Die Rechte der Kinder - Die Aktivitäten der NÖ Kinder- und Jugendanwaltschaft

Themenbereiche: Vorschulischer Bereich
Schlagwörter: Gesetz, Kinder, Kindergarten, Recht
Textsorte: Referat
Releaseinfo: Erschienen in: Mit Kindern auf dem Weg II, Referate zu NÖ Kindergartensymposien, NÖ Schriften 103/Dokumentation, Neulengbach, Oktober 1997, ISBN 3-85006-095-0
Copyright: © Walter Launsky-Tieffenthal 1997

Die Rechte der Kinder

Ich persönlich bin seit 7 Jahren bei jedem Kindergartensymposion. Ich war am Anfang einer der fünf Männer, die hier in der Runde waren, sonst waren über 300 Frauen. Ich war zuständig für einen Sonderkindergarten des Landes Niederösterreich im Schwedenstift. Daher bin ich schon sehr lange dabei, habe auch alle Höhen und Tiefen erlebt, und ich muß sagen, daß es ständig bergauf geht. Und wie ich heute gehört habe, daß wir 640 Teilnehmer haben, hat mich das sehr gefreut. Warum ich von herunten spreche, ich bin körperbehindert, habe mit 15 Jahren Kinderlähmung gehabt und kann daher schlecht Stiegen steigen.

Meine Aufgabe ist es heute, mich ganz kurz vorzustellen, mein Name ist Dr. Launsky, ich bin der Leiter der Kinder- und Jugendanwaltschaft in Niederösterreich. Vor einem Jahr, am 10. März vorigen Jahres wurde diese Stelle frei, nachdem sie sehr lange ausgeschrieben war. Das muß ich dazu sagen, ein 3/4 Jahr habe ich mich vorher beworben und mir gedacht: den Job bekomme ich eh nicht mehr, trotzdem bin ich genommen worden, obwohl ich ein Jurist bin. Aber siehe da, die Landesregierung hat mich ausgesucht und ich wurde bestellt und war damals der erste weisungsfreie Kinder- und Jugendanwalt in Österreich. Ich war ganz stolz. Ich werde Ihnen dann noch erzählen, was Weisungsfreiheit bedeutet, ganz kurz, ganz normal verständlich und nicht juristisch. Der zuständige Landesamtsdirektor hat zu mir, bei dem Überreichen des Dekretes gesagt: "Kollege Launsky, in 14 Tagen fangen Sie in St. Pölten an". Ich wußte, St. Pölten ist die Landeshauptstadt. Ich habe mir ausgerechnet, daß ich vielleicht noch länger in Wien bleibe, doch wenn der Chef sagt, man hat zu gehen, dann hat man zu gehen. Ich bin hingegangen, nur zwei Monate konnten wir nicht anfangen. Wir haben keine Zimmer gehabt, keine Schreibtische, keine Sesseln und kein Telefon. Wir haben erst Anfang Mai beginnen können. Das Wichtigste war, daß wir bekannt werden. Ich bin also in den Kinderwecker gegangen, ich weiß nicht, ob Sie diese Sendung kennen, Sonntag um 8.00 Uhr früh. Ich habe mir gedacht, kein Mensch hört das. Wenn ich immer um diese Zeit schlafe, dann werden die anderen auch schlafen. Siehe da, es haben doch sehr viele Leute zugehört und mich dann angesprochen. Die Sendung hat eine Stunde gedauert, es waren über 40 Anrufe. Ich bin eineinhalb Stunden nach der Sendung dort gesessen und habe Anrufe beantwortet. Wir haben gesehen wie wichtig das ist, hier eine Anlaufstelle zu machen.

Jetzt ganz kurz, was machen wir: Wir sind dazu da, als Mittler zwischen den Minderjährigen (zwischen den Kindern und Jugendlichen), den Eltern, den Lehrherren, der Schule etc. zu arbeiten. Das hört sich wahnsinnig umfassend an. Wir haben Sprechtage an allen Bezirkshauptmannschaften und Magistraten eingerichtet.

Ganz kurz zu einer wichtigen Aufgabe. Wenn es sich um Jugendangelegenheiten handelt, die das Jugendamt betreffen, dann schalten wir jedes Mal das Jugendamt ein, wenn es den schulischen Bereich betrifft, schalten wir den Landesschulrat ein. Wenn das über das Jugendamt kommt bzw. über den Landes- oder Bezirksschulrat, dann ist es eine ganz andere Situation und ich muß sagen, aus der abgelaufenen Jahrestätigkeit, daß wir sehr gut zusammengearbeitet haben und sehr viel erreichen konnten. Das allerwichtigste, das Erste war, wir haben eine Kinderkummernummer eingerichtet. Hier in St.Pölten ist Tag und Nacht eine Auskunftsperson erreichbar. Sie bekommen dann draußen Unterlagen, wir haben eigens dafür Pickerl gemacht. Das ist die St. Pöltner Nummer, 57500 und die Kinderkummernummer ist 5555 - beide leicht zu merken. In der Schule ist das eine schlechte Ziffer, aber es war keine andere Klappe frei und daher haben wir die angenommen. Wir haben in St. Pölten eine digitale Telefonanlage und da sieht man, wer anruft. Wir haben daher gleich gewußt, wer uns laufend angerufen hat, um uns zu testen, und am Anfang waren 95 % der Anrufe von Erwachsenen. Es ist uns dann gelungen, eine große Werbeaktion zu starten.

Jetzt bin ich aber eben ein lang bewährter Beamter und habe vorgearbeitet. Ich habe also drei Firmen eingeladen für Offerte, Plakate, Kleber und Folder und habe einen Grafiker beauftragt. Ich habe gesagt," wir haben kein Geld, aber wenn die Aktion konkret wird, dann wird es uns ein paar Monate vorgestreckt". Am 18. Dezember, zufällig im Zuge eines Telefonats, wird mir mitgeteilt, daß ich 100.000,- Schilling bekomme. Daraufhin haben wir alles beauftragt, haben vorher das Plakat in einer Schule abtesten lassen, zwei Änderungen gemacht betreffend einer Sprechblase.

Ich möchte mich recht herzlich bei Ihnen allen bedanken, die uns schon Mütter und Kinder und teilweise auch Kindergärtnerinnen zum Sprechtag geschickt haben. Ich habe heute beim Vortrag des Herrn Professor gedacht, wir sind die Besten, das ist uns klar. Es gibt aber auch ab und zu Ausrutscher. Bei einem Sprechtag ist eine Kindergärtnerin gekommen und hat mir erzählt, sie habe einen Kindergarten, ich sage nicht wo er ist, gemeinsam in einem Altersheim. Die Garderobe am Gang benützen die alten Leute genauso wie die Kinder. Das sind Zustände, wie vor hundert Jahren, als nur 2 % der Kinder, glaube ich, in einem Kindergarten waren. So ist mir das vorgekommen. Auch hier haben wir versucht, Verbesserungen herbeizuführen. Frau Landesrat, ich muß auch einmal etwas Negatives sagen, nicht böse sein, ich mache dann schon wieder gute Sachen. Wir haben im abgelaufenen Jahr, 640 telefonische und 93 schriftliche Anfragen gehabt. In den Fällen, wo der Wunsch war, daß wir an Ort und Stelle kommen, kommen wir hin, aber das war nur in etwa 20 Fällen.

Wie teilen sich unsere Interventionen auf?

40 % bestehen aus Außerstreitverfahren (das betrifft das Obsorge- und Besuchsrecht). Ich möchte hier kurz auf meinen Vorredner eingehen. Sehr viele Eltern betrachten Ihre Kinder als Ihr Eigentum. Hier bitte brauchen wir das Umdenken der Eltern, und das wird sicher noch eine Generation dauern. Wir erleben das laufend in unseren Sprechstunden oder in Telefonanrufen, daß dieser Wunsch oder dieser tiefverwurzelte Eigentumsbegriff des Kindes sehr stark verankert ist und zu größten Schwierigkeiten führt, sei es beim Gericht, sei es beim Jugendamt etc. Da würde ich alle bitten, wir haben heute so viel gehört, was man mit den Eltern alles machen könnte oder machen kann, daß man das auch versucht hier einzubauen. Ich sage Ihnen gleich, es dauert mindestens eine Generation, bis wir ein Umdenken herbeibringen, daß das Kind eben nicht das Eigentum der Eltern ist. Das zweite ist: Im Zusammenhang mit dem Besuchsrecht und der Obsorge, das wissen Sie sicher alle sehr gut, wird das Kind als Erpressungsmittel für den Partner verwendet. Es wird mit dem Wohl des Kindes manipuliert und behauptet, daß das was die Mutter oder der Vater wollen, eben das Beste für das Kind sei. Wenn das Kind dann zu uns kommt und wir mit ihm sprechen, dann stellen wir immer fest, daß das nur der Wunsch des jeweiligen Aufsichtsberechtigten oder Erziehungsberechtigten ist.

Wir haben 30 % Erziehungskonflikte und Schulprobleme, hier sind die Kindergärten vorbildlich in der Integration. Wir wären froh, wenn die Schulen auch schon so weit wären. Ich weiß nicht, ob Sie da informiert sind, wir haben sehr oft Fälle, wo die Eltern zu uns kommen und sagen: "So super funktioniert das im Kindergarten und die Kinder aus der Gruppe gehen alle jetzt in die Schule. Wir wollen also auch den Behinderten oder das behinderte Kind mitnehmen". Bis jetzt war es so, daß dies nur auf freiwilliger Basis sein konnte, weil es ein Schulversuch war. Es mußten zustimmen: Die Eltern, der Lehrer aus der Klasse, der Direktor und der Schulerhalter und die haben sich nie unter einen Hut gebracht. Ich will Ihnen nicht erzählen, was man da alles hört, daß werden alle wissen, die damit zu tun haben. Jetzt wird es besser, gut ist es schon, laut Präsident Stricker, bei körperbehinderten Kindern, da haben wir nicht so große Probleme wie bei geistig behinderten Kindern. Da müssen wir noch sehr viel kämpfen und da werden wir noch sehr viel Arbeit haben, hier weiter helfen zu können.

30 %, also der Rest, baut auf alles andere: Kinderverträglichkeit, da arbeiten wir in zwei Arbeitskreisen mit: Einmal bei den öffentlichen Bauten, bei Wohnproblemen, kommunale Kinderpartizipation, Verkehrssituation. Dazu möchte ich auch kurz ein Beispiel bringen: Es ist an uns herangetragen worden, daß auf der B 9, daß ist die Preßburger Bundesstraße in einem Ort die Kinder alle über die Straße zum öffentlichen Verkehr müssen, weil es da keine Schule mehr gibt. Um 10.00 Uhr vormittags haben wir, wo man 70 km/h fahren darf, 127 km/h gemessen. Wir haben gekämpft gegen alle. Wir haben gekämpft gegen die Gemeinde, wir haben im Land Schwierigkeiten gehabt und wir haben uns überlegt, was wir machen. Wir haben daher die Unterstützung eines Kurierreporters geholt. Der hat zwei oder drei Artikel darüber geschrieben.

Die zuständigen Gremien wollten das in bewährter Weise über Jahre aufteilen, angefangen von der Verkehrsverhandlung, wenn im Budget ein Geld da ist etc. Ich habe mich an den Herrn Landeshauptmann gewandt, habe natürlich, weil ich schon lange im Land bin, gewußt, wann ein guter Zeitpunkt ist. Es waren zufällig gerade Landtagswahlen vor der Tür und wir konnten da eine große Summe zur Verfügung gestellt bekommen. Der Bürgermeister hat zuerst gehofft, wegen finanziellen Mangels wird sich das hinauszögern. Heute vormittag war ich bei der zweiten Verkehrsverhandlung und wir werden dort so schnell als möglich etwas machen. Wir haben uns an die Bundesbahnen gewandt, die haben uns erklärt im 1999er-Jahr werden Sie dort vielleicht eine Untertunnelung machen. Ich habe gesagt, die Kinder sind heute gefährdet und wir können nicht bis 1999 warten. So möchte ich nur an einem Beispiel zeigen, wie wichtig es ist, daß wir hier die Unterstützung, besonders der Medien haben, und ich muß sagen, bis jetzt geht es wunderbar.

Ich habe schon gesagt, daß wir Sprechtage an allen Bezirkshauptmannschaften und Magistraten abhalten und daß wir an vielen Aktionen mitarbeiten. Wir arbeiten also im Schulbereich, mit dem Bundesministerium für Justiz kämpfen wir gerade im Außerstreitverfahren über die Möglichkeit der Obsorge und das Anhörungsrecht der Kinder ab 10 Jahren. Wir wollen in St. Pölten ein Kinderschutzzentrum errichten. Niederösterreich ist das einzige Bundesland, das keines hat. Wir waren daher beim Bürgermeister und haben ihn um seine Unterstützung ersucht. Dann haben wir teilgenommen an Diskussionen, an der AHS über Sekten, ein sehr wichtiges Thema, wir waren in Klosterneuburg und da haben 300 Leute am Abend an dieser Diskussion teilgenommen, 150 Kinder und Jugendliche, 150 Eltern. Ich habe an den Landesschulratspräsidenten und an den ORF herangetragen, daß wir das in jedem Bezirk machen sollten. Herr Professor Friedrich, der dann nach mir sprechen wird, war auch bei der Diskussion, auch die Frau Professor Rollet. Drei ehemalige Sektenangehörige haben uns erzählt, daß sie nach 10 Jahren noch nicht ganz freigekommen sind. Diese Problematik ist zwar im Kindergarten noch nicht so aktuell, wegschieben aber darf man sie nicht. Sie ist sicher genauso stark vertreten und eine so große Gefahr wie das Drogenproblem.

Nun ganz kurz, was haben wir in nächster Zukunft vor? Am 23. September gibt es im Landtag im Marmorsaal ein Symposion über Scheidungskinder, das wir gemeinsam mit dem Jugendreferat veranstalten. Wer Interesse hat, ist herzlich eingeladen, es ist am Nachmittag. Wir werden zwei Symposien über die Probleme mit Drogensüchtigen mit der Abteilung 8/2 veranstalten. Wir wollen eine Aktion zur Verbesserung des Klimas zwischen der Presse und den Jugendheimen veranstalten.

Dann haben wir ein Treffen mit den Richtern des Rechtsmittelsenates vor. Wir stellen fest, daß es sehr viele Entscheidungen gegen den Willen der Kinder gibt. Wir haben einen Fall, wo die Kinder sich gegen den Wechsel der Obsorge ausgesprochen haben. Der Richter hat im Beschluß in einer Zeile geschrieben, die Kinder haben sich dagegen ausgesprochen, hat aber 4 Seiten begründet, warum sie doch dort hinkommen sollen. Das ist also sicherlich nicht der richtige Weg und hier werden wir bei den Rechtsmittelsenaten verhandeln.

Dann arbeiten wir auch mit am Landeskomitee, das die Frau Landeshauptmannstellvertreter genannt hat, 1994 Jahr der Familie. Ich glaube ich habe schon genug gesprochen. Ich möchte mich nochmals recht herzlich bedanken, es sind mir 15 Minuten gegeben worden. Ich weiß nicht ob ich sie eingehalten habe, und möchte noch einmal unsere Kinderkummernummer wiederholen 02742/ 57500 oder 5555

Herzlichen Dank!

Kontakte und Informationen:

Amt der NÖ Landesregierung, Landesamtsdirektion

Für den Inhalt verantwortlich: Franz-Xaver Kerschbaumer,

Redaktion: Wilhelm Winter

Wilhelm Winter - Audiovision und Handel

Die Referate sind auch auf Tonkassetten erhältlich.

A-3040 Neulengbach, Badstraße 255

Tel.: 02772/53876 Fax Dw.: 4

Diese Broschüre kann bei Wilhelm Winter oder unter folgender Adresse bestellt werden:

Beratungsstelle für Integration, Landhausplatz 1, 3100 St. Pölten

Tel.: 02742/200/5643 oder 5516

Beachten Sie auch die Bestellmöglichkeit über das Internet: http://www.noel.gv.at/inhalt.htm#Gedrucktes

Quelle:

Walter Launsky-Tieffenthal: Die Rechte der Kinder - Die Aktivitäten der NÖ Kinder- und Jugendanwaltschaft

Erschienen in: Mit Kindern auf dem Weg II, Referate zu NÖ Kindergartensymposien, NÖ Schriften 103/Dokumentation, Neulengbach, Oktober 1997, ISBN 3-85006-095-0

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 29.03.2006

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation