Umgang mit straffälligen Personen in Österreich

Schlagwörter: Gesetz, Therapie, Diskriminierung, Gutachten, Psychische Behinderung, Österreich, UN-Konvention, Selbstvertretung
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Dieser Text ist von der Internet-Seite des Monitoring-Ausschusses
Copyright: © Monitoring-Ausschuss 2015

Information zu diesem Text von bidok

Diesen Text haben wir von der Internet-Seite

des Monitoring-Ausschusses.

Der Monitoring-Ausschuss ist eine Gruppe von Menschen,

die überprüft, ob Österreich die UN-Regeln einhält.

Dieser Text ist von 2015.

Das Thema ist: Umgang mit straffälligen Personen in Österreich.

Auf unserer Internet-Seite haben wir noch einen Text

zum Thema: Monitoring-Ausschuss.

Diesen Text finden Sie hier:

http://bidok.uibk.ac.at/library/wibs-monitoringausschuss-l.html

Einige Wörter sind fett geschrieben.

Das sind schwere Wörter.

Die schweren Wörter werden im Wörterbuch erklärt.

Das Wörterbuch ist am Ende vom Text.

1. Einleitung

Wenn ein Mensch etwas macht,

das gegen die Gesetze ist,

nennt man das eine Straftat.

Für so eine Straftat kann man ins Gefängnis kommen.

Wenn eine Gefängnis-Strafe durchgeführt wird,

nennt man das Straf-Vollzug.

Der österreichische Staat will mit Gefängnis-Strafen erreichen,

dass die Täterinnen und Täter erkennen,

dass sie etwas Falsches getan haben.

Sie sollen nach der Gefängnis-Strafe

ein ordentliches Leben führen

und keine Straftaten mehr begehen.

Aber es gibt Menschen,

die wegen einer psychischen Beeinträchtigung nicht verstehen,

was richtig oder falsch ist.

Diese Menschen begehen manchmal Straftaten

und sehen nicht ein,

dass sie etwas falsch gemacht haben.

Diese Menschen werden zwar

in einer Einrichtung festgehalten,

bekommen aber vor allem eine Therapie.

Wenn Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung

ihre Straftat einsehen,

bekommen sie eine Strafe und eine Therapie.

Das nennt man Maßnahmen-Vollzug.

Im Jahr 1975 sind die Gesetze für Straftaten geändert worden.

Danach hat man Straftäterinnen und Straftäter

mit einer psychischen Beeinträchtigung

seltener in Gefängnisse gesperrt:

Es sind viel weniger als 100 Menschen

mit einer psychischen Beeinträchtigung

in den Gefängnissen gesessen.

Außerdem haben die Menschen

mehr Freiheiten bekommen.

Sie haben auch immer wieder

für eine bestimmte Zeit

die Gefängnisse verlassen dürfen,

bevor sie ganz entlassen worden sind.

Das nennt man Freigang.

Aber dann haben einige Menschen

auf Freigang Straftaten begangen.

Danach sind die Bedingungen

in den Gefängnissen wieder strenger geworden.

Besonders ein Fall im Jahr 1993

war ein Grund für die strengeren Bedingungen:

Karl-Otto Haas sollte bald entlassen werden

und war auf Freigang.

Während dieses Freigangs hat er einen Mord begangen.

Karl-Otto Haas war nicht im Maßnahmen-Vollzug,

aber die Bedingungen für die Menschen im Maßnahmen-Vollzug

sind trotzdem viel schlechter geworden.

Im Jahr 2014 waren schon wieder

mehr als 800 Personen im Maßnahmen-Vollzug.

Die Bedingungen im Maßnahmen-Vollzug

sind für die Menschen dort heute sehr schlecht.

Deshalb ist auch eine Arbeits-Gruppe eingesetzt worden,

die sich mit den Bedingungen im Maßnahmen-Vollzug

beschäftigen soll.

Bei dieser Arbeits-Gruppe

arbeitet auch der Monitoring-Ausschuss mit.

Der Monitoring-Ausschuss hat in Gefängnissen

mit einigen Selbstvertreterinnen und Selbstvertretern geredet.

Diese Menschen können sonst nicht darüber sprechen,

wie es ihnen im Maßnahmen-Vollzug geht.

Das ist ein sehr großes Problem,

weil sie das Recht darauf haben.

In dem Bericht, den Sie hier lesen,

wird auch darauf geachtet,

ob Österreich wichtige Verträge einhält,

die es zum Schutz von Menschen in Gefängnissen gibt.

Zum Beispiel Bestimmungen gegen Folter

oder die UNO-Konvention über die Rechte

von Menschen mit Behinderungen.

Der Monitoring-Ausschuss schätzt die Arbeit

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen,

in denen Menschen wegen Straftaten festgehalten werden.

Trotzdem kommt es in diesen Einrichtungen immer wieder dazu,

dass die Bedürfnisse der Menschen nicht beachtet werden.

Selbstverständlich müssen die Opfer von Straftätern geschützt werden.

Der Opferschutz ist das Wichtigste.

Aber es ist möglich,

dass Straftäter wieder in die Gesellschaft zurückkehren können

und ein ordentliches Leben führen.

Das muss kein Widerspruch zum Opferschutz sein.

2. Welche Probleme gibt es?

Hoffnungslosigkeit

Wenn Menschen wegen einer psychischen Beeinträchtigung

ein Verbrechen begehen,

werden sie manchmal noch länger

in einer Einrichtung festgehalten,

als ihre Strafe dauert.

Dort müssen sie eine Therapie machen.

Das kann in manchen Fällen viele Jahre dauern.

Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter sagen dazu:

  • „Es ist unwürdig und unerträglich.“

  • „Wieso muss ich mit Häftlingen zusammen sein?

    Ich bin ein Patient und kein Gefangener.“

  • „Hier bei der Therapie hat man weniger Rechte

    als ein Strafgefangener“.

  • „Man nennt diese Einrichtung Therapie-Zentrum.

    Aber eigentlich ist es ein Gefängnis.“

Sehr viele Menschen,

die nach einer Straftat

in einer Einrichtung festgehalten werden,

haben überhaupt keine Hoffnung mehr.

Sie sagen:

  • „Wenn man hier festgehalten wird,

    passiert sicher nix mehr.“

  • „Man hängt in der Luft“.

  • „Hier zu sein ist komplette Hoffnungslosigkeit“.

  • „Es geht nichts weiter.

    Bei mir nicht und auch bei den anderen nicht.“

Die Menschen glauben auch,

dass der Staat und die Einrichtungen

mit dem Problem nicht umgehen können.

Die Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

bekommen in den Einrichtungen keine Hilfe,

sondern sie werden nur gefangen gehalten.

Ein Selbstvertreter ist der Meinung,

dass in den Einrichtungen

die Gesetze nicht eingehalten werden,

weil die Menschen seelisch gequält werden.

Angeblich sind die Menschen dort,

weil sie eine Therapie bekommen sollen,

damit sie wieder ein normales Leben führen können.

Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter glauben aber,

dass sie nur sinnlos festgehalten und gequält werden.

Zum Beispiel gibt es im Maßnahmen-Vollzug

nur Therapien auf Deutsch.

Unter den Menschen, die festgehalten werden,

gibt es aber mehr als 8 andere Sprachen.

Es gibt auch sehr viele Menschen im Maßnahmen-Vollzug,

die aus anderen Ländern geflohen sind

und keine Aufenthalts-Berechtigung haben.

Das ist für diese Menschen sehr gefährlich,

weil sie in den Einrichtungen leicht von der Polizei

wieder in ihr ursprüngliches Land

zurückgeschickt werden können.

Aber meistens sind die Lebens-Umstände

in diesen Ländern sehr schlecht.

Diese schlechten Lebens-Umstände sind oft der Grund,

warum Menschen eine Straftat begehen.

Das heißt, die Menschen werden in die Umgebung zurückgeschickt,

die schuld an ihren seelischen Problemen ist.

Das macht ihre Probleme natürlich nur größer.

Außerdem gibt es in diesen Ländern

meistens keine passende Betreuung

für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.

Wann muss ein Mensch in den Maßnahmen-Vollzug?

Manchmal werden Menschen

in den Maßnahmen-Vollzug eingewiesen,

weil sie Drohungen gegen einen anderen Menschen

ausgesprochen haben.

Aber das wäre oft nicht notwendig,

weil solche Drohungen nicht immer ernst gemeint sind.

Drohungen auszusprechen

oder jemanden wild zu beschimpfen

ist unter manchen Menschen nicht außergewöhnlich.

Es ist auch keine psychische Beeinträchtigung,

wenn sich ein Mensch „schlecht benimmt“.

Manche Menschen reagieren auf schlimme Erfahrungen

mit auffälligem Verhalten.

Aber deshalb müssen sie nicht unbedingt

in eine Einrichtung für Menschen

mit psychischen Beeinträchtigungen eingewiesen werden.

Trotzdem werden deswegen immer mehr Menschen

in solche Einrichtungen eingewiesen.

Es werden auch auffällig viele Menschen eingewiesen,

weil sie Drohungen gegen Personen aussprechen,

die in der Öffentlichkeit stehen.

Zum Beispiel gegen Politikerinnen und Politiker.

Wann ist ein Mensch gefährlich?

In Österreich werden Menschen

im Maßnahmen-Vollzug festgehalten,

weil sie „gefährlich“ sind.

Oft wissen diese Menschen nicht,

wie lange sie dort bleiben müssen.

Die Begründung dafür ist,

dass diese Menschen wieder eine Straftat begehen würden,

wenn man sie freilassen würde.

Aber diese gefährlichen Menschen

bekommen in den Einrichtungen auch keine Hilfe.

Sie werden eigentlich nur eingesperrt.

Es wäre aber wichtig herauszufinden,

warum ein Mensch gefährlich ist

und welche Störung er hat.

Es gibt Tests und Einteilungen,

die die Gefährlichkeit eines Menschen feststellen.

Aber diese Tests und Einteilungen

sind für Österreich nicht geeignet,

weil sie für andere Länder gemacht worden sind.

Es ist ein Problem,

wenn man immer wieder betont,

wie gefährlich ein Mensch ist.

Es kommt im Maßnahmen-Vollzug immer wieder vor,

dass Menschen deswegen schlecht behandelt werden

oder keine richtige Hilfe bekommen.

Es ist außerdem eine Diskriminierung,

wenn ein Mensch festgehalten wird,

weil er angeblich gefährlich ist.

Wenn ein Mensch nur wegen einer

psychischen Beeinträchtigung festgehalten wird,

ist das auch gegen die UNO-Konvention.

Menschen, die eine psychische Beeinträchtigung haben,

können das oft erkennen und darüber nachdenken.

Sie haben oft die Fähigkeit, sich zu ändern.

Aber das wird beim Maßnahmen-Vollzug nicht beachtet.

Bei der Einweisung von Menschen

werden vor allem die schlechten Seiten gesehen.

Fortschritte haben oft keinen Einfluss auf die Strafe.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Alles, was für mich gut gewesen wäre,

    ist bei Gericht nicht gesagt worden.

    Die Vorstrafen wissen sie ganz genau,

    die Dinge, die sich verändern,

    sieht aber keiner.“

Respektlosigkeit

Menschen mit Behinderungen werden oft respektlos behandelt.

Auch im Maßnahmen-Vollzug

werden Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

oft respektlos behandelt und beleidigt.

Vor allem glaubt ihnen niemand etwas.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Den Verrückten, Kranken glaubt man ja nicht.

    Die sagen zu mir: Du bist ein Volltrottel.

    Niemand glaubt mir.“

Wenn ein Mensch eine Beeinträchtigung hat,

kann er trotzdem Situationen richtig erkennen.

Er kann auch eine eigene Meinung haben.

Jeder Mensch hat das Recht,

dass man ihm respektvoll zuhört

und er eine normale Antwort bekommt.

Viele Menschen im Maßnahmen-Vollzug sagen,

dass sie Versprechen bekommen,

die dann nicht eingehalten werden.

Bis zum Jahr 1994 war das allerdings ganz anders.

Versprechen sind ganz klar gesagt worden

und auch eingehalten worden.

Dann hat Karl-Otto Haas auf Freigang

einen Menschen ermordet.

Und alle Menschen im Maßnahmen-Vollzug

werden seitdem wieder schlecht behandelt.

Heute wissen viele Menschen

im Maßnahmen-Vollzug zum Beispiel nicht,

wann sie entlassen werden.

Sie wissen oft nicht einmal,

ob sie überhaupt jemals entlassen werden.

Oder manchmal bekommt ein Mensch das Versprechen,

dass er bald entlassen wird,

aber das geschieht in Wirklichkeit nicht.

Viele Menschen verzweifeln wegen dieser respektlosen Behandlung.

Wenn Menschen eine Straftat begehen,

bekommen sie eine bestimmte Strafe.

Zum Beispiel 5 Jahre Gefängnis.

Diese Menschen wissen also,

wann sie wieder in Freiheit sind.

Aber wenn ein Mensch mit einer psychischen Beeinträchtigung

eine Straftat begeht,

kann er auch länger im Maßnahmen-Vollzug festgehalten werden.

Das verstehen viele Menschen nicht.

Sie sehen sich als Opfer,

wie sie ihre Strafe ja eigentlich schon abgesessen haben.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Bis zum Ende der Haftstrafe hat man noch Hoffnung.

    Da kann man auch noch einen Sinn sehen.

    Aber dann kommt man in den Maßnahmen-Vollzug.

    Und was danach im Maßnahmen-Vollzug passiert,

    kann man gar nicht beschreiben.“

Viele Menschen werden jahrelang

oder sogar jahrzehntelang im Maßnahmen-Vollzug festgehalten.

Die Dauer des Maßnahmen-Vollzugs

wird auch immer wieder verlängert.

Das ist auch deshalb ein großes Problem,

weil Freunde und Verwandte glauben,

dass die Häftlinge selber daran schuld sind.

Sie glauben ihnen nicht,

dass es für diese Verlängerungen

eigentlich keinen Grund gibt.

Wie kommt ein Mensch in den Maßnahmen-Vollzug?

Wenn der Verdacht besteht,

dass ein Mensch eine Straftat begangen hat,

weil er eine psychische Beeinträchtigung hat,

gibt es ein Gutachten. Dieses Gutachten soll feststellen,

ob ein Mensch gefährlich ist oder nicht.

Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter sind aber der Meinung,

dass diese Gutachten falsch gemacht werden.

Sie sind der Meinung,

dass die Entscheidungen der Gutachterinnen und Gutachter

in vielen Fällen völlig unverständlich sind.

Ein Gutachten wird bei einem Gespräch

mit Straftäterinnen und Straftätern gemacht.

So ein Gespräch sollte mindestens 6 Stunden dauern.

Aber in Wirklichkeit dauern die Gespräche

nur 5 bis 30 Minuten.

In so kurzer Zeit kann man einen Menschen

aber nicht richtig einschätzen.

Viele Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter

sagen bei den Gutachten so wenig wie möglich.

Sie glauben, dass sowieso nur das Schlechte gesehen wird.

Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter erwarten sich

von den Gesprächen eigentlich Lösungen für ihre Probleme.

Aber das geschieht nicht.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Das Gespräch mit dem Gutachter ist sinnlos,

    wenn er nur das sieht,

    was die anderen sagen.“

Ein besonders schlimmes Erlebnis

hat ein anderer Mensch

mit psychischer Beeinträchtigung gehabt:

  • „Der Gutachter kommt herein,

    gibt mir die Hand und sagt:

    Sie sind gefährlich!“

Es gibt immer wieder Gutachten,

wenn ein Mensch länger im Maßnahmen-Vollzug

festgehalten wird.

Das soll auch so sein,

weil sich die Menschen ändern können

und vielleicht nicht mehr gefährlich sind.

Aber auch da gibt es Probleme.

Manchmal wird einfach immer nur das Ergebnis

aus dem ersten Gutachten verwendet

und die Menschen werden nicht neu untersucht.

Manchmal sind die Gutachten auch extrem unterschiedlich.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Wenn du das eine Gutachten liest,

    glaubst du, ich bin ein Massenmörder.

    Im nächsten Gutachten steht das genaue Gegenteil.“

Auch bei den Gerichts-Verhandlungen

werden Straftäter mit psychischen Beeinträchtigungen

oft nicht wirklich beachtet.

Oft werden diese Menschen nicht einmal zur Straftat befragt.

Wenn ein Mensch nicht beweisen kann,

dass das Gutachten nicht stimmt,

hat er keine Chance.

Viele Richterinnen und Richter

oder Anklägerinnen und Ankläger glauben außerdem,

dass der Maßnahmen-Vollzug besser ist

als die normale Haft im Gefängnis.

Sie glauben sogar,

dass sie den Menschen etwas Gutes tun,

wenn sie sie in den Maßnahmen-Vollzug schicken.

Anhörung

Wenn Menschen im Maßnahmen-Vollzug sind,

gibt es immer wieder Anhörungen.

Dabei soll überprüft werden,

ob ein Mensch gefährlich ist oder nicht.

Bei einer Anhörung entscheiden Richterinnen und Richter,

ob ein Mensch noch länger bleiben muss oder nicht.

Aber diese Anhörungen werden nicht sinnvoll gemacht.

Sie dauern so kurz,

dass ein Mensch nicht richtig eingeschätzt werden kann.

Außerdem glauben viele Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter,

dass die Anhörungen nur zum Schein gemacht werden.

Sie glauben, dass schon vorher klar ist,

wie so eine Anhörung ausgeht.

Viele Menschen im Maßnahmen-Vollzug

wollen deswegen gar nicht zu den Anhörungen gehen.

Sie glauben, dass die Anhörungen sinnlos sind.

Richterinnen und Richter entscheiden,

ob ein Mensch im Maßnahmen-Vollzug

mehr Freiheiten bekommt

oder sogar entlassen wird.

Aber sie müssen sich dabei an die Gutachten halten.

Sie können die Menschen nicht selbst einschätzen.

Oft entscheidet die Leitung der Einrichtung

oder ein Gutachten,

ob ein Mensch entlassen wird oder nicht.

Die Richterinnen und Richter

übernehmen diese Entscheidung dann einfach.

Oft lesen die Richterinnen und Richter

die Gutachten gar nicht ganz durch.

Sie lesen oft nur die erste Seite.

Aber es kann einen ganz anderen Eindruck geben,

wenn man das ganze Gutachten lesen würde.

Die Menschen im Maßnahmen-Vollzug

haben bei einer Anhörung

das Recht auf eine Anwältin oder einen Anwalt.

Aber es ist nicht eindeutig klar,

wer nach einer Anhörung eine Entscheidung trifft.

Wie ist das Leben im Maßnahmen-Vollzug?

Im Maßnahmen-Vollzug dauert alles viel zu lange.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Die ersten 18 Monate passiert einmal gar nichts.

    Es dauert alles ewig.“

Die Menschen im Maßnahmen-Vollzug

müssen oft über ein Jahr warten,

bis Anträge genehmigt werden.

Manchmal gibt es ein Gutachten,

dass ein Mensch aus dem Maßnahmen-Vollzug

entlassen werden soll.

Aber dann geschieht jahrelang nichts.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Wie man hier mit den Menschen umgeht,

    ist eine Katastrophe.

    Die Lebenszeit, die einem hier gestohlen wird,

    die bekommt man nicht wieder.“

Damit die Menschen mehr Freiheiten bekommen,

müssen sie eine Therapie machen.

Aber in manchen Anstalten gibt es

nur einmal pro Woche 50 Minuten Therapie.

Das ist viel zu wenig.

Wenn sich ein Mensch

mit der Therapeutin oder dem Therapeuten nicht versteht,

muss er oft trotzdem weiter mit dieser Person reden.

Oder er muss jahrelang warten,

bis er eine andere Therapeutin

oder einen anderen Therapeuten bekommt.

Es gibt Menschen im Maßnahmen-Vollzug,

die 23 Stunden am Tag in ihrer Zelle eingesperrt werden.

Das gilt auch für die Menschen,

die Angst in engen Räumen haben.

Die Menschen im Maßnahmen-Vollzug

haben auch keine Privat-Sphäre.

Wenn sie über bestimmte Dinge nicht sprechen wollen,

bekommen sie oft Probleme.

Die Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter

und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klagen darüber,

dass im Maßnahmen-Vollzug sehr viele Berichte notwendig sind.

Das Schreiben der Berichte braucht zu viel Zeit.

Deswegen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

zu wenig Zeit für die Arbeit mit den Menschen im Maßnahmen-Vollzug.

Die Menschen im Maßnahmen-Vollzug

dürfen eigentlich Rückmeldungen schreiben,

wie es ihnen geht.

Aber das trauen sich nur wenige.

Es kann nämlich leicht passieren,

dass der Aufenthalt im Maßnahmen-Vollzug verlängert wird,

wenn man eine Rückmeldung schreibt.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Wenn man eine Rückmeldung gibt,

    heißt es, man ist aggressiv.

    Man muss zu allem ein nettes Gesicht machen,

    sonst kommt man nie raus.“

Es gibt auch Probleme,

wenn man mehr Freiheiten bekommt.

Zum Beispiel müssen die Menschen lernen,

wie sie Probleme meistern können,

die nach dem Maßnahmen-Vollzug in Freiheit auftreten.

Deswegen wäre es sinnvoll,

dass es auch Therapie außerhalb der Anstalt gibt.

Es wäre auch wichtig,

etwas über die Möglichkeiten von Unterstützung

nach der Entlassung zu erfahren.

Aber diese Möglichkeiten gibt es nicht.

In Gegenteil:

Manchmal dürfen Menschen

den Maßnahmen-Vollzug eine Zeitlang verlassen.

Manche tun sich schwer damit.

Wenn sie aber darüber reden,

dass sie Probleme haben,

bekommen sie weniger Freiheiten

und müssen länger im Maßnahmen-Vollzug bleiben.

Oft gibt es auch Strafen

für alle Menschen im Maßnahmen-Vollzug,

weil ein Einzelner einen Fehler macht.

Ein großes Problem ist die Betreuung

nach dem Aufenthalt im Maßnahmen-Vollzug.

Die Menschen brauchen eine Probewohnung,

damit sie wieder lernen,

wie man in Freiheit lebt.

Es gibt aber zu wenige Möglichkeiten,

für dieses Probewohnen.

Wenn ein Mensch keinen Wohnplatz finden kann,

muss er im Maßnahmen-Vollzug bleiben.

Die Menschen im Maßnahmen-Vollzug müssen

zuerst in einer Probewohnung wohnen.

Sogar wenn sie eine eigene Wohnung haben

oder bei ihrer Familie wohnen können.

Damit nehmen sie einem anderen,

der keine Wohnung hat, den Platz weg.

Therapie

Als Therapie gibt es im Maßnahmen-Vollzug

vor allem Medikamente und Gesprächs-Therapie.

Die Medikamente sind eine Zwangs-Therapie:

Die Menschen müssen bestimmte Medikamente nehmen,

damit sie überhaupt je wieder freigelassen werden.

Die Menschen bekommen sehr viele, starke Medikamente,

die oft auch starke Nebenwirkungen haben.

Darum kümmert sich aber fast niemand.

Aber wenn ein Mensch die Medikamente nicht nehmen will,

muss er eben länger im Maßnahmen-Vollzug bleiben.

Aber man darf keinen Menschen zwingen,

Medikamente zu nehmen.

Vor allem nicht,

wenn man sich nicht um die Nebenwirkungen kümmert.

Das steht auch in der UNO-Konvention.

Außerdem lösen Medikamente

die meisten Probleme der Menschen im Maßnahmen-Vollzug nicht.

Man muss sich mit den Menschen beschäftigen.

Die Gesprächs-Therapien sind manchmal erfolgreich.

Wenn ein Mensch eine passende Therapeutin

oder einen passenden Therapeuten findet,

gibt es Fortschritte.

Aber wenn der Mensch im Maßnahmen-Vollzug

mit der Therapeutin oder dem Therapeuten

nicht gut auskommt, hat er Pech gehabt.

Es gibt fast keine Möglichkeit,

die Therapie bei einer anderen Person zu machen.

Wenn bei einem Menschen eine Therapie nichts hilft,

bleibt er ohne weitere Hilfe im Maßnahmen-Vollzug.

Sie bekommen keine andere Art von Therapie,

auch wenn das helfen würde.

Besonders schlimm geht es Menschen,

die früher in Freiheit keine Therapie bekommen haben

und deshalb eine Straftat begangen haben.

Ein Selbstvertreter sagt:

  • „Ich wollte eine Therapie,

    aber man hat mich nicht ernst genommen.“

Es gibt sehr viele Berichte,

dass Anträge auf Therapie abgelehnt worden sind,

weil eine Therapie zu viel Arbeit bedeuten würde.

Vorgeschichte der Menschen im Maßnahmen-Vollzug

Viele Menschen im Maßnahmen-Vollzug

waren früher selbst Opfer von Gewalt.

Oft haben sie als Kinder schlechte Erfahrungen gemacht.

Zum Beispiel in einem Kinderheim.

Viele haben auch schon lange Zeit psychische Beeinträchtigungen.

Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter erzählen zum Beispiel:

  • „Ich habe Geld als Entschädigung als Opfer bekommen.

    Wir mussten im Kinderheim auf Legosteinen knien,

    weil wir miteinander geredet haben.

    Das Geld ist jetzt weg.

    Ich habe jemanden verletzt

    und dafür Schmerzensgeld bezahlt. Das ist ok.“

  • „Ich habe 5 Selbstmordversuche gemacht.“

  • „Ich habe darüber gesprochen,

    dass ich über Mord nachdenke.

    Daraufhin bin ich sofort eingewiesen worden.“

Diese Menschen sehen den Maßnahmen-Vollzug

oft als eine Möglichkeit

Hilfe zu bekommen.

Das ist aber ein sehr schlechtes Zeichen.

Es ist keine gute Lösung,

wenn ein Gefängnis oder eine Anstalt für Straftäter

als Möglichkeit für eine Therapie verwendet wird.

Wenn Menschen schlechte Erfahrungen gemacht haben

oder psychische Beeinträchtigungen haben,

werden ihre Probleme im Maßnahmen-Vollzug nicht besser.

Sie nehmen oft Ärztinnen und Ärzte nicht mehr ernst

und wollen Selbstmord begehen.

Manchmal weigern sie sich zu essen,

weil das ein Weg zum Selbstmord sein kann.

Der Maßnahmen-Vollzug ist Gewalt gegen die Menschen.

Die Menschen bekommen riesige Probleme,

wenn sie im Maßnahmen-Vollzug festgehalten werden

und nicht wissen,

wann sie wieder freigelassen werden.

Diese Probleme können sie nie mehr lösen.

Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung

Es ist sehr schwer,

Verbesserungen im Maßnahmen-Vollzug zu machen.

Viele Menschen in unserer Gesellschaft

haben große Angst vor Straftätern

mit psychischen Beeinträchtigungen.

Diese Menschen wollen am liebsten,

dass diese Straftäter einfach für immer eingesperrt bleiben.

Sie sehen in diesen Straftätern nur Monster.

Sie haben kein Interesse daran,

dass diese Menschen wieder

in unserer Gesellschaft leben können.

Aber nur wenige Menschen aus dem Maßnahmen-Vollzug

begehen in Freiheit wieder eine Straftat.

Viele Menschen in unserer Gesellschaft

wollen absolute Sicherheit haben.

Aber das ist unmöglich.

Es gibt immer ein Risiko,

dass jemand einen Fehler macht.

Man muss dieses Risiko eingehen,

damit Menschen aus dem Maßnahmen-Vollzug

Unterstützung bekommen und wieder in Freiheit leben können.

Einige wenige Menschen begehen sehr schlimme Straftaten.

Deswegen müssen aber auch viele andere

für sehr lange Zeit im Maßnahmen-Vollzug bleiben.

Und auch die Menschen,

die sehr schlimme Straftaten begangen haben,

haben das Recht, sich zu ändern.

Sie müssen auch die Möglichkeit bekommen,

wieder in unserer Gesellschaft zu leben.

Manche von diesen Menschen

vielleicht nur unter bestimmten Bedingungen.

3. Was muss sich ändern?

Es gibt 3 Hauptbereiche,

die sich im Maßnahmen-Vollzug dringend ändern müssen:

  • Wenn es Menschen im Maßnahmen-Vollzug schlecht geht,

    müssen sie schnell die richtige Unterstützung bekommen.

    Es muss auch die richtigen Möglichkeiten geben,

    damit diese Menschen schnell entlassen werden können.

    Zum Beispiel muss es genug Probewohnungen geben,

    damit sich die Menschen

    an das Leben in Freiheit gewöhnen können.

  • Es muss neue Regeln geben,

    wann und warum ein Mensch in den Maßnahmen-Vollzug

    eingeliefert wird.

    Auch die Gutachten,

    ob ein Mensch gefährlich ist oder nicht,

    müssen viel besser werden.

  • Es muss mehr gesundheitliche Vorsorge geben,

    damit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

    keine Straftaten begehen.

Gleiche Rechte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

  • Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

    heißen im Gesetz

    „geistig und seelisch abnorme Rechtsbrecher“.

    Diese Bezeichnung muss sich ändern.

    Diese Menschen haben die gleichen Rechte

    wie alle anderen Menschen auch.

    Sie müssen auf die gleiche Weise behandelt werden.

  • Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

    werden oft diskriminiert.

    Vor allem wenn sie eine Straftat begangen haben,

    werden sie oft ohne Grund sehr lange eingesperrt.

    Diese Menschen müssen die Möglichkeit bekommen,

    wieder in unserer Gesellschaft zu leben.

    Unsere Gesellschaft muss das Risiko aushalten,

    dass einige von diesen Menschen

    wieder eine Straftat begehen.

  • Menschen dürfen nicht nur wegen einer

    psychischen Beeinträchtigung eingesperrt werden.

    Wenn ein Mensch im Maßnahmen-Vollzug ist,

    muss man immer darauf achten,

    ob er sich verändert und ob es ihm besser geht.

Therapie statt Strafe

Für Straftäter mit psychischen Beeinträchtigungen

muss es so früh wie möglich eine Therapie geben.

Bei der Therapie muss es verschiedene Unterstützungen geben:

  • Gesundheits-Versorgung

  • Hilfe, damit Menschen nach einer Therapie

    ein möglichst normales Leben führen können

  • Bildung

  • Hilfe beim täglichen Leben

  • und Hilfe beim Umgang mit anderen Menschen

Keine Diskriminierung

  • Unsere Gesellschaft muss lernen,

    wie schlecht die Diskriminierung

    von Straftätern mit psychischen Beeinträchtigungen ist.

  • Vor allem Jugendliche und ältere Menschen

    mit psychischen Beeinträchtigungen

    werden oft wegen ihres Alters

    und wegen ihrer Beeinträchtigung diskriminiert.

    Diese Menschen sollten überhaupt nicht

    in den Maßnahmen-Vollzug.

    Sie sollten Therapie und Unterstützung bekommen.

  • Manche Menschen aus anderen Ländern

    begehen bei uns eine Straftat,

    weil sie in ihrem eigenen Land

    schlimme Dinge erlebt haben.

    Sie haben deshalb seelische Probleme.

    Diese Menschen sollten bei einer Straftat

    eine Aufenthalts-Genehmigung

    und die richtige Unterstützung bekommen.

    Sie sollten nicht im Maßnahmen-Vollzug

    eingesperrt werden.

Rechtsschutz

  • Alle Menschen im Maßnahmen-Vollzug

    müssen jederzeit mit einer Anwältin

    oder einem Anwalt sprechen können.

    Auch bei den Anhörungen

    über eine mögliche Entlassung

    muss eine Anwältin oder ein Anwalt dabei sein.

  • Wenn Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

    wegen ihrer Beeinträchtigung

    in ein Krankenhaus kommen,

    haben sie ganz bestimmte Rechte.

    Solche Rechte müssen auch

    für Menschen im Maßnahmen-Vollzug gelten.

  • Die Forderungen der UNO-Konvention

    müssen auch für Menschen im Maßnahmen-Vollzug gelten.

Richtige Therapie

  • Menschen im Maßnahmen-Vollzug

    bekommen oft nicht die richtige Therapie.

    In der UNO-Konvention steht genau,

    welche Angebote es geben muss.

  • Alle Opfer von Gewalt

    müssen die richtige Therapie bekommen.

    Auch die Menschen,

    die durch den Maßnahmen-Vollzug

    Probleme bekommen haben.

  • Straftäter müssen so früh wie möglich

    eine Therapie bekommen.

    Auch schon vor der Einweisung in den Maßnahmen-Vollzug.

  • Menschen im Maßnahmen-Vollzug

    dürfen nicht zu bestimmten Behandlungen gezwungen werden.

    Zum Beispiel darf niemand gezwungen werden,

    bestimmte Medikamente zu nehmen.

    Das steht in der UNO-Konvention.

Assistenz und Unterstützung

  • Wenn Menschen nach dem Maßnahmen-Vollzug

    darauf vorbereitet werden,

    wieder in unserer Gesellschaft zu leben,

    brauchen sie die richtige Unterstützung.

    Zum Beispiel eine Therapie außerhalb der Anstalt.

    Das muss sichergestellt werden.

Untersuchung der Qualität

  • Viele Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

    kommen in den Maßnahmen-Vollzug,

    weil sie in einer Betreuungs-Einrichtung

    aggressiv werden.

    Oft ist der Grund dafür,

    dass diese Menschen eine neue Betreuerin

    oder einen neuen Betreuer bekommen.

    Es muss überprüft werden,

    was man in dem Punkt besser machen kann.

  • Wenn Menschen aus dem Maßnahmen-Vollzug

    wieder in Freiheit gelassen werden sollen,

    können sie vorher immer wieder für kurze Zeit

    aus der Anstalt weggehen.

    Dabei werden die Menschen aber nicht gut unterstützt.

    Deswegen begehen diese Mensch manchmal

    in dieser Zeit wieder Straftaten.

    Man muss überlegen,

    wie man die Menschen besser unterstützen kann.

Vorsorge

Man kann verhindern,

dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

gewalttätig werden und Straftaten begehen.

Dazu brauchen sie aber die richtige Unterstützung.

Mehrere verschieden Bereiche müssen dafür

gut miteinander arbeiten:

  • Gesundheits-Versorgung

  • Elternberatung

  • Jugendwohlfahrt

  • Therapie-Angebote

  • Bildung

Begleitung bei der Entlassung

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

brauchen Vorsorge,

damit sie keine Straftat begehen.

Wenn sie trotzdem eine Straftat begehen,

kommen sie in den Maßnahmen-Vollzug.

In dem Fall brauchen sie Unterstützung,

wenn die wieder entlassen werden.

Die Vorsorge und die Unterstützung bei der Entlassung

sind sehr schwierige Tätigkeiten.

Menschen, die das machen,

brauchen eine spezielle Ausbildung.

Es ist dringend notwendig,

dass es eine eigene Berufs-Ausbildung dafür gibt.

Beteiligung der Menschen im Maßnahmen-Vollzug

Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter müssen

bei allen Entscheidungen über den Maßnahmen-Vollzug

mitreden können.

Überprüfung von Verbesserungen

Es hat im Jahr 1994 schon einmal Vorschläge gegeben,

wie man den Maßnahmen-Vollzug besser machen kann.

Diese Vorschläge sind nicht beachtet worden.

Der Monitoring-Ausschuss fordert dringend,

dass diese Vorschläge jetzt umgesetzt werden.

Für den Ausschuss

Die Vorsitzende

4. Anhang

Dieser Bericht ist eine Kurzfassung.

Der Monitoring-Ausschuss wird einen

ausführlichen Bericht nachreichen.

1. Grundlagen

Grundregelungen

In der UNO-Konvention stehen Grundregelungen,

welche Rechte Menschen mit Behinderungen haben.

Dazu gehören auch

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen,

die im Maßnahmen-Vollzug sind.

Der Monitoring-Ausschuss ist der Meinung,

dass folgende Regelungen ebenfalls sehr wichtig sind:

  • Das Ziel einer Haftstrafe muss sein,

    dass die Menschen nach der Strafe

    wieder in unserer Gesellschaft leben können,

    ohne wieder eine Straftat zu begehen.

  • Menschen dürfen nicht beliebig lang

    im Maßnahmen-Vollzug bleiben.

  • Menschen im Maßnahmen-Vollzug

    dürfen nicht diskriminiert werden.

  • Unsere Gesellschaft muss das Risiko eingehen,

    dass einzelne Menschen nach dem Maßnahmen-Vollzug

    wieder eine Straftat begehen.

    Es dürfen nicht alle Menschen darunter leiden,

    dass einige einen Fehler machen.

Erklärung des Begriffs „Behinderung“

In der UNO-Konvention steht eindeutig,

dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

auch als Menschen mit Behinderungen gelten.

Ein wichtiger Punkt sind aber auch die Barrieren,

die Menschen behindern.

Es gehört zum Beispiel zum Begriff „Behinderung“,

dass ein Mensch weniger Möglichkeiten im Leben hat,

weil andere Menschen ihm nichts zutrauen

oder für gefährlich halten.

Gleiche Rechte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

Menschen mit Behinderungen haben das Recht,

selbst Entscheidungen zu treffen.

Sie haben die gleichen Rechte

auf diese eigenen Entscheidungen

wie alle anderen Menschen auch.

Aber oft bekommen sie dieses Recht nicht.

Oft entscheiden andere Menschen für sie,

obwohl sie das gar nicht dürfen.

Es gibt keinen gemeinsamen Namen

für Menschen im Maßnahmen-Vollzug.

Oft werden sie nur mit beleidigenden Begriffen benannt.

Dadurch wird klar gemacht,

dass sie angeblich „anders“ sind als die anderen.

Das macht es aber schwerer,

„normal“ in unserer Gesellschaft zu leben.

Für jeden Menschen ist es eine starke Veränderung des Lebens,

wenn er in den Maßnahmen-Vollzug kommt.

Deshalb ist es besonders wichtig,

dass die Rechte von diesen Menschen

vollständig und immer beachtet werden.

Zum Beispiel dürfen in Österreich alle Menschen wählen.

Nur nicht Menschen, die im Gefängnis

oder im Maßnahmen-Vollzug sitzen.

Man darf Behinderungen nicht als Nachteil sehen

In Österreich glauben viele Menschen,

dass Menschen mit Behinderungen

keine „normalen“ Fähigkeiten haben und hilflos sind.

Das gilt besonders für Menschen

mit psychischen Beeinträchtigungen.

Wenn ein Mensch mit psychischen Beeinträchtigungen

eine Straftat begeht,

haben die meisten Leute Angst,

weil er gefährlich sein könnte.

Dadurch werden diese Menschen

aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Oft glauben die Menschen aber nur,

dass jemand gefährlich ist,

weil er eine Drohung ausgesprochen hat.

Aber unter manchen Menschen

ist es nicht außergewöhnlich,

Drohungen auszusprechen

oder jemanden wild zu beschimpfen.

Deshalb müssen nicht alle Menschen Angst haben.

Man darf bei Menschen mit Behinderungen

nicht nur darauf achten,

was sie nicht können.

Menschen mit Behinderungen sind wertvoll für unsere Gesellschaft

und haben viele verschiedene Fähigkeiten.

Auch in der UNO-Konvention steht,

dass man Menschen mit Behinderungen

nicht danach beurteilen darf,

was sie nicht können.

Man muss sie nach ihren Fähigkeiten beurteilen,

wie alle anderen Menschen auch.

Auch bei Straftätern mit psychischen Beeinträchtigungen

muss man herausfinden,

welche Fähigkeiten und Möglichkeiten sie haben.

Im Maßnahmen-Vollzug werden Menschen

mit psychischen Beeinträchtigungen

in vielen Punkten diskriminiert.

Es wird zum Beispiel nicht darauf geachtet,

wie alt ein Straftäter ist.

Vor allem junge und alte Menschen

sollten nicht im Maßnahmen-Vollzug sitzen.

Es wird auch nicht darauf geachtet,

aus welchem Land ein Straftäter kommt.

Das wäre vor allem dann wichtig,

wenn dieser Mensch eine andere Sprache spricht.

Besonders schlimm ist es,

dass in Österreich Menschen aus anderen Ländern

ohne Aufenthalts-Genehmigung

im Maßnahmen-Vollzug sitzen müssen.

Diese Menschen haben in ihren eigenen Ländern

oft sehr schlimme Erlebnisse gehabt

und haben deshalb seelische Probleme.

Hier muss es dringend eine bessere Lösung geben.

Menschen dürfen unter keinen Umständen diskriminiert werden.

Alles, was Menschen diskriminiert,

muss dringend aufhören.

2. Gesundheits-Versorgung

Die Unterstützung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

ist eine Angelegenheit der Gesundheits-Versorgung.

Und die Gesundheits-Versorgung ist ein Menschenrecht.

Bei vielen Menschen im Maßnahmen-Vollzug

hat man schon vor ihrer Straftat gewusst,

dass sie eine psychische Beeinträchtigung haben.

Bei einer richtigen Gesundheits-Versorgung

würden viel weniger von diesen Menschen Straftaten begehen.

Viele Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

brauchen eine bestimmte Person,

die ihnen Sicherheit gibt.

Zum Beispiel einen bestimmten Betreuer

oder einen Angehörigen.

Wenn so eine Person plötzlich nicht mehr da ist,

werden Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

oft aggressiv und begehen Straftaten.

Viele von diesen Menschen kommen deshalb

in den Maßnahmen-Vollzug,

obwohl sie das gesundheitlich gar nicht aushalten.

Es muss so früh wie möglich Therapien

für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen geben.

Richterinnen und Richter entscheiden darüber,

ob ein Mensch in den Maßnahmen-Vollzug kommt oder nicht.

Es ist aber oft nicht klar,

wie diese Entscheidungen zustande kommen.

Sie halten sich an Gutachten,

aber auch diese Gutachten werden oft nicht richtig gemacht.

Das muss sich dringend ändern.

Überhaupt muss die ganze Gesundheits-Versorgung

in Gefängnissen und im Maßnahmen-Vollzug besser werden.

Dazu gehören auch bessere Therapien.

In der UNO-Konvention steht an mehreren Stellen,

dass Therapien ein Recht

von Menschen mit Behinderungen sind.

Die Regelungen der Gesundheits-Versorgung

müssen für ganz Österreich gleich gelten.

Es darf in den einzelnen österreichischen Bundesländern

nicht unterschiedliche Regelungen geben.

3. Versorgung innerhalb der Gemeinschaft

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

müssen spätestens nach ihrer Haftstrafe

eine Versorgung bekommen,

die sie in die Gesellschaft mit einbezieht.

Diese Versorgung muss auch in der Nähe des Wohnortes sein.

Alle Menschen wollen Sicherheit.

Aber es hat keinen Sinn,

einzelne Menschen nach einer Straftat

einfach lange wegzusperren.

Kein Mensch kann wieder normal in der Gesellschaft leben,

wenn er eingesperrt und ohne Unterstützung

sehr lange im Maßnahmen-Vollzug leben muss.

Wenn Menschen keine eigenen Entscheidungen treffen dürfen,

können sie keinen Fehler machen

und aus diesen Fehlern lernen.

Fehler und Risiko gehören zum Leben.

Es gibt keine Gesellschaft ohne Risiko.

Eine Gesellschaft muss mit dem Risiko leben können,

dass ein Mensch mit psychischen Beeinträchtigungen

auch nach einer Straftat in dieser Gesellschaft

weiterleben kann.

Es ist für eine Gesellschaft nicht möglich,

alles zu vermeiden,

was vielleicht gefährlich sein könnte.

4. Ausbildung und Information

Im Bereich Maßnahmen-Vollzug bei

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

muss es für alle Beteiligten dringend bessere Ausbildungen geben.

Es gibt zum Beispiel zu wenige Ärztinnen und Ärzte,

die sich in diesem Bereich gut auskennen.

Es gibt auch zu wenige ausgebildete Menschen,

die Straftäter nach dem Maßnahmen-Vollzug unterstützen können.

Oder auch die Richterinnen und Richter

müssen sich besser auskennen.

Es steht auch in der UNO-Konvention,

dass solche Ausbildungen notwendig sind,

damit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

richtig behandelt und unterstützt werden können.

Es muss auch allen Menschen richtig klar gemacht werden,

dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

keine gefährlichen „Monster“ sind.

Auch Zeitungen, Radio oder Fernsehen

müssen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

richtig darstellen.

5. Zugang zum Recht

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

haben überall und immer die gleichen Rechte

wie alle anderen Menschen.

Wenn ein Gutachten gemacht wird,

ob ein Mensch im Maßnahmen-Vollzug bleiben muss

oder freigelassen werden kann,

muss das allen Regeln der UNO-Konvention entsprechen.

Die Menschen mit Behinderungen müssen auf jeden Fall

mit einbezogen werden,

wenn es Entscheidungen über ihr Leben gibt.

Die Gutachterinnen und Gutachter müssen darauf achten,

dass sie Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

auch wirklich verstehen.

Zum Beispiel muss es für gehörlose Menschen

Gebärden-Sprache geben.

Aber die Gutachterinnen und Gutachter

müssen auch darauf Rücksicht nehmen,

ob ein Mensch gut genug Deutsch kann oder nicht.

Gutachten dürfen nicht einfach übernehmen,

was ein anderes Gutachten über einen Menschen sagt.

Jedes Gutachten muss genau feststellen,

wie es dem Menschen zu diesem Zeitpunkt geht.

Außerdem müssen Angehörige

oder andere vertraute Personen

dabei sein, wenn ein Gutachten gemacht wird.

Es gibt regelmäßig Anhörungen,

bei denen festgestellt wird,

ob ein Mensch im Maßnahmen-Vollzug bleiben muss oder nicht.

Anscheinend wird oft schon vor den Anhörungen abgesprochen,

welche Entscheidung es geben wird.

Das muss sofort aufhören.

Es ist unbedingt notwendig,

dass bei jeder Anhörung

eine Anwältin oder ein Anwalt dabei ist.

Anhörungen müssen lange genug dauern,

sonst kann niemand entscheiden,

wie es einem Menschen wirklich geht.

Die Menschen im Maßnahmen-Vollzug

müssen ausreichend Möglichkeit haben,

ihre eigene Meinung zu sagen.

Wenn ein Mensch im Maßnahmen-Vollzug

eine andere Therapie will,

muss das berücksichtigt werden.

Es darf keine Strafen geben,

wenn ein Mensch sagt,

dass ihm eine bestimmte Therapie nicht hilft.

6. Zwangsbehandlung, Freiheit und Sicherheit

Kein Mensch darf zu einer bestimmten Behandlung

gezwungen werden.

Zum Beispiel darf niemand gezwungen werden,

bestimme Medikamente zu nehmen.

Es gibt offensichtlich viel zu wenige Möglichkeiten,

die Menschen im Maßnahmen-Vollzug richtig zu behandeln.

Es muss mehrere verschiedene

Behandlungs-Möglichkeiten geben.

Außerdem muss jeder einzelne Mensch

mit psychischen Beeinträchtigungen

so behandelt werden,

wie es für ihn richtig ist.

Menschen haben das Recht auf Selbstbestimmung.

Das heißt auch,

dass sie selbst entscheiden dürfen,

welche Behandlung sie haben wollen.

Menschen müssen einverstanden sein,

wenn sie eine Behandlung bekommen.

Eine Behinderung ist kein Grund,

jemanden einzusperren.

Man darf niemanden einsperren,

weil er eine psychische Beeinträchtigung hat

und vielleicht gefährlich sein könnte.

Wenn ein Mensch wegen einer psychischen Beeinträchtigung

eine Straftat begeht,

hat das natürlich Folgen.

Aber man muss überprüfen,

was die beste Möglichkeit ist.

Man muss nicht jeden Straftäter

mit einer psychischen Beeinträchtigung

sofort für lange Zeit in den Maßnahmen-Vollzug stecken.

Es gibt viele Möglichkeiten,

wie man Menschen mit Behinderungen unterstützen kann.

Jeder Mensch im Maßnahmen-Vollzug hat andere Bedürfnisse.

Das muss berücksichtigt werden.

7. Einbeziehen von Menschen im Maßnahmen-Vollzug

Menschen im Maßnahmen-Vollzug

müssen bei allen Entscheidungen mit einbezogen werden.

Der Maßnahmen-Vollzug muss stark verbessert werden.

Dabei ist es sehr wichtig,

mit den Menschen zu sprechen,

die dort festgehalten werden.

Es hat im Jahr 1994 schon einmal Vorschläge gegeben,

wie man den Maßnahmen-Vollzug besser machen kann.

Diese Vorschläge sind leider nicht beachtet worden.

Der Monitoring-Ausschuss fordert jetzt dringend,

dass diese Vorschläge umgesetzt werden.

Für den Ausschuss

Die Vorsitzende

Wörterbuch

Anwältin, Anwalt

Eine Anwältin oder ein Anwalt ist eine Person,

die sich sehr gut mit den Gesetzen auskennt.

Sie hilft Menschen bei Verhandlungen oder Anhörungen,

damit diese Menschen zu ihrem Recht kommen.

Diskriminierung, diskriminieren

Diskriminierung heißt, dass jemand benachteiligt wird,

weil er oder sie eine bestimmte Eigenschaft hat.

Zum Beispiel Frauen, Flüchtlinge

oder Menschen mit Behinderungen.

Gesetz

Gesetze sind Regeln, die ein Staat macht.

Alle Menschen, die sich in diesem Staat aufhalten,

müssen sich an diese Regeln halten.

Zum Beispiel gelten die österreichischen Gesetze

für alle Menschen, die sich in Österreich aufhalten.

Wenn man die Gesetze nicht befolgt,

kann man bestraft werden.

Maßnahmen-Vollzug

Wenn Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

eine Straftat begehen,

werden sie nicht in einem normalen Gefängnis eingesperrt.

Sie kommen in eigene Anstalten.

Sie sitzen dort eine Strafe ab

und sollen eine Therapie bekommen.

Oft sitzen diese Menschen sehr lange

in diesen Anstalten.

Menschenrechte

Menschenrechte sind Regeln,

die für alle Menschen

auf der ganzen Welt gelten sollten.

Damit sollen die Würde und die Rechte der Menschen

bewahrt bleiben.

Die Würde eines Menschen wird zum Beispiel verletzt,

wenn er nichts zu essen hat

oder nicht medizinisch versorgt wird,

wenn er krank oder verletzt ist.

Zum Beispiel steht in den Menschenrechten:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde

und Rechten geboren.“

Monitoring-Ausschuss

Monitoring bedeutet „überwachen“.

Ein Ausschuss ist eine Gruppe von Menschen,

die sich mit einem bestimmten Thema gut auskennen

und gemeinsam daran arbeiten.

Ein Monitoring-Ausschuss

ist also eine Gruppe von Menschen,

die etwas überwachen.

Dieser Monitoring-Ausschuss überwacht,

dass die Gesetze für Menschen mit Behinderungen

eingehalten werden.

Psychische Beeinträchtigung

Bei einer psychischen Beeinträchtigung

haben Personen Probleme mit ihren Gefühlen.

Diese Personen sind zum Beispiel

oft sehr traurig oder haben oft große Angst.

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

erleben Situationen anders

und verhalten sich oft anders

als Menschen ohne psychische Beeinträchtigung.

Zum Beispiel fühlen, denken und handeln

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

oft anders als Menschen ohne psychische Beeinträchtigung.

UNO-Konvention

Die UNO ist ein Zusammenschluss

von fast allen Ländern der Welt.

Die UNO ist zum Beispiel dafür da,

dass die Menschenrechte eingehalten werden

oder dass sie die Menschen schützt,

wenn irgendwo Krieg ist.

Eine Konvention ist ein Vertrag,

bei dem sich viele verschiedene Länder

auf eine gemeinsame Sache einigen.

Die UNO hat eine Konvention gemacht,

in der die Rechte der Menschen mit Behinderungen

auf der ganzen Welt stehen.

Quelle

Unabhängiger Monitoringausschuss: Umgang mit straffälligen Personen in Österreich. Wien 2015.

Original: http://monitoringausschuss.at/stellungnahmen/massnahmenvollzug-19-01-15/

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 08.03.2017

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