Inklusion vor Ort

Erfahrungen mit dem Kommunalen Index für Inklusion

Themenbereiche: Lebensraum
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: Zeitschrift für Inklusion, Ausgabe 03/2013. Zeitschrift für Inklusion (03/2013)
Copyright: © Brokamp und Lawrenz 2013

Inklusion vor Ort

Seit mehreren Jahren arbeitet die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Bonn (MJG) im Rahmen eines großen Projektes mit Kommunen, einzelnen Einrichtungen/Organisationen, Projekten und Initiativen zusammen, die Veränderungsprozesse mit der Leitidee Inklusion in ihren Kommunen und Verantwortungsgemeinschaften initiieren und weiterentwickeln. Im Folgenden werden die Grundideen des Projektes und des Kommunalen Index für Inklusion erläutert und Erfahrungen aus dieser Zusammenarbeit dargestellt. Sie können Mut machen und beispielhaft zeigen, wie auf kommunaler Ebene mithilfe des Kommunalen Index für Inklusion werteorientiertes Denken und Handeln verstärkt werden kann.

Inklusion ist ein (gesellschaftspolitischer) Prozess, der niemanden ausgrenzt oder diskriminiert, allen Menschen die gleichen Rechte zuspricht, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Glauben, sozialer Stellung, physischen oder psychischen Verfassungen. Vielfalt und Verschiedenheit werden als Bereicherung erlebt. Jeder Mensch hat Potenziale, soll sie voll entfalten können und an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben. Diese Haltung bringt eine grundlegende Veränderung des Denkens zum Ausdruck. Es geht darum, sich als eine Gesellschaft für ALLE zu verstehen – oder – auf anderen Ebenen als Kommune oder Einrichtung für alle.

Vielfalt in der Kommune bedeutet einerseits eine Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen und Organisationen, die das Leben vor Ort gestalten: freie und gemeinnützige Organisationen, Verbände, Vereine, Zivilgesellschaftliche Organisationen, Kirchen, Bildungseinrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Unternehmen und Betriebe, Einrichtungen der kommunalen Selbstverwaltung und viele mehr. Vielfalt in der Kommune bedeutet auch eine Vielzahl von Menschen, die in der Kommune leben und in unterschiedlichen Lebens- und Arbeitszusammenhängen wirksam sind: als Bewohner/innen, Familienmitglieder, Eltern, Kinder und Jugendliche, als Nutzer/innen bestehender kommunaler Angebote, als Mitarbeiter/innen, Führungskräfte, Verantwortliche in der Verwaltung, politische Interessensvertreter/innen, als Mitarbeiter/innen in Gremien und Initiativen und vieles mehr. Kommune in diesem Sinne ist im Kontext von Inklusion mehr als eine lokale Verwaltungseinheit. Die Kommune ist „eine große Gemeinschaft: In ihr leben Menschen zusammen, in vielen Formen und auf vielen Ebenen. Hier können Menschen im Austausch mit anderen Menschen und der Verwaltungsebene ihres Ortes gemeinsam wirksam werden.“ (Imhäuser 2011, 8)

Das Projekt „Inklusion vor Ort“ soll zur Verbreitung des menschenrechtsorientierten Inklusionsverständnisses als zentralem Leitbild für werteorientiertes Denken und Handeln auf kommunaler/regionaler Ebene beitragen. In Kooperation mit Kommunen und Organisationen/Einrichtungen/Initiativen werden das Praxishandbuch „Inklusion vor Ort“ mit dem Instrument Index für Inklusion in der Anwendung vor Ort genutzt und Erfahrungen und Beispiele für die Gestaltung inklusiver Prozesse für andere nutzbar gemacht. Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft unterstützt dabei konkrete ausgewählte Kommunen durch Beratung und Begleitung und bietet einen Rahmen für Vernetzung und Austausch.

Was ist der Index für Inklusion?

Der Index für Inklusion ist ein Fragenkatalog, der ursprünglich für Schulen (Boban/Hinz 2003) und Kindertagesstätten (GEW 2005) entwickelt wurde. Der Begriff „Index“ bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie „Verzeichnis“, weil er viele Fragen auflistet und thematisch zugänglich macht. Diese Fragen helfen dabei, eine Einrichtung bzw. Gemeinschaft auf Aspekte wie Teilhabe und Vielfalt bzw. Ausgrenzung und Diskriminierung zu überprüfen. Die Fragen regen den inneren und äußeren Dialog an und helfen, Ressourcen zu entdecken und inklusive Werte umzusetzen.

Der Index für Inklusion wurde von den britischen Pädagogen Mel Ainscow und Tony Booth entwickelt und wird inzwischen in mehr als 60 Ländern eingesetzt. Die Idee, den Index für Schulen auf die Arbeit im Gemeinwesen anzuwenden, kommt aus dem britischen Suffolk: Dort wurde ein eigenes Handbuch entwickelt, um inklusives Handeln in allen kommunalen Bereichen umzusetzen (McDonald 2002). Dadurch inspiriert wurde von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft im Jahr 2010 unter dem Titel Kommunaler Index für Inklusion ein Arbeitsbuch (MJG 2010) herausgegeben. In Zusammenarbeit mit Pilotkommunen sowie Kooperationspartner/innen und Akteur/innen auf kommunaler Ebene wurde das Arbeitsbuch intensiv in der Praxis getestet. Die Erfahrungen aus diesen Prozessen sind in das umfangreiche Praxishandbuch „Inklusion vor Ort – Der Kommunale Index für Inklusion“ (MJG 2011) eingeflossen, das im Oktober 2011 erschienen ist.

Das Praxishandbuch ist ein Instrument, das hilft, die Ressourcen von Vielfalt für die Entwicklung eines inklusiven Gemeinwesens zu nutzen. Er enthält über 500 Fragen, von denen jede ein Startpunkt sein kann, um über Inklusion nachzudenken, das eigene Handeln zu reflektieren und selbst aktiv zu werden. Die Fragen sind in drei Bereiche gegliedert, die die verschiedenen Perspektiven und Handlungsebenen in einer Kommune abbilden (Vgl. ebda, 38)

  • Unsere Kommune als Wohn- und Lebensort

    Dieser Teil der Fragen bildet die Perspektive der Menschen vor Ort ab: als Individuum und als Teil der Kommune und der Gesellschaft. Dabei sind ausdrücklich alle Menschen gemeint, unabhängig von Herkunft, Lebensform, sozialem Status, Familiensprache, Geschlecht, Weltanschauung, sexueller Orientierung, Religion, Unterstützungsbedarf etc. Die Fragen beziehen sich auf das direkte Lebensumfeld jeder und jedes Einzelnen. Dazu gehören u. a. Themen wie Wohnen, Versorgung, Mobilität, Arbeit und Umwelt.

  • Inklusive Entwicklung unserer Organisation

    Dieser Teil bildet die Perspektive der Menschen in einer Organisation ab: als Teil einer öffentlichen (oder auch privaten) Einrichtung, die sich inklusiv entwickeln will. „Organisation“ wird dabei als Oberbegriff verwendet: Die Fragen richten sich an alle Mitwirkenden und Mitarbeiter/innen in freien und gemeinnützigen Einrichtungen, Verbänden, Vereinen, Initiativen, Zivilgesellschaftlichen Organisationen (ZGO), Kirchen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen sowie Einrichtungen der kommunalen Selbstverwaltung.

  • Kooperation und Vernetzung in unserer Kommune

    Dieser Teil bildet die Perspektive von Menschen ab, die sich als Teil einer Organisation mit dem Ziel der Inklusion zusammenschließen wollen. Die Fragen beziehen sich auf Kooperation und Vernetzung auf lokaler und regionaler Ebene: Netzwerke schaffen, in Verantwortungsgemeinschaften zusammenarbeiten, sich auf gemeinsame Ziele einigen, Verständigungs- und Entscheidungsprozesse auf kommunaler Ebene realisieren.“

Jeder dieser Bereiche enthält eine Vielzahl von Themen, denen die Fragen zugeordnet sind.

Was Fragen bewegen können

Mit den Index-Fragen arbeiten heißt, sich selbst zu reflektieren, das eigene Denken und Handeln zu überprüfen; es heißt, sich mit anderen auszutauschen, die Neugierde auf andere Meinungen und Sichtweisen sowie die Vielfalt von Erfahrungen und Wissen zu entdecken und zu nutzen. Dabei geht es nicht um „richtige“ Antworten, sondern um den offenen Dialog. Indem man lernt, unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven wertzuschätzen und auf dieser Grundlage Ideen für Verbesserungen zu entwickeln, entstehen innere Teilhabe, Solidarität und Verbundenheit, Verantwortungsübernahme und damit „wirkliche“ Partizipation. (Vgl. Brokamp 2011, 141f)

Der Index hilft dabei,

  • Formen von Vielfalt zu erkennen, wertzuschätzen und zu nutzen,

  • die Verschiedenheit von Menschen als bereichernde Vielfalt zu verstehen,

  • Barrieren für Teilhabe zu erkennen und abzubauen,

  • Ressourcen zur Unterstützung von Lernen und Teilhabe aufzuspüren und zu entwickeln,

  • Fähigkeiten zu erkennen, freizusetzen und auszubauen,

  • Selbsterkenntnis und -reflexion zu fördern und so Haltung und Handeln zu verändern,

  • die Partizipation aller Beteiligten und Betroffenen im Entwicklungsprozess in den Blick zu nehmen und umzusetzen

Die fünf Ebenen der Kommune zum (Be)Wirken inklusiver Lebens- und Alltagsrealität (MJG 2011,25f) Es gibt in einer Kommune mehrere Ebenen, auf denen jede/r Einzelne selbst wirken kann – oder von der Wirksamkeit anderer profitieren kann. Die Fragen aus dem Fragenkatalog können im Kontext der verschiedenen Ebenen unterschiedliche Bezugspunkte für die Reflexion bieten:

  • Person/Individuum (Ich mit Mir)

  • Hier geht es auf der Ebene der Person um einen partnerschaftlichen Umgang mit mir selbst. Es geht um mich und meine Einstellungen, meine mentalen Modelle und Sichtweisen auf die Welt, meine Annahmen, Urteile und Vorurteile und daher um meine Bereitschaft zur Entwicklung einer inklusiven Haltung.

  • Sozialraum, Nachbarschaftsebene (Ich mit Dir)

  • Dies ist die Ebene der Beziehungen und Verbindungen zu anderen: in Partnerschaft, Freundschaft, Nachbarschaft bzw. in alltäglichen Begegnungen. Es geht um meine Haltung und mein Verhalten im direkten sozialen Umfeld.

  • Einrichtung/Organisation/Initiative (Wir)

  • Das Wir ist die erste Ebene des öffentlichen Sozialraums, hier arbeiten und wirken Akteur/innen zusammen und gestalten das Bild einer Organisation mit. Das betrifft den wertschätzenden Umgang miteinander innerhalb der Einrichtung/Organisation, um inklusive Leitideen und Strukturen, die Teilhabe realisieren und um Angebote, die allen Menschen zugänglich sind und niemanden ausgrenzen.

  • Vernetzung (Wir und Wir)

  • Auf dieser Ebene geht es um die Vernetzung von Institutionen und von Initiativen in einer Kommune. Im Blick über den eigenen Zaun werden Erfahrungen ausgetauscht, Erprobtes und Bewährtes geteilt, gemeinsame Strategien und Initiativen entwickelt.

  • Kommunale/politische Ebene (Alle gemeinsam)

  • Auf dieser Ebene ist die Kommune als Ganze angesprochen, hier bedarf es der Abstimmung und Organisation von Verantwortlichkeiten, von Strategien und Strukturen, die auf dieser Ebene als hilfreich erachtet werden, um gemeinsame Ziele erreichen zu können. Es geht darum, Rahmenbedingungen für Teilhabe so zu gestalten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner an den Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen teilhaben, und bestehende Barrieren für Teilhabe abzubauen.

Diese fünfstufige Systematik veranschaulicht einerseits eine zunehmende Komplexitätssteigerung bei der Gestaltung inklusiver Lebens- und Alltagswelten von Ebene zu Ebene. Sie veranschaulicht aber auch, dass die Basis all dieser Gestaltungsbemühungen die Tragfähigkeit der ersten Ebene ist: Je mehr Beteiligte und Engagierte sich auf dieser ersten Ebene des „Ich mit Mir“ Klarheit über ihre eigenen Handlungsmotive verschaffen, über die sie antreibenden Werte und ihre ethische Haltung, d. h. über das, was sie für sich verantworten wollen, umso mehr Möglichkeiten ergeben sich, dass die Gestaltungsinitiativen auf den folgenden Ebene gelingen und Ergebnisse bewirken.

Es funktioniert wirklich

In der Arbeit mit den Fragen zeigt sich deutlich, welche Kraft im Dialog und Austausch liegt. Auf Veranstaltungen und Tagungen, in Workshops, Seminaren und Teamrunden hat sich immer wieder gezeigt, dass dieser Austausch zum einen sichtbar macht, was zu dem entsprechenden Thema bereits an positiven Beispielen vorhanden ist, zum anderen verdeutlicht er unterschiedliche Meinungen und Differenzen, die wiederum eine Grundlage für eine intensive Suche nach Verbesserungsideen und Lösungsansätzen schaffen, die dann von allen getragen und umgesetzt werden können. In Teams bzw. festen Gruppen hat sich eine regelmäßige Beschäftigung mit den Index-Fragen als sehr wirkungsvoll für eine Veränderung herausgestellt, die in kleinen Schritten umgesetzt werden und schnelle „kleine“ Erfolge möglich machen. Aus diesen Erfahrungen konnten verschiedene, in der Praxis bewährte Methoden abgeleitet werden, die im Praxishandbuch (MJG, 2011, 153f) beschrieben sind.

Eine weitere Dimension im Umgang mit den Fragen steckt in der Zusammensetzung der Gruppe, die sich zu den Fragen austauscht. Für nachhaltig wirksame Veränderungen ist es wichtig, die Perspektiven, Erfahrungen und Kompetenzen von Betroffenen, Beteiligten, Verantwortlichen etc. einzubeziehen. Es sollten alle teilhaben können und niemand ausgeschlossen werden. Gerade diejenigen, die von Ausgrenzung betroffen sind, müssen in solchen Prozessen bewusst und gezielt in den Blick genommen werden. Die Arbeit mit den Index-Fragen ist ein partizipativer Prozess und deckt Ressourcen auf.

Das Wichtigste: Anfangen!

Die Prozesse und Vorhaben in den Kommunen gestalten sich sehr unterschiedlich, doch sie haben eines gemeinsam: einen Menschen bzw. eine kleine Gruppe von Menschen, die sich des Themas angenommen haben, sich Verbündete gesucht und dann angefangen haben. Auf einer im Rahmen des Projektes durchgeführten Vernetzungsveranstaltung der Akteur/innen und Expert/innen aus Kommunen, einzelnen Einrichtungen und Projekten wurde der Begriff „vernetzende Infektion“ geprägt. Andere Menschen mit der Bedeutung von Inklusion „infizieren“, die Idee weitertragen und weitere Aktive und Multiplikator/innen gewinnen ist ein zentraler Aspekt in inklusiven Prozessen. Inklusion braucht Veränderung im Denken und Handeln jeder und jedes Einzelnen, das braucht Zeit. Eigene Handlungsoptionen und die eigene Wirksamkeit zu erkennen stärkt diesen Prozess und die Index-Fragen helfen dabei. Häufig stellen materielle und rechtliche Rahmenbedingungen große Herausforderungen dar und lassen den Prozess sehr widersprüchlich erscheinen. Es gilt, sich nicht ausbremsen zu lassen und die trotz dieser Rahmenbedingungen bestehenden Möglichkeiten für Veränderungen zu erkennen, zu nutzen und gemeinsam mit anderen auch auf die Veränderung der Rahmenbedingungen hinzuwirken.

Partizipation als Kern inklusiver Prozesse

Um Vielfalt im täglichen Miteinander zu verwirklichen, ist es wichtig, ein entsprechendes Bewusstsein und Selbstverständnis bei den Menschen vor Ort und in den Einrichtungen/Organisationen zu etablieren: Inklusion als Schlüssel für eine zukunftsfähige Gesellschaft kann nur in partizipativen Prozessen erreicht werden, in denen die Menschen mitgestalten, ihre Selbstwirksamkeit erfahren und Verantwortung übernehmen können. Beteiligung und Mitwirkung bedeutet mehr als „Mitmachen dürfen“ und erfordert andere, vielleicht ungewohnte, neue Dialog- und Entscheidungsprozesse.

Es gibt dazu eine Reihe von Beispielen, wie Beteiligung und Mitgestaltung gelingen kann, beispielsweise eine Zukunftswerkstatt mit dem Kinder- und Jugendparlament, ein „Fest der offenen Töpfe“ mit den im Ort lebenden Menschen unterschiedlicher Kulturen, die „Index-Frage der Woche“ im Internet oder im Rathaus, eine Bürgerversammlung zur Entwicklung eines Leitbildes für die Gemeinde, Sozialraumkonferenzen, Bürgerbefragungen, Workshops und vieles mehr. Eine informative Öffentlichkeitsarbeit hilft, Erreichtes deutlich zu machen und mehr Menschen in die Prozesse einzubeziehen.

Vernetzung und Koordination

Die Zusammenarbeit von Akteur/innen aus verschiedenen Einrichtungen und Organisationen ist in allen Prozessen in den Kommunen gegeben. Gerade auch durch die Vernetzung von beispielsweise Erziehungs- und Bildungseinrichtungen mit anderen Einrichtungen (z. B. Sportvereinen, Elterninitiativen) und öffentlichen Stellen vor Ort wie Jugendamt oder Schulamt gewinnen diese Prozesse an Dynamik. Veränderungsprozesse sind langwierig, häufig ist keine schnelle Wirkung zu erzeugen und sichtbar zu machen. Eine gemeinsame, organisationsübergreifende Definition und Planung der Vorhaben und die Umsetzung erster Schritte helfen, vorhandene Ressourcen zu nutzen und Kontinuität zu bewahren. Wichtig ist, sich – auch kleine – Erfolge bewusst zu machen und zwischendurch im Prozess innezuhalten, um die bisherige Zusammenarbeit und das Vorgehen zu reflektieren und Erkenntnisse für die Weiterarbeit zu gewinnen.

Für eine gute Zusammenarbeit sind Strukturen notwendig, die die Aktivitäten koordinieren, zu Entscheidungen führen und gleichzeitig die Vielfalt der Menschen und Meinungen im Wirkungskreis widerspiegeln. Die Möglichkeiten und Organisationsformen dieser Koordination sind vielfältig, ebenso wie die Vorgehensweisen und Methoden in den Prozessen. Es gibt Projekt- und Arbeitsgruppen, Steuergruppen und Inklusionsteams mit regelmäßigen Treffen wie auch Koordinationsteams mit themenbezogenen Arbeitskreisen. Die Zusammenarbeit mit Verantwortlichen aus der kommunalen Verwaltung in den Steuergruppen ist wichtig. Neben neuen Strukturen zum Start der Prozesse wie beispielsweise Steuergruppen können vorhandene, auch gewachsene kommunale Strukturen genutzt, und ggfs. verändert und funktionaler gestaltet werden.

Das Praxishandbuch „Inklusion vor Ort“ stößt auf großes Interesse und wird inzwischen in vielen Kommunen, Einrichtungen und Initiativen genutzt. Auf zahlreichen Fachtagungen wird der Kommunale Index für Inklusion vorgestellt und die Arbeit mit den Index-Fragen in Workshops vertieft. Viele Kommunen und Einzelinitiativen suchen die Zusammenarbeit mit der MJG. Es besteht derzeit ein großer Entwicklungsbedarf für nachhaltige inklusive Prozesse. Aus diesem Grund initiiert die Stiftung eine Fortbildung für Moderator/innen, die mithilfe des Kommunalen Index für Inklusion kommunale Prozesse begleiten können.Die Wirkungen und Eigeninitiativen sind sehr vielfältig. So hat die Evangelische Kirche im Rheinland auf Grundlage des Kommunalen Index für Inklusion einen eigenen Index für Inklusion entwickelt (Evangelische Kirche (Hrsg) 2013). Weitere Beispiele aus Kommunen können demnächst unter http://www.montag-stiftungen.de/jugend-und-gesellschaft/projekte-jugend-gesellschaft/projektbereich-inklusion/inklusion-vor-ort2.html nachgelesen werden.

Schlussfolgerungen

Ob Inklusion nachhaltig umgesetzt werden kann, wird sich maßgeblich daran zeigen, inwieweit sich die Wertschätzung von Vielfalt und die Umsetzung inklusiver Werte im täglichen Miteinander wiederspiegeln. Die kommunale Politik bzw. Verwaltung haben die Aufgabe, die Rahmenbedingungen und Strukturen für die Teilhabe aller zu entwickeln und bereitzustellen, und zwar gemeinsam mit den Menschen vor Ort. Von kommunaler Seite bedarf es hier einer alltagsverändernden kommunalen Inklusionsentwicklungs- und Ermöglichungspolitik.

Bei der intensiven Beschäftigung mit der Fragestellung, wie auf der Ebene der Kommunen das Thema Inklusion entwickelt werden kann, darf nicht übersehen werden, dass es darüber hinaus gilt, „für die weiteren Handlungsebenen auch die Beteiligung von Bund und Ländern weiter einzufordern.“ (Imhäuser 2011, 9)

Über die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft

Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Bonn hat sich die Aufgabe gestellt, aktiv eine positive Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders anzuregen, zu betreiben und zu fördern. Sie versteht sich als Ort der Vernetzung und des Austausches von Konzepten und Projekten, die den uneingeschränkten Zugang aller Menschen zu einem lebenswerten Leben ermöglichen, die Barrieren und Hindernisse für ein solches Leben beseitigen und die Verwirklichungschancen von Menschen auf allen Ebenen erweitern.

Die in diesem Selbstverständnis ihrer Arbeitsgrundlagen zum Ausdruck kommende Wertschätzung entspricht inklusivem Denken und Handeln und ist Grundlage einer Bildungs- und Gesellschaftsgestaltung im Sinne der Leitidee der Inklusion.

Barbara Brokamp verantwortet den Bereich Inklusion in der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft

Wiebke Lawrenz leitet das Projekt „Inklusion vor Ort“

Literatur

Boban, Ines und Hinz, Andreas (Hrsg): Index für Inklusion, Lernen und Teilhabe in der Schule für alle entwickeln. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2003.

Brokamp, Barbara: Ein kommunaler Index für Inklusion – oder: Wie können sinnvoll kommunale inklusive Entwicklungsprozesse unterstützt werden? In: Flieger,P./Schönwiese, V. (Hrsg): Menschenrechte – Integration – Inklusion. Kempten. 2011

Evangelische Kirche im Rheinland (Hrsg.): Da kann ja jede(r) kommen – Inklusion und kirchliche Praxis. 2013

Imhäuser, Karl-Heinz: „Vorwort des Herausgebers“, in: Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (Hrsg.): Inklusion vor Ort – Der Kommunale Index für Inklusion – ein Praxishandbuch, Berlin 2011

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (Hrsg.): Index für Inklusion (Tageseinrichtungen für Kinder), Spiel, Lernen und Partizipation in der inklusiven Kindertageseinrichtung entwickeln. Frankfurt am Main 2005.

McDonald, Vincent/Olley, Debbie: Aspiring to Inclusion. A handbook for councils and other organisations. Developed from the Index for Inclusion by T. Booth & M. Ainscow. Suffolk County Council 2002

Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (Hrsg.): Kommunaler Index für Inklusion – Arbeitsbuch. Bonn 2010.

Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (Hrsg.): Inklusion vor Ort – Der Kommunale Index für Inklusion – ein Praxishandbuch. Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin 2011.

Quelle

Barbara Brokamp; Wiebke Lawrenz: Inklusion vor Ort. Erfahrungen mit dem Kommunalen Index für Inklusion Erschienen in Inklusion, Ausgabe, 03/2013, http://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/15/15, ISSN 1862-5088

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Stand: 07.02.2017

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