaft zu untersuchen. Ziel der Disability Studies ist es, alle gesellschaftlichen Prozesse von und über Behinderung als Basis für Forschung und sozialpolitische Aktivitäten zu erörtern und zu dekonstruieren (vgl. ebd.: 52f).

Grundlage der Disability Studies bildet somit die Betrachtung, Behinderung und die daraus resultierende Ungleichbehandlung nicht mehr wie zuvor als natürlichen Zustand anzusehen, sondern als „gesellschaftliche Konstruktion und wandelbare Zuschreibung“ (Köbsell 2009: 250). Behinderung ist nach einem sozialen Modell nicht mehr ein spezifisches Merkmal des Individuums und ein individuelles Problem, sondern viel mehr Ergebnis gesellschaftlich gesetzter Barrieren und Produkt sozialer Organisation (vgl. Hermes/ Rohrmann 2006: 7). Die Disability Studies schreiben nicht mehr wie die Primärwissenschaften (Sonder- und Heilpädagogik, Rehabilitationswissenschaften, Medizin, Psychologie) über Menschen mit Behinderung und ihre individuellen Defizite, die es zu heilen gilt, sondern versuchen, gemeinsam mit Menschen mit Behinderung als ExpertInnen die soziale Konstruiertheit von Behinderung durch die Gesellschaft aufzudecken und zu analysieren. „Menschen ´sind´ nicht zwangsläufig auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ´behindert´, sondern sie ´werden´, indem Barrieren gegen ihre Partizipation errichtet werden, ´zu Behinderten gemacht´“ (Waldschmidt 2007: 57, Hervorhebung im Original). Es geht aber nicht vorrangig darum, die pädagogische Förderung und medizinische Behandlung von Menschen mit Behinderung grundlegend in Frage zu stellen, sondern vielmehr darum, einen Perspektivenwechsel zu einem sozialen Modell von Behinderung durchzuführen, welcher die Komplexität des Begriffs und die Zuschreibung Behinderung zu erklären versucht (vgl. Waldschmidt/Schneider 2007: 10).

Gisela Hermes (2006: 21) fasst schließlich sieben Grundprinzipien der Disability Studies wie folgt zusammen:

  1. Grundlage der Forschung und Theorie der Disability Studies ist das soziale Modell von Behinderung, welches Behinderung nicht mehr als festgeschriebenes individuelles Merkmal versteht, sondern als gesellschaftlich verliehenen Status.

  2. Gegenstand der Forschung ist nicht das einzelne Individuum, sondern das „Phänomen Behinderung“.

  3. Disability Studies sind parteilich, indem sie davon ausgehen, dass Menschen mit Behinderung eine von der Gesellschaft unterdrückte Minderheit darstellen und durch soziale, politische und kulturelle Handlungen ausgegrenzt werden.

  4. Der Ansatz der Disability Studies ist grundsätzlich behinderungsübergreifend. Dies schließt Untersuchungen bestimmter Arten von Behinderung und ihnen zugrunde liegende Diskriminierungen allerdings nicht aus.

  5. Disability Studies arbeiten interdisziplinär, da Behinderung in der Gesellschaft durch das Zusammenspiel politischer, kultureller und ökonomischer Werte und Kräfte konstruiert wird. Jede Fachrichtung kann daher wichtige Perspektiven und Fragestellungen zu den Disability Studies beitragen.

  6. Ein grundlegender Perspektivenwechsel wird in den Disability Studies verlangt, indem traditionelle Sichtweisen in Theorie und Forschung umgekehrt werden.

  7. Durch die Forschung soll nicht nur analysiert werden, wie Behinderung zu Diskriminierung führt, sondern vielmehr soll auch die Gruppe der Menschen mit Behinderung sichtbar gemacht werden, indem sie selbst aktiv im Forschungsprozess mitwirkt (vgl. Hermes 2006: 21ff).

Während in den USA die transdisziplinäre Perspektive überwiegt, konzentrieren sich europäische Modelle stärker auf ein soziales Modell von Behinderung, welches Behinderung „als Resultat einer sozialen Übereinkunft (…), die Einschränkungen in den Aktivitäten Behinderter durch die Errichtung sozialer Barrieren bewirkt“, (Thomas 2004: 33 in Dederich 2007: 26) sieht.

Obwohl ein soziales Modell von Behinderung eine innovative Perspektive auf Behinderung schafft und eine Abgrenzung zu einem individuellen defizitorientierten Blick ermöglichen konnte, erntete es von Anfang an innerhalb der Disability Studies nicht nur Zustimmung sondern auch Kritik (vgl. Waldschmidt 2005: 4). Waldschmidt spricht diesbezüglich von Kritik mit einem „(…) substanziellen Charakter, die längerfristig darauf hinauslaufen könnte, das soziale Modell von Behinderung aufzugeben und ein neues Paradigma der Disability Studies zu entwickeln“ (ebd.). Das soziale Modell, so einige VertreterInnen der Disability Studies, sei im Laufe der Zeit ein zu machtvolles und unkritisches Ideal für Menschen mit Behinderung geworden und würde körperliche Aspekte nicht ausreichend thematisieren (vgl. Shakespeare/Watson 2002). Begriffe wie Schädigung und Beeinträchtigung werden im sozialen Modell kaum als Produkte gesellschaftlicher Ausgrenzung analysiert, wodurch impliziert wird, dass Beeinträchtigung und Schädigung unkritisch vorausgesetzt werden. Der eigene Körper sowie damit verbundene physische und psychische Schmerzen als Teil des Alltags von Menschen mit Behinderung bleiben im sozialen Modell weitgehend ausgeklammert und dies führte zu einer „Körpervergessenheit des sozialen Modells“ (vgl. Waldschmidt 2006: 87ff).

Im Hinblick auf diese Kritik wurde innerhalb der Disability Studies das soziale mit einem kulturwissenschaftlichen Modell von Behinderung ergänzt, welches Zusammenhänge zwischen Identitätsbildung und Körperkonzepten sowie den kulturellen und geschichtlichen Kontext (beispielsweise sprachliche Gewohnheiten, Bildungsprozesse, Einstellungen) mitberücksichtigt (vgl. Dannenbeck 2007: 106).

Allerdings, so räumt Waldschmidt ein, hat das soziale Modell in seinem Denkansatz „unbestreitbare Vorteile“ (Waldschmidt 2005: 4), indem es aufgrund seines Ursprungs in politischen Bewegungen sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch im privaten Leben Anschlussfähigkeit besitzt. „Als gemeinsame Perspektive der Disability Studies bietet er [der soziale Behinderungsbegriff] ein allgemeines Raster, das mit unterschiedlichen Theorieansätzen ebenso gefüllt werden kann wie mit politischer Programmatik und Gruppen orientierter Identitätspolitik“ (ebd., Anmerkung in Klammer A.S.). Auch in dieser Arbeit fungiert das soziale Behinderungsmodell der Disability Studies als Grundlage für alle weiteren Ausführungen.

1.2. Annäherung an den Personenkreis Menschen mit Lernschwierigkeiten

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer Zielgruppe, welche sehr unterschiedlich in den Wissenschaften diskutiert wird. Jede Disziplin, ob die Sonder- und Heilpädagogik, Medizin oder auch Psychologie, definiert sie anders und rückt unterschiedliche Aspekte in den Mittelpunkt. Es soll daher nicht eine allgemein gültige Definition und Bestimmung der Zielgruppe angeführt werden, vor allem auch deshalb, weil die Lebenswirklichkeiten individuell unterschiedlich sind und somit nie allgemein erfasst werden können. Auf Grundlage der Disability Studies und des Postulates der Selbstbestimmung erscheint es in dieser Arbeit wichtig, die Zielgruppe selbst zu Wort kommen zu lassen. Es soll jener Begriff verwendet werden, welchen die Zielgruppe selbst favorisiert: Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Einige Disziplinen verwenden vorrangig den Begriff der sogenannten geistigen Behinderung, welcher das Zusammenspiel von Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen, der Wahrnehmung und Sprache umfasst. Durch die Behinderung kommt es zu Beeinträchtigungen der Handlungsfähigkeit, wodurch eine Partizipation am Alltag und Integration in der Gesellschaft erschwert wird (vgl. Mühl 2006: 132; Theunissen 2004: 111ff).

Die Selbstvertretungsbewegung „People First“ (s. Kap 1.3.) kritisiert den Begriff der „geistigen Behinderung“ und fordert eine Abschaffung dieses Etiketts und der individuellen Zuschreibung:

„Früher hat man uns viele Namen gegeben: Irre, Idioten, Geisteskranke oder Schwachsinnige. (…) Später hat man uns den Namen `geistig Behinderte´ gegeben. Man hat gemeint, der Name ist besser als die anderen Wörter. Wir von Netzwerk People First Deutschland e.V. finden, dass die Wörter `geistig behindert´ uns auch schlecht machen. Sie passen nicht dazu, wie wir uns selbst sehen. Der Geist ist etwas Besonderes. Er kann nicht krank sein. Bei den Worten `geistig behindert´ denken viele Menschen, dass wir dumm sind und nichts lernen können. Das stimmt nicht. Wir lernen anders. Wir lernen manchmal langsamer oder brauchen besondere Unterstützung. Deshalb wollen wir Menschen mit Lernschwierigkeiten genannt werden“ (Ströbel – Netzwerk People First Deutschland e.V. – 2006: 43).

In diesem Zitat wird deutlich, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten den Begriff der geistigen Behinderung ablehnen. Er wird als diskriminierend und verletzend angesehen, da er dazu führe, dass die Gesellschaft die Zielgruppe als „dumm“ etikettiert und ihr implizit eine Bildungsunfähigkeit unterstellt.

Der Begriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ verdeutlicht daher besonders die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft der Zielgruppe und relativiert die Beeinträchtigung, indem verdeutlicht wird, dass sie nur anders lernen als von der Gesellschaft erwartet wird.

Auch in Großbritannien und den USA zeigen sich ähnliche Forderungen der Zielgruppe. Die angloamerikanischen People First Netzwerke versuchen, den Begriff der „Mental Retardation“ mit jenem der „People with Learning Difficulties“, „People with Learning Disabilities“ oder “People with Developmental Disabilities” zu ersetzen (vgl. Theunissen 2009: 10).

In dieser Arbeit wird aus den genannten Gründen vorwiegend der Begriff „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ verwendet. Ausnahmen bilden dabei wörtliche Zitate, in welchen von den WissenschaftlerInnen andere Begrifflichkeiten benützt wurden.

1.3. Selbstbestimmung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten

Aus der Behindertenhilfe, der Wissenschaft sowie den Leitbildern und Konzepten von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung sind der Begriff und die Forderung nach Selbstbestimmung nicht mehr wegzudenken. Der Begriff Selbstbestimmung ist schillernd und scheint je nach Disziplin und Zugehörigkeit einer bestimmten Gruppe von unterschiedlichen Vorstellungen über dessen Umsetzung geleitet zu sein (vgl. Walther 2009; Waldschmidt 2003). Das folgende Kapitel versucht, Selbstbestimmung konkret in seinen Wortteilen zu buchstabieren, um in weiterer Folge den Begriff in seinem Ursprung und dessen Geschichte erörtern zu können. Zum einen wird dabei Selbstbestimmung als anthropologisches Grundprinzip und zum anderen als soziales Konstrukt diskutiert. Was bedeutet Selbstbestimmung überhaupt? Und was bedeutet Selbstbestimmung für Menschen mit Lernschwierigkeiten? Warum wurde und wird in der Wissenschaft und der Gesellschaft gerade bei der Zielgruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten die Leitidee der Selbstbestimmung besonders hinterfragt? Gehört Selbstbestimmung zum Menschsein? Wie wird Selbstbestimmung konstruiert und von Betroffenen konzeptionalisiert? Auf Basis der Disability Studies sowie sonder- und heilpädagogischer Konzepte soll sich das Kapitel an das Konstrukt Selbstbestimmung annähern, um in weiterer Folge das Modell der Persönlichen Assistenz, welches der Forderung nach mehr Selbstbestimmung folgt, detailliert erörtert zu können.

1.3.1. Selbstbestimmung buchstabiert

Das Wort „Selbstbestimmung“ gehört zur deutschen Alltagssprache und oftmals wird davon ausgegangen, dass sich das Wort sozusagen von selbst versteht. Aus diesem Grund kommt es oft zu einer unreflektierten Verwendung des Begriffs (vgl. Waldschmidt 2003: 14). Um sich mit dem Begriff der Selbstbestimmung theoretisch und methodisch auseinanderzusetzen, ist es notwendig, das Wort etymologisch zu beschreiben.

Selbstbestimmung lässt sich in den Wortteil „Selbst“ und den Wortteil „Bestimmung“ trennen. Der Wortteil „Selbst“ kommt von der Vokabel „selb“, welche erstmals im 7./8. Jahrhundert im Althochdeutschen Verwendung findet. Um 1300 schließlich wird es in der Wortverbindung „da selbst“ genutzt und wird erst um 1500 zum eigenständigen Begriff. Drei Jahrhunderte später zur Zeit der Aufklärung wird aus dem Pronomen das Substantiv „Selbst“ im Sinne von „das seiner selbst bewusste Ich“. Das Individuum entdeckt nun die eigene Identität, ein eigenes Ich wird zugeschrieben (vgl. Waldschmidt 2012: 19).

Der Wortteil „Bestimmung“ entsteht im 17. Jahrhundert und erfährt im 18. Jahrhundert eine Bedeutungserweiterung, indem zur Definition von „bestimmen“ auch die Definition „nach Merkmalen abgrenzen/klassifizieren“ Verwendung findet. Der Wortteil gibt schließlich Aufschluss darüber, wie das Individuum das eigene Selbst, also die eigene Identität entdeckt. Somit kann Bestimmung „Befehl über etwas“ oder auch „Benennen von etwas“ bedeuten. Einmal verweist es auf personelle Macht über etwas und einmal auf Klassifizieren von etwas (vgl. ebd.: 20).

Werden beide Wortteile nun zusammen gedacht und verbunden, so bedeutet Selbstbestimmung wortgeschichtlich definiert, dass das Individuum das eigene Ich und somit die eigene Identität erkennt, indem es sich selbst benennt und definiert, aber auch gleichzeitig Macht über das eigene Ich ausübt (vgl. Waldschmidt 2003: 14).

1.3.2. Selbstbestimmung als soziales Konstrukt

Bei der Betrachtung des Begriffs Selbstbestimmung stellt sich nun die Frage, warum gerade der Zielgruppe Menschen mit Behinderung und konkret Menschen mit Lernschwierigkeiten Selbstbestimmung lange Zeit verwehrt wurde. Wesentlich hierfür ist ein kurzer Blick in die Geschichte und die wachsende Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung.

Seit etwa Mitte der 90er Jahre wird die Leitidee der Selbstbestimmung auch in der Sonder- und Heilpädagogik verstärkt diskutiert. Oftmals wird innerhalb der sonder- und heilpädagogischen Literatur Selbstbestimmung synonym mit Begriffen wie Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstverantwortung, Selbstständigkeit und vielen mehr gleichgesetzt. Zudem folgen viele PädagogInnen der Auffassung, dass Selbstbestimmung wesenhaft zum Menschsein dazu gehört und die menschliche Entwicklung auf eine Erhöhung der individuellen Freiheit durch Selbstbestimmung abzielt (vgl. Hahn 1994). Hierbei handelt es sich meist um eine Sichtweise, welche Selbstbestimmung als Grundbedürfnis und immer schon in der Gesellschaft vorhandenes, anthropologisches Grundprinzip definiert. Selbstbestimmung wird darüber hinaus mehr und mehr zu einem meist unreflektierten Ideal jedes theoretischen und praktischen Konzepts der Sonder- und Heilpädagogik. So schreibt Dannenbeck kritisch: „Wo Selbstbestimmung >draufsteht<, wo Selbstbestimmung anvisiert ist, muss noch lange nicht Selbstbestimmung >drin sein<“ (Dannenbeck 2007: 115, Hervorhebung im Original).

Waldschmidt thematisiert in ihren Publikationen (vgl. Waldschmidt 2003, 2004, 2012) zudem, dass sich die pädagogischen und rehabilitativen Herangehensweisen sowie Behandlungsmodelle an jene Vorstellung knüpfen, dass Menschen mit Behinderung Selbstbestimmung und Autonomie benötigen, um damit ihre gesundheitliche Beeinträchtigung im Alltag besser bewältigen zu können. Wichtig ist daher, die gesellschaftspolitische Relevanz der Selbstbestimmung zu erörtern und einen Perspektivenwechsel durch die Disability Studies vorzunehmen. Selbstbestimmung ist keine anthropologische Konstante sondern ein soziales Konstrukt unserer Gesellschaft. Es soll nicht nur darum gehen, dass Menschen mit Behinderung das „Grundrecht Selbstbestimmung“ zugestanden werden muss, sondern es ist wichtig, auch zu erörtern, was es in unserer Gesellschaft überhaupt bedeutet, ein selbstbestimmtes Subjekt zu sein und welche Prozeduren benötigt werden, um ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Hierfür ist ein Blick in die Geschichte unumgänglich (vgl. Waldschmidt 2003: 13f).

Vom Mittelalter über die Renaissance bis zum Zeitalter der Aufklärung wurden in Europa Menschen mit Behinderung von der Gesellschaft isoliert oder schließlich im 17. Jahrhundert in Zucht- und Arbeitshäuser weggesperrt. Heilungsabsichten gab es keine, sondern vielmehr eine sittliche Unterweisung entsprechend den damaligen moralischen Prinzipien (vgl. ebd.: 16). Die Philosophie der Aufklärung lieferte schließlich eine erste Grundlage für neues moralisches Denken, in welchem Selbstbestimmung und Autonomie wichtige Grundbegriffe darstellten. Das autonome Subjekt wird geboren und Selbstbestimmung wird Grundlage des Menschseins. Bereits Immanuel Kant schreibt in seinem Werk „Kritik der praktischen Vernunft“, dass der Mensch durch Besitz der praktischen Vernunft zur Selbstbestimmung fähig ist. Ist er jedoch krank, so verliert er seinen Subjektstatus und wird zu einem bedürftigen Wesen (vgl. Kant 1993: 13). Der/die Kranke steht damit vor der Aufgabe, sich mit Hilfe der eigenen Vernunft aus der Sinnenwelt zu befreien und einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, wodurch die kranke Person schließlich auch als vernünftiges Wesen gilt. Dies verhielt sich hinsichtlich der Menschen mit Lernschwierigkeiten anders, da diesen der Subjektstatus grundlegend aberkannt wurde, indem deren Verstand und Vernunft als schwach eingestuft wurde. „Vor allem psychisch kranke und geistig behinderte Menschen werden in ihrer Selbstbestimmung beschnitten, weil ihnen ein vernünftiger Wille nicht zuerkannt wird“ (Waldschmidt 2003: 15). Diese Einstellung wurde bis zum Ende des 20. Jahrhunderts getragen und zeigt sich auch heute noch in vielen Sichtweisen der Gesellschaft. In der Zeit der Aufklärung wurden weiterhin Menschen mit Behinderung von der Gesellschaft ausgeschlossen und weggesperrt, diesmal jedoch auch mit der Zielsetzung einer möglichen Heilung und Erziehung. Das Zeitalter des „medizinischen Anstaltswesens“ begann und damit veränderte sich der Umgang mit Menschen mit einer Behinderung. Diese wurden ab diesem Zeitpunkt je nach Beeinträchtigung und der damit zugeschrieben Bildsamkeit in spezielle Personengruppen unterteilt. Freier Subjektstatus konnte einigen Personengruppen dennoch nicht zuerkannt werden. Menschen mit Lernschwierigkeiten oder psychischen Erkrankungen galten als unvernünftig und unmündig, Selbstbestimmung wurde ihnen weiterhin nicht zuerkannt. „Kurz, sie waren `Brennpunkte der Unordnung´ und mussten deshalb kontrolliert werden“ (ebd.: 17, Hervorhebung im Original).

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde unter Hitlers Regime schließlich das Anstaltsmodell nicht mehr im Sinne der Heilung und Besserung geführt, sondern unter der „Rassenhygiene“ zu einer eugenischen Auslesestrategie genutzt, indem Menschen mit Behinderung zwangssterilisiert, selektiert und ermordet wurden. Nach Kriegsende wurde das alte Anstaltsmodell wieder aufgenommen, so als wäre der schreckliche Massenmord an Menschen mit Behinderung nie geschehen (vgl. ebd.). Spezielle Institutionen zur Sonderbehandlung von Menschen mit Behinderung, je nach Art der Behinderung und Alter, wurden ausgebaut. Ziel war weiterhin eine Heilung und Besserung. Subjektstatus, im Sinne einer Zuerkennung von Autonomie und Selbstbestimmung, wurde weiterhin den Menschen mit Behinderung verweigert (vgl. ebd.).

Im Zuge der 1960er Jahre in den USA und der 1970er in Europa kam es zur verstärkten Forderung nach Individualität und Liberalität, welche sich auch in neuen Bewegungen in der Behindertenpädagogik und -politik zeigten (vgl. ebd.). Spezielle Einrichtungen wie Werkstätten und Wohnheime, welche auf Individualität und die Teilhabe der Gesamtgesellschaft im Sinne einer Normalisierung und Integration abzielten, wurden aufgebaut. Menschen mit Behinderung erhielten Zugang zum Bildungssektor und damit zu Qualifikationen und Ressourcen, die es ihnen möglich machten, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und politisch aktiv zu werden, um ein bereits in der Verfassung verankertes bürgerliches Grundrecht auf Selbstbestimmung einzufordern (vgl. ebd.: 17f).

Die Bewegung ging von den USA aus und sah sich als Bestandteil der gesamten Bürgerbewegung dieser Zeit, welche sich für Demokratie und Emanzipation und gegen Rassismus einsetzte (vgl. Hähner 2009: 34). Erste Anfänge der Bewegung bildeten sich an der Universität Berkeley in Kalifornien. Der Student Ed Roberts, selbst körperlich behindert, forderte gemeinsam mit StudentInnen in ähnlicher Lage Barrierefreiheit am Campus der Universität. Auf dieser Grundlage entstand 1972 das „Center for Independent Living“, welches bald Gehör bekam und dessen Konzept vielerorts nach und nach übernommen wurde. Eine beinahe flächendeckende Bewegung entstand, welche sich nicht mehr nur für einen Zugang zu Universitäten und behindertengerechte Wohnungen einsetzte, sondern als Beratung für alle Menschen mit Behinderung mit unterschiedlichsten Anliegen in Form eines Peer-Counseling fungierte (vgl. Theunissen 2002: 15f). Die Zentren waren nicht nur Dienstleister, sondern wurden zur politischen Interessenvertretung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung, welche sich für Partizipation, Autonomie und Selbstbestimmung einsetzte. Die Bewegung wurde gleichzeitig auch Vorbild für viele andere Staaten der Erden. So entstanden auch im deutschsprachigen Raum ähnliche Bewegungen. Die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung (ursprünglich Autonom-Leben als wörtliche Übersetzung von Independent Living) und sogenannte „Krüppelgruppen“ entstanden in den 70er und 80er Jahren. Menschen mit Behinderung forderten nun, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich politisch zu vertreten. Diese Entwicklungen bezogen sich jedoch hauptsächlich auf Menschen mit Sinnesbeeinträchtigung und körperlicher Behinderung. Menschen mit Lernschwierigkeiten wurden hingegen weiterhin oftmals aus diesen Entwicklungen ausgeschlossen, da ihnen eine gewisse „Selbstständigkeit“ im eigenen Leben nicht zuerkannt wurde. Erst einige Jahre später wurden die Forderungen nach Selbstbestimmung zunehmend auch bei Menschen mit Lernschwierigkeiten laut (vgl. Wansing 2006: 136).

Lange Zeit wurde weiterhin dem Gedanken gefolgt, dass bei Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Selbstbestimmung nicht möglich beziehungsweise. erschwert sei, da diese über keine Kompetenzen verfügen würden, um ihr Leben unabhängig von fremdbestimmter Fachlichkeit selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten zu können. Im Weg standen jedoch äußere Rahmenbedingungen, Fremdbestimmung und Isolation der Selbstbestimmung von Menschen mit Lernschwierigkeiten und der Entwicklung von Kompetenzen, um Selbstbestimmung einzufordern und umzusetzen. Die vorerst skandinavische Idee, Freizeitgestaltung von Menschen mit Lernschwierigkeiten in die Hände der Betroffenen selbst zu legen, wurde schließlich auch in Großbritannien und etwas später den USA und Kanada aufgegriffen. Es bildeten sich Selbsthilfegruppen mit dem Namen „People-First“, die schließlich zu einer großen Empowermentbewegung der Menschen mit Lernschwierigkeiten führten: dem „Self-Advocacy-Movement“. Im deutschsprachigen Raum folgte einige Jahre später eine Selbstvertretung der Menschen mit Lernschwierigkeiten. 1994 wurde in Deutschland ein Kongress unter dem Titel „Ich weiß doch selbst was ich will! Menschen mit Behinderung auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung“ veranstaltet, bei dem die immer lauter gewordenen Stimmen der Menschen mit Lernschwierigkeiten erstmals auch öffentlich Gehör fanden (vgl. Theunissen 2001: 21-28). Interessant an den Entwicklungen ist, dass im englischsprachigen Raum vor allem die Selbstvertretung als Leitprinzip der Bewegung fungierte, während im deutschsprachigen Raum vor allem die Selbstbestimmung anvisiert und diskutiert wurde (vgl. Biewer 2009: 146). In Österreich ist die Entwicklung der Bewegungen noch sehr neu. Erst 1994 wurde das "Selbstbestimmt Leben Zentrum" (BIZEPS) von Menschen mit Behinderung gegründet, 1999 entstand die Lebenshilfe und 2001 schließlich die Gruppe „Vienna People First“, welche Selbstbestimmung und Partizipation einforderten sowie der Fremdbestimmung durch Institutionen und Fachkräfte entgegenwirkten (vgl. BIZEPS, Zugriff 02.06.2011).

Seit einiger Zeit gerät das Konzept „Selbstbestimmung“ in Kritik. Im Zeitalter der Globalisierung und neoliberalen Gesellschaft wird es notwendig, mit den dynamischen und beschleunigten Prozessen mitzuhalten. Dafür sind individuelle Wandlungs- und Veränderungsbereitschaft wichtige Schlüsselqualifikationen. Selbstbestimmung wird damit als Leitlinie in der neoliberalen Gesellschaft besonders relevant (vgl. Waldschmidt 2003: 18). „Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung, das ist der Antrieb, den die individualisierte Moderne erzeugen muss, will sie den beschleunigten sozialen Wandel gewährleisten“ (ebd.). So ist festzuhalten, dass es in der Gegenwart nicht mehr nur darum geht, Selbstbestimmung zuzugestehen, sondern vielmehr wird Selbstbestimmung zur sozialen Verpflichtung jedes Menschen, um in der neoliberalen Gesellschaft zu bestehen. Damit wird eine weitere Problematisierung des Selbstbestimmungsgedankens notwendig: so führt Selbstbestimmung nicht nur zur Befreiung aus einem fremdbestimmten Leben der Menschen mit Behinderung, sondern führt ebenso dazu, in der Schnelllebigkeit der Gesellschaft ganz alleine für sich zu kämpfen und für sich verantwortlich zu sein (vgl. ebd.: 19). Gerade für Menschen mit Lernschwierigkeiten, welche in unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens mehr Zeit benötigen (siehe Netzwerk People First Kap. 1.2), wird es schwierig, mit dieser Schnelllebigkeit Schritt zu halten.

Ziel der Ausführungen des Kapitels war es, zu verdeutlichen, dass nicht nur Behinderung sondern auch das Konzept der Selbstbestimmung eine soziale Kategorie bildet, welche sich im Laufe der Geschichte entwickelt und gewandelt hat. Eine unkritische Übernahme des Konzepts „Selbstbestimmung“ läuft Gefahr, dessen Inhalt und Zielsetzung nicht mehr zu hinterfragen. Es ist daher besonders wichtig, in der Wissenschaft und in der Praxis nicht nur Chancen der Selbstbestimmung zu erarbeiten, sondern auch aus dem Blickwinkel der Disability Studies zu hinterfragen, wie Selbstbestimmung auf individueller Ebene hergestellt wird und welche Risiken darin liegen. Festzuhalten ist jedoch, dass die Forderung nach Selbstbestimmung ein Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses von Menschen mit Behinderung ist, welches auf eine gleichberechtigte Lebenschance abzielt, unabhängig von Art und Schwere der Behinderung. Um diesem Anspruch der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung gerecht zu werden, wurden in weiterer Folge Modelle von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung entwickelt, die diese ermächtigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Hier setzt das Modell der Persönlichen Assistenz an, welches seine Wurzeln in der „Selbstbestimmt-Leben Bewegung“ in den USA hat.



[2] Der Begriff „Krüppel“ wurde von Menschen mit Behinderung als Provokation gewählt. So würde dieser das Machtgefälle und Unterdrückungsverhältnis zwischen Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung klarer verdeutlichen (vgl. Köbsell 2003: 3).

2. Das Modell der Persönlichen Assistenz

Das Modell der Persönlichen Assistenz wurde im Zuge der Independent-Living-Bewegung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung entwickelt, um einer fremdbestimmten Fachlichkeit und organisatorischen Zwängen der Institutionen entgegenzuwirken. Unter „Persönliche Assistenz“ wird jede Art von individueller Unterstützung verstanden, welche dem Menschen mit Behinderung ermöglichen soll, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. AssistenznehmerInnen entscheiden selbst, wie, wann, wo und durch wen Assistenz geleistet wird. Diese konzeptionelle Orientierung soll die AssistenznehmerInnen davon befreien, als passive EmpfängerInnen von Hilfeleistungen zu gelten und - ganz im Gegenteil - sie ermächtigen, Kontrolle und steuernden Einfluss auf die persönlichen AssistentInnen zu erlangen (vgl. Niehoff 2009: 53).

Um das Modell der Persönlichen Assistenz, dessen zugrundeliegenden Zielsetzungen und Kompetenzen zu beschreiben, soll vorerst in aller Kürze die historische Entwicklung des Modells sowie dessen Umsetzung in Österreich beschrieben werden.

2.1. Historischer Abriss

Lange Zeit war die Sonder- und Heilpädagogik dem Paradigma der Institutionalisierung[3] gefolgt. Hier war das Ziel, Menschen mit Behinderung in Sondereinrichtungen wie Anstalten, Heimen und Sonderschulen unterzubringen. Die Theorie war, den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderung besser gerecht werden zu können, indem man sie „gruppiere und sie von anderen Menschen isoliere“ (Polloway 1996 zit. in Theunissen 2002: 17). Dieses Phänomen der Isolation zur Außenwelt beschrieb Erving Goffman bereits eingehend in seinem Werk „Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen“ (vgl. Goffman 1972). Ein kurzer Exkurs in Goffmans Theorie erscheint geeignet, um den Ausgangspunkt für den historischen Abriss und die Entstehung des Modells der Persönlichen Assistenz zu beschreiben. Seine Ausführungen geben einen Einblick in eine Zeit, welche noch dem Paradigma der Institutionalisierung folgte.

Erving Goffman gilt neben Michel Foucault als wichtiger theoretischer Bezugspunkt der Disability Studies (vgl. Davis 2010). Goffmans Werk entstand in Verbindung mit Untersuchungen über das Verhalten auf den Stationen des National Institute of Health Clinical Center in den Jahren 1954 bis 1957 sowie durch Feldarbeit am St. Elizabeths Hospital, Washington, einer Bundesanstalt mit 7000 sogenannten „Insassen“ (vgl. Goffman 1972: 7 und 11).

Goffman prägte den Begriff der „totalen Institution“. Eine klare Definition der totalen Institution lässt sich schwer finden, so vielseitig betrachtete er diese Form der Institution. Für die weiteren Ausführungen erscheint die folgende Definition am geeignetsten:

„Jede Institution nimmt einen Teil der Zeit und der Interessen ihrer Mitglieder in Anspruch und stellt für sie eine Art Welt für sich dar; kurz, alle Institutionen sind tendentiell allumfassend. (...) Ihr allumfassender oder totaler Charakter wird symbolisiert durch Beschränkungen des sozialen Verkehrs mit der Außenwelt sowie der Freizügigkeit, die häufig direkt in die dingliche Anlage eingebaut sind (...)“ (Goffman 1972: 15f).

Für Goffman ist ein wichtiger Aspekt der totalen Institution, dass der soziale Verkehr der Insassen zur sogenannten Außenwelt beschränkt ist. Alle Angelegenheiten des täglichen Lebens finden an einem Ort und unter einer Autorität statt und jede Phase der täglichen Aktivitäten wird unter einer Gruppe von sogenannten Schicksalsgenossen ausgeführt, wobei darauf geachtet wird, dass allen Individuen eine gleiche Behandlung zuteil wird. Die Folge der Aktivitäten ist genau geplant und wird von einem System oder Stab von Funktionären vorgeschrieben. Ein weiteres deutliches Merkmal der totalen Institution ist, dass es einen rationalen Plan gibt, der dazu dienen soll, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen (vgl. ebd.: 17).

Für Goffman ist daher ein zentrales Faktum totaler Institutionen: „Die Handhabung einer Reihe von menschlichen Bedürfnissen durch die bürokratische Organisation ganzer Gruppen von Menschen (...)“ (ebd.: 18).

Die Situation der Insassen ist geprägt durch Kontroll- und Identitätsverlust (vgl. ebd.). Die Isolierung dient einer Zerstörung des Selbstbildes und auch der Individualität. Es wird versucht, die Insassen zu einem Objekt zu formen, das durch Routinemaßnahmen kontrolliert und gehandhabt werden kann. All diese Aspekte führen schließlich zu einem Identitätsverlust der Insassen. Ihre Fassade, ihre Rolle, die sie in der Gesellschaft „gespielt“ haben, wird zerstört. Diesen Vorgang des Identitätsverlustes nennt Goffman auch die „Übernahme einer desidentifizierenden Rolle“. Der Insasse beginnt einen Lebenszyklus zu durchlaufen, der ihm fremd erscheint (vgl. ebd.: 25-37).

Der Kontrollverlust zeigt sich zudem in der von Goffman beschriebenen Reglementierung. Die detaillierten und restriktiven Vorschriften lassen keine Möglichkeit, eine „persönliche Ökonomie des Handelns“ (ebd.: 45) aufzubauen.

Die totalen Institutionen unterbinden somit vor allem die Handlungen, „die in der bürgerlichen Gesellschaft die Funktion haben, dem Handelnden und seiner Umgebung zu bestätigen, dass er seine Welt einigermaßen unter Kontrolle hat, dass er ein Mensch mit der Selbstbestimmung, Autonomie und Handlungsfreiheit eines ‘Erwachsenen’ ist” (ebd.: 49f, Hervorhebung im Original).

Goffmans Ausführungen der totalen Institutionen machen auf die Situation der Menschen mit Behinderung zur damaligen Zeit aufmerksam, welche geprägt war durch Strukturen der Isolation und Kontrolle. Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, also kurz nach Goffmans Veröffentlichung, kam es zu einem Wandel. Einige WissenschaftlerInnen vertreten sogar die Ansicht, Goffman habe mit seinem Werk einen erheblichen Beitrag dazu geleistet (vgl. Fliedl 2008: 130; Schülein 2007: 34). Auch in Europa setzte Kritik an totalen Institutionen ein, die zu politischen Reformen führte. Hervorzuheben sei hierbei der italienische Psychiater Franco Basaglia, durch dessen Werke und Initiativen unter dem Schlagwort „Antipsychiatrie“ im Mai 1978 ein Gesetz zur Psychiatriereform im italienischen Parlament verabschiedet wurde, das in den Folgejahren schließlich zur Entlassung zehntausender PatientInnen aus psychiatrischen Anstalten führte (vgl. Monsorno 1997). Damit setzten auch ein „Prozess der De-Institutionalisierung“ und eine „Verschiebung zu einem servicebasierenden Paradigma“ in ganz Europa ein (Theunissen 2002: 17), welche schließlich in dem Paradigma der Inklusion gipfelten. Inhalt des Paradigmas und dessen Leitprinzipien wie Empowerment und Selbstbestimmung war die Sichtweise, dass Menschen mit Behinderung in ihrer vertrauten Lebenswelt und in der Gesamtgesellschaft notwendige Unterstützung erhalten sollen (vgl. ebd.).

Der Paradigmenwandel ist vor allem auf die Erfolge der Selbstvertretungsbewegungen der Menschen mit Behinderung (s. Kap. 1.3.2.) und die neue Sichtweise auf Behinderung als soziale Kategorie (s. Kap. 1.2.) zurückzuführen. Menschen mit Behinderung selbst traten dafür ein, der in der Behindertenhilfe klassischen Machtlosigkeit bedingt durch totale Institutionen entgegenzuwirken und damit weitgehende Kontrolle über das eigene Leben zu gewinnen (vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007 :225).

Die „Selbstbestimmt-Leben-Bewegung“, „Krüppelbewegung“ und „Self-Advocacy-Bewegung“ machten auf die Notwendigkeit der De-Institutionalisierung von Menschen mit Behinderung aufmerksam. Selbstbestimmung wurde wichtiges Leitprinzip des neuen Paradigmas (vgl. Theunissen 2002: 17).

Goffman beschrieb sehr deutlich, dass das Selbst und dessen Handlungen in totalen Institutionen unterbunden oder entwertet werden, die Kontrolle über das Selbst entzogen und damit das Gefühl der Selbstbestimmung, Autonomie und Handlungsfreiheit untergraben wird (vgl. Goffman 1972: 49f.). Mit neuen Modellen soll dieses Verhältnis umgedreht werden: Nicht mehr die Institution - in Goffmans Sinne - regelt das tägliche Leben und kontrolliert es, sondern der Mensch mit Behinderung soll selbst alle Entscheidungen treffen und die Form der Unterstützung wählen können, so die Forderungen von Menschen mit Behinderung. Hervorgehend aus diesen Forderungen entwickelten Menschen mit Behinderung das Modell der Persönlichen Assistenz (vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007: 228). In diesem Modell regelten nicht mehr Institutionen und fremdbestimmte Fachlichkeit das Leben der Menschen mit Behinderung, sondern sie selbst organisierten ihr Leben. Die Unterstützungsleistung richtet sich damit nach den individuellen Wünschen der AssistenznehmerInnen, welche als ArbeitgeberInnen persönliche AssistentInnen anleiten. Alle Unterstützungsleistungen werden von den Menschen mit Behinderung organisiert. Ausgehend von der Independent-Living-Bewegung und den Deinstitutionalisierungstendenzen in den skandinavischen Ländern wurde das Modell schließlich über die Krüppelbewegung und Selbstbestimmt-Leben-Bewegung auch in den deutschsprachigen Raum getragen (Miles-Paul 2006: 33f).

Eine Bestandsaufnahme der Persönlichen Assistenz 2011 in Österreich ergab, dass das Modell der Persönlichen Assistenz am stärksten in jenen Bundesländern ausgebaut ist, wo erfolgreiche Selbstbestimmt-Leben-Organisationen existieren (vgl. Stockner 2011: 3).

1994 wurde das erste Zentrum für Selbstbestimmt-Leben mit dem Namen BIZEPS in Wien gegründet und nach der Selbstbestimmt-Leben-Philosophie aufgebaut. Forderungen des Zentrums waren, Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben mit Persönlicher Assistenz zu ermöglichen und Menschen mit Behinderung bei der Organisation von Persönlicher Assistenz zu unterstützen und zu beraten. Seither haben sich österreichweit weitere Selbstbestimmt-Leben Zentren entwickeln können (vgl. BIZEPS, Zugriff 02.06.2011).

Mitte der 1990er entstanden Modelle der Persönlichen Assistenz zuerst in Innsbruck und kurz darauf in Linz und Wien. Erst einige Zeit später folgten andere Bundesländer. Zu verdanken waren diese Entwicklungen vor allem den Selbstvertretungsgruppen der Menschen mit Behinderung sowie deren Interessensvertretung durch engagierte Eltern und Familienmitglieder (vgl. Stockner 2011: 7).

Spätestens seit In-Kraft-Treten der UN-Behindertenkonvention hat sich Österreich mit der Ratifizierung im Jahr 2008 verpflichtet, ein gemeinwesenorientiertes Unterstützungssystem und damit Persönliche Assistenz zu ermöglichen (vgl. BMASK , Zugriff 31.10.2011). So steht unter Artikel 19 der UN-Konvention:

Artikel 19

Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft

Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass

  1. Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben;

  2. Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist;

  3. gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen“ (vgl. BMASK 2008: UN-Konvention, deutschsprachige Übersetzung, Zugriff 01.03.2011, Hervorhebung A.S.).

Obwohl in der UN-Konvention explizit die Unterstützungsform der Persönlichen Assistenz genannt wird, zeigt sich in Österreich weiterhin ein sehr differenziertes Bild bezüglich der Umsetzung der Persönlichen Assistenz. Während einige europäische Länder (beispielsweise Schweden bereits im Jahr 1994) eine gesetzliche Sicherung der Persönlichen Assistenz durchsetzten, fehlt in Österreich noch heute ein solches Gesetz. Je nach Organisation und Bundesland ist die Umsetzung und auch Zielgruppe der Persönlichen Assistenz sehr unterschiedlich geregelt. Seit 2004 wird Persönliche Assistenz lediglich am Arbeitsplatz österreichweit finanziert (vgl. Stockner 2011: 7, Bazalova et al. 2005: 14).

Persönliche Assistenz wird entweder durch Pflegegeld oder andere Sonderfinanzierungen, beispielsweise einzelne Projekte, bezahlt. Die Ausbezahlung des Pflegegeldes ist über das Bundespflegegeldgesetz geregelt: „Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrags pflegebedingte Mehraufwendungen pauschalisiert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbst bestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen“ (BMASK : §1, Bundesrecht 2011). Erst bei einem Pflegebedarf von mindestens 50 Stunden im Monat haben Menschen mit Behinderung Anspruch auf Pflegegeld. Die Höhe des Pflegegeldes ist von der jeweiligen Pflegestufe abhängig, jedoch unabhängig von Einkommen und Ursache der Behinderung. Die Einstufung folgt vorwiegend medizinischer Orientierung, wonach existenzielle Bedürfnisse wie Körperpflege mehr Berücksichtigung finden (vgl. Bazalova et al. 2005: 14f).

In Wien wurde das zwei-jährige Modellprojekt Persönliche Assistenz 2008 in eine Regelfinanzierung einer „Pflegegeldergänzungsleistung für Persönliche Assistenz“ übergeführt und der Kreis der BezieherInnen hat sich seither jährlich erhöht (vgl. Stockner 2011: 9). Damit gilt die Wiener Pflegegeldergänzungsleistung als das derzeit wohl am besten ausgebaute Ländersystem bezüglich der Abdeckung des individuellen Bedarfs, allerdings ist die Zielgruppe stark eingeschränkt und nur Menschen mit körperlicher Behinderung und Sinnesbeeinträchtigung haben die Möglichkeit, diese Leistung zu beanspruchen (vgl. ebd.: 10). Eine systematische Ausweitung der Assistenzleistungen auf Menschen mit Lernschwierigkeiten ist in Österreich kaum zu beobachten (siehe Kap. 3.2.4).

2.2. Allgemeine Zielsetzungen und Realisierungsmöglichkeiten der Persönlichen Assistenz

Wie im vorangegangenen Kapitel bereits verdeutlicht werden sollte, folgt das Modell der Persönlichen Assistenz der Zielsetzung, der sozialen Behinderung entgegenzuwirken und Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, ihr Leben selbstbestimmt planen und organisieren zu können, abseits von „totalen“ Institutionen und Fremdbestimmung. Menschen mit Behinderung bekommen die finanziellen und organisatorischen Mittel in die Hand, um ihren Alltag nach ihren Vorstellungen gestalten zu können. Die Encyclopedia of Disability definiert Persönliche Assistenz wie folgt: „Personal assistance is defined as one person assisting another with the tasks that individuals would normally do for themselves if they did not have disabilities” (Racino 2006: 1235). Damit umfasst Persönliche Assistenz viele Lebensbereiche und -inhalte, welche aufgrund der individuellen Konzeption hinsichtlich der zeitlichen Dauer und Häufigkeit der Inanspruchnahme variieren können. Die AssistenznehmerInnen bestimmen dabei, wer sie assistiert, wann Assistenz benötigt wird, wo die Unterstützung stattfindet und wie assistiert werden soll. Nach Rehfeld (2001) lassen sich in der Praxis drei Tätigkeitsfelder im Modell der Persönlichen Assistenz unterscheiden:

  • „Tätigkeiten, die die Persönlichen Assistentinnen vollständig nach Anleitung der Assistenznehmerin übernehmen, weil die Assistenznehmerin sie nicht selbst ausführen kann.

  • Tätigkeiten, bei deren Ausführung die Persönliche Assistentin eher unterstützend tätig ist.

  • Tätigkeiten, die überwiegend als Präsenz geleistet werden“ (Rehfeld 2001: 53).

Diese Tätigkeitsfelder können in verschiedene Lebensbereiche eingebunden werden, welche Rehfeld in vier Lebensbereiche bündelt: in den Bereich Haushalt, in Schule/Ausbildung/Beruf, in den Bereich Freizeit und schließlich in den Bereich gesellschaftliche und politische Partizipation. So kann Persönliche Assistenz im Haushalt beispielsweise Unterstützung bei der Körperpflege, bei Haushaltstätigkeiten, beim Einkaufen, der Betreuung von Kindern und vieles mehr umfassen. Assistenz am Arbeitsplatz oder in der Ausbildung kann neben pflegerischen Aspekten (beispielsweise Unterstützung bei Toilettengängen) auch spezifische Leistungen wie die Anfahrt und Unterstützung bei Ausführungen in der Arbeit (Handreichungen, Kopieren, Mitschreiben) beinhalten. Zudem bietet Persönliche Assistenz eine Möglichkeit für die individuelle und kreative Gestaltung der Freizeitaktivitäten, des kulturellen Lebens, im Urlaub und im Knüpfen und Pflegen sozialer Kontakte. Durch Mobilitätshilfen, Ausführung spezifischer Tätigkeiten, pflegerische Unterstützung und Kommunikationshilfen haben AssistenznehmerInnen nicht nur die Möglichkeit, ihren Freizeitbereich, Ausbildung und Beruf sowie Haushalt selbstbestimmt zu organisieren, sondern auch den Bereich der gesellschaftlichen und politischen Partizipation, im Sinne einer Wahrnehmung von Bürgerrechten, Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen und ehrenamtlichem Engagement (vgl. Rehfeld 2001: 54f). Damit ist Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung auch ein wichtiges Instrument, in der Politik aktiv mitzuwirken und politische Entscheidungen, die sie selbst betreffen, mit beeinflussen zu können.

Persönliche AssistentInnen brauchen zur Ausübung dieser Unterstützungsleistungen grundsätzlich keine spezielle Ausbildung beziehungsweise Qualifikation. Die AssistenznehmerInnen wählen ihre AssistentInnen selbst aus, legen selbst fest, welche Qualifikationen für ihre individuellen Bedürfnisse notwendig erscheinen (zum Beispiel Sprechen der Gebärdensprache, Besitz eines Führerscheins oder medizinische Grundkenntnisse) und schulen ihre AssistentInnen schließlich auch selbst ein.

Um Persönliche Assistenz in der soeben beschriebenen Form organisieren zu können, bietet das Modell der Persönlichen Assistenz zwei Realisierungsmöglichkeiten an (siehe Abb. 2):

Abbildung 2. Organisationsformen Persönliche Assiszenz

Pfeildiagramm für die zwei unterschiedlichen
 Organisationsformen
                     Persönlicher Assistenz: ArbeitgeberInnenmodell
 (Angemeldeter Betrieb oder
                     graue Arbeitsverhältnisse) und
 Assistenzorganisation (Assistenzverein oder
                     Assistenzgenossenschaft)

(vgl. Franz 2002: 43)

Die AssistenznehmerInnen können Persönliche Assistenz im ArbeitgeberInnenmodell oder durch eine Assistenzorganisation beanspruchen.

Im ArbeitsgeberInnenmodell, auch „Direkte Assistenz“ genannt, nimmt der/die AssistenznehmerIn die Rolle als ArbeitgeberIn ein und versetzt den Mensch mit Behinderung in die Rolle einer Führungskraft (vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007: 231). Damit müssen AssistenznehmerInnen die Verantwortung für die Einstellung, Organisation, und Bezahlung der AssistentInnen selbst übernehmen, das heißt formale Tätigkeiten, wie Anmeldung der DienstnehmerInnen, Abrechnung und vieles mehr liegen ausschließlich in der Hand der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers, also des Menschen mit Behinderung. Oftmals kommt es in der Praxis zu grauen Arbeitsverhältnissen, indem Dienstverhältnisse aufgrund eines geringen Stundenverhältnisses keiner Sozialversicherungspflicht unterliegen (vgl. Franz 2002: 44).

Für Menschen mit Behinderung, welche aufgrund ihrer Beeinträchtigung hinsichtlich der formalen Assistenzgestaltung und den damit verbundenen organisatorisch schwierig zu bewältigenden Anforderungen Unterstützung benötigen, wurde von der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung das alternative Assistenzorganisationsmodell entworfen. Im diesem Modell, auch „Indirekte Assistenz“ genannt, können AssistenznehmerInnen als KundInnen bei Assistenzvereinen oder -genossenschaften fungieren. Die Assistenzorganisationen verfügen als ArbeitgeberInnen über einen Pool von AssistentInnen und übernehmen Verwaltungsangelegenheiten, die rechtliche Verantwortung sowie Entlohnung. Damit entsteht eine Art Dreiecksverhältnis: Der/die AssistenznehmerIn wird Kunde/Kundin einer Assistenzorganisation, welche nach den individuellen Wünschen und Bedürfnissen des Kunden/der Kundin Verwaltungsangelegenheiten übernimmt und als rechtliche(r) ArbeitgeberIn des/der AssistentIn fungiert. Die Auswahl der AssistentInnen und die gesamte Umsetzung der Persönlichen Assistenz im Alltag werden von den AssistenznehmerInnen selbst bestimmt (vgl. ebd.: 45).

In den Ausführungen des Kapitels wird unschwer deutlich, dass mit den Strukturen des Modells der Persönlichen Assistenz – ob im ArbeitgeberInnenmodell oder Assistenzorganisationsmodell – viele Anforderungen auf organisatorischer und persönlicher Ebene für Menschen mit Behinderungen verbunden sind. In der wissenschaftlichen Literatur und praktischen Handbüchern werden Kompetenzen, über welche die AssistenznehmerInnen zur Umsetzung der Persönlichen Assistenz verfügen sollten, angeführt. Diese werden im Folgenden detailliert vorgestellt und im Anschluss kritisch diskutiert.

2.3. Die fünf Kompetenzen

AssistenznehmerInnen fungieren als ExpertInnen in eigener Sache und können ihr Leben durch Assistenz selbstbestimmt gestalten. Damit eine Selbstbestimmung mit Persönlicher Assistenz erreicht werden kann, sollten die AssistenznehmerInnen über fünf einschlägige Kompetenzen verfügen: Personalkompetenz, Raumkompetenz, Organisationskompetenz, Finanzkompetenz und Anleitungskompetenz. Die AssistenznehmerInnen sollten für eine selbstbestimmte Lebensführung über persönliche, zeitliche und organisatorische Einsatzbereitschaft verfügen, Verantwortung für die Anstellung, Einweisung und Anleitung ihrer AssistentInnen übernehmen und für Verwaltung und Management zuständig sein – so heißt es im Handbuch für Assistenznehmerinnen von MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. Deutschland (vgl. MOBILE 2001: 188). Anhand der einschlägigen fünf Kompetenzen sollte es den AssistenznehmerInnen möglich sein, den oben beschriebenen Anforderungen gerecht zu werden, wird in vielen wissenschaftlichen Texten und Handbüchern für die Praxis festgehalten.

Abbildung 3. Die fünf Kompetenzen

Mittiger Kreis mit dem Titel AssistenznehmerIn um den
 fünf weitere
                     Kreise mit den unterschiedlichen Kompetenzen angeordnet
 sind:
                     Personalkompetenz, Anleitungskompetenz, Finanzkompetenz,
 Raumkompetenz,
                     Organisationskompetenz

2.3.1. Anleitungskompetenz

Unter der Anleitungskompetenz wird verstanden, dass die AssistenznehmerInnen selbst die Anleitung und Einschulung der persönlichen AssistentInnen übernehmen. In welcher Form eine Anleitung der AssistentInnen stattfindet ist den AssistenznehmerInnen selbst überlassen. Ziel ist, dass die AssistenznehmerInnen dabei immer die Kontrolle über die auszuführenden Tätigkeiten behalten. Um AssistentInnen anleiten zu können, sollten die AssistenznehmerInnen Führungsqualitäten dahingehend aufweisen, indem sie eindeutige Arbeitsanweisungen geben, ihre Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche reflektieren und klar äußern können sowie eine Gesprächsbereitschaft beziehungsweise Konflikt- und Kritikfähigkeit aufweisen. „Die Anleitungskompetenz der Assistenznehmerin umfasst neben der konkreten Anleitung von Tätigkeiten auch, dass grundsätzliche Rahmenbedingungen innerhalb der Beziehung zwischen Assistenznehmerin und Persönlicher (sic!) Assistentin angesprochen werden“ (Klicker 2001: 215). Darüber hinaus sind Menschenkenntnis und ein gegenseitiges "sich schätzen" wichtige Komponenten, um AssistentInnen erfolgreich ihren Qualitäten und Qualifikationen entsprechend anleiten zu können (vgl. ebd.: 209-214).

2.3.2. Finanzkompetenz

„Ausgangspunkt ist die These, dass diejenige, die die Finanzkompetenz ausüben kann, Macht besitzt. Oder anders formuliert, diejenige, die Verfügungsgewalt über Finanzmittel hat, kann Entscheidungen treffen“ (Marrenbach 2001: 230), so heißt es im Praxis-Handbuch „Selbstbestimmt Leben mit Persönlicher Assistenz“. Miles-Paul sieht ebenso in der Finanzkompetenz eine Voraussetzung zur Umkehrung der Machtverhältnisse in der Behindertenhilfe (vgl. Miles-Paul/Frehse 1994: 14).

Innerhalb des ArbeitgeberInnenmodells erhalten die AssistenznehmerInnen im Zuge der Übernahme der Finanzkompetenz die Kontrolle über die Finanzmittel zur Organisation der Persönlichen Assistenz. Dadurch werden im Gegensatz zu ambulanten Dienstleistungen die Geldströme für die AssistenznehmerInnen transparent und selbstständig handhabbar (vgl. Marrenbach 2001: 230). Die AssistenznehmerInnen erhalten nach Bewilligung der Kostenträger das Geld auf ein eigenes Konto. Somit verfügen sie selbst, entsprechend der Vereinbarung in den Arbeitsverträgen, über die Zahlungsmittel für die persönlichen AssistentInnen sowie weitere Versicherungsbeiträge (vgl. ebd.).

Wird Persönliche Assistenz über eine Assistenzorganisation realisiert, kann die Finanzkompetenz nur mehr in geringerem Maße ausgeübt werden. Die Assistenzorganisation rechnet selbst mit den Kostenträgern direkt ab und finanziert damit die für die AssistenznehmerInnen erbrachten Leistungen. Eine direkte Kontrolle der AssistenznehmerInnen über die sie betreffenden Finanzmittel geht somit verloren. Als Vereinsmitgliedern ist es den AssistenznehmerInnen jedoch möglich, in die Buchhaltung sowie Organisation Einblick zu bekommen (vgl. ebd.: 233).

2.3.3. Personalkompetenz

Die AssistenznehmerInnen wählen die persönlichen AssistentInnen selbst aus und stellen sie ein. Durch Übernahme der Personalkompetenz ist es Aufgabe der AssistenznehmerInnen, die persönlichen AssistentInnen selbst zu suchen, Bewerbungs- und Einstellungsgespräche zu führen und schließlich die geeigneten AssistentInnen auszuwählen (vgl. Franz 2001: 195f). Wird Assistenz über das Organisationsmodell in Anspruch genommen, so wird die Suche nach potenziellen AssistentInnen durch die Organisation unterstützt, da diese bereits über einen Assistenzpool verfügt oder bereits Kontakte zu AssistentInnen bestehen, die Auswahl und Bewerbungsgespräche liegen jedoch weiterhin in der Hand der AssistenznehmerInnen. Beim Führen eines Bewerbungs- und Einstellungsgespräches sollten die AssistenznehmerInnen als GesprächsleiterInnen vermitteln, welche Art der Persönlichen Assistenz benötigt und gewünscht wird. Es ist Aufgabe der AssistenznehmerInnen, auf Grundlage des Gesprächs entscheiden zu können, ob die BewerberInnen sich als geeignet erweisen und den eigenen Zielsetzungen und Vorstellungen entsprechen. Die Personalkompetenz erfordert somit viel Entscheidungsfähigkeit, Zeit und Energie seitens der AssistenznehmerInnen (vgl. ebd.: 205-208). Miles-Paul hebt diesbezüglich hervor, dass das Wahrnehmen der Personalkompetenz einen wichtigen Faktor bezüglich einer Wahrung der Menschenwürde darstellt, indem die AssistenznehmerInnen selbst entscheiden und bestimmen können, wer in ihrem Umfeld arbeitet und wer sie in unterschiedlichen Bereichen des Alltags begleitet (vgl. Miles-Paul/Frehse 1994: 14).

2.3.4. Organisationskompetenz

Eine weitere Kompetenz, welche eine entscheidende Rolle beim Aufbrechen der Machtverhältnisse spielt, ist jene der Organisationskompetenz (vgl. Franz 2001: 230). Als ArbeitgeberIn ist es die Aufgabe der Assistenznehmerin/des Assistenznehmers, als eine Art „Chefin ihres eigenen kleinen Betriebes“ (ebd: 225) zu fungieren. Dies erfordert ein gewisses Maß an Selbstorganisation, Personalführung und Management verschiedenster Aufgabenbereiche. Diese Aufgabenbereiche umfassen das Festlegen der Aufgabengebiete (Hilfeleistung bei Körperpflege, Haushalt, Freizeit, Mobilität, Arbeit und Ausbildung sowie vieles mehr) und des Arbeitsumfanges der AssistentInnen sowie das Gestalten der Dienstpläne.

Das heißt, die AssistenznehmerInnen legen selbst individuell den Umfang ihres Hilfebedarfs fest und planen, welche Tätigkeiten zu welcher Zeit durch welche AssistentInnen erfüllt werden können. Aufgabengebiete und Arbeitsumfang der AssistentInnen sollten in einem Dienstplan festgelegt werden. Hierzu gehört ebenso die Organisation und Planung bezüglich Pausenregelungen sowie Vertretungen bei Ausfallzeiten oder Krankheiten (vgl. ebd.: 225-230).

2.3.5. Raumkompetenz

Die AssistenznehmerInnen bestimmen selbst, an welchen Orten die Assistenzleistungen erbracht werden sollen, wie beispielsweise in der eigenen Wohnung, an Freizeitorten, im Urlaub und vieles mehr (vgl. Srb-Rössler 2007: 10).

Oftmals wird in der Literatur die Raumkompetenz zur Organisationskompetenz gezählt, teilweise wird sie jedoch als eigene Kompetenz angesehen. Ziel der Raumkompetenz ist es, dass die Hilfeleistungen nicht mehr an einem Ort stattfinden, an welchem die AssistenznehmerInnen ihre Hilfe abholen können, sondern dass die AssistenznehmerInnen selbstständig festlegen, wo sie welche Art von Hilfe benötigen. Die Unterstützungsleistung wird somit dort gegeben, wo der Mensch mit Behinderung es selbst als nützlich und sinnvoll erachtet (vgl. Franz 2002: 42).

Auf Grundlage dieser fünf Kompetenzen sollen Menschen mit Behinderung als ArbeitgeberInnen fungieren und damit über mehr Selbstbestimmung im Leben verfügen (vgl. Niehoff 2009: 53).

Das folgende Kapitel setzt sich mit der Anwendung des Modells der Persönlichen Assistenz auf den Personenkreis der Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinander.



[3] Definition Institutionalisierung: „Die Form der Institutionalisierung in gesonderten Bereichen der Gesellschaft. In ihnen bilden sich Verhaltensmuster aus, die sich von den offiziellen, voll anerkannten Rollen im übergreifenden Sozialsystem unterscheiden, jedoch von diesem relativ erlaubt werden.“ (Lexikon zur Soziologie 1995: 103)

3. Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Im bereits zitierten Artikel 19 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung steht: „Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben (…)“ (vgl. BMASK Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2008: UN-Konvention, Artikel 19). Dies schließt explizit auch den Zugang zu gemeindenahen Unterstützungsdiensten ein, einschließlich der Persönlichen Assistenz (vgl. ebd.). Zusammenfassend wird in diesem Artikel deutlich, dass allen Menschen mit Behinderung das Recht zuerkannt werden sollte, Zugang zu dem Modell der Persönlichen Assistenz zu bekommen. In der Realität haben in einigen Ländern allerdings noch nicht alle Menschen unabhängig von Art und Schwere der Behinderung das Recht, Persönliche Assistenz zu beantragen. Dies hängt oftmals damit zusammen, dass dieser Personengruppe nicht zugetraut wird, den Anforderungen, welche in dem Modell an Menschen mit Behinderung herangetragen werden, gerecht zu werden. Das Kapitel setzt sich mit der Diskussion bezüglich der Übernahme des Modells der Persönlichen Assistenz auf Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinander, um schließlich einige Anwendungsbeispiele in vier ausgewählten europäischen Ländern darzustellen.

3.1. Selbstbestimmung oder Einschränkung der Individualität? Ein Spannungsbogen.

Das Modell der Persönlichen Assistenz wurde für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigung und körperlicher Behinderung entwickelt, erst etwas später setzte die Forderung nach diesem Modell, welches eine Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung ermöglichen soll, auch in den Bewegungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten ein. Die Forderung wurde laut, Persönliche Assistenz für alle Menschen, unabhängig von Schwere und Art der Behinderung, anzubieten. Jedoch wird in den Primärwissenschaften und in der Politik diskutiert, inwieweit das Konzept für die Personengruppe Menschen mit Lernschwierigkeiten adaptierbar erscheint. Viele dieser Diskussionen bezüglich der Übernahme des Konzepts Persönliche Assistenz auf Menschen mit Lernschwierigkeiten drehen sich um den Begriff der Selbstbestimmung. Es werden Bedenken geäußert, jener Personenkreis sei nicht befähigt, die AssistentInnen selbstbestimmt anzuleiten und selbstständig zu organisieren (vgl. Niehoff 2009: 58).

Aus dem Blickwinkel der Disability Studies stellt sich die Frage, weshalb zwar Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesellschaft Selbstbestimmung theoretisch zuerkannt wird, diese sogar rechtlich begründet wird, in der Praxis jedoch das Konzept der Persönlichen Assistenz, welches Selbstbestimmung zu verwirklichen scheint, häufig verwehrt wird? Obwohl Menschen mit Sinnesbeeinträchtigung und körperlicher Behinderung längst Selbstbestimmung zuerkannt bzw. `zugetraut´ wird, scheint Selbstbestimmung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten auch heute noch ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für wissenschaftliche und politische Argumente für oder gegen die Übernahme individueller Unterstützungssysteme, wie beispielsweise der Persönlichen Assistenz, zu sein. Waldschmidt erstellte die These, dass verschiedene Abstufungen von Selbstbestimmung bestehen würden, welche Menschen mit Behinderung „abhängig von ihrem Vernunftvermögen“ (Waldschmidt 2012: 22f) unterschiedliche Grade von Autonomie ermöglichen. Die Abstufungen sind nach Waldschmidt nicht willkürlich, sondern gesellschaftlich konstruiert und richten sich nach dem Maßstab der Vernunft. „Abhängig davon also, wie sehr der Einzelne sich in seiner Existenz von der Vernunft oder der menschlichen Natur bestimmen lässt oder bestimmen lassen kann, wird ihm oder ihr Freiheit zugebilligt“ (ebd.: 23).

Gerade bei der Adaptierung des Modells der Persönlichen Assistenz auf Menschen mit Lernschwierigkeiten kommt dem Begriff der Vernunft verstärkte Bedeutung zu. So seien die Kompetenzen, so Niehoff, an intellektuelle und psychische Fähigkeiten gebunden, welche in der beschriebenen Form Menschen mit Lernschwierigkeiten nur schwer vorweisen können (vgl. Niehoff 2009: 55). Alle fünf Kompetenzen seien nur in eingeschränktem Maße von Menschen mit schwerer Behinderung und/oder Lernschwierigkeit realisierbar, wodurch die Zielsetzungen der Persönlichen Assistenz für jene Personengruppe nicht umsetzbar erscheinen (vgl. Weber 2003: 6). Gegenstimmen im Diskurs betonen jedoch, wenn Persönliche Assistenz nicht in einer neuen Form adaptierbar wird, „droht der Begriff der Assistenz, der auch für diesen Personenkreis hohe Bedeutung hat, (…) zur Ausgrenzung beizutragen: in solche, die Assistenz einfordern, die die dazu notwendigen Kompetenzen mitbringen, und jene, die dazu scheinbar nicht fähig sind, dann `assistenzunfähig` sein würden“ (ebd., Hervorhebung im Original). Waldschmidt (2012) räumt ein, dass die Entwicklungen der Behindertenbewegungen und des Modells der Persönlichen Assistenz nicht verhindern konnten, dass sich eine „alte Hierarchie“ wieder durchsetzte: an der Spitze der Rangordnung Menschen mit körperlicher Behinderung und Sinnesbeeinträchtigung, deren Geist trotz ihrer Behinderung als tadellos funktionsfähig erscheint und die damit Assistenz beanspruchen dürfen, und am Ende der Rangordnung Menschen mit Lernschwierigkeiten, welche als „vernunftlos“ angesehen werden und daher die vermeintlich notwendigen fünf Kompetenzen nicht umsetzen können (vgl. Waldschmidt 2012: 29). Noch immer lebt die Mehrzahl der Menschen mit Lernschwierigkeiten in Abhängigkeit von Familie oder Institutionen, welche den Alltag umfassen planen (vgl. ebd.: 30).

Problematisch sei an der Persönlichen Assistenz allerdings, dieses Konzept an ein Kompetenzprofil zu binden und von den AssistenznehmerInnen eine unreflektierte Anpassung an dieses zu verlangen (vgl. Feuser 2006: 6). Im Kontext der Disability Studies melden Menschen mit Behinderung ihren Anspruch auf Akzeptanz eigener Lebensstile und komplexer Identitäten an. So sollten anstatt der unkritischen Übernahme des Modells, welches von und für Menschen mit körperlicher Behinderung konzipiert wurde, viel mehr die individuellen Wünschen und Lebensstile in eine Adaptierung des Modells einfließen, um damit der Individualität jedes Menschen mit Lernschwierigkeiten gerecht zu werden und diese nicht wieder einzuschränken (vgl. ebd: 6f).

Auf Grundlage dieser Diskussionen erscheint folgendes hinsichtlich der Standpunkte der Disability Studies sinnvoll: Erstens, Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten anzubieten, damit auch diese nicht von dem individuellen Unterstützungssystem der Persönlichen Assistenz unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung ausgegrenzt werden. Und Zweitens, ein bestehendes Konzept nicht einfach einer ganzen Personengruppe unkritisch `überzustülpen´ und damit dem Anspruch auf Akzeptanz eigener Lebensstile und komplexer Identitäten entgegenzuwirken.

Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten wird in einigen wenigen Ländern bereits politisch und praktisch umgesetzt. Teilweise wurde dabei das Konzept kaum inhaltlich verändert, teilweise entstanden neue Strukturen, die das Modell noch stärker für jene Personengruppe individualisierten oder durch weitere Konzepte ergänzten. Das folgende Kapitel widmet sich nun der praktischen Umsetzung in ausgewählten Ländern, um vorhandene Strukturen aufzudecken und in weiterer Folge als Kontrastfolie für die anschließende empirische Studie dieser Arbeit handhaben zu können und zu diskutieren.

3.2. Umsetzung in Europa

Bisher existiert keine flächendeckende Umsetzung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Nur einige wenige Länder in Europa weisen keine Einschränkung der Zielgruppe hinsichtlich der Inanspruchnahme von Persönlicher Assistenz auf. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, europäische Länder vorzustellen, welche eine für diese Arbeit besondere Rolle in der praktischen Umsetzung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten spielen: Schweden und Norwegen, deren Modelle eine gewisse Vorreiterrolle in der Implementierung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten einnehmen, Deutschland als einziges deutschsprachiges Land, welches Persönliche Assistenz für diese Zielgruppe flächendeckend durch die Realisierungsmöglichkeit des Persönlichen Budgets anbietet, und schließlich Österreich, wo derzeit Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten kaum eine Umsetzung erfährt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf wissenschaftliche Literatur, aber auch auf einzelne Homepages und persönliche Telefongespräche sowie Mailaustausch mit ExpertInnen (InstitutsleiterInnen und WissenschaftlerInnen) der einzelnen Länder, wenn aktuelle Informationen in der englischsprachigen und deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur nicht zur Verfügung standen.[4]

3.2.1. Schweden

Schweden gilt als Pionier in der gesellschaftlichen und rechtlichen Verankerung der Leistung „Persönliche Assistenz“ in Europa. Bereits in den 1960er Jahren wurde im Special Services Act (Omsorgslagen) erstmals die Integration von Menschen mit Behinderung, speziell von Menschen mit Lernschwierigkeiten, aus dem institutionellen Kontext heraus in die Gesellschaft formuliert. Im Jahre 1987 wurde das Pilotprojekt STIL (Stockholmer Genossenschaft für Independent Living) gestartet, das Persönliche Assistenz als ArbeitgeberInnenmodell forcierte (vgl. Ratzka 2007: 1). In der Behindertenreform 1994 wurden schließlich Gesetze beschlossen, welche die Spezieller Institutionen vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeiten abschaffen sollten und das Recht auf Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderung garantiert (vgl. Westberg 2010: 7).

Unter dem Gesetzt LSS (Gesetz zur Unterstützung und Dienstleitung für Menschen mit funktionaler Behinderung) können Personen, die unter folgende drei Gruppen fallen, Assistenz erhalten: “people

  1. with an intellectual disability, autism or a condition resembling autism

  2. a considerable and permanent intellectual impairment after brain damage as an adult caused by external force or physical illness, or

  3. who have other major and permanent physical or mental impairments which are clearly not due to normal ageing and which cause considerable difficulties in daily life, as a consequence of which they need extensive support and service.”

(Section 1 and 7 of the Act (1993:387) concerning Support and Service for Persons with Certain Functional Impairments zit. in JAG 2006: 4)

Eine Altersgrenze nach unten gibt es nicht, auch Kinder und Jugendliche können Persönliche Assistenz (beispielsweise im Bereich Schule und Ausbildung) beanspruchen. Personen über 65 Jahre bekommen, wenn sie vor ihrem 65. Geburtstag noch keine Persönliche Assistenz in Anspruch genommen haben, Assistenz nur mehr über die Gemeinden in Form von Sach- oder Geldleistungen (vgl. Ratzka 2007: 3). Von dem staatlich oder kommunal zur Verfügung gestellten Geld können die Menschen mit Behinderung ihre persönliche Assistenz individuell von Anbietern oder Trägern ihrer Wahl[5] kaufen (vgl. Westberg 2010: 9f).

Insbesondere für Menschen mit Lernschwierigkeiten sollte das vom Reichstag beschlossene Gesetz von 1994 das Recht auf Wohnen in der Gesellschaft ermöglichen und zur Auflösung von institutionellen Wohnformen beitragen. Am 31. Dezember 1999 kam es zum offiziellen Schließungstag aller Anstalten für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Aktuell wohnen Menschen mit Lernschwierigkeiten mit Hilfe von Persönlicher Assistenz großteils in einer eigenen Wohnung oder in kleinen Wohngemeinschaften (vgl. Ratzka 2003: 14f). Während 1993 noch 80% der volljährigen Menschen mit Lernschwierigkeiten den Haushalt mit den Eltern bzw. anderen Bezugspersonen teilten, lebten 2005 bereits 60% mit Persönlicher Assistenz selbstständig in einer eigenen Wohnung (vgl. JAG 2006: 14). 1992 wurde bereits die JAG Association gegründet, um sich vor allem für das Recht auf Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten sowie schwerer und mehrfacher Behinderung einzusetzen. Zwei Jahre nach der Gründung wurde die „JAG user co-operative“ ins Leben gerufen, mittlerweile Schwedens größte private Assistenzgenossenschaft mit über 160 Mitgliedern (vgl. ebd.: 5).

Die Genossenschaft gründet auf der Überzeugung, dass jeder Mensch den Willen und die Leistungsfähigkeit hat, in Selbstbestimmung leben zu können, wenn eine adäquate Unterstützung ermöglicht wird. Selbstbestimmung, so die Sicht der JAG Association, kann jeder Mensch mit Behinderung unabhängig von Art und Schwere der Behinderung umsetzen. Sie lässt sich beispielsweise schon dadurch zum Ausdruck bringen, indem Zustimmung oder Missfallen in einer Situation geäußert wird (vgl. ebd.: 5f).

Um die Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer Kompetenzentwicklung und Zuständigkeit zu unterstützen, bieten die Assistenzgenossenschaften Kurse und Trainings beispielsweise zur Entwicklung der Anleitungskompetenz, Rekrutierung der AssistentInnen (Personalkompetenz) oder zu Konfliktmanagement und Kommunikation an. Auch wenn nicht immer alle Kompetenzen von den AssistenznehmerInnen in vollem Umfang umgesetzt werden können (die Finanzkompetenz etwa wird meist nur begrenzt wahrgenommen), so können sie sehr wohl zuständig für diese Kompetenzen sein. Beispielsweise können die AssistenznehmerInnen bestimmte Kompetenzen an eine dritte Person (den „service guarantor“) abgeben, welche stellvertretend im Interesse der AssistenznehmerInnen agiert (vgl. Westberg 2010: 37).

JAG Association entwickelte das Modell des „service guarantors“, um die Selbstbestimmung jedes Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Assistenz bestmöglich verwirklichen zu können (vgl. JAG 2006: 6). Jedes Mitglied der Genossenschaft kann eine dritte Person als „service guarantor“ wählen, welcher die Anleitungskompetenz unterstützt und die AssistenznehmerInnen dabei begleitet, die AssistentInnen in die Arbeit einzuführen und einzuweisen. Das Anstellungsverhältnis gleicht jenem der AssistentInnen bei der JAG. Als eine Art SupervisorIn sichert der/die „service guarantor“, dass der Mensch mit Lernschwierigkeit individuell angepasste und geeignete Unterstützung durch Assistenz erhält und die AssistentInnen ihre Tätigkeit kompetent umsetzen, indem die Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen gefördert wird (vgl. Westberg 2010: 62).

Oft ist der/die „service guarantor“ ein enges Familienmitglied oder die rechtliche Sachwalterschaft. In den letzten Jahren wurde es immer gebräuchlicher, einen anderen Assistenten/eine andere Assistentin als „service guarantor“ einzusetzen. Ziel des Modells ist es, dass, nach einer Phase des Kennenlernens zwischen den AssistenznehmerInnen und den AssistentInnen, der „service guarantor“ immer weniger benötigt wird und die AssistenznehmerInnen lernen, für die Kompetenzen nicht mehr nur zuständig zu sein, sondern sie auch selbstständig umzusetzen (siehe Kapitel 3.1). Die Rollenübernahme der Menschen mit Lernschwierigkeiten als AssistenznehmerIn ist somit ein Prozess, der Schritt für Schritt verwirklicht wird und einer Unterstützung durch die AssistentInnen und „service guarantors“ bedarf.[6]

Eine Studie der JAG zeigte auf, dass die Qualität der Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten sehr stark davon abhängt, wie sie gemanagt wird (vgl. JAG 2006: 33ff). Der „service guarantor“ sollte daher in seiner Tätigkeit unterstützt werden und Trainings sowie Supervision von der JAG erhalten. Den AssistentInnen und auch den „service guarantors“ wird ein breites Spektrum an Schulungen angeboten, welche bei Themen wie „Inklusion“ und „Selbstbestimmung“ und deren Verwirklichung im Konzept der Persönlichen Assistenz wichtige Unterstützung bieten (vgl. ebd.: 34).

Die JAG Association spricht von vielen Erfolgen hinsichtlich der Umsetzung der persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten. So zeigte sich in vielerlei Hinsicht eine erhöhte Selbstständigkeit und Selbstbestimmung und die AssistenznehmerInnen entwickelten mehr und mehr Anleitungskompetenz, Organisationskompetenz und Personalkompetenz. Das Modell des „service guarantors“ soll dabei notwendige Unterstützung bieten (vgl. Westberg 2010: 19). Das Modell birgt jedoch auch Konfliktpotenzial: In manchen Situationen kam es dazu, dass die „service guarantors“ nicht mehr die Wünsche und Bedürfnisse der AssistenznehmerInnen in der Form berücksichtigten, wie jene es sich wünschten, sondern die Anleitungskompetenz der AssistenznehmerInnen übernahmen. In solchen Fällen wird versucht, in einem Dialog und Konfliktmanagment das Problem zu lösen. Gelingt es nicht, dann stellt die Assistenzgenossenschaft auf Wunsch der AssistenznehmerInnen oder bei offensichtlicher Verfehlung gegen das Modell des „service guarantors“ eine neue Person ein (vgl. ebd).

3.2.2. Norwegen

Norwegen setzte sehr früh Initiativen zur Umsetzung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderung. Im Gegensatz zu Norwegens Nachbarland Schweden wurde Persönliche Assistenz für die spezifische Zielgruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten allerdings erst in den letzten Jahren verwirklicht. Im Jahre 1991 wurde eine gesetzlich geregelte Reform in Norwegen durchgeführt, welche alle Einrichtungen für Menschen mit Behinderung auflöste und den Versorgungsauftrag den Gemeinden übergab. Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten mit Hilfe individueller Unterstützungsangebote ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung führen können (vgl. Thorsen 2006: 1).

Zeitgleich setzte die Assistenzgenossenschaft ULOBA erste Initiativen für Persönliche Assistenz. Erst neun Jahre später wurde die Leistung Persönliche Assistenz im „Social Service Act“ zum Gesetz. Zunächst wurde allerdings von den Gemeinden nur jenen Menschen Persönliche Assistenz genehmigt, die für fähig gehalten wurden, selbst die Assistenz anleiten und die fünf Kompetenzen entsprechend der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung umsetzen zu können. Aus diesem Grund wurden meist Menschen mit Lernschwierigkeiten von der Leistung der Persönlichen Assistenz ausgeschlossen. In einem neuen Gesetz im Jahr 2005 wurde auch diese Zielgruppe in die Leistung einbezogen, indem alle Menschen mit Behinderung unabhängig vom Alter und von Art und Schwere der Behinderung die Leistung beanspruchen können (vgl. ebd.). Allerdings entscheidet die Gemeinde, ob eine Person für Persönliche Assistenz geeignet ist und welche Assistenzform der Mensch mit Behinderung erhält, wodurch je nach Gemeinde große Unterschiede hinsichtlich der Zielgruppe entstehen können (vgl. Askheim 2008: o.S.). 2008 wurde ein Gesetz („White Paper“) erlassen, welches dem Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zuerkennt, selbst über die Assistenzform zu entscheiden (vgl. Expert Centre Independent Living 2009: 28).

Nach Angaben eines Experten der ULOBA[7] nehmen zu Jahresbeginn 2011 275 Menschen mit Lernschwierigkeiten Persönliche Assistenz in Anspruch, das entspricht 10% der AssistenznehmerInnen insgesamt.

Bis Mitte 2010 gab es in ganz Norwegen nur eine Assistenzgenossenschaft für alle Menschen mit Behinderung, worauf schließlich eine Assistenzgenossenschaft gegründet wurde, die Persönliche Assistenz ausschließlich für Menschen mit Lernschwierigkeiten anbietet: die JAG Norway. Die JAG Norway übernahm ihr gesamtes Konzept, mit nur einigen kleinen Unterschieden, von ihrem Partner, der JAG in Schweden. In einer norwegischen Studie aus dem Jahr 2003 wurde erhoben, dass sich sowohl Eltern als auch AssistentInnen darüber einig sind, Persönliche Assistenz könne die Selbstbestimmung und den Einfluss der Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrem bzw. auf ihren eigenen Alltag erhöhen (vgl. Askheim 2003: 329). Eine der größten Herausforderungen in der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten stellt – so eine Mitarbeiterin der JAG Norway – die Kompetenzentwicklung der AssistenznehmerInnen dar. Viele AssistenznehmerInnen entwickeln nur sehr langsam eine Anleitungskompetenz gegenüber ihren AssistentInnen. Meist übernehmen vor allem zu Beginn in der Assistenzbeziehung die Eltern die Rolle als ManagerInnen, um die AssistenznehmerInnen bei der Umsetzung ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen. Mit der Zeit wachsen die AssistenznehmerInnen in ihre Rolle hinein und lernen, die AssistentInnen nach ihren Wünschen und Bedürfnissen anzuleiten.[8]

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass bestimmte Kompetenzen wie die Finanzkompetenz und die Organisationskompetenz auch nach einer längeren „Eingewöhnungsphase“ von der Zielgruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten nur teilweise übernommen werden können. Obwohl die Assistenzgenossenschaft vor allem hinsichtlich der Finanzkompetenz Unterstützung bietet, wurde dennoch erkannt, dass ein Modell entwickelt werden muss, das die Persönliche Assistenz nicht im klassischen Sinne, sondern in einer eher pragmatischen Form verfolgt. Ein „pragmatisches PA -Modell“[9] beinhaltet vor allem eine andere Form des Rollenverständnisses der AssistentInnen sowie eine verstärkte Einbindung der Angehörigen. Zudem wurde das Modell auch um eine dritte Einflussgröße erweitert, einen “surrogate-decision-maker“. Der „surrogate-desicion-maker“ kann mit dem „service-guarantor“ in Schweden gleichgesetzt werden, welcher stellvertretend für die Menschen mit Lernschwierigkeiten in deren Interessen agiert. Auch im norwegischen Modell ist es Aufgabe des „surrogate-decision-maker“, die Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten zu fördern und vor allem zu Beginn als eine Art SupervisorIn in der Anleitung und Organisation der AssistentInnen unterstützend zur Seite zu stehen. Die JAG Norway sieht es als besonders wichtig an, den „surrogate-decision-maker“ zu schulen und unterschiedlichste Trainings anzubieten, damit dieser auch nach den Zielvorstellungen der Inklusion und Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten handelt.[10]

In der bundesweiten Studie von Ole Petter Askheim (2003) stellte sich die Stabilität in der Assistenzbeziehung als wichtiger Faktor im Prozess des Selbstständig-Werdens heraus. So ist es sehr wichtig, dass die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen in einem längeren Arbeitsverhältnis stehen, da oftmals die Kommunikationswege und das Wissen um die Artikulierungsform der eigenen Bedürfnisse viel Eingewöhnung erfordern und erst nach einiger Zeit die Unterstützung den individuellen Bedürfnissen entsprechend adäquat umgesetzt werden kann (vgl. Askheim 2003: 332f).

Das Rollenverständnis der AssistentInnen, die Menschen mit Lernschwierigkeiten assistieren, gestaltet sich sehr ambivalent, so eine Expertin der JAG Norway. Im Gegensatz zum klassischen Modell der Persönlichen Assistenz, in welchem sie nur den „ausführenden Part“, also die „rechte Hand“ darstellen, nehmen sie im „pragmatischen PA -Modell“ viel eher die Rolle einer Begleiterin bzw. eines Begleiters ein. Die AssistentInnen erleben es als schwierig, die Balance zu wahren zwischen der Verantwortung, der sie sich den AssistenznehmerInnen mit kognitiver Behinderung gegenübergestellt sehen, und ihrer Pflicht, die Selbstbestimmung und Eigenständigkeit der Menschen mit Lernschwierigkeiten sicher zu stellen. Gerade in Gefahrensituationen kann es besonders schwierig werden, die Rolle als AssistentIn bestmöglich umzusetzen. Es stellt sich die Frage, inwieweit die AssistentInnen pädagogische Verantwortung übernehmen sollen und inwieweit sie damit zugleich der Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen entgegenwirken. Aus diesem Grund wird vor allem der Dialog zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen als ein wichtiges Kriterium erachtet. Es muss viel Raum zum gegenseitigen Kennen-Lernen und Eingewöhnen gegeben werden. Hier kann nach dem Konzept der JAG Norway der “surrogate-decision-maker“ eine wichtige Funktion einnehmen, indem er/sie den AssistentInnen hilft, die Bedürfnisse der Menschen mit Lernschwierigkeiten richtig zu deuten.[11]

Obwohl auch Norwegen noch in den „Kinderschuhen“ bezüglich Persönlicher Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten steckt, konnten doch bereits wichtige Erfahrungen in Bezug auf die Umsetzung der Leistung für diesen Personenkreis gemacht werden. Zudem zeigt Norwegen mit einer kürzlich durchgeführten Studie auf, dass die Leistung der Persönlichen Assistenz auf Dauer für den Staat sozialökonomisch sinnvoll ist und Persönliche Assistenz ein hilfreiches Instrument darstellt, das Möglichkeiten für Beschäftigung und soziale Teilhabe eröffnet (vgl. BIZEPS 2010a: o.S.).

Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit sich das klassische Modell der Persönlichen Assistenz weiterentwickeln kann, um Menschen mit Lernschwierigkeiten größtmögliche Selbstbestimmung und Eigenständigkeit zuzusichern. Plädiert wird für ein „pragmatisches Modell“ der Persönlichen Assistenz, mit dem neue Möglichkeiten und Wege im Konzept der Persönlichen Assistenz gegangen werden können.

3.2.3. Deutschland

Menschen mit Behinderung haben in Deutschland seit 1. Jänner 2008 einen Rechtsanspruch auf die Leistungsform des Persönlichen Budgets (SGB IX , § 17) und damit auf eine selbstbestimmte Organisation aller Leistungen der gesellschaftlichen Teilhabe. Damit wurde ein grundlegender Wechsel in der Behindertenpolitik Deutschlands vollzogen. Das Persönliche Budget soll das Wunsch- und Wahlrecht aller Menschen mit Behinderung stärken, indem Menschen mit Behinderung anstelle von Dienst- und Sachleistungen monetäre Direktzahlungen erhalten und dadurch nach eigenen individuellen Vorstellungen Unterstützungsleistungen (z.B. Persönliche Assistenz) kaufen können. Ziel ist die Bezahlung aller benötigten Teilhabeleistungen, Fördermöglichkeiten, der Assistenz und Pflege (vgl. Yael-Elya, Zugriff 27.12.2010).

Im Zeitraum zwischen 1. Juli 2004 und 31. Dezember 2007 wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine bundesweite Erprobung des Persönlichen Budgets (PB) in acht ausgewählten Modellregionen durchgeführt und im Zuge einer wissenschaftlichen Begleitforschung evaluiert. Das PB ist allerdings nur eine zusätzliche Wahlmöglichkeit für Menschen mit Behinderung und löst die traditionelle Form der Sachleistung nicht vollständig ab. Die Höhe des PB hängt vom Hilfebedarf ab (vgl. ebd.). Die BudgetnehmerInnen als ArbeitgeberInnen müssen dabei über sämtliche Ausgaben monatlich Buch führen und diese belegen. Wer die organisatorische Arbeit nicht übernehmen will oder sich nicht in der Lage dazu sieht, kann dafür auch einen Hilfsdienst oder eine Assistenzgenossenschaft engagieren, welche dies übernehmen. Zudem gibt es die Möglichkeit einer Budgetassistenz, welche weiter unten genauer ausgeführt werden soll (vgl. Metzler et. al. 2007: 13f).

Die Leistungsform des Persönlichen Budgets können alle Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen unabhängig von der Art und der Schwere der Behinderung und auch unabhängig von der Art der benötigten Leistungen erhalten (vgl. BMAS 2009: 13). Zudem können Eltern für ihre minderjährigen Kinder mit Behinderung oder für von Behinderung bedrohte Kinder ein PB beantragen. Die größte Gruppe unter den BudgetnehmerInnen (siehe Abb. 4) sind laut den Ergebnissen der Begleitforschung 2007 Menschen mit vorrangig psychischen Erkrankungen (n=358), gefolgt von Menschen mit Lernschwierigkeiten (n=265) und körperlicher Behinderung (n=162).

Abbildung 4. BudgetnehmerInnen nach Behinderungsarten in Deutschland

Tortendiagramm mit den prozentualen Anteilen der
 BudgetnehmerInnen
                        nach Behinderungsarten: Psychische Erkrankung 42%;
 Körperliche
                        Behinderung 19%; Kognitive Behinderung 31%; Sonstige
 Behinderung
                        7%

(vgl. Metzler et. al. 2007: 82)

Mit Hilfe des PB kann Persönliche Assistenz eingekauft werden. Menschen mit Lernschwierigkeiten, die Persönliche Assistenz im Zuge des PB nutzen, setzen die Selbstbestimmung und Kompetenzen sehr unterschiedlich um. So benötigen einige AssistenznehmerInnen in vielen Bereichen dauerhafte Unterstützung bei der Budgetverwaltung und Anleitung der AssistentInnen, andere wiederum finden sich schneller in der Rolle als BudgetnehmerInnen wieder.[12]

Bisherige Projekte haben in Deutschland (beispielsweise PerLe) aufgezeigt, dass die Rollenübernahme der BudgetnehmerInnen vor allem dann nicht sofort gelingt, wenn diese zuvor in einem langen Betreuungsverhältnis gelebt haben. Es scheint einen deutlichen Zusammenhang zu geben zwischen Art und Dauer vorangegangenen Betreuungsverhältnis und der Kompetenzentwicklung als AssistenznehmerInnen. Die Kompetenzentwicklung zeigt sich als ein Prozess. Zu Beginn muss in einer Begleitung durch die AssistentInnen und Bezugspersonen noch zusammen erarbeitet werden, welche Ziele mit dem PB umgesetzt werden können. Je länger der Mensch mit Lernschwierigkeiten Persönliche Assistenz in Anspruch nimmt, desto mehr Kompetenzen kann er selbstständig ausführen. Mit Begleitung durch Assistenz sollen die Menschen mit Lernschwierigkeiten Schritt für Schritt befähigt werden, selbstbestimmt zu leben (vgl. ForseA 2010: 2f)

Es wird aber in der Praxis erkennbar, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten auch Hilfe benötigen, die nicht Persönliche Assistenz im klassischen Sinne bedeutet. Das Rollenverständnis der AssistentInnen zeigt sich als sehr ambivalent. Sie sind gleichzeitig empfehlende, vermittelnde und leistungserbringende Person. Die Erfahrungen aus einigen Projekten zeigten, dass meistens die AssistentInnen auch eine pädagogische, mitunter sogar eine therapeutische Funktion einnehmen, indem sie die AssistenznehmerInnen zur Selbstbestimmung begleiten. Dafür ist besonders eine reflexive Haltung der AssistentInnen nötig. AssistentInnen sehen es als ihre wichtigste Aufgabe an, sich von der Vorstellung einer umfassenden Betreuung zu verabschieden. Es geht nicht darum, die AssistenznehmerInnen nach eigenen Vorstellungen in einer „All-inclusive-Betreuung“ zu unterstützen, sondern genau dort assistierend zur Seite zu stehen, wo der Mensch mit Lernschwierigkeiten die Unterstützung haben will (vgl. Wacker/Wansing/Schäfers 2006). Ebenso wird bei der Antragsstellung und der Abrechnung des PB eine Unterstützung benötigt. Hierfür wurde ein Modell entwickelt, welches vor allem hinsichtlich der Finanz- und Organisationskompetenz Hilfestellung bieten soll: das Modell der Budgetassistenz.[13]

Die Budgetassistenz steht den BudgetnehmerInnen beratend zur Seite und begleitet nicht nur bis zur Budgetbewilligung, sie kann vielmehr je nach individuellem Bedürfnis der BudgetnehmerInnen auch begleitend zum Budgetbezug unterstützend bei der Verwaltung und Handhabung des Budgets zur Seite stehen (vgl. Metzler et. al. 2007: 165f).

Die AssistenznehmerInnen können die Budgetassistenz selbst auswählen. Das heißt, dass sowohl Familienmitglieder und Angehörige als auch Professionelle und persönliche AssistentInnen die Rolle des/der BudgetassistentIn übernehmen können. Die Budgetassistenz soll ebenso wie die AssistentInnen die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung fördern. Oft zeigt sich jedoch ein Konflikt durch die Unterstützung und Mitwirkung als dritte Person in der herkömmlichen Assistenzbeziehung. Indem die Budgetassistenz die Finanzkompetenz und die Organisationskompetenz begleitend unterstützt, kann es teilweise schwer fallen, sich von anderen Entscheidungen, die den Alltag der AssistenznehmerInnen betreffen, abzugrenzen. Aus diesem Grund werden viele Schulungen zu Themenbereichen wie Aufgaben, Konfliktfelder, Abgrenzung, Selbstbestimmung zulassen und fördern etc. angeboten. Zudem gibt es die Möglichkeit einer Ausbildung zum/zur BudgetberaterIn. Diese ist jedoch nicht verpflichtend.[14] Die Finanzierung der Budgetassistenz ist allerdings nicht durch einen eigens dafür vorgesehenen Budgetposten gesichert, d.h. es werden keine zusätzlichen Gelder für diese Leistung zur Verfügung gestellt. So müssen die Menschen mit Behinderung aus eigenen „Budgetresten“ die Budgetassistenz finanzieren (vgl. ebd.). Teilweise können auch über Modellprojekte BudgetassistentInnen einer Institution finanziert werden. Diese Projekte haben jedoch meist eine begrenzte Laufzeit, wodurch das Angebot der BudgetassistentInnen nicht auf Dauer gesichert werden kann.[15]

3.2.4. Österreich

Wie bereits dargestellt, ist je nach Organisation und Bundesland die Zielgruppe der Persönlichen Assistenz ganz unterschiedlich. Menschen mit Lernschwierigkeiten haben keinen Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz. BIZEPS führte 2010 eine Umfrage durch, welche Bundesländer Persönliche Assistenz für welche Zielgruppe und in welcher Form anbieten (vgl. BIZEPS 2010b: o. S.). „Die Frage nach der Anspruchsberechtigung wird recht unterschiedlich beantwortet. Mehrheitlich geforderte Voraussetzungen sind die Volljährigkeit, der Bezug von Pflegegeld, die Führung eines eigenen Haushalts, eine Körper- oder Sinnesbehinderung. Von der Leistung ausgeschlossen sind Menschen mit einer Lernbehinderung[16] oder solche mit einer psychischen Behinderung“ (ebd.). Ausnahme bildet laut der Umfrage von BIZEPS jedoch Vorarlberg, wo explizit Assistenz auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten angeboten wird.

Die VAG – Vorarlberger Assistenz Gemeinschaft ist ein Projekt des Vereins „Reiz – Selbstbestimmt Leben in Vorarlberg“ und bietet Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderung unabhängig vom Alter an (vgl. VAG Homepage, Zugriff 4.5.2011). Die Assistenzleistungen umfassen Begleitung bei Freizeitaktivitäten, Hilfestellung beim An- und Ausziehen, Unterstützung im Haushalt und bei weiteren individuellen personenbezogenen Bedürfnissen. Die persönlichen AssistentInnen benötigen keine Ausbildung, werden aber von der VAG begleitet und geschult. Ziel der VAG war es, ein Angebot zu schaffen, welches den Menschen mit Behinderung ermöglicht, ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung zu führen, abseits von Einrichtungen. Die AssistenznehmerInnen erhalten die Möglichkeit, an Grundkursen zu „Mein Leben mit Persönlicher Assistenz“ teilzunehmen (vgl. ebd.). Derzeit nehmen allerdings nur insgesamt sieben Personen mit Lernschwierigkeiten Persönliche Assistenz in Anspruch[17].

Neben der VAG existiert aber auch in Wien ein Verein, der explizit Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten anbietet: der Verein GIN – Gemeinwesenintegration und Normalisierung. Assistenz und Begleitung für Menschen mit intellektueller und mehrfacher Behinderung. Durch das Konzept der Persönlichen Assistenz soll Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder Mehrfachbehinderung über 18 Jahre und mit Wohnsitz in Wien ermöglicht werden, selbstbestimmt und eigenverantwortlich in einer eigenen oder vom Verein angemieteten Wohnung zu leben. Das Leistungsangebot reicht von Tätigkeiten im Haushaltbereich, Unterstützung bei der Körperhygiene, bei finanziellen Angelegenheiten, bei der Planung der Tagesstruktur und von Freizeitaktivitäten, beim Aufbau von Sozialkontakten bis hin zum Angebot, als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen (vgl. GIN Homepage, Zugriff 4.5.2011). GIN versucht, sehr individuell und flexibel auf die AssistenznehmerInnen einzugehen. Dadurch verlangt ihre Arbeit „(…) je nach den Bedürfnissen, manchmal die Qualität der Betreuung, im Sinn von klaren pädagogischen Vorgaben und manchmal die Qualität der Assistenz, im Sinn von Beratung in Alltagsfragen“ (GIN Homepage, Zugriff 4.5.2011). Die individuellen Wünsche und Bedürfnisse werden in einem Aufnahmegespräch erarbeitet und immer wieder durch regelmäßige Teamsitzungen mit den AssistenznehmerInnen, den AssistentInnen und der Teamleitung aktualisiert. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Leistung ist eine Antragstellung auf „ambulante Begleitung“ beim "Fonds Soziales Wien" (FSW). Bei positivem Bescheid wird gemeinsam mit GIN eine Vereinbarung über Art, Dauer und Umfang der Persönlichen Assistenz festgelegt. Kostenträger ist der FSW, GIN hebt zur Abdeckung zusätzlicher Kosten einen Förderbeitrag von bis zu 70% des Auszahlungsbetrags des Pflegegeldes ein (vgl. GIN Homepage, Zugriff 4.5.2011).

Obwohl Salzburg das Schlusslicht bezüglich des Angebots Persönliche Assistenz bildet (vgl. BIZEPS 2010b: o.S), wurde 2009 ein Pilotprojekt gestartet, welches Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten in der eigenen Wohnung anbietet: "Assistiertes Wohnen in Salzburg". Das Projekt umfasst Persönliche Assistenz nicht nur im Haushalt, sondern auch in der Freizeit und beim Knüpfen sozialer Kontakte. Das Projekt wurde für den empirischen Teil dieser Arbeit herangezogen und wird daher noch detaillierter vorgestellt und erörtert.

Die Länderbeispiele verdeutlichen, dass die konkrete Umsetzung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten zwischen und teilweise auch innerhalb der ausgewählten Länder sehr unterschiedlich ist. Allen gemeinsam ist aber, dass in jedem Land das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen thematisiert oder auch problematisiert wird. In Schweden beispielsweise wurde festgestellt, dass die Rollenübernahme der Menschen mit Lernschwierigkeiten als AssistenznehmerInnen einen Prozess darstellt, in welchem die Unterstützung der AssistentInnen und „service guarantors“ eine wichtige Funktion einnimmt. Dabei birgt die Gestaltung der Beziehung und Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Beteiligten teilweise auch ein Konfliktpotenzial. Norwegen machte die Erfahrung, dass die Stabilität in der Assistenzbeziehung einen wichtigen Faktor im Prozess des Selbstständig-Werdens darstellt. In einem „pragmatischen Modell“ der Persönlichen Assistenz nehmen die AssistentInnen viel eher die Rolle einer Begleiterin bzw. eines Begleiters ein. Es stellte sich die Frage, inwieweit die AssistentInnen pädagogische Verantwortung übernehmen sollen und inwieweit sie damit zugleich der Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen entgegenwirken. Auch in Deutschland wird in der Praxis erkennbar, dass Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht im klassischen Sinne umgesetzt wird, sondern die AssistentInnen auch eine pädagogische, mitunter sogar eine therapeutische Funktion einnehmen, indem sie die AssistenznehmerInnen zur Selbstbestimmung begleiten. Und auch GIN in Österreich, mit bisher sehr spärlicher Erfahrung, konstatiert, dass teilweise eine Form der pädagogischen Betreuung und teilweise eine Form der beratenden Assistenz notwendig erscheint, um den individuellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

Auf welche Grundlage sollten sich nun aber überhaupt die Beziehung und das Rollenverständnis in der Persönlichen Assistenz stützen, um eine Selbstbestimmung zu ermöglichen? Ein Einblick gelingt mit den Disability Studies.



[4] Alle Ausführungen wurden in teilweise leicht abgewandelter und verkürzter Form der von mir verfassten und unveröffentlichten Good-Practice-Studie, unter der Leitung von Frau Mag.a Mayerhofer, übernommen, welche im Rahmen der Begleitforschung des Pilotprojekts „Assistiertes Wohnen in Salzburg“ durchgeführt wurde (vgl. Schachner/Mayerhofer 2011).

[5] Bei den ambulanten Diensten der Gemeinden (48,6%), den privaten, profitorientierten Firmen (37,7%) oder bei AssistenznehmerInnengenossenschaften (STIL, JAG) (10,8%). Die Assistenz kann auch im ArbeitgeberInnen-Modell organisiert werden (2,8%) (vgl. Westberg 2010: 10).

[6] Telefonat mit der JAG Schweden (18.01.2011)

[7] E-Mail Auskunft eines Experten der ULOBA, 22.01.2011

[8] Telefonat mit der JAG Norway, 18.01.2011

[9] E-Mail Auskunft eines Experten der ULOBA, 10.01.2011

[10] Telefonat mit der JAG Norway 18.01.2011

[11] Telefonat mit der JAG Norway 18.01.2011

[12] Telefonat mit einem Experten der Bundesvereinigung Lebenshilfe (17.01.2011)

[13] Telefonat mit einem Experten der Bundesvereinigung Lebenshilfe (17.01.2011)

[14] Telefonat mit einem Experten der Bundesvereinigung Lebenshilfe (17.01.2011)

[15] Telefonat mit einem Experten der Bundesvereinigung Lebenshilfe (17.01.2011)

[16] BIZEPS verwendet missverständlich den Begriff der Lernbehinderung, welcher in diesem Kontext jedoch Personen mit Lernschwierigkeiten bedeuten sollte.

[17] Mailauskunft ExpertIn der VAG: 12.12.2011

4. Das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen

Das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn spielt in der Diskussion um Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Menschen mit Lernschwierigkeiten durch Modelle der Persönlichen Assistenz eine wichtige Rolle. Mit Hilfe der Disability Studies lässt sich erkennen, weshalb gerade das Beziehungsverhältnis von solcher Relevanz für die Selbstbestimmung und das Modell der Persönlichen Assistenz ist (siehe Kapitel 4.1). Nachfolgend werden theoretische Modelle von Persönlicher Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten der Primärwissenschaft Sonder- und Heilpädagogik diskutiert, welche das Beziehungsverhältnis neu gestalten und konstruieren, damit eine Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten gelingen kann (siehe Kapitel 4.2).

4.1. Eine Machtumkehr im Beziehungsverhältnis

Im Rahmen der Disability Studies bearbeiten viele VertreterInnen Machtfragen und vorherrschende Machtkonzepte in der Behindertenhilfe. Unter Bezugnahme auf Foucault wird Macht als eine "(neo-)liberale Regierung in weitesten Sinne" (Waldschmidt 2007: 70) verstanden: nicht nur als eine Regulierung und Führung des Staates, sondern auch von Subjekten und deren sozialem Verhalten. Innerhalb der Disability Studies wird Macht unter anderem als „Unterdrückungsapparatur, deren Handhabe sich in Besitz einer externen Autorität befindet und mittels derer über andere regiert wird“ (ebd.) beschrieben. Diese Macht wirkt sich nicht nur auf Ebenen politischer Souveränität, innerhalb sozialer Institutionen der Behindertenhilfe, sondern auch auf der Ebene der Selbstverhältnisse und interpersonaler Beziehungen aus (vgl. ebd.: 70f).

Das Modell der Persönlichen Assistenz kann der klassischen Machtlosigkeit auf Ebene der `totalen Institutionen´ der Behindertenhilfe und der fremdbestimmenden Fachlichkeit auf Ebene interpersonaler Beziehung entgegenwirken und schließlich dazu führen, dass Menschen mit Behinderung weitgehende Kontrolle über sich selbst erhalten. Durch diese Abkehr von bisherigen Machtstrukturen verändern sich auch die Beziehungsverhältnisse hilfeempfangender und hilfegebender Person deutlich (vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007: 225).

„Bei dem Modell der Persönlichen Assistenz handelt es sich um ein Unterstützungskonzept, das sich explizit gegen diese in der traditionellen Behindertenhilfe erfahrene Ohnmacht, Entmündigung und Fremdbestimmung behinderter Menschen durch professionelle Pflegekräfte richtet. Insofern ist mit seiner Konzeption die Hoffnung auf eine radikale Veränderung bisher üblicher Interaktions- und Machtstrukturen zwischen Hilfeempfangenden und der Hilfe leistenden Person verbunden“ (Altenschmidt/Kotsch 2007: 228).

Hier nimmt, so wird im Zitat deutlich, das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn eine zentrale Rolle ein, da es ein Abhängigkeitsverhältnis regelt. Auf Grundlage der fünf Kompetenzen kann der Mensch mit Behinderung durch das Konzept der Persönlichen Assistenz den herkömmlichen Machtstrukturen in professionellen Hilfebeziehungen entgegenwirken und als ArbeitgeberIn die „Machtmittel in den Händen tragen, eine Möglichkeit, im Zweifelsfall ihren Willen gegenüber der Assistentin durchzusetzen bzw. bevormundende und unerwünschte Verhaltensweisen von deren Seite zu unterbinden“ (vgl. ebd.: 231). Durch die Umkehr der Machtverhältnisse sollen Menschen mit Behinderung ihr Leben selbst bestimmen.

Altenschmidt und Kotsch, beide VertreterInnen der Disability Studies, heben in ihrer Analyse der Interaktionsstruktur zwischen der Person mit körperlicher Behinderung und ihrer Assistenz sehr treffend hervor, weshalb gerade das Beziehungsverhältnis – aus Blickwinkel der Disability Studies – für die Umsetzung der Selbstbestimmung durch das Modell der Persönlichen Assistenz wichtig ist:

„Allgemeiner betrachtet verweist der Begriff der Selbstbestimmung auf die prinzipielle Bezogenheit des Menschen auf den anderen, gerade indem er die Unterscheidung von diesem anderen in den Vordergrund stellt, denn ein Selbst kann nur in Abgrenzung zu diesem existieren. Auch Selbstbestimmung kann demzufolge erst in sozialen Interaktionen Realität erlangen“ (Altenschmidt/Kotsch 2007: 233, Hervorhebung im Original).

Selbstbestimmung ist damit – wie Behinderung – ein gesellschaftliches Konstrukt, wird von VertreterInnen der Disability Studies hervorgehoben (vgl. Waldschmidt 2007; vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007). Daher ist es wichtig, den Blick auf das Beziehungsverhältnis und das darin liegende Abhängigkeitsverhältnis der AssistenznehmerInnen und AssistentInnen zu legen, da darin die Selbstbestimmung konstruiert und ausgehandelt wird.

Diese Machtumkehr im Beziehungsverhältnis ist vor allem im Kontext der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten ein entscheidender und zu diskutierender Faktor, da diese die fünf Kompetenzen nicht in der vorgegebenen Form selbstständig ausführen können. Altenschmidt und Kotsch verweisen darauf, dass der Begriff der Selbstbestimmung jedoch nicht auf die Fähigkeit verweisen soll, die Kompetenzen selbst auszuführen, sondern dass die AssistenznehmerInnen selbstbestimmt entscheiden, wie etwas umgesetzt werden soll. Das bedeutet keine absolute Unabhängigkeit von anderen Menschen, sondern selbst das eigene Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten (vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007: 232). Es stellt sich nun aber die Frage, wie sich im Kontext der Menschen mit Lernschwierigkeiten durch eine Adaptierung des Konzepts der Persönlichen Assistenz das Beziehungsverhältnis gestalten und wie darin konkret eine Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten konstruiert und umgesetzt werden kann. Hierfür lassen sich innerhalb der Disability Studies keine Theorien und empirischen Studien finden. Folgend werden daher einige theoretische Konzepte der Sonder- und Heilpädagogik vorgestellt, welche mit unterschiedlichen Ansprüchen eine Antwort auf die Frage zu finden suchen.

4.2. Möglichkeiten der Selbstbestimmung durch konzeptionelle Adaptierung des Modells und veränderte Beziehungsstrukturen

Einige VertreterInnen der Sonder- und Heilpädagogik und Rehabilitation setzten sich in den letzten Jahren theoretisch mit neuen Beziehungsstrukturen im Modell der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinander. Das Beziehungsverhältnis wird, so Niehoff, durch Inhalte der persönlichen Nähe und emotionale Zuwendung zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen begründet. Damit sollte sich das Assistenzmodell also dahingehend verändern, dass neue Strukturen für die Beziehung zwischen der Person mit Lernschwierigkeiten und ihrer Assistenz geschaffen werden, welche aber die Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten bewahren (vgl. Niehoff 2009: 55).

Folgend werden theoretische Konzepte der Persönlichen Assistenz beschrieben, welche neue Strukturen in der Beziehung und Möglichkeiten der Selbstbestimmung schaffen. Die sonder- und heilpädagogischen Konzepte bieten insofern einen Anknüpfungspunkt an die Disability Studies, weil sie einen ähnlichen Blick, wenn auch mit unterschiedlicher Zielvorstellung, auf Behinderung und Selbstbestimmung einnehmen. Die Sonder- und Heilpädagogen und ihre Konzepte, die nun vorgestellt werden sollen, sind Vertreter eines sozialen Modells von Behinderung. Ihr Blick differiert jedoch insoweit von den Disability Studies, indem sie Selbstbestimmung als ein anthropologisches Grundprinzip verstehen und sich vor allem mit der Frage auseinandersetzen, wie sich pädagogisches Handeln gestalten müsse, damit eine Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht verhindert wird. Ähnlich wie bei den Disability Studies ist es diesen Vertretern der Sonder- und Heilpädagogik aber wichtig, den Blick auf das Beziehungsverhältnis als zentralen Ausgangspunkt bezüglich einer Adaptierung des Modells zu legen. Auch sie richten ihr Augenmerk auf das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen als wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Selbstbestimmung und sind daher wichtige Bezugspunkte zur (De-)Konstruktion von Selbstbestimmung im Beziehungsverhältnis und damit der folgenden empirischen Studie.

4.2.1. Advokatorische Assistenz nach Georg Feuser

Feuser (2006) plädiert für den Begriff der Advokatorischen Assistenz, die sich nach Langner wie folgt beschreiben lässt: „Das Ziel der Advokatorischen Assistenz ist es, die Inanspruchnahme einer Assistenz nicht durch den Fakt der 'Selbständigkeit', sondern durch den Fakt der 'Zuständigkeit' zu bestimmen“ (Langner 2009: 3). Assistenz bestimmt sich nach Feuser aus "Beziehungs- und Kooperationsverhältnissen" zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn in einem solidarischen Prozess, wird aber durch die betroffene Person selbst gesteuert. Das Beziehungsverhältnis reguliert die Persönliche Assistenz und ermöglicht Selbstbestimmung. In diesem Konzept wird Selbstbestimmung nicht durch ´Selbstständigkeit`, sondern durch `Zuständigkeit` erreicht. Das bedeutet, dass es nicht darum geht, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten die fünf Kompetenzen selbstständig ausführen. Selbstbestimmung wird nicht negiert, wenn die Zuständigkeit nicht eigenständig verwirklicht werden kann (vgl. Steiner 1999 in Feuser 2006: 4). Das heißt, Selbstbestimmung kann auch dann erreicht werden, wenn Menschen mit Lernschwierigkeiten für Entscheidungen zwar selbst zuständig sind, diese aber nicht ohne Unterstützung treffen und ausführen können. Damit gestaltet sich die Beziehung zwischen AssistenznehmerIn und Assistentin so, dass die AssistentInnen Vorschläge machen und Wahlmöglichkeiten sowie Handlungsalternativen aufzeigen können, die Entscheidung liegt jedoch bei den Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst (vgl. Feuser 2006: 4ff). So sieht Feuser das advokatorische Handeln als "(...) ein Handeln, das Menschen Möglichkeiten schaffen soll, alternativ handeln zu können, ohne zu bestimmen, wie sie zukünftig zu handeln haben, wenn sie dazu befähigt sind" (ebd.: 11). Advokatorisches Assistieren liegt hier inmitten eines Spannungsbogens zwischen Assistenz im herkömmlichen Sinne und Anwaltschaft. Um im Sinne der Selbstbestimmung advokatorisch zu handeln, werden daher nicht nur eine "fundierte Kenntnis und Analyse der Lebensgeschichte des Assistenznehmers/der Asisstenznehmerin" gefordert, sondern auch besondere "spezifische fachliche Qualifikationen" und Kompetenzen der Assistentin/des Assistenten (vgl. Feuser 2006: 5; Langner 2009: 3).

Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, wie sich die spezifischen fachlichen Qualifikationen gestalten sollten, nach welchen Maximen AssistentInnen handeln müssen und welche Kompetenzen auch auf Seiten der AssistentInnen konkret erforderlich sind, ohne dabei die Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten zu gefährden beziehungsweise einzuschränken. Hierfür finden sich zu diesem Konzept weder in der Praxis noch in der Theorie genauere Ausführungen und Erkenntnisse. Kritisch anzumerken ist weiters, dass durch die Bezugnahme auf spezifische fachliche Qualifikationen der AssistentInnen wieder ein Machtgefälle konstruiert werden könnte, indem durch wissenschaftliches ExpertInnenwissen über Menschen mit Lernschwierigkeiten und ihre Unterstützungsstrukturen bestimmt wird, anstatt Menschen mit Lernschwierigkeiten als ExpertInnen ihrer Selbst zu sehen.

4.2.2. Assistenzformen nach Georg Theunissen

Nach Theunissen ist die Beziehung zwischen AssistenznehmerInnen mit Lernschwierigkeiten und AssistentInnen eine andere als in dem herkömmlichen Assistenzmodell für Menschen mit körperlicher Behinderung und Sinnesbeeinträchtigung (vgl. Theunissen 2005: 118). So sieht Theunissen in einer einseitigen Auslegung des Selbstbestimmungsbegriffs als „individuelle Freiheitskategorie“ die Gefahr, dass dieser zu einer "Laisser-faire-Praxis" führt, indem die Fähigkeit der Eigenverantwortung und Selbstständigkeit überschätzt wird (ebd.). "Insofern darf die Verabschiedung von der `fürsorglichen Belagerung´ (Keupp) oder - mit Blick auf Menschen mit geistiger Behinderung - von der Vorstellung der `lebenslangen Hilfe´ zugunsten einer `offenen Entwicklungsperspektive´ nicht als ein Verzicht auf Unterstützung missverstanden werden" (ebd., Hervorhebung im Original). Damit benennt Theunissen acht Assistenzkonzepte für Menschen mit Behinderung, welche je unterschiedliche Assistenzrollen und Beziehungen verlangen und eine "neue Kultur des Helfens" (Theunissen 2002: 54) beschreiben:

  • Praktische Assistenz: Diese Form der Assistenz umfasst vor allem personenbezogene Dienstleistungen zur Alltagsbewältigung (wie beispielsweise Unterstützung im Haushalt und bei der Pflege) und wird vor allem von Menschen mit körperlicher Behinderung und Sinnesbehinderung eingefordert (vgl. Theunissen 2005: 118).

  • Dialogische Assistenz: Dialogische Assistenz versucht, das Grundbedürfnis der Menschen mit Behinderung nach zwischenmenschlicher Beziehung, sozialer Kommunikation, Zuwendung und Anerkennung zu befriedigen. Dabei soll das dialogische Verhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn möglichst symmetrisch sein. In der Arbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten sieht Theunissen jedoch Probleme, diese Symmetrie aufrecht zu erhalten, da diese Menschen Schwierigkeiten hätten, ihre Lebenssituation zu überschauen und zu reflektieren, wodurch eine Gegenseitigkeit in der Beziehung erschwert werden würde (vgl. ebd.: 118f).

  • Advokatorische Assistenz: Bei dieser Form gilt es für den/die AssistentIn, stellvertretend für den Menschen mit Lernschwierigkeiten Entscheidungen zu treffen, Handlungen zu planen und durchzuführen. Die AssistentInnen übernehmen hierbei die Funktion eines/einer Fürsprechers/Fürsprecherin und sollten versuchen, die individuellen Interessen und Wünsche unter Rücksichtnahme der Lebensentwürfe der Betroffenen zu vertreten (vgl. ebd.: 119).

  • Sozialintegrierende Assistenz: Die Aufgabe dieser Assistenzform ist es, den Menschen mit Lernschwierigkeiten das Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt zu vermitteln sowie soziale und kommunikative Kompetenzen zu fördern (beispielsweise durch Assistenz in der Freizeit und Bildung) mit dem Ziel gesellschaftlicher Partizipation (vgl. ebd.).

  • Konsultative Assistenz: Ziel der konsultativen Assistenz ist eine gemeinsame Beratung in schwierigen Lebenssituationen, bei psycho-sozialen Problemen, Konflikten, sowie Unterstützung bei individuellen Zukunftsplänen und Lebenszielen. Durch diese Form der Assistenz sollen Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer Rolle als AssistenznehmerInnen durch einen Dialog gestärkt und zu freier Entscheidungsäußerung befähigt werden (vgl. Theunissen 2005: 119; Theunissen 2002: 54).

  • Facilitatorische Assistenz: Durch subjektzentrierte Förderung auf Basis "offener Curricula" sollen Menschen mit Lernschwierigkeiten in "pädagogischen Arrangements" zu "signifikantem Lernen" herangeführt werden (Theunissen 2005: 120).

  • Lernzielorientierte Assistenz: Im Gegensatz zur facilitatorischen Assistenz versucht die lernzielorientierte Assistenz, didaktisch-strukturierte und systematische Lernhilfen den Menschen mit Lernschwierigkeiten anzubieten, wenn diese ein spezifisches Lernbedürfnis auch selbst äußern. Dies umfasst beispielsweise lebenspraktische und hauswirtschaftliche Lernziele wie Umgang mit Geld, selbst einkaufen gehen, sich im Verkehr zurecht zu finden, aber auch sozial-kommunikative Lernziele (vgl. ebd.)

  • Intervenierende Assistenz: Obwohl assistierende Hilfen die Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten ermöglichen sollen, sieht Theunissen gerade bei jener Zielgruppe den Bedarf, in Krisensituationen der Selbst- oder Fremdgefährdung zu intervenieren. Unter intervenierender Assistenz versteht er "(...) eine persönliche Hilfe im (sic!) Form einer `vermittelnden Unterstützung´ (...), die über ein bloßes `Eingreifen´ oder `Dazwischentreten´ hinausgeht, insofern sie sich am Autonomiebedürfnis des Betroffenen orientiert und das (dialogische) Vertrauensverhältnis, welches eine Assistenz fühlbar durchdringt, nicht leichtfertig aufs Spiel setzt" (ebd.: 121).

Diese acht Assistenzformen sind laut Theunissen nicht isoliert zu betrachten und dürfen nur in ihrer interdependenten Verknüpfung angewendet werden (vgl. ebd.: 122).

Seine Perspektive folgt dabei vorwiegend einer Verbesserung des UnterstützerInnensystems und einer (Um-)Benennung der Aufgaben in der professionellen Arbeit und richtet sich damit mehr nach pädagogischen Handlungen seitens der unterstützenden Personen als die Rolle der Menschen mit Lernschwierigkeiten und deren Realisierungsmöglichkeiten der Selbstbestimmung in den Blick zu nehmen. Die Assistenzformen betonen die Notwendigkeit, die Individualität der Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht aus dem Blick zu verlieren. Damit geht gleichzeitig einher, dass durch die Bedeutungsausweitung des Begriffs der Assistenz ihr Spezifisches verloren geht. Wie gestaltet sich die konkrete Beziehung in den Assistenzformen und wie wird darin Selbstbestimmung konstruiert? Wo liegen die spezifischen und individuellen Grenzen zwischen Interventionen durch die AssistentInnen und Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen? Und was bedeutet Selbstbestimmung dann konkret im Kontext der Assistenzformen? Hierfür lassen sich keine deutlichen Antworten in der verwendeten Literatur finden.

Ein theoretisches und analytisches Modell, welches Selbstbestimmung an sich klarer definiert, um schließlich zu diskutieren, wie sich darauf aufbauend das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen gestalten könnte, ist jenes nach Helmut Walther.

4.2.3. Selbstbestimmung als Dreischritt nach Helmut Walther

Walther zufolge kann die Selbstbestimmung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten hinsichtlich dreier Aspekte analysiert werden, nämlich der Selbstverantwortung, der Selbstleitung und der Selbstständigkeit. Selbstbestimmung liegt bei jedem Menschen dem Wollen (Selbstverantwortung), dem Wissen und Entscheiden (Selbstleitung) und dem Können und Tun (Selbstständigkeit) zugrunde. Im Gegensatz zu den Disability Studies beschreibt er Selbstbestimmung als anthropologischen Dreischritt (vgl. Walther 2009: 81). Aber auch in diesem Konzept wird unschwer deutlich, dass diese drei Aspekte von Selbstbestimmung in einer Beziehung ausgehandelt werden. Somit werden auch Selbstverantwortung, Selbstleitung und Selbstständigkeit in einer Beziehung konstruiert. Walther sieht zwar die drei Aspekte der Selbstbestimmung als anthropologisch begründet, gleichzeitig jedoch verdeutlicht er, dass erst durch ein bestimmtes Beziehungsverhältnis die Selbstbestimmung für alle Menschen umsetzbar wird. Selbstbestimmung verlangt somit, wie es auch VertreterInnen der Disability Studies hervorheben, immer auch ein Gegenüber (vgl. Altenschmidt/ Kotsch 2007: 233). Um eine Selbstbestimmung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten zu ermöglichen, muss - so Walther - eine Tätigkeit der Begleitung ergänzt werden, welche die Selbstverantwortung stützt und akzeptiert, die Selbstleitung durch Informationsweitergabe erhöht und Selbstständigkeit unterstützt, indem sie die Handlungen der Menschen mit Lernschwierigkeiten stellvertretend ausführt (siehe Abb. 5) (vgl. Walther 2009: 86f). Hier grenzt er sich deutlich von der Konzeption der klassischen persönlichen Assistenz ab.

Selbstbestimmung

Tätigkeit der Person

Tätigkeit der Begleitung

Selbstverantwortung

Wollen, Verantworten, Sich-Wählen, Verantwortung delegieren

Nicht ungefragt einmischen, Verstehen und Akzeptieren, Ermutigen

Selbstleitung

Wissen, Entscheiden/Auswählen, Fragen

Information geben, beim Lernen der Selbstleitung helfen

Selbstständigkeit

Können, Handeln/Tun, Unterstützung anfordern

Unterstützen (stellvertretend ausführen), beim Üben der Selbstständigkeit helfen

(vgl. Walther 2009: 86)

Menschen mit Behinderung könnten in neuen Beziehungskonzepten eine Rolle einnehmen, in der sie selbst Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen, Verantwortung an andere delegieren, selbst über ihre Lebensbelange entscheiden, zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auswählen sowie Unterstützung beim Handeln erhalten. Die Rolle der BegleiterInnen ist es dabei, sich selbst zurück zu nehmen, aber sehr wohl die Menschen mit Lernschwierigkeiten zu ermutigen, ihnen Auswahlmöglichkeiten zu schaffen und damit beim Lernen von neuem Wissen zu begleiten sowie stellvertretend zu handeln und ein Üben der Selbstständigkeit zu unterstützen (vgl. ebd.: 86ff).

Durch diese Form der Begleitung entsteht ein anderes Beziehungsverhältnis zwischen hilfeempfangender und hilfegebender Person. Für eine Adaptierung des Konzepts der Persönlichen Assistenz kann das Modell von Walther Anhaltspunkte liefern. Beispielsweise könnte die persönliche AssistentIn nicht mehr nur als „rechte Hand“ gelten, sondern als BegleiterIn bei der Umsetzung der fünf Kompetenzen, welche berät und ermutigt, selbstbestimmt zu leben. Walther legt mit seinem Konzept einen möglichen Leitfaden vor, wie sich die Beziehung gestalten kann, damit Selbstbestimmung auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten kein leeres Wort ohne Inhalt bleibt, nämlich weg von dem Gedanken vom reinen Wissen und Können hin zum Wollen einer Person und damit selbstverantwortlich für den eigenen Alltag sein zu dürfen. Dieses Konzept ist, so schreibt Walther selbst, bisher nur ein Entwurf, welcher die Diskussion um Selbstbestimmung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten voranbringen soll (vgl. ebd.: 88).

5. Erste Schlussfolgerungen für eine empirische Auseinandersetzung

Bisher wurde der Themenkreis der Persönlichen Assistenz unter Berücksichtigung von Lernschwierigkeiten und die daran anknüpfende Frage nach dem Beziehungsverhältnis in den Disability Studies und in der Sonder- und Heilpädagogik wohl theoretisch diskutiert, eine empirische Auseinandersetzung scheint es bisher aber nicht zu geben. Unter dem Blickwinkel der Disability Studies wurde in den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit deutlich, dass es sinnvoll ist, Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten anzubieten, damit diese nicht von dem individuellen Unterstützungssystem der Persönlichen Assistenz mit der Zielsetzung der Selbstbestimmung ausgegrenzt werden. Damit darf aber gleichzeitig ein bestehendes Modell nicht einfach für eine ganze Personengruppe unkritisch übernommen werden, sondern verlangt eine Dekonstruktion und Veränderung des klassischen Konzepts und dessen Beziehungsstrukturen.

Für die Praxis stellt sich damit die Frage, wie sich nun das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen in der Umsetzung für Menschen mit Lernschwierigkeiten gestalten kann, damit Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens auch für diese Zielgruppe eröffnet werden. Ebenso stellt sich die Frage, wie im Alltag der Persönlichen Assistenz der Anspruch auf Selbstbestimmung umgesetzt und in der Beziehung zwischen Menschen mit Lernschwierigkeiten und deren AssistentInnen konstruiert wird.

Es lassen sich hauptsächlich Forschungsarbeiten im deutschsprachigen Raum im Zusammenhang mit Persönlicher Assistenz für die Zielgruppe der Menschen mit sensorischer oder körperlicher Behinderung sowie der Interaktion zwischen jenem Personenkreis und der Assistenz finden (vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007), nicht aber für die Zielgruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die Länderbeispiele haben aufgezeigt, dass sich das Beziehungsverhältnis bei der Umsetzung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten etwas anders gestaltet. Empirische Auseinandersetzungen mit dem Beziehungsverhältnis zwischen Menschen mit Lernschwierigkeiten und ihren persönlichen AssistentInnen finden sich jedoch kaum im europäischen Raum. Vor allem die Umsetzung und Konstruktion der Selbstbestimmung scheinen eine Forschungslücke darzustellen. Gerade in Österreich, wo bislang Assistenz bis auf einige Ausnahmen nur Menschen mit einer sensorischen und körperlichen Behinderung ermöglicht wurde, trifft meine nun folgende empirische Auseinandersetzung auf Neuland. Es liegt in Österreich noch keine Analyse der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten sowie des Beziehungsverhältnisses und der darin liegenden Umsetzung von Selbstbestimmung vor.

6. Forschungsfrage

Nach theoretischer Auseinandersetzung mit dem Thema „Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten“ widmet sich der empirische Teil der vorliegenden Arbeit nun der praktischen Umsetzung der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Bisher waren – von einigen wenigen Fällen abgesehen – Menschen mit körperlicher oder sensorischer Behinderung die Zielgruppe für Persönliche Assistenz in Österreich (siehe Kap. 3.2.4). Im Herbst 2009 wurde im Bundesland Salzburg ein Pilotprojekt initiiert, welches erste Erfahrungen zur Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten sammelte, mit dem Ziel, die Dienstleistung dauerhaft zu implementieren. Auf Grundlage des Projekts setzen sich alle weiteren Ausführungen mit folgenden Forschungsfragen nun auch empirisch auseinander:

  • Inwieweit eröffnet das Konzept der Persönlichen Assistenz auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten neue Möglichkeiten zu einem selbstbestimmteren Leben?

  • Wie kann oder soll sich das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn gestalten, damit eine Selbstbestimmung für Menschen mit Lernschwierigkeiten ermöglicht wird?

Selbstbestimmung, so wurde bereits im theoretischen Teil thematisiert, ist eine soziale Konstruktion, die in einem Beziehungsverhältnis hergestellt wird. In der folgenden Auseinandersetzung ist es nicht nur Ziel, die Chancen auf Selbstbestimmung zu erarbeiten, sondern Selbstbestimmung mit Hilfe Persönlicher Assistenz kritisch zu diskutieren. Die empirische Arbeit versucht daher nicht, einen `Leitfaden´ zu erstellen, wie Selbstbestimmung auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten durch das Konzept der Persönlichen Assistenz erreicht wird, sondern vielmehr zu reflektieren, wie das Konstrukt Selbstbestimmung in der Beziehung zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen umgesetzt wird und welche Möglichkeiten, aber auch Grenzen, die Zielsetzung der Selbstbestimmung mit sich bringt. Auf Grundlage dessen wird das Forschungsvorgehen von weiterführenden Fragen geleitet:

  • Was bedeutet der Begriff „Selbstbestimmung“ für die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen und wie erfahren sie dessen Umsetzung?

  • Wie wird auf Alltagsebene Selbstbestimmung in der Interaktion zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen konstruiert?

  • Wie wird Selbstbestimmung unter Betrachtung des theoretischen Konzepts nach Walther (Kap. 4.2.3) umgesetzt? Wo könnten weitere Anknüpfungspunkte im Konzept nach Walther liegen?

  • Welche Form und Art der Beziehung wird von AssistenznehmerInnen und AssistentInnen erwartet und wie wird diese in der Praxis dann auch gelebt?

  • Welche Möglichkeiten und Grenzen liegen in der Umsetzung eines selbstbestimmten Lebens durch Persönliche Assistenz bei Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Praxis?

Basierend auf den angeführten Forschungs- und Subfragen wurde eine qualitative Studie im Zuge des Pilotprojekts „Assistiertes Wohnen in Salzburg“ durchgeführt. In der Folge werden in einem ersten Schritt das Projekt und das Forschungsvorgehen beschrieben, um schließlich die Forschungsergebnisse nachvollziehbar erörtern und diskutieren zu können.

7. Projekt: Assistiertes Wohnen in Salzburg

Im Herbst 2009 wurde im Bundesland Salzburg ein Pilotprojekt mit dem Namen „Assistiertes Wohnen“ gestartet und mit zwei jungen Menschen mit Down-Syndrom umgesetzt. Die Erfahrungen aus dem von der Stadt Salzburg unterstützen Projekt sollen Anknüpfungspunkte für weitere Projekte geben und die Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Implementierung des Angebots der Persönlichen Assistenz für die gesamte Zielgruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Behindertenhilfe des Bundeslandes untersuchen.

7.2. Projektinhalt

Aufgrund fehlender adäquater Unterstützungsstrukturen für die AssistenznehmerInnen initiierten deren Eltern ein Projekt, welches ein inklusives Leben außerhalb von Institutionen in einer eigenen Wohnung durch das Konzept der Persönlichen Assistenz ermöglichen sollte. Das Pilotprojekt sollte nicht nur für die AssistenznehmerInnen und ihr soziales Umfeld die Lebensqualität erhöhen, sondern auch für den Personenkreis der Menschen mit Lernschwierigkeiten Erfahrungen sammeln, damit diese Form der Unterstützungsleistung zukünftig für alle Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsarten angeboten werden kann. Leitende Prinzipien sind laut dem Projektkonzept[18] die Ermöglichung einer selbstbestimmten Lebensführung nach dem einschlägigen Kompetenzkatalog, emotionale Stabilität und Flexibilität in den Assistenzleistungen.

Die beiden AssistenznehmerInnen wohnen seit Projektbeginn in zwei separaten Wohnungen, welche in Kooperation mit der Stadt Salzburg für das Projekt zur Verfügung gestellt wurden. Die beiden Wohnungen liegen nebeneinander in einem kommunal geförderten Wohnhaus mit mehreren Parteien. Um ein selbstständiges Wohnen außerhalb des Elternhauses und Institutionen der Behindertenhilfe zu ermöglichen, wurden den beiden AssistenznehmerInnen zum Erhebungszeitpunkt drei bis fünf Assistenzstunden in der Woche zur Verfügung gestellt, finanziert über Pflegegeld und Familienbeihilfe, da vorerst keine Leistungen durch das Bundesland gesichert werden konnten. Die Assistenzleistungen wurden an ein bis zwei Wochentagen in den beiden Bereichen `Haushalt´ und `Freizeit´ erbracht.

Die Koordination der Assistenzstunden übernimmt dabei die Volkshilfe Salzburg als externer Dienstleistungserbringer in Absprache mit den AssistenznehmerInnen. Durch monatliche Teamtreffen zwischen der Fachbereichsleitung der Volkshilfe, den AssistentInnen, einer pädagogischen Leiterin des Projekts und den Eltern werden Erfahrungen und Probleme im Projekt offen diskutiert und reflektiert.

7.3. ProjektakteurInnen

Im Projekt sind viele Personen mit unterschiedlichen Rollen eingebunden, die folgend dargestellt werden.

AssistenznehmerInnen

Die zwei AssistenznehmerInnen sind ein junger Mann und eine junge Frau mit Down-Syndrom im Alter von Anfang bis Mitte Zwanzig. Die Beiden kannten sich bereits vor Projektbeginn gut und weisen eine sehr ähnliche Biographie auf. Bereits von früher Kindheit bis zum Erwachsenenalter wurden die AssistenznehmerInnen gefördert und besuchten einen integrativen Kindergarten und integrative Schulen. Im Internat einer Berufsschule sammelten sie erste Erfahrungen mit einer selbstständigen Lebensführung außerhalb des Elternhauses. Nach der Ausbildung wurden Plätze in einer Wohngemeinschaft gesucht. Dies konnte jedoch nicht realisiert werden, weil nur wenige Plätze zur Verfügung standen und oftmals die Institutionen die AssistenznehmerInnen mit der Begründung, dass sie „zu gut“ für diese Art der Betreuung seien, ablehnten. Bei dem Projektaufbau wurden die AssistenznehmerInnen mit einbezogen.

Beide AssistenznehmerInnen gehen im Zuge von Beschäftigungsprojekten einer Arbeit nach. Außerhalb der Arbeitszeiten nutzen die beiden ihre Wohnung ganz unterschiedlich. Die Assistenznehmerin verbrachte zum Erhebungszeitpunkt den Großteil der Woche in der Wohnung und übernachtete nur am Wochenende in ihrem Elternhaus. Der Assistenznehmer hingegen übernachtete noch vorwiegend bei seinen Eltern und war vor allem nur im Rahmen der Assistenz in seiner Wohnung.

Assistenz beziehen beide AssistenznehmerInnen über die Volkshilfe und `teilen´ sich zeitweise die AssistentInnen. Nur in diesen wenigen Fällen verbringen sie die Assistenzstunden gemeinsam.

AssistentInnen

Insgesamt waren zum Zeitpunkt der Erhebung zwei Assistenten und eine Assistentin im Projekt, welche bei der Volkshilfe angestellt sind und bereits über behindertenpädagogisches Fachwissen verfügen. Während die Assistentin (L.) und der Assistent (T.) etwa gleich alt wie die AssistenznehmerInnen waren, war ein Assistent (S.) deutlich älter. Assistentin L. ist seit Projektbeginn als Assistenz bei beiden AssistenznehmerInnen tätig, zum Erhebungszeitpunkt leistete sie ihre Assistenzstunden nur mehr bei der Assistenznehmerin. Assistent T. war erst seit etwa einem Monat im Projekt und Assistent S. wurde gerade eingeschult. Während Assistent S. für beide AssistenznehmerInnen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Assistenz leistete, war Assistent T. ausschließlich beim Assistenznehmer tätig.

Die Auswahl der AssistentInnen wird vorwiegend von den AssistenznehmerInnen persönlich getroffen, wobei sie von der Volkshilfe Vorschläge bekommen und von der pädagogischen Leiterin beraten werden.

Eltern der AssistenznehmerInnen

Die Eltern der AssistenznehmerInnen übernehmen nicht nur die Rolle der Eltern und engen Familienangehörigen, sondern sind auch in besonderer Weise am Projekt beteiligt. Durch ihr Engagement konnte das Pilotprojekt erst ins Leben gerufen und gestartet werden. Sie sind somit auch Projektinitiatoren und übernehmen die Projektkoordination und Leitung.

Pädagogische Leitung

Die Schwester des Assistenznehmers übernimmt die Aufgabe einer pädagogischen Leitung im Projekt und bekleidet somit eine Doppelrolle. Zielsetzung ihrer Tätigkeit ist es, zwischen den Projektbeteiligten (AssistenznehmerInnen, AssistentInnen, Eltern und Volkshilfe) zu vermitteln und bei Schwierigkeiten als eine Art Mediatorin beratend zur Seite zu stehen. Sie ist an der inhaltlichen Gestaltung beteiligt und übernimmt auch die Kooperation mit der Volkshilfe.

Weitere ProjektakteurInnen sind die Volkshilfe Salzburg und Behindertenbeauftrage der Stadt Salzburg, welche jedoch vorwiegend formelle Rollen einnehmen. Die Volkshilfe stellt einen Pool von AssistentInnen zur Verfügung und erstellt in Absprache mit den AssistenznehmerInnen die Dienstpläne. Die Behindertenbeauftragte war vor allem bei Projektbeginn eingebunden und ist Ansprechpartnerin für finanzielle und politische Fragen.

7.4. Wissenschaftliche Begleitforschung

Im Zuge des Projekts wurde von den Projektverantwortlichen eine wissenschaftliche Begleitforschung geplant, welche von Frau Mag. Hemma Mayrhofer als Projektleiterin der Begleitforschung und mir durchgeführt wurde. Zielsetzung der Begleitforschung war es, die Wirkungen des Projekts zu evaluieren und alle Beteiligten im Projektprozess zu beraten und zu unterstützen. Dabei wurden die AssistenznehmerInnen, die AssistentInnen, die Pädagogische Leitung, die Eltern der AssistenznehmerInnen und Behindertenbeauftragte der Stadt Salzburg in die Begleitforschung einbezogen und interviewt. Die Materialien wurden inhaltsanalytisch ausgewertet und für die Projektverantwortlichen in einem Bericht anschaulich zusammengefasst.

Bereits zu Beginn der Begleitforschung wurde geklärt, dass einige der im Zuge des Projekts gesammelten Materialien auch für meine Diplomarbeit verwendet werden dürfen. Aus diesem Grund wurden diese Materialien ausschließlich von mir erhoben und die Interviewleitfäden und Beobachtungen zu meiner Forschungsfrage passend aufbereitet. Ich nahm im Projekt und der Erhebungsphase somit eine `Doppelrolle´ ein, welche es während des Prozesses und im Zuge der Auswertungen zu reflektieren galt (siehe Kap. 8.7).



[18] Das Projektkonzept wurde nicht veröffentlicht und kann nicht zitiert werden.

8. Forschungsvorgehen

Das Forschungsvorgehen der empirischen Studie orientiert sich an der durchgeführten Evaluation. Allerdings fokussiert die Diplomarbeit ein anderes Forschungsziel und eine andere Forschungsfrage, wodurch die im Zuge der Evaluation gesammelten Materialen nicht nur unter einem anderen Blickwinkel, sondern auch durch andere Auswertungsmethoden erarbeitet wurden.

In der Folge werden die Prinzipien der qualitativen Forschung, welche dem empirischen Teil zu Grunde gelegt wurden, erörtert. Anschließend werden ethische, methodologische als auch praktische Aspekte im Forschungsvorgehen mit Menschen mit Lernschwierigkeiten diskutiert. Weiters werden das Forschungsdesign und der Feldzugang dargestellt, um schließlich die zur Beantwortung der Forschungsfrage gewählten Erhebungs- und Auswertungsmethoden im Detail zu beschreiben.

Da das Forschungsvorgehen jedoch nicht nur deskriptiv beschrieben werden soll, wird abschließend das Vorgehen reflektiert und auch kritisch beleuchtet, um damit auf eventuelle Schwierigkeiten, Grenzen und Lerneffekte in einem Forschungsprozess aufmerksam zu machen. Dies wird neben den Ergebnissen der Forschung auch als ein wichtiger Mehrwert der gesamten Diplomarbeit gesehen.

8.1. Qualitative Forschung und paradigmatischer Forschungsstil

Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden qualitative Forschungsansätze angewendet. „Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten `von innen heraus´ aus der Sicht des handelnden Menschen zu beschreiben“ (Flick/ von Kardorff/ Steinke 2010: 14).

Um das Beziehungsverhältnis und vor allem die Sicht der AssistenznehmerInnen beschreiben zu können, ist es daher notwendig, subjektorientierte Methoden anzuwenden, die die spezifischen Lebensumstände geeignet erfassen können. Ziel ist es, mit Hilfe des qualitativen Forschungsansatzes die sozialen Wirklichkeiten der AssistenznehmerInnen und auch AssistentInnen besser verstehen und deuten zu können. Da das Projekt „Assistiertes Wohnen“ nur zwei AssistenznehmerInnen mit Down-Syndrom umfasst, wäre ein quantitatives Vorgehen weder sinnvoll noch zielführend.

Qualitative Forschung beinhaltet nach Uwe Flick (2005) acht wesentliche Kennzeichen und Prinzipien, welche auch in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt wurden.

  1. Gegenstandsangemessenheit der im Forschungsprozess verwendeten Methoden und Theorien: die Wahl der Methoden hängt vom Forschungsinteresse und Forschungsgegenstand ab.

  2. Berücksichtigung und Analyse verschiedenster Perspektiven: alle am Forschungsprozess beteiligten Personen haben unterschiedliche Perspektiven und Blickwinkel auf einen Forschungsgegenstand und schreiben diesem subjektive und soziale Bedeutungen zu, die es zu untersuchen gilt.

  3. Reflexion des Forschungsvorgehens: in qualitativen Forschungsansätzen ist der Forscher bzw. die Forscherin Teil des Feldes und damit Bestandteil aller Erkenntnis. Handlungen, Beobachtungen und auch Eindrücke der ForscherInnen werden zu Daten und müssen daher dokumentiert und reflektiert werden.

  4. Spektrum der Ansätze und Methoden: Qualitative Forschung liegt unterschiedlichsten Paradigmen und theoretischen Ansätzen zugrunde, welche sich in der Forschungspraxis spezifischen Methoden verschreiben.

  5. Verstehen als erkenntnisleitendes Prinzip: das zu untersuchende Phänomen wird „von innen heraus“ (Flick 2005: 49) verstanden. Das heißt, die jeweiligen Sichtweisen der Individuen sowie die sozialen Situationen werden in ihrem Ablauf und ihren sozialen Regeln analysiert.

  6. Fallrekonstruktion als Ansatzpunkt: es ist vorerst nicht Ziel der qualitativen Forschung, allgemein gültige Aussagen über ein Phänomen zu treffen, vielmehr handelt es sich um Einzelfallanalysen.

  7. Wirklichkeitskonstruktion als Grundlage: Jedes Individuum konstruiert die eigene Wirklichkeit unterschiedlich und das zu beforschende Phänomen wird in Interaktion hergestellt.

  8. Text als empirisches Material: Im Gegensatz zu statistischem Datenmaterial in der quantitativen Forschung werden im Zuge des qualitativen Forschens unterschiedlichste Textformen produziert, welche als Auswertungs- und Interpretationsmaterial fungieren. (vgl. Flick 2005: 16-50)

Dem qualitativen Forschungsvorgehen, dessen Gegenstandsverständnis und den gewählten Methoden liegen drei theoretische Hauptpositionen zugrunde: Symbolischer Interaktionismus und Phänomenologie, Ethnomethodologie und Konstruktivismus sowie strukturalistische und psychoanalytische Positionen (siehe nachstehende Abbildung 6). Während – sehr verkürzt formuliert – Symbolischer Interaktionismus und Phänomenologie vor allem an subjektiven Sinnzuschreibungen und Sichtweisen interessiert sind und Konstruktivismus als auch Ethnomethodologie die Herstellung und Konstruktion sozialer Wirklichkeiten fokussieren, gehen Strukturalismus und Psychoanalyse vielmehr von „Prozessen des psychischen oder sozialen Unbewussten“ (ebd.: 34) aus (vgl. Flick 2005: 33f; Flick/ von Kardorff/ Steinke 2010: 18f).

Abbildung 5. Theoretische Hauptpositionen

Graphik zur theoretischen Positionierung der
 Diplomarbeit: Mittig
                     zwischen Sicht des Subjektes (Symbolischer
 Interaktionismus,
                     Phänomenologie) und Herstellung sozialer
 Wirklichkeiten (Konstruktivivmus,
                     Ethnomethodologie)

(vgl. Flick/ von Kardorff/ Steinke 2010: 19)

Die eigene theoretische Verortung des Forschers bzw. der Forscherin bestimmt und leitet die Ziele und Ausgangspunkte der Forschung und des Forschungsprozesses (vgl. Flick 2005: 34).

Die theoretische Fundierung der vorliegenden Forschung lässt sich zwischen Symbolischem Interaktionismus und Ethnomethodologie sowie Konstruktivismus verorten. So folgt der Symbolische Interaktionismus der These, dass vor allem in der verbalen und nonverbalen Interaktion soziales Handeln zwischen den AkteurInnen definiert und reproduziert wird (vgl. Abels 2004: 42f). Machtstrukturen und Selbstbestimmung werden somit im Interaktionsprozess gemeinsam ausgehandelt.

Weiters, und hier wird Bezug auf Erving Goffman und seinen Forschungsstil genommen[19], wird diese Position mit jener der Ethnomethodologie verknüpft. In der vorliegenden Arbeit ist es im Sinne der Ethnomethodologie nicht das Ziel, herauszufinden, warum bestimmte Handlungen im Assistenzalltag durchgeführt werden, sondern wie die AkteurInnen im Alltag handeln, um dem Postulat der Selbstbestimmung gerecht zu werden (vgl. ebd.: 112).

Um das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen zu erheben, ist es daher wichtig, zum einen alltägliche Handlungen und zum anderen auch die Interaktion zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen und der darin liegenden Konstruktion von Machtstrukturen und Selbstbestimmung zu analysieren. Es ist nicht nur von Interesse, wie die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen der Assistenz und Selbstbestimmung einen subjektiven Sinn verleihen, sondern auch, wie die soziale Wirklichkeit der Assistenzbeziehung und Selbstbestimmung im Interaktionsprozess und gemeinsamen Handlungen hergestellt und konstruiert werden.

8.2. Forschung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten

In der Forschung mit dem Personenkreis der Menschen mit Lernschwierigkeiten ist ein hohes Maß an Sensibilität, Spontanität und Einfühlungsvermögen von Seiten der ForscherInnen gefordert. Aus diesem Grund wurden ethische, methodologische und praktische Aspekte in der qualitativen Forschung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten berücksichtigt.

Im Sinne einer ethisch verantwortungsvollen Forschung gilt es zu jedem Forschungszeitpunkt als vorrangig, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten durch die Forschungsteilnahme keine Nachteile haben, sondern davon profitieren sollten (vgl. Buchner 2008: 517). Tobias Buchner (2008) hebt hervor, dass vor Beginn und auch während des Forschungsprozesses das informative Einverständnis von den interviewten Personen eingeholt werden muss. Zudem müssen der Charakter und die Dauer der Beziehung der InterviewpartnerInnen verdeutlicht werden, da oftmals das Beziehungsverhältnis zwischen ForscherIn und befragter Person als Freundschaft (seitens der befragten Person) interpretiert wird und dadurch falsche Erwartungen geweckt werden könnten (vgl. ebd.). Die Erhebungen sollten in der den Menschen mit Lernschwierigkeiten in der natürlichen Umgebung und der bekannten Alltagswelt stattfinden, in welcher sie sich ungestört und wohl fühlen (vgl. Hagen 2002: 296). Als sinnvoll und nützlich erweist sich zudem, die interviewten Personen bereits vor dem Interviewtermin einmal getroffen zu haben, damit eine Vertrauensbasis aufgebaut und den GesprächspartnerInnen bereits vor der Befragung Sinn und Zweck des Interviews näher gebracht werden kann (vgl. ebd.: 299). Wichtig ist eine ausreichende Information bezüglich der Aufnahme und Transkription des gesamten Interviews und eine Sicherstellung der Anonymität, soweit diese von den interviewten Personen nicht ausdrücklich abgelehnt wird (vgl. Buchner 2008: 522). Das Interview selbst sollte sehr offen strukturiert und flexibel gestaltetet sein. Gleich zu Beginn des Interviews ist es hilfreich, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Hagen (2002) schlägt diesbezüglich vor, mit Fotos zu arbeiten, da diese als „Eisbrecher“ in der Forschung fungieren können und einen ungezwungenen Einstieg zu weiteren Fragestellungen bezüglich der Lebenswelt der interviewten Personen ermöglichen (vgl. Hagen 2002: 299).

Weiters muss die Konzentrationsfähigkeit der interviewten Personen berücksichtigt und in verständlicher und „leichter Sprache“[20] gesprochen werden (vgl. Buchner 2008: 522). Zur Beantwortung einer Frage sollte den Menschen mit Lernschwierigkeiten ausreichend Zeit gegeben werden. Die Frage kann nach einiger Zeit unter Verwendung anderer Begrifflichkeiten wiederholt werden (vgl. ebd.: 522f).

Buchner hebt unter Bezugnahme auf Heal und Sigelman (1995) hervor, dass das Antwortverhalten von Menschen mit Lernschwierigkeiten unter Annahme der sozialen Erwünschtheit einer Antwort gelenkt werden könnte (Heal/ Sigelman 1995 in Buchner 2008: 524). Dies könnte daran liegen, dass Menschen mit Lernschwierigkeit oftmals ein Großteil ihres Lebens von Einrichtungen und professionellen Fachkräften abhängig waren, und dies zu einer generellen „sozialen Angepasstheit“ (Buchner 2008: 524) führte, welche sich im Antwortverhalten widerspiegeln könnte. Um das zu vermeiden, sollte verdeutlicht werden, warum gerade die subjektive Sicht der interviewten Personen selbst im Vordergrund steht und es sollte zugesichert werden, dass die Informationen nicht direkt, sondern erst in ausgewerteter und anonymisierter Form an Dritte weitergegeben werden (vgl. ebd.).

Hinsichtlich der Auswertung und Interpretation der erhobenen Daten wird nicht von einer Forschung mit und über Menschen ohne Behinderung unterschieden (vgl. ebd.: 525). Wesentlich ist jedoch das Reflektieren des Gesagten anhand des lebensweltlichen Settings der Menschen mit Lernschwierigkeiten (vgl. Hagen 2002: 298). Als geeignet erweist sich zudem der Einbezug der Menschen mit Lernschwierigkeiten in einzelne Auswertungsphasen (vgl. Buchner 2008: 525).

Unter starker Berücksichtigung jener Aspekte wurde das nun folgend beschriebene Forschungsdesign gewählt.

8.3. Forschungsdesign

Das für die Arbeit gewählte induktive Forschungsdesign ist geprägt durch Zirkularität (Flick 2005: 72) und das Prinzip der Offenheit (Flick/ von Kardorff/ Steinke 2010: 24).

Nach einer Zielsetzung der geplanten Studie, ersten Recherchen und theoretischer Auseinandersetzung zum Thema der Persönlichen Assistenz bei Menschen mit Lernschwierigkeiten identifizierte ich[21] eine Forschungslücke und formulierte die Forschungsfrage und Sub-Fragen. Weiters folgte eine Auswahl der Erhebungs- und Auswertungsmethoden. Diese sollten nicht nur der theoretischen Position und dem Forschungsinteresse entsprechen, sondern auch zielgruppenadäquat sein. Der Feldzugang wurde durch die Evaluation bereits gelegt. Es wurden im Zuge der Evaluation Materialien gesammelt, wovon die ausschließlich von mir selbst erhobenen Daten nach den eigenen Zielsetzungen der vorliegenden Forschung (nicht im Zuge der Evaluation) ausgewertet wurden. Bereits bei der Evaluation war es Ziel, die Methoden den der Diplomarbeit zugrundeliegenden Fragestellungen anzupassen, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu gewährleisten.

Im Mittelpunkt der qualitativen Forschung stehen die beiden AssistenznehmerInnen mit Down-Syndrom und ihre drei AssistentInnen. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein ethnographischer Zugang als sinnvoll erachtet, um die subjektiven Sichtweisen und Herstellungsprozesse bestmöglich erheben zu können. Der an die Zielgruppe angepasste Erhebungsprozess gliedert sich in drei ineinandergreifende Schritte:

  1. Teilnehmende Beobachtungen des Assistenzalltags in den Bereichen Freizeit und Haushalt (siehe Kap. 8.3.1).

  2. Fotobefragungen mit den beiden AssistenznehmerInnen (siehe Kap. 8.3.2).

  3. Leitfadengestützte Interviews mit zwei AssistentInnen und den AssistenznehmerInnen im Anschluss an die Fotobefragung (siehe Kap. 8.3.3).

Nach einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema Down-Syndrom organisierte ich in einem ersten Schritt ein Treffen, bei welchem ich die AssistenznehmerInnen kennenlernen konnte. Dabei sammelte ich erste Eindrücke und fasste sie in Form eines Protokolls zusammen. Bei dem Treffen stellte ich mich und mein Vorhaben vor. Weiters übermittelte ich den AssistenznehmerInnen einen Arbeitsauftrag zur Fotobefragung (siehe Kapitel 8.3.2) für das nächste Treffen.

Es war wichtig, in Anlehnung an ethische, methodologische als auch praktische Aspekte in der Forschungsarbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten (siehe Kapitel 8.2), vor dem Forschungsbeginn, aber auch später im Prozess, das informative Einverständnis der AssistenznehmerInnen einzuholen (vgl. Buchner 2008: 517). Die AssistenznehmerInnen boten mir sogleich das „Du“ an, das ich aus Gründen der Höflichkeit und des gleichen Alters annahm. Allerdings machte ich zu diesem Zeitpunkt sogleich auf den Charakter und die Dauer der Beziehung zwischen mir als Forscherin und ihnen als AssistenznehmerInnen aufmerksam.

Schließlich wurde in einem zweiten Schritt eine Fotobefragung mit anschließenden leitfaden-gestützten Interviews mit der Assistenznehmerin und dem Assistenznehmer getrennt voneinander durchgeführt, um deren subjektive Sicht zu erheben. Ein Fotoalbum wurde erstellt (siehe Kapitel 8.3.2. und 8.3.3.). Folglich wurden auch ein Assistent und eine Assistentin befragt, jedoch nicht, um die Aussagen der beiden AssistenznehmerInnen zu prüfen, sondern deren Sichtweise und subjektive Sinnzuschreibung in die Forschung einbeziehen zu können.

In Anschluss daran führte ich an weiteren Tagen fünf teilnehmende Beobachtungen (siehe Kapitel 8.3.1.) von ein bis drei Stunden durch, wobei ich die AssistentInnen und AssistenznehmerInnen im Assistenzalltag begleiten durfte. Zwischen den Beobachtungsterminen lagen einige Tage, wodurch eine immer stärkere Fokussierung bei der Beobachtung möglich wurde.

Damit setzt sich das für meine Forschungsarbeit gesammelte Material aus zwei Fotoalben, vier Interviewtranskripten und fünf Beobachtungsprotokollen zusammen. Zudem wurden während des Forschungsvorgehens Gedankenprotokolle und Reflexionen des Vorgehens und meiner eigenen Forscherinnenrolle verfasst, welche ergänzend zu den ausgewerteten Daten herangezogen wurden. Teilweise während, vorwiegend aber nach der Forschung wurden die Materialien mit drei unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen ausgewertet:

  1. Fotoanalyse der Fotoalben, um die individuellen Sinnwelten und Relevanzsysteme der AssistenznehmerInnen zu erfassen und mit Hilfe der Fotos Rückschlüsse auf Beziehungs- und Interaktionsstrukturen im Assistenzalltag ziehen zu können (siehe Kapitel 8.4.1).

  2. Feinstrukturanalyse der Interviewtranskripte, um vor allem die subjektive Sichtweise auf Selbstbestimmung und Beziehungsstrukturen, eingebettet in ihrem Kontext interpretieren zu können (siehe Kapitel 8.4.2).

  3. Beobachtungsanalyse und Einbezug der Beobachtungsprotokolle, um die Konstruktion der Selbstbestimmung in der Beziehung zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen zu erfassen (siehe Kapitel 8.4.3).

In einem ersten Schritt wurden die vier Interviewtranskripte einer Feinstrukturanalyse unterzogen. Daraufhin und auch schon teilweise während der Feinstrukturanalyse wurden die Fotoalben gemeinsam mit anderen ForscherInnen an mehreren Nachmittagen analysiert, um eine durch eigene Vorannahme und Erkenntnisse aus der Forschung geleitete Interpretation und Beeinflussung weiterer Ergebnisse minimieren zu können. Die gesammelten Erkenntnisse aus diesen beiden Analyseverfahren wurden schließlich mit jenen der Beobachtungsprotokolle verglichen, ergänzt und kontrastiert. Teilweise entdeckte ich bei diesem Vorgang noch Widersprüche in meinen Ergebnissen, wodurch ich wieder zurück zu den Daten ging und nochmals zu analysieren begann. Diesen Vorgang wiederholte, ich bis meine Ergebnisse eine „theoretische Sättigung“ erreichten.

Bevor die Erhebungs- und Auswertungsmethoden detailliert betrachtet werden, soll folgende Abbildung den Forschungsprozess nochmals grafisch zusammenfassen.

Abbildung 6. Grafik des Forschungsprozesses

Zusammenfassende Graphik des Forschungsprozesses

8.4. Erhebungsmethoden

Folgend sollen die verwendeten Erhebungsmethoden in ihren Strukturen und Zielsetzungen sowie deren Anwendung und Umsetzung in der vorliegenden Forschungsarbeit detailliert beschrieben werden.

8.4.1. Die teilnehmende Beobachtung

Zur Analyse des Beziehungsverhältnisses zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen wurde die teilnehmende Beobachtung als Haupterhebungsmethode ethnographischer Forschungszugänge angewendet.

Im Unterschied zur nicht-teilnehmenden und verdeckten Beobachtung wurden offene und teilnehmende Beobachtungen durchgeführt, um einen nahen Zugang zu den Personen und den Situationen erreichen zu können und dabei auch mein Forschungsvorgehen und meine Rolle als ForscherIn im Beobachtungsprozess offen zu legen (Flick 2005: 200). Kennzeichen der teilnehmenden Beobachtung sind „(...) das Eintauchen des Forschers in das untersuchte Feld, seine Beobachtung aus der Perspektive des Teilnehmers, aber auch sein Einfluss auf das Beobachtete durch seine Teilnahme“ (ebd.: 206). In der teilnehmenden Beobachtung ist der/die ForscherIn also aktiver Teil des Geschehens und beeinflusst durch seine/ihre Anwesenheit das Forschungsfeld und die Interaktion der Personen.

Mit den Worten Erving Goffmans (1996), welche sehr treffend den Vorgang beschreiben, besteht eine teilnehmende Beobachtung darin, „Daten zu erheben, indem man sich selbst, seinen eigenen Körper, seine eigene Persönlichkeit und seine eigene soziale Situation den unvorhersehbaren Einflüssen aussetzt, die sich ergeben, wenn man sich unter eine Reihe von Leuten begibt, ihre Kreise betritt, in denen sie auf ihre soziale Lage, ihre Arbeitssituation, ihre ethnische Stellung oder was auch immer reagieren. Dass (sic!) man also in ihrer Nähe ist, während sie auf das reagieren, was das Leben ihnen zumutet“ (Goffman 1996: 263).

Die Erhebung gestaltet sich prozesshaft, indem einerseits die ForscherInnen mehr und mehr vom Forschungsfeld aufgenommen und akzeptiert werden und andererseits während der Beobachtungen eine immer stärkere Fokussierung auf die Fragestellung der Forschung erfolgen sollte (vgl. Flick 2005: 206f). Der Beobachtungsprozess gestaltet sich dabei in drei Phasen: einer deskriptiven Beobachtung für die erste und sehr offene Orientierung im Feld, einer fokussierten Beobachtung zur Verengung der Perspektive auf die Fragestellung und einer selektiven Beobachtung für die Suche nach Belegen für die Erkenntnisse der fokussierten Beobachtung (vgl. ebd.: 207).

Insgesamt wurden fünf teilnehmende Beobachtungen von Assistenz in der Freizeit und im Haushalt durchgeführt.

  1. Beobachtung: Kennenlernen zwischen den AssistenznehmerInnen und Assistent S. bei einem gemeinsamen Treffen aller AssistentInnen und AssistenznehmerInnen.

  2. Beobachtung: Persönliche Assistenz im Bereich Freizeit mit dem Assistenznehmer und Assistent T.

  3. Beobachtung: Persönliche Assistenz im Bereich Haushalt mit der Assistenznehmerin und Assistent S.

  4. Beobachtung: Persönliche Assistenz im Bereich Freizeit mit dem Assistenznehmer und Assistent T. sowie im Bereich Haushalt mit der Assistenznehmerin und Assistentin L.

  5. Beobachtung: Persönliche Assistenz im Bereich Haushalt/Freizeit mit dem Assistenznehmer und Assistent S.

Bei den Beobachtungen wurde ich sehr stark in das Geschehen integriert, wodurch nur hier und da Zeit für einzelne Feldnotizen blieb. Detaillierte Beschreibungen und die Erstellung der Protokolle folgten erst, wenn möglich, im unmittelbaren Anschluss an die Erhebung.

Im Forschungsprozess wird eine Triangulation der teilnehmenden Beobachtung mit anderen Methoden und Datenquellen empfohlen, um ein umfassenderes Gesamtbild des Forschungsfeldes unter Einbezug unterschiedlicher Perspektiven erheben zu können (vgl. Flick 2005: 204). Unter anderem aus diesem Grund wurden zwei weitere Erhebungsmethoden in die Forschung einbezogen.

8.4.2. Die Fotobefragung

Visuelle Daten in der qualitativen Forschung finden nicht nur in der visuellen Soziologie, sondern mittlerweile auch in den Erziehungswissenschaften (vor allem in der erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung) als Material immer mehr Verwendung (vgl. Marotzki/Niesyto 2006: 7). Fotos als vorsprachliches Datenmaterial tragen „spezifische Formen der Symbolisierungstätigkeiten menschlicher Praxis und Sinnbildung“ (Breckner 2008: 1) in sich.

Mit Hilfe der teilnehmenden Beobachtung (siehe Kapitel 8.3.1) können Handlungen und Interaktionen in einem bestimmten Kontext analysiert werden. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass die Beobachtung durch subjektive Vorstellungen und Konstruktionen des Forschers/der Forscherin gelenkt und der Gegenstand in einen anderen Fokus gerückt wird. Die partizipative Methode der Fotobefragung ermöglicht eine besondere Form des Zugangs zur Welt der befragten Individuen, deren Handlungen, subjektiven Sichtweisen und sozialen Wirklichkeiten (vgl. Booth/Booth 2003: 431). Der Prozess einer Fotobefragung verläuft in mehreren Phasen: der Eröffnungsphase, dem Erhebungsprozess (eigenständig gestaltet durch den Fotobefragten beziehungsweise die Fotobefragte) und dem Fotointerview (vgl. Kolb 2008: 1). `Partizipativ´ ist die Methode unter anderem deshalb, weil sie die befragten Personen aktiv in den Forschungsprozess einbezieht und den Befragten ermöglicht, eigene Relevanzsysteme zum Forschungsgegenstand einzubringen, indem die Befragten selbst die Fotos anfertigen und die Gesprächsthemen somit auch lenken (vgl. ebd.). „It puts people in charge of how they represent themselves and how they depict their situation“ (Booth/Booth 2003: 432). Das heißt, mit Hilfe der Fotobefragung wird es den Befragten ermöglicht, in ihrer spezifischen Art und Weise ihre eigene Identität und Erfahrungen offen zu legen und zu reflektieren (vgl. ebd.).

Vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeiten erweist sich die Fotobefragung als sehr geeignete Erhebungsmethode. Die Kombination von Fotos und Interview hilft, diejenigen Personen noch mehr in den Forschungsprozess einzubeziehen, die Schwierigkeiten haben, mit sprachlichen Mitteln über den Forschungsgegenstand zu kommunizieren (oder anders gesagt, deren sprachliche Mittel von ForscherInnen nicht in geeigneter Form erfasst werden können). Die Fotobefragung erzeugt eine viel stärkere Nähe zu den Gedanken der Menschen mit Lernschwierigkeiten als andere methodische Zugänge (vgl. ebd.). Zudem bieten Fotos eine effektive Präsentationsmöglichkeit für Menschen mit Lernschwierigkeiten, um ihre Fähigkeiten und Kompetenzen aus eigener Sicht zu zeigen und weiters auch ihrer starken Gegenwartsbezogenheit gerecht zu werden (vgl. Aldrige 2007: 12). Vor allem aber erlaubt uns als Forscher und Forscherinnen diese Form der partizipativen Methode, uns von einer defizitorientierten Perspektive auf Menschen mit Lernschwierigkeiten wegzubewegen und diese selbst zu ermächtigen, eigene Relevanzsysteme in den Forschungsprozess einzubringen, damit auch im Sinne der Disability Studies (siehe Kapitel 1.1.2) nicht mehr über Menschen mit Behinderung geforscht wird, sondern mit ihnen.

Putting cameras in people´s hands empowers them in a way that buries the issues of acquiescence and compliance frequently raised in other forms of research (…), as well as going some way towards meeting the emancipator ideals associated with the social model of disability(Booth/Booth 2003: 432).

Die von mir in Anlehnung an Bettina Kolb (2008), Tim und Wandy Booth (2003) und Jo Aldrige (2007) durchgeführte Fotobefragung verlief in mehreren Schritten, welche durch den Prozess der Gestaltung eines Fotoalbums gemeinsam mit den AssistenznehmerInnen ergänzt wurden.

  1. Der Arbeitsauftrag

    Bei dem bereits erwähnten `Kennenlern-Treffen´ mit den beiden AssistenznehmerInnen übermittelte ich einen Arbeitsauftrag, den wir mündlich besprachen und den sie auch in ausgedruckter Version behalten konnten. Der Arbeitsauftrag lautete:

    Fotografieren Sie bitte Situationen, Dinge und Personen aus Ihrem Alltag mit Persönlicher Assistenz.

    • Das können typische oder alltäglich Aspekte und Dinge Ihres Lebens mit Assistenz sein.

    • Sie können aber auch besonders schöne Situationen fotografieren, über die Sie sich freuen.

    • Oder Sie erleben eine schwierige Situation in Ihrem Assistenzalltag, über die Sie sich ärgern, und versuchen ein Foto davon zu machen.“

    Ich ersuchte die AssistenznehmerInnen, die Fotos innerhalb einer Woche anzufertigen und zum vereinbarten Interviewtermin mitzubringen. Beide AssistenznehmerInnen besitzen eine digitale Fotokamera und fotografieren auch sehr gerne.

  2. Die Fotobefragung und Gestaltung des Fotoalbums

    Etwa eine Woche später traf ich die AssistenznehmerInnen getrennt voneinander zu den vereinbarten Interviewterminen. Geplant war, mit ihnen die Fotos anzusehen sowie zu besprechen und schließlich gemeinsam jeweils ein Fotoalbum zu dem Thema „Mein Leben mit Persönlicher Assistenz“ zu gestalten. Nach der Gestaltung des Fotoalbums führte ich mit den AssistenznehmerInnen noch ein halbstündiges leitfaden-gestütztes Interview. Insgesamt dauerten die Treffen mit den AssistenznehmerInnen jeweils etwa zwei bis drei Stunden. Während der gesamten Erhebung waren die AssistentInnen nicht anwesend. Der gesamte Prozess wurde nach Absprache mit den AssistenznehmerInnen und auch deren Eltern mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend von mir transkribiert.

    Zu Beginn der Fotobefragung erklärte ich den AssistenznehmerInnen das Vorhaben und warum wir ein Interview führen. Nochmals hob ich hervor, dass es im Gespräch um ihr Leben mit Persönlicher Assistenz gehe und warum gerade ihre Sicht für mich wichtig sei. Zudem machte ich deutlich, dass zu jeder Zeit, wenn es zu anstrengend wird, eine Pause gemacht werden könne.

    Alle ausgedruckten Fotos wurden auf dem Tisch oder Boden verteilt und die AssistenznehmerInnen gebeten, diese nach Themen, Bildinhalten oder anderen Gemeinsamkeiten zu gruppieren (für die detaillierten Fragestellungen siehe Anhang). In einem zweiten Schritt wurden verschiedenfärbige Papierbögen, Kleber und Stifte aufgelegt und es sollte mit den Fotos und Materialien ein Fotoalbum gebastelt werden. Schließlich begann die Gestaltung des Fotoalbums und die Fotos wurden besprochen. Die Gruppierungen der Fotos wurden durchgearbeitet und dabei fragte ich, aus welchem Grund die AssistenznehmerInnen diese zusammengelegt haben. Gemeinsam wurden Überschriften für die gruppierten Fotos gesucht, anschließend die Fotos auf einen farbigen nach ihren Wünschen zurechtgeschnittenen Bogen aufgeklebt und mit den Überschriften betitelt. Während dieses Prozesses stellte ich den AssistenznehmerInnen Fragen zu den Fotos, beispielsweise, was ihnen zuerst einfalle, wenn sie die Fotos ansehen, was auf den Fotos passiere und welche Situationen im Assistenzalltag dargestellt würden. Zum Abschluss des Vorgehens wurde das Fotoalbum gemeinsam gebunden und ein Titelblatt gestaltet.

    Abbildung 7. Titelblätter der Fotoalben

    Blaues Titelblatt mit der Aufschrift: Mein Leben mit
                                 persönlicher Assistenz. Rotes Titelblatt mit der Aufschrift:
                                 Mein
 Alltag mit persönlicher Assistenz

    Danach wurde das Album noch einmal gemeinsam nachbesprochen und reflektiert. Auch ich resümierte meine Erkenntnisse und besprach sie mit den AssistenznehmerInnen.

  3. Leitfadengestütztes Interview

    Im Anschluss an die gemeinsame Gestaltung des Albums und das Besprechen der Fotos führte ich noch ein Interview, in welchem ich für mich sehr relevante Themen, die in der Fotobefragung nicht oder zu wenig angesprochen wurden, nochmals thematisieren konnte. Die Methode des leitfadengestützten Interviews und mein detailliertes Vorgehen werden im folgenden Kapitel erörtert.

8.4.3. Das qualitative leitfadengestützte Interview

Ziel dieses Interviews ist es, durch eine relativ offene Gestaltung die subjektiven Sichtweisen und Äußerungen auf Assistenzalltag, Selbstbestimmung und subjektive Beschreibung der Beziehung zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen zu erfragen. Kennzeichen des leitfadengestützten Interviews ist, „(…) dass mehr oder minder offen formulierte Fragen in Form eines Leitfadens in die Interviewsituation `mitgebracht´ werden, auf die der Interviewte frei antworten soll“ (Flick 2005: 143). Damit hat der oder die ForscherIn zwar einige Themenblöcke und Fragestellungen im Vorfeld formuliert, ob und in welcher Form diese Themen im Interview angesprochen werden, bestimmen jedoch die interviewte Person und die Interviewsituation selbst. Dies beinhaltet vor allem Sensibilität seitens des Forschers/ der Forscherin für den Interviewverlauf und auch die interviewten Personen (vgl. ebd.: 143f).

Für die vorliegende Arbeit wurden zwei leitfadengestützte Interviews im Anschluss an die Fotobefragungen mit den AssistenznehmerInnen und weitere zwei mit Assistentin L. und Assistent T. durchgeführt. Assistent S. wurde aufgrund seiner erst sehr kurzen Verweildauer im Projekt nicht interviewt.

In den Interviews mit der Assistenznehmerin und dem Assistenznehmer wurden sowohl Themen behandelt, welche in der Fotobefragung offen blieben, als auch neue Themenschwerpunkte von mir in das Gespräch erzählgenerierend einbezogen. Dabei wurden die Fragen bereits in leichter Sprache verfasst und Alternativfragen formuliert. Ebenso wurden die Kriterien zur Interviewführung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten berücksichtigt (siehe Kap. 8.2).

Folgende Themenblöcke wurden dabei für mich im Leitfaden festgehalten (detaillierte Formulierung siehe Anhang):

  1. Assistenzalltag: Beschreibung der gemeinsamen Zeit mit den AssistentInnen, schwierige oder positive Situationen, gemeinsame Aktivitäten und Beziehung zu den AssistentInnen.

  2. Erwartungen: Erwartungen an die AssistentInnen.

  3. Kompetenzen: Auswahlkriterien bei den AssistentInnen, Planung der Assistenzzeiten, Aufgaben der AssistentInnen.

  4. Selbstbestimmung: Bedeutung des Begriffes Selbstbestimmung für die AssistenznehmerInnen, Veränderung durch Persönliche Assistenz und Möglichkeiten der Selbstbestimmung.

  5. Zufriedenheit: Zufriedenheit mit der Wohn- und Lebenssituation sowie dem Assistenzalltag und allfällige Veränderungswünsche.

Um die subjektive Perspektive der AssistentInnen auf die Selbstbestimmungsmöglichkeiten und das Beziehungsverhältnis im Rahmen der Persönlichen Assistenz ergänzend zu den Beobachtungen erheben zu können, wurden diese in einem etwa einstündigen Interview befragt. Der Leitfaden beinhaltete hierbei folgende Themenblöcke (detaillierte Formulierung siehe Anhang):

  1. Motive und Gründe: Gründe und Motivation für die Arbeit als AssistentIn, Vorerfahrungen und Qualifikationen.

  2. Assistenzalltag und Beziehung zu den AssistenznehmerInnen: Beschreibung des ersten und eines typischen Assistenztages sowie schwieriger oder gelungener Situationen im Assistenzalltag und schließlich Beschreibung der Beziehung zu den AssistenznehmerInnen.

  3. Rollenverteilung, Aufgabenbereiche und Kompetenzen: Beschreibung der Aufgabenbereiche im Zuge der Assistenz, konfliktreiche Tätigkeiten, Erwartungen an die AssistenznehmerInnen, Vorstellungen eines idealen Assistenten/ einer idealen Assistentin.

  4. Unterstützung in der Assistenzarbeit: Möglichkeiten der Unterstützung bei der Tätigkeit als AssistentIn.

  5. Selbstbestimmung: Bedeutung des Begriffes Selbstbestimmung für die AssistentInnen und Einschätzung der Bedeutung für die AssistenznehmerInnen, Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Rolle der AssistentInnen.

  6. Zufriedenheit: Zufriedenheit mit der Tätigkeit als AssistentInnen und den Rahmenbedingungen sowie Veränderungswünsche.

Zuletzt wurden die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen gefragt, ob es Themen gebe, die noch nicht oder zu wenig angesprochen wurden.

Direkt im Anschluss an die jeweiligen Interviews wurden Gedankenprotokolle und Reflexionen verfasst. Weiters wurden die vier Interviews in Absprache mit den AssistenznehmerInnen und AssistentInnen mit einem Diktiergerät aufgenommen und von mir transkribiert.

8.5. Auswertungsmethoden

Nachdem die einzelnen Erhebungsinstrumente detailliert erörtert wurden, werden nun die Methoden zur Auswertung des erhobenen Materials hinsichtlich Fragestellungen und theoretischer Fundierung dargestellt. Die Auswertungsmethoden wurden dem Forschungsinteresse entsprechend ausgewählt.

8.5.1. Die Feinstrukturanalyse

Zur Analyse der subjektiven Sichtweisen und des Beziehungsverhältnisses scheint das hermeneutische Verfahren der Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger bei besonders relevanten Textpassagen als zielführend (vgl. Froschauer/Lueger 2003: 111). Dieses Auswertungsverfahren richtet das Interesse vor allem auf die Strukturen der Interaktion, eingebettet in ihren Kontext. Ziel ist die Erfassung von Sinngehalten, die in kleinsten Sprachinhalten enthalten sind. Die Interpretation konzentriert sich auf extensive Sinnauslegungen wie genaue Wortwahl und ihre Anordnung in der Textstelle. Zuerst wird dabei der mögliche Bedeutungshorizont erkundet und mit Fortschreiten der Analyse weiter vertieft und präzisiert (vgl. Lueger 2000: 201f).

Bei der Anwendung mehrerer Auswertungsmethoden wird empfohlen, mit der Feinstrukturanalyse zu beginnen, da gerade bei dieser Form der sehr tiefgreifenden Analyse die Ergebnisse von Vorannahmen und Vorwissen noch viel stärker beeinflusst werden (vgl. Froschauer/Lueger 2003: 112). Auch in dieser Forschungsarbeit wurde daher die Auswertung mit der Feinstrukturanalyse begonnen.

Zuerst wurden Gesprächsausschnitte aus den Interviews gewählt, die zu Beginn und am Ende des Interviews standen, die wichtig für den Forschungsinhalt erschienen, oder aber als eher unwichtig eingestuft wurden (ebd.: 112f). Zudem wurden in den Interviews weitere Textstellen durch eine Person ausgewählt, die kein Vorwissen mitbrachte und somit die Beeinflussung der Analyseergebnisse durch meine Vorannahmen bei der Textstellenauswahl verringerte.

Die ausgewählten Textstellen wurden wiederum in kleine Sinneinheiten, einen Satzteil oder auch kurzen Satz eingeteilt und in folgenden Schritten nach Froschauer und Lueger interpretiert (vgl. ebd.: 114).

  1. Paraphrase: Eintrittsphase in die Interpretation, kurze Inhaltsangabe und alltagsweltliche Bedeutung.

  2. Intentionen und Funktionen: Vermutungen über die Bedeutung einer Sinneinheit für die befragte Person durch „Hineindenken in die sprechende Person“ (ebd.).

  3. Latente Bedeutungen: Unterschiedliche Lesearten der Sinneinheit unter Einbezug von theoretischem und kontextuellem Vorwissen.

  4. Rollenverteilung: Rollenbeziehungen und Zuschreibungen zu bestimmten Personen.

  5. Anschlussoptionen: Mögliche Aussagen und Handlungen der nächsten Sinneinheit und erwartbare folgende Äußerungen.

Abbildung 9 zeigt darüber hinaus ein Beispiel aus meiner Auswertung.

Textstelle: Seite/Zeile

Paraphrase

Intentionen/Funktionen

Latente Bedeutung

Rollenverteilung

Anschlussoptionen

S.3/Z.36Das hab ich selber drauf gemacht, das hab ich so gemacht.

AN hat etwas selbst gemacht

AN weist doppelt darauf hin, dass er etwas selbst gemacht hat. Es scheint ihm wichtig zu sein, dass mir das klar ist. Ev. ist er stolz darauf und will zeigen was er kann.…

Unter Berücksichtigung des Kontextwissens wird deutlich, dass AN davon spricht ein Plakat selbst aufgehängt zu haben. Durch das wiederholen des Satzes erweckt es den Eindruck als wär es etwas ganz Besonderes, dass AN das Plakat selbst aufgehängt hat. Das könnte auch bedeuten, dass er nicht sehr häufig selbst sein Zimmer einrichtet und es daher eine besondere Situation ist. Es wirkt als wäre er sehr stolz darauf. AN verwendet auch das Wort „selbst“ was die Eigenständigkeit in der Situation noch stärker verdeutlicht, als nur der Ich-Bezug;…

AN zeigt sich als selbstständiger Mensch, der Eigenständig agiert. Assi nimmt hier keine Rolle ein, außer vielleicht die, dass er dafür nicht gebraucht wurde;…

AN erklärt, warum er es so gemacht hat; ev. macht er eine Pause und wartet, ob ich etwas erwidere; od. warum es für ihn etwas Besonderes ist, das Poster selbst aufgehängt zu haben;…

Erste Hypothesen

Die Eigenständigkeit scheint AN hier sehr wichtig zu sein. Es geht nicht vorrangig darum, dass er selbst bestimmt hat, wo er es aufhängt, sondern dass er es selbst gemacht hat. Eventuell sehen die AN durch PA die Möglichkeit nicht selbst Dinge zu bestimmen, weil das tun sie sowieso, oder ist für sie nicht so von Relevanz, sondern selbst Dinge zu tun, dafür bewundert zu werden und Anerkennung zu bekommen

Während des Analyseprozesses wurden Reflexionen und erste Hypothesen verfasst, die durch weitere Analyse neuer Sinneinheiten entweder ausformuliert oder auch verworfen wurden (vgl. ebd.: 119). Abschließend wurden die Ergebnisse der Feinstrukturanalyse zusammengefasst und mit jener der Fotoanalyse und Beobachtungsanalyse verglichen, ergänzt oder gegenübergestellt.

8.5.2. Die Fotoanalyse

Die Interpretation von visuellen Daten wie Fotos, oder in diesem Fall eines ganzen Fotoalbums, wurde im Gegensatz zur Interpretation von Texten und Sprache erst relativ wenig im erziehungswissenschaftlichen Forschungsbereich ausgearbeitet und stellt eine noch sehr junge Auswertungsmethode in dieser Disziplin dar (vgl. Marotzki/Niesyto 2006: 7f).

Bei der Analyse von visuellen Daten muss das Nebeneinander unterschiedlicher Bedeutungsstrukturen beachtet werden, wodurch eine Vielzahl von Lesearten möglich wird. Durch die Fotobefragung stehen die Fotos nicht für sich selbst, sondern werden mit Textmaterial aus den Interviewtranskripten sowie Beobachtungsprotokollen zu einem gemeinsamen Sinnzusammenhang ergänzt (vgl. Kolb 2008: 5).

Ziel der Fotoanalyse war es, die subjektiven Sichtweisen und den individuellen Bedeutungskontext der AssistenznehmerInnen zu erfassen und Rückschlüsse auf Beziehungs- und Interaktionsstrukturen im Assistenzalltag zu ziehen. Auf der Grundlage bestehender hermeneutischer Bildinterpretationsverfahren (Breckner 2008, Marotzki/Niesyto 2006, Marotzki/Stoetzer 2006, Niesyto 2006, Harper 2010, Denzin 2010 und Lueger 2000) wurde das folgende Analyseverfahren adaptiert, da dieses erlaubt, nicht nur die Ebene der Fotos, sondern auch die zusätzliche Ebene des Fotoalbums zu interpretieren und diese zwei Ebenen zu verbinden. Dieses Analyseverfahren[22] wurde von Frau Mag. Mayrhofer unter meiner Mitarbeit entwickelt und von uns bei der Fachtagung „Rekonstruktive Soziale Arbeit. Forschung und Praxis im Dialog“ am 11.12.2010 in Berlin im Zuge des von uns geleiteten Workshops „Die Fotobefragung als partizipative visuelle Forschungsmethode und ihre Einsatzmöglichkeiten in der qualitativen Evaluationsforschung“ vorgestellt (vgl. Mayrhofer/ Schachner 2010).

Ausgangspunkt des Auswertungsprozesses waren meine Forschungsfragen. In einem zyklischen Vorgehen wurden zuerst der Gesamteindruck der Fotoalben und dann in weiterer Folge die einzelnen Fotos analysiert. Schließlich wurden diese Ebenen verbunden und nach gemeinsamen Mustern gesucht. Um einen größeren Erkenntnisgewinn zu erzielen und die Gefahr einer Verzerrung aufgrund meiner vorgefertigten Annahmen aus dem Erhebungsprozess möglichst zu minimieren (siehe ForscherInnentriangulation Kapitel 8.5), analysierte ich die Alben mit drei weiteren Forscherinnen aus den Disziplinen der Soziologie und Bildungswissenschaften. Insgesamt gliedert sich der Auswertungsprozess in vier Schritte:

  1. Analyseschritt: Alltagsweltliches Erstverstehen und deskriptive Bilderkundung

    In diesem Schritt wird das gesamte Bild, einschließlich des Titelblattes, detailgenau im Sinne der Erfassung vordergründiger Informationen beschrieben.

  2. Analyseschritt: Interpretation des Entstehungs- und Erzeugungskontextes

    Im zweiten Schritt werden die Produktionsbedingungen des Albums und der einzelnen Fotos analysiert, wobei das Kontextwissen der Forscherin bzw. des Forschers einfließt.

  3. Analyseschritt: Detail- bzw. Mikroanalyse der Bilder

    Hierbei werden erste Lesearten und Deutungsmuster entwickelt und mögliche `Geschichten´ und Lebenszusammenhänge hinter den Fotos analysiert. Der Analyseschritt setzt sich im Detail mit der Interpretation einzelner Elemente und Personen des Albums und einzelner Fotos auseinander.

  4. Analyseschritt: Synthese

    Der letzte Analyseschritt beinhaltet die „Suche nach Mustern“ (vgl. Denzin 2010: 427). Erste Lesearten und Hypothesen zur den Forschungsfragen werden entwickelt.

8.5.3. Die Beobachtungsanalyse

Im Anschluss an die Feinstruktur- und Fotoanalyse wurden die Ergebnisse mit den Inhalten der Beobachtungen ergänzt. Die verfassten Beobachtungsprotokolle sind allerdings nicht nur Ergebnisse der Auswertung, sondern tragen bereits eine Vielzahl von Interpretationen und Vorannahmen in sich. Bereits im Zuge der Beobachtungen legte ich mein Augenmerk vorerst unbewusst auf bestimmte Situationen und nahm nur für mich relevante Dinge im Forschungsfeld wahr (Selektivität der Zuwendung). Die Verschriftlichung des Beobachteten wurde bereits durch bestimmte Vorannahmen und erste Interpretationen meinerseits geleitet, auch wenn es diese zu minimieren galt (Selektivität der Protokollierung) (vgl. Lueger 2000: 100). Aus diesem Grund wurde ein Verfahren gesucht, welches es erlaubt, die Beobachtungsprotokolle nicht nur als inhaltliche Ergänzung bisheriger Ergebnisse einzubeziehen, sondern auch, diese komplizierte Form des „flüchtigen Materials“ (ebd.: 99) in geeigneter und sinnvoller Form einer detaillierten Analyse und Strukturierung zu unterziehen. Lueger (2000) beschreibt diesbezüglich Basiskomponenten der Analyse von Beobachtungsmaterialien, welche als Leitfaden zur Auswertung der Protokolle dienen konnten:

(vgl. Lueger 2000: 136f)

Der Einbezug der dargestellten unterschiedlichen qualitativen Erhebungs- und Auswertungsmethoden erforderte eine reflexive Auseinandersetzung mit der Triangulation in der qualitativen Forschung, die folgend in ihren Grundzügen und ihrer Verwendung im Forschungsvorhaben beschrieben werden soll.

  • Beobachtungsinteresse im Forschungs-zusammenhang: Worum handelt es sich bei der Beobachtung?

  • Überlegungen zur beobachteten spezifischen Handlungsweise: Warum treten die flüchtigen Materialien in der jeweiligen Form auf?

  • Kulturelles Hintergrundwissen: In welchen Sinnkontext stehen die Beobachtungen?

  • Beziehungsstrukturen: Wie lassen sich die Beziehungen charakterisieren und was ist die interne Struktur der Beobachtung?

  • Prozessorganisation: Wie wurde die beobachtete Einheit geschaffen, erhalten oder verändert?

  • Art der Beobachtung, Protokollierung sowie Einflussnahme.

8.6. Die Methoden- und ForscherInnentriangulation

"Triangulation beinhaltet die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand" (Flick 2008: 12).

In der dargestellten Studie wurde eine Triangulation unterschiedlicher qualitativer Methoden und ForscherInnen durchgeführt, mit dem Ziel, einen möglichst umfassenden Blick sowie unterschiedliche Perspektiven auf den Forschungsgegenstand zu erhalten und die Erkenntnismöglichkeiten zu erweitern (vgl. Lamnek 1995: 245).

Die Triangulation qualitativer Methoden, wie in diesem Fall der Fotobefragung, teilnehmenden Beobachtung und leitfadengestützten Interviews, ermöglicht es, durch die Kombination unterschiedlicher Datenerhebungen auf verschiedenen Ebenen den Untersuchungsgegenstand beleuchten zu können (Flick 2008: 41). So wurde mit der Fotobefragung und den Interviews zwar die subjektive Sichtweise der AssistenznehmerInnen und AssistentInnen auf Selbstbestimmung und das Beziehungsverhältnis im Modell der Persönlichen Assistenz aufgezeigt, jedoch erklärten sie nicht ausreichend, wie die soziale Wirklichkeit der Assistenzbeziehung und Selbstbestimmung im Interaktionsprozess in gemeinsamen Handlungen hergestellt und konstruiert wird. Dies konnte erst durch die Methode der teilnehmenden Beobachtung erfasst werden, welche wiederum stark von meinen subjektiven Bedeutungszuschreibungen geleitet wurde. In diesem Sinn ermöglichte die Triangulation der unterschiedlichen qualitativen Methoden einen Erkenntnisgewinn und konnte die Ergebnisse der Forschungsarbeit hinsichtlich unterschiedlicher Zugänge stärken.

Da aber auch die Analyse der gesammelten Daten durch meine subjektive Sinnzuschreibung geleitet und damit die Ergebnisse stark beeinflusst sowie in eine Richtung gelenkt wurden (vgl. Lamnek 1995), war es ein weiteres Ziel dieser Forschung, einige Forscherinnen in die Analyse einzubeziehen, welche kein Vorwissen über das Forschungsfeld und dessen AkteurInnen mitbrachten. So wurden die Fotoalben und zwei Textstellen der Interviews mit drei weiteren ForscherInnen aus den Disziplinen der Soziologie und Bildungswissenschaft analysiert. Dadurch wurde das Material unter ganz neuen Gesichtspunkten betrachtet und ermöglichte mir mehr Offenheit in der Analyse.

8.7. Reflexion des Forschungsvorgehens

Die Reflexion des Forschungsvorgehens war ein wichtiger Prozess der vorliegenden Arbeit. Erst durch eine intensive Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen des eigenen Vorgehens konnten die im nächsten Kapitel dargestellten Ergebnisse der Forschung angemessen interpretiert und diskutiert werden.

Das Forschungsvorgehen erwies sich als zielgruppenadäquat und ermöglichte vor allem auch durch die Triangulation der unterschiedlichen qualitativen Methoden einen umfassenden und intensiven Blick auf den Forschungsgegenstand und die zu beantwortenden Forschungsfragen.

  • Rolle als Forscherin:

    Der Feldzugang wurde durch eine Begleitforschung gelegt, in welcher ich selbst als Forscherin mitwirkte. Damit nahm ich in der Erhebung eine gewisse Doppelrolle ein: zum einen war ich Begleitforscherin eines Projekts und zum anderen forschte ich als Studentin für meine Diplomarbeit. Alle ProjektakteurInnen wussten über diese Doppelrolle Bescheid, jedoch wurde ich vorwiegend als externe Person wahrgenommen, die das Projekt nicht nur "erforscht", sondern gewissermaßen auch "bewertet". Dadurch war sicherlich das (Antwort-) Verhalten der AssistenznehmerInnen und AssistentInnen beeinflusst, aber auch ich hatte Schwierigkeiten, meine eigene Rolle im Forschungsprozess zu finden. Dies versuchte ich vor allem dadurch zu lösen, indem ich meine Rolle stets selbstkritisch reflektierte und in Memos diskutierte. Positiv war, dass ich durch die Begleitstudie einen Feldzugang bekam und AssistenznehmerInnen und AssistentInnen mir mit viel Offenheit entgegen kamen. Ich konnte mich lange und intensiv mit dem Forschungsgegenstand beschäftigen, wodurch die Fülle an Methoden überhaupt erst möglich wurde.

  • Auswahl und Gestaltung der Erhebungsmethoden:

    Die Verwendung unterschiedlicher qualitativer Methoden führte zu einem umfassenden Blick auf den Forschungsgegenstand.

    Mit Hilfe der partizipativen Methode der Fotobefragung war es – im Sinne der Disability Studies – möglich, nicht über, sondern mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zu forschen, indem diese ihr eigenes Relevanzsystem in den Forschungsverlauf einbrachten. Die AssistenznehmerInnen wurden aktiv durch das Fotografieren in die Datenerhebung einbezogen: sie selbst wählten aus, was sie fotografieren und somit aus ihrem Alltag zeigen und besprechen wollten. Dabei waren die AssistenznehmerInnen ExpertInnen und gestalteten den gesamten Interviewverlauf mit, indem sie die Themen selbst bestimmten. Zudem erhöhte der Einsatz von Fotos die Motivation der AssistenznehmerInnen, sich selbst auch aktiv am Interview zu beteiligen. Die Fotos riefen Situationen, Gefühle und Erinnerungen ins Gedächtnis zurück und entfalteten nicht nur eine erzählgenerierende Wirkung, sondern erhöhten auch die Konzentrationsdauer. Andererseits wurden die AssistenznehmerInnen durch die Fülle an Materialien teilweise abgelenkt und das Nebeneinander von Gestaltung des Albums und Befragung erwies sich als Herausforderung.

    Weiters stellte ich mir die Frage, inwieweit die Fotobefragung als partizipative Methode an ihre Grenzen stößt. So wurde zwar den AssistenznehmerInnen ermöglicht, durch die Fotos die Themen im Interview selbst festzulegen, durch den dritten abschließenden Schritt des leitfadengestützten Nachfragens brachte ich als Forscherin jedoch wieder selbst Themen ein, die für mich nicht ausreichend besprochen wurden. Inwieweit schränkt meine Intervention die Möglichkeit eines partizipativen Vorgehens ein? Wo liegen die Grenzen? Trotzdem wird in dieser Forschung die partizipative Forschung nicht als ein Alles-oder-Nichts-Prinzip verstanden und die Erkenntnisse durch diese Methode brachten einen deutlichen Mehrwert für die Forschungsarbeit und überraschten mich hinsichtlich der erzielten Ergebnisse.

    Die Beobachtungen als ethnographischer Zugang ermöglichten einen hohen Erkenntnisgewinn. Während der Beobachtungen gestaltete es sich jedoch schwierig, meine Rolle als Forscherin einzunehmen. Ich wurde so stark in das Geschehen einbezogen, dass oftmals ich anstatt der AssistentInnen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit seitens der AssistenznehmerInnen stand. Teilweise schlüpfte ich sogar ungewollt in die Rolle einer Assistentin. Das hatte nicht nur den negativen Effekt, dass ich die soziale Welt, die ich beobachten wollte, stark beeinflusste, sondern auch den positiven Effekt, dass ich dadurch direkt erlebte, welche Rolle AssistentInnen für die AssistenznehmerInnen einnehmen sollten und welche Vorstellungen damit verknüpft sind.

    Insgesamt erwiesen sich die Gestaltung der Erhebung und die Reihenfolge der im Feld eingesetzten Methoden als sehr gut. Obwohl durch die erste Kontaktaufnahme über die Interviews und Fotobefragung Vorwissen in die Beobachtung einfloss, war es hilfreich, dass mich die AssistentInnen und AssistenznehmerInnen bereits kannten, da dies zu einer sehr hohen Akzeptanz im Prozess des Beobachtens führte. Eine Erweiterungsmöglichkeit würde sich durch eine höhere Anzahl an Beobachtungen anbieten. So war der dritte Schritt der selektiven Beobachtung nur in geringem Maße umsetzbar und könnte bei einem längeren und umfassenderen Forschungsvorhaben daher stärker integriert werden.

  • Auswahl und Gestaltung der Auswertungsmethoden:

    Problematisch für den Auswertungsprozess war das breite Vorwissen über das Projekt, welches im Zuge der Begleitforschung gesammelt wurde. Dies konnte durch die Forscherinnentriangulation etwas ausgeglichen werden, indem die hinzugezogenen Forscherinnen über kein Vorwissen verfügten und neue Perspektiven einbringen konnten. Zu beachten ist, dass nur Forscherinnen und keine Forscher an der Analyse beteiligt waren, wodurch sicherlich ein geschlechtsspezifischer Blick und Erkenntnisgewinn den Ergebnissen innewohnt.

    Die Fotoanalyse und Feinstrukturanalyse ermöglichten eine sehr genaue und strukturierte Auswertung. Durch diese Analysen konnten die latenten Sinnstrukturen herausgearbeitet werden. Beide Methoden sind sehr zeitintensiv, wodurch ich manchmal Gefahr lief, den Analyseprozess etwas zu beschleunigen. Die Notwendigkeit, immer neues Material hinzuzuziehen und nicht vorschnell zu urteilen, erwies sich als große Herausforderung.

    Hinsichtlich der Beobachtungsprotokolle ergab sich eine zu reflektierende Schwierigkeit: die Beobachtungsprotokolle hatten bereits eine Interpretation in sich und die anderen Ergebnisse mussten mit aller Vorsicht mit dem beobachteten Material verglichen und ergänzt werden. Insgesamt zeigten sich die Beobachtungen als große Bereicherung in der Analyse und der Ergebnisdarstellung.

  • Qualitative Stichprobe

    Die vorliegende Studie befasst sich mit zwei Menschen mit Down-Syndrom und ihren AssistentInnen. Der theoretische Teil behandelt indes die große Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten insgesamt und auch die Forschungsfrage bezieht sich auf den Gesamtbegriff und nicht auf die spezifische Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten mit einem Down-Syndrom. Zu hinterfragen ist daher, inwieweit von dieser spezifischen Gruppe allgemein gültige Aussagen für alle Menschen mit Lernschwierigkeiten erfolgen können oder dürfen. Im Sinne der qualitativen Forschung ist es aber nicht Zielsetzung, allgemein gültige Aussagen zu tätigen – hinsichtlich des gewählten Forschungsdesigns wäre dies schlichtweg nicht möglich beziehungsweise sinnvoll. Vielmehr soll die vorliegende qualitative Studie erste Erkenntnisse sammeln und die Diskussion zur Persönlichen Assistenz bei Menschen mit Lernschwierigkeiten – wie Menschen mit Down-Syndrom – vorantreiben. Es handelt sich also in der Studie nur um einzelne Fallbeispiele und nicht allgemein gültige Aussagen.

    Dies gilt es bei der Interpretation der Ergebnisse und Beantwortung der Forschungsfrage zu berücksichtigen und wird auch in Kapitel 10: Problemstellungen und weiterführende Fragestellungen nochmals angeführt und besprochen.

  • Forschung über und mit Menschen mit Lernschwierigkeiten

    Durch mein geringes Vorwissen in der Gestaltung einer Forschung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten musste ich vieles im Forschungsprozess neu erlernen und erste "Berührungsängste" und Unsicherheiten überwinden. Es erwies sich zu Beginn als schwierig, meine eigene Sprechweise anzupassen und das Interview in leichter Sprache zu führen. Erst durch das Interview wurde mir klar, wie ForscherInnen ihre „wissenschaftliche Sprechweise“ verinnerlichen und oftmals „einfache“ Dinge in kompliziertester Weise ausdrücken.

    Auch war es eine Herausforderung, eine Balance zwischen Nähe und Distanz in der Forschung zu wahren, da mich beide AssistenznehmerInnen sofort sehr stark in ihre Welt einbezogen (beispielsweise riefen sie mich während der Forschung und auch nach der Forschung immer wieder an, um mir zu berichten, wie es ihnen gehe). Obwohl das „Immer-wieder-aufmerksam-Machen“ auf Charakter und Dauer der Beziehung sehr viel Energie erforderte, ermöglichte der starke Einbezug in das Leben der AssistenznehmerInnen nicht nur einen nahen und intensiven Zugang zum Forschungsfeld, sondern war auch auf persönlicher Ebene eine Bereicherung.



[19] Auch Erving Goffman steht zwischen der Ethnomethodologie und dem symbolischen Interaktionismus (vgl. Richter 2002: 83).

[20] Nach den Regeln des Netzwerkes Leichte Sprache (vgl. http://www.leichtesprache.org/downloads/Regeln_Netzwerk_Leichte_Sprache.pdf , am 10.10.2011

[21] Das "Ich" als Forscherin wurde gegenüber der oftmals üblichen passiven Schreibweise an manchen Stellen der Arbeit bevorzugt. Meiner Meinung nach ist es gerade in einem qualitativen Forschungsansatz von großer Relevanz, das eigene Ich explizit im Forschungsprozess sichtbar und greifbar zu machen, da die eigene ForscherInnenrolle in besonderem Maße den Forschungsgegenstand mitbeeinflusst und die Forscherin das Geschehen aus der eigenen Perspektive mit Vorannahmen interpretiert.

[22] Detaillierte Beschreibung der Fotoanalyse siehe Homepage Mag. Hemma Mayrhofer: http://homepage.univie.ac.at/hemma.mayrhofer/attachments/article/7/Workshop%20Fotobefragung_REKONSOBI%202010-12-11.pdf , am 22.02.2012

9. Ergebnisdarstellung

Die Ergebnisse der durchgeführten qualitativen Studie sollen nun in detaillierter Form dargestellt werden. Dabei werden die Erkenntnisse der Forschung anhand einzelner Materialbeispiele aufgezeigt und mit den Ergebnissen aus dem theoretischen Teil der Diplomarbeit in Verbindung gebracht und verglichen. Ziel dieses Kapitels ist es, die Forschungsfragen zu beantworten und in ihre Teilergebnisse beziehungsweise Unterkategorien aufzuschlüsseln, um schließlich ein umfassendes Gesamtbild der Ergebnisse aufzeigen zu können.

Auf Grundlage dessen wird nachfolgend auf Problemstellungen, Diskrepanzen und weitere offene Fragestellungen meiner Forschungsarbeit (siehe Kap. 10) eingegangen und in einem Fazit (siehe Kap. 11) werden Kernergebnisse und -erkenntnisse nochmals in einer anschaulichen und verkürzten Form verdeutlicht.

9.1. Selbstbestimmung als (Aushandlungs-)Prozess

In der Folge wird der Frage nachgegangen, inwieweit das Konzept der Persönlichen Assistenz auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten neue Möglichkeiten zu einem selbstbestimmteren Leben eröffnet.

In Bezug auf Anne Waldschmidt (2003) wurde im theoretischen Teil (siehe Kap. 1.3.2.) aufgezeigt, dass Selbstbestimmung nicht als anthropologische Konstante, sondern als soziales Konstrukt unserer Gesellschaft zu verstehen ist (vgl. Waldschmidt 2003: 13). Im Blickwinkel der Disability Studies ist es daher nicht nur Ziel, Chancen auf Selbstbestimmung durch das Konzept der Persönlichen Assistenz zu erarbeiten, sondern auch zu hinterfragen, wie Selbstbestimmung auf individueller Ebene hergestellt wird und welche Risiken eventuell darin liegen. Um den Forschungsfragen der Diplomarbeit Antwort zu geben, wird in diesem Kapitel der Versuch unternommen, Selbstbestimmung ein Stück weit zu „de-konstruieren“ und hinter die Kulissen eines so bedeutungsvollen Begriffs zu blicken.

In den folgenden Unterkapiteln werden der Aushandlungsprozess der Selbstbestimmung und dessen einzelne Aspekte detailliert beschrieben. Während das erste Unterkapitel (9.1.1.) noch ein höheres Abstraktionsniveau der Ergebnisse aufweist und damit den Denkrahmen für weitere Ausführungen abstecken soll, weisen die darauf folgenden Kapitel eine viel größere Nähe zu den empirischen Materialien auf.

9.1.1. Ebenen der Selbstbestimmung im Assistenzalltag

Selbstbestimmung ist kein Alles-oder-Nichts-Prinzip. Vielmehr existieren unterschiedliche Ebenen und Dimensionen, die in ihren Verschränkungen erst Selbstbestimmung produzieren. Helmut Walther (2009) beschrieb Selbstbestimmung als individuelle Kategorie, welche bei jedem Menschen dem Wollen (Selbstverantwortung), dem Wissen und Entscheiden (Selbstanleitung) sowie dem Können und Tun (Selbstständigkeit) zugrunde liegt. Dabei müssen die Begleiter und Begleiterinnen unterstützend wirken (vgl. Walther 2009: 86, siehe Kap. 4.2.3). Die vorliegende Arbeit stellt jedoch ins Zentrum der Betrachtung, dass Selbstbestimmung nicht nur auf die Ebene der AssistenznehmerInnen und das Zutun der AssistentInnen begrenzt werden darf, sondern eine weitere Ebene Einfluss auf den Prozess Selbstbestimmung hat, nämlich jene der äußeren Faktoren beziehungsweise des sozialen Umfelds (siehe Abb. 10). Selbstbestimmung (ob bei Menschen mit oder auch ohne Behinderung) ist meiner Meinung nach kein anthropologischer Dreischritt, sondern ein Konstrukt, welches auf drei Ebenen prozesshaft gestaltet und umgesetzt wird. Nach der Analyse der Interviews, Alben und Beobachtungsprotokolle wurde deutlich, dass die Umsetzung der Selbstbestimmung nicht nur dem Wissen und Wollen sowie Können und Tun zugrunde liegt, sondern auch von einem Dürfen und Sollen abhängig ist.

Abbildung 8. Die drei Ebenen der Selbstbestimmung

Drei Ebenen der Selbstbestimmung in Form von drei
 Ovalen: Ebene
                           der Aushandlung (Können /Tun); Ebene des sozialen Umfelds
 (Dürfen
                           /Sollen); Ebene des Individuums (Wissen /Wollen)
  1. Ebene des Individuums

    Selbstbestimmung liegt zunächst der Ebene des Individuums zugrunde. In der Studie wurde deutlich, dass die Umsetzung der Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen sehr stark davon abhängt, ob diese überhaupt Selbstbestimmung wollen und über das Wissen verfügen, wie sie gewisse Situationen und Handlungen anleiten oder auch selbstständig umsetzen sollen. Beide nachstehenden Zitate aus den Interviews mit den AssistenznehmerInnen zeigen diese individuelle Ebene auf. Der Assistenznehmer will im ersten Zitat aus den Interviews eine Situation ganz alleine ohne Zutun des Assistenten bewältigen, während er im zweiten Zitat neben dem Wollen auch über das Wissen verfügt, dass er als Assistenznehmer selbstbestimmte Handlungen setzten darf.

    Der Assistent war schon dabei, aber ich wollte das selber halten.“ (Interview Assistenznehmer, S.4/Z.2)

    Und wenn mich was stört, kann ich´s gut unterbrechen. Das kann ich auch ab und zu machen, wenn´s stört.“ (Interview Assistenznehmer, S.18/Z.35f)

    Deutlich wurde dies auch in der Gestaltung der Fotografien. So baten teilweise die AssistenznehmerInnen die AssistentInnen zu entscheiden, welche Fotos wie gemacht werden sollten. Im Zuge der Fotobefragung hoben die AssistenznehmerInnen aber hervor, wenn sie ein Foto selbst aufgenommen hatten. So erzählte der Assistenznehmer stolz, dass er gelernt hat, sich selbst zu fotografieren und daher ein Foto auch so aufnahm, obwohl ihm der Assistent gesagt hatte, dass das Foto so nicht gut werden würde.

    Oftmals wurde in den Schilderungen der AssistenznehmerInnen und AssistentInnen sowie den Beobachtungen deutlich, dass die AssistenznehmerInnen teilweise noch nicht wissen, wie sie ihr Leben selbstbestimmt durch Assistenz gestalten können.

    Sie erwarten halt oft von uns, dass von uns was kommt, oder so. (…) Wo ich dann immer sage: `Du bist der Assistenznehmer, du musst mir eigentlich sagen, was wir jetzt machen oder du machen willst´. Und das ist noch schwierig. Für beide.“ (Interview Assistentin L., S. 7/Z.9-13)

    In einigen Belangen und Situationen wollen die AssistenznehmerInnen daher, dass die AssistentInnen für sie und vor allem mit ihnen Entscheidungen treffen. In den Beobachtungen kam es häufig zu Situationen, in welchen die AssistenznehmerInnen die AssistentInnen fragten, ob diese für sie entscheiden könnten und waren auch verärgert, wenn diese dem Wunsch nicht nachgingen. Beispielsweise entstand eine Situation, in welcher der Assistenznehmer sich im Schwimmbad einen kleinen Schnitt zuzog und der Assistent ein Pflaster holte. Dabei fragte der Assistenznehmer, wann er denn das Pflaster wieder weg tun könne und der Assistent gab ihm den Tipp, es vor dem Schlafengehen ab zu machen. Nun wollte der Assistenznehmer jedoch unbedingt vom Assistenten wissen, wann das denn sei, dass er Schlafen gehe. Als der Assistent ihm jedoch sagte, dass er das nicht wisse und dass das der Assistenznehmer selbstbestimmen müsse, war dieser verärgert.

    Wie die AssistenznehmerInnen Selbstbestimmung umsetzen, hängt von zwei weiteren Ebenen ab. So wird das Wissen und Wollen stark von äußeren Faktoren (wie anderen Personen und der Gesellschaft) sowie Aushandlungen der involvierten Personen beeinflusst.

  2. Ebene des sozialen Umfelds

    Ob Selbstbestimmung realisiert und wie Selbstbestimmung auf individueller Ebene umgesetzt wird, hängt nicht nur davon ab, ob das Individuum das will, kann und auch das Wissen darüber (bekommen) hat, sondern auch, inwieweit das soziale Umfeld dem Individuum Selbstbestimmung zuerkennt und zutraut. So ist die Realisierung der Selbstbestimmung auch gewissermaßen von einer sozialen Erwünschtheit abhängig. Die Gesellschaft hat Einfluss darauf, ob und wie Selbstbestimmung in einer Situation durchgeführt werden darf und soll.

    J: Ich mein natürlich ja, im Prinzip ist niemand vollständig selbstbestimmt, wir haben alle unsere Arbeit, wir haben einfach, ja, die gesellschaftlichen Regeln.“ (Interview Assistentin L., S. 14/Z38f)

    Das Interviewzitat verdeutlicht sehr treffend, dass Selbstbestimmung hier als etwas gesehen wird, das immer unter dem Deckmantel unterschiedlicher Normen und Regeln der Gesellschaft steht.

    Doch nicht nur die vorherrschende Einstellung der Gesellschaft, sondern auch das direkte Umfeld der AssistenznehmerInnen (wie die AssistentInnen, aber auch Familie, Bezugspersonen und Freunde) spielen eine wichtige Rolle im Prozess und nehmen einen deutlichen Einfluss auf die Selbstbestimmung.

    Im folgenden Interviewausschnitt zitiert der Assistenznehmer seinen Assistenten, welcher ihm erklärt, dass er in der Assistenz nicht einfach machen könne, was er wolle. Wenn der Assistenznehmer etwas bestimme, dann müsse er dabei Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis und den Assistenten nehmen.

    AN: Ja, alles was er (der Assistent) gesagt hat: (…) wenn ich da bin und Dienst hab, dann kannst nicht einfach was anderes machen, wenn ich da bin. Und wenn ich nicht da bin, dann kannst du immer machen, was du willst.“ (Interview Assistenznehmer, S.19/Z.23-27; Anmerkung in Klammer AS)

    Der zweite Testausschnitt aus dem Interview mit der Assistentin L. zeigt auf, dass ebenso das familiäre Umfeld die Umsetzung der Selbstbestimmung beeinflusst:

    L: Und, naja, ich muss ehrlich sagen, ob das wirklich von ihr ausgegangen ist, oder von den Eltern, weil da immer noch ein starker Einfluss ist auch. (Interview Assistentin L., S.5/Z.14)“

    Auch im Zuge einer Beobachtung zwischen dem Assistenznehmer und Assistent T. wird dies immer wieder deutlich. So erklärt der Assistenznehmer dem Assistenten beispielsweise, dass er gerne ein Sofa aus seiner Wohnung geben würde, bevor er das jedoch tue, müsse er noch mit seinem Vater sprechen, ob er das auch dürfe. Die Umsetzung dieser Entscheidung wird hier noch sehr stark von den Eltern mitgeprägt und beeinflusst.

    Der Einfluss des sozialen Umfelds wurde auch bei der Gestaltung der Alben und Interpretation ersichtlich. Vor allem bei der Assistenznehmerin wurden auf zwei der vier Seiten des Fotoalbums die Eltern oder Verwandtschaft erwähnt (siehe Abb. 11 und Abb. 12 auf Seite 96).

    Abbildung 9. Dritte Seite eines Fotoalbums: Haushalt

    verschiedene Fotos von einer Frau bei haushaltlichen
                                 Tätigkeiten auf einer gelben Seite. Text zwischen den Fotos:
                                 Haushalt
 und Nette Eltern

    Auf dieser Seite bat mich die Assistenznehmerin, „nette Eltern“ darauf zu schreiben. Das hatte zwei Gründe: zum einen verband die Assistenznehmerin ihr Leben mit Persönlicher Assistenz und in ihrer eigenen Wohnung noch sehr stark mit ihren Eltern, indem diese sie immer wieder dazu anhielten, ihre eigene Wohnung auch sauber zu halten. Und zum anderen war zu dem Zeitpunkt, als wir die Seite gestalteten, ihr Vater unangemeldet vorbei gekommen, um in ihren Unterlagen etwas zu suchen. Dabei sagte er der Assistenznehmerin, dass er ein Brettspiel aus dem Regal nun in die Abstellkammer stelle, weil es hier störe.

    Alle Ergebnisse zeigen auf, dass das soziale Umfeld in der Diskussion zur Umsetzung der Selbstbestimmung eine wichtige Rolle einnimmt, welche zu reflektieren gilt.

    Wie Selbstbestimmung und auch deren Umsetzung gelingen kann, muss aber auch auf einer dritten Ebene zwischen dem sozialen Umfeld und dem Individuum ausgehandelt werden.

  3. Ebene der Aushandlung

    Wie bereits von Altenschmidt und Kotsch aufgezeigt wurde, „(…) verweist der Begriff der Selbstbestimmung auf die prinzipielle Bezogenheit des Menschen auf den anderen“ (Altenschmidt/Kotsch 2007: 233).

    Das Können und Tun der Selbstbestimmung hängt nicht vom Individuum alleine ab und auch nicht nur vom sozialen Umfeld (außer durch direkte Einschränkungen des Selbst wie in totalen Institutionen), sondern es wird von den in der Situation anwesenden Personen ausgehandelt. Es handelt sich um eine Wechselwirkung zwischen den AssistenznehmerInnen und den AssistentInnen oder anderen Personen und deren jeweiligen Einstellungen und Ansichten über Selbstbestimmung. So kann Selbstbestimmung in der einen Situation ganz anders umgesetzt werden als in einer anderen. Einmal wird in den Beobachtungen Selbstbestimmung durch die eigenständige Handlung der AssistenznehmerInnen hergestellt, einmal durch eine direkte Anleitung der AssistentInnen, wieder ein anderes Mal durch die Entscheidung zwischen unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten, die die AssistentInnen den AssistenznehmerInnen geben und schließlich auch dadurch, dass die AssistenznehmerInnen gar nicht selbst bestimmen, wie etwas gemacht werden soll, sondern selbst wollen, dass die AssistentInnen für sie entscheiden[23].

    Deutlich wird der Aushandlungsprozess der Selbstbestimmung im folgenden Interviewzitat:

    „I: Und wenn jetzt dein Assistent, deine Assistentin da ist, wer bestimmt denn dann, was ihr macht?

    AN: Ich und die Assistentin L..

    I: Zusammen?

    AN: Zusammen mach´ ma. Ich sag immer egal.

    I: Egal? Und was ist dann?

    AN: Müssen wir streiten.

    I: Wählst du das dann aus, oder macht das dann meistens…

    AN: (Name der Assistentin) und ich.

    I: Ah, ok?

    AN: Beide.“ (Interview Assistenznehmerin, S.23/Z.20-32)

    Es gibt nicht nur einen richtigen Weg, der zur Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen führt. Vielmehr haben die Ergebnisse der Studie gezeigt, dass Selbstbestimmung nicht nur vom Individuum abhängt, sondern in den jeweiligen Situationen und Handlungen zwischen unterschiedlichen Personen hergestellt und ausgehandelt wird. Die nun folgenden Ergebnisse sind daher unbedingt im Kontext dieses dargestellten Denkrahmens zu deuten. Doch was bedeutet für die AssistenznehmerInnen und auch AssistentInnen Selbstbestimmung als Begriff und welche Bedeutung wird diesem in der Alltagspraxis zugesprochen?

9.1.2. Bedeutung der Selbstbestimmung für die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen

Im Zuge der Interviews wurden die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen gefragt, was Selbstbestimmung für sie bedeutet. Darauf gab es sehr unterschiedliche Antworten.

Beide AssistenznehmerInnen wussten vorerst nicht, was der Begriff heißt und was dieser für ihr Leben bedeutet:

„I: Kennst du das Wort (Selbstbestimmung)?

AN: Ich kenne das nicht.

I: Also das heißt eigentlich, dass du selbst entscheiden kannst, was du machen willst, dass du selber bestimmst. Und was würde das für dich bedeuten, dass du selber was bestimmen kannst? (…)

AN: Mm. Ja, das find ich auch eine gute Lösung.“

„I: Ok, das ist auch schwierig. Was bedeutet für dich das Wort Selbstbestimmung? Hast du das schon mal gehört?

AN: Nein

I: Also selbst zu bestimmen, was man machen will.

AN: Ach so, ja sicher.“

Obwohl die beiden AssistenznehmerInnen den „Begriff Selbstbestimmung“ nicht kannten, wurde im Verlauf der Fotobefragung und den Beobachtungen deutlich, dass sie sehr wohl wissen, was es bedeutet, selbstbestimmt im Zuge der Assistenz zu handeln und zu leben (siehe Kapitel 9.1.3).

Das Wort „Selbstbestimmung“ fiel seitens der AssistenznehmerInnen in den Interviews nie, hingegen war der Begriff der „Selbstständigkeit“ sowohl in den Interviews, den Fotos als auch in den Beobachtungen allgegenwärtig. Es war den AssistenznehmerInnen weniger wichtig, mir zu verdeutlichen, etwas im Assistenzalltag selbst bestimmt zu haben, viel wichtiger waren hingegen das Thema und die Umsetzung der Selbstständigkeit in unterschiedlichsten Situationen. Beide hoben immer sehr stark hervor, wenn sie etwas selbst getan oder gesagt haben.

„AN: Das habe ich selber drauf gemacht, das habe ich so gemacht.“ (Interview Assistenznehmer, S.3/Z.36)

Es scheint unter Einbezug und Analyse aller Materialen den AssistenznehmerInnen nicht darum zu gehen, alles selbst zu bestimmen, sondern die Möglichkeit zu haben, die eigene Individualität zu leben, zu zeigen und dafür respektiert zu werden. Dabei ist selbstständiges Handeln für die AssistenznehmerInnen von besonderer Bedeutung.

Während der Assistenzstunden wurde im Zuge der Beobachtungen deutlich, dass die AssistenznehmerInnen sehr häufig selbstständige Leistungen und das eigene Können in den Vordergrund rückten. Beispielsweise zeigte der Assistenznehmer während einer Beobachtung im Schwimmbad, wie gut er Gegenstände auftauchen kann und ein anderes Mal führte er dem Assistenten T. und mir etwas vor.

Der Assistenznehmer stellte sich in die Mitte des Raumes, um uns etwas vorzuführen. Er begann laut einen Musical Song zu singen und wirkte dabei sehr selbstbewusst. Assistent T. und ich saßen auf der Couch, hörten zu und klatschten, als er fertig war. Der Assistenznehmer verbeugte sich schließlich wie ein Schauspieler.

Unter Analyse der Materialien wurde deutlich, dass die AssistenznehmerInnen nicht vorwiegend die Assistenz dazu nutzten, um eine selbstbestimmte Lebensführung zu verwirklichen, sondern vielmehr die Präsentation des eigenen „Ich“ und der eigenen Leistung im Vordergrund stand. Vor allem bei der Betrachtung der Fotoalben konnte dies deutlich festgestellt werden (siehe Abb. 12).

Abbildung 10. Erste Seite eines Fotoalbums: Freizeit

Rote Seite auf der vier Fotos verteilt sind, die eine
 Person im
                           Schwimmbad abbilden. Text zwischen den Fotos: Freizeit und
                           Verwandtschaft

Diese Seite bildet die Vorderseite des ersten Blattes des Albums der Assistenznehmerin. Die Aufnahmen wurden während der Freizeitassistenz gemacht und zeigen die Assistenznehmerin bei einer Aktivität, die genau in Szene gesetzt wurde und vor allem ihre Leistung hervorhebt. Interessant daran ist, dass dies die Vorderseite ist und erst auf der Rückseite die Assistenznehmerin als Person mit ihren Charakterzügen sowie die Beziehung zur Assistenz zu erkennen sind. Zudem wurde die Seite mit „Verwandtschaft“ übertitelt, was – laut Angaben der Assistenznehmerin bei der Fotobefragung – bedeutet, dass sie ihrer Familie und ihren Verwandten zeigen will, was sie kann, damit diese stolz auf sie sind.

Neben dem Aspekt der Leistungserbringung war den AssistenznehmerInnen auch wichtig, mit Hilfe der Persönlichen Assistenz das eigene „Ich“ zu präsentieren, die eigene Identität zu stärken und sichtbar zu machen. Abbildung 13 zeigt eine Seite aus dem Fotoalbum des Assistenznehmers, in welchem er seine eigene Wohnung präsentiert und sich darin in Szene setzt.

Abbildung 11. Zweite Seite eines Fotoalbums: Wohnen

Rote Seite auf der zwei Fotos verteilt sind, die eine
 Person in
                           der Küche und eine in einem Fehrnsehzimmer zeigen. Text über
 den
                           Fotos: Küche und Fehrnsehzimmer

Diese Form der Darstellung zieht sich beinahe durch das gesamt Fotoalbum. Während der Fotoanalyse wurde immer wieder die starke Inszenierung des eigenen „Ichs“ und der eigenen Wohnung deutlich. Unter dem Titel des Albums „Mein Alltag mit Persönlicher Assistenz“ wurde das gesamte Album vor allem mit Fotos gestaltet, auf welchen der Assistenznehmer selbst, seine Wohnung und seine Hobbies abgebildet sind. Die persönlichen AssistentInnen als Personen sowie Situationen mit ihnen wurde nur auf einem Foto ersichtlich. Ansonsten wurde mit dem Assistenzalltag vor allem die Möglichkeit genützt, sich selbst darzustellen und die eigenen Hobbies zu verdeutlichen. Es entstand der Eindruck, dass Assistenz gar nicht benötigt wird, außer zur Anfertigung der Fotos, damit sich der Assistenznehmer präsentieren kann. Die eigene Identität steht im Vordergrund und durch persönliche Assistenz wird es möglich, diese darzustellen und Raum zur Entfaltung (durch das Leben in der eigenen Wohnung) zu erhalten. Die Präsentation des eigenen „Ichs“ und die Schaffung der eigenen Identität könnte damit eine weitere Achse der Selbstbestimmung bilden, was jedoch durch weite Studien einer intensiveren Auseinandersetzung bedarf.

Wichtig schien nach Interpretation der Beobachtungen, Interviews und Fotos für die AssistenznehmerInnen vor allem, dass sie für ihre Selbstständigkeit und Leistung bewundert werden sowie Anerkennung bekommen, um damit die Differenz zu anderen Jugendlichen aufgrund ihrer Behinderung auszugleichen beziehungsweise zu verarbeiten. Die AssistenznehmerInnen hoben sich selbst und ihre Leistungen so stark hervor, um so zu sein wie alle anderen. Dies scheint jedoch nicht wirklich einen Widerspruch dazustellen: Individualität und Leistung sind mehr und mehr wichtige Prinzipien der heutigen Leistungsgesellschaft[24]. Abgesehen von starker Kritik an solchen Individualisierungstendenzen und dem Leistungsprinzip bildet somit aus diesem Blickwinkel das Modell der Assistenz eine weitere wichtige Möglichkeit, sich selbst zu präsentieren, das eigene „Ich“ in den Vordergrund zu rücken und durch diese Form der Individualität zur Gesellschaft dazu zu gehören.

Welche Bedeutung hat nun aber die Selbstbestimmung für jene Personen, welche die AssistenznehmerInnen bei der Umsetzung unterstützen sollen?

Die AssistentInnen antworteten auf meine Frage, was sie unter Selbstbestimmung verstünden, wie folgt:

L: Und ich für mich wirklich überlegt habe, was ist für mich jetzt wirklich Selbstbestimmung? Das ist ein großes Wort. Was steht dahinter? Also einfach, dass ich wohnen kann, wo ich will, die Arbeit machen kann, die mir Spaß macht, dass ich einfach in meinem Leben das machen kann, so wie ich es für richtig halte und nicht ständig wer da ist, der mir sagt: na das würd ich nicht so machen, oder na, du machst das jetzt sicher net so. Dass ich einfach sagen kann: ja, egal, ich machs trotzdem so, weil ich das so will.“ (Interview Assistentin L. S.14/Z.32-37)

„T: Dass man frei entscheiden kann, was man macht. Dass man im gewissen Maße halt frei ist. Ja, nicht nachfragen muss, ob man das und des tun darf oder kann.“ (Interview Assistent T. S.9/Z.1f)

Wie die Assistentin im ersten Zitat bereits feststellte, ist Selbstbestimmung für sie ein „großes Wort“. Später im Interviewverlauf räumt sie jedoch ein, dass nie jemand vollkommen selbst bestimmt sein kann. Jede Person ist abhängig von Gesellschaftsstrukturen und ihrem sozialen Umfeld (siehe zweite Ebene). Trotzdem heben beide AssistentInnen vor allem zwei für sie wichtige Aspekte von Selbstbestimmung hervor: einerseits die Autonomie (im Sinne der Freiheit) und andererseits die Unabhängigkeit von anderen Personen. Selbstbestimmung wird für die AssistentInnen vor allem unter der Voraussetzung von Unabhängigkeit und Autonomie umgesetzt. Dies scheine jedoch aufgrund der sozialen Welt, in der wir leben, und aufgrund der Angewiesenheit jedes Menschen auf andere nicht voll umsetzbar, so hebt die Assistentin hervor. Die Assistentin erwähnt aber noch einen weiteren Aspekt der Selbstbestimmung. Obwohl andere Personen sagen, wie etwas gemacht werden kann oder soll, hat der selbstbestimmte Mensch die Möglichkeit, für sich selbst zu entscheiden, den Rat oder Befehl zu befolgen, oder trotzdem nach eigenen Maximen zu handeln. Unter diesem Aspekt erscheint Selbstbestimmung nicht mehr nur als eine Art „Idealtypus“ (vgl. Weber 1972) im Sinne einer vollkommenen Unabhängigkeit und Autonomie, welche nie erreichbar ist, sondern Selbstbestimmung wird erst in einem individuellen Aushandlungsprozess mit der Umwelt umsetzbar. Diese Form der Umsetzung von Selbstbestimmung wird vor allem im Assistenzkonzept für Menschen mit Lernschwierigkeiten sichtbar.

Zusammenfassend scheint Selbstbestimmung eine Leitlinie für das Konzept und die AssistentInnen darzustellen. Den AssistenznehmerInnen selbst ist es allerdings nicht vordergründig wichtig, Selbstbestimmung durch das Konzept der Persönlichen Assistenz zu leben, als vielmehr an der Gesellschaft zu partizipieren und dazu zu gehören. Inwieweit das Modell der Persönlichen Assistenz dennoch dem darin liegenden Ideal der Selbstbestimmung gerecht wird, soll im folgenden Kapitel erörtert werden.

9.1.3. Aushandlungsprozess der Selbstbestimmung und dessen „Einflussvariablen“

Obwohl von den AssistenznehmerInnen vordergründig die selbstständige Leistung thematisiert wurde, verdeutlichen die Beobachtungsprotokolle und auch die Fotobefragungen, dass eine selbstbestimmte Lebensführung sehr wohl für sie von Relevanz war. Ersichtlich wurde, dass es einen Unterschied darstellte, ob die AssistenznehmerInnen über „große Dinge“ in ihrem Leben bestimmten, oder nur in einzelnen alltäglichen Dingen Entscheidungen für sich trafen und danach handelten.

Wobei ich glaub, dass des eher noch die kleinen Sachen sind, die sie selber bestimmen. Also so die großen Sachen, wie wirklich Lebensgestaltung, mehr oder weniger, des, ja, des braucht noch seine Zeit.“ (Interview Assistentin L., S.14/Z.50ff)

Den AssistenznehmerInnen scheint aber im Widerspruch zu dieser Aussage gerade die Selbstbestimmung in größeren Dingen wichtig zu sein. So empfinden es beide als Bereicherung, alleine in einer eigenen Wohnung leben zu können – auch wenn sie angeben, sich teilweise einsam zu fühlen –, da sie dadurch unabhängig sind und tun können, was sie wollen.

„Ich hab mir nie gedacht mit der Wohnung. Hab ich mir nicht gedacht. Hab mir gedacht, oh mein Gott. Wunderbar.“ (Interview Assistenznehmerin, S. 23/Z. 12f)

Wenn du am Wochenende in der Wohnung bist, ist auch recht ok. Wenn nicht ok, dann komm ich einfach darüber (Wohnung des Assistenznehmers) und kann selbst entscheiden.“ (Interview Assistenznehmer, S. 22/ Z. 15f)

Sehr deutlich wird im folgenden Zitat des Assistenznehmers, dass er den Sinn der eigenen Wohnung auch darin erkennt, unabhängig von seinen Eltern zu sein, da diese irgendwann nicht mehr für ihn da sein werden.

„I: Und an deinem Leben, was hat sich da verändert, wie du dich fühlst durch diese neue Wohnung.

AN: Ja, praktisch.

I: Das ist praktisch?

AN: Ja, sicher.

I: Und warum siehst du das so, dass es praktisch ist?

AN: Das kommt drauf an wie lang noch meine Eltern leben.“

(Interview Assistenznehmer, S. 21/Z. 34-40)

Bei alltäglichen Handlungen waren ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung und Entscheidungen weniger wichtig und sie versuchten oftmals, diese den AssistentInnen zu überlassen.

Wie wurde Selbstbestimmung konkret in den Assistenzstunden konstruiert? Es wurde bereits verdeutlicht, dass Selbstbestimmung zwischen den AssistenznehmerInnen und AssistentInnen oder auch anderen Personen ausgehandelt wird. Das Konzept der Persönlichen Assistenz sieht ursprünglich vor, dass der/die AssistenznehmerIn weiß, was er/sie will und wie dies umgesetzt werden kann. Dabei leitet er/sie die AssistentInnen an. Durch Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten scheint dies jedoch teilweise nicht in dieser Form umsetzbar zu sein. Im Zuge der Forschung wurde festgestellt, dass die AssistenznehmerInnen große Schwierigkeiten hatten, ihre Vorstellungen und Wünsche zu formulieren. Sehr häufig ersuchten die AssistenznehmerInnen die AssistentInnen, für sie Entscheidungen zu treffen.

Meistens war es den AssistenznehmerInnen auch wichtig, herauszufinden, wie die AssistentInnen die Assistenz planen wollen und Alltagshandlungen gesetzt werden, wobei die AssistentInnen die AssistenznehmerInnen immer wieder dazu anhielten, das selbst zu entscheiden.

Die Assistenznehmerin setzte weiter damit fort, Assistent S. zu erklären, was sie gerne mache und wie sie den Haushalt regle und ordne. Dabei fragte sie Assistent S. immer wieder, wie er das machen wolle und dieser antwortete: „Was auch immer du machen willst. Du weißt das eh am besten.“

Auch in kleinen Entscheidungen und Handlungen im Assistenzalltag stellten die AssistenznehmerInnen den AssistentInnen immer wieder Fragen, wie sie etwas tun sollten:

Als die Assistenznehmerin die Gurke in kleine Stücke schnitt, fragte sie immer wieder bei Assistentin L. nach, (…) wie groß die Stücke sein sollten. Assistentin L. reagierte aber immer nur mit: „Mach wie du willst.“

Sobald die AssistentInnen die beiden AssistenznehmerInnen dazu anhielten, selbst zu bestimmen, was sie gerne in der Assistenz machen wollten, kamen meist nur Antworten wie "egal" oder "ich weiß nicht, entscheide du". Es stellte sich für die AssistenznehmerInnen als sehr hilfreich heraus, wenn diese in einem längeren Prozess (dieser konnte über eine Stunde dauern) unterschiedliche Möglichkeiten gemeinsam mit den AssistentInnen erarbeiteten, aus denen die AssistenznehmerInnen dann die für sie passenden Möglichkeiten auswählten. Dadurch, dass die AssistentInnen den AssistenznehmerInnen Wahlmöglichkeiten offerierten, konnten diese eine gewisse Form der Selbstbestimmung erreichen. Dies wurde bereits durch Georg Feuser (2006) in seinem theoretischen Modell der advokatorischen Assistenz als eine mögliche Umsetzung der Selbstbestimmung im Modell der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten aufgezeigt (siehe Kap. 4.2.1) und scheint in der Praxis auch realisiert zu werden. Durch das Aufzeigen und Besprechen unterschiedlicher Handlungsalternativen fiel es den AssistenznehmerInnen leichter, sich für eine Möglichkeit zu entscheiden. Dies setzte allerdings voraus, dass die AssistentInnen nicht nur eigene Vorstellungen in den Mittelpunkt rückten, was, wie folgend Assistentin L. im Interview beschreibt, eine schwierige Aufgabe darstellte.

„(...) es muss jeder Mensch seine Erfahrungen machen und deshalb ist der Sprung einfach schwierig. Sag ich jetzt: na, des würd ich nicht machen, oder sag ich: probier´s aus und dann siehst es eh ob´s richtig ist oder nicht. Weil es sind eigenen Erfahrungen und Werte und Vorstellungen da natürlich immer drinnen, was ich sag oder raten würden, und deswegen muss des noch lange net für einen anderen Menschen passen. Das ist sehr sensibel denk´ ich.“ (Interview Assistentin L., S. 11/ Z. 5-9)

In dem nun folgenden Auszug aus einem Beobachtungsprotokoll wird zudem deutlich, wie schwierig sich eine solche Situation in der Praxis gestaltet:

AN (der Assistenznehmer) kam daraufhin auf die Idee, Pommes beim Kiosk zu kaufen, der jedoch geschlossen aussah. Er sagte, wir müssten alle hinschauen, ob vielleicht Öffnungszeiten am Kiosk stünden, damit er wisse, ob sie nochmals aufsperrten. (...) So sagte AN zu Assistent T., er solle für ihn bei der Kassa anfragen. T. antwortete, warum nicht AN gehe, wenn er doch die Pommes haben wolle. AN bat T. nochmals und sagte, er selbst traue sich nicht. (…) T. erwiderte, dass er sich doch ruhig trauen könne. Er müsse nichts befürchten und er wohne ja jetzt auch schon alleine in einer Wohnung, da werde er sich ja wohl trauen, bei der Kassa nach zu fragen. AN reagierte nur mit einer weiteren Bitte an T. und sagte, dieser sei kindisch. (...) Dann war das Thema beendet (...).

Nach kurzer Zeit sagte AN wieder, dass er jetzt Pommes haben wolle. Daraufhin stand T. auf und schlug vor, dass sie jetzt gemeinsam Fragen gehen sollten. (…) AN stand auf und ging mit T. zur Kassa. Ich folgte nicht, aber T. erwähnte, als sie wieder zurückkamen, dass er und nicht AN gefragt habe. AN erzählte mir dann, dass der Kiosk gar nicht mehr öffnen werde und er wolle aber unbedingt Pommes.

Dann schlug er vor, dass ich hier bleiben solle und er zusammen mit T. zu der nächsten Tankstelle fahre, um dort Pommes zu kaufen. Den Plan erklärte er uns einige Male. T. fragte AN, ob er denn sicher sei, dass die dort Pommes hätten. Dieser erwiderte, dass sie welche haben würden. (...) Schließlich machte T. AN einen Vorschlag: „Wir bleiben noch im Schwimmbad und fahren dann früher los und gehen dann noch zum McDonalds und holen dort noch welche. Nur müssten wir dann schon in einer Stunde, also um 18:00, wieder gehen.“ Ob er das so wolle? Wenn nicht, dann fahre er mit ihm zur Tankstelle. AN überlegte und T. fragte, ob das ein Deal sei. Daraufhin nickte AN und sagte ja, sie würden da bleiben. Dann fragte er T., ob dieser nochmal Dienst bei ihm in der Freizeit habe. T. erwiderte ja, sofern AN das wolle. AN sagte, dass er dann die Idee habe, das nächste Mal wieder ins Freibad zu gehen und dann werde der Kiosk offen haben und sie könnten sich dann die Pommes kaufen.

In dieser Situation wird eine Intervention seitens des Assistenten ersichtlich. Nach dem klassischen Modell der Persönlichen Assistenz würde hier die Selbstbestimmung des Assistenznehmers untergraben werden. Der Assistenznehmer äußerte die klare Willensäußerung, dass er zur Tankstelle fahren will. Danach hätte der Assistent auch handeln und somit dem Wunsch des Assistenznehmers ungefragt nachkommen sollen. In dieser Situation wird aber deutlich, dass Assistent T. nicht entsprechend reagiert, sondern erst dem Assistenznehmer unterschiedliche Wahlmöglichkeiten eröffnet und schließlich gemeinsam mit ihm bestimmt, dass sie doch noch weiter im Schwimmbad bleiben. Die Situation zeigt, dass die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten auch eindeutig an Grenzen stößt und oftmals der Übergang von "Setzen unterschiedlicher Alternativen" zu einer "Eingrenzung der Selbstbestimmung" nicht mehr klar ersichtlich wird. Zudem nimmt hier Assistent T. eine ganz andere Rolle als im klassischen Assistenzmodell ein, wie im Kapitel 9.2 noch weiter diskutiert wird.

Obwohl, wie das Beispiel gezeigt hat, das Eröffnen von Wahlmöglichkeiten für die Ermöglichung der Selbstbestimmung ein zu hinterfragender Faktor ist, zeigte sich aber doch, dass dies einen wichtigen Zwischen-Schritt darstellt, um sich mehr und mehr selbstbestimmten Handlungen und Lebensführungen anzunähern. Am Ende der Diskussion traf der Assistenznehmer für sich selbst eine Entscheidung, die nicht einmal vom Assistenten T. in der Form vorgeschlagen wurde. So wurde im Zuge der Interviews beziehungsweise sogar schon während der Beobachtungen ersichtlich, dass die AssistenznehmerInnen mehr und mehr in die Rolle hineinwuchsen, nicht nur Entscheidungen zu treffen, sondern auch zu wissen, wie sie Assistenzstunden oder unterschiedliche Situation gestalten wollten und dies auch durch Anleitung der AssistentInnen umsetzten. Es wird hier der Prozesscharakter der Selbstbestimmung deutlich. Zunächst war es den AssistenznehmerInnen meist egal, wie die Assistenz gestaltet wird und was sie machen wollen, dann wählten sie aus unterschiedlichen Handlungsalternativen aus, bis sie schließlich selbst Vorschläge machten und die AssistentInnen anleiteten.

Und auf der anderen Seite glaub ich schon, dass sie schon langsam hineinwachsen und auch selber einfach verstehen: ok, ich bin - das sagens immer wieder mal - erwachsen und eigentlich kann ich da selber entscheiden, oder? (lacht) Des kommt schon immer wieder mal raus.“ (Interview Assistenten L. 27-30)

Hier wird "Zeit" eine wichtige Einflussvariable auf die Selbstbestimmung der AssistenznehmerInnen. Je mehr sie in ihre Rolle hineinwuchsen und je öfter unterschiedliche Wahlmöglichkeiten gemeinsam ausgehandelt wurden, desto eher wussten sie von sich aus, was sie wollten und wie sie ihre Wünsche auch durchsetzen konnten. Aber nicht nur die AssistenznehmerInnen, auch die AssistentInnen benötigten diesen Prozess, um die AssistenznehmerInnen näher kennen zu lernen und dem "Selbstbestimmt-Werden" nicht durch zu starke Interventionen entgegen zu wirken.

Eine ganz spezifische Form der Selbstbestimmung, welche den AssistenznehmerInnen sehr wichtig erschien, war jene, dass umgekehrt die AssistenznehmerInnen den AssistentInnen unterschiedliche Wahlmöglichkeiten anboten. Die AssistenznehmerInnen entschieden ganz für sich einige Dinge, die sie gerne machen würden und gaben den AssistentInnen die Möglichkeit, daraus auszuwählen. Selbstbestimmung wird möglich durch die Möglichkeit, anderen Personen Wahlmöglichkeiten zu eröffnen. Was nun wie eine sehr umgekehrte Logik der Selbstbestimmung klingt, erwies sich jedoch als eine ganz besondere Stufe der Selbstbestimmung. Die AssistenznehmerInnen erreichten diese dadurch, indem es für sie aus ihrer Rolle heraus möglich wurde, unterschiedliche Handlungsalternativen für sich als gut zu befinden und diese dann auch anderen Personen zur Auswahl anzubieten. Dies setzt voraus: Erstens, unterschiedliche Wahlmöglichkeiten zu haben, Zweitens, diese für sich abzuwiegen und Drittens, die Entscheidung zu treffen, welche einem Gegenüber vorgeschlagen werden könnten. Anderen Wahlmöglichkeiten zu eröffnen, ist somit eine weitere Achse der Selbstbestimmung. Nicht nur für sich selbst zu bestimmen, was man will, sondern sogar viele Handlungsmöglichkeiten zu haben und in der Lage zu sein, für sich zu entscheiden, diese anderen Personen aus dem Umfeld anzubieten. Dies wurde im Zuge der Gestaltung und Interpretation der Fotoalben sehr deutlich. Die folgende Abbildung zeigt eine Seite des sechsseitigen Fotoalbums des Assistenznehmers.

Abbildung 12. Fünfte Seite eines Fotoalbums: Garderoben

Seite mit zwei Fotos von Räumlichkeiten. Titel der
 Fotos:
                           Gardarobe und Assistenten-Zimmer

Die Seite bildet zwei Garderoben in der Wohnung des Assistenznehmers ab. Der Darstellung der zwei Garderoben wurde eine ganze Seite im Album gewidmet, was auf den ersten Blick etwas verwunderlich wirkte. Es zeigt sich jedoch, dass es dem Assistenznehmer wichtig ist, weil er die Möglichkeit besitzt, den AssistentInnen oder dem Besuch die Wahl zu lassen, welche Garderobe sie nutzen wollen. Es machte ihn stolz, in der Situation zu sein, anderen Wahlmöglichkeiten offerieren zu können.

Wurde dem Prozess des "Selbstbestimmt-Werdens" genügend Zeit seitens der AssistenznehmerInnen und AssistentInnen eingeräumt, so war noch eine weitere Einflussgröße in der Forschung sehr präsent: nämlich jene des familiären Umfelds. Teilweise wurde der Aushandlungsprozess zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen durch das direkte beziehungsweise indirekte Einwirken familiärer Bezugspersonen sogar gehemmt. Gerade bei Menschen mit Lernschwierigkeiten sind Bezugspersonen sehr stark im Alltag eingebunden, wodurch auch Schwierigkeiten der Abgrenzung im Modell der Persönlichen Assistenz entstehen. Folgendes Beispiel aus einer Schilderung einer Assistentin im Interview macht darauf aufmerksam, wie stark familiäre Strukturen in die Assistenzgestaltung und den Aushandlungsprozess der Selbstbestimmung einwirken:

„L: Und da wollt ma irgend so eine Schokopizza machen.

I: Schokopizza? (Lacht)

L: Sie hat nämlich a Kochbuch und da hab i gesagt, such da was aus, was du gerne kochen willst und dann hat sie sich eben das ausgesucht. Und ich hab dann mit ihr zam die Zutatenliste zusammen geschrieben und, … ja des wollt ma die Woche drauf dann eben machen. Und, ahm, ihre Familie ist sehr gesundheits-bewusst und (...) ja, war dann halt ein Zettel da von ihrer Mama, ob wir nicht lieber was Gesünderes kochen sollen, weil des und des und des. (...) Und da dann die AN auch gesagt hat: ja mach ma lieber Nudeln, Vollkornnudeln. Was ma dann auch gemacht haben. Da hab ich dann schon gemerkt, das ging einfach von ihren Eltern aus.

I: Hat das die AN dann gestört?

L: Ahm, sie hat versucht, sich rechtzufertigen oder zu entschuldigen. Und hat gesagt, ja tut ma leid, aber wir sind halt eine gesundheitsbewusste Familie. Wo ich dann gesagt hab, du AN, für mi is des kein Problem, wenn du deine Nudeln kochen willst, dann koch ma Nudeln.“

Das Beispiel zeigt, dass die Familie eine wichtige Einflussgröße auf die AssistenznehmerInnen und die Umsetzung der Selbstbestimmung bildet. Es geht hierbei aber nicht darum, zu beurteilen, ob dieser Einfluss positiv oder negativ zu bewerten ist. Vielmehr steht im Vordergrund, dass bei dem Aushandlungsprozess der Selbstbestimmung auch äußere Faktoren und Bedingungen reflektiert und aufgezeigt werden sollten, da diese ebenso das "Selbstbestimmt-Werden" begleiten.

Dieses Kapitel verdeutlichte, dass die Umsetzung der Selbstbestimmung prozesshaft verläuft, wobei unterschiedliche Einflussvariablen einwirken. Worin genau liegen nun aber die Chancen auf Selbstbestimmung? Hierbei ist die Kompetenzübernahme zur Umsetzung der Selbstbestimmung auch in diesem Modell ein wichtiger Faktor, allerdings mit einer kleinen Veränderung.

9.1.4. Chancen der Selbstbestimmung: Die Entscheidungskompetenz als sechste Kompetenz

Im theoretischen Teil (siehe Kap. 2.3) wurde dargestellt, dass die AssistenznehmerInnen im klassischen Modell als ExpertInnen in eigener Sache fungieren und ihr Leben durch die Übernahme fünf einschlägiger Kompetenzen selbstbestimmt gestalten. Die fünf Kompetenzen (Personalkompetenz, Raumkompetenz, Organisationskompetenz, Finanzkompetenz und Anleitungskompetenz) sind aber nicht in der Form, wie im ursprünglich Modell vorgesehen, von den AssistenznehmerInnen realisierbar, wodurch von einigen Kritikern angenommen wird, dass dadurch eine Selbstbestimmung im Zuge des Modells der Persönlichen Assistenz nicht umsetzbar erscheint. Die Ausführungen des vorherigen Kapitels zeigen aber, dass eine einfache Reduktion auf die fünf Kompetenzen nicht ausreicht. Vielmehr wurde in dem Modell für die Personengruppe für Menschen mit Lernschwierigkeiten ein Aspekt sichtbar, der noch viel mehr als die einzelnen fünf Kompetenzen im Mittelpunkt der Umsetzung der Selbstbestimmung steht: nämlich das Wissen und Können, selbst Entscheidungen aus unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten zu treffen. Somit scheint eine sechste Kompetenz, die gleichzeitig die Basis der anderen fünf Kompetenzen darstellt, von großer Relevanz zu sein: die Entscheidungskompetenz. Gerade für die Umsetzung der Selbstbestimmung im Modell der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten erscheint diese Kompetenz notwendig zu sein. Erst durch die Kompetenz der Entscheidungsfähigkeit gelingt es den AssistenznehmerInnen, schrittweise eine Anleitungsfunktion zu übernehmen und in die einzelnen Kompetenzen "hineinzuwachsen".

Die ersten Ergebnisse haben aufgezeigt, dass Selbstbestimmung in jeder zwischenmenschlichen Beziehung etwas anderes für die Beteiligten bedeutet und daher in einem längeren Prozess von allen involvierten Personen ausgehandelt werden muss. Somit ist das Modell in seiner ursprünglichen Form kaum umsetzbar. Dies wird, wie bereits in einigen Ausführungen ersichtlich wurde, vor allem hinsichtlich einer ganz anderen Beziehungsstruktur zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen deutlich, welche weniger auf eine Form der instrumentellen Assistenz gründet.

9.2. Die Beziehungsstruktur: Umkehr oder Angleichung der Macht-verhältnisse?

Auf Grundlage der Ausführungen unterschiedlicher VertreterInnen der Disability Studies wurde in Kapitel 4.1. des theoretischen Teils bereits verdeutlicht, dass das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen in der Diskussion um Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Menschen mit Lernschwierigkeiten durch Modelle der Persönlichen Assistenz eine wichtig Rolle spielt. Durch das Modell der Persönlichen Assistenz soll sich zwischen hilfegebender und hilfeempfangender Person das Machtverhältnis in der Beziehung umkehren (vgl. Waldschmidt 2007: 70f; Altenschmidt/Kotsch 2007: 225).

Im Zuge der vorliegenden Forschung wurde jedoch ersichtlich, dass es sich nicht um eine Umkehr der Machtverhältnisse sondern vielmehr um eine Angleichung und Annäherung auf einer Ebene handelte. Dabei müssen die Machtverhältnisse immer wieder aufs Neue in einem partnerschaftlichen Dialog ausbalanciert und unterschiedliche Rollen von den AssistenznehmerInnen und AssistentInnen eingenommen werden.

9.2.1. Die Assistenzbeziehung und Übernahme unterschiedlicher Rollen

Und es war einfach ein Herantasten, ein Kennenlernen." (Interview Assistentin L., S.2/Z.28)

Die Assistenzbeziehung im Modell der Persönlichen Assistenz bei Menschen mit Lernschwierigkeiten gestaltet sich sehr differenziert zum klassischen und ursprünglichen Modell. Wie bereits durch Theunissen (2005) deutlich wurde, können die AssistentInnen unterschiedliche Rollen einnehmen (siehe Kapitel 4.3.2). Allerdings wurde in der Forschung – in Abgrenzung zu Theunissens Modell – deutlich, dass es sich nicht um unterschiedliche Formen der Assistenz, sondern vielmehr der Beziehung handelt. So nehmen nicht nur die AssistentInnen unterschiedliche Rollen ein, sondern auch die AsisstenznehmerInnen.

In sehr vielen Bereichen und Situationen scheint zudem die Assistenz als Begriff deutlich zu kurz zu greifen. Auch zeigt sich der Vorgang der Einnahme unterschiedlicher Rollen als sehr viel komplexer, indem die AssistenznehmerInnen die Rolle der AssistentInnen anders interpretierten, als die AssistentInnen selbst.

Folgende Rollen konnten von den AssistentInnen und AssistenznehmerInnen eingenommen werden:

  • BeraterIn und RatsuchendeR:

    Hierbei nimmt die hilfegebende Person vor allem die Rolle der BeraterIn ein und die hilfeempfangende jene des/der Ratsuchenden. In einigen Situationen suchten die AssistenznehmerInnen Rat bei den AssistentInnen.

    „T. hat mir Vorschläge gegeben für den 16. Wenn du was essen willst, dann kannst du was kaufen und selber mitnehmen.“ (Interview Assistenznehmer, S.14/11f)

    Die beratende Funktion der AssistentInnen wird auch im folgenden Ausschnitt aus einem Beobachtungprotokoll deutlich:

    Die Assistenznehmerin begann Assistentin L. daraufhin zu erzählen, dass sie ein Problem habe. Sie dürfe diese Woche nicht mehr in der gemeinschaftlichen Waschküche des Wohnhauses waschen, habe aber noch so viel Schmutzwäsche aus dem Urlaub. Assistentin L. fragte nach, ob die Assistenznehmerin bis nächste Woche noch saubere Wäsche habe, oder ob sie früher waschen müsse. Als diese aber erwiderte, dass sie noch genug zu anziehen habe, beruhigte Assistentin L. sie damit, dass sie ja sonst bei ihren Eltern am Wochenende waschen könne, oder sie gemeinsam in der nächsten Assistenzstunde die Nachbarn fragen, ob sie tauschen könnten. Die Assistenznehmerin war damit zufrieden und verabschiedete sich von ihrer Assistentin mit einer Umarmung.

    Teilweise kam es aber auch zu Situationen, in welchen die AssistentInnen die AssistenznehmerInnen berieten, ohne dazu ersucht zu werden. Hierbei ist aber zu reflektieren, inwieweit eine Beratung bereits eine zu starke Intervention darstellen würde.

  • ErzieherIn und Zögling

    Oftmals entstanden Situationen, in denen die AssistentInnen als ErzieherInnen wirkten, die ihre Zöglinge darauf hinwiesen, wenn sie etwas „falsch“ gemacht hatten. Diese Rollenverteilung entstand häufig vor allem in Situationen, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprachen oder zu einer Selbst- oder Fremdgefährdung führten. Wie folgendes Zitat zeigt, hatten oftmals die AssistentInnen auch das Gefühl, die AssistenznehmerInnen „behüten“ zu müssen.

    „Des is einfach schwierig, weil manchmal ist man schon, muss ich sagen, in der Rolle, dass man sie auch behüten will irgendwie (...).“(Zitat Assistentin L., S.11/ Z.1f)

    In einigen Beobachtungen wurde die sehr erzieherische und behütende Form der Beziehung klar ersichtlich.

    Wir standen nun alle in der Wohnküche, als die Assistentin zur Assistenznehmerin sagte: „Na, was ist denn mit dir?“, weil die Assistenznehmerin sehr ruhig war und uns auch nicht anbot, uns hinzusetzen. Die Assistenznehmerin setze eine schüchterne Miene auf und senkte ihren Kopf nach unten auf die Seite Richtung Assistentin L. und sagte, sie sei schüchtern. Dabei lächelte sie leicht. Assistentin L. legte den Arm um sie, und die Assistenznehmerin kuschelte sich an L.´s Bauch.

    Auch bei dem Assistenznehmer und seinem Assistenten T. war immer wieder eine erzieherische Motivation zu erkennen.

    Assistent T. fragte daraufhin den Assistenznehmer, warum er eigentlich immer noch nicht in seiner Wohnung schlafe. Dieser antwortete, dass er sich nicht traue, alleine zu schlafen. So erwiderte der Assistent mit sanftem Ton und eher mit einer motivierenden Stimme, dass er jetzt schon eine eigene Wohnung habe und da darf er sich ruhig trauen, in seinem Alter alleine zu schlafen.

    Den AssistenznehmerInnen scheint diese Beziehungsstruktur auch durchaus ersichtlich zu sein. So wurde seitens des Assistenznehmers in einer Beobachtung die Form der Beziehung mit einer sehr deutlichen Rollenaufteilung in einem Rollenspiel ausgesprochen:

    Der immer noch scherzende Assistenznehmer sagte zu Assistent S., dass er der Papabär sei, Assistentin L. sei der Mamabär, die Assistenznehmerin der Tochterbär.

  • AssistentIn und AssistenznehmerIn

    Die klassische Rolleneinnahme wurde nur dann sichtbar, wenn es vorwiegend um eine instrumentelle Unterstützung ging. Hierbei fand eine eindeutige Umkehr der Machtverhältnisse statt, indem die AssistenznehmerInnen ganz klar äußerten, was sie wollten und was die AssistentInnen tun sollten, damit dies auch erreicht und umgesetzt werden kann. Das betraf vor allem Entscheidungen, welche die AssistenznehmerInnen schon öfter getroffen hatten und dadurch bereits über dessen Konsequenzen und Wirkungen wussten.

    Ein Beispiel aus dem Beobachtungsprotokoll zeigt die Übernahme der Anleitungskompetenz seitens der Assistenznehmerin bei der Einschulung des neuen Assistenten S.:

    Die Assistenznehmerin winkte Assistent S. als Aufforderung, mit ihr mitzukommen. Sie sagte ihm dabei, dass er zu ihr komme für den Haushalt. Zuerst zeigte sie ihm die Abstellkammer und ihren Süßigkeitsvorrat. (…) Während die beiden weiter die Wohnung besichtigten, erzählte die Assistenznehmerin ihrem Assistenten, welchen Sport sie in ihrer Freizeit treibe. Dann erklärt sie weiter, wo was in der Wohnung sei. (…) Assistent S. nahm dabei eine sehr passive Rolle ein und hörte der Assistenznehmerin bei ihren Ausführungen genau zu. Hier und da fragte er Kleinigkeiten. (…) Die Assistenznehmerin erzählte weiter, was der Assistent zu machen habe und wie sie es bisher mit ihrer Assistentin L. machte. Er solle in den Assistenzstunden im Haushalt immer saugen und sie putze gerne das Bad, weil sie das besonders gut könne.

  • BegleiterIn und FreundIn

    Die Beziehung zwischen den AssistenznehmerInnen und AssistentInnen zeigte oftmals sehr freundschaftliche Strukturen auf, welche sich auch in einem der Fotos aus dem Album widerspiegelt.

    Abbildung 13. Letztes Foto eines Fotoalbums: Assistent und Assistenznehmer

    Foto mit zwei Personen in Badebekleidung mit dem
 Titel:
                                 Frei-Bad

    Die Beziehung zwischen den beiden Personen auf den Fotos würde nicht als ein Arbeitsverhältnis interpretiert werden. Es zeigt eine sehr große emotionale Nähe auf, indem die beiden sich eher „kumpelhaft“ umarmen. Während die AssistentInnen aber mehr die Rolle einer (pädagogischen) Begleitung einnahmen und als eine Art MotivatorIn und Coach fungierten, interpretierten die AssistenznehmerInnen diese Beziehung eher als Freundschaft.

    „Es geht ja in eine pädagogische Richtung. Ich mein ich kenn mich in Pädagogik jetzt auch nicht so aus, aber des ist schon voll oft so, und da passt des mit dem Freundschaftlichen vielleicht nicht so ganz. Aber, ich mein (...) ich bin ja nur bei ihm, wenn ich eingeteilt bin, sozusagen. Und dann kann man das ja auch nicht, aber die Beziehung ist schon so, also, so, bissl so auf Freundschaft und na, es ist eigentlich schon bissl anders. (lacht) Aber ich weiß nicht, ist irgendwie schwierig.“ (Interview Assistent T., S.10/Z.26-32)

    Indem die AssistentInnen die AssistenznehmerInnen in ihrer Freizeit begleiteten und nicht nur eine ausführende, instrumentelle Position einnahmen, sondern auch emotionale Beziehungsstrukturen deutlich wurden, wurde die Assistenz seitens der AssistenznehmerInnen teilweise als Freundschaft (miss-)interpretiert. Dies führte auch zu deutlichen Grenzüberschreitungen, wie im folgenden Kapitel noch näher aufgezeigt wird.

  • Partnerschaft

    Bereits durch den Begriff wird unschwer deutlich, dass es sich hierbei um eine Beziehungsstruktur handelt, die auf Gegenseitigkeit und ausgeglichenen Machtverhältnissen beruht. Mit Partnerschaft ist dabei keine Form einer "Liebesbeziehung" gemeint, sondern vielmehr ein partnerschaftliches Arbeitsverhältnis zwischen gleichrangigen KollegInnen. Diese Form wurde vor allem dann deutlich, wenn die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen Entscheidungen in einem längeren Prozess gemeinsam erarbeiteten und diese auch nach genauer Absprache gemeinsam umsetzten. Partnerschaftliche Strukturen beruhen daher auf viel Zeit und einer bereits länger aufrechterhaltenen Assistenzbeziehung. Der folgende Auszug aus einem Beobachtungsprotokoll macht die partnerschaftlichen Strukturen greifbar:

    Während Assistentin L. in die Mappe schrieb, begann AN (die Assistenznehmerin) bereits eigenständig, den Saft vorzubereiten. Sie holte aus dem Kühlschrank alle Zutaten heraus und richtete das Brett und das Messer auf dem Tisch zum Schneiden, als L. sie fragte, ob sie ihr helfen könne. (...) AN gab L. die Anweisung, die Weintrauben zu waschen und in den Mixer zu geben. Als L. mit einer Hand voll Weintrauben zu AN kam, um nachzufragen, ob das ausreiche, erwiderte diese, dass sie ein bisschen mehr nehmen könne. L. gab noch ein paar wenige Weintrauben dazu und fragte nochmals nach, bevor sie die Weintrauben schließlich in den Mixer gab und wieder zu AN zurückkehrte, die gerade die Nektarinen inspizierte und L. fragte, wie viele Nektarinen sie nehmen solle. Worauf L antwortete, soviel sie gerne in ihrem Saft drinnen haben wolle. Als AN aber eine sehr gematschte Nektarine aus dem Korb holte, wies L. sie darauf hin, dass diese nicht mehr gut sei. AN begann nun den ganzen Korb auszuräumen, auf der Suche nach weiteren schlechten Nektarinen, dabei fragte sie L. bei den Nektarinen, bei welchen sie unsicher war, ob sie die noch nehmen könne.

    Nachdem AN sich für vier Nektarinen entschieden hatte, fragte sie, ob sie die Nektarinen jetzt auch noch waschen müsse. L. nickte. Als AN die gewaschenen Nektarinen zu schneiden begann, sagte ihr L., dass sie ruhig viel größere Stücke schneiden könne, weil das der Mixer eh zerkleinern könne. Darauf hörend schnitt AN größere Stücke und gab sie zu dem Wasser und den Weintrauben in den Mixer. Sie stellten sich zusammen vor den Mixer, wobei L. die Hand auf den Deckel legte und AN den Mixer unter Anweisung einschaltete.

    In der Forschungsarbeit war es zudem von Interesse, herauszufinden, was die AssistenznehmerInnen von ihren AssistentInnen erwarteten und wie sich die Beziehung aus ihrer Sicht gestalten sollte. So antwortete der Assistenznehmer auf die Frage, was der Assistent machen solle, wenn dieser zu ihm komme:

    „Einfach nur zuschauen und mich anschauen. Und zuhören auch. Und mich anzuschauen, was du für Gefühle hast.“ (Interview Assistenznehmer, S. 22/Z.32 und 34)

    Der Assistenznehmer nennt somit drei Kriterien, die ihm bei einem Assistenten/ einer Assistentin wichtig sind:

    1. Zuschauen: Die Aufgabe der AssistentInnen ist es, ihm bei seinen Aktivitäten zuzusehen. Hier wird wiederum deutlich, dass die Präsentation des eigenen Ich durch die Assistenz eine sehr wichtige Rolle spielt.

    2. Anschauen: Der/die AssistentIn soll ihm nicht nur zuschauen, sondern ihn auch anschauen. Er/sie will so gesehen werden, wie er/sie ist und will, dass dabei seine/ihre Gefühle berücksichtigt werden. Damit wird deutlich, dass der/die AssistentInnen keinesfalls nur eine instrumentelle Unterstützung zur Verwirklichung der Selbstbestimmung ist, sondern auch emotionale Unterstützung leisten sollte.

    3. Zuhören: Der Assistent/die Assistentin soll nicht nur die Gefühle der AssistenznehmerInnen "erkennen" und deuten, sondern auch für ihn/sie da sein, wenn er/sie Probleme hat.

    Interessant an dieser Aufzählung ist vor allem der Aspekt, dass es kein einziges Mal um eine Handlung und deren Umsetzung geht. Es geht hier vor allem darum, mit Hilfe des Assistenten/der Assistentin das eigene Ich in den Mittelpunkt zu rücken und respektiert zu werden (siehe Kap. 9.1.2).

    Aber auch in der Auffassung, wie ein Assistent/eine Assistentin zu sein hat, zeigen sich deutliche Diskrepanzen zwischen den beiden AssistenznehmerInnen. So sind für die Assistenznehmerin vor allem Kriterien wie „nett sein“, Pünktlichkeit, Mithilfe im Alltag, Hilfsbereitschaft und auch "aufpassen, dass ich nicht zu viel esse" wichtige Kriterien. Für die AssistenznehmerIn ist es nicht so wichtig, dass die AssistentInnen eher eine passive Rolle einnehmen und vor allem für AssistenznehmerInnen die Möglichkeit schaffen, das eigene Ich zu präsentierten, sondern auch sehr wohl instrumentelle Hilfestellungen geben und sogar auch eine erzieherische Rolle einnehmen.

    Trotz dieser Unterschiede haben beide AssistenznehmerInnen in der Fotobefragung eine gemeinsame Botschaft: Der/die AssistentIn sollte auch emotional unterstützen. Beide rückten zudem in den Vordergrund, dass die Assistenzstunden vor allem Spaß machen sollten. „Es soll gemeinsam Spaß machen.“ (Interview Assistenznehmer S.18/Z.10)

    Die Erhöhung des Spaßfaktors wurde auch immer wieder in den Beobachtungen als wichtiges Ziel der AssistenznehmerInnen in den Assistenzstunden gesehen. Beispielsweise wurden im Zuge der Freizeitassistenz mit den AssistentInnen (Rollen-)Spiele gespielt, Wettschwimmen veranstaltet und vieles mehr.

    Wie die Ausführungen dieses Kapitels verdeutlichen, können aufgrund unterschiedlicher Einschätzungen von und Vorstellungen über die Beziehungsstrukturen unter den AssistenznehmerInnen, aber auch zwischen den AssistenznehmerInnen und AssistentInnen Konfliktfelder entstehen, welche klar verdeutlichen, dass das Modell der Persönlichen Assistenz in dessen herkömmlicher Bedeutung sich als nicht sinnvoll für Menschen mit Lernschwierigkeiten erweist und daher nicht nur einer zielgruppenadäquaten Adaptierung, sondern einer strukturellen und umfassenden Überarbeitung der Zielsetzungen bedarf.

9.2.2. Konfliktfelder und Grenzüberschreitungen

Die auf unterschiedlichen Rollen basierende Beziehungsstruktur trägt großes Konfliktpotenzial in sich. So kam es in einigen Situationen während der Beobachtung, aber auch in Schilderungen aus den Interviews zu deutlichen Grenzüberschreitungen.

Vor allem in Situationen, in welchen die AssistentInnen ungefragt die Rolle von ErzieherInnen einnahmen, kam es zu häufigen, wenn auch nicht schwerwiegenden Konflikten. Wie folgendes Beispiel aus einem Beobachtungsprotokoll zeigt, schlüpfte Assistent T. in eine Rolle, welche den Assistenznehmer AN in gewisser Weise bevormundete.

Nachdem wir uns gemütlich hingesetzt hatten, packte T. ein Sack voller Früchte aus, zeigte ihn AN und sagte, er solle herschauen, er habe mal was Gesünderes zum Essen für ihn. AN schüttelte den Kopf, und sagte, dass T. damit aufhören solle. Er wirkte etwas verärgert.

Der Assistenznehmer berichtet mir von beinahe der gleichen Situation in der Fotobefragung:

„Und ich hab die ganze Zeit nur an Pommes gedacht und er sagt immer, du musst aber Gesundes essen. Das passt mir überhaupt nicht.“ (Interview Assistenznehmer, S. 15/Z. 15f)

Eine weitere Grenzüberschreitung entstand auch dann, wenn die AssistenznehmerInnen die Beziehung zu den AssistentInnen als Freundschaft (miss-) interpretierten. Aufgrund der sehr emotionalen Beziehungsstruktur war es für die AssistenznehmerInnen teilweise sehr schwierig, die (räumlichen, zeitlichen und persönlichen) Grenzen der Beziehung angemessen zu interpretieren. So riefen die AssistenznehmerInnen die AssistentInnen auch außerhalb der Assistenzzeiten häufig an und schrieben ihnen viele Emails.

„L: (...) Also es ist schwierig für die Zwei, es als Arbeitsverhältnis zu sehen, weil ich in der Freizeit zu ihnen komme. Teilweise war´s schon schwierig für mich, mich abzugrenzen, weil´s teilweise a schon zu so Grenzüberschreitungen kommen ist. Auch von meiner Seite her, wo ich gesagt hab: ja stopp, also so weit und nicht weiter. Und ich glaub grad für die Zwei ist es schwierig, weil sie uns auch eher als Freunde ansehen (...).

I: Was waren solche Grenzen, die du gerade erwähnt hast?

L: (...) Er hat ja bei einem Theater mitgespielt (...) und das hab ich mir angeschaut, also in meiner Freizeit. Und da hab ich ihn vorher getroffen und er hat gefragt, ob wir nachher noch was trinken gehen. Da hab ich gesagt: ja, ich weiß noch nicht, ob ich Zeit hab. Und ich hab dann halt keine Zeit gehabt. Und da war er halt voll, also das hat er überhaupt nicht verstanden, dass i da jetzt ka Zeit hab. Weil er des net wirklich unterscheiden hat können, dass des mei Freizeit ist und nicht seine Zeit mit mir, sozusagen. (...) Es hat dann schon eine Weile gedauert bis das dann wieder geregelt war.“ (Interview Assistentin L., S.7f/ Z.50fff)

Deutlich wurde im weiteren Verlauf, dass der Konflikt bewältigt werden konnte, indem Assistentin L. dem Assistenznehmer immer wieder klar verdeutlichte, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handle und sie auch bei anderen Personen persönliche Assistentin sei. Assistentin L. brauchte einige Anläufe, bis sie schließlich herausfand, wie sie dem Assistenznehmer die Grenzen klar aufzeigen konnte. Von diesem Vorfall an bis zum Erhebungszeitpunkt kam es zu auch keinem weiteren derartigen Konflikt.

Allerdings wurde in der Beobachtung oftmals auch eine andere Form der Grenzüberschreitung erkennbar: nämlich jene der körperlichen Nähe. So umarmten die AssistenznehmerInnen die AssistentInnen sehr häufig, was von diesen nicht immer als angenehm empfunden wurde.

Nach der kurzen Erklärung lief die Assistenznehmerin zu Assistentin L. und umarmte sie fest. Assistentin L. war dabei leicht distanziert, sie umarmte die AssistenznehmerInnen zwar leicht, aber stützte sich dabei gleichzeitig etwas vom Körper weg.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse rückt vor allem die zweite Forschungsfrage mehr und mehr ins Zentrum des Interesses: „Wie kann oder soll sich das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn gestalten, damit eine Selbstbestimmung für Menschen mit Lernschwierigkeiten ermöglicht wird?

Eine mögliche Antwort wird im folgenden Kapitel gegeben.

9.2.3. Partnerschaftliche Beziehungsstruktur als möglicher Weg

Im Zuge der Forschung stellte sich heraus, dass die weiter vorne angeführten Beziehungsstrukturen nur selten jenen im klassischen Modell der Persönlichen Assistenz entsprachen. Die unklare Definition der Beziehung erforderte nicht nur viel Zeit zur Aushandlung der Rollen, sondern führte teilweise auch zu Konfliktfeldern und Grenzüberschreitungen.

Die Beziehung, so ließ sich feststellen, beruht auf einer emotionalen und keiner rein instrumentellen Basis. Der/die AssistentIn erfüllt nicht einfach die Funktion der rechten Hand der Assistenznehmerin/des Assistenznehmers, sondern scheint vor allem wichtigeR AushandlungspartnerIn im Prozess des "Selbstbestimmt-Werdens" zu sein. Die Beziehung kann nicht auf Begriffe wie "Assistenz" oder "Begleitung" reduziert und darf auch nicht mit Freundschaft gleichgesetzt werden. Vielmehr scheint eine gleichrangige Partnerschaft zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn ein möglicher Schlüssel für eine Grundlage für den Aushandlungsprozess der Selbstbestimmung zu sein. Es geht nicht darum, das Machtverhältnis in den Beziehungsstrukturen umzukehren, sondern auf einer Ebene zwischen zwei Menschen eine Balance zu finden, die weder das Ich der AssistenznehmerInnen untergräbt, noch die AssistentInnen als reines Instrumentarium ansieht. So ist es für die AssistenznehmerInnen wichtig, gemeinsam in Absprache mit den AssistentInnen unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zu besprechen, um dann eine Entscheidung für sich treffen zu können. Das folgende Zitat aus dem Interview zeigt auf, dass sich der Assistenznehmer vor allem selbst in der Beziehung mit dem Assistenten Mühe geben will.

„I: Das würdest du auch gerne mit deinem Assistenten machen?

AN: Überlegen einfach, ob uns noch was einfällt. Und dann muss ich entscheiden, was wir zwei, ich und der Assistent machen. Lösung zu finden, was wir zwei machen, ich und der Assistent. Und einfach Mühe geben. Und das war alles.

I: Wer soll sich Mühe geben?

AN: Ich.“ (Interview Assistenznehmer S.23/Z.41 und S.24/Z.1-5)

Für die AssistenznehmerInnen war es besonders wichtig, mit den AssistentInnen einen Dialog zu führen und nicht einfach zu tun, wozu sie gerade Lust und Laune hatten. Die Assistenzbeziehung kann gerade bei Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht nur auf eine instrumentelle Unterstützungsleistung herunter gebrochen werden, es handelt sich um eine zwischenmenschliche Beziehung, die meiner Meinung nach auch nicht darauf reduziert werden sollte. Die AssistentInnen sind Menschen und keine Maschinen, keine „instrumentellen Unterstützungsapparate“. Die beiden AssistenznehmerInnen wünschen sich von den AssistentInnen eine emotionale Unterstützung. So erwiesen sich gegenseitiges Vertrauen und Bemühen, Offenheit und genügend zeitliche Ressourcen als wichtige Kriterien für eine partnerschaftliche Beziehungsstruktur. Es müssen sowohl AssistenznehmerIn und AssistentIn motiviert sein und es muss genügend Zeit und Raum bleiben, um die für die Selbstbestimmung notwendige Beziehungsstruktur in einem Prozess auszuhandeln.

Gerade aufgrund der sehr emotionalen Beziehungsstruktur wird es für die AssistentInnen schwierig, sich abzugrenzen und die Balance zu finden zwischen Assistenz, Hilfestellung, Beratung und Begleitung. Aus diesem Grund könnte es sich als durchaus hilfreich erweisen, den AssistentInnen und auch AssistenznehmerInnen eine Unterstützung zu bieten, wie es beispielsweise in den Modellen des "service guarantors" oder "surrogate decisionmakers" in skandinivischen Ländern bereits eine Umsetzung findet. Obwohl dadurch eine weitere Einflussgröße hinzugezogen wird und sich damit die Beziehung nochmals komplexer gestaltet, bekommen die AssistentInnen vor allem zu Beginn der Beziehung eine Unterstützung, sich in dem "Dschungel" der unterschiedlichen Rollenzuschreibungen zurecht zu finden und die AssistenznehmerIn erhalten einen weiteren Ansprechpartner, der bei eventuellen Grenzüberschreitungen seitens der AssistentInnen intervenieren könnte, wenn diese selbst nicht in der Lage sind, sich dagegen aufzulehnen.

Bevor nun ein Fazit aus den theoretischen und empirischen Auseinandersetzungen strukturiert formuliert wird, sollen noch weitere Fragestellungen und Anknüpfungspunkte, welche aus der Forschung resultieren, diskutiert werden.



[23] Auch wenn die vierte Handlungsoption voraussetzt, dass die AssistentInnen nicht eigennützig handeln, so wird in der Entscheidung der AssistenznehmerInnen, die AssistentInnen entscheiden zu lassen, bereits eine Dimension der Selbstbestimmung deutlich. Dies wird nochmals in Kapitel 9.1.3 unter Bezugnahme auf das empirische Material eingehender dargestellt.

[24] Definition Leistungsgesellschaft nach Rammstedt (1995): „Bezeichnung für die Industriegesellschaft in der das soziale Handeln geprägt ist durch Leistungsmotivation und in der sich der soziale Status aller Gruppierungen und aller Mitglieder nach erbrachte Leistungen für die Gesamtheit bestimmt.“ (Rammstedt 1995: 398)

10. Problemstellung und weitere Fragestellungen

Die Forschungsfragen konnten zwar beantwortet werden, die Antworten führten jedoch zu weiteren Fragen, die zu diskutieren sind, um so eventuelle Forschungslücken für nachfolgende Arbeiten auszuloten.

Die Ergebnisse der Arbeit beruhen auf einer Studie mit Menschen mit Down-Syndrom und ihre AssistenznehmerInnen. Es wurde aufgezeigt, welche Möglichkeiten das Modell der Persönlichen Assistenz für ein selbstbestimmteres Leben für die beiden AssistenznehmerInnen mit Down-Syndrom eröffnen kann. Die Ergebnisse der Studie sind zugleich wichtige Ausgangspunkte für weitere Forschungsarbeiten und wissenschaftliche Diskussionen über die gesamte Personengruppe aller Menschen mit Lernschwierigkeiten. Aus diesem Grund werden die Ergebnisse als wichtiger Mehrwert dafür gesehen, dass eine Thematisierung der Selbstbestimmung aus Sicht der Disability Studies sowie der Realisierungsmöglichkeiten durch das Modell der Persönlichen Assistenz in Zukunft vermehrt stattfindet und gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten Risiken und Chancen auf Selbstbestimmung erforscht werden.

In einer weiteren Forschungsarbeit könnten nicht nur Differenzen und Gemeinsamkeiten von Forschungsergebnissen mit und über andere(n) Personengruppen mit Lernschwierigkeiten ausgearbeitet, sondern auch die individuellen Unterschiede innerhalb einer spezifischen Gruppe aufgezeigt werden. So wurde bereits mit dieser kleineren Forschungsarbeit verdeutlicht, dass bei nur zwei AssistenznehmerInnen aus der Personengruppe der Menschen mit Down-Syndrom teilweise sehr unterschiedliche Auffassungen über Selbstbestimmung sowie das Beziehungsverhältnis mit den AssistentInnen existieren und diese auch sehr individuell umgesetzt werden. Wo genau liegen die unterschiedlichen Auffassungen und individuellen Umsetzungsmöglichkeiten, wodurch werden diese begründet und wovon werden sie beeinflusst? Hierbei wäre der Einbezug biografischer Aspekte der AssistenznehmerInnen sicherlich ein spannender Ausgangspunkt weiterer Forschung. Die beiden AssistenznehmerInnen der vorliegenden Forschung waren noch sehr jung und wurden bereits seit frühester Kindheit mit Ansätzen der Inklusion und Integration konfrontiert. Meiner Meinung nach beeinflusste das auch sehr stark ihren Umgang mit Selbstbestimmung und dem Modell der Persönlichen Assistenz. Wie würden die Ergebnisse ausfallen, wenn die AssistenznehmerInnen eine sogenannte „Anstaltskarriere“ (vgl. Goffman 1972: 127) hinter sich hätten? Problematisiert werden könnte weiters, wie sich eine partizipative Forschung mit Personengruppen gestalten würde, welche in ihrer Vergangenheit noch viel stärker an Institutionen gebunden waren, die ihr Leben größtenteils bestimmten.

Eine weitere Anschlussmöglichkeit für nachfolgende Forschungsarbeiten bietet sich auch hinsichtlich der vorliegenden Ergebnisse zur Beziehungsstruktur zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn. Es stellt sich die Frage, welche Risiken in einem partnerschaftlichen Beziehungsmodell liegen könnten. Worin liegen Gefahren und wie könnten diese verringert werden? Es wurde im Ergebnisteil bereits unter Bezugnahme auf die Ergebnisse aus den Länderstudien die Möglichkeit erörtert, eine dritte Einflussgröße in Form eines Supervisors/ einer Supervisorin gerade zu Beginn des Aushandlungsprozesses als Unterstützung einzubeziehen. Doch wie gestaltet sich dann explizit die Beziehung zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen, wenn diese dritte Einflussgröße hinzukommt? Hierbei wäre auch eine Erweiterung der Erhebungsmethoden, nicht nur hinsichtlich einer größeren Anzahl an Beobachtungen, sondern beispielsweise auch durch eine viel detailliertere Interaktionsanalyse (mit Hinzuziehung von weiteren Aufnahmegeräten wie Videokameras), sehr hilfreich. Obwohl der Einbezug solcher Aufnahmemöglichkeiten ein zu hinterfragender Faktor ist, da diese die Situation und das Handeln der anwesenden Personen sehr stark beeinflussen könnten, würden aber dadurch sicherlich die Interaktionsstrukturen detaillierter erfasst werden können und neue Ergebnisse liefern (vgl. hierzu auch eine Studie von Altenschmidt/Kotsch zu Interaktionsstrukturen im Modell der Persönlichen Assistenz für Menschen mit körperlicher Behinderung 2007).

Die Ergebnisse aus Kapitel 9 ließen noch weitere Fragen offen. Es wurde erörtert, dass aus Sicht der AssistenznehmerInnen die Erhöhung der Selbstbestimmung weniger im Vordergrund stand als vielmehr die Selbstständigkeit und Leistungserbringung und die damit einhergehenden Partizipationsmöglichkeiten. In einer weiteren Forschungsarbeit wäre es daher sicherlich von Relevanz, auch diesen Aspekt verstärkt einzubeziehen und mit den Betroffenen zu diskutieren. Wie könnten die Partizipationsmöglichkeiten durch Modelle der Assistenz noch mehr erhöht und welche neuen Modelle müssten hierfür entwickelt werden? Wie interagieren Selbstbestimmungs- und Partizipationsmöglichkeiten?

Hinsichtlich des Ergebnisses, dass Selbstbestimmung und dessen Umsetzung immer in Bezug auf die Ebene des sozialen Umfelds problematisiert werden sollte, bietet sich an, in einer weiteren Forschung diese Ebene noch viel stärker zu reflektieren und in die Forschung mit einzubeziehen. Inwieweit und wie stark nehmen das familiäre Netzwerk und weitere Bezugspersonen Einfluss auf die Selbstbestimmung, Entscheidungskompetenz und deren Realisierungsmöglichkeiten? Eventuell wäre hierbei auch der Einbezug einer qualitativen Netzwerkforschung ein neuer Forschungsbereich, wobei diese Methode sicherlich einer zielgruppenadäquaten Adaptierung bedürfen würde. Diese Methode könnte auch eine weitere Möglichkeit partizipativer Forschung aufzeigen, indem die Befragten selbst erarbeiten, welche Personen in der Forschung zur Beantwortung einer Forschungsfrage von Relevanz sein könnten.

Und schließlich wäre es, meiner Meinung nach, noch besonders wichtig, eine größere Studie zur Bedeutungszuschreibung und Konstruktion der Selbstbestimmung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten durchzuführen, wie etwa Anne Waldschmidt bei Menschen mit körperlicher Behinderung (vgl. Waldschmidt 2012). Dies würde sicherlich die Diskussionen über das Konzept „Selbstbestimmung“ bei Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht nur innerhalb der Disability Studies, sondern auch in der Disziplin der Sonder- und Heilpädagogik in neue Richtungen lenken.

11. Fazit und Schlusswort

Ziel der vorliegenden Diplomarbeit war es, in Anlehnung an die Theorie der Disability Studies herauszufinden, inwieweit das Konzept der Persönlichen Assistenz, welches von und für Menschen mit körperlicher und sensorischer Behinderung entwickelt wurde, auch für die Personengruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten Möglichkeiten zu einem selbstbestimmteren Leben eröffnet. Dabei wurde untersucht, was der Begriff „Selbstbestimmung“ bedeutet und wie dieser im Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen seine Umsetzung erfährt. Mit dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, die Ansätze der Disability Studies mit der Sonder- und Heilpädagogik zu verknüpfen, um damit einen differenzierten Blick auf die Selbstbestimmung als zentralen Begriff der Sonder- und Heilpädagogik zu erlangen und zu diskutieren, inwieweit das Konzept der Persönlichen Assistenz auch für diese Personengruppe adaptierbar erscheint.

Nach Analyse der Materialien und Verbindung aller Ergebnisse erwies sich das Konstrukt Selbstbestimmung als schwer zu erfassen – so vielfältig und facettenreich wurde Selbstbestimmung in der verbalen und non-verbalen Interaktion der AssistenznehmerInnen und AssistentInnen hergestellt. Selbstbestimmung ist ein Konstrukt zwischen zwei oder mehreren Personen, das in einem Prozess ausgehandelt werden muss. Es wurde jedoch deutlich, dass Selbstbestimmung nicht nur ein soziales individuelles Konstrukt (wie in der Theorie bereits verdeutlicht) darstellt, sondern vielmehr unterschiedliche Ebenen und Dimensionen existieren, die in ihrer Verschränkung Selbstbestimmung konstruieren. Die Ergebnisse zeigten auf, dass die Umsetzung der Selbstbestimmung dem Wissen und Wollen (Ebene des Individuums), Können und Tun (Ebene der Aushandlung) sowie Dürfen und Sollen (Ebene des sozialen Umfelds) zugrunde liegt. So hängt die Umsetzung von Selbstbestimmung nicht nur vom Individuum ab, welches über das Wissen und Wollen von Selbstbestimmung verfügt, sondern auch davon, ob das soziale Umfeld dem Individuum Selbstbestimmung zutraut und zugesteht. Das Können und Tun, also die situationsbezogene Umsetzung der Selbstbestimmung, obliegt schließlich einem Aushandlungsprozess zwischen dem Individuum und dessen sozialen Umfeld. Damit handelt es sich um eine Wechselwirkung zwischen den AssistenznehmerInnen und AssistentInnen oder anderen Personen und deren jeweiligen Einstellungen und Ansichten zu Selbstbestimmung.

Die Aushandlung der Selbstbestimmung scheint keinen einheitlichen Regeln zu folgen, da Selbstbestimmung in jeder zwischenmenschlichen Beziehung einer anderen Bedeutung folgt und unterschiedliche Umsetzung erfährt. Aus diesem Grund darf es kein vorgefertigtes Konzept von Selbstbestimmung geben, das klare Grenzen und Rahmen vorgibt. Es reicht nicht aus, zu behaupten – wie einige Kritiker des Modells der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten meinen –, dass Selbstbestimmung nur durch eine Übernahme oder Zuständigkeit (siehe Kapitel 4.2.1) der fünf Kompetenzen erreicht werden kann. Eine weitere Kompetenz sollte hierbei nicht vergessen werden, nämlich die, dass die AssistenznehmerInnen die Möglichkeit erhalten sollten, selbstbestimmt zu entscheiden, wie sie gewisse Handlungen setzen und welche Hilfestellung und Beratung sie dabei in Anspruch nehmen wollen. Es stellt sich somit die Frage, ob es überhaupt klar definierte Richtlinien für die Selbstbestimmung geben sollte. Mit der Ansicht, dass Selbstbestimmung nur in einer bestimmten Form umsetzbar wird, werden die betreffenden Personen in eine vorgefertigte Schiene gelenkt, wobei ihnen erklärt wird, wie sie etwas machen sollten, um wirklich selbstbestimmt zu sein. Wichtig ist in erster Linie, dass sich aus Sicht der AssistenznehmerInnen ihre Lebensqualität verbessert.

Auf die erste Forschungsfrage inwieweit eröffnet das Konzept der Persönlichen Assistenz auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten neue Möglichkeiten zu einem selbstbestimmteren Leben? ist daher auf Grundlage der erörterten Ergebnisse folgende Antwort zu geben:

Durch Persönliche Assistenz können neue Möglichkeiten eines selbstbestimmteren Lebens, aus Sicht der befragten Personen, entstehen. Keinesfalls jedoch im klassischen Modell der Persönlichen Assistenz, wie es von und für Menschen mit sensorischer oder körperlicher Behinderung entwickelt wurde. Ein Unterschied zeigt sich darin, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht einfach durch neue Strukturen selbstbestimmt sein können, sondern dass im Zuge der Persönlichen Assistenz ein "Selbstbestimmt-Werden" im Vordergrund steht. Selbstbestimmung muss daher von allen Beteiligten als ein Prozess gesehen werden, der vor allem viel Zeit benötigt und immer wieder neu und individuell ausgehandelt werden muss. Wichtig für die Verwirklichung der Selbstbestimmung sind der Einbezug und auch die Reflexion aller drei Ebenen, da diese den Prozess ebenso stark beeinflussen. Vor allem das Aufzeigen von Wahlmöglichkeiten und die Entwicklung einer Entscheidungskompetenz sind wichtige Instrumentarien, um die Chancen auf Selbstbestimmung zu erarbeiten.

Selbstbestimmung ist wandelbar, sie ist kein unerschütterliches Prinzip. Vielmehr ist Selbstbestimmung ein Leitsatz im Leben und muss von Situation zu Situation neu zwischen den Beteiligten aufgebaut und erarbeitet werden. Daher ist es von großer Relevanz, den Blick vor allem auf das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen zu legen. Die zweite Forschungsfrage wie kann oder soll sich das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn gestalten, damit eine Selbstbestimmung für Menschen mit Lernschwierigkeiten ermöglicht wird? ist daher dahingehend zu beantworten, dass das Beziehungsverhältnis nicht auf einer Umkehr der Machtverhältnisse fußt, damit ein selbstbestimmteres Leben ermöglicht wird, sondern vielmehr auf einer Angleichung und Annäherung der hilfeempfangenden und hilfegebenden Person auf einer Ebene. Um Selbstbestimmung zu ermöglichen, ist es wichtig, das Machtverhältnis in einem partnerschaftlichen Dialog auszubalancieren. Selbstbestimmung, so Altenschmidt und Kotsch, verweist auf die prinzipielle Bezogenheit des Menschen auf einen anderen (vgl. Altenschmidt/Kotsch 2007: 233). Es geht nicht darum, das Machtverhältnis umzukehren, sondern die zwischenmenschliche Beziehung so zu gestalten, dass weder das „Ich“ der AssistenznehmerInnen untergraben wird, noch die AssistentInnen reine Instrumentarien darstellen. Gerade bei den beiden AssistenznehmerInnen mit Down-Syndrom hat sich gezeigt, dass eine emotionale Beziehungsstruktur im Vordergrund steht, welche auf Offenheit, Vertrauen, gegenseitigem Bemühen und ausreichend zeitlichen Ressourcen beruht. Damit wird eine klare Diskrepanz zum klassischen Modell der Persönlichen Assistenz nur unschwer deutlich. Die Beziehung weist ganz andere Strukturen auf und benötigt daher, meiner Meinung nach, auch einen neuen konzeptionellen Rahmen. In Anlehnung an die Länderstudie wurde bereits diskutiert, dass es zielführend sein könnte, dieses neue Konzept durch eine dritte Person zu erweitern, welche die Partnerschaft zwischen hilfeempfangender und hilfegebender Person begleitet.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass das Modell der Persönlichen Assistenz nicht nur einer zielgruppengerechten Adaptierung bedarf, sondern ganz neue Strukturen und auch Begrifflichkeiten voraussetzt. So reicht der Begriff „Assistenz“ nicht aus, um die Beziehungsstrukturen angemessen zu beschreiben.

Obwohl es auf Grundlage der theoretischen Ausführungen wichtig erschien, Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten durch eine Adaptierung des Modells anzubieten, damit diese nicht vom Unterstützungskonzept ausgeschlossen werden und sich nicht wieder die, wie Waldschmidt schreibt, "alte Hierarchie" (Waldschmidt 2012: 19) zwischen Menschen mit körperlicher Behinderung und Menschen mit Lernschwierigkeiten durchsetzt, haben die Ergebnisse dieser Studie aufgezeigt, dass es wichtig ist, neue Unterstützungskonzepte mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zu erarbeiten, welche deren individuellen Wünschen und Zielen gerecht werden.

Im Hinblick auf die Forschungsfrage ist ein Aspekt besonders hervorzuheben: bevor ein Konzept mit dessen Zielsetzungen einfach für eine andere Personengruppe übernommen werden kann, ist es viel wichtiger, direkt von den Personen zu erfahren und mit ihnen zu erforschen, was sie sich wünschen.

Meiner Meinung nach sollte nicht einfach ein bestehendes Modell von und für Menschen mit körperlicher und sensorischer Behinderung auf Menschen mit Lernschwierigkeiten übertragen werden. Auch wenn das Modell symbolischen Gehalt hat und stark mit den Empowerment-Bewegungen in Verbindung gebracht wird, so wäre es doch an der Zeit, mit den Menschen mit Lernschwierigkeiten gemeinsam ein neues Konzept zu erarbeiten und ihnen geeignete Mittel und die Macht in die Hand zu geben, damit ihre Individualität durch vorgefertigte Muster nicht wieder eingeschränkt wird. Neben vielen Ergebnissen zeigte die Studie vor allem auf, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst wissen, was sie möchten und wie sie ihr Leben und ihr Umfeld gestalten wollen, nämlich nicht mit einem Modell einer instrumentellen Assistenz, sondern mit einer dialogischen Partnerschaft, die auf Zwischenmenschlichkeit beruht und auf das gründet, was für uns alle als Menschen Priorität haben sollte: emotionalen Zusammenhalt.

12. Zusammenfassung

Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit das Konzept der Persönlichen Assistenz auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten neue Möglichkeiten zu einem selbstbestimmteren Leben eröffnen kann. Wie kann oder soll sich das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerIn und AssistentIn gestalten, damit eine Selbstbestimmung für Menschen mit Lernschwierigkeiten ermöglicht wird?

Aus dem Blickwinkel der Disability Studies wurden im theoretischen Teil zuerst die Begrifflichkeiten der „Behinderung“ und „Selbstbestimmung“ als soziale Konstrukte diskutiert, um schließlich das Modell der Persönlichen Assistenz, welches von und für Menschen mit sensorischer und körperlicher Behinderung entwickelt wurde, eingehender zu betrachten. Daran anknüpfend wurde die Übernahme des Modells der Persönlichen Assistenz auf die Personengruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten erörtert, indem einige Diskussionslinien der Disability Studies und der Primärwissenschaften dargestellt wurden. Mit einigen Länderbeispielen konnten mögliche Wege der Umsetzung des Modells in die Praxis aufgezeigt werden, um damit eventuelle Lerneffekte für die Übernahme des Modells auch in Österreich (wo das Modell der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten bis auf wenige Ausnahmen noch kaum realisiert wird) zu erzielen.

Auf Grundlage dieser Ausführungen wurde am Ende der theoretischen Auseinandersetzung das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen diskutiert, welches in Anlehnung an die Disability Studies eine wichtige Rolle bezüglich der Adaptierung des Modells der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten einnimmt. So sollte mit dem Modell der Persönlichen Assistenz eine Umkehr bisheriger Machtverhältnisse in der Behindertenhilfe gelingen, welche den AssistenznehmerInnen Mittel in die Hand gibt, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Damit sollte sich das Assistenzmodell dahingehend verändern, dass neue Strukturen für die Beziehung zwischen der Person mit Lernschwierigkeiten und ihrer Assistenz geschaffen werden, welche aber die Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten bewahren.

Der empirische Teil der Diplomarbeit widmete sich der Aufgabe, eine Antwort auf die Forschungsfrage zu geben und die Diskussion um die Selbstbestimmung der Menschen mit Lernschwierigkeiten durch das Modell der Persönlichen Assistenz voran zu treiben. Im Zuge eines Pilotprojekts der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde eine Studie mit zwei AssistenznehmerInnen mit Down-Syndrom und ihren drei AssistentInnen durchgeführt. Die theoretische Fundierung des Forschungsvorgehens bildeten hierbei Symbolischer Interaktionismus und Phänomenologie sowie Konstruktivismus. Mit Einsatz unterschiedlicher (partizipativer) Erhebungs- und Auswertungsmethoden gelang es, Antworten darauf zu finden, inwieweit Persönliche Assistenz auch für die genannte Zielgruppe neue Möglichkeiten zu einem selbstbestimmteren Leben eröffnen kann und wie sich zur Ermöglichung einer Selbstbestimmung das Beziehungsverhältnis gestalten soll. Die Ergebnisse der Arbeit zeigten auf, dass im Zuge der Persönlichen Assistenz bei den beiden AssistenznehmerInnen ein "Selbstbestimmt-Werden" im Vordergrund steht. Selbstbestimmung gestaltet sich als ein Prozess, der immer wieder neu und individuell auf unterschiedlichsten Ebenen ausgehandelt werden muss. Das Aufzeigen von Wahlmöglichkeiten und die Entwicklung einer Entscheidungskompetenz scheinen dabei besonders wichtig zu sein, um Chancen auf Selbstbestimmung zu erarbeiten. Das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen beruht auf einem Aushandlungsprozess und fußt daher nicht auf einer Umkehr der Machtverhältnisse, sondern vielmehr auf einer Angleichung und Annäherung der hilfeempfangenden und hilfegebenden Person auf einer Ebene. So verweisen die Ergebnisse darauf, dass es wichtig ist, das Machtverhältnis in einem partnerschaftlichen Dialog auszubalancieren, um Selbstbestimmung zu ermöglichen.

Insgesamt zeigt die vorliegende Arbeit auf, dass das Modell nicht einfach auf die Personengruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten adaptiert werden sollte, sondern dass es vielmehr zielführend ist, gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten neue Konzepte zu entwickeln, welche ihre Lebensqualität verbessern, Partizipationsmöglichkeiten schaffen und den Prozess des „Selbstbestimmt-Werdens“ unterstützen.

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Anhang

Leitfaden Fotobefragung

Einleitung:

  • Erklären, was wir vorhaben und warum (Ziel)? Noch einmal hervorheben, dass vor allem „Ihr Leben mit PA“ im Mittelpunkt des Gesprächs steht.

  • Klären, dass das Interview aufgenommen wird. Nochmals das Einverständnis holen.

  • Deutlich machen, dass jeder Zeit, wenn es zu anstrengend wird, eine Pause gemacht werden kann (darauf auch während des Interviews hinweisen).

  • Hervorheben, warum gerade Ihre Sicht für die Begleitforschung so wichtig ist.

  1. Alle ausgedruckten Fotos werden auf einem Tisch verteilt und die AssistenznehmerInnen gebeten, diese nach Themen, Bildinhalten oder anderen Gemeinsamkeiten zu gruppieren.

    • Wenn du die Fotos alle ansiehst, welche Fotos passen für dich zusammen?

    • Bitte versuche die Fotos zusammenzulegen, die für dich etwas gemeinsam haben (z.Bsp.: ein gemeinsames Thema, die selbe Situation (positiv-negativ), oder Fotos, die ein ähnliches Gefühl hervorgerufen haben)

  2. Die verschiedenfärbigen Papierbögen werden aufgelegt und nochmal erklärt, dass daraus ein Fotobuch zum Thema „Mein Leben mit PA“ entstehen soll.

  3. Nun werden die Gruppierungen genauer durchgearbeitet und gefragt, aus welchem Grund die AN/der AN sie zusammengelegt hat (Frage nach Gemeinsamkeit).

    • Was haben diese Fotos für dich gemeinsam?

    • Bei einzelnen Fotos: Was ist mit diesen Fotos? Was ist bei den Fotos so anders?

  4. Es wird versucht eine gemeinsame Überschrift dafür zu finden.

    • Wir könnten für die einzelnen Seiten im Fotobuch noch Überschriften/Titel finden: Was könnte ein Wort sein, dass gut zu diesen Fotos passt?

    • Wie bist du auf diese Überschrift gekommen?

  5. Die AN wählen einen farbigen Bogen aus, die Überschrift wird darauf geschrieben und die Fotos aufgeklebt. Während dem Kleben oder danach werden weitere Fragen gestellt.

    • Was fällt dir zuerst ein, wenn du die Fotos ansiehst?

    • Was passiert auf den Fotos?

    • Was hast du in dieser Situation gefühlt?

    • War es für dich eine besondere Situation, oder etwas ganz normales?

    • Warum hast du diese Farbe für die Seite ausgewählt?

  6. Falls zu viele Fotos: Die AN wählt aus den Fotos diejenigen aus, die sie/er einkleben will.

    • Was ist mit diesen Fotos?

    • Passen die anderen Fotos nicht so gut zu der Seite?

    • Könnten sie vielleicht woanders noch dazu passen?

  7. Das Fotobuch wird gemeinsam zusammengebunden und noch einmal reflektiert

  8. Gefällt dir das Album? Was hat Spaß gemacht?

  9. Ist dir etwas besonders schwer gefallen?

  10. Resümee meinerseits: „Mein Leben mit PA“ Was fällt mir auf. Schwierige Situationen oder auch positive Aspekte, die von den/der AN erwähnt wurden, noch einmal ansprechen und zu den problemzentrierten Fragen, die bisher noch keine Erwähnung fanden, übergehen.

Problemzentrierte Fragen:

Themenblock: Assistenzalltag

  1. Die erste Frage betrifft die gemeinsame Zeit mit deiner Assistentin/deinem Assistent

    ganz allgemein: Erzähle mir bitte, wie die Stunden mit deiner Assistentin/deinem Assistent verlaufen? Was machst du mit deiner Assistentin/deinem Assistent?

  2. Wie findest du die gemeinsame Zeit? Was gefällt dir daran besonders gut, wenn der Assistent/die Assistentin da ist? Was gefällt dir nicht so gut?

  3. Kannst du mir von einer Situation erzählen, wo du findest, dass es besonders gut funktioniert hat? Und eine Situation, die besonders schlecht gewesen ist?

  4. Wie sollte die persönliche Assistentin/der persönliche Assistent sein? Was ist für dich eine gute Assistentin/ein guter Assistent?

  5. Was ist besonders schwierig in der Beziehung

    zu deiner Assistentin/deinem Assistent?

  6. Was machst du, wenn deine Assistentin/dein Assistent da ist? Was macht sie/er? Was macht ihr gemeinsam?

  7. Du hattest früher noch einen Assistenten, der jetzt nicht mehr zu dir kommt. Was hat dir an ihm gefallen? Was war nicht gut?

Themenblock: Erwartungen

  1. Wobei sollte dich deine Assistentin/dein Assistent unterstützen? Was findest du, sollte sie machen? Was erwartest du dir von deiner Assistentin/deinem Assistenten?

  2. Was sollte sie auf keinen Fall machen? Worüber ärgerst du dich?

Themenblock: Kompetenzen

  1. Wonach hast dur dir die Assistentin/den Assistent ausgesucht? Was ist dir da wichtig, wenn du eine neue Assistentin oder einen neuen Assistent brauchst?

  2. Wie werden die Assistenzzeiten geplant? Wer übernimmt das? Warum zu diesem Zeitpunkt?

  3. Welche Aufgaben gibst du der Persönlichen Assistenz? (Angaben über Form, Art und Umfang der Hilfe)

Themenblock: Selbstbestimmung

  1. Was hat sich für dich verändert

    , seit du in die Wohnung gezogen bist?

  2. Wenn deine Assistentin/dein Assistent anwesend ist, wer bestimmt dann, wann ihr etwas macht oder was ihr macht?

  3. Was bedeutet für dich das Wort Selbstbestimmung?

Themenblock: Zufriedenheit

  1. Wie oft bist du in der Wohnung? Bist du lieber in dieser Wohnung oder bei deinen Eltern?

  2. Was gefällt dir dort so gut? Was gefällt dir weniger gut?

    • Was gefällt dir in deiner eigenen Wohnung gut? Was weniger gut?

    • Wie hast du früher gewohnt? Wie hat dir das gefallen? Was hat dir weniger gefallen?

  3. Zum Abschluss: Wie zufrieden bist du damit wie es ist? Was gefällt dir besonders gut? Was nicht so gut?

  4. Was würdest du gerne verändern/anders haben?

  5. Gibt es noch etwas, was du mir gerne sagen würdest, was noch wichtig für dich ist?

Interviewleitfaden Persönliche AssistentInnen

Demographische Daten

Alter:

Geschlecht:

Höchste abgeschlossene Ausbildung:

Berufliche Tätigkeiten:

Themenblock: Motive und Gründe

  1. Wie kam es dazu, dass Sie als persönlicher Assistent/persönliche Assistentin im Projekt tätig wurden? (Wann? Kontaktaufnahme? Mit Wem? Wo?)

  2. Was waren die Gründe, sich für diesen Tätigkeitsbereich zu entscheiden?

    1. Inwieweit haben Sie bereits berufliche Vorerfahrung mit der Tätigkeit Persönliche Assistenz oder mit ähnlichen Tätigkeiten?

    2. Leisten Sie neben den Assistenzdiensten hier noch anderen Personen Assistenz?

Themenblock: Assistenzalltag und Beziehung zu AN

  1. Erzählen Sie mir bitte über Ihren ersten Arbeitstag bei dem Projekt.

  2. Wie gestaltet sich ein typischer Assistenzalltag? Bitte beschreiben Sie mir den typischen Ablauf der Assistenzstunden.

  3. In welchem zeitlichen Umfang wird Assistenz geleistet? Wie werden die Assistenzzeiten geplant?

  4. Wenn Sie an Situationen vergangener Assistenzstunden zurückdenken:

    1. Erzählen Sie mir bitte ein bis zwei Situationen, in denen die Assistenz Ihrem Eindruck nach sehr gut gelaufen ist.

    2. Erzählen Sie mir bitte ein bis zwei Situationen, in denen die Assistenz schwierig war und Ihrem Eindruck nach nicht gut gelaufen ist.

    3. Was würden Sie sagen, funktioniert allgemein gut/weniger gut?)

  5. Wie würden Sie die Beziehung zwischen Ihnen und der Person, der Sie Assistenz leisten, jemandem beschreiben, der keine Ahnung von Persönlicher Assistenz hat?

Themenblock: Rollenverteilung, Aufgabenbereiche und Kompetenzen

  1. Wie würden Sie Ihre Aufgaben beschreiben?

    • Haben sich die Aufgaben im Laufe der Zeit verändert oder sind sie eher gleich geblieben?

    • Sehen die AssistenznehmerInnen Ihre Aufgaben ähnlich oder werden teilweise auch andere Erwartungen an Sie heran getragen? (Welche? Wie gehen Sie dann damit um?)

  2. Welche Tätigkeiten sind eher sensibel bzw. können leicht zu Konflikten führen?

  3. Wie würden Sie einen idealen Assistenten bzw. eine ideale Assistentin beschreiben? Welche Eigenschaften und Kompetenzen sollte er oder sie haben?

  4. Und was erwarten Sie sich von einem Assistenznehmer bzw. einer Assistenznehmerin? Welche Eigenschaften und Kompetenzen muss er/sie haben, um die Rolle als AssistenznehmerIn gut ausfüllen zu können?

Themenblock: Unterstützung in der Assistenzarbeit

  1. Welche Möglichkeiten der Unterstützung können Sie für Ihre Tätigkeit nutzen?

    • Wo können Sie sich z.B. Rat holen und schwierige Situationen in der Assistenz besprechen?

    • Inwieweit Möglichkeiten der Weiterbildung oder Supervision?

  2. Was würden Sie noch benötigen, um in Ihrer Tätigkeit als AssistentIn gut unterstützt zu werden?

Themenblock: Selbstbestimmung

  1. Was verstehen Sie persönlich unter Selbstbestimmung?

  2. Was beobachten Sie im Assistenzalltag, was für die AssistenznehmerInnen aus dem Projekt Selbstbestimmung bedeutet?

  3. Wie kann deren Selbstbestimmung im Assistenzalltag erreicht bzw. gefördert werden?

  4. Welche Rolle müssen Sie als AssistentIn dafür einnehmen?

Themenblock: Zufriedenheit

  1. Zum Abschluss: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Tätigkeit als AssistentIn?

  2. Wie zufrieden sind Sie mit den Rahmenbedingungen der Assistenz? (finanziell, zeitlich, räumlich, emotional, …)

  3. Was wäre für Sie der wichtigste Veränderungswunsch an die Projektverantwortlichen? Was darüber hinaus wäre noch wichtig?

  4. Gibt es etwas, das wir noch nicht besprochen haben, das aber für Sie noch wichtig

    wäre?

Lebenslauf

Persönliche Daten

Anna Magdalena Schachner

Geburtsdatum: 03.04.1987, Geburtsort: Salzburg

Staatsangehörigkeit: Österreich

Wohnort: Wien

Email: anna.schachner@univie.ac.at

Ausbildung

1992 – 1996 Volksschule Parsch-Salzburg

1996 – 2005 Privatgymnasium St. Ursula in Salzburg, AHS-Matura

2005 – 2008 Bakkalaureatstudium der Soziologie in Wien

2006 – 2012 Studium der Bildungswissenschaften in Wien (Schwerpunkte: Sonder- und Heilpädagogik, Aus- und Weiterbildung)

März – Juli 2009 Studienaufenthalt an der Humboldt Universität in Berlin

Seit 2009 Masterstudium der Soziologie in Wien (Schwerpunkte: Familiensoziologie, Integration benachteiligter Personengruppen)

Praktika und berufliche Tätigkeiten

Seit 2007 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei „queraum. kultur- und sozialforschung.“ (Mitwirkung bei unterschiedlichen (Evaluations-) Projekten in den Bereichen Gesundheitsförderung und Integration benachteiligter Personengruppen)

Seit 2010 Wissenschaftliche Mitarbeit als Tutorin am Institut für Soziologie, Universität Wien

März 2010 – Sept. 2010 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Begleitforschung „Assistiertes Wohnen für Menschen mit kognitiver Behinderung“ in Salzburg

Juli 2010/2011 Ehrenamtliche Tätigkeit „Kinder Uni Wien“

Dezember 2010 Workshopleitung mit Frau Mag. Hemma Mayrhofer im Rahmen der Fachtagung „Rekonstruktive Soziale Arbeit“ zum Thema: Die Fotobefragung als partizipative Methode in der qualitativen Evaluationsforschung

März 2011 – Nov. 2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Evaluation „Maßnahmen zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung“ in Wien

Ehrenwörtliche Erklärung zum selbstständigen Verfassen der Diplomarbeit

Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe.

Ich habe die Diplomarbeit bzw. Teile daraus weder im In- noch im Ausland einer Beurteilerin/ einem Beurteiler zur Begutachtung als Prüfungsarbeit vorgelegt.

Wien,______________________

Datum, Unterschrift

Danke

... in erster Linie an die AssistenznehmerInnen und AssistentInnen, die mir Einblick in ihr Leben gestatteten und sich für persönliche Gespräche bereit erklärt haben.

… an meine Familie, die mir nicht nur das Studium ermöglichte, sondern auch ständig ein großes Interesse an meiner Arbeit zeigte und mich so gut es ging unterstützte – insbesondere meinem Vater herzlichen Dank, der mir jederzeit bei inhaltlichen und formalen Fragen zur Diplomarbeit mit Rat und Tat zur Seite stand.

… an Florian Nepita, Eva Kogler, Lisa Hessenberger und auch viele andere Freunde, die immer ein offenes Ohr für meine Anliegen hatten.

… an Herrn Dr. Luciak für seine hilfreiche Unterstützung in den DiplomandInnenseminaren und während des Verfassens der Diplomarbeit.

… an Frau Mag. Mayrhofer für die Beratung bei inhaltlichen Fragen während der Forschungstätigkeiten und für die lehrreiche und sehr bereichernde Zusammenarbeit.

Quelle

Anna Schachner: Persönliche Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Das Beziehungsverhältnis zwischen AssistenznehmerInnen und AssistentInnen. Diplomarbeit an der Universität Wien, Studienrichtung Pädagogik, 2012.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 03.07.2015

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