Berufsbegleitende Qualifizierung in Unterstützter Beschäftigung für IntegrationsberaterInnen

Konzeption und Erfahrungen des europäischen Modellprojektes der BAG UB

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 16, Juli 2000, S.11-16 impulse (16/2000)
Copyright: © Susanne Putzke, Stefan Doose 2000

Welche MitarbeiterInnen brauchen eigentlich Integrationsfachdienste?

SozialpädagogInnen, Behinderten- oder vielleicht besser BerufspädagogInnen? ErgotherapeutInnen oder HandwerkerInnen mit einer sonderpädagogischen Zusatzausbildung zur Fachkraft für Arbeit und Beschäftigung (FAB) wie in den Werkstätten für Behinderte (WfB)? VerwaltungsfachwirtInnen mit Erfahrung in der Arbeitsverwaltung oder vielleicht BetriebswirtschaftlerInnen?

Müssen Integrationsfachdienste einfach nur die Fachkräfte mit der richtigen Berufsausbildung einstellen, um diese Arbeit professionell leisten zu können?

IntegrationsberaterInnen beraten und unterstützen behinderte Menschen bei der Integration in das Arbeitsleben. Der Prozeß der beruflichen Integration ist ein vielfältiges und herausforderndes Arbeitsfeld. Es umfasst die

  • individuelle Berufsplanung

  • Erarbeitung eines individuellen Fähigkeitsprofils

  • Arbeitsplatzakquisition

  • Arbeitsplatzanalyse und Arbeitsplatzanpassung

  • Unterstützung des betrieblichen Einarbeitungs- und Qualifizierungsprozesses

weiterführende Beratung und Unterstützung der ArbeitnehmerInnen, deren ArbeitgeberInnen und KollegInnen.

Die verschiedenen Phasen des Integrationsprozesses erfordern von den IntegrationsberaterInnen jeweils spezifische Fachkompetenzen und die Einnahme unterschiedlicher Rollen in der Beratung und Unterstützung. Sie kooperieren dabei

  • mit der behinderten Person und ihrem Umfeld,

  • Institutionen wie Behinderteneinrichtungen und Behörden

  • und nicht zuletzt mit Unternehmen der Wirtschaft.

Sie müssen dazu die unterschiedlichen Denkweisen, Logiken, Sprachen, Akteure und Verfahrensweisen der sozialen Welt, der Verwaltungswelt und der Wirtschaftswelt kennen und verstehen, um angemessen und sicher in diesen unterschiedlichen Systemen handeln zu können. IntegrationsberaterInnen sind quasi VermittlerInnen und WanderInnen zwischen diesen verschiedenen Welten.

Unserer Erfahrung nach bringen bestehende Berufsausbildungen (Sozialpädagogik, Ergotherapie, Betriebswirtschaft) jeweils wertvolle Vorkenntnisse für die Integrationsarbeit. Dennoch bereitet bisher keine Berufsausbildung hinreichend auf die neue und komplexe Arbeit in Integrationsfachdiensten vor und vermittelt die notwendigen interdisziplinären und speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten. Deshalb müssen eigene berufsbegleitende Qualifizierungs- und Ausbildungskonzepte für dieses Arbeitsfeld angeboten werden.

In der Praxis fand die Qualifizierung von MitarbeiterInnen von Integrationsfachdiensten zunächst überwiegend durch "Learning by doing" statt, indem neue MitarbeiterInnen ins kalte Wasser gesprungen sind und durch "trial and error" ihre Erfahrungen gesammelt haben. Diese bis heute in einigen Diensten und Regionen verbreitete Praxis ist eine Verschwendung von personellen Ressourcen und steht im Gegensatz zu den mittlerweile in zahlreichen Modellprojekten erworbenen Erfahrungen über einen professionellen Integrationsprozess. Es wird auch von Kostenträgern mittlerweile zunehmend erkannt, dass eine systematische Einarbeitung und Fortbildung von IntegrationsberaterInnen entscheidend für den Erfolg der Integrationsarbeit ist.

Die Berufsbegleitende Qualifizierung in Unterstützter Beschäftigung für IntegrationsberaterInnen des Projektes "Unterstützte Beschäftigung 2000"

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung entwickelt zur Zeit im Rahmen des europäischen Projektes "Unterstützte Beschäftigung 2000" eine berufsbegleitende Qualifizierung in Unterstützter Beschäftigung für IntegrationsberaterInnen. Das Projekt "Unterstützte Beschäftigung 2000" wird dabei gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Rahmen des HOIZON Programmes der Gemeinschaftsinitiative Beschäftigung der Europäischen Union, der Bundesanstalt für Arbeit und das Bayrische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit und läuft vom vom 1.1.1998 bis zum 31.12.2000. Der zweite Arbeitsschwerpunkt des Projektes ist neben der Entwicklung einer berufsbegleitenden Qualifizierung für IntegrationsberaterInnen, die bundesweite Informations- und Vernetzungsarbeit von Diensten und Projekten, die Menschen mit Behinderung in Betrieben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen.

Die berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahme in Unterstützter Beschäftigung wird in Form eines bundesweiten Fernstudiums angeboten. Die Qualifizierung läuft über 16 Monate und besteht aus acht Kursmodulen, die in ein Abschlußprojekt und ein Abschlußkolloquium münden. Zu jedem Kursmodul gibt es umfangreiches Studienmaterial mit praktischen Anregungen und Aufgaben sowie ein dreitägiges Kompaktseminar. Der thematische Aufbau des Kurses folgt dabei im Kernbereich dem beruflichen Integrationsprozess. Jede TeilnehmerIn begleitet im Laufe der Qualifizierung zwei ArbeitnehmerInnen mit Behinderung exemplarisch durch den Integrationsprozeß.

Ziel der Qualifizierung ist es, den TeilnehmerInnen die für das Arbeitsfeld erforderlichen Kenntnisse und relevanten Methoden praxisnah zu vermitteln, im gemeinsamen fachlichen Austausch die bisherige Arbeitsweise zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Damit soll die professionelle Handlungskompetenz der IntegrationsberaterInnen gestärkt und die Integrationsarbeit der Dienste vor Ort konkret weiterentwickelt werden.

Die Grundkonzeption der berufsbegleitenden Qualifizierung orientiert sich an dem Diploma in Supported Employment, das in Irland von der Irish Union of Supported Employment und dem Open Training College entwickelt und von der University College Galway zertifiziert wurde. Die Inhalte der Module wurde vom Projektteam der BAG UB unter Einbeziehung vieler verschiedener ExpertInnen und PraktikerInnen aus den Integrationsfachdiensten bezogen auf die Situation in Deutschland neu gestaltet.

Der erste Durchgang der berufsbegleitenden Qualifizierung lief mit 24 TeilnehmerInnen von August 1998 bis zum Dezember 1999. Der zweite Durchgang mit 20 TeilnehmerInnen begann im August 1999 und endet im Dezember 2000. Die TeilnehmerInnen kommen aus Integrationsfachdiensten, Vermittlungsdiensten von Werkstätten für Behinderte (WfB) und Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken (BBW / BFW) aus dem ganzen Bundesgebiet.

Die TeilnehmerInnen sind überwiegend SozialpädagogInnen teils mit einer vorherigen Berufsausbildung, aber auch GruppenleiterInnen oder AusbilderInnen mit einer handwerklichen oder kaufmännischen Berufsausbildung, ErgotherapeutInnen sowie jeweils ein Betriebswirt. In beiden Kursen sind auch IntegrationsberaterInnen mit Behinderungen vertreten. Es sind sowohl BerufsanfängerInnen als auch KollegInnen mit bis zu neun Jahren Berufserfahrung in diesem Bereich vertreten. Diese Heterogenität der Lerngruppe mit der enormen Vielfalt an täglicher praktischer Erfahrung, unterschiedlichen Diensten und Einrichtungen ist eine gute Ressource für den inhaltlichen Austausch in der Gruppe. Kennzeichnend ist auch die hohe Motivation und die große Bereitschaft, die eigene berufliche Praxis zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

Kursinhalte

Die einzelnen Kursmodule folgen in ihrem inhaltlichen Aufbau im Kern dem beruflichen Integrationsprozess, wobei in den verschiedenen Modulen jeweils bewußt unterschiedliche Perspektiven eingenommen werden. In jedem Modul werden dabei sowohl die Grundhaltungen und verschiedenen Rollen der IntegrationsberaterIn reflektiert als auch relevante Kenntnisse praxisnah vermittelt und methodische Ansätze erprobt.

Modul 1: Unterstützte Beschäftigung - Grundlagen

So beschäftigt sich Modul 1 schwerpunktmäßig mit der sozialen Welt von Menschen mit Behinderungen, den Einrichtungen und Diensten der beruflichen Integration und der Entwicklung von Unterstützter Beschäftigung. (Ausgangssituation von Menschen mit Behinderung, Menschenbild, Arbeit und Arbeitslosigkeit, Entwicklung des Systems beruflichen Rehabilitation, Paradigmenwechsel, Prinzipien und methodischer Überblick des Prozesses von Unterstützter Beschäftigung, die verschiedenen Rollen der IntegrationsberaterIn))

Modul 2: Förderungsrecht und Rehabilitation in Deutschland

Im Modul 2 steht die Verwaltungswelt mit den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen, Verfahren und Kooperationsbeziehungen im Blickpunkt. (Das System des Rehabilitationsrechtes, Schwerbehindertengesetz, Arbeitsförderung, Eingliederungshilfe, Verwaltungsverfahren,

Kooperationsbeziehungen im Geflecht der beruflichen Rehabilitation)

Modul 3: Individuelle Berufsplanung

Im Modul 3 liegt der Fokus auf der arbeitssuchenden behinderten KundIn und beginnt der Integrationsprozess mit der Kontaktaufnahme und der gemeinsamen individuellen Berufsplanung mit der Abklärung und Erstellung eines Fähigkeitsprofils. (Kundenorientierte Beratungs- und Dienstleistungsangebote, Berufsorientierungs- und Berufswahlprozesse, Übergang Schule - Beruf, Persönliche Zukunftsplanung - Methoden und Praxis, Erstellung von Kundenprofilen - Erkundung von Fähigkeiten, Organisation von unterstützenden Gruppenangeboten, die Rolle der BeraterInnen, Case-Management, Moderation und Problemlösung)

Modul 4: Marketing und Arbeitsplatzakquisition

Im Modul 4 liegt der Blickpunkt auf Unternehmen als Arbeitgeber und die Frage, wie systematisch Arbeitsplätze erschlossen werden können. Neben praktischen Übungen (telefonieren, Gespräche mit ArbeitgeberInnen) werden beispielsweise Anregungen für die Erarbeitung eines Marketingplanes für den Integrationsfachdienst gegeben. (Marketing, das Positionieren des Dienstes in der Öffentlichkeit, der Arbeitsmarkt - regionale Situation und Trends, Bedenken und Motivation von Arbeitgebern, Strategien der Arbeitsplatzakquisition, Präsentation von BewerberInnen, Handlungskompetenzen der IntegrationsberaterInnen: eigene Grundhaltung im Kontakt mit Betrieben, Umgang mit Vorbehalten, Präsentieren, Telefonieren, Verhandeln mit ArbeitgeberInnen)

Modul 5: Beratung von Betrieben - Betriebswirtschaftliches Denken

Im Modul 5 geht es darum, betriebswirtschaftliches Denken und die innere Logik von Betrieben verstehen zu können. Dieses Modul ist von einem Betriebswirtschaftler geschrieben worden und das Seminar wird von einer Unternehmensberaterin durchgeführt. Es geht darum, die Brücke zwischen der sozialen und betrieblichen Welt schlagen zu können und dabei Unterschiede aber auch Anknüpfungspunkte zu erkennen. Dazu werden beispielsweise Methoden der professionellen Unternehmensberatung vorgestellt und erprobt. (Betriebswirtschaftliches Denken, Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse, Personalentwicklungskonzepte, Arbeitsorganisation, Arbeitsplatzanalyse, Erkundung der Kultur des Betriebes, (Er)findung und Entwicklung von Arbeitsplätzen im Betrieb, Rolle der IntegrationsberaterInnen: Personalberatung und Personaldienstleistung)

Modul 6: Qualifizierung und Coaching im betrieblichen Integrationsprozeß

Im Modul 6 steht die direkte Unterstützung des betrieblichen Integrationsprozesses im Vordergrund. Die Stärke des Ansatzes der Unterstützten Beschäftigung ist die betriebliche Nähe. Die direkte Unterstützung der betrieblichen Lern- und Qualifizierungprozesse, das Coaching der behinderten ArbeitnehmerIn und die Unterstützung des betrieblichen Umfeldes während der Einarbeitungsphase stehen hier im Vordergrund. (Lernort betrieblicher Arbeitsplatz, Strategien und Methoden der Unterstützung im Arbeitsprozess: Förderung von Arbeitsfähigkeiten, sozialen Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen, Planung und Entwicklung geeigneter Unterstützungsstrategien, Arbeitsplatz und -anforderungen modifizieren, Entwicklung von Hilfsmitteln und Einsatz technischer Hilfen, Förderung der kollegialen Unterstützung am Arbeitsplatz, Rolle der IntegrationsberaterIn im betrieblichen Qualifizierungsprozess, Coachingkonzepte in der Personalentwicklung)

Modul 7: Erhalt des Arbeitsplatzes - Beratung, Kooperation und Krisenintervention

Im Modul 7 liegt der Schwerpunkt der notwendigen Unterstützung der behinderten ArbeitnehmerIn, des Unternehmens und des Umfeldes, um den Arbeitsplatz dauerhaft zu erhalten und berufliche Weiterentwicklung zu fördern. (kontinuierliche Unterstützung für behinderte ArbeitnehmerInnen und Unternehmen, Beratung in unterschiedlichen Kontexten, Aufbau von Unterstützungsnetzwerken, Kooperationsstrategien, Krisenmanagement, Umgang mit Kündigungen, Förderung der beruflichen Weiterentwicklung, Karriereplanung, Kontaktpflege, Ablösungsprozesse)

Modul 8: Qualitätsmanagement und Projektentwicklung - Lernende Organisationen

Im Modul 8 gerät der Integrationsfachdienst ins Blickfeld. Wie kann die Dienstleistung im Dialog mit den verschiedenen Kundengruppen (Menschen mit Behinderungen, Unternehmen, Kostenträger) profiliert und weiterentwickelt werden? Welche Qualitätsstandards sollen für die Arbeit des Dienstes gelten und wie werden sie überprüft? Welche Bereiche sollten (als Konsequenz des Kurses) in nächster Zeit verbessert werden? Wie ist die permanente Weiterentwicklung des Dienstes sichergestellt? (Qualitätsmanagement, Dokumentation, Qualitätsstandards, Projektarbeit, Organisationsentwicklung, Innovationsmanagement, Umgang mit Widerständen, Weiterentwicklung in Unterstützter Beschäftigung)

Dieser inhaltliche Bogen hat sich nach unserer Einschätzung bewährt. Unter der Mitarbeit von vielen Fachleuten und PraktikerInnen haben wir den Versuch gemacht, so etwas wie die "beste Praxis" in Integrationsfachdiensten zu beschreiben und vielfältige Anregungen zusammenzutragen. Wir verstehen dies als kontinuierlichen Entwicklungsprozess. Die Studienmaterialien sind deshalb im Laserdruck erstellt worden und können jederzeit verändert werden. So sind beispielsweise im Hinblick auf die erweiterte Zielgruppe von Integrationsfachdiensten im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung das Spannungsfeld von behinderungsübergreifender und behinderungsspezifischer Unterstützung noch stärker auszuarbeiten oder die neuen gesetzlichen Regelungen und Vereinbarungen aufzunehmen.

Wir wollen dies zusammen mit der FernUniversität Hagen und einem fachlichen Beirat mit allen Beteiligten in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Dazu benötigen wir begrenzte finanzielle Ressourcen, um diese notwendige Weiterentwicklungsarbeit während der nächsten Jahre auch leisten zu können.

Studienelemente

Der organisatorische und konzeptionelle Rahmen der berufsbegleitenden Qualifizierung hat sich nach Einschätzung aller Beteiligten sehr bewährt. Die berufsbegleitende Qualifizierung besteht aus folgenden methodischen Komponenten:

Das Studienmaterial

Zu jedem Kursmodule gibt es umfangreiche schriftliche Studienmaterialien, die praxisnah in das jeweilige Thema einführen. Sie sind als interaktive Lernmaterialien konzipiert und enthalten Fallbeispiele, praktische Arbeitsmaterialien, weiterführende Hinweise, vertiefende Literatur sowie Reflexions- und Praxisaufgaben. Die schriftlichen Studienmaterialien wurden von den TeilnehmerInnen als sehr wertvolles Lern- und Arbeitsmaterial für die berufsbegleitende Qualifizierung als IntegrationsberaterIn sowie als Ideengeber und bleibendes Nachschlagewerk für ihre berufliche Praxis eingestuft.

Praxis- und Arbeitsaufgaben

Zu jedem Modul gibt es eine schriftliche Praxis- oder Arbeitsaufgabe, die auf die Anwendung und Übertragung der Modulinhalte in die konkrete berufliche Praxis zielt.

Eigene Fallarbeit

Im Laufe der Qualifizierung soll jede Teilnehmerin zwei Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermitteln und durch die gesamten Phasen des Integrationsprozesses begleiten. Exemplarisch sollen hierbei die Inhalte der Qualifizierung umgesetzt und der jeweilige Prozeß sowie die Arbeitsweise dokumentiert und reflektiert werden. Auf den Kompaktseminaren gibt es außerdem regelmäßig eine Einheit in der die praktische Fallarbeit mit KollegInnen besprochen wird.

Praxisseminare

Zu jedem Modul findet ein dreitägiges Kompaktseminar statt. Diese Seminare dienen der inhaltlichen Vertiefung und der praktischen Übung der Modulinhalte. Wichtige Funktion der Seminare ist darüber hinaus der fachliche Austausch, die Reflexion der praktischen Arbeit und die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als IntegrationsberaterIn. Die Seminare finden jeweils von Donnerstag bis Samstag statt und bilden neben den schriftlichen Studienmaterialien das unverzichtbare Kernstück der Qualifizierung.

Regionale Studiengruppen

Zwischen den Kompaktseminaren finden selbstorganisierte Treffen in regionalen Studiengruppen statt. Sie bieten den TeilnehmerInnen untereinander die Möglichkeit, die Kursinhalte und Praxisaufgaben gemeinsam zu reflektieren, die Arbeit der anderen Teilnehmer teilweise vor Ort kennenzulernen und kollegiale Beratung bei Problemfällen in der Praxis zu leisten. Die regionalen Studiengruppen erhalten zu jedem Modul Diskussionsanregungen bzw. vorbereitende Aufgaben für das nächste Praxisseminar. Die Studiengruppen bilden neben den Kompaktseminaren die soziale Komponente der Qualifizierung.

Tutoren, kontinuierliche Seminarbegleitung

Als wichtige Komponente hat sich eine kontinuierliche Seminarbegleitung durch die ganze berufsbegleitende Qualifizierung erwiesen. Die ReferentInnen und Inhalten können so optimal aufeinander abgestimmt werden und die TeilnehmerInnen erhalten durch den gesamten Prozeß eine kontinuierliche Begleitung, die sie als TutorIn bei den Praxisaufgaben unterstützt und Rückmeldung gibt, auf den Seminaren und im Rahmen einer telefonischen Hotline bei Fragen und Problemen zur Verfügung steht.

Sinnvoll wäre es in Zukunft, wie bei anderen Schulungskonzepten (z.B. Maatwerk) üblich, auch direktes Coaching der MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz anbieten zu können. Wir hatten dies im Rahmen des Modellprojektes geplant, konnten es aber aufgrund der begrenzten Kapazitäten nicht anbieten.

Praktikum

Die TeilnehmerInnen machen im Rahmen der Qualifizierung ein einwöchiges Praktikum in einem anderen Integrationsfachdienst in Deutschland oder einem entsprechenden Supported Employment Projekt im Ausland, um eine andere Praxis kennenzulernen.

Abschlußprojekt und Kolloquium

Die Qualifizierung mündet in ein Abschlußprojekt, das der inhaltlichen Weiterentwicklung der eigen Arbeit dienen soll. Das Abschlußprojekt hat sich aus Sicht der TeilnehmerInnen sehr gelohnt, da es die Möglichkeit bot, das in der Qualifizierung Gelernte noch einmal persönlich auf den Punkt zu bringen und in einem für die eigene Praxis relevanten Bereich umzusetzen und weiterzudenken.

Die Qualifizierung endet mit einem abschliessenden Kolloquium.

Zertifikat

Die erfolgreiche Teilnahme an der Qualifizierung wird durch die Teilnahme an den Praxisseminaren, die schriftliche Bearbeitung der Praxis- und Arbeitsaufgaben, das Abschlussprojekt und das abschliessende Kolloquium nachgewiesen. Die TeilnehmerInnen erhalten bei erfolgreicher Teilnahme ein Zertifikat der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung. Eine Kooperation und gemeinsame Zertifizierung mit der Fernuniversität Hagen ist geplant.

Unterstützung durch den Arbeitgeber

Für die berufsbegleitende Qualifizierung hat sich eine schriftliche Erklärung der ArbeitgeberIn als sinnvoll erwiesen, in der die Unterstützung und Freistellung für das Studium der Kursmaterialien, insbesondere für die Fallarbeit, die Praxisaufgaben und das Abschlußprojekt sowie die Teilnahme an den Kompaktseminaren und dem Praktikum zugesagt wird.

Unsere Erfahrungen - Was hat sich bewährt?

Bewährt hat sich nach unserer Einschätzung und den Rückmeldungen der TeilnehmerInnen

  • das Grundkonzept einer berufsbegleitenden, praxisnahen Qualifizierung

  • die Kombination von schriftlichen Studienmaterialien und Praxisseminaren

  • der inhaltliche Aufbau mit der Orientierung am Verlauf des Integrationsprozesses und den verschiedenen Blickwinkeln

  • die praktische Fallarbeit

  • die kontinuierliche Seminarbegleitung

  • das Abschlußprojekt

  • die bundesweite und gemischte Zusammensetzung der Teilnehmergruppe aus verschiedenen Institutionen (IFD, WfB, BBW, BFW)

Die berufsbegleitende Qualifizierung hat nach übereinstimmender Rückmeldung der TeilnehmerInnen bewirkt, dass sie

  • ihre Grundeinstellung und Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen und ihrer Aufgabe neu durchdacht haben

  • sich in ihrer fachlichen Kompetenz, Selbstbewußtsein und Identifikation mit ihrer Aufgabe gestärkt sehen

  • einen guten Gesamtüberblick über das System der beruflichen Rehabilitation, das methodische Vorgehen in Unterstützter Beschäftigung und entsprechende Projekte bekommen haben

  • ein fundiertes Fachwissen für ihr Arbeitsgebiet erworben haben

  • viele konkrete Ideen und Verbesserungen in ihrer Praxis direkt umsetzen konnten und so die Qualität ihrer Arbeit verbessert haben

  • auf dem aktuellen Stand der Fachdiskussion sind

  • und ein gutes bundesweites Netzwerk entwickelt haben.

Die Entwicklung der berufsbegleitenden Qualifizierung war in den letzten zweieinhalb Projektjahren ein Kraftakt an dem neben dem BAG UB Projektteam, viele engagierte ReferentInnen, ModulautorInnen und kritischen LeserInnen und zwei tolle TeilnehmerInnengruppen beteiligt waren. Die Rückmeldungen der TeilnehmerInnen bestärken uns, dass es Sinn macht, diesen Weg weiterzugehen.

Zukünftige Entwicklung

Die berufsbegleitende Qualifizierung soll auch nach Abschluss des Projektes weiter angeboten, ausgebaut und weiterentwickelt werden. Wir planen eine Kooperation mit der FernUniversität Hagen. Diese Kooperation beinhaltet:

  • Wissenschaftliche Begleitung und kontinuierliche Weiterentwicklung der berufsbegleitenden Qualifizierung für IntegrationsberaterInnen

  • Beitrag zur Professionalisierung von Integrationsberatung

  • Zusätzliches Modul "Grundlagen der Förderung und Beratung" (Studienmaterial, Einsendeaufgabe, Abschlusspüfung)

  • Zertifizierung der Qualifikationsmassnahme als weiterbildendes Studium nach §90 Hochschulgesetz NRW

  • Anerkennung als Studienleistung in der strukturierten Weiterbildung bzw. im Magisterstudiengang der FernUniversität (Lehrgebiet Heil- und Sonderpädagogik)

Ziel ist es, gemeinsam einen Beitrag zur Professionalisierung und Weiterentwicklung des Bereiches beizutragen und die Anerkennung dieses neuen Bereiches zu fördern.

Es wird in Zukunft auch darauf ankommen, die entsprechenden Kenntnisse und Methoden bereits in grundständige Ausbildungs- und Studiengänge auf verschiedenen Ebenen einfliessen zu lassen (z.B. als Studienschwerpunkte in das Studium der Sozialpädagogik, Berufspädagogik- oder Behindertenpädagogik, in die Ausbildung der zukünftigen Fachkräfte für Arbeit und Beschäftigung (FAB) in der WfB oder in der Ergotherapeutenausbildung).

Im Rahmen des neuen zielgruppenübergreifenden europäischen Programmes Equal, indem die berufliche Integration von allen Benachteiligtengruppen (benachteiligte Jugendliche, Frauen, Migranten, behinderte Menschen) gefördert werden soll, könnte mit entsprechenden Partnern auch zusammengetragen werden, welche methodischen Ansätze sich im jeweiligen Bereich bisher bewährt haben. In Norwegen wird beispielsweise zur Zeit mit großem Erfolg Unterstützte Beschäftigung als berufliches Integrationskonzept für straffällig gewordene Jugendliche angeboten.

Meiner Ansicht nach gibt es viele methodische Elemente (individuelle Berufsplanung, individuelle Arbeitsplatzakquisition, betriebsnahe Qualifizierung, Coaching im Betrieb nach der Arbeitsaufnahme), die sich zielgruppenübergreifend bewährt haben, während bestimmte Elemente zielgruppenspezifisch sind (Situation der Zielgruppe, Umfeld, Netzwerk der beteiligten Institutionen, gesetzliche Regelungen, spezieller Unterstützungsbedarf). Wenn dies einmal systematisch aufgearbeitet wird, könnte sowohl völlig neue modulare Aus- und Fortbildungskonzepte für Integrationsberatung sowie eine neue Theorie und Praxis der Vermittlung, Qualifizierung und Begleitung von benachteiligten Personen am Arbeitsmarkt entstehen.

Fazit

IntegrationsberaterInnen brauchen spezielle und qualifizierte Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, da es sich um ein neues, interdisziplinären und komplexes Arbeitsfeld handelt, dass von keiner bestehenden Berufsausbildung abgedeckt wird. Einzelne Seminare und Crashkurse (1-2 Wochen am Anfang) können eine erste Einführung sein, ersetzen aber eine entsprechende berufsbegleitende Zusatzqualifikation nicht. Die berufsbegleitende Qualifizierung für IntegrationsberaterInnen bietet durch das Fernstudienkonzept die Möglichkeit, sowohl bundesweit als auch regional entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für IntegrationsberaterInnen durchzuführen und z.B. die Einarbeitung von IntegrationsberaterInnen in Integrationsfachdiensten prozeßbezogen zu begleiten. Die bestehende Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote für IntegrationsberaterInnen müssen in den nächsten Jahren gemeinsam weiterentwickelt werden und finanzielle Ressourcen für Aus- und Fortbildung bereitgestellt werden. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich diese Investition lohnt.

Kontakt:

siehe Impressum

Susanne Putzke Leiterin der BAG UB Qualifizierung

Stefan Doose Geschäftsführer BAG UB

***

Quelle:

Susanne Putzke, Stefan Doose: Berufsbegleitende Qualifizierung in Unterstützter Beschäftigung für IntegrationsberaterInnen. Konzeption und Erfahrungen des europäischen Modellprojektes der BAG UB.

Erschienen in: impulse Nr. 16 / Juli 2000, S.11-16

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 12.06.2006

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