Für Behinderte wie Nichtbehinderte sollte in ganz Deutschland ein "Recht auf Arbeit" gelten!

Autor:in - Jochen Schäfer
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 11, Jän. 1999 (Titelseite) impulse (11/1999)
Copyright: © Jochen Schäfer, 1999

Für Behinderte wie Nichtbehinderte sollte in ganz Deutschland ein "Recht auf Arbeit" gelten!

Auch Menschen mit Behinderungen wollen in das allgemeine Erwerbsleben eingegliedert werden. "Wir sind schließlich auch normal!" Denn wer oder was ist schon "normal" bzw. "behindert"? Den Prototyp des "Normalen" oder "Behinderten" gibt es nicht. Jeder Mensch ist anders und hat seine besonderen Fähigkeiten. Es gibt bestimmte "Normen", die von der Gesellschaft festgesetzt werden. Dies gilt für das Berufsleben genauso wie für den Freizeitbereich. Wer sich nicht an diese Normen hält, wird in diesem bestimmten Punkt von der Außenwelt als "Behinderter" abgestuft. Doch gibt es ebenso "normale Behinderte" wie "behinderte Normale". Den Menschen, denen man eine Behinderung nachsagt (egal ob eine Körper-, Sinnes-, psychische oder geistige Behinderung), sagt man automatisch nach, daß sie beruflich eingeschränkter seien als andere nichtbehinderte ("normale") Menschen. Das mag für manche Berufe zwar stimmen, aber auch jeder Nichtbehinderte ist nicht für jeden Beruf geeignet und auch jeder behinderte Mensch ist in einem bestimmten Bereich oft mehr als andere imstande, gleichwertige, ja manchmal sogar bessere Arbeiten zu verrichten.

"Behindert ist man nicht, behindert wird man" oder anders gesagt: "Behinderung ist auch normal!" Das Modell der Unterstützten Beschäftigung sieht vor, daß jeder Mensch, egal welche Behinderung er hat, die Unterstützung erhält, die er benötigt, um in einem Betrieb arbeiten zu können. Man will individuell Berufsfelder für Menschen mit Behinderungen erschließen. Einen Menschen mit einer erheblichen Behinderung hätte man früher "automatisch" in die Werkstatt "abgeschoben" (ob er wollte oder nicht), damit er Brot und Arbeit hat und was besonders als Motiv betont werden, muß der Außenwelt nicht zur Last fällt! Bei einem solchen Menschen spielt für die Außenwelt nur sein Defizit, sprich seine Behinderung die Hauptrolle. Was aber nun, wenn dieser Mensch den dringenden Wunsch äußert, nicht in einer Werkstatt, sondern woanders (draußen) arbeiten zu wollen?

Die Außenwelt begegnet solchen "Wunschvorstellungen" mit äußerster Skepsis. Zunächst gerade in heutiger Zeit - steht die Kostenfrage im Vordergrund. Dann fragt man sich oft, ob der Betreffende die an ihn bei dieser gewünschten Tätigkeit gestellten Anforderungen überhaupt erfüllen kann. Die Praxis hat jedoch gezeigt, daß Menschen, die eine bestimmte Tätigkeit ausüben wollen, die die Außenwelt "normalerweise" mit "unmöglich" abgetan hätte, diese Tätigkeit mit großem Erfolg verrichten, die vor allem sie selbst zufriedenstellt und einen hervorragenden Ersatz ,für das "monotone" Arbeitsleben in einer Werkstatt sein kann. Doch sind solche Fälle, bei denen über die Unterstützte Beschäftigung eine Integration ins normale Arbeitsleben erfolgreich war, noch immer die Ausnahme. Viel häufiger kommt es vor, daß die Verwirklichung solcher Vorhaben an den Vorurteilen oder Kostenargumenten der Außenwelt scheitern. "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." So steht es seit dem 15.11.1994 im Grundgesetz. Aber gilt dieser Satz auch PRAKTISCH für Deutschland?! Solche Wünsche müssen vor allem von den anderen Menschen (die sich für "normal" halten) ernst genommen werden. Man muß mit den Betroffenen ins Gespräch kommen, um ihnen das Für und Wider ihrer Vorstellungen klar zu machen, aber auf sachlicher, kollegialer und vor allem gleichberechtigter Ebene, und nicht gleich mit der Grundeinstellung "Das wird nichts". Auf der Jahrestagung der BAG UB im Mai habe ich gehört, daß die Betriebe, die unterstützt arbeitende Menschen angestellt hatten, höchst zufrieden mit deren Arbeitsleistungen waren und sind. In einigen Fällen war es sogar gelungen, diesen Menschen ihren Berufswunsch vollständig zu erfüllen. "I want my Dream" und ich möchte ernst genommen werden.

Und wann haben Sie die ersten behinderten Kolleginnen in Ihrem Betrieb?!

Jochen Schäfer Unterstützter Arbeitnehmer bei spectrum e.V - Marburg

Quelle:

Jochen Schäfer: Für Behinderte wie Nichtbehinderte sollte in ganz Deutschland ein "Recht auf Arbeit" gelten!

Erschienen in: impulse Nr. 11 / Jän. 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 16.02.2005

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation