Die Voraussetzungen für erfolgreiche Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt müssen rechtzeitig und verläßlich zur Verfügung stehen

Diskussionsvorlage

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 14, Dez. 1999 impulse (14/1999)
Copyright: © Peter H. Schwenkglenks 1999

Inhaltsverzeichnis

Eingangsstatement

Meine Damen und Herren, über 160.000 Menschen mit Behinderungen werden derzeit in Werkstätten für Behinderte in Deutschland beschäftigt. Die überwältigende Mehrheit dieser Menschen verwirklicht dabei einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe, da die wenigsten von ihnen über so hohes Einkommen oder mehr als 45.000 DM Vermögen z.B. aus Schadenersatz oder Erbschaft verfügen, um die vom Werkstattträger in Rechnung gestellten Kosten selbst bezahlen zu können. Auch diejenigen stellen eine sehr kleine Minderheit dar, die ihre Werkstattbeschäftigung aufgrund von Ansprüchen gegenüber anderen Sozialleistungsträgern realisieren.

Da die überörtlichen Träger der Sozialhilfe auch vor Einführung des individuellen Rechtsanspruches den auf die Werkstatt für Behinderte angewiesenen Menschen mit Behinderungen die Beschäftigung in den Werkstätten bezahlten, gab es und gibt es praktisch keine Wartelisten und damit Vollbeschäftigung aller auf die Werkstatt für Behinderte angewiesenen Menschen, die Beschäftigung dort auch wollen. Dies stellt eine arbeitslosen Menschen mit Behinderungen aber auch Teilen der interessierten Öffentlichkeit nur schwer vermittelbare Tatsache dar. Der wesentliche Grund hierfür liegt nicht im Unterstützungsbedarf bei der Arbeit allein, sondern im hohen alltäglichen Unterstützungs- und Hilfebedarf der meisten bei der möglichst eigenverantwortlichen Lebensgestaltung und einer sinnhaften Tagesstruktur.

Aufnahmevoraussetzung für die Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte ist, daß wegen Art oder Schwere der Behinderung arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen mit dem Ziel der Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in Betracht kommen. Hierüber ist in jedem Einzelfall im Fachausschuß an der Werkstatt unter Beteiligung der Vertreter der Arbeitsverwaltung und der Sozialhilfeträger zu beraten und vom zuständigen Leistungsträger eine Entscheidung zu treffen. Diese kann nur positiv ausfallen, wenn wegen Art oder Schwere der Behinderung die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht, noch nicht oder noch nicht wieder möglich ist. Dabei ist dem Trainings- und Arbeitsbereich der Werkstatt als teilstationäre Einrichtung zur Eingliederung Behinderter in das Arbeitsleben in Zweifelsfällen ein Eingangsverfahren vorgeschaltet, dessen Aufgabe es in diesen Zweifelsfällen ist, festzustellen, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Eingliederung in das Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche berufsfördernden und ergänzenden Maßnahmen zur Rehabilitation für den Behinderten in Betracht kommen. Im Trainingsbereich der Werkstatt für Behinderte besteht Anspruch auf berufsfördernde Bildungsmaßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeit in das Arbeitsleben unter Einschluß angemessener Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Behinderten gegenüber den Trägern der beruflichen Rehabilitation und das heißt meist gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit. Rechtzeitig vor Beendigung der berufsfördernden Bildungsmaßnahmen hat der Fachausschuß gegenüber den zuständigen Sozialleistungsträgern eine Stellungnahme dazu abzugeben, ob die Teilnahme an einer anderen oder weiterführenden berufsfördernden Bildungsmaßnahme eine Beschäftigung im Arbeitsbereich der Werkstatt oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zweckmäßig erscheint.

Mindestens zweimal muß also das Ergebnis fachlicher Prüfung und Beratung die Weiche in Werkstatt für Behinderte gestellt haben, bevor Menschen mit Behinderungen Beschäftigte der WfB werden. Erstmals bevor überhaupt die Aufnahme in eine Werkstatt für Behinderte vorgeschlagen wird und das zweite Mal während der berufsfördernden Bildungsmaßnahmen im Trainingsbereich der Werkstatt. Soll dies Ergebnis zugunsten einer Tätigkeit auf dem allg. Arbeitsmarkt vermieden werden, müssen die Voraussetzungen für erfolgreiche Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt so rechtzeitig und verläßlich zur Verfügung stehen, daß trotz Art und Schwere der Behinderung der allgemeine Arbeitsmarkt erreicht werden kann. Integrationsfachdienste der Bundesanstalt für Arbeit wie der Hauptfürsorgestellen, aber auch Initiativen aus Ihrer Mitte haben gezeigt, daß Alternativen zur Werkstatt für Behinderte auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei entsprechenden Unterstützungsmaßnahmen erschlossen werden können, wenn auch die Schwäche des Arbeitsmarktes deutliche Grenzen für alle Arbeitslosen setzt.

Auch der Übergang von Beschäftigen im Arbeitsbereich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist durch geeignete Maßnahmen der Werkstatt zu fördern, insbesondere auch durch zeitweise Beschäftigung auf ausgelagerten Arbeitsplätzen. Dabei hat die Werkstatt die notwendige arbeitsbegleitende Betreuung in der Übergangsphase sicherzustellen und darauf hinzuwirken, daß der zuständige Sozialleistungsträger seine Leistungen und nach dem Ausscheiden des Behinderten aus der Werkstatt die Hauptfürsorgestelle die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben erbringen. Entsprechend den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe gehören diese Maßnahmen in das Pflichtenheft der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen der überörtlichen Träger der Sozialhilfe mit den Trägern der Werkstätten. Die Förderung zum Übergang gelingt auch in Einzelfällen, hängt aber ganz entscheidend von dem Zusammenwirken der Werkstatt mit der Bundesanstalt für Arbeit, der Hauptfürsorgestelle, ggfs. leistungsfähigen und motivierten Fachdiensten und aufgeschlossenen Betrieben bei der zur verläßlichen Gestaltung und Begleitung des Arbeitsverhältnisses ab.

Von zahlenmäßig wesentlich größerer Bedeutung ist derzeit jedoch noch die Arbeit auf ausgelagerten Werkstattplätzen in Betriebsstätten dritter. Viele Werkstattbeschäftigte arbeiten in von der Werkstatt als Betriebsteil geführten Kantinen oder anderen Dienstleistungsbereichen von Betrieben oder Behörden sowie als Gruppe mit der Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung der Werkstatt für Behinderte in den Betriebsräumen und an den Maschinen des Auftraggebers der Werkstatt für Behinderte an der Erledigung des eingeworbenen Auftrages. Um Mißbrauch zu vermeiden, hat sich der Fachausschuß an der Werkstatt regelmäßig mit solchen besonderen Formen der Werkstattbeschäftigung auf unbefristete Zeit und im Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt kritisch zu befassen. Hier gelingen öfter Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht wenige Menschen mit Behinderungen, die auf ausgelagertem Arbeitsplatz in Betrieben tätig waren und dort ihre Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit praktisch bewiesen hatten, wurden vom Arbeitgeber in ein Arbeitsverhältnis meist mit längerfristiger Unterstützung der Arbeitsverwaltung und der Hauptfürsorgestellen übernommen. Diese Erfahrungen sind im Sinne rechtlicher und finanzieller Absicherung verstärkter Bemühung zur Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt rechtlich umzusetzen. Daran arbeiten Bundesregierung und Bundestag im Rahmen eines SGB IX und Schwerbehindertengesetz. Die Bundesanstalt für Arbeit muß sich aktiver um die verstärkte Beschäftigung Schwerbehinderter auch im Übergang aus Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bemühen dürfen und dafür die nötigen finanziellen Mittel haben. Auch die Ausgleichsabgabe soll Integrationsfachdienste und ggfs. Integrationsfirmen als zusätzliche Instrumente zur Eingliederung von Menschen mit bestimmten Behinderungen auf- und ausbauen können und verläßlich mitfinanzieren. Das Ziel muß sein, mit solchen beschäftigungsfördernden Instrumenten die überproportionale Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen nachhaltig abzubauen und auch Menschen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung derzeit ohne verläßliche zusätzliche Maßnahmen nicht vermittlungsfähig sind, und auch diejenigen, die derzeit auf die Beschäftigung in der Werkstatt für Behinderte angewiesen sind, eine faire Chance der Integration auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu eröffnen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe hat Vorschläge zu Reformen in ihren Bereichen unterbreitet. Hierzu gehört auch die Prüfung leistungsgesetzlicher Regelungen zur Ablösung von Leistungsansprüchen, die den Nachrangsprinzipien der Sozialhilfe zu entsprechen haben. Die Sozialhilfeträger würden zur Finanzierung ihre Haushaltsmittel aus Steuern einbringen. Der Arbeitsbereich der WfB wäre für solche Neuregelung ein Einstieg.

von Peter H. Schwenkglenks, Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe

Quelle:

Peter H. Schwenkglenks: Die Voraussetzungen für erfolgreiche Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt müssen rechtzeitig und verläßlich zur Verfügung stehen - Diskussionsvorlage

Erschienen in: impulse Nr. 14 / Dezember 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 16.02.2005

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