"Betriebliches Arbeitstraining" als Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt

Erfolgreiche Vermittlung durch den Integrationsfachdienst ACCESS gGmbh, Erlangen

Autor:in - Andrea Seeger
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte:
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 24, Februar 2002, Seite 21-23. impulse (24/2002)
Copyright: © Andrea Seeger 2002

Interview mit Markus Hirschmann, Innerbetrieblicher Helfer bei der Firma Sympalog Speech Technologies AG:

Markus, Sie haben seit 01.06.02 einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei der Firma Sympalog Speech Technologies AG. Wie kam es dazu?

Markus Hirschmann:

Ich war im Berufsbildungsbereich des Behinderten-Zentrum-Boxdorf eingegliedert und habe am "Betrieblichen Arbeitstraining" der Firma ACCESS teilgenommen. Am 16.01.01 habe ich bei Sympalog ein Praktikum begonnen und dann habe ich ab Juni einen Arbeitsvertrag bekommen.

Wenn Sie an die ersten Praktikumstage zurückdenken.

Wie war das?

Markus Hirschmann:

Also als ich angefangen hatte, ist mir Einiges schwer gefallen. Alles war neu. Ich kannte meine Aufgaben nicht und musste sie lernen. Mir haben dabei die Andrea Seeger und der Stefan Bauer von ACCESS geholfen und meine Kollegen. Ganz am Anfang war die Andrea Seeger jeden Tag da und hat mich unterstützt. Das ist dann immer weniger geworden, weil ich immer selbständiger geworden bin. Die Leute von ACCESS haben mit mir meine Aufgaben eingeübt.

Können Sie mal einen Arbeitstag von sich beschreiben?

Markus Hirschmann:

Montag morgens wenn ich in die Firma komme, dann schnapp' ich mir erst mal den Briefkastenschlüssel. Sperr' den Briefkasten auf und hol' die Wochenendpost hoch. Dann verteile ich die Post und sag' den Kollegen dabei "Guten Morgen".

Dann schau' ich erst mal in die Küche, ob da alles aufgeräumt ist. Danach geh' ich ins Besprechungszimmer, um Ordnung zu machen. Wenn ich mit all dem fertig bin, dann verschrifte ich am Computer unser Kinosystem "Fränki.

Und wenn das fertig ist, dann gehe ich mit 'ner Brotzeitliste 'rum und frag die einzelnen Kollegen, ob sie was benötigen zum Mittagessen und dann schreiben die es auf. So um 10.45 Uhr bestelle ich per Telefon das Essen.

Um 11.00 Uhr gehe ich zum Bus und fahre in die Stadt und um 12.00 Uhr bin ich wieder da. In der Stadt hole ich das Essen beim Bäcker oder beim Chinesen. Dann gibt's gemeinsames Essen und nach dem Essen räume ich die Küche auf. Ich muss z. B. Tische und Arbeitsflächen abwischen, die Spüle reinigen und die Spülmaschine einräumen und einschalten. Dann mache ich die Geld-Abrechnung mit den Kollegen.

Danach schaue ich, ob noch alle Vorräte da sind. Hier habe ich eine Liste, die ich gemeinsam mit Stefan Bauer erstellt habe. Dann mache ich nochmal einen Gang ins Besprechungszimmer. Wenn wieder eine Besprechung war, muss ich abräumen. Wenn Kunden kommen, decke ich den Tisch.

Und dann so um 15.00 Uhr räume ich meistens die Spülmaschine aus, die ist dann schon fertig und dann mache ich jeden Tag unsere italienische Kaffeemaschine sauber.

So ab 15.45 Uhr frage ich die Kollegen, ob sie noch was für den Briefkasten haben und meistens muss ich dann noch auf die Sparkasse oder auf die Dresdner Bank, um Überweisungen abzugeben.

Sie haben ganz schön viel verschiedene Aufgaben. Was ist eigentlich Ihre Behinderung?

Markus Hirschmann:

Ich hab' eine Zyste im Kleinhirn, das wirkt sich auf mein Gleichgewicht aus. Ich habe Gleichgewichtsstörungen. Ich rede halt langsamer als normal und bin in meinem Arbeitstempo eingeschränkt. Außerdem bin ich lernbehindert. Ich war in einer Schule für Körperbehinderte und wurde nach dem Lehrplan zur individuellen Lernförderung unterrichtet.

Gehen wir nochmal weit zurück. Warum haben Sie nach der Schule den Wunsch gehabt, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten?

Markus Hirschmann:

Weil ich mit nichtbehinderten Kollegen in Kontakt kommen wollte und weil ich Geld verdienen wollte.

Wie kommen Sie mit Ihre Kollegen und Kolleginnen zurecht?

Markus Hirschmann:

Ich habe im Moment 15 Kollegen und Kolleginnen und da komme ich recht gut aus.

Die sind ganz nett. Ich fühle mich akzeptiert und geborgen.

Wenn Sie zurückdenken, wie hat sich in den letzten 2 Jahren Ihr Leben verändert?

Markus Hirschmann:

Also, früher war ich sehr schüchtern Menschen und Kollegen gegenüber. Und hab' nicht alles alleine geschafft mit der Arbeit. Und jetzt trau' ich mich eigentlich, auf Kollegen zuzugehen und auch auf andere Leute und bin eigentlich selbständiger als vor 2 Jahren.

Über was freuen Sie sich besonders, wenn Sie zurückdenken?

Markus Hirschmann:

Dass ich ein langes Praktikum gemacht hab' und dass ich nie den Kopf hängen hab' lassen. Und dass ich immer weiter gemacht hab' mit meinem Praktikum und am meisten freue ich mich, dass ich jetzt seit einem Monat und ein paar Tagen einen Arbeitsvertrag habe.

Gibt es noch etwas, was Sie sagen möchten?

Markus Hirschmann:

Ja, es macht mir hier tierisch Spaß in der Firma und ich würde mich freuen, wenn die Firma noch weiter expandiert.

Gäbe es ACCESS nicht, so hätte das mit der Arbeit bei mir nicht geklappt. Ihr seid einfach die Besten!

Vielen Dank für das Interview.

Interview mit Manuela Boros, Mitarbeiterin und Personalverantwortliche bei der Firma Sympalog Speech Technologies AG, Erlangen.

Die Firma Sympalog Speech Technologies gilt als ein führendes Unternehmen im Bereich der Sprachtechnologie. Was sind das für Produkte, die Ihre Firma entwickelt?

Manuela Boros:

Die Sympalog AG ist eine Firma, die Sprachtechnologie herstellt, unsere Produkte sind Spracherkennungs- und Sprachdialogsysteme.

Unser Ziel ist es, Systeme zu bauen, die es dem Nutzer ermöglichen per Umgangssprache mit dem Computer zu reden so wie er auch mit einem anderen Menschen redet. So kann man zum Beispiel ganz einfach Informationen vom Computer erfragen. Wir haben als Demo-Applikation u.A. ein Kino-Auskunftssystem gebaut, bei dem man anruft und das dann auf ganz normal gesprochene Sätze reagiert und sagt, welcher Film wo läuft. Das Programm ist von jedem benutzbar. Man muss es nicht erst lernen, man muss sich auch nicht erst daran gewöhnen.

Was waren die Gründe für Ihre Beteiligung am Projekt "Betriebliches Arbeitstraining" des Integrationsfachdienstes ACCESS?

Manuela Boros:

Sympalog ist eine relativ junge Firma. Uns gibt es erst seit März 2000 und wir haben uns von uns aus eigentlich nicht mit solchen Fragen beschäftigt. Aufmerksam geworden sind wir durch einen Mitgründer unserer Firma, der ein Nachbar von Markus ist und der uns von diesem Integrationsfachdienst erzählt hat. Dieser Mitgründer wusste, dass Markus ein Praktikum sucht und hat uns vorgeschlagen, Markus bei uns als Praktikanten aufzunehmen.

Zunächst waren wir ein bisschen skeptisch, weil wir dadurch dass wir so klein sind, befürchtet haben, nicht die Möglichkeit zu haben, Markus auch ordentlich zu betreuen. Es war also nicht die Angst, einem behinderten Menschen ein Praktikum anzubieten, sondern eher die Sorge, ihm nicht die Umgebung und die Voraussetzungen bieten zu können, die er für sein Praktikum braucht.

Ansonsten hat uns die Idee sehr gut gefallen, weil es auch unserer Unternehmenskultur und unserer Unternehmensethik entspricht, dass wir auch behinderte Mitmenschen ganz normal betrachten und auch ganz normal bei uns integrieren möchten.

Wie wurden Sie als Unternehmen durch den IFD ACCESS unterstützt?

Manuela Boros:

Also zunächst muss ich sagen, wir wurden sehr, sehr gut unterstützt.

Wir haben nämlich überhaupt nichts selber machen müssen. Das fing damit an, dass ACCESS vor der Anstellung alle Formalitäten für uns übernommen hat, d.h. Anträge, Formulare wurden von ACCESS ausgefüllt und wir mussten nur noch unterschreiben. Als Markus mit seinem Praktikum im Januar 2001 anfing, wurde er jeden Tag betreut, d. h. jemand von ACCESS kam vorbei und ist mit Markus seine Aufgaben durchgegangen und hat ihn dabei betreut. Das bedeutet, wir mussten niemanden abstellen, der sich täglich mehrere Stunden mit Markus beschäftigt hätte. Das war ja genau die Befürchtung, von der ich vorhin sprach, dass wir uns das nämlich gar nicht hätten leisten können. Hier sind wir sehr entlastet worden. Wir mussten eigentlich nur sagen, was Markus tun soll und dann war jemand da, der es mit ihm durchgesprochen und eingeübt hat. Insofern würde ich sagen, war die Betreuung optimal.

Es ist leider keine Selbstverständlichkeit Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Was hat letztendlich dazu geführt, dass Markus Hirschmann bei Ihnen einen Arbeitsvertrag bekam?

Manuela Boros:

Ja, letztendlich hat eine gewisse Abhängigkeit unsererseits von Markus dazu geführt.

Wir haben uns so an ihn gewöhnt und er ist mittlerweile so gut in die Firma integriert, dass, als wir uns überlegten, ob wir in Zukunft auf ihn verzichten wollen, die einhellige Meinung, war, eben nicht auf ihn verzichten zu wollen.

Er ist für uns ein sehr, sehr wichtiger Mitarbeiter geworden. Nicht nur weil er uns viele lästige kleine Aufgaben abnimmt sondern auch weil er ein netter Kumpel geworden ist, mit dem man sehr gut zurechtkommt und der sehr fröhlich ist.

Wurden Sie außer von ACCESS auch von anderen Stellen bei der Arbeitsplatzschaffung unterstützt?

Ja, wir haben für die Beschäftigung von Markus einen Eingliederungszuschuss für Schwerbehinderte beim Arbeitsamt beantragt, der einen Teil seines Gehalts abdeckt. Außerdem bekommen wir einen Zuschuss vom Integrationsamt für seinen Arbeitsplatz - für den Rechner, für den Schreibtisch und für den Stuhl, den wir für ihn angeschafft haben.

Ansonsten kann ich noch sagen, dass wir auch hier nichts selber machen mussten. Hier hat uns ACCESS geholfen. Wir hätten auch gar nicht gewusst, dass es all' diese Fördermöglichkeiten gibt. ACCESS ist von sich aus auf uns zugekommen und hat gesagt, man könne das Alles fördern lassen. ACCESS hat uns die Anträge besorgt, hat sie auch ausgefüllt, hat den Kontakt mit dem Arbeitsamt übernommen, so dass wir damit relativ wenig Arbeit hatten.

Vielen Dank für das Interview.

Die Interviews wurden von Andrea Seeger vom IFD ACCESS geführt.

Kontakt:

IFD ACCESS gGmbH

Andrea Seeger, Projektleiterin

Michael-Vogel-Str. 1 b, 91052 Erlangen

Tel. 09131/89 74 44, Fax -49

Email: andrea.seeger@access-ifd.de

Quelle:

Andrea Seeger: "Betriebliches Arbeitstraining" als Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt

Erfolgreiche Vermittlung durch den Integrationsfachdienst ACCESS gGmbh, Erlangen

zum Innerbetrieblichen Helfer bei der Firma Sympalog Speech Technologies AG, Erlangen

Erschienen in: impulse Nr. 24, Februar 2002, Seite 21-23.

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Stand: 11.07.2006

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