Interdisziplinarität und Deinstitutionalisierung als interdisziplinäre sozialpolitische Aufgabe

Autor:in - Wolfgang Jantzen
Themenbereiche: Lebensraum
Textsorte: Buch
Releaseinfo: Entnommen aus: Wolfgang Jantzen - De-Institutionalisierung. Materialien zur Soziologie der Veränderungsprozesse in einer Großeinrichtung der Behindertenhilfe. Vortrag am 02. Juli 1997 in der Diak. Behindertenhilfe gGmbH Lilienthal. ZuhörerInnenkreis: Geschäftsführer, Wohnbereichsleitungen, Ärztlicher Dienst, Sozialdienst-Leitung, Fachplanungsreferentin. Transkription (nach Tonbandmitschnitt) und Überarbeitung: Ch. Brünjes/K. Schulz.Vom Vortragenden autorisiert und mit einem Literaturverzeichnis versehen
Copyright: © Wolfgang Jantzen 1999

0. Vorbemerkungen

Mit einem Bild möchte ich beschreiben, was wir mit unserem Reformprozeß hier in der Diakonischen Behindertenhilfe sozusagen betreiben: Wir surfen auf einer zehn Meter hohen Welle vor der hawaianischen Küste und hoffen, irgendwo in eine stille Bucht zu kommen. Dabei wissen wir noch nicht, ob wir ankommen werden.

Das Beispiel hinkt etwas, denn wir surfen hier immerhin mit einem 150tausend-Tonnen-Tanker. Und die Welle ist wohl auch noch etwas höher. Das scheint aber die reale Situation zu sein, denn wir haben bei einer Reihe von Punkten jeweils gerade noch zum letztmöglichen Zeitpunkt "die Kurve bekommen", ein paar Veränderungen einzuleiten.

Erinnern Sie sich, als wir das erste Mal hier zusammengesessen haben und zu dieser Zeit (1995) immer noch z.B. über das Defizit-Kriterium "Auffälligkeit" verhandelt wurde. Oder erinnern Sie sich, als wir über die Auflösung des Hauses 16 (d.h. Auflösung des "harten Kerns") gesprochen haben usw. Und wahrscheinlich wird es auch über lange Zeit noch geschehen, jeweils nur im letzten Moment "die Kurve" zu kriegen. Eine Reihe von Prozessen sind kompliziert und offen, besser gesagt, man muß sie offen halten, da sie mit einer Öffnung der Einrichtung zu tun haben. Es gibt beispielsweise Prozesse mit BewohnerInnen wie mit M. D., E. K. oder M. S., um ein paar zu benennen. Das heißt, wir sind dort jeweils in der Situation einer großen Unsicherheit, was auch gar nicht anders sein kann, weil wir antizyklisch einen Reformprozeß begonnen haben. Wir unternehmen einen Reformprozeß in einer Zeit, in der unleugbar die gesamte sozialpolitische Landschaft auf das Gegenteil hindeutet. Das macht auch die Besonderheit unserer Situation aus.

Deshalb war es mir auch so wichtig, das Thema Interdisziplinarität nicht nur im akademischen Sinne hineinzunehmen - was auch ohnehin zu eng gefaßt ist, weil Wissenschaft immer eine soziale Veranstaltung ist und auf soziale Bedingungen reagiert -, sondern die sozialpolitische Situation mit aufzunehmen. Dazu noch eine Bemerkung, mit der ich Ihnen zeigen möchte, wie Wissenschaft auf sozialpolitische Situationen reagiert. Stephen Toulmin (wohl der bedeutendste Schüler von L. Wittgenstein) gilt als einer der bemerkenswertesten Philosophen der Gegenwart, der sich insbesondere mit Wissenschaftsentwicklung und Wissenschaftstheorie beschäftigt hat. Mit der Frage, was Wissenschaft ausmacht, meint er, in der Entwicklung der Wissenschaft zwei gegenläufige Tendenzen entdecken zu können: Humanismus und Formalismus.

Toulmin (1994) findet durch seine Forschung deutliche Korrelationen zwischen Humanismus und Friedenszeiten einerseits und andererseits zwischen Formalismus und Kriegs- bzw. Krisenzeiten. Das zeigt er in der Geburtsstunde des Formalismus bei René Descartes (dazu hat er reichlich geforscht und u.a. noch unbekannte Dokumente über Descartes zu Tage gebracht). Im Vorfeld des 30-jährigen Krieges ist dies die Ermordung des französischen Königs Heinrich IV und stellt damit die Weichen: Fort von einem friedlichen Europa hin zu einem durch Kriege zerrissenen Europa.

Toulmins These dazu besagt: Die kartesianische Philosophie, welche auf Formalisierung und auf Mathematisierung der Erkenntnis als universelle Methode setzt, sei eine Reaktion auf diese politische Situation gewesen. Denn in der Zeit vorher ist anders reflektiert worden. In der Zeit nachher wird dies zum Teil auch wieder anders. Das also wäre ein Hinweis, daß es ernst zu nehmende Argumente gibt, darüber zu reden, wie Wissenschaft als soziale Verantwortung im sozialen Kontext steht. Das sollte sicherlich besonders dann reflektiert werden, wenn man einen antizyklischen Reformprozeß beginnt, der gewissermaßen gegen den herrschenden Zeitgeist durchgeführt wird.

1. Institutionen und Deinstitutionalisierung

Der erste Gliederungspunkt wiederholt folgend einige Gedanken, die ich im Referat "Deinstitutionalisierung" (gehalten am 22.4.1997 in Hilpolstein bei der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Evangelische Behindertenhilfe in Bayern) entwickelte, welches Sie schon zur Verfügung haben (Jantzen 1997). Sehen wir uns im historischen Kontext und unter politik- und sozialwissenschaftlichen Aspekten insbesondere Großinstitutionen für behinderte Menschen an, ordnen diese sich in eine Reihe von weiteren größeren und kleineren Institutionen ein, die errichtet wurden unter dem Gesichtspunkt, behinderten Menschen eine elementare Versorgung zu sichern. Im vorigen Jahrhundert waren es durchaus Veranstaltungen zu Zwecken der Wohltätigkeit. Diese Anstalten sind mehr oder weniger als zweite Welle der sogenannten Rettungshausbewegung entstanden.

Die evangelischen Einrichtungen waren dabei die ersten, die entstanden sind. Die Diakonie war der erste Wohlfahrtsverband, der das im großen Stil entwickelt hat, sieht man von gewissen regionalen Besonderheiten ab: Im Rheinland waren es natürlich eher katholische Einrichtungen. Beide Prozesse sind auch unterdessen gut historisch erforscht und dokumentiert (Bradl 1991, Störmer 1991). Es zeigt sich, daß in dieser frühen Debatte um Anstalten schnell bildungsoptimistische Positionen in die Rückhand gekommen sind und sehr früh ein Bildungspessimismus mitschwang, welcher besagte, daß ein bestimmter Teil der Personen in den Einrichtungen als bildungsunfähig galt. Also wurde Idiotie gleichgesetzt mit Bildungsunfähigkeit, mit bloßer Pflege undVerwahrung.

Diese Struktur ist ideologisch noch einmal überlagert worden. Die neue Erfahrungsstruktur war damals den Bedingungen der Anstaltspflege entsprechend und es gab auch eine eher konservative Theorierezeption. Dies spielte dann in das beginnende Kaiserreich hinein. Vorher war die Revolution von 1884 nicht erfolgreich ausgegangen. Also waren es eher Tendenzen, nicht den humanistischen Kern von Behindertenpädagogik aufzunehmen, wie er durch Itard, Séguin und auch einigen deutschen Wissenschaftlern formuliert wurde. Eher die formalistische Ordnung setzte sich durch, staatliche Tendenzen mit zum Zuge zu bringen. Der Hauptzug in dieser Entwicklung in den evangelischen Einrichtungen ist natürlich in seelsorgerischer, innermissionarischer Absicht erfolgt: Innere Mission sozusagen als Gegengewicht zu den sozialistischen Bestrebungen - so bei Wichern formuliert.

In diesem Kontext sind auch die großen Idiotenanstalten und ihre Pädagogik entstanden. Führend war etwa Sengelmann in den Alsterdorfer Anstalten, der mit seinem Idiotophilos (Idiotenfreund) lange die Grundlagen der Pädagogik bestimmt hat. Und diese Pädagogik erkennt von Anfang an, daß bestimmten Menschen mit pädagogischen oder erzieherischen Mitteln (oder allfälligen Mitteln, die man hat) nicht beizukommen ist, sondern bestimmte Menschen nur in seelsorgerischer Fürsorge bewahrt werden können, bis ihre Seele ins höhere Reich Gottes eingeht.

Also wurde auf dieser "untersten Ebene" der Struktur auf die Zwei-Reiche-Lehre-Gottes hingewiesen: Im Himmel sind alle gleich und auf Erden ist es die Pflicht der Christen, die göttliche Ordnung zu bewahren gegen das, was an Unordnung anströmt. Das zeigt sich "auf der Ebene darüber", bei der Imbezillität (dem das moralisch-Irre-sein gleichgesetzt wird), in strikter Verwahrung und terroristischer Disziplinierung in den Einrichtungen.

Diese Doppelstruktur ist auch insofern weitergegangen, daß weder in der einen noch anderen Hinsicht aus dem Bereich der evangelischen Kirche in der Weimarer Republik ernsthafter und grundsätzlicher Widerstand sowohl gegen die Zwangssterilisierung als gegen die Euthanasiebestrebungen formuliert wurde. Auch v. Bodelschwingh hat es unter dem Einwand formuliert, die schwerer Behinderten freizugeben, um die anderen zu retten.

Aus dieser Geschichte ist etwas entstanden, was wir soziologisch als Totale Institution identifizieren, aber deren Wirkweisen lange nicht gesehen wurden, weil das Thema nicht soziologisch betrachtet wurde, sondern nur als ein naturgegebenes Thema angesehen wurde; gewissermaßen als Schicksal, dem man ausgeliefert war. Obwohl man trotzdem versucht hat, mit bestem Wissen und Gewissen und unter großem Verschleiß der persönlichen Kräfte - gerade auf der unteren Ebene der Diakonie - das zu tun, was menschenmöglich war.

Auf dieses Problem haben dann erst die soziologischen Forschungen, die sich mit Totaler Institution beschäftigt haben, ein völlig neues Licht geworfen. Denn es ist kein Zufall, daß diese soziologischen Forschungen in den 50-er und 60-er Jahren gelaufen sind, als eine spätere Form der Auseinandersetzung mit der Erfahrung desTotalitarismus. Das ist ja durch die Schriften von Hannah Arendt als Antwort auf den Totalen Staat (usw.) aufgeworfen worden (vgl. Arendt 1986). Wenn man das Thema soziologisch einmal aufgenommen hat, dann dekliniert man es auch nach unten durch. Ich nehme das an, kann es jedoch nicht beweisen, denn in der Weimarer Republik gab es keine schlechteren Soziologen. Wohl waren Simmel und Weber hervorragende Soziologen, die bis heute die Soziologie bestimmen, aber das Thema stand für sie nicht an.

Aufgegriffen hat es erst der amerikanische Soziologe Erving Goffman (1972). Mit einer bewundernswerten Distanz, der man gleichzeitig die Engagiertheit im Thema anmerkt, hat er Totale Institutionen, insbesonders psychiatrische Einrichtungen, von innen beobachtet. Mit soziologischen Instrumentarien zog er Vergleiche zu Kadettenanstalten, zu Schulen usw. und Goffman hat dann seine Theorie der Totalen Institutionen entwickelt, die schlaglichtartig aufgedeckt hat, daß vieles, was bisher der Natur zugeschrieben wurde, der menschenunwürdigen Verwaltung von Personen geschuldet war. Eine Reihe von Reaktionen, die zwangsläufig immer dem Defekt oder der naturgemäßen Andersartigkeit zugeschrieben oder als Schicksal interpretiert wurden, waren nunmehr als Konstruktionen der Einrichtung selber aufgedeckt.

Sehr schön sehen Sie das künstlerisch nachgestaltet in dem Film "Einer flog über das Kuckucksnest" mit Jack Nicolson. Ohne diese Momente der Stigmatisierung, Verwaltung und Hospitalisierung können wir Anstalt und Verwahrung nicht denken - was auch immer die primäre Ursache sein mag, daß ein Abweichungs-prozeß eingesetzt hat. Eine weitere Folge der Arbeiten von Goffman war, daß auch weltweit angefangen wurde, über Hospitalisierungseffekte in der Psychiatrie nachzudenken. Mehr oder weniger engagiert und entschieden, aber überall.Ich glaube, daß kann man sagen und überdies kann man wohl feststellen, daß sich darüber auch die Sozialpsychiatrie gebildet hat.

Goffmans Analysen zeigen, daß es eine Reihe spezifischer Reaktionsformen auf die Einrichtung gibt, die von "Knastpsychose" und "durchdrehen" bis zu engagiertem Widerstand (das wäre im oben erwähnten Film das Beispiel Jack Nicolson selber) reichen. Erinnern Sie sich in dem Film an den Indianer? Er wäre ein Beispiel für den völligen Rückzug. Es gibt auch die Anpassung, in der die Anstalt als eigene Kultur angenommen wird, neben der keine Welt existiert und es gibt die freudige Übernahme der Werte der Einrichtungen. Meistens sind es "Mischformen", die in irgendeiner Weise das ganze Feld kennzeichnen.

Auch das finden Sie alles hier in dieser Einrichtung, wenn Sie näher hinsehen - und oft dazu in einer Person verschiedene Varianten zu verschiedenen Zeiten vermengt. Wenn man dies sieht, kann man es darüberhinaus ein Stück schärfer formulieren, wie Franco Basaglia (1973) das getan hat, indem er den Gewaltbegriff in diese Debatte einführt. Es sind nämlich Institutionen der Gewalt. Gewalt als ein Herrschaftsverhältnis, daß die Beherrschten unterwirft, ohne daß sie sich effektiv und wirksam gegen diesen Kern der Unterwerfung wehren können. Die eben beschriebenen Anpassungsformen sind mithin Ausweichmöglichkeiten, sich dem Unterwerfen und der Gewalt zu erwehren.

Gewalt bedeutet immer - wenn wir Hannah Arendt folgen - eine Unterdrückung von Vernunft und Vernunftfähigkeit (Arendt 1970, S. 63 ff). Das kann man auch heute zeigen, daß bis in die Bereiche schwerster Behinderung (was immer wir als schwerste Behinderung benennen wollen) das meiste, was wir an Reaktionen sehen, verstehbar wird als primäre Kompensation der Auswirkung von Gewaltverhältnissen.

Denken Sie an eine der Fachberatungen hier, wo wir teilweise nicht sensibel genug waren - bei C. L. in der Wohngruppe X - als wir nicht früh genug gesehen hatten, daß die Situation für C. anfing, belastend zu werden und umzukippen drohte. Wir haben es noch gesehen, als es entstand. Dann hat C. angefangen zu schreien und zu weinen als Kompensation auf ein Gewaltverhältnis. Es war ihr nicht möglich, eine soziale Situation länger als eine kurze Zeit zu tolerieren. Allerdings war diese kurze Zeit o. k., nur haben wir es nicht gesehen, wann diese Toleranzzeit zu Ende war.

Zum Teil haben wir Möglichkeiten, dort anzusetzen, wo Reflektionsfähigkeiten vorhanden sind. Manchmal gelingt es uns, manchmal gelingt es uns nicht. Aber so betrachtet, eröffnet das Ganze ein anderes Verständnis. Jede Äußerung, die als Widerstand oder Defektivität betrachtet wird, ist auch als Reaktion gegen ein Gewaltverhältnis zu lesen.

Das ist der Blick, für den uns Franco Basaglia offen gemacht hat. Und dann, daß ist ein großer Vorzug, hat er dahinter die klassische psychiatrische und psychologische Realität zur Geltung gebracht. Und dort ist er weiter gegangen als Goffman. Er hat nämlich darüber hinaus ausgesprochen, daß es Menschen mit einer eigentümlichen psychopathologischen Problematik sind, die es ideologisch zu entschlüsseln gilt. Ideologisch heißt, man muß sie aus einem Fall von bloßer Natur oder vom bloßem Schicksal zurück übersetzen in eine angemessene Darstellung. Das heißt, man muß mit einer bestimmten Ideologie brechen, die besagt, es gibt Menschen, die in bestimmten Dimensionen keine Entwicklungsfähigkeit haben. Wie weit die Entwicklungsfähigkeit jeweils vorangekommen ist, das ist eine ganz andere Frage. Antonio Slavich hat das mal sehr schön formuliert, "daß ein Fall des harten Kerns aufhört, harter Kern zu sein, aber natürlich ein Fall voll harter Probleme ist, die ein Leben lang andauern können". Das ist unbestritten. Und dahinter dann eben die neue Ebene, die Basaglia mit der dialektischen Entschlüsselung einer Lebensgeschichte eröffnet. Dieses habe ich hier über das Instrument der Rehistorisierung versucht einzuführen. Das ist Ihnen ja bekannt.

Wenn man das Ganze jetzt - das war die inhaltliche Botschaft des vorangegangenen Deinstitutionalisierungsvortrages am 22.4.1997 (Jantzen 1997) - sozialwissenschaftlich einordnet, dann ist die zentrale Botschaft von Deinstitutionalisierung, den Krieg als Gesellschaftszustand zu beenden. In jenem Vortrag wird das angelehnt an die großen Debatten über den Krieg als Gesellschaftszustand erörtert, der gegenüber behinderten Menschen in der Weimarer Republik schon da war, daraufhin im Faschismus eskaliert ist und weit in die Bundesrepublik hineinreicht. Auch wird die Notwendigkeit erörtert, an dieser Stelle entschiedene Friedensprozesse zu gestalten. Aber es gilt, zunächst einmal den Krieg zu beenden - also mit einem Akt der Versöhnung - die Arbeit zu beginnen. Daß ich nicht ganz ins Blaue hineinrede zeigen Ihnen die Probleme im Friedensprozess in Südafrika oder in Israel, wo es sehr unterschiedliche Entwicklungen gibt. Zumindest haben aber die Wahrheitsfindungskommissionen in Südafrika bisher den Prozeß immer noch mit dem Ansatz der Aufdeckung der Wahrheit als Grundlage möglicher Versöhnung und Neugestaltung offen gehalten.

Das ist etwas, was mir politikwissenschaftlich auch hier für diesen Prozeß vorschwebt. Ich habe gute Gründe, den Kriegsbegriff zu wählen, auch wenn er in der politikwissenschaftlichen Diskussion oft etwas unterbelichtet behandelt wird. In einigen großen staatstheoretischen Entwürfen spielt er eine sehr große Rolle und hat dort seinen Platz. Bei Hobbes wird die gesellschaftliche Gestaltung als Unterwerfungsvertrag zur Bekämpfung des Krieges verstanden, während bei Spinoza eine ganz andere Konfiguration vorliegt: Jedem Mensch kommt von Natur aus Vernunft zu, auch behinderten und psychisch kranken Menschen. Menschliche Natur kann nicht beliebig unter Bürgerrecht unterworfen werden. Es bleibt immer ein subjektiver Rest, der nicht unterwerfbar ist. Das ist der Grundgedanke: Jedem Menschen Vernunftfähigkeit zuzugestehen. Ein Mensch, der seine Vernunftfähigkeit in unüblicher Weise ausdrückt, kann einer herrschenden Vernunft unterworfen werden, die tödlich ist. Die herrschende Vernunft kann womöglich auch Vernunftfallen definieren, aus denen niemand herauskommt. Zygmunt Bauman, ein polnischer Soziologe, zeigt dies am Beispiel der Judenräte im Faschismus, die für die Deportation der Juden mit in Anspruch genommen wurden, also vernunftgemäß gehandelt haben und gleichzeitig in der Vernunftfalle waren, ihre eigene Vernichtung zu organisieren (Bauman 1992).

Das Problem, was wir haben, ist damit auch - philosophisch betrachtet - zum einen ein Problem von Vernunftfallen, die entstehen können und zum anderen ein Problem der Ausgrenzung von Vernunft. Goffmans Analysen zeigen, daß in Institutionen lebende Menschen sich vernünftig verhalten. Basaglias Überlegungen zeigen das ebenfalls. Und wenn man die rehistorisierende Methode verwendet und versucht, über Verstehen die innere Standpunktlogik von Personen einzunehmen, dann kommt man irgendwann an den Punkt, wo man sich fragt: "Wie hätte ich denn unter den Umständen gelebt?" Und meistens bleibt die Frage offen, ob man es besser gemacht hätte oder überhaupt so gut gemacht hätte.

Das meine ich mit der Wirksamkeit von Vernunftprozessen. Die Botschaft aus diesem allgemeinen Aufriß von Deinstitutionalisierung ist, eine Blickrichtung zu wählen, die der Vernunftnatur jedes Menschen Rechnung trägt sowie der Anerkennung Rechnung trägt, daß bisher der Krieg als Gesellschaftszustand auch im Behindertenbereich geherrscht hat und daß es Zeit ist, dies zu beenden, ohne daß wir damit wissen, wie es im Einzelnen nach Vorne geht. Zu beenden heißt, bestimmte Dinge sollen in Zukunft für uns selber verboten sein i.S.v.: "Das wollen wir nicht mehr". Über alle anderen Dinge können wir reden und diese Dinge sind momentan offen.

Ich fasse es noch mal zusammen: Es heißt, die Geschichte anzuerkennen, so wie sie ist (so wie wir auch unseren eigenen Platz in der Geschichte haben), d.h. nichts gut zu reden, nichts böse zu reden, nichts nachzutragen, sondern zu sehen, es ist ein Anfang möglich, d.h. anzufangen, bestimmten Prinzipien verpflichtet zu sein, damit die Wahrheit aufgedeckt wird als Grundlage zu einem anderen Zusammenleben und daß erstens die Würde des Anderen sowie zweitens an Vermeidung von Ungerechtigkeit orientiertes Handeln die Grundlage des zukünftigen Prozesses bilden.

3. Interdisziplinarität I: Prozeßbezogenheit

Ich habe mal im Duden nachgeschaut, weil ich mich aus meinem Lateinunterricht erinnerte, daß discipulus übersetzt "der Schüler" heißt und Disziplin daher etwas mit Schule zu tun hat. Ich habe nachgeschlagen und Disziplin bedeutet "Zucht, Ordnung sowie Wissenschaftsgebiet". Wenn wir demnach interdisziplinär sein wollen, müssen wir also etwas Unordnung und Chaos stiften. Vielleicht liegt darin auch das Mißverständnis der Botschaft von Paul Feyerabend, der eigentlich nichts anderes gesagt hat, und er hat nicht gemeint, daß die Wissenschaft regellos sei. Wenn er gesagt hat 'anything goes', hat er nur darauf verwiesen, daß in verschiedenen Wissenschaften durchaus, dem Gegenstand geschuldet, unterschiedliche methodologische Ansätze verwendet werden und nicht nur unterschiedliche Gebiete betrachtet werden. Sie können es im Großen an der unterschiedlichen Methodologie in Natur- und Geisteswissenschaften sehen (sowie in Literatur- und in sogenannten Geisteswissenschaften) zwischen "Erklären" und "Verstehen".

Aber wenn Sie es tiefer betrachten, werden Sie sehen, daß auch in Naturwissenschaften Elemente des Verstehens sind und selbstverständlich in Geisteswissenschaften Elemente des Erklärens. Es zeigt sich aber, daß jeder Gegenstand auch eine spezifische und sehr feinsinnige Entwicklung von Methodologie braucht. Beispielhaft kann Richard Feynman (der mit der Entwicklung der Verbindung des Elektromagnetismus mit der Quantenphysik beschäftigt war) angeführt werden, der mit vielen mathematischen Alternativen ein Problem untersucht hat (vgl. Gleick 1993). Er war sehr offen für unterschiedliche Methodologie, mit der er einen Grundgedanken untersucht hat. Das heißt, der Gegenstand bestimmt die ihm angemessene Methode.

Es zeigt sich, daß die Vernachlässigung des Gegenstandes, der die Methode bestimmt, auch lange dazu geführt hat, in der Psychologie mit empirisch statistischen Verfahren zu arbeiten, statt beispielsweise mit Wachstumsmathematik oder fraktaler Geometrie, von denen man heute weiß, daß sie Prozesse sehr viel besser abbilden und modellieren. Das sind ein paar Hinweise zum Problem Interdisziplinarität. Man geht also nicht nur in ein anderes Gelände, sondern man zettelt dahinter auch eine methodologische Diskussion an. Man verläßt eine gegebene "Zucht und Ordnung", man verläßt die Gewohnheiten und betritt fremdes Gebiet. Damit läßt man sich nicht nur auf andere Inhalte, sondern auch auf eine andere Methodologie ein, über die man sich verständigen muß. Ich möchte Ihnen dies unter bestimmten Gesichtspunkten deutlich machen.

Bezogen auf die Überschrift "Interdisziplinarität I - Prozeßbezogenheit" ist folgendes zu beachten: Wenn man sich auf ein fremdes Gebiet begibt, tauchen all die Probleme auf, die in einer Teamarbeit entstehen. Man muß sich einig sein über das, was man eigentlich möchte. Man muß also einen BeobachterInnen-standpunkt haben, indem man das, was man sieht, auch als Resultat von Beobachtungen sieht und nicht meint, daß Ergebnis schon durch die eigene Weise der Beobachtung festgeklopft zu haben. Man muß also sich selber als BeobachterIn in Frage stellen, wenn man anfängt, interdisziplinär zu arbeiten. Und dies zeigen uns auch bestimmte Studien zum Thema Teamarbeit, daß erst das in-Frage-stellen der BeobachterInnen selbst eine Prozeßqualität bringt und diese Prozeßqualität rückwirkend die Qualität der Beobachtung und die Qualität der Arbeit erhöht.

Ich will Ihnen das an zwei exemplarischen Studien aus dem Bereich der Pädagogik/Behindertenpädagogik kurz nennen. Aus der Pädagogik allgemein gibt es eine Studie, die vom Institut für Didaktik der Naturwissenschaften in Kiel mit initiiert wurde, über die pädagogische Selbsterneuerung von Schulen (Wiechmann 1994) - also eine interessante Parallele zu Reformprozessen. Die WissenschaftlerInnen untersuchen das systemisch und fragen, was denn insgesamt die Bedingungen sind, die wirksam sind für Erneuerungen auch in ihrer Verknüpfung und stellen Schulentwicklung als Prozeß mit fünf Modellkomponenten dar: Prozeßverlauf, Programmatik, Schule als Organisation, Person der Lehrerin/des Lehrers und Schulumwelt.

Sie können das mit einigen Abstrichen durchaus als systemischen Aspekt auf unsere Situation übertragen. Die Ergebnisse zeigen, daß entwicklungsorientierte Schulen sich aktiv um eine Prozeßführung bemühen, in der die verschiedenen Modellkomponenten in gegenseitiger Balance gehalten werden. Ein zentrales Augenmerk gilt den Kapazitätsüberlastungen. Die Schulen und die SchulleiterInnen versuchen dem durch verschiedene Entlastungen vorzubeugen. Die größte Entlastung geht dabei von den pädagogischen Erfolgen selbst aus. Hierin herrscht bei allen Schulen große Übereinstimmung.

Die zweite Untersuchung, die ich Ihnen nenne, ist eine Untersuchung an Teams in Wohnheimen für geistig behinderte Menschen unter dem Aspekt "Entwicklungsorientierte Teamarbeit" von Busch und Mannhaupt (1994) Sie haben sich verschiedene Teams angesehen, wie gut oder wie schlecht diese Teams gearbeitet haben. Busch und Mannhaupt haben das Reflektionsniveau der Gruppen als wesentliche Variable versucht zu klassifizieren. Das haben sie auf einer Rating-Skala von 1-7 erfaßt: 1 = keine Reflexion; 3 = Reflexion des Ist-Zustandes; 5 = entwicklungsorientierte Reflexion; 7 = gezielte Perspektiventwicklung (freilich liegen dann empirische Gruppen irgendwo dazwischen). Sie haben vier Teams geratet und entsprechende Werte gehabt: Team 1 = 2,9 - also knapp so in der Gegenwart; Team 2 = 1,6 - also noch nicht in der Gegenwart angekommen; Team 3 = 2,0 - auch noch nicht in der Gegenwart angekommen und Team 4 = 4,3 - also in Ansätzen deutlich entwicklungsorientierte Reflexion.

Hier die Ergebnisse:

Während zwei Teams weder die Stufen der 'Entwicklungsorientierung' noch der 'Perspektivbildung' erreichten und ein weiteres Team nur in zwei Situationen die Stufe der 'Entwicklungsorientierung' erlangte, erreichte Team 4 bei ca. der Hälfte der Themen die beiden höheren Reflektionsstufen. Einher ging dies mit einem höheren Maß an Strukturiertheit, mit einer deutlichen Erhöhung der mittleren Bearbeitungsdauer von bewohnerInnenbezogenen Themen, während der Anteil der organisationsbezogenen Themen im Verhältnis zu den anderen Teams gleich blieb. Strukturiertheit und Entwicklungsbezug fördern sich folglich gegenseitig und die besseren Erfolge in der pädagogischen Arbeit erhöhen die Motivation der Mitarbeiter.

Ich kann es Ihnen ganz banal ausdrücken: Als ich vor langen Jahren versucht habe, bei der Spastikerhilfe in Bremen den Prozeß der Reform zu begleiten (vgl. Seidler 1992), haben mit der zunehmenden Motivation und der Wahrnehmung, daß Kinder sich entwickeln - behinderte Kinder sich entwickeln - die Kaffeepausen erheblich abgenommen. Die Kaffeepausen und das Zigarettenrauchen dazwischen sind immer Indikatoren dafür, daß bezüglich der Identifizierung mit den Arbeitszielen etwas nicht stimmt, daß die Motivation gebrochen ist (oder daß Leute das einfach nicht sehen) oder daß MitarbeiterInnen unter den Bedingungen leiden, unter Druck stehen, entfremdet sind - wie immer wir das nennen wollen. Zumindest ist sicher, daß dann MitarbeiterInnen nicht voll orientiert in der Situation arbeiten.

Ich werfe das auch niemandem vor, ich trinke gerne auch meinen Kaffee. Wir sollten das einfach so aufnehmen, wie es ist. Folglich kommt der Prozeß- und Entwicklungsorientiertheit eine große Rolle für die Effektivität von Arbeit zu, d.h. den eigenen BeobachterInnenstandpunkt selber in Frage zu stellen zugunsten der Prozeßbezogenheit, die alle gemeinsam teilen. Das ist ersichtlich die Variable, welche eine positive Rückkopplung bewirkt und den Prozeß beschleunigt. Das kann ich Ihnen aus diesen Ergebnissen berichten.

Und wenn man demnach über Interdisziplinarität redet, muß man sich zunächst fragen: Werden die Grundstandpunkte, die vorhanden sind, geteilt und inwieweit geteilt? Werden sie toleriert oder werden sie bekämpft? Ich werde nachher (siehe S. 27 ff.) einen Artikel zitieren über Nachhaltigkeit (dort für die indische Entwicklung im Behindertenbereich beschrieben). Eine der Bedingungen für Nachhaltigkeit ist, daß man sich auch über die tiefer liegenden Dimensionen klar wird, z.B. ob etwa ein heimlicher Lehrplan dem, was man offiziell will, entgegen wirkt.

Dazu ein Exkurs, denn Interdisziplinarität ist ein soziales Ereignis. Wir können uns noch so bemühen: Der herrschaftsfreie Diskurs, von dem Jürgen Habermasspricht, ist ein Ideal, das wir nur mit großer Mühe und immer wieder mit Reflexion halbwegs im Gange halten können. Es spielen immer unsere Lebenserfahrungen, unsere persönlichen Sichten, unsere persönlichen Kränkungen, unsere Alltagsform und weiteres mit hinein. Deshalb ein Exkurs.

Die großen soziologischen Untersuchungen zu Einrichtungen, die in den 60-er Jahren begonnen haben, fanden - wie schon erwähnt - in den siebziger und achtziger Jahren interessante Ergänzungen, als man angefangen hatte, Einrichtungen als Orte zu betrachten, die ihre Wirklichkeit selber konstruieren, d.h., man hat die Ethnomethodologie verwendet: Man geht in eine Einrichtung wie in ein fremdes Land und schaut, wie sie ihre Wirklichkeit konstruiert, ohne schon vorgefertigte Maßstäbe der Beobachterin/des Beobachters hineinzubringen. Goffman hat ja vorgefertigte Maßstäbe eines Beobachters durchaus hereingebracht und berechtigt hereingebracht, indem er die Innenwelt der Anstalt an der demokratischen Realität eines demokratisch verfaßten Staates - nämlich der USA - gemessen hat sowie an der Totalitarismusdebatte. Die Anwendung der Ethnomethodologie beinhaltet, in eine Einrichtung hineinzugehen, sich zu bewegen und zu sehen, wie funktioniert die Kultur.

Das ist für den deutschsprachigen Bereich in einer großen Untersuchung von Christa und Thomas Fengler (1994) geschehen. Sie haben sich eine psychiatrische Einrichtung angesehen, in der auf einer der beiden Personalebenen eine wesentliche Erneuerung stattgefunden hatte. Die eine Personalebene sind die Leute, die in den Gruppen arbeiten, welche von sich selbst sagen "wir an der Basis" oder auch "wir an der Front" (das ist eine interessante Bemerkung im Verhältnis zu unserer Kriegsthematik). Die andere Personalebene sind die - würde ich so sagen -, die als Intellektuelle in der Einrichtung arbeiten. Die als TherapeutInnen oder als Ärztinnen/Ärzte - also in höheren Positionen - arbeiten, d.h. die teilweise mit den PatientInnen in ausgewählten Situationen zu tun haben.

Auf der Ebene der Intellektuellen sind in dieser Einrichtungen Neuerungen eingeführt worden, und es ist versucht worden, Reform zu realisieren. Und diese Reformbemühungen sind auf großen Widerstand an der Basis gestoßen, weil die Basis die Forderungen, die ihnen plötzlich gestellt wurden und in die sie nicht eingeweiht waren, als praktizierte Illoyalität gegenüber ihren Arbeitsbedingungen verstanden hat.

Ich habe das mit der Fenglerschen Untersuchung ja auch in meinem Deinstitutionalisierungsvortrag (siehe Jantzen 1997) kurz angesprochen sowie die Notwendigkeit, gerade die Kolleginnen und Kollegen - die hier als PraktikerInnen und nicht als Intellektuelle in der Einrichtung arbeiten - zu unterstützen, sie aufzubauen, ihre besseren Lebens- und Arbeitsverhältnisse genauso in den Mittelpunkt zu stellen wie die BewohnerInnenverhältnisse, freilich mit der Grenze, daß mit der größten Ungerechtigkeit zunächst begonnen werden muß, und das ist die Ungerechtigkeit gegen die BewohnerInnen. Vor der hat die andere zurückzustehen, aber die nächste Ebene ist die permanent praktizierte Ungerechtigkeit gegenüber MitarbeiterInnen, die zurecht für den Bereich der Wohlfahrtsverbände auch mit dem Etikett der emotionalen Ausbeutung versehen wurde (in der alten Diakonie noch stärker). Aber immer wird das hohe menschliche Engagement von Leuten als Standortfaktor, als wertbildender Faktor, mit ausgebeutet und ganz gezielt genutzt - zum Teil über moralisierende Appelle und ähnliches.

Die Fenglers haben darauf aufmerksam gemacht, daß ein solcher Konflikt in einem institutionellen Umfeld sehr wohl Prozeßorientierung tiefgehend stören kann und damit auch Interdisziplinarität verunmöglichen kann. Interdisziplinarität bedeutet nämlich immer - ich komme nachher noch einmal darauf zurück - auch dem sozialen Umfeld so Rechnung zu tragen, daß gesehen wird, daß der herrschaftsfreie Diskurs nicht damit eintritt, interdisziplinär arbeiten zu wollen, sondern daß man erst einmal versucht, Bedingungen von Herrschaftsfreiheit für Diskussion zu schaffen. Das heißt: Interdisziplinarität muß mit grundlegenden Prozessen von Demokratisierung verbunden sein.

Ich habe das jetzt auf der Institutionsebene und der Prozeßorientiertheit angesprochen. Ich werde es nachher mit Paul Feyerabend noch einmal auf der Wissenschaftsebene ansprechen. Daraus können wir - mein letzter Unterpunkt zu "Interdisziplinarität I und Prozeßorientierung" - noch etwas lernen: das Übergehen zu einem neuen Paradigma. Das tun wir hier. Wir werden das nachher mit Toulmin als ein neues Modell der Naturordnung identifizieren.

Dies Übergehen zu einem neuen Paradigma stellt traditionell definierte Funktionen von Intelligenz in Frage. Ich unterscheide also traditionelle Intelligenz, die sich definiert über das, wie das Fach, die Disziplin, bisher aufgebaut wurde (das gilt für meine eine Disziplin, wenn ich die Psychologie nehme, genauso wie für meine andere Disziplin, für die Behindertenpädagogik). Für die Medizin oder Sozialpädagogik als Disziplin gilt das ebenso. Wir sind zunächst einmal traditionelle Intellektuelle. Wir sind nämlich mit einem Wissen groß geworden und mit Weltsichten, die uns sagen, das dies so ist, weil es die und die Gründe hat, und weil es die und die Gründe hat, ist es eben so. Wir haben das - das ist ein Kennzeichen von Disziplinarität - auch zum Teil nicht in Frage gestellt, weil wir mit den anderen Sichten nicht konfrontiert worden sind.

Wenn wir uns auf ein neues Paradigma, also auf eine andere zugrunde gelegte Naturordnung einigen (hier ist es die Vernunftnatur des Menschen, auf die wir uns einigen und die überall gegeben sei und immer entwickelt werden könne), dann gehen wir auch über, so der italienische Marxist und PhilosophAntonio Gramsci, zu einer anderen Art der Verfaßtheit der Intelligenz (vgl. zur Einführung Kebir 1991). Wir werden nämlich damit organische Intellektuelle, d.h. in einem Streitpunkt ergreifen wir Position für die eine Partei (und gegen die andere) und sind nicht jenseits des Parteienstreits nur unserer wissenschaftlichen Tradition verantwortlich. Inhaltlich in diesem Streit ergreifen wir nun Partei für eine humane Tendenz in der Wissenschaft. Wir gehen mit diesem Modell einer neuen Naturordnung über zu einem wertgeleiteten Standpunkt, was natürlich nicht enthebt, alle methodologischen Formen, mit denen wir arbeiten, trotzdem und gerade deswegen mit großer Sorgfalt zu prüfen.

Aber dieser Übergang findet statt und der Übergang zu dem organischen Status des Intellektuellen verlangt geradezu auch, den engen Fachbereich zu verlassen und prozeßorientiert zu denken. Gramsci würde an dieser Stelle "politisch denken" sagen, aber "politisch" im Sinne des Ursprungsbegriffes von Politik, orientiert an der Polis, am Gemeinwesen. Es ist also dann nicht mehr der vom Wohlergehen des Gemeinwesens losgelöste Standpunkt von Wissenschaft und Interdisziplinarität möglich, wenn man sich dieser Auffassung anschließt. Im Mittelpunkt steht dann das Funktionieren des Gemeinwesens, des demokratischen Gemeinwesens, also eines Gemeinwesens, das - wie ich Ende meines ersten Punkt sagte - darauf orientiert ist, Würde von Menschen herzustellen, Anerkennung zu realisieren und Ungerechtigkeit zu vermeiden. Das tritt dann in den Mittelpunkt der Neubestimmung von Interdisziplinarität und Wissenschaft - selbstverständlich immer auch in der exakten Reflexion der Methoden, die angewendet werden.

4. Interdisziplinarität II: Diskurs zur Methode

Diskurs ist also ein Gespräch zur Methode. Ich hätte auch Methodologie sagen können, denn Methodologie ist nichts anderes als der Diskurs zur Methode. Wie ist wissenschaftliche Methode überhaupt möglich? Wenn wir anfangen, Interdisziplinarität zu betreiben, ist der Diskurs zur Methode das erste, worüber wir uns unterhalten müssen, denn wir haben höchst unterschiedliche Methoden gelernt - dem Gegenstand angemessen, bzw. bestimmten Dimensionen des Gegenstands angemessen. Genauso wie es eine höchst unterschiedliche Dimension des Gegenstandes bezeichnet, ob ich eine Höhe messe oder ob ich ein Gewicht messe oder ob ich ein Hohlmaß verwende. Um einen Volumenbegriff zu haben, muß ich aber alle drei zur Deckung bekommen, wie uns die Arbeiten von Piaget zeigen. Es sind also unterschiedliche Blickweisen vom einheitlichen Gegenstand. Interdisziplinarität heißt immer, den Problemen einer vereinheitlichenden Theorie ausgesetzt zu sein.

Ich stelle Ihnen das mit einigen Autorinnen und Autoren, die uns darauf aufmerksam gemacht haben, vor. Der erste und wichtige Autor, der uns darauf aufmerksam gemacht hat, daß es in der Wissenschaft kein absolutes Wissen und keine absolute Methode gibt, ist Ludwig Wittgenstein (zur Einführung siehe Bezzel 1989).

Das geht einher mit den Erkenntnissen der modernen Physik (die zeitgleich sind mit der Entdeckung der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie) und geht außerdem einher mit Gödels Nachweisen für die Mathematik, daß ein Beweissystem niemals sich selbst beweisen kann (vgl. Hofstader 1979). Das heißt, die Grenze des Beweises eines Codes oder eines Beweissystems liegt damit in der Gegenwart in all dem, was wir wissen. Damit haben wir immer einen nicht beweisbaren Teil darin enthalten. Dieser nicht beweisbare Teil taucht bei Wittgenstein als derjenige Teil auf, der bloß aufgezeigt und nicht bewiesen werden kann. Wittgenstein kümmert sich nun um die Bedingungen, unter welchen Beweisführung möglich ist und was die Beweisführung relativiert.

Beweisführung ist also niemals komplett möglich. Beweisführung ist nur historisch möglich im System der Sprache und der Kern dieser Sprache ist das System der Grammatik, das Wittgenstein in einer philosophischen Grammatik als Methodologie des Beweisführungsprozesses erweitert, in der die traditionelle Sprachgrammatik den gleichen logischen Status hat wie die Logik und die Mathematik. Das alles sind Formen der Beweisführung, die dort, wo Beweis geführt werden kann, nutzbar sind. Aber an manchen Stellen kann kein Beweis geführt werden, sondern nur aufgezeigt werden. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß das in der Grenze des Wissens in der Gegenwart immer seine Grenze hat und es immer zudem in der Grenze des jeweiligen Beobachters seine Begrenzung hat. Wittgenstein zeigt, daß eine Reihe von Beweisen einfach nur deshalb so ausfallen, weil wir einen bestimmten Beobachterstandpunkt einnehmen bzw. ein bestimmtes Sprachspiel spielen.

Sehr faszinierend ist seine Aufforderung, geistig behinderte Menschen nicht als defekt zu betrachten, sondern zu fragen, welche Sprachspiele sie spielen. Sie sehen, jetzt kommt der Beobachterstandpunkt ins Spiel - unserer und der Standpunkt der anderen. Das heißt, die Wittgensteinsche Methodologie und Sprachphilosophie (und man sagt, mit Wittgenstein ist wirklich erst die Basis der modernen Logik und ihre Anwendung entstanden) verlangt geradezu diesen interdisziplinären Austausch und den Wechsel des Beobachterstandpunktes. Der Beobachterstandpunkt ist begrenzt - was aufgezeigt und bewiesen werden kann werden kann. Aber es gibt eine absolute Grenze des Beweisens. Nicht bewiesen werden kann Subjektivität: Wenn ich in der Ich-Form spreche, beziehe ich mich auf etwas anderes (= auf meine innere Realität) als auf das, was ich außen aufzeigen kann. Jenes kann ich ja nur vermittels der Sprache nach außen verlagern und der Andere muß in einem sinnbildenden Akt den gleichen Sinn wiederfinden, damit er das für sich als bewiesen betrachtet.

D.h., das, was im Verstehensprozeß auftaucht, dies Hinübergehen vom Erklären zum Verstehen, ist aufzeigbar, aber nicht beweisbar, so laut Wittgenstein. Und ebenfalls ist die gesamte mit der Ethik verbundene Gefühlswelt nur aufzeigbar und nicht beweisbar. So also Wittgenstein über die Grenzen von Beweisbarkeit (und nicht über die Grenze der Sprache). Der frühe Wittgenstein hat zwar gesagt, worüber man nicht reden kann - im Sinne von beweisbarem Reden - muß man schweigen. Der späte Wittgenstein hat großen Wert darauf gelegt, auch gerade diese Grenzen aufzuzeigen, d.h., an den Grenzen die Relativität des Wissens deutlich zu machen. Das ist das Grundmodell, ohne welches man Wissenschaftstheorie in der Moderne, glaube ich, nicht mehr denken darf.

Wittgenstein verpflichtet, führt Toulmin uns noch einmal in sehr interessante Zusammenhänge zwischen Methode und Modell ein. Toulmin fragt in seiner etwas älteren Studie "Voraussicht und Verstehen" (Toulmin 1981), ob denn die Voraussehbarkeit von Ereignissen ein Kriterium von Wissenschaft sei, und er stellt erst einmal fest: Nein, denn z.B. die alten Babylonier hatten genaue Zahlenwerke, mit denen sie die Sterne festgehalten haben. Das findet man wieder im Charakter der nautischen Jahrbücher, die jeder Segler kennt und benutzt. Aber das hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Auch die Anwendung von einer bestimmten Art von Methodologie (z.B. irgendwelche mathematischen Verfahren) sagt nicht unmittelbar aus, daß es sich um Wissenschaft handelt.

Um Wissenschaft handelt es sich nach Toulmins Meinung dann, wenn zu einem neuen Ideal der Naturordnung übergegangen wird. Damit liegt das Wesen der Wissenschaft nicht im Aufzeichnen oder im Protokollieren von Ereignissen, um damit Vorhersehbarkeit zu schaffen, sondern es liegt im Erklären von Ereignissen, im Finden von Erklärungsmodellen, die Ereignisse erklären bzw. besser erklären als die vorherigen Erklärungsmodelle. Das zeigt er sehr schön im Bereich der Physik und der Astrophysik am Übergang zum kopernikanischen Weltbild oder zumnewtonschen Weltbild. Das ist jeweils ein neues Modell der Naturordnung. Nicht die Ereignisse sind anders geworden, sondern die Ereignisse werden anders erklärt.

In diesem Prozeß ist es wichtig, nicht mehr dem bloßen Augenschein zu trauen. Wissenschaft wird gerade dadurch gekennzeichnet, daß ein Erklärungsmodell nicht dem bloßen Augenschein traut, sondern auf einer höheren Ebene von Abstraktion arbeitet. Sehen Sie beispielsweise die einsteinsche Relativitätstheorie oder die Quantenphysik. Die sind mit bloßem Augenschein nicht zu verstehen.. Es gibt demnach eine wissenschaftstheoretische Debatte, die zeigt, daß auf den Augenschein kein Verlaß ist, sondern nur auf eine systematische konstruktive Methode, also auf eine konstruktive Grammatik, wie Wittgenstein das nennen würde, um ein Problem zu identifizieren.

Auch wir hier sind oft mit dem bloßen Augenschein konfrontiert. Dieser Augenschein ist oft sozialpolitisch hoch besetzt, da alles uns suggeriert, daß die Menschen, die hier leben, nicht entwicklungsfähig sind. Das geht natürlich bis in den Alltag und bis an die Grenze von Vermutungen hinein, auch wenn wir versuchen, anders zu denken. Sobald wir anders handeln, wider dem Augenschein handeln, mithin theoretisch reflektiert handeln, ist das persönlich immer mit großer Angst besetzt. Ich rede jetzt von mir, jede/r andere macht das für sich selbst aus. Ich rede von mir und meiner großen persönlichen Angst, die ich fast bei jeder Fachberatung habe. Das ist dann etwas, was einfach dazu gehört, was gar nicht anders sein kann, sobald ich versuche, gegen den Augenschein zu handeln. Ich bringe Ihnen im folgenden ein Zitat von Toulmin, um den Gedanken zu unterstreichen.

"Wenn wir immer darauf bestünden, das Unvertraute durch das Vertraute zu erklären und nicht umgekehrt, dann hätten wir uns niemals von der aristotelischenDynamik freimachen können. Das aristotelische Paradigma ist uns auf eine Weise vertraut wie uns das Newtonsche niemals werden kann. Und Newtons Programm, die Bewegung von Pferdefuhrwerken als eine höchst komplexe Angelegenheit zu behandeln, kann man nur verstehen, wenn man von Planeten und Projektilen ausgeht und vielfältige Kombinationen von Kräften zuläßt und unserem Altersverstand erscheint es letzten Endes immer noch ziemlich paradox", - so wie dieses Zitat, was ich Ihnen jetzt unvermittelt vorgelesen habe. Toulmin schreibt weiter: "Welche Lehren können wir aus diesem ersten Beispiel ziehen? - Im täglichen Leben besteht Erklären vielleicht darin, das Unvertraute zum Vertrauten in Beziehung zu setzen. Aber im Verlauf der Wissenschaftsentwicklung verwandelt sich das in 'Inbeziehungsetzen des Anormalen zum Akzeptierten'" Toulmin 1981, S. 74) Wir fragen also genau jetzt: Das Anormale, was wir nicht verstehen, wie ist das im Verhältnis zum Akzeptierten? Wir müssen gegebenenfalls auch fragen, wie wir unsere Meinung vom Akzeptierten ändern müssen, um das Anormale mit in das Akzeptierte aufnehmen zu können.

Toulmin schreibt weiter: "Das ist ganz unvermeidlich. Außerdem ist es relativ, welche Dinge jemanden vertraut und welchem unvertraut sind. (Ein Wüstenbewohner könnte sich so etwas wie eine Wassersäule unter Umständen nur schwer vorstellen. Vielleicht würde ihn die Hydraulik mehr mystifizieren als die Elemente der Elektrizitätslehre.) Andererseits braucht das nicht eine so ganz persönliche Frage zu sein, ob ein Ergebnis anormal ist oder nicht. Das kann rational diskutiert werden - vor allem dann, wenn wir soweit gehen, das Ergebnis als 'Phänomen' zu bezeichnen und damit implizieren, daß es mit einer Theorie konfrontiert werden muß. Dann nämlich darf unser Maßstab nicht länger das uns Vertraute sein, sondern das, was am Gang der Natur einzig und vernünftig ist." (ebd.).

Dazu müssen wir mitunter zunächst Bedingungen schaffen, in denen, was bisher akzeptiert ist, in das Anormale umschlagen kann. Um ein Beispiel zu nennen: Das haben wir zum Teil mit den Fachberatungen geschaffen, indem die Bewohner dabei sind und wir haben damit ganz überraschende Erfahrungen gemacht, die Erklärungsbedarf aufwerfen. Das ist dann erklärungsbedürftig, theoriebedürftig und muß in einer Art von Theorie eingeholt werden, die dem interdisziplinären Diskurs natürlich Rechnung trägt. Also hier sehen Sie unser Problem wieder.

Damit man das kann, muß man sich über Methodologie in einer allgemeinen Weise einigen, wie man Begriffe anwenden darf. Es ist in die Wissenschaftstheorie besonders durch Vygotskij eingebracht worden und in einer ganz ähnlichen Denkweise wie von Toulmin. Nur fangen die Denkweisen sich erst langsam an zu berühren, weil sie aus unterschiedlichen Kulturen und den zwei großen Systemen des "Kalten Krieges" kamen. Vygotskij (1985) geht davon aus, daß Begriffe ihre Geschichte haben. Die Begriffsgeschichte ist meistens so, daß ein Begriff eine angemessene Erscheinung anfängt zu fassen, dann wird er ausgeweitet auf benachbarte Phänomene und fängt an, sich auszuweiten, bis er ganz den Bereich der Ursprungstatsachen verliert.

Dann wird ein Begriff zur allgemeinen philosophischen Tatsache und muß sich als solche bewähren und sodann platzt oft der zum Ochsen aufgeblähte Frosch, den dieser Begriff darstellt. Beispielsweise zeigt Vygotskij das am Begriff des pavlowschen Reflex. Daran demonstriert er, je weiter die Begriffe sich von ihrem Ursprungsort entfernen, desto mehr geht der Inhalt gegen Null. Das heißt, Begriffe beziehen sich auf eine bestimmte induktive, erfahrungsgemäß festhaltbare, nachweisbare Basis. Begriffe beziehen sich auf das, was wirklich ist. Das kann die von uns zu Zwecken der Forschung künstlich hergestellte Wirklichkeit sein oder die Wirklichkeit im Naturexperiment (Vygotskij betrachtet Behinderung als eine Art Naturexperiment), das heißt, auch was wir in der klinischen Methode an Widersprüchen sehen, ist der Begriffserklärung aufgegeben als Naturtatbestände. Das einigt übrigens die klinische Methode mit der Astronomie, die auch nicht direkt mit ihrem Gegenstand experimentieren kann. Also müssen wir jeweils sehen, daß der Begriff die angemessene Höhe hat.

Wir müssen demnach auch bisherige Theorien, die sich auf empirische Sachverhalte beziehen, überprüfen, ob ihre Begriffe angemessen sind. Sie wissen, daß ich zum Teil in meiner Vorlesung versucht habe, einen solchen Weg zu gehen. Und damit wir das können, sind bestimmte Anforderungen an Wissenschaftstheorie und Interdisziplinarität vorhanden. Denn es geht jetzt darum, wie wir ein Begriffssystem mit dem anderen zusammen führen. Diese Anforderungen bestehen - nach Vygotskij - darin, den Empirismus zu vermeiden. Daten sprechen nie für sich selber, sondern Daten sind erklärungsbedürftig und theoriebedürftig. Und diejenige Theorie sollte es sein, die mit sparsamsten Mitteln analytisch exakt das Auftreten von Phänomenen erklären kann. Daher spielt das Problem der Sparsamkeit einer Theorie hier eine große Rolle, um die Angemessenheit zu beurteilen. Jedoch sagt das nicht erst Vygotskij, das war schon viel früher ein von William von Ockham (13. Jahrhundert)in die Philosophie eingeführter Grundsatz.

Zweitens gehört dazu, sich des Eklektizismus zu enthalten. Man darf keine Bündnisübereinkünfte zwischen widerstrebenden Theorien führen, sondern man muß dann die Theorien ineinander übersetzen und auf dieser Basis sehen, was beide Theorien zum gemeinsamen Sachverhalt beitragen. Man muß dann an einer vereinigten Theorie arbeiten (so würde man modern sagen, mit der physikalischen Diskussion im Hintergrund). Wenn wir also einen Widerspruch in der Sache haben, der durch Widersprüche in der Theorie noch überlagert ist, dann können wir nicht etwa sagen: Aus psychoanalytischer Sicht sieht das so aus, aus der Sicht von Piagetsieht das so aus, in der dritten Sicht sieht das so aus, denn wir haben den einheitlichen Menschen vor uns.

Also ist es notwendig, unsere Theoriesysteme auch so miteinander abzugleichen, daß sie nicht nebeneinander im Denksystem existieren, daß wir nicht eklektizistisch arbeiten. Da sagt Vygotskij einiges zur Methode. Auch im Ernstnehmen jeder Theorie habe ich Ihnen versucht, das zu zeigen. Im Durchprobieren jeder Theorie, bis an die Grenzen ihres Erklärungsanspruchs, d. h. die verschiedenen Theorien zum Gegenstand der Forschung und nicht zum Gegenstand der Kritik zu machen, so Vygotskij.

Indem man mit ihnen forscht, kritisiert man sie, man erkennt ihre Grenzen, wo der Begriff jeweils seine Grenze hat. Forschen kann natürlich auch bedeuten, in Gedanken zu experimentieren, was wir oft müssen, weil wir nicht anders experimentieren können, denn wir haben es ja - wie schon gesagt - mit einem Naturexperiment zu tun: Mit der Einwirkung von Defektivität auf Vergesellschaftung.

Schließlich ist noch zu nennen, daß dazu natürlich eine exakte Sprache gehört. Das heißt, wir müssen Begriffe definieren und sagen, was wir unter einem Begriff verstehen wollen und was wir nicht darunter verstehen wollen. Das Hauptproblem der gesamten vereinheitlichten Wissenschaft liegt für Vygotskij in dem Dualismus, der vonDescarteshergekommen ist: Zwischen erklärenden und verstehenden Anteilen der Wissenschaft. Also zwischen dem empirisch Aufdeckendem, mathematisch Erklärendem usw. - also der traditionellen erklärenden Wissenschaft - in der ausgedehnten Welt und dem Verstehen in der erkennenden Substanz.

Auch dazu, glaube ich, gibt es Wege, mit dem Problem umzugehen: Ich habe Wittgenstein schon dazu zitiert und wir haben z.B. in unserem Rehistori-sierungsbuch (Jantzen und Lanwer-Koppelin 1996) auch versucht zu zeigen, wie der Übergang vom Erklären zum Verstehen erfolgen kann.

Alle diese Theoriesysteme müssen pluralistisch angeboten sein und präsent sein können. Natürlich gebunden in die Projektperspektive, das ist das, was man braucht, wenn man gemeinsam arbeitet. Und jeder darf mit jedem System im Rahmen dieser Projektperspektive natürlich experimentieren. Das macht Interdisziplinarität aus, mit unterschiedlichen Theoriesystemen, die dann Angebote sind, im Rahmen des gemeinsamen Grundverständnisses experimentieren zu dürfen.

Als Schlußpunkt lassen Sie mich von Vygotskij einfügen: Der Kern von Begriffsbildung ist eine Frage des adäquaten Maßstabes. Die Begriffe muß ich also auf dem Niveau ansetzen, wo sie wirklich etwas leisten können. Was ist der Kern, was ein Begriff leisten kann? Induktiv heißt, wir ziehen Folgerungen aus der Empirie - also das ist und dieses ist und jenes ist - und der Begriff hebt die Vielfalt dieser Induktion auf. Der Begriff bringt es auf den Punkt und erklärt es.

Ich habe das in einer Vorlesung versucht am Beispiel Trisomie 21 darzustellen: Trisomie 21 wurde als schwere Grammatikstörung mit einem Begriff gefaßt; dieser Begriff ("schwere Grammatikstörung") sollte Trisomie 21 besser analysieren als bisherige Begriffe. Daher muß der Begriff gleichzeitig das gesamte empirische Material reflektieren und sich sowohl mit dem Verhältnis der Begriffe zum empirischen Material als auch der Begriffe untereinander befassen (zu Trisomie 21 vgl. Jantzen 1998).

Paul Feyerabend (1978, S. 364) bemerkt zurecht, daß die Irrtümer von Spezialisten durch Laien aufgedeckt werden können. Das wissen wir aus der Antiatomkraftbewegung, das wissen wir aus einer Reihe von weiteren Bewegungen, die ich nicht im einzelnen auflisten möchte. Wenn man also eine Wissenschaft möchte, die sensibel ist für ihre eigenen Irrtümer, muß man die Laien beteiligen, und zwar gezielt am Prozeß der Interdisziplinarität beteiligen. Nicht nur zufällig, denn das zufällige Beteiligen ist eigentlich nicht die Beteiligung der Laien, sondern es ist der Ausschluß der Laien.

Das heißt, man muß in den Diskurs über das, was man tut (über den Prozeß), auch ständig die Laien mit einbeziehen. Und das wäre in diesem Fall, Eltern und BetreuerInnen und BewohnerInnen in irgend einer Weise am Diskurs - und zwar am inhaltlichen Diskurs - zu beteiligen. Die BewohnerInnenbeteiligung liegt deshalb schon nahe, weil ein Vergleich der englischen Diskussion über Qualitätssicherung mit der deutschen Diskussion über Qualitätssicherung von Eckhard Hansen (in einer Kurzfassung in der Frankfurter Rundschau vom 10.4.97, S. 14 erschienen) uns darauf verweist, daß der englische Diskurs über Qualitätssicherung etwas ganz interessantes und anderes im Kern beinhaltet als unserer Diskurs, nämlich die Kundenkontrolle: also der Aufbau von Kundenorganisationen, welche die Qualität kontrollieren können. Also bedarf es auch der Stärkung der Kritikkompetenz der Bewohnerinnen und der Bewohner und damit verbunden der Eltern, um die Qualität zu kontrollieren, die hier angeboten wird, damit wir nicht Interdisziplinarität mit blinden Flecken betreiben.

Ich kann das auch bestätigen: Ich habe mich an der Universität kompetenter verstanden und wohler gefühlt im Wissenschaftsentwicklungsprozeß, als wir noch die Drittelparität hatten und auch die sogenannten DienstleisterInnen und die StudentInnen über Wissenschaftsprojekte deutlicher und über Berufung deutlicher mit diskutieren konnten. Ich habe dort nie fehlenden Sachverstand wahrgenommen.

Ein Diskurs über die Methode bedeutet also eine höchst sensible Entwicklung der Methode bei doch Grundeinsichten über Methodologie: Wie man die Methoden sensibel entwickeln kann und sie über Begrifflichkeit wieder zusammenführen kann.

5. Sozialpolitische Wirklichkeit: Integration und Ausgrenzung

Ich gehe jetzt also über zur sozialpolitischen Wirklichkeit, um Ihnen diese Wirklichkeit sichtbar zu machen. Über die Wirklichkeit von Integration und Ausgrenzung möchte ich mich eines Aufsatzes von Christoph Türcke bedienen (Frankfurter Rundschau vom 2.12.1996, S. ZB 3). Christoph Türcke ist Soziologieprofessor in Leipzig. Er ist unter den heute in der Bundesrepublik lehrenden Sozialwissenschaftlern wohl am engsten der Tradition von Horkheimer und Adornoverpflichtet und er ist ein kritischer und anregender Denker. Christoph Türcke macht uns darauf aufmerksam, daß wir meist, wenn wir von Integration und Ausgrenzung reden, eine sekundäre Integration und eine sekundäre Ausgrenzung vor Augen haben.

Er zeigt das zunächst in einem historischen Diskurs: Von Ausgrenzung sei erst dann systematisch geredet worden, wo von Ausbeutung nicht mehr geredet wurde, also jetzt im Übergang von den 80-er in die 90-er Jahre. Und der Grundtatbestand, daß Arbeitslosigkeit als Ausgrenzung existiert, ist nicht etwas neues, so beginnt Türcke ganz am Anfang, sondern eine ganz alte Tatsache, so alt wie die Marktwirtschaft. Seit Menschen ihre eigene Arbeitskraft so feil bieten müssen, wie man es zuvor nur mit Vieh oder Wolle, Gewürzen oder Gemüse tat, geschieht ihnen dasselbe wie jeder Ware. Das ist der primäre Mechanismus, der Ausgrenzung produziert und Integration produziert. Davon ist aber heute nur nach am Rande die Rede. Der öffentliche Diskurs hat sich wie von unsichtbarer Hand gelenkt auf Ausgrenzung gerichtet als das soziale Grundübel unserer Zeit.

Die Gegenreaktion mögen Sie in der Behindertenpädagogik sehen, wo Teile der Behindertenpädagogik sich nur noch sich als Integrationspädagogik artikulieren und die Ausgrenzung vergessen, also mit Enthospitalisierung oder mit der Lebensbedrohung durch die Singer-Debatte "nichts mehr am Hut haben". Das ist also auch einer dieser Mechanismen, den man in diese großen Ereignisse einzuordnen hat. Aber die Ausgrenzung in dem ersten, in dem primären Maßstab, geht weltweit weiter, so Türcke. Ich lese ein paar Passagen einfach vor, um den Artikel vorzustellen:

"Seit eineinhalb Jahrzehnten jedoch durchsetzt eine technische Erfindung von weitestreichender Organisations- und Produktivkraft, nämlich der Computer, alle Bereiche menschlicher Tätigkeit und macht menschliche Arbeitskraft in einem Maße entbehrlich, daß Massenarbeitslosigkeit mit wirtschaftlichem Aufschwung vereinbar geworden ist."

Ich zitiere kurz dazwischen ein heiß diskutiertes Buch von Viviane Forrester (1997) Es beleuchtet die Ökonomie und ganz Frankreich ist in Diskussion und Aufregung über das Buch. Forrester zeigt unter anderem mit klarem Menschenverstand auf, was die Wirkweise dieser Ökonomie im Verhältnis zur Demokratie und Humanität ist, etwa an dem Beispiel, daß die Börsenkurse steigen, wenn die Arbeitslosigkeit steigt und die Börsenkurse sinken, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt. Ein völlig perverses Verhältnis. Aber das sieht man an anderen Stellen ja auch, wo Finanzierung auf Zukunft die Gegenwart zerstört. Der Englische Bankskandal mit dem Makler Leason zum Beispiel oder der Zusammenbruch eines der reichsten Distrikte ("orange country") in der USA, weil sie dort Zukunft mit entsprechenden Modellen vorfinanziert hatten, und als dann die Zinsen sich veränderten, ist das Land kollabiert.

Das sind mögliche Mechanismen, ohne daß Arbeitslosigkeit beseitigt wird. Diese Situation ist neu und hier bildet sich zu den Privilegierten, die sich um Konjunkturschwankungen nicht kümmern müssen, ein unterprivilegiertes Gegenstück, eine neue Schicht, die sich deswegen darum nicht kümmern muß, weil ja auch der Aufschwung keine Integration ins Arbeitsleben mit all seinen Vergünstigungen verheißt. Diese Schicht wächst in den High-Tech-Ländern auf etwa ein Viertel der Bevölkerung. Prognosen der beider Spiegel-Redakteure Martin und Schumann in ihrem Buch "Die Globalisierungsfalle" (1997) gehen dahin, daß diese Schicht sich weltweit dauerhaft auf 80% einpendeln wird, also in Arbeitslosigkeit und bestenfalls Gelegenheitsarbeit. Soweit ein Exkurs zum Thema Ausgrenzung.

Integration als primäre Integration diskutiert Türcke am Beispiel der Kolonisierung und Unterdrückung der sogenannten Dritten Welt und Ausbeutung ihrer energetischen Ressourcen und der personellen Ressourcen wie z.B. Sklavenarbeit. Dies ist der erste Akt primärer Integration. Wenn man das (Ausgrenzung als primäre Ausgrenzung durch Arbeitslosigkeit und durch Nichtteilhabe sowie durch Reduktion auf Ware, die sich nicht verkauft) betrachtet und primäre Integration die Einbeziehung in diesen Prozeß von Ausbeutung und Warenförmigkeit bedeutet, dann sieht man die Prozesse, die meistens nur diskutiert werden als Akt von Integration und Ausgrenzung, in einem neuen Licht.

Dann ist nämlich der Einschluß in die Anstalt, in die Verwahrung unter der Hausordnung (und die Hausordnung ist für Goffman das Kernstück der totalen Institution) ein Akt der Integration und nicht ein Akt der Ausgrenzung in diesem primären Sinne. Es ist wichtig, diesen primären Sinn im Kopf zu haben, gerade weil er dem Alltagsverstand zuwiderläuft. Wir haben unser Problem von vorhin - wissenschaftliche Analyse und vertraute Begriffe -, weil gesellschaftlicher Prozeß nicht mit den Augen sichtbar ist, sondern hinter den Rücken der Individuen verläuft. Das ist also einer der Mechanismen, wie Prozeß hinter den Rücken der Individuen verläuft und dieser kann nicht mit sekundärer Integration oder sekundären Mechanismen der Ausgrenzung gesteuert werden, sondern hinter diesen liegen die primären Mechanismen.

Ich will das nicht im Einzelnen erörtern, was Türcke da an Vielfältigkeit sekundärer Integrations- und Ausgrenzungsmechanismen erörtert. Die Gesellschaft ist letztlich voll mit allen möglichen Ausgegrenzten im Sinne dieser sekundären Ausgrenzung. Alle möglichen Populationen von den Amazonas-Indianern bis zu den Rauchern, Homosexuellen, Kleinwüchsigen, Untermietern und Künstlern auf Ausgrenzung untersuchen, heißt auch, bei allen etwas finden und den Eindruck gewinnen, daß die Bevölkerung eigentlich nur aus Ausgegrenzten besteht. Umgekehrt schillert die Integration in genau so vielen Facetten.

"Daß das Entscheidende woanders spielt, bekommen Arbeitslose, Alte, Asylanten auf sehr handfeste Weise zu spüren. Aber die vielen Berufstätigen, die der Arbeitstrott morgens durch den Stau zu irgendeiner mehr oder minder weniger gleichgültigen Beschäftigung zwingt und abends durch den Stau zurück, verspüren es auf ihre Weise auch."

Der Artikel schließt mit einer Zusammenfassung aus der ich noch einmal zitiere: "Die Inflationierung der Ausgrenzung in der Praxis findet ihr theoretisches Gegengewicht in einem Diskurs, der an allen Ecken und Enden von Ausgrenzung spricht, wo immer sich jemand benachteiligt zeigt. Beide lenken den Blick von der weltweiten Geschäftsgrundlage aller aktuellen Zerfalls- und Ausgrenzungsvorgänge ab, die hier primäre Integration genannt wurde. Eine Gesellschaftsanalyse, die nur noch von sekundärer Integration handelt, weil ihr die primäre zu gigantisch geworden ist, verfährt wie eine Psychoanalyse die von Narzismus, Verdrängung, Traumbildung, Assoziation nur noch die Sekundärvorgänge behandelt, weil ihr die primären außer Reichweite erscheinen. Sie kann einpacken." So der letzte Satz des Artikels.

Wenn wir also Deinstitutionalisierung als Prozeßperspektive entwickeln wollen, müssen wir hinter der sekundären Ausgrenzung und der sekundären Integration, mit der wir es zu tun haben, die primäre Ausgrenzung und die primäre Integration sehen. Und genau sehen, daß es gesellschaftliche Integration ist, daß es gesellschaftlich funktional ist, die Leute hier so zu verwahren, wie sie verwahrt worden sind und möglicherweise noch schlimmer zu verwahren als sie vorher verwahrt worden sind. Und das muß gesehen werden, denn wenn wir das nicht sehen, handeln wir wie Leute auf einer Warft, die in Anbetracht einer drohenden Sturmflut darüber diskutieren, ob Sandsäcke getragen werden sollen oder nicht. Aber die Sandsäcke sind zu tragen, wenn man das einigermaßen überleben will, und man weiß noch nicht, ob man es überlebt.

Das ist auch die Lage dieser Einrichtung, wie ich es am Anfang mit dem Surfbeispiel gekennzeichnet habe. Denn niemand weiß, wie wir die Situation nach 1998 überleben, die dann eine völlig veränderte rechtliche sozialpolitische Grundlage hat. Und wie wir Nachhaltigkeit unter diesen Bedingungen organisieren, wenn es uns nicht gelingt, auch Prozesse primärer Integration und Ausgrenzung in den Blick zu kriegen, von denen Türcke spricht, wenn wir unsere Reflexion nicht auch sozialpolitisch öffnen. Davon will ich wenigstens in ein paar Aspekten reden.

Primäre Integration und primäre Ausgrenzung findet gegenwärtig massenweise statt. Die Arbeitslosenquoten werden immer höher und der jüngste Vorschlag, den ich gerade im Radio kommentiert gehört habe, war, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die 40-Std.-Woche wieder einzuführen, um die Produktivität zu steigern. Nun weiß aber jeder, daß die Produktivität in den letzten Jahren ständig gestiegen ist und dort am meisten gestiegen ist, wo am meisten entlassen wurde. Das ganze läuft im Moment nach enormer Beschleunigung realkapitalistischer Mechanismen, und das sage nicht nur ich, das meint auch Marion Gräfin Dönhoff[1], langjährige Herausgeberin der ZEIT - bestimmt jeder Sympathie für irgendwelche sozialistische Tendenzen unverdächtig. Also ist das Kapitalismus pur, was läuft, ohne Bremsmechanismen. Und zwar national und international.

Wenn man sich das anhand der Sozialpolitik vor Augen führt: In Analysen, die das wissenschaftliche Institut des DGB in den 70-er und 80-er Jahren publiziert hat, war dort ein Ansatz, über die Sektorbegrenzung der klassischen Ressorts in Ministerien und Regierungen hinwegzukommen. Man hat dort angefangen zu begreifen, daß Sozialpolitik im klassischen Sinne etwas zu tun hat mit Gesundheitspolitik im klassischen Sinne, mit Bildungspolitik, mit Kulturpolitik usw., da das nämlich alles Veranstaltungen sind, die das Reproduktionsvermögen der Arbeitskraft verbessern und damit die Werterhaltung der Arbeitskraft verbessern und damit die Möglichkeit, unter Marktbedingungen die Arbeitskraft zu Markte zu tragen.

Leider hat diese DGB-Analyse sich nicht ganz ins DGB-Handeln umgesetzt. Das war die Gruppe um Gerhard Bäcker, die damals sehr relevante Bücher geschrieben hat am WSI (vgl. als völlig überarbeitete Fassung Bäcker u.a. 1989). Zumindest teilweise kehrte diese Sichtweise in den DGB-Argumentationen wieder, insofern man die Arbeitslosen ab der Diskussion um die 35-Std.-Woche deutlich wahrnahm. Wenn man das heute unter dieser Segmentierung betrachtet: Wo ich hinsehe in den Sozialbereich, wird gestrichen und zwar massiv und die Grenzen sind noch nicht zu sehen. Es wird immer wieder vom sozialen Mißbrauch geredet.

Das ist eine langfristige Tendenz, auf welche die Wohlfahrtsverbände, insbesondere die Diakonie und Caritas, auch schon immer aufmerksam gemacht haben. Die Entkoppelung ist aber heute stärker als je zu vor. Diese entsprechende Entkoppelung findet im Bereich Arbeitslosenversicherung statt, die Quoten, die gezahlt werden, bezogen auf das durchschnittliche Realeinkommen, werden immer niedriger und die Zumutbarkeitsbedingungen immer höher. Wenn Sie es im Gesundheitsbereich betrachten: Seit die ersten entsprechenden Spargesetze kamen unter der Regierung Schmidt (Gesundheitsreformgesetz z.B.), wird immer weiter die Leistung der Solidargemeinschaft zu Lasten persönlich vorzuhaltender Leistungen eingestrichen.

Es ist das Wegstreichen des Kurbereiches zum Teil, z.B. die höhere Belastung durch Zuzahlen usw. Wenn wir das in der ganzen Folge sehen, ist es eine immer größere Verlagerung dahin, eigene Gesundheit selbst zu finanzieren. Weg von der Finanzierung durch die Solidargemeinschaft. Entsprechendes läßt sich im Bereich Bildung feststellen. So z.B. wenn Sie die Debatte um die Universitäten und Schulen verfolgen und auch die Verteilungsprozesse sehen. Sehen Sie sich Bremen an vor der Haustür, wo eine massive Umverteilung stattgefunden hat, daß die Schulen zum Teil von der Bausubstanz kurz vorm Zusammenbrechen sind, aber großes Geld in öffentliche Bauten verschleudert wird; so darf man es sagen, um es als allgemeine Tendenz zu kennzeichnen. Und wie die jüngsten Debatten zeigen, auch noch unter allen möglichen Bedingungen von Korruption und unappetitlichen Geschichten, mit völlig überhöhten Preisen usw., um ein Schlaglicht zu werfen das Gebäude am Weidedamm, das als Schule benutzt werden sollte, weil ein Schulbau zu teuer war, und dann hat man festgestellt, daß in Beckedorf bei Schwanewede eine Schule zum Drittel-Preis gebaut wurde dessen, was man in Bremen für die gleiche Schule veranschlagt hat usw.. Das ganze ist soziologisch untersucht worden von Erwin und UrsulaScheuch am Beispiel des Kölner Klüngels: Wie die politische Kaste sich dort immer mehr von der realen Bevölkerung ablöst und hemmungslos anfängt, sich zu bereichern. Es scheint eine Tendenz aller Industriegesellschaften zu sein. In Italien ist ja die ganze Parteienlandschaft an dieser Frage erst einmal zerbrochen.

Das sind also diese massiven Umverteilungsprozesse, die natürlich ihre Orte haben und alle ihre Begünstigten haben und wenn es niemand sieht und keine Kontrolle da ist, ist Korruption natürlich ansteckend. Dies auf der einen Seite und das Beschneiden auf der anderen Seite ist ein probates Mittel. Zumindestens zeigen alle (ich gehe nun heraus aus dieser etwas polemisch gegliederten Kurzschilderung) Schilderungen, daß es ökonomisch nicht unbedingt notwendig ist. Wenn man den Wirtschaftswissenschaftlern selbst Glauben schenkt, hat es längst nicht diese ökonomische Brisanz, wie es von den Interessenvertretungen gesagt wird.

Also wäre ein anderer Umverteilungsspielraum vorhanden. Das finden sie auch höchst deutlich in dem Thesenpapier "Tiefe Risse gehen durch unser Land" der beiden großen Kirchen ausgedrückt, die auch sehr deutlich sagen: "Wird im Blick auf das Vermögen die Substanz und Besitzstandswahrung für unantastbar erklärt, dann ist die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in einer bestimmten Beziehung drastisch eingeschränkt". Und sie sagen, "Nicht nur Armut, sondern auch Reichtum muß ein Thema der politischen Debatte sein. Umverteilung ist gegenwärtig häufig Umverteilung des Mangels, weil der Überfluß auf der anderen Seite geschont wird." Sie artikulieren weiterhin: "Das Gerechtigkeitsempfinden wird empfindlich gestört, wenn nicht zur gleichen Zeit bei denen Abstriche gemacht werden, die sie ohne Not verkraften können und entschiedene Anstalten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht unternommenwerden" usw. (Frankfurter Rundschau 5.3.1997, S. 12).

Dieser Gegensatz, den Türcke mit primärer Integration und Ausgrenzung in den Blick gebracht hatte, der wirkt hinter alle dem, was wir sekundär an Integration und Ausgrenzung versuchen. Sekundär im Sinne sekundärer Integration wird uns das Pflegeversicherungsgesetz und das neue BSHG als Fortschritt verkauft. Primär ist es ein Mechanismus ganz anderer Ausgrenzung in Integration, nämlich Integration der Ausgegrenzten in kostengünstigere Modelle, die möglichst ohne Widerstand geschluckt werden sollen.

In diesem Feld muß man auch sehen, wie die Lilienthaler Situation angelegt ist. Wir arbeiten antizyklisch. Der Defekt macht nicht die Behinderung aus, sondern die veränderte Entwicklungssituation, die aus dem Defekt resultiert. Aber dieser veränderten Entwicklungssituation wurde und wird nicht pädagogisch Rechnung getragen. Das ist das gesellschaftliche Ereignis.

Behinderung als gesellschaftliches Ereignis schrumpft mehr und mehr zu persönlichem Schicksal und zum Naturereignis. Das hatten wir schon einmal, aber dorthin läuft jetzt wieder die Tendenz durch die Pflegeversicherung, die strikt in einem Bereich klassisch-organmedizinischer, nicht einmal sozialmedizinischer, Kriterien bestimmt, was bezahlt werden darf und was nicht bezahlt werden darf; so wird der Alltag zerstückelt und von einer Respektierung der Würde des Menschen kann nicht mehr die Rede sein. Und Behinderung wird eben auch gleichzeitig als naturhafter Begriff diskutiert. Eine Naturhaftigkeit, die soweit geht, daß der Zugriff auf den Menschen Stück für Stück offen wird, d. h. der menschliche Körper selbst zur Ware wird. Das zeigt die Diskussion über das Hirntodkriterium, enge und weite Zustimmungslösung. Mit der weiten Zustimmungslösung hat sich die Möglichkeit des warenförmigen Zugriffs erheblich erweitert und man muß einfach wissen, wie es in der Transplantationsmedizin dann wirklich läuft, wie Organe entnommen werden und wie das alles abgeht. Ich habe es mir gerade gestern abend noch mal von meinem Freund Andreas Ziegeretwas näher schildern lassen, der zwar nicht direkt etwas damit zu tun hat, aber genug Einblick unterdessen hat. Also es ist ein planförmiges Ausschlachten.

Das steht bevor. Über die europäische Bioethikkommission ist der Zugriff auf Nichteinwilligungsfähige für die Forschung gesichert. Wir haben hier eine ganze Einrichtung mit Nichteinwilligungsfähigen, die damit der Forschung geöffnet wären. Die neuen Patentrichtlinien, die jetzt auch überall in Beschlußfassung und Beratung gehen, sehen vor, daß im Tierbereich ganze Lebewesen patentiert werden können, im menschlichen Bereich Organe und Organsysteme. Aber was ist ein nicht mehr einwilligungsfähiger Organismus oder unter dem Hirntodkriterium definierter Organismus, der ist ja kein Mensch mehr. Das heißt, im Prinzip nähert es sich langsam der Schwelle, die einige Wissenschaftler schon früher wollten, anencephale Menschen zu wissenschaftlichen Zwecken am Leben zu erhalten, vielleicht auch zu züchten. Man muß nicht besonders bösartig sein, um auf diese Idee zu kommen. Das liegt einfach im Trend der Entwicklung.

Ein tiefgreifender Angriff auf die Würde des Menschen, der alle Lebensbereiche durchdringt. Im Bereich der alten Menschen zeigt es sich in der Diskussion, ab welchem Alter welche Medikamente wohl noch verschrieben werden dürfen; ganz klar sind dies ökonomische Kriterien, die hier überlegt werden. Und diese ökonomischen Kriterien schlagen natürlich auch mit der Möglichkeit der Vorsorgeuntersuchungen durch. In der USA ist es schon so, daß Krankenkassenleistungen nicht gewährt werden, wenn die Eltern sich nicht genetisch haben beraten lassen und wenn sie dann die Kinder, wenn eine Abweichung drohte oder dokumentiert war, nicht abgetrieben haben. In diesem Fall zahlt die Kasse nichts. So etwas steht in der Tendenz auch hier bevor.

Das alles sind, wie gesagt, primäre Mechanismen der Integration. Denn Integration heißt: Menschen in Warenform in das gesellschaftliche Ganze zu integrieren, wie das Türcke am Beispiel der primären Integration in der Kolonisierung deutlich gemacht hat und jetzt möglicherweise in auf den Körper als Ware reduziert gesellschaftlich zu integrieren. Dort, wo sie nicht als Ware zu nutzen sind, sind sie wenigstens als Rohstoff zu nutzen. Das muß man, glaube ich, in aller Schärfe so sagen, um zu sehen, wie diese Prozesse insgesamt einzuschätzen sind.

Zudem sind wir hier in einer schlechten Situation, was die Interdisziplinarität betrifft, weil wir als Wissenschaft und Praxis der Behindertenpädagogik natürlich alle die gesamte gesellschaftliche Ächtung, die Behinderten gilt, obwohl immer gesagt wird, es erfolgt keine Ächtung, mit auf uns ziehen. Manchmal bricht es durch Zufall auf. Ich möchte Ihnen das an einer kleinen Bemerkung von Martin Hahn ( 1995) im Editorial der Zeitschrift Geistige Behinderung deutlich machen. Martin Hahn ist Professor für Geistigbehindertenpädagogik an der FU Berlin. Martin Hahn hatte mit allen neu berufenen Kollegen ein Vorstellungsgespräch und kleinen Empfang bei der Präsidentin. Sie haben sich alle vorgestellt mit dem Titel ihrer Professuren. Als Martin Hahn den Titel seiner Professur nannte, brach schallendes Gelächter aus.

Ich will Ihnen noch ein anderes Beispiel zeigen. Das geht hinein bis in unsere eigenen Köpfe und die Köpfe der Mitarbeiter. Wieso nehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder wir selbst an, Arbeit mit geistig Behinderten sei viel leichter als Arbeit mit Gymnasiasten, denn wir machen es ja zum Teil mit unterqualifizierten Kräften, nicht entsprechend ausgebildeten Kräften und jede und jeder könnte das ohne Ausbildung, nur, wenn er ein gutes Herz hat. Das heißt, die Disqualifizierung und Diskriminierung behinderter Menschen wird auch in der Wohltätigkeit konsequent fortgesetzt.

Ich sage meinen StudentInnen immer, wenn sie anfangen zu stöhnen, daß es etwas schwierig sei mit den Dingen, die wir machen, "ihr hättet ja ein leichteres Fach studieren können, ihr hättet ja Physik studieren können". In der Tat, Physik ist leichter. Denn die Behindertenpädagogik ist ein Fach, in dem wie in keinem anderen alle Probleme der Humanwissenschaften zusammenstoßen. Es stoßen in extremer Weise soziale Probleme von Integration und Ausgrenzung, von Politik und Ökonomie usw. zusammen. Es zeigen sich in extremer Weise ethische Grundfragen, es zeigen sich in extremer Weise Probleme von Psychologie und Pädagogik, die uns vor zum Teil völlig unlösbare Situationen stellen. Es zeigen sich in extremer Weise Probleme von Medizin, das wissen die medizinischen Kollegen aus der Versorgung einer Krankheit bei einem behinderten Menschen - es ist immer noch einmal etwas völlig anderes, ein ganz anderes Risiko usw. Gerade die Wissenschaft, die integrierte Humanwissenschaft par excellence sein könnte, ist im Keller aller Wissenschaften, und im Keller hat sie nur einen kleinen Verschlag. So hinten im äußersten Ende des ehemaligen Kohlenkellers im Haus der Wissenschaften.

Das sollten wir im Auge haben, um unserer Situation realistisch einzuschätzen. Und um es abzuschließen, was Zukunftsprognosen betrifft, so sehen wir im Sinne primärer Integration und primärer Ausgrenzung nicht sehr gut aus, wie prognostische Äußerungen über Zukunft der Arbeit, Zukunft der Gesellschaft sagen. Ich kann hier nur exemplarisch verweisen. Aber man kann das fast jede Woche in entsprechenden Publikationsorganen lesen. Ein Artikel, der von Andreas Boes (Frankfurter Rundschau vom 21.3.97, S. 22) alsVortrag in der Akademie Bad Boll über die Zukunft der Arbeit in der Informationsgesellschaft gehalten wurde, zeigt, daß einerseits mit der Informationsgesellschaft viel tiefgreifendere Einwirkungen auf die Arbeit vorhanden sind, als man sie bloß mit der Telearbeit wahrnimmt und er zeigt andererseits, worin sie beruhen.

Die Arbeit war immer auch ein wissensverarbeitender Prozeß. Dieser wissensverarbeitende Prozeß von Arbeit wird auf eine völlig neue Stufe gestellt, er führt viele Einzelbereiche zusammen, einschließlich der Steuerbarkeit der Produktion, die damit im Computer vereint werden und folglich auch im internationalen Austausch vereint werden. Und dies führt gleichzeitig zu einer Verlagerung von Strukturen, wo sich die Grenzen völlig verändern.

Virtuelle Firmen mit z.B. dem Produktionsort in Taiwan entstehen, die ihre Bürozentrale in London haben und den Konsumvertrieb in Deutschland unterhalten, d.h. es gibt weltweite virtuelle Firmennetze. Ganz abgesehen davon, daß durch diese Informationsgesellschaft einfach als schlichte Tatsache Arbeitsplätze durch die höhere Produktivität abgebaut werden, darauf hatte Türcke ja schon aufmerksam gemacht, verschwinden dadurch traditionelle Grenzen wie Betrieb und Fachlichkeit. Wie bin ich in einem Betrieb integriert, an dem ich nur noch mit Computer in bestimmten Austauschprozessen "dranhänge". Gehört ein mittelständiger Handwerksbetrieb oder auch industrieller Betrieb, der in der Möbelfertigung mit eingebaut ist oder der bei Daimler irgendwo im Großkonzern für ein spezielles Produkt integriert ist, zu Daimler oder nicht? Wie sind die Betriebsgrenzen? Wie ist das, wenn es international ist, in den Großkonzernen, wo die Weichen in der globalisierten Zentrale gestellt werden und die nationale Ebene kaum noch etwas zu sagen hat. Das ist der Umbruch, den wir im Moment auf europäischer Ebene und global erleben.

Was bedeutet das also für die Grenzen des Betriebes? Was bedeutet das für das Betriebsverfassungsgesetz? Was bedeutet es für das Arbeitsrecht? Das sind Fragen die Boes aufführt und was bedeutet es für die Fachlichkeit, wo die Fachlichkeit mehr und mehr ein Anhängsel für sogenannte Schlüsselqualifikationen im informationstechnischen Bereich wird? Und was bedeutet das für alle, die auch nur für kurze Zeit in der Arbeitslosigkeit sind und nicht mehr den Anschluß an diese Informationsebene bekommen? Die können nämlich nur noch minderqualifziert allfällige Arbeit leisten. Das ist also ein Tendenzprozeß, der im großen wirkt, wenn wir diesem Autor glauben dürfen.

Prognostisch gesehen, egal ob ich diese Analyse nehme oder einen anderen Aspekt der Analyse nehme, werden diese Prozesse von primärer Integration und Ausgrenzung, die ich versucht habe aufzuzeigen, sich in Zukunft noch erheblich verstärken. Das heißt, daß wir uns über längere Zeit auf eine antizyklische Arbeit einstellen müssen. Das ist eigentlich die Grundeinsicht, die man aus alle dem, was man liest und hört, bekommen kann.

Sich auf längere Zeit auf antizyklische Arbeit einstellen, heißt aber schon jetzt, sich nicht nur darauf einstellen, die Qualität so zu erhöhen, daß wir einen nachhaltigen Prozeß im Jahr 1998 haben, sondern über das Jahr 1998 schon darüber hinaus denken, wie wir Qualität unter Bedingungen des Abbaus erhalten können. Denn der wird kommen und von uns nicht zu verhindern sein, wie wir auch kämpfen werden. Damit nehme ich nichts zurück von dem, was alles getan werden muß, denn wir müssen wahrscheinlich noch sehr viel mehr tun, damit wir nicht weiter ins Hintertreffen geraten.



[1] ausführlich in: M. Gräfin Dönhoff: Zivilisiert den Kapitalismus. Stuttgart 1997

6. Interdisziplinarität III: Nachhaltigkeit

Für mich ist der Kern von Nachhaltigkeit - bei all den Kriterien die ich gleich noch nennen werde -, daß man einfach ab einem bestimmten Punkt sagt (ich drücke das in Alltagssprache aus): "Egal was ihr macht - nicht mit mir". Das ist die Bedingung, die ich kenne, in der überlebe ich an der Universität seit langen Jahren, weil ich Fremdförderungsmittel oder Forschungsgelder bestenfalls mal auf Fachbereichsebene bekommen habe. Wenn ich Tagungen organisierte, habe ich gerade mal das Glück der kleinen Zuschüsse von zentraler Ebene gehabt. Ich habe nie eine Chance gehabt, Forschungsmittel für das, was mich interessiert, im großen Rahmen zu beantragen. Ich habe es einmal versucht und bin abgeschmettert worden. Ich habe mich also darauf eingestellt, unter diesen Bedingungen meinen Arbeitsprozeß und meinen Forschungsprozeß so gut zu organisieren, wie ich es kann.

Ein Reihe von dem, was ich an aktuellem Wissen habe, ist kooperativ mit Studentinnen und Studenten organisiert. Ich habe eine Reihe von Literaturarbeiten, bei denen Studenten Literaturrecherchen gemacht haben, bis dahin, was in der Weltspitze des jeweiligen Fachgebietes diskutiert wird. Darüber werden Diplom- und Examensarbeiten geschrieben. Ich habe mich also unabhängig davon gemacht und denke, in dem Sinne ein bißchen Erfahrung mit Nachhaltigkeit zu haben.

Das kann ich erst einmal anbieten als Modell für mich persönlich. Für mich persönlich war es höchst wichtig, an irgend einem Punkt zu sagen: Macht ihr doch was ihr wollt, ich mache auch, was ich will. Ich werde mich nicht abbringen lassen von der Art wie ich denke, von der Art wie ich handle und ich werde mich von euch auch in bestimmte Dinge nicht mehr so hineinziehen lassen, wie es euch früher vielleicht gelungen ist, mich reinzuziehen. Dies als ein persönliches Vorwort zu dem, was ich zur Nachhaltigkeit vortrage. Ob Sie es annehmen oder nicht das ist in der pluralistischen Diskussion über Interdisziplinarität und Prozeßorientiertheit immer eine persönliche Sache und soll auch eine bleiben. Aber im Prozeß sind ja auch unterschiedliche Sichtweisen möglich.

Zu dem Prozeß der Nachhaltigkeit selber habe ich einen Aufsatz gefunden von einem indischen Autor, Rawi Narajan, in der Zeitschrift "Behinderung und Dritte Welt" (Narajan 1997) publiziert. Der Aufsatz beschäftigt sich mit "Nachhaltigkeit von Programmen im nichtstaatlichen Sektor". Und gerade, weil das ganz woanders ist, ist es für uns interessant. Da sieht man eher das, was man vergleichen kann und was man nicht vergleichen kann. Er nennt eine Reihe von Punkten, die ich nicht alle nennen will. Ich will nur auf einige Punkte aufmerksam machen, über die wir nachzudenken haben.

Wenn man also einen Veränderungsprozeß, den wir Reformprozeß nennen, versucht, dann muß man darüber nachdenken, daß ein solcher Prozeß Entwicklungsphasen hat. Die erste Entwicklungsphase jedes Veränderungsprozesses ist eine Katalysatorphase, in der bisherige Erfahrungen nun als fragwürdig stehen, in der sich ein neuer Ansatz katalysiert. Ich glaube, das haben wir hinter uns. Das Lilienthaler Memorandum bis hin zur ersten Bestandsaufnahme (und zum zaghaften Einigen darauf, daß man einen Reformprozeß versuchen sollte) war hier die Katalysatorphase. Natürlich sind die Phasen nicht strikt trennbar, sondern die eine entsteht im Schoß der anderen und die andere wirkt noch nach in die nächste.

Ich denke, diesen Katalysatorprozeß haben wir erheblich über die Fachberatungen beschleunigen können, auch über die hier in die Einrichtung verlagerten Fortbildungsinhalte. Aber damit sind wir auch schon hineingegangen in die Wachstumsphase, in die kreative Ausweitung, in der dann auch weitere Kräfte gewonnen wurden. Aus der Wachstumsphase kann entstehen eine Krisenphase, wenn die Anpassung nicht gelingt, wenn eine mangelnde Anpassung stattfindet und Standardroutinen greifen und die Prozesse nicht wieder korrigiert werden können.

Wir haben mehrfach bisher solche Korrekturen gehabt, die uns in eine Krisenphase hätten hineinführen können, wenn es uns nicht gelungen wäre, das aufzugreifen, beispielsweise die Diskussion um die Auflösung von Haus 16. Wir sind noch nicht raus aus dieser Krisenphase, weil die neuen Gruppen noch nicht festgelegt sind und natürlich immer die Versuchung da ist, etwas mit Standardroutinen zu regeln, was einer anderen Lösung bedarf, um in der Entwicklung zu bleiben.

Es kann dann, wenn nicht angemessen reagiert wird, eine Status-Quo-Phase existieren, in der alles zunächst eine Zeit wieder eingefroren ist und Prozesse nicht weiter gehen und eventuell kann dann eine Wiederbelebungsphase folgen. Sie sehen also, diese Phasen durchdringen sich einander und es sind immer wieder kritische Punkte, wo es umschlagen könnte im Sinne einer Krisenphase/eines Status-Quo-Prozesses einerseits oder in weiteres Wachstum andererseits. Ich denke, solche Krisenpunkte haben wir mehrfach hier schon gehabt. Ich habe mit der Haus-16-Debatte hier schon einen Punkt identifiziert. Ich habe mit der Neugestaltung der Gruppen einen zweiten identifiziert, aber ich denke, das hat weitere mögliche Krisenpunkte im Sinne von sensiblen Phasen für die eine oder andere Entscheidung gegeben.

Soweit also Narajan zu den Entwicklungsphasen. Und nun fragt er im weiteren nach Faktoren, welche die Nachhaltigkeit beeinflussen und nennt dort eine Reihe von Faktoren und Gruppen, die recht interessant sind, z.B. die Frage: Sind unsere Zielsetzungen wirklich klar oder existiert ein heimlicher Lehrplan, der gegen unsere Zielsetzung wirkt? Was können wir identifizieren? Wie weit sind Zielsetzungen geteilt, toleriert oder gegenbesetzt? Und was können wir tun, um hier Nachhaltigkeit zu verbessern? Ganz sicher ist, daß Nachhaltigkeit verbessert werden kann mit einem auf Planung, Entscheidungsfindung, Supervision und Evaluation eingestellten Prozeß, der alle beteiligt. Ganz klar ist, daß Nachhaltigkeit verschlechtert wird durch einen autoritären Führungsstil, so Narajan.

Und dann folgt die Frage, ob Personalauswahl, d.h. Teammitglieder nach zufälligen Prozessen oder nach gesteuerten Prozessen ausgewählt werden - wie also dieser Prozeß im Kern gestaltet wird. Das sind interne Faktoren.

Externe Faktoren beziehen sich auf das Verhältnis eines Projektes zu einer Zielgruppe, also zu den Kundinnen und Kunden. Externe Faktoren wären also unser Verhältnis zu den Bewohnerinnen und Bewohnern. Ist das Personal ausreichend darüber orientiert, wer durch die Initiativen zu erreichen versucht wird (Bewohnerinnen und Bewohner), und wenn nicht, wie kann das verbessert werden?

Versteht unser Team unseren Ansatz als die Weitergabe von Kenntnissen, das Entzaubern technischer Fertigkeiten, so daß bei den Partnern Wissen und Fertigkeiten entstehen oder behalten wir ständig unser Wissen und Kenntnisse für uns? Das wäre ein Punkt, den Narajan nennt. Entspricht unser Prinzip einer kurzsichtigen Vorstellung und besagt, daß die Gemeinschaft der Abnehmer unserer Dienstleistung ist oder einer langfristigen Sicht, nach denen wir das Gemeinwesen und seine Vertreter in alle Aspekte der Planung, Entscheidungsfindung, Organisation und Evaluation des Programms mit einbinden. Ich bin da nicht an der Umgebung, sondern ich bin direkt am Kunden orientiert. Das heißt, was unter Gesichtspunkten der Interdisziplinarität für Weiterentwicklung spricht, nämlich die Kunden mit in den Reformprozeß einzubeziehen, spricht aus Gründen der Nachhaltigkeit ebenfalls dafür. Dies zur Gruppe der externen Faktoren.

Als nächstes sind das die Faktoren der Geldgeberorganisationen unter Wechselbeziehungen zu den staatlichen Instanzen. Das sind auch nicht völlig unwichtige Faktoren, denn es wird nicht nur von der Güte unserer Arbeit abhängen und von den Qualtitätsberechnungen nach BSHG im Einzelfall, die wir vorweisen, sondern es wird auch von dem Akzeptanzklima der staatlichen Seite abhängen, was davon akzeptiert wird und was nicht. Im Sinne der Nachhaltigkeit: Wie ist es also uns gelungen das Verhältnis zu den staatlichen Instanzen zu korrigieren und zu verbessern? Ich hatte ja einmal die Gelegenheit in Hannover mit den Herren im Sozialministerium zu sprechen. Herr Mencke[2] hat das, was dort entwickelt wurde, verschiedentlich aufgegriffen. Aber das ist eine Ebene, über deren Gestaltung wir uns unbedingt verständigen müssen, denn dies gehört dazu, um Nachhaltigkeit zu erzielen. Wie ist also die Akzeptanzstruktur derer, die letztlich in Geldentscheidungen, zumindestens auch politisch, mit eingebunden sind, zu verbessern? Wie können sie also an dem Prozeß beteiligt werden?

Was Narajan zusätzlich nennt, sind Faktoren, welche die Evaluation betreffen: Wie nehmen wir wahr, ob das wirklich geschieht, was wir in Gang setzen möchten? Haben wir ein gutes Rückmeldesystem aus der Basis in unsere Projektarbeit mit eingebaut? Konzentrieren wir uns nur auf Erfolge oder untersuchen wir auch Fehler? Es ist immer noch sehr schwer, Fehler zu untersuchen. Ich habe das mehrfach jetzt in Vorlesungen versucht und es ist sehr schwer, vordergründige Kritik und Besserwisserei eindämmen zu können. Das erste Mal ist es passiert, als wir in einer Vorlesung die Essenssituation mit Frau M. über Video vorgestellt haben, und ich schwöre, daß alle die, die kritisiert haben, "ähnliche Leichen im Keller haben". Und ein zweites Mal ist es tendenziell ein Stück passiert, als wir die Essenssituation mit Frau N., einer blinden Frau, ebenfalls über Video dargestellt haben.

Wir müssen also darauf achten, daß wir mehr fehlerorientiert arbeiten und alle ermutigen, unsere Fehler zu analysieren und zurückzumelden. Das sichert Nachhaltigkeit und gehört in den Prozeß der Interdisziplinarität hinein; denn Fehler zu begreifen ist ein wissenschaftliches Unternehmen. Das Abnormale mit dem Anerkannten zu verbinden und zu sehen, wo ist die Quelle des Fehlers. Das ist sozusagen der Auswertungsprozeß, den die Intellektuellenebene in dieser Einrichtung zu sichern hat. Natürlich nicht abgehoben, sondern in dem sie die Basisebene Stück für Stück als Intellektuelle emanzipiert, dieses Mitverstehen, um im gramscischen Gedankensystemzu bleiben. Und: Haben wir Mitwirkungsstrategien für Evaluation eingebaut? Das ist die dritte Frage, die Narajan nennt.

Dann nennt er eine Reihe von Unterstützungsmechanismen, über die man sich im klaren sein muß. Beruht unsere Finanzierung auf einer einzigen oder auf mehreren Quellen? Also im Zweifel, wie können weitere Quellen erschlossen werden? Verfügen wir über ein Unterstützungsnetzwerk oder lediglich über großfinanzielle Zuwendungen? Wie können wir also in der Öffentlichkeit erreichen, daß sich andere Leute außer uns für Lilienthal engagieren? Vielleicht ist es ein Schritt dahin, daß jetzt dieser Aufsatz über Deinstitutionalisierung im nächsten Heft der Zeitschrift "Geistige Behinderung" erscheint? Daß möglicherweise andere Leute anfangen sich zu interessieren und zu solidarisieren mit uns?

Das ist ja auch im gesamtpolitischen Verteilungskampf nicht unwichtig; denn was wir für 1998 "festklopfen" sind Eckwerte für Niedersachsen. Wir kennzeichnen durch die Sondervereinbarung im Moment den äußersten Punkt nach der positiven Seite im Verteilungsgeschehen mit vergleichbaren niedersächsischen Einrichtungen. Und was wir "festklopfen" an Qualitätsstandards hat natürlich Rückwirkungen. Welches Umfeld gibt es dazu? Was kann gewonnen werden?

Haben wir Freunde und Gönner, die der Entwicklung und dem Wachstum unserer Organisation verpflichtet sind? Wenn nein, wo kriegen wir sie her, um Nachhaltigkeit zu erreichen? Besteht die Gruppe der Freunde und Förderer auch aus kompetenten Fachleuten? Ist das nationale Klima fördernd für ehrenamtliche Organisationen? Das nationale Klima hängt natürlich von dem ab, wie das nationale Klima gestaltet wird, also hier ist sicherlich der Gestaltungsprozeß in der Gesamtdiakonie von großer Wichtigkeit für das, was wir gestalten können.

Das wären die Punkte, die ich zur Nachhaltigkeit nennen kann und Sie sehen, daß diese Punkte alle etwas mit Interdisziplinarität zu tun haben. Diese Punkte benennen, sie auszuwerten, ihnen einen Stellenwert zu geben, in den Handlungsplänen der Einrichtung Nachhaltigkeit zu sichern, das alles ist ein Prozeß von Interdisziplinarität. Und dieser Prozeß führt eben auf eine Reihe von weiteren Ebenen, die wir systematisch beachten und bearbeiten, planen und entwickeln müssen, die weit mehr Ebenen bedeuten als die engere pädagogische und therapeutische Ebene, die wir bisher im Auge gehabt haben.

Und wir sind darauf verwiesen, daß eigentlich noch schneller zu machen als unsere Kräfte reichen, damit es reicht, aber gleichzeitig dürfen wir uns nicht von der Zeit unter Druck setzten lassen, sonst wird es nicht nachhaltig und wirksam. Wir müssen sozusagen die Zeit außer Kraft setzten, indem wir in allen Punkten dort bremsen, wo es um Nachhaltigkeit geht. Indem man in allen Punkten erst einmal erreicht, daß es nachhaltig wird, auch wenn wir scheinbar Zeit verlieren. Wir müssen uns sozusagen gegen diesen Zyklus, also antizyklisch verhalten, das heißt, man versucht nicht, den Zyklus zu überholen, sondern man versucht, ihn auszubremsen, soweit es geht. Soweit das Fazit meiner Grundüberlegungen zur Interdisziplinarität.



[2] der pädagogische Geschäftsführer der Einrichtung

7. Zusammenfassung

Ich habe Ihnen verschiedene Punkte angeboten.

Ich habe unter einem ersten Aspekt eine Orientierung auf Anerkennung der Würde des Menschen und Aufdecken von Ungerechtigkeit gegeben. Daß ich damit nicht jede Form von Ungerechtigkeit gemeint habe im Sinne des vordergründig gebrauchten Begriffes von Ausgrenzung, habe ich mit Türcke aufgezeigt. Es gibt hier qualitative Unterschiede und die Verpflichtung ist, zunächst die schlimmsten Formen aufzudecken. Das geschieht aber nur als Prozeß, indem auch die anderen Formen aufgedeckt werden und nicht verschwiegen werden, sonst ist der Prozeß nicht glaubhaft.

In einem zweiten Punkt habe ich Ihnen deutlich gemacht, daß dieses Denken eine Prozeßbezogenheit sichern könnte im Sinne eines neuen Ideals von Naturerklärung, was aber auch beinhalten würde, von der Sichtweise eines traditionellen Intellektuellen im Sinne Gramscis, also von der bloßen Rückbindung an die Traditionen des eigenen Faches, zu eine organischen Sicht überzugehen, die ethische und politische Stellungnahme mit impliziert, d.h. wertorientiert zu arbeiten.

Wertorientiertheit, das habe ich im dritten Punkt gezeigt, ist sehr wohl mit exakter wissenschaftlicher Methodologie vereinbar. Es gibt keine Methodologie, die nicht einen wertorientierten Ankerpunkt hat, das zeigen uns zumindest die wittgensteinschen Analysen und die Analysen, die danach folgten.

Ich habe Ihnen ferner gezeigt, daß die Wirklichkeit von Integration und Ausgrenzung genau das widerspiegelt, was Toulmin über das Vertraute und Unvertraute sagt. Wir dürfen diese ausgrenzenden Mechanismen nicht nur mit unseren vertrauten Begriffen betrachten, sondern wir müssen sie mit Begriffen betrachten, die analytische Kompetenz im vygotskijschen Sinne haben, die dieser Ebene angemessen sind. In diesem Zusammenhang habe ich versucht, Ihnen an einigen Beispielen zu zeigen, wie der Prozeß der primären Ausgrenzung bzw. Integration wirkt und das gesamte Feld des Sozialen gegenwärtig neu stratifiziert.

Und im letzten Punkt habe ich Ihnen dann einige Punkte zur Nachhaltigkeit genannt, die recht gut mit anderen Argumenten zur Interdisziplinarität korrespondieren, zumindestens sehr gut mit dem feyerabendschen Argument korrespondieren, daß Interdisziplinarität und Wissenschaft auch eine Sache von Laien sein kann.

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Bestelladresse des Readers:

Prof. Dr. W. Jantzen

Universität Bremen, Fachbereich 12,

Studiengang Behindertenpädagogik

Postfach 330440

D-28334 Bremen

Email: Basaglia@aol.com

Quelle:

Wolfgang Jantzen: Interdisziplinarität und Deinstitutionalisierung als interdisziplinäre sozialpolitische Aufgabe

Entnommen aus: Wolfgang Jantzen - De-Institutionalisierung. Materialien zur Soziologie der Veränderungsprozesse in einer Großeinrichtung der Behindertenhilfe.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 28.03.2006

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