Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht. Zusammenfassung der Ergebnisse der Verbleibs- und Verlaufsstudie

Autor:in - Stefan Doose
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: Zeitschrift für Inklusion-online 01/2007 Zeitschrift für Inklusion (01/2007)
Copyright: © Stefan Doose 2007

Kontext der Verbleibs- und Verlaufsstudie

Seit Anfang der 1990er Jahre wurden in Deutschland in größerem Umfang Menschen mit Lernschwierigkeiten zunächst in Modellprojekten durch spezielle (Integrations-) Fachdienste und Fachkräfte in Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt.

Im Rahmen einer breit angelegten Verbleibs- und Verlaufsstudie wurde die langfristige Entwicklung der beruflichen Integration von 251 Menschen mit Lernschwierigkeiten untersucht, die bundesweit von 12 Integrationsfachdiensten (IFD) und 12 Fachkräften für berufliche Integration (FBI) aus Werkstätten für behinderte Menschen in Hessen sowie dem Vermittlungsdienst der Werkstatt in Bremen bis Ende 1998 auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt wurden. Stichtag der Untersuchung war der 31. 12. 2003. Seit der Vermittlung waren zum Zeitpunkt der Befragung durchschnittlich bereits neun Jahre vergangen. Bei den beteiligten Fachdiensten handelt es sich um Pioniere in ihrem Feld, die bereits Mitte der 1990er Jahre in verschiedenen Modellprojekten in Hamburg, Bremen, Baden-Württemberg, im Rheinland und in Hessen Menschen mit Lernschwierigkeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt haben.

Im Rahmen einer anderen kooperierenden Verbleibs- und Verlaufsstudie an der Universität Münster ( Kaßelmann/Rüttgers 2005) wurden außerdem mit einem ähnlichen Instrumentarium weitere 125 Menschen mit Lernschwierigkeiten untersucht, die im Rahmen des "Projekt Integration" von acht Integrationsfachdiensten in Westfalen-Lippe von 1994 ‑ 1997 auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt wurden. Die Ergebnisse der Verbleibsstudien stimmen dabei neben erklärlichen regionalen Unterschieden in vielen zentralen Punkten überein, so dass sich in der Tendenz allgemeinere Aussagen ableiten lassen, welche langfristige Entwicklung der beruflichen Integration von Menschen mit Lernschwierigkeiten durch eine intensive Unterstützung durch Integrationsfachdienste und Fachkräfte für berufliche Integration an Werkstätten für behinderte Menschen in Deutschland erreichbar ist.

Erreichte Zielgruppe

Bei den in dieser Verbleibs- und Verlaufsstudie untersuchten Menschen mit Lernschwierigkeiten handelt es sich um Personen,

  • denen ein hoher Grad von Behinderung zugeschrieben wird (60 % der vermittelten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten haben einen GdB von 80 - 100)

  • von denen 35 % eine Mehrfachbehinderung

  • sowie über ein Viertel eine gesetzliche Betreuung haben

  • die zu über 60 % vorher teils langjährig in der WfbM beschäftigt waren

  • von denen 40 % die Sonderschule für Geistigbehinderte besuchten

  • und knapp 90 % einen konkreten Unterstützungsbedarf im Alltag haben.

Damit ist die Personengruppe dieser Stichprobe im Vergleich zur Personengruppe anderer Untersuchungen eher stärker beeinträchtigt.

Das Geschlechterverhältnis von ca. 60 % Männern und 40 % Frauen bei der Vermittlung aus Erwerbslosigkeit entspricht dem Geschlechteranteil der erwerbslosen Menschen mit Schwerbehinderung. Bei der Vermittlung aus der WfbM wurden zu zwei Drittel Männer und einem Drittel Frauen mit Lernschwierigkeiten vermittelt. Männer mit Lernschwierigkeiten wurden, gemessen an der Geschlechterverteilung in der WfbM, überproportional aus der WfbM vermittelt. Dies entspricht auch dem Ergebnis anderer Untersuchungen (vgl. Trost/Kühn 2001, 156, ISB 2002, 30).

Das Durchschnittsalter der vermittelten ArbeitnehmerInnen lag zum Zeitpunkt der Befragung bei 36 Jahren. Da seit der Vermittlung durch den IFD bzw. die Fachkraft der WfbM zum Zeitpunkt der Befragung durchschnittlich neun Jahre vergangen sind, waren die ArbeitnehmerInnen bei ihrer Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durchschnittlich 27 Jahre. Hier zeigt sich, dass es sich bei den vermittelten Menschen mit Lernschwierigkeiten insgesamt um eine vergleichsweise junge Gruppe handelt, die sich deutlich von den überwiegend älteren schwerbehinderten Arbeitslosen unterscheidet.

Der überwiegende Anteil von 85 % der vermittelten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten hat nie eine berufliche Ausbildung absolviert. 15 % haben zumindest einmal eine berufliche Ausbildung begonnen, von denen insgesamt ungefähr die Hälfte die Ausbildung abgeschlossen hat. 85 % haben an mindestens einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme wie dem Arbeitstraining der WfbM oder einem Förderlehrgang teilgenommen, die zumeist außerbetrieblich organisiert war.

Aktuelle Arbeitssituation und Nachhaltigkeit der beruflichen Integration

Mindestens zwei Drittel der vermittelten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten in dieser Untersuchung befinden sich durchschnittlich neun Jahre nach ihrer Vermittlung noch in Arbeitsverhältnissen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und können somit als langfristig beruflich integriert gelten. Dieses ist auch das Ergebnis einer ähnlichen Verbleibsstudie der IFD in Westfalen-Lippe (Kaßelmann/Rüttgers 2005, 19).

Rechnet man die Personen heraus, deren Verbleib unbekannt ist oder die verstorben sind, und sieht sich die aktuelle Arbeitssituation über fünf Jahre nach der Vermittlung durch den Fachdienst im Detail an, so sind von den ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten:

  • 70 % in Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt

  • 67 % im unbefristeten Arbeitsverhältnis

  • nur 3 % in einem befristeten Arbeitsverhältnis

  • 11 % in der WfbM

  • 9 % im Arbeitsbereich in der WfbM

  • 3 % auf einem ausgelagerten Werkstattarbeitsplatz in einem Betrieb

  • 8 % erwerbslos

  • 3 % in Erwerbsunfähigkeits- bzw. Erwerbsminderungsrente

  • 2 % in Elternzeit

  • 4 % Sonstiges (Praktikum, geringfügige Beschäftigung, selbstständig, krank, Schulbesuch).

Die Stabilität der Arbeitsverhältnisse ist insgesamt beachtlich hoch ist. Drei Jahre nach der Vermittlung durch den IFD/ die Fachkraft der WfbM waren noch 76 % der ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten in der Erstvermittlung, nach fünf Jahren waren es 62 % und nach zehn Jahren waren es immer noch 55 % .

Die derzeit erwerbstätigen Personen (n=162) arbeiten seit durchschnittlich sieben Jahren und acht Monaten (92 Monaten) in ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis. Fast 80 % der derzeit Erwerbstätigen sind noch in dem Arbeitsverhältnis, in das sie damals vermittelt wurden und somit seit über fünf Jahren in diesem Arbeitsverhältnis. Für über 60 % der ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten ist dies das erste Arbeitsverhältnis überhaupt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen der ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten erfolgte in fast 40 % durch die ArbeitgeberIn, in 20 % durch die ArbeitnehmerIn, in etwas über 15 % lief die Befristung aus. In 15 % aller Fälle handelte es sich um Aufhebungsverträge und in 10 % wurde das Arbeitsverhältnis auf andere Weise beendet z. B. im Rahmen eines Konkurses des Betriebs, durch Verrentung oder Tod der ArbeitnehmerIn. Hinsichtlich der Kündigungsgründe lässt sich feststellen, dass ein großer Teil der Kündigungen durch wirtschaftliche Probleme des Betriebs, Betriebsschließungen und Ende der Befristung bestimmt war und nicht mit der Behinderung der ArbeitnehmerInnen zusammenhing (vgl. ähnliche Befunde BIH 2004, 32 f.). Neben diesen betrieblichen Gründen waren vor allem unzureichende Arbeitsleistung, gesundheitliche Probleme und Schwierigkeiten mit der ArbeitgeberIn die Kündigungsgründe.

Betrachtet man die beendeten Arbeitsverhältnisse insgesamt (n=148), so erkennt man:

  • dass sie mit drei Jahren und fünf Monaten im Durchschnitt zwar deutlich kürzer als die bestehenden Arbeitsverhältnisse waren, es sich aber durchaus nicht um überdurchschnittlich kurze Arbeitsverhältnisse handelte

  • dass mit 25 % die meisten Arbeitsverhältnisse im ersten Beschäftigungsjahr gelöst werden, danach sinkt die Anzahl der gelösten Arbeitsverhältnisse von Jahr zu Jahr, ehe sie dann im fünften Jahr wieder ansteigt

  • dass etwa 60 % der beendeten Arbeitsverhältnisse der ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten in den ersten drei Jahren beendet wurden

Die derzeit erwerbslosen Personen (n=23) sind zu fast 60 % erst im letzten Jahr erwerbslos geworden. Bei dieser Gruppe ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nach einiger Zeit mit Hilfe des IFD wieder Arbeit finden. Etwas über 40 % sind langzeitarbeitslos, davon sind fast 30 % bereits ein bis fünf Jahre erwerbslos und über 10 % schon länger als fünf Jahre arbeitslos. Die durchschnittliche Dauer der aktuellen Arbeitslosigkeit beträgt 23 Monate und liegt damit genau so hoch wie die durchschnittliche Dauer von arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderung in Westdeutschland 2004 (vgl. Bundesregierung 2005, 3). Die Dauer des letzten Arbeitsverhältnisses betrug durchschnittlich 3 Jahre 8 Monate (44 Monate), so dass auch hier nicht von nur kurzfristigen Eingliederungen gesprochen werden kann.

Die derzeit in der WfbM beschäftigten Personen sind zu knapp einem Viertel im letzten Jahr in die WfbM (wieder) aufgenommen worden. Fast die Hälfte ist schon vor 1 ‑ 5 Jahren in die WfbM zurückgekehrt und fast 30 % sogar schon vor über fünf Jahren. Die derzeit in der WfbM Beschäftigten arbeiten dort bereits seit durchschnittlich drei Jahren und acht Monaten (45 Monate). Das letzte Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dauerte durchschnittlich drei Jahre (36 Monate).

Charakteristika der vermittelten Arbeitsplätze

Drei Viertel aller bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnisse wurden von den Fachdiensten in Kleinst- und Kleinbetriebe vermittelt. Großbetriebe sind gemessen an dem Anteil der dort in Deutschland beschäftigten ArbeitnehmerInnen unterrepräsentiert. Die genaue Verteilung der Betriebsgrößen an den Arbeitsverhältnissen hängt auch von der regionalen Wirtschaftsstruktur ab. Der bei vielen Untersuchungen zur Beschäftigung behinderter Menschen nachgewiesene hohe bis sehr hohe Anteil von Kleinst- und Kleinbetrieben entspricht einerseits der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, dass in den letzten Jahren gerade in diesen Bereichen neue Arbeitsplätze entstanden sind, hat andererseits sicher auch den Grund, dass Kleinbetriebe für Fachdienste oft zugänglicher, die Entscheidungswege kürzer und Anreize wie Lohnkostenzuschüsse für kleinere Betriebe attraktiver sind (vgl. Trost/Kühn 2001, 126, Kastl/Trost 2002, 210 ff. ) .

Die Tätigkeitsbereiche der vermittelten Männer und Frauen mit Lernschwierigkeiten unterscheiden sich höchst signifikant:

  • Die Männer mit Lernschwierigkeiten waren überwiegend im Bereich Produktion/Montage in der Industrie, im Garten- und Landschaftsbau, im Bereich Recycling und Reinigung und im Lager beschäftigt.

  • Die Frauen mit Lernschwierigkeiten waren dagegen überwiegend als Küchenhilfe, in der Hauswirtschaft, in der Gebäudereinigung und in der Produktion beschäftigt.

Das Tätigkeitsspektrum der Männer war außerdem erheblich breiter als das der Frauen.

Hinsichtlich der Arbeitszeit handelt es sich bei den vermittelten Arbeitsverhältnissen überwiegend um Vollzeitstellen. Gleichwohl gibt es deutliche geschlechtstypische Unterschiede sowie Unterschiede zwischen den bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnissen:

  • 85 % der Männer, aber nur 44 % der Frauen in den bestehenden Arbeitsverhältnissen arbeiten Vollzeit. Die deutlich höhere Teilzeitquote von Frauen ist ein allgemeines Phänomen in Deutschland.

  • Von den beendeten Arbeitsverhältnissen waren 83 % Vollzeitstellen, während es bei den noch bestehenden Arbeitsverhältnissen nur 70 % sind. Der Anteil der Vollzeitstellen der bestehenden Arbeitsverhältnisse entspricht dem bundesdeutschen Durchschnitt aller ArbeitnehmerInnen (vgl. Statistisches Bundesamt 2005). Der höhere Anteil von Vollzeitstellen bei den beendeten Arbeitsverhältnissen bei Männern und Frauen mit Lernschwierigkeiten spricht dafür, dass einige ArbeitnehmerInnen mit den Vollzeitstellen offensichtlich überfordert waren und dass Teilzeitstellen für einige ArbeitnehmerInnen stabiler zu sein scheinen (vgl. auch ähnlicher Befund bei Kaßelmann/Rüttgers 2005, 41 f.).

Der durchschnittliche Nettolohn der bestehenden Arbeitsverhältnisse betrug im Jahr 2003 934 Euro, 1028 Euro bei Vollzeit. Der Nettolohn schwankte zwischen 100 Euro (geringfügige Beschäftigung) und 1400 Euro. Der Lohn entsprach in der Regel den jeweiligen Einstiegslohngruppen. Nur 3 % der ArbeitnehmerInnen bezogen noch ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt / Grundsicherung.

Die soziale Integration der ArbeitnehmerInnen im Betrieb ist in den meisten Fällen gegeben, private Kontakte mit KollegInnen bilden dagegen die Ausnahme:

  • Fast 90 % der ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten können aufgrund von verschiedenen Indikatoren (Grüßen und kurze Gespräche, Pausengespräche) sowie Zufriedenheit mit dem Verhältnis zu Vorgesetzten und KollegInnen als sozial im Betrieb integriert, fast zwei Drittel sogar als gut integriert gelten.

  • Die Mehrzahl der vermittelten ArbeitnehmerInnen ist in die Interaktion mit den KollegInnen am Arbeitsplatz eingebunden, wird gegrüßt, nimmt an Pausengesprächen und falls vorhanden an Betriebsfeiern und Ausflügen teil.

  • Die betriebliche Integration bezieht sich aber in den meisten Fällen nur auf den oberflächlichen betrieblichen Kontakt, während private Kontakte mit KollegInnen eher die Ausnahme sind (vgl. auch gleicher Befund bei Spiess 2004, 239)

Eine frühe Integration schon in der Schule bzw. mit betrieblichen Berufsvorbereitungsmaßnahmen und Unterstützung durch den Fachdienst bereits am Anfang der Berufseinmündungsphase scheint die soziale Integration zu begünstigen. Eine gute soziale Integration führt zu stabileren Arbeitsverhältnissen. Eine schlechte soziale Integration im Betrieb geht oft einher mit einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Arbeitsverhältnis, betrieblichen Problemen auch in anderen Bereichen und einer schlechteren sozialen Integration auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses.

Die Arbeitssituation im bestehenden Arbeitsverhältnis hat sich für über 35 % in den letzten Jahren verbessert, für fast 50 % ist sie gleich geblieben und nur für etwas über 15 % hat sie sich eher verschlechtert.

Die Arbeitszufriedenheit der ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten ist insgesamt hoch:

  • Über 80 % der ArbeitnehmerInnen sind insgesamt zufrieden mit ihrem bestehenden Arbeitsverhältnis, über 70 % sogar ziemlich oder sehr zufrieden.

  • Der hohen Zufriedenheit mit der Art der Arbeit und dem Kontakt mit Vorgesetzten und Kollegen steht eine niedrigere Zufriedenheit mit dem Arbeitslohn, der Belastung am Arbeitsplatz und vor allem der Möglichkeit sich im Betrieb zu verbessern gegenüber.

Unterstützung der beruflichen Integration

Die Vermittlung des Arbeitsverhältnisses erfolgte bei den bestehenden Arbeitsverhältnissen zu 85 % entweder durch den Integrationsfachdienst oder die Fachkraft für berufliche Integration einer Werkstatt für behinderte Menschen. Die beendeten Arbeitsverhältnisse wurden zu zwei Dritteln vom Integrationsfachdienst oder der Fachkraft der WfbM vermittelt. Hier war der Anteil der selbst gesuchten oder über die Bundesagentur für Arbeit vermittelten Arbeitsverhältnisse höher. Dies gibt einen ersten Hinweis auf die größere Stabilität der von den Fachdiensten vermittelten und begleiteten Arbeitsverhältnisse.

Die durchschnittliche Dauer der Unterstützung der bestehenden Arbeitsverhältnisse durch den Integrationsfachdienst betrug etwas über drei Jahre. Die Integrationsfachdienste konnten damals eine intensive und kontinuierliche Unterstützung leisten, die heute in vielen Regionen nicht mehr finanziert wird. Diese intensive und kontinuierliche Unterstützung in den ersten Jahren ermöglichte es, auch Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf trotz auftretender Probleme langfristig in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts zu integrieren. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten aus der WfbM erfolgreich in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden können. Zum Zeitpunkt der Befragung wurden nur noch 22 % der Arbeitsverhältnisse vom IFD unterstützt, was mit der durchschnittlichen Dauer der bestehenden Arbeitsverhältnisse von über sieben Jahren zusammenhängt. Dies zeigt, dass bei vielen der vermittelten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten nach einer intensiveren Unterstützung in den ersten Jahren eine umfängliche Unterstützung nicht mehr notwendig ist.

Nur in etwa 40 % der Arbeitsverhältnisse gab es behinderungsbedingte Hilfen am Arbeitsplatz. Dabei spielte die intensive Hilfe durch Vorgesetzte und KollegInnen eine besondere Rolle. Dies zeigt die wichtige Funktion von MentorInnen, die die ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten im Betrieb unterstützen. Außerdem wurden Arbeitspläne und Checklisten sowie flexible Arbeitszeitregelungen erfolgreich zu einer behinderungsbedingten Anpassung der Arbeitsplätze genutzt.

In knapp 60 % der bestehenden und bei zwei Drittel der beendeten Arbeitsverhältnisse gab es nach Abschluss des Arbeitsvertrags Probleme, die das Arbeitsverhältnis gefährdet haben. Probleme traten dabei besonders im Bezug auf die Arbeitsleistung, KollegInnen, die eigene Gesundheit und private Angelegenheiten auf. Bei der Lösung der Probleme war der Integrationsfachdienst mit Abstand die wichtigste Unterstützungsquelle, gefolgt von KollegInnen, Eltern, dem Integrationsamt und Vorgesetzten. Dies zeigt noch einmal deutlich, dass für viele der unterstützten ArbeitnehmerInnen eine Vermittlung eines Arbeitsplatzes alleine nicht ausreicht, sondern die Unterstützung durch den IFD bei Problemen am Arbeitsplatz eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige berufliche Integration ist.

Die Zufriedenheit der ArbeitnehmerInnen mit der Unterstützung der beruflichen Integration durch den Integrationsfachdienst ist vergleichsweise hoch:

  • Fast 90 % der vermittelten ArbeitnehmerInnen sind mit der Unterstützung durch den Integrationsfachdienst insgesamt zufrieden bzw. sehr zufrieden.

  • Auch bei der Unterstützung des beendeten Arbeitsverhältnisses nimmt interessanterweise die Zufriedenheit mit dem IFD nur geringfügig ab, obwohl das Arbeitsverhältnis nicht erhalten werden konnte. Dies zeigt, dass die Unterstützung bei der Vermittlung, aber auch gerade in Problemsituationen am Arbeitsplatz von den ArbeitnehmerInnen sehr gut angenommen wird.

  • Mit der Arbeit des Integrationsamts waren fast 45 % der ArbeitnehmerInnen ziemlich oder sehr zufrieden, wobei aber nur ein kleinerer Teil der Befragten das Integrationsamt als an der beruflichen Integration beteiligt wahrgenommen hat

  • Mit der Unterstützung der beruflichen Integration durch die Agentur für Arbeit war dagegen nur ein Drittel der ArbeitnehmerInnen ziemlich oder sehr zufrieden.

  • Die Ergebnisse stimmen im Trend überein mit der Verbleibsstudie der IFD für Menschen mit Lernschwierigkeiten ( Kaßelmann/Rüttgers 2004) und einer repräsentativen bundesweiten Untersuchung zur Arbeitslosigkeit und Integrationschancen schwerbehinderter Menschen ( Schröder/Steinwede 2004, 149), in der die Integrationsfachdienste ebenfalls hohe Zufriedenheitswerte aus Sicht der ArbeitnehmerInnen erworben haben, während die Unterstützung durch die Arbeitsverwaltung eher skeptischer beurteilt wurde.

Entwicklung der allgemeinen Lebenssituation

Die allgemeine Lebenszufriedenheit und die Entwicklung der Lebenssituation werden stark von der Entwicklung der Arbeitssituation bestimmt: Während fast zwei Drittel der Personen, die zurzeit in Arbeit sind, mit ihrer Lebenssituation ziemlich oder sehr zufrieden sind, und immerhin über 50 % der Menschen, die (wieder) mit WfbM-Status in der WfbM oder auf einem Außenarbeitsplatz arbeiten, ist dies nur einer der Erwerbslosen.

Insgesamt zeigt sich ein hohes subjektives Wohlbefinden in den Bereichen Wohnen, Freizeit, Gesundheit und - soweit vorhanden - Arbeit, während die Zufriedenheit mit der Finanzsituation und der sozialen Situation im Bereich Freundschaften und Partnerschaften niedriger ist.

  • In der geteilten Zufriedenheit mit der Finanzsituation spiegelt sich die Tatsache wider, dass die derzeit erwerbslosen oder in der WfbM beschäftigten Personen nur vergleichsweise wenig Geld zur Verfügung haben, aber auch, dass die erwerbstätigen Personen mit ihrem Verdienst zum Teil nur knapp über dem Sozialhilfe- / Grundsicherungsniveau liegen.

  • Im Bereich Freundschaften und vor allem Partnerschaften gibt es eine größere Gruppe, die sich hier Veränderungen wünscht.

Der Familienstand der vermittelten Menschen mit Lernschwierigkeiten ist überwiegend ledig und kinderlos, was bei vielen vermittelten ArbeitnehmerInnen nicht ihren Wünschen entspricht:

  • Der überwiegende Teil von 85 % der vermittelten Menschen mit Lernschwierigkeiten ist ledig und über 90 % haben keine Kinder, obwohl das Durchschnittsalter 36 Jahre beträgt und üblicherweise in dieser Altersgruppe in Deutschland nur 26 % ledig sind und meist eine Familie gegründet wurde (vgl. Statistisches Bundesamt 2005).

  • Zwar steigt mit zunehmendem Lebensalter der Anteil der verheirateten Personen mit Lernschwierigkeiten von 12 % bei den 30-Jährigen auf über 20 % bei den 40-Jährigen an. Letztlich muss aber festgestellt werden, dass die Chancen in Partnerschaft zu leben, zu heiraten und eine Familie zu gründen, gegenüber der übrigen Bevölkerung stark beeinträchtigt sind und die Lebensform allein lebend und ohne Kinder von vielen nicht freiwillig gewählt wurde. Die Behinderung beeinflusst offensichtlich die Chancen, Partnerschaften einzugehen und eine Familie zu gründen.

  • Die Zufriedenheit mit der Partnerschaftssituation ist bezogen auf den Mittelwert die geringste von allen Lebensbereichen. Die Frage nach der Zufriedenheit mit der Partnerschaft ist die häufigste Frage, zu der keine Angaben gemacht wurden. Fast 40 % aller Befragten geben offen an, mit der Situation unzufrieden zu sein, nur etwas über 30 % der Befragten sind sehr zufrieden.

  • In der offenen Frage nach den Zukunftswünschen tauchen des Öfteren die Antwort "ein Partner/ eine Partnerin" auf, übrigens unabhängig davon, ob die Person in einem Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in der WfbM ist (vgl. ähnliche Ergebnisse bei Spiess 2004, 276).

  • Heirat und insbesondere der Kinderwunsch von Menschen mit Lernschwierigkeiten ist immer noch gesellschaftlich mit Tabu und häufig massiver Ablehnung des sozialen Umfelds versehen.

Die Aktivitäten in der Freizeit sind vielfältig: Besonders beliebt sind nach Aussagen der ArbeitnehmerInnen sportliche Aktivitäten, aber auch entspannende Aktivitäten wie fernsehen, Musik hören oder spazieren gehen. Einen wichtigen Bereich bilden auch soziale Aktivitäten wie Ausgehen, Freunde treffen und Aktivitäten mit dem Partner oder der Partnerin. Die meisten der unterstützten ArbeitnehmerInnen sind mit ihrer Freizeitsituation zufrieden. Allerdings fällt eine größere Gruppe von über 30 % der zurzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätigen Personen auf, die nur teilweise (21 % ) oder eher nicht (10 % ) mit der Freizeitsituation zufrieden ist.

Die Wohnsituation unterscheidet sich signifikant nach der derzeitigen Arbeitssituation:

  • Insgesamt wohnen die meisten der vermittelten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten trotz ihres Alters noch in der Herkunftsfamilie. Über die Hälfte der derzeit erwerbslosen Personen, etwa 40 % der erwerbstätigen Personen, aber nur 15 % der derzeit in der WfbM beschäftigten Personen wohnt bei ihren Eltern.

  • Gleichwohl wohnen mittlerweile 30 % der derzeit erwerbstätigen Personen unbetreut im eigenen Wohnraum, fast 20 % im ambulant betreuten Wohnen. Bei den in der WfbM beschäftigten Personen spielen dagegen stationäre Wohnangebote der Behindertenhilfe mit fast 40 % und das ambulant betreute Wohnen mit 33 % die größte Rolle.

  • Der Anteil der Personen, die mit ihrer Wohnsituation sehr zufrieden ist, ist in der Regel umso höher je größer der Autonomiegrad des Wohnens ist. So sind 57 % der Personen, die unbetreut in eigener Wohnung leben, sehr zufrieden, 42 % im ambulant betreuten Wohnen und 35 % in der Wohngruppe. Eine Ausnahme bilden die Personen, die noch bei ihrer Herkunftsfamilie wohnen. Dort ist zwar ein großer Anteil von 49 % sehr zufrieden, gleichzeitig findet sich dort mit 25 % auch die größte Gruppe, die unzufrieden oder nur teilweise zufrieden mit ihrer Wohnsituation ist.

  • Bei ca. einem Drittel der Personen hat seit der Vermittlung eine Veränderung der Wohnsituation meist in Richtung stärkerer Verselbstständigung stattgefunden.

Faktoren, die die Nachhaltigkeit der beruflichen Integration beeinflussen

Unterstützungssystembedingte Faktoren

Vermittlung und Begleitung durch den Integrationsfachdienst bzw. eine Fachkraft für berufliche Integration

Es zeigt sich ganz deutlich, dass die Vermittlung und Begleitung durch einen Integrationsfachdienst bzw. eine Fachkraft für berufliche Integration signifikant positiv die Nachhaltigkeit der beruflichen Integration beeinflusst:

Die Vermittlung und Begleitung durch den Integrationsfachdienst bzw. die Fachkraft für berufliche Integration der WfbM bewirkt eine signifikante Veränderung der beruflichen Lebensläufe der vermittelten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten:

  • Wurde vor der Vermittlung im Durchschnitt 15 % der Zeit des beruflichen Lebenslaufs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbracht, so stieg dieser Anteil auf fast drei Viertel der Zeit nach Vermittlung durch den Integrationsfachdienst bzw. die Fachkraft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (6 Jahre 9 Monate).

  • Rechnet man die betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen und die in Betriebe ausgelagerten Werkstattarbeitsplätze hinzu, wurde 80 % der Zeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts verbracht.

  • Dagegen verbrachten die ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten seit ihrer Vermittlung nur durchschnittlich 11 % der Zeit in einer WfbM (11 Monate) und waren nur 6 % der Zeit erwerbslos (6 Monate).

  • In diese Durchschnittswerte sind sowohl die Personen eingerechnet, die langjährig im Betrieb integriert sind, als auch die Personen, die bereits während der Probezeit arbeitslos wurden und danach langzeitarbeitslos blieben oder in eine WfbM aufgenommen wurden.

Die frühe Intervention des Integrationsfachdienstes oder der Fachkraft der WfbM bereits während oder kurz nach außerbetrieblichen Berufsvorbereitungsmaßnahmen (wie dem außerbetrieblichen Förderlehrgang oder dem Berufsbildungsbereich der WfbM) verbessert signifikant den Berufseinmündungsprozess :

- Waren ohne die Intervention des IFD oder einer Fachkraft für berufliche Integration nur 26 % in den ersten fünf Jahren der Berufseinmündung überwiegend erwerbstätig, stieg dieser Anteil auf 74 % , wenn der Fachdienst bereits am Anfang dieser Phase beteiligt war.

Die Vermittlung und Begleitung durch einen Integrationsfachdienst bzw. die Fachkraft einer WfbM führt zu deutlich stabileren Arbeitsverhältnissen, als wenn sie nicht beteiligt waren:

- Drei Jahre nach der Vermittlung durch den IFD/die Fachkraft der WfbM waren noch 76 % der ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten in der Erstvermittlung, nach fünf Jahren waren es 62 % und nach zehn Jahren sind es immer noch 55 % .

- Von den selbst gesuchten oder durch die Agentur für Arbeit vermittelten Arbeitsverhältnissen der untersuchten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten bestanden 57 % noch nach drei Jahren, 45 % nach fünf Jahren und 32 % nach zehn Jahren.

Dabei sind sicher einerseits eine passgenaue Vermittlung des Arbeitsverhältnisses durch den Fachdienst und die gute Einarbeitung von großer Bedeutung, andererseits auch die Begleitung durch den Integrationsfachdienst bei Problemen im Betrieb.

Die Beschäftigungssituation der vom Fachdienst vermittelten und unterstützten ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten ist dabei deutlich stabiler als die Beschäftigungssituation von Menschen mit Schwerbehinderung allgemein (vgl. Sadowski/Frick 1992, 102).

Beendete Arbeitsverhältnisse, die nicht vom IFD vermittelt wurden, enden signifikant häufiger im ersten Jahr (36 % gegenüber 18 % ), dafür ist bei Arbeitsverhältnissen, die der IFD betreut hat, im fünften Jahr ein stärkerer Anstieg der Kündigungen zu verzeichnen (20 % gegenüber 4 % ). Der Anstieg im fünften Jahr könnte zum Teil auf das Auslaufen der einjährigen Weiterbeschäftigungspflicht für Arbeitgeber nach dem dreijährigen Eingliederungszuschuss zurückzuführen sein. Dabei ist auffällig, dass fünf von zwölf Kündigungen im fünften Jahr von Integrationsfirmen erfolgen. Sie könnten aufgrund ihrer Förderstruktur ein verstärktes Interesse daran haben, nach Auslaufen des Eingliederungszuschusses neue ArbeitnehmerInnen mit Anspruch auf Eingliederungszuschuss einzustellen. Insgesamt gibt es aber nicht, wie vielfach befürchtet, einen sprunghaften Anstieg der Kündigungen nach Auslaufen der Lohnkostenzuschüsse nach drei Jahren.

Vermittlung aus der Werkstatt für behinderte Menschen

Ein hoch signifikanter Einflussfaktor auf den langfristigen Verbleib im Arbeitsleben, vor allem aber auf die Rückkehr in die WfbM, ist die Tatsache, ob die Vermittlung aus der Werkstatt für behinderte Menschen erfolgte.

  • Die langfristige Integration von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die aus der WfbM vermittelt wurden, ist trotz weit verbreiteter Bedenken in 64 % der Fälle gelungen, hinzu kommen immerhin 5 % der Fälle, die auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz der WfbM in einen Betrieb integriert werden konnten.

  • Für die langfristige Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt macht es keinen signifikanten Unterschied, ob die Person von einem Integrationsfachdienst oder einer Fachkraft für berufliche Integration einer Werkstatt für behinderte Menschen aus der WfbM vermittelt wurden.

  • Bei Menschen mit Lernschwierigkeiten, die vorher nicht in einer WfbM waren, konnte ein signifikant höherer Verbleib auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von über 80 % festgestellt werden.

  • Der Grad der Beeinträchtigung, der Unterstützungsbedarf im Alltag, der Anteil der Personen mit gesetzlicher Betreuung und der Schulbesuch unterscheiden sich insgesamt nicht signifikant zwischen beiden Gruppen, wohl aber der Grad der familiären Unterstützung. So geben 44 % der Personen, die aus der WfbM vermittelt wurden, an, dass sie familiäre Unterstützung haben, während es bei der anderen Gruppe 74 % sind.

  • Obwohl prinzipiell kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen zu finden ist, sind aber bei den Personen, die in die WfbM zurückgekehrt sind, ein höherer Anteil von Personen mit einem GdB von 100, ein deutlich höherer Anteil der Personen mit gesetzlicher Betreuung und wesentlich geringere familiäre Unterstützung festzustellen.

  • Es gibt also signifikant unterschiedliche institutionelle Verläufe an der ersten Schwelle der Berufsvorbereitung und Berufsausbildung, sowie in den Erfahrungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, je nachdem, ob jemand in einer WfbM gewesen ist oder nicht. Die Tatsache, in der WfbM gewesen zu sein, erschwert tendenziell die berufliche Integration.

Es zeigt sich auch, dass eine Rückkehr in die WfbM selbst nach langjähriger Beschäftigung, entgegen häufig geäußerten Vorbehalten durchaus möglich ist und, wie die Berufsverläufe zeigen, meist kurz nach Verlust des Arbeitsplatzes bzw. nach kürzerer Arbeitslosigkeit erfolgt ist.

- Die Tatsache, bereits in der WfbM gewesen zu sein und zur potenziellen Zielgruppe zu gehören, begünstigt offensichtlich die Rückkehr dorthin. Menschen mit Lernschwierigkeiten haben so eine Alternative zur Erwerbslosigkeit.

- Personen mit Lernschwierigkeiten, die eine Werkerausbildung abgeschlossen oder einen Hauptschulabschluss haben, gehen, wenn sie die Arbeit verloren haben, dagegen häufiger in die Erwerbslosigkeit. Dies mag zum einen daran liegen, dass sie in einer WfbM nicht aufgenommen werden, da sie nicht zum Personenkreis gehören, zum anderen scheinen sie sich auch selbst als nicht zum Personenkreis der WfbM gehörend zu sehen.

Betriebsbedingte Faktoren

Betriebsgröße

Es gibt einen höchst signifikanten Unterschied (p= .000) in der Betriebsgröße zwischen den bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnissen:

  • Über 50 % der beendeten, aber nur gut ein Viertel der bestehenden Arbeitsverhältnisse waren in Kleinstbetrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern. Dieser Trend ist auch in der Nachuntersuchung in Westfalen-Lippe nachweisbar (vgl. Rüttgers/Kaßelmann 2005, 27). Offensichtlich sind die Arbeitsverhältnisse in Kleinstbetrieben instabiler.

  • Allgemein trifft zu, dass die Stabilität der Arbeitsverhältnisse mit der Betriebsgröße zunimmt und die Fluktuationsrate in Kleinstbetrieben mit bis zu 20 Beschäftigten am höchsten ist (vgl. Erlinghagen/Knuth 2002, 57).

  • Es ist also auf der einen Seite offensichtlich leichter, Menschen mit Behinderung in Kleinstbetriebe zu vermitteln, auf der anderen Seite ist die Beschäftigung dort tendenziell instabiler.

Branchen

Beim Vergleich zwischen den bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnissen fällt auf, dass die bestehenden Arbeitsverhältnisse überproportional in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und in der Metallverarbeitung sind, während unter den beendeten Arbeitsverhältnissen Gartenbaubetriebe sowie kleinere Handwerksbetriebe überproportional vertreten sind.

Betriebliche Erfahrung mit Ausbildung

Die bestehenden Arbeitsverhältnisse sind signifikant häufiger (p=.000) in anerkannten Ausbildungsbetrieben:

- Über 70 % der Betriebe der bestehenden Arbeitsverhältnisse sind Ausbildungsbetriebe, aber nur 44 % der Betriebe der beendeten Arbeitsverhältnisse. Für die bestehenden Arbeitsverhältnisse der vermittelten Menschen mit Lernschwierigkeiten besteht in allen Betriebsgrößen ein höherer Anteil an Ausbildungsbetrieben als im Bundesdurchschnitt.

Obwohl die vermittelten ArbeitnehmerInnen mit Behinderungen überwiegend nicht als Auszubildende in die Betriebe vermittelt wurden, scheint doch in Betrieben, die es gewohnt sind auszubilden, eine höhere Bereitschaft und Kompetenz zu sein, auch Menschen mit Behinderungen erfolgreich zu integrieren.

Betriebliche Erfahrung mit der Beschäftigung schwerbehinderter ArbeitnehmerInnen

Die bestehenden Arbeitsverhältnisse sind signifikant (p=.000) häufiger in Betrieben, die bereits Erfahrung mit der Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen mit Schwerbehinderung haben:

  • Über 80 % der Betriebe der bestehenden Arbeitsverhältnisse haben bereits Erfahrung mit der Beschäftigung anderer behinderter ArbeitnehmerInnen, während es bei den beendeten Arbeitsverhältnissen nur knapp 60 % waren.

  • Die Unterschiede in den Erfahrungen des Betriebs mit ArbeitnehmerInnen mit Behinderung zwischen den bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnissen bestehen in allen Betriebsgrößenklassen. Insgesamt zeigt sich, dass die Betriebe, bei denen das Arbeitsverhältnis noch besteht, auch im Vergleich zum Bundesdurchschnitt überdurchschnittliche Erfahrungen im Umgang mit schwerbehinderten ArbeitnehmerInnen haben, während die anderen Betriebe sich ungefähr im Bundesschnitt bewegen.

  • Dies bestätigt das Ergebnis einer bundesweiten Untersuchung ( Schröder/Steinwede 2004, 87 ff.), wonach Betriebe, die zurzeit ArbeitnehmerInnen mit Schwerbehinderung beschäftigen oder früher beschäftigt haben, die betrieblichen Einsatzmöglichkeiten von behinderten Menschen durchweg positiver beurteilen als Betriebe, die noch nie eine schwerbehinderte ArbeitnehmerIn beschäftigt haben.

  • Betriebe, die bereits Erfahrungen mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung haben, scheinen eine betriebliche Kultur und Umgangsweisen mit Beeinträchtigungen von MitarbeiterInnen entwickelt zu haben, die offensichtlich eine erfolgreiche Beschäftigung von Menschen mit Lernschwierigkeiten erleichtert.

Wirtschaftliche Lage des Betriebs

Die wirtschaftliche Lage des einzelnen Betriebs wirkt sich auf die Stabilität der Arbeitsverhältnisse aus: So waren in 22 % die betriebliche Auftragslage und in 12 % sogar eine Betriebsschließung Grund des Verlustes des Arbeitsplatzes.

Arbeitsmarktbedingte Faktoren

Insgesamt ist kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote in einer Region und dem langfristigem Verbleib im Arbeitsleben nachzuweisen. Gleichwohl zeigt sich, dass in Regionen mit stark unterdurchschnittlicher Arbeitslosenquote auch der langfristige Verbleib in Arbeit etwas höher ist und sich in einigen Regionen ( z. B. Bochum) mit sehr starker Arbeitslosenquote dies im Einzelfall auf die Verbleibsquote auswirkt.

Arbeitnehmerbedingte Faktoren

Unterstützungsbedarf

Die derzeit erwerbstätigen Personen benötigen aufgrund ihrer Beeinträchtigung im Alltag weniger Unterstützung als die nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätigen Personen. Dabei fällt insbesondere bei den derzeit in der WfbM beschäftigten Personen auf, dass sie aufgrund der Beeinträchtigung einen höheren Unterstützungsbedarf im Alltag haben.

Das Vorhandensein einer gesetzlichen Betreuung und der damit verbundene Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Personen mit Lernschwierigkeiten kennzeichnen einen höheren Unterstützungsbedarf, der sich insbesondere bei Männern mit Lernschwierigkeiten signifikant auf die Beschäftigungssituation auswirkt. Die vermittelten Personen mit einer gesetzlichen Betreuung befinden sich überproportional derzeit in der WfbM. So haben 60 % der (wieder) in der WfbM beschäftigten ArbeitnehmerInnen eine gesetzliche Betreuung. Diese Effekte lassen sich auch in der Verbleibsstudie in Westfalen-Lippe ( Kaßelmann/Rüttgers 2005, 24) nachweisen.

Unterstützungsnetzwerk

Die familiäre Unterstützung hat eine bemerkenswerte Bedeutung für die berufliche Integration:

  • Fast 60 % der derzeit erwerbstätigen Personen und über zwei Drittel der derzeit erwerbslosen Personen geben die Familie als Unterstützungsquelle im Alltag an, jedoch nur knapp über 20 % der derzeit in der WfbM beschäftigten Personen.

  • Das Unterstützungsnetzwerk der derzeit in der WfbM Beschäftigten wird neben der Unterstützung durch einen Partner/in signifikant häufiger von professionellen HelferInnen wie WohnbetreuerInnen und gesetzliche BetreuerInnen bestimmt, was auch mit der Wohnsituation korrespondiert.

  • Jede fünfte Person mit Lernschwierigkeiten wurde bei Problemen am Arbeitsplatz nach eigenen Angaben von den Eltern unterstützt, was man bei erwachsenen ArbeitnehmerInnen nicht erwarten würde.

  • Obwohl die Bedeutung der Familie bei andauernder beruflicher Integration und Verselbstständigung abnimmt und dafür die Bedeutung von KollegInnen leicht ansteigt, scheint doch die Unterstützung durch die Familie ein wichtiges Fundament der erfolgreichen beruflichen Integration von vielen ArbeitnehmerInnen mit Lernschwierigkeiten zu sein.

Berufliche Qualifizierung

Es zeigt sich, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung für die vermittelten Menschen mit Lernschwierigkeiten die Berufseinmündung signifikant verbesserte (p=0.004). Zu gleichen Ergebnissen kommt auch die Verbleibs- und Verlaufsstudie in Westfalen-Lippe ( Kaßelmann/Rüttgers 2005, 64).

Eine begleitete betriebliche Berufsvorbereitungsmaßnahme mit Unterstützung eines Integrationsfachdienstes nach Abschluss der Schule führt zu einem wesentlichen höheren dauerhaften Übergang in Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und zu einer besseren sozialen Integration im Betrieb.

Fazit

Die Untersuchung zeigt, dass auch für den Personenkreis von Menschen mit Lernschwierigkeiten mit höherem Unterstützungsbedarf eine nachhaltige berufliche Integration möglich ist. Die erzielten Ergebnisse sind aber nur unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich. Wir haben in den letzten Jahren auf der Ebene der Gesetzgebung positive Entwicklungen verfolgen können. Integrationsfachdienste und Arbeitsassistenz wurden gesetzlich verankert und flächendeckend ausgebaut. Auf der Ebene der Umsetzung in die Praxis ist es jedoch zu einer Reihe von Komplikationen und Einschränkungen der Unterstützung gekommen, so dass die Integrationsfachdienste die in dieser Studie untersuchte Zielgruppe vielfach nicht mehr erreichen. Es ist notwendig, die Integrationsfachdienste wieder so auszurichten, dass sie Unterstützte Beschäftigung anbieten können.

Die detaillierten Ergebnisse der Verbleibs- und Verlaufsstudie finden Sie in dem kürzlich erschienenen Buch:

Doose, Stefan: Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht. Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten durch Integrationsfachdienste und Werkstätten für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie. Marburg (Lebenshilfe-Verlag) 2. aktualisierte und durchgesehene Auflage 2007.

Literatur

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) (Hrsg.) : Jahresbericht 2003/2004. Hilfen für Schwerbehinderte Menschen im Beruf. Karlsruhe 2004c. Zugleich in: http://www.integrationsaemter.de/files/534/Jahresbericht_03_04.pdf [Datum des Zugriffs: 15.5.2007]

Bundesregierung: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubert Hüppe, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache 15/5377 - Vermittlung behinderter und schwerbehinderter Arbeitsloser. Berlin 2005

Doose, Stefan: Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht. Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten durch Integrationsfachdienste und Werkstätten für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie. 2. aktualisierte und überarbeite Auflage Marburg (Lebenshilfe-Verlag) 2007.

Doose, Stefan: Übergänge aus den Werkstätten für behinderte Menschen in Hessen in Ausbildung und Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Verbleibs- und Verlaufsstudie der von Fachkräften für berufliche Integration (FbI) der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in Hessen in Ausbildung und Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelten Menschen mit Behinderungen. LAG der Werkstätten für behinderte Menschen in Hessen (Hrsg.). Frankfurt (2005). Zugleich in : http://www.sozialnetz-hessen.de/nws/texte/Endbericht_Verbleibsstudie.pdf [Datum des Zugriffs: 15.5.2007]

Erlinghagen, Marcel/ Knuth , Matthias: Auf der Suche nach dem "Turbo-Arbeitsmarkt". Zwischenbericht an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Projekt "Restrukturierung des Arbeitsmarkts. Disaggregierte Längsschnittanalysen mit der IAB-Beschäftigungsprobe". Graue Reihe des Instituts Arbeit und Technik 2002-03. Gelsenkirchen 2002. In: http://www.iatge.de/aktuell/veroeff/am/erling02a.pdf [Datum des Zugriffs: 15.5.2007]

Kaßelmann, Olaf/ Rüttgers, Julia: Abschlussbericht. Projekt Integration - 8 Jahre danach. Verbleibs- und Verlaufsstudie der von Integrationsfachdiensten in Westfalen-Lippe in den Jahren 1994 bis 1997 auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelten schwerbehinderten Menschen mit Lernschwierigkeiten. Landschaftsverband Westfalen-Lippe Integrationsamt (Hrsg.). Münster 2005. In: http://www.lwl.org/abt61-download/PDF/broschueren/Verbleibstudie_Endbericht.pdf [Datum des Zugriffs: 15.5.2007]

Kastl, Jörg-Michael/ Trost, Rainer: Integrationsfachdienste zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung in Deutschland. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung zur Arbeit der Modellprojekte des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung in 16 Bundesländern. Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Fakultät für Sonderpädagogik Reutlingen 2002. In: http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Publikationen/integrationsfachdienste-zur-beruflichen-eingliederung,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf [Datum des Zugriffs: 15.5.2007]

Sadowski, Dieter/ Frick, Bernd: Die Beschäftigung Schwerbehinderter. Betriebswirtschaftliche Analysen und politische Empfehlungen. Idarstein 1992.

Schröder, Helmut /Steinwede, Jacob: Arbeitslosigkeit und Integrationschancen schwerbehinderter Menschen. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.) : Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, BeitrAB 285. Nürnberg 2004

Spiess, Ilka: Berufliche Lebensverläufe und Entwicklungsperspektiven behinderter Personen. Eine Untersuchung über berufliche Werdegänge von Personen, die aus Werkstätten für behinderte Menschen in der Region Niedersachsen Nordwest ausgeschieden sind. Paderborn 2004

Trost, Rainer/ Kühn, Axel D.: Berufliche Qualifizierungsinitiative für Menschen mit Behinderung in Werkstätten für Behinderte in Bayern 1993-2000. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung, Nürnberg 2001.

Zum Autor :

Dr. phil. Stefan Doose arbeitet seit vielen Jahren zu Themen der beruflichen Integration behinderter Menschen und zur Persönlichen Zukunftsplanung.

Stefan Doose hat in Hamburg, Bremen und Eugene, Oregon, USA Behindertenpädagogik, Berufspädagogik, Sozialpädagogik, Sozialwissenschaften und Germanistik studiert. Er ist Behindertenpädagoge (M.S.), Diplom-Sozialpädagoge, Diakon und Berufsschullehrer. In den USA erwarb er an der University of Oregon seinen Master in "Special Education and Rehabilitation" mit dem Schwerpunkt "supported employment". 2006 promovierte er an der Universität Bremen mit der vorgestellten Verbleibs- und Verlaufsstudie.

Von 1996-2001 war Stefan Doose Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung in Hamburg. Seitdem arbeitet er neben seiner Teilzeitstelle als Dozent an einer Fachschule für Sozialpädagogik, freiberuflich als Forscher, Projektberater, Lehrbeauftragter und Autor.

Stefan Doose

Kontakt:

Dr. Stefan Doose, Lindenstr. 5, D-23558 Lübeck, Tel.: 0451 8804777

E-Mail: stefan.doose@t-online.de

Quelle:

Stefan Doose: Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht. Zusammenfassung der Ergebnisse der Verbleibs- und Verlaufsstudie

erschienen in: Zeitschrift für Inklusion-online 01/2007, http://www.inklusion-online.net/, ISSN 1862-5088

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 15.10.2008

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