Berufsbegleitende Qualifizierung in Unterstützter Beschäftigung

Erfahrungsbericht einer Berufsanfängerin

Autor:in - Ingrid Stumpf
Themenbereiche: Kultur, Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 16, Juli 2000, S.17-18 impulse (16/2000)
Copyright: © Ingrid Stumpf 2000

Berufsbegleitende Qualifizierung in Unterstützter Beschäftigung

Die Weiterbildung ist nun seit einem halben Jahr beendet, ein guter Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, was nützlich war und was ich in meine Arbeit integriert habe. Doch zuerst ein Blick auf allgemeine Aspekte der Qualifizierung, die hilfreich für mich waren:

Durch die Vielzahl von Personen, die ich nun regelmäßig traf und die aus unterschiedlichen Bundesländern kamen, unterschiedliche Professionen hatten und bei den unterschiedlichsten Trägern angestellt waren, lernte ich sehr schnell sehr viel. Ich erfuhr vieles über die allgemeinen Strukturen und Arbeitsweisen der KollegInnen aus Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken oder den Werkstätten für Behinderte, alles Kooperationspartner in meiner alltäglichen Arbeit. Ich hatte zudem regelmäßig Gelegenheit zur Diskussion und zum Austausch mit anderen. Dies war eine große Sicherheit für mich, denn hier hatte ich einen Ort, wo ich für die tausend Fragen und Unsicherheiten, die mit dem Berufseinstieg verbunden sind, Antworten und Hilfestellung bekam. Genauso war ich von Beginn an gefordert, mich mit konträren Haltungen und Arbeitsstrukturen anderer Integrationsdienste kritisch auseinanderzusetzen, was sehr hilfreich dabei war, eine eigene Haltung zu dieser Arbeit zu entwickeln. Die anfängliche Vermittlung von Basis- und Grundsatzwissen, wie den Prinzipien im Umgang mit-/ in der Haltung zu behinderten Menschen (Unterstützung statt Fürsorge oder Fähigkeits statt Defizitorientierung) ermöglichte mir, mich schon sehr bald in der regen Landschaft der LAG´s, BAG´s, Initiativen, Verbände und Ämter und deren Philosophien zu orientieren.

Zu der Frage der Umsetzung von Anregungen, die ich in dieser Weiterbildung bekam, möchte ich mich in Form einer Auflistung äußern, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

Bei der beruflichen Integration von Behinderten auf den ersten Arbeitsmarkt handelt es sich um ein komplexes Aufgabengebiet. Dies spiegelt sich allein in der gleichberechtigten Präsenz zweier KundInnengruppen wieder; den Menschen mit Behinderung und den Arbeitgebern, KundInnengruppen, wie sie unterschiedlicher manchmal nicht sein können. Durch die Qualifizierung wurde ich dabei unterstützt, mich mit den unterschiedlichen Erwartungshaltungen und den damit verbundenen Rollen in meiner Arbeit auseinanderzusetzen und meine Flexibilität im Denken, in meiner Sprache und in meinem Verhalten zu erweitern. Wie bei allen Modulen, die vermittelt wurden, erhielt ich hierfür sowohl theoretische, wie praktische Anregungen. Ich lernte z.B. verschiedenste Methoden der Akquise kennen, darunter die Variante, als Erstkontakt einen Betrieb direkt aufzusuchen. Insbesondere im Bereich Einzelhandel hat sich diese Methode bewährt. Ohne die Experimentierfreude und den Erfahrungsaustausch, die in dieser Weiterbildung entstanden sind, hätte ich es vermutlich bis heute nicht als sinnvoll erachtet, auf diese Art und Weise zu akquirieren.

Der Erfolg eines Dienstes hängt nicht unwesentlich von der Qualität seiner Außendarstellung ab, wie Erreichbarkeit (z.B. Mindestausstattung durch einen Anrufbeantworter), Infobroschüren und medienwirksamer Öffentlichkeitsarbeit. "Was ist das besondere unseres Dienstes"; "Wodurch sind wir gut?"; "Was ist interessant für Arbeitgeber?" sind Fragen, die den Blick auf das professionelle Angebot lenken und weg von dem Selbstverständnis der Bittstellerin für eine gute Sache. Für die berufliche Integration scheint mir dieses Selbstverständnis der Dienstleistung das Erfolg versprechende. Die Qualifizierung bot die Möglichkeit Präsentationsmaterialien verschiedenster Fachdienste zu vergleichen und zu analysieren. Der Integrationsfachdienst Kassel hat z.B. die Anregung aufgegriffen, eine Präsentationsmappe für neu akquirierte Arbeitgeber zu entwickeln, in der vermittelte Personen und deren Arbeitgeber vorgestellt werden. Neue Arbeitgeber erhalten hierdurch sowohl einen Eindruck von der Variationsbreite möglicher Arbeitsplätze, als auch Informationen über andere Betriebe aus der Region, die sich bereits bei der Integration Schwerbehinderter engagieren.

Durch eine Vielzahl von Rollenspielen war es möglich, das eigene Handlungsspektrum zu reflektieren und zu erweitern. Zum Beispiel war die fähigkeitsorientierte Präsentation einer Kundin bei einem Arbeitgeber, die die KundIn dennoch vor überhöhten Ansprüchen des Arbeitgebers schützt, eine wichtige Übung. Als Berufsanfängerin habe ich besonders davon profitiert, Beratungs- und Akquisestrategien anderer Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu beobachten und selbst auszuprobieren. Dies war auch deshalb möglich, weil die Atmosphäre der Qualifizierung wenig von Konkurrenz, sondern vor allem von Austausch und vom einem Klima des miteinander Lernens geprägt war. Hierzu haben Leitung und Teilnehmende gleichermaßen beigetragen.

Insbesondere für die Beratung von Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung und für junge Arbeitsuchende hat die Qualifizierung viele Anregungen geboten. Arbeitspapiere und Übungen für eine spielerische Klärung der Arbeitsmotivation oder der Interessen und Fähigkeiten kommen in unserem Fachdienst häufig zum Einsatz. Besonders die Anregung, Personen mit in die Begleitung hinein zunehmen, die die KundInnen bei der Arbeitsuche unterstützen können, erlebe ich als große Entlastung. Bei der Arbeit mit Unterstützergruppen können die Fähigkeiten und Grenzen der KundIn deutlicher heraus gearbeitet werden und die Potentiale mehrerer Personen werden für den Integrationsprozess genutzt.

Professionelle Integrationsarbeit zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass Arbeitsinhalte und Arbeitsergebnisse überprüfbar und kritisierbar sind. Die theoretische und praktische Auseinandersetzung im Modul Qualitätssicherung und Organisationsentwicklung war sehr förderlich für unseren Dienst. Als relativ neuer Integrationsfachdienst ist die Gefahr sehr groß, sich ausschließlich auf die inhaltliche Arbeit und deren Gelingen zu konzentrieren. Genauso wichtig ist es jedoch, in Abständen einen Schritt zurückzutreten, um festzustellen, was gut läuft und wo Entwicklungspotentiale liegen, bzw. Veränderungen/Ergänzungen notwendig sind. Hierfür hat die Weiterbildung Bewusstsein geschaffen und viele praktische Anregungen geliefert.

Zum Abschluss möchte ich noch ein Wort der Kritik anfügen. Ich fand es zwar sehr gelungen, die Module der Qualifizierung inhaltlich an die verschiedenen Abschnitte eines Integrationsprozesses anzulehnen, doch viele meiner anfänglichen Schwierigkeiten haben sich nicht nur aus methodischen Fragen, wie Erstellung des Fähigkeitsprofils oder Qualifizierung am Arbeitsplatz ergeben, sondern waren Fragen, die sich auf meine Beraterinnenrolle bezogen. Die Zuständigkeit für Menschen mit Schwerbehinderungen aller Art, der Umgang mit starken Differenzen bei der Selbst- und Fremdwahrnehmung oder die Unsicherheit bei der Verantwortung, den ich für den Integrationsprozess habe/ nicht habe, diese Fragen erörterte ich weniger in den Modulen, als in den Pausen. Meines Erachtens sollte die Förderung der Beratungskompetenz und die Bearbeitung schwieriger Beratungssituationen noch stärker in die Qualifizierung einbezogen werden. Eine Verlängerung der Qualifizierung auf 24 Monate hielte ich hierbei für sinnvoll.

Insgesamt jedoch hat diese Qualifizierung, die fast gleichzeitig zu meiner Einstellung begann, meine Verortung und mein Selbstverständnis als Integrationsberaterin stark vorangetrieben. Es war so sehr viel schneller möglich, mich in dieser Arbeit zu orientieren und Professionalität zu entwickeln, als es ohne die Qualifizierung möglich gewesen wäre. Natürlich war es auch eine enorme Anstrengung, das soll ebenfalls erwähnt werden. Es ist aufreibend, sich in einen neuen Arbeitsbereich einzuarbeiten und die Zusammenarbeit mit neuen Kolleginnen und Kollegen zu gestalten. Genauso, wie die Qualifizierung einen großen Beitrag geliefert hat, diesen Prozess zu erleichtern, hat sie ihn auch erschwert. Die Teilnahme bedeutete, sich intensiv auf mehr als 20 Personen einzulassen und ein erhebliches Maß an Freizeit zu opfern, um an den Modulen teilzunehmen und die Berge an Literatur zu bewältigen.

Kontakt:

Sozialtherapie Kassel e.V. Integrationsfachdienst - Berufsbegleitender Dienst

Ingrid Stumpf, Motzstr. 4, 34117 Kassel

Tel.: 0561 78982-0, Fax: 0561/78982-70

eMail: bbd@sozialtherapie-ks.de

Quelle:

Ingrid Stumpf: Berufsbegleitende Qualifizierung in Unterstützter Beschäftigung. Erfahrungsbericht einer Berufsanfängerin

Erschienen in: impulse Nr. 16 / Juli 2000, S.17-18

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 17.02.2005

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