Betriebliche und außerbetriebliche Unterstützung

Positionspapier des EUSE-Toolkit

Autor:in - EUSE
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 55, 4/2010, Seite 25-27. impulse (55/2010)
Copyright: © EUSE 2010

Betriebliche und außerbetriebliche Unterstützung

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Das Bereitstellen von hochwertiger betrieblicher und außerbetrieblicher Unterstützung ist für viele Menschen mit Behinderungen und anderen Benachteiligungen entscheidend für das Erlangen und Erhalten von bezahlter Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Betriebliche und außerbetriebliche Unterstützung ist die 5. Phase im 5-Phasen-Prozess[1] der Unterstützten Beschäftigung. Wirkungsvolle betriebliche und außerbetriebliche Unterstützung ist das Kernelement von Unterstützter Beschäftigung und unterscheidet diese von üblichen Arbeitsvermittlungen und außerbetrieblichen beruflichen Bildungsmaßnahmen.

Dieses Positionspapier stellt die Position des Europäischen Dachverbandes für Unterstützte Beschäftigung (EUSE) bezüglich Unterstützung im Arbeitsprozess dar. Dieses Positionspapiers ist Teil des sogenannten Werkzeugkoffers für Unterstützte Beschäftigung, der im Rahmen eines Leonardo-Projektes von 2008-2010 von der EUSE erarbeitet wurde. Das Material steht in Englisch und einer deutschsprachigen Version für Österreich auf der Homepage der EUSE unter www.euse.org zur Verfügung. Eine auf die deutschen Verhältnisse angepasste Version wird Anfang 2011 zur Verfügung stehen.

Hintergrund

Unterstützte Beschäftigung begann mit der Erkenntnis, dass die Methoden des "zuerst Qualifizieren, dann Platzieren" wenig zur Integration von Menschen mit Behinderungen ins normale Arbeitsleben beitrugen. Mit der Entstehung der Strategie des "Platzieren-Qualifizieren-Erhalten" legte sich der Schwerpunkt auf eine Qualifizierung im realistischen Kontext eines Unternehmens mit Hilfe eines Job Coachs anstatt in einer außerbetrieblichen Einrichtung. Die zunächst übliche Praxis von Unterstützter Beschäftigung im anglo-amerikanischen Raum war es, Einzelne zu platzieren und durch systematische, verhaltenstherapeutisch orientierte Trainingsverfahren im Betrieb zu qualifizieren, wobei mitunter der Unternehmenskultur und der verfügbaren kollegialen Unterstützung wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Durch die Weiterentwicklung und die Ausdehnung von Unterstützter Beschäftigung auf eine größere Anzahl von Arbeitsuchenden mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen war auch eine Weiterentwicklung der Unterstützung im Arbeitsprozess nötig, um den Beschäftigungsbedürfnissen der verschiedenen Gruppen von Arbeitsuchenden auch weiterhin gerecht zu werden.

Unterstützte Beschäftigung sollte heute eine große Bandbreite von betrieblichen und außerbetrieblichen Unterstützungen zu Verfügung stellen können, welche auf die jeweiligen ArbeitnehmerInnen mit Behinderungen, die KollegInnen und das Unternehmen zugeschnitten werden. Die ArbeitnehmerInnen werden unterstützt an der normalen betrieblichen Einführung und Einarbeitung teilzunehmen. Unterstützung am Arbeitsplatz ist mehr als direktes Qualifizieren am Arbeitsplatz. Unterstützung am Arbeitsplatz hilft den KollegInnen die neuen Angestellten so weit wie möglich selbst auszubilden und zu unterstützen, dem Unternehmen, innerbetriebliche Abläufe auch für Personen mit Behinderung oder Benachteiligungen zugänglich zu machen und den ArbeitnehmerInnen eine neue professionelle Rolle zu übernehmen und ihr Potential zu entwickeln.

Die Themen

Obwohl die individualisierte Unterstützung am Arbeitsplatz für viele Personen mit Behinderung der Schlüssel für das Erlernen und das Erhalten des Jobs am allgemeinen Arbeitsmarkt ist, sind die finanziellen Mittel für diese Unterstützung am Arbeitsplatz oft sehr limitiert. In vielen Ländern ist es nicht möglich, eine intensivere Unterstützung am Arbeitsplatz zu erhalten und üblicherweise ist die Zeit der Begleitung begrenzt. Das Ausmaß der erforderlichen Unterstützung ist oft zu Beginn des neuen Jobs höher und kann in vielen Fällen systematisch über die Zeit reduziert werden. Kontinuierliche Unterstützung sollte aber bei Bedarf der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitgebers verfügbar sein, da dies nachweislich ein Erfolgsfaktor im gesamten Prozess ist, ohne den der Verlust des Arbeitsplatzes riskiert wird[2]. Oft ist es sehr schwierig für notwendige längerfristige Unterstützung am Arbeitsplatz eine Förderung zu erhalten, während andererseits die lebenslange Unterstützung in einer Werkstatt für behinderte Menschen problemlos finanziert wird. Die kontinuierliche Unterstützung am Arbeitsplatz ist oft auf Krisenintervention verkürzt und ist nicht als Unterstützung des Beschäftigten konzipiert, die ihm eine Teilhabe an Ausbildung und beruflicher Entwicklung ermöglichen würde.

Diese Art der Begleitung von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung, von KollegInnen und Unternehmen braucht verschiedene Ausformungen im Hinblick auf die betroffenen Personen, die Zielgruppe und die Unternehmenskultur um erfolgreich zu sein. Als sich Unterstützte Beschäftigung bezüglich der Zielgruppen erweiterte, bedurfte das Angebot der betrieblichen und außerbetrieblichen Unterstützung ebenfalls einer Entwicklung, um weiterhin den Anforderungen von ArbeitnehmerInnen mit unterschiedlichen Beinträchtigungen und Unternehmen gerecht zu werden. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass effektive Unterstützung am Arbeitsplatz mehr ist als einfach ein Besuch am Arbeitsplatz. Sie beinhaltet hilfreiche, informative sowie emotionale Begleitung und Rückmeldung. Einige ArbeitnehmerInnen brauchen vermehrt Unterstützung, um im Unternehmen neue Aufgaben zu lernen und bevorzugen eine regelmäßige Begleitung durch MitarbeiterInnen der Unterstützten Beschäftigung. Andere haben eine hochwertige Qualifikation brauchen aber Unterstützung um die neue professionelle Rolle zu übernehmen und um mit Problemen mit KollegInnen umzugehen. Sie bevorzugen deshalb eine Unterstützung außerhalb des Unternehmens.

Darüber hinaus variiert das Ausmaß der Unterstützung, das am Arbeitsplatz verfügbar sein sollte, von Unternehmen zu Unternehmen. Unterstützung am Arbeitsplatz dient sowohl den Bedürfnissen der ArbeitgeberInnen als auch der ArbeitnehmerInnen mit Behinderung, wodurch es manchmal zu einem Konfl ikt bei der Zielsetzungen kommen kann. Es ist ein Balanceakt die Anforderungen der Unternehmen wahrzunehmen und die Anpassung und Veränderungen anzuleiten, die eine erfolgreiche Beschäftigung von Menschen mit Behinderung erst ermöglichen.

Das Erscheinen eines Job Coachs an einem Arbeitsplatz kann KollegInnen irritieren und den Menschen mit Behinderung stigmatisieren. Einige Beschäftigte, z. B. mit psychischen Problemen oder früheren Suchtmittelmissbrauch wollen ihre Probleme den ArbeitgeberInnen und KollegInnen nicht immer eröffnen. Die Möglichkeiten der natürlichen Unterstützung im Betrieb von KollegInnen, bzw. von Familienmitgliedern und anderen Betroffenen werden einerseits leider nicht immer systematisch erkundet und genutzt. Andererseits kann es schwierig und nicht hinreichend sein, alleine auf die Unterstützung von KollegInnen angewiesen zu sein. Dies kann über kurz oder lang zu einer Überforderung der KollegInnen führen.

Die verfügbare Unterstützung in der beruflichen Integration ist oft strikt auf die Arbeit betreffende Themen begrenzt. Die Stabilität von ArbeitnehmerInnen am Arbeitsplatz ist von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, die ebenfalls von IntegrationsberaterInnen in Kooperation mit den anderen PartnerInnen berücksichtigt werden müssen.



[1] Für weitere Informationen zu den 5 Phasen des Prozesses der Unterstützten Beschäftigung siehe auch EUSE (2005) Europäischer Dachverband für Unterstützte Beschäftigung - Informationsbroschüre & Qualitätsstandards (http://www.euse.org/resources/publications/EUSE%20Information%20Brochure%20-%20German.pdf )

[2] Doose, S. (2007): Unterstützte Beschäftigung - Berufl iche Integration auf lange Sicht. Lebenshilfe Verlag, Marburg und Corden, A./ Thornton, P. (2002): Employment Programmes for Disabled People - Lessons from research evaluations. Department for Work and Pensions In-house Report, Social Research Branch, Department for Work and Pensions, London.

Position des Europäischen Dachverbandes für Unterstützte Beschäftigung

Inhaltsverzeichnis

Kernelement von Unterstützter Beschäftigung ist es die verschiedenen betrieblichen und außerbetrieblichen Unterstützungen anzubieten, die es der jeweiligen ArbeitnehmerIn ermöglichen, eine geschätzte MitarbeiterIn zu werden und zu bleiben. Job Coaching und Unterstützte Beschäftigung stellen eine professionelle Strategie dar, die auf ArbeitnehmerInnen, KollegInnen und ArbeitgeberInnen abzielt. Es ist wichtig, dass die Rolle des Job Coachs für alle beteiligten Parteien sehr klar und transparent ist. Unterstützung am Arbeitsplatz ist ein interaktiver Prozess, die die ArbeitnehmerInnen erfolgreich unterstützt neue Rollen zu übernehmen und ihre berufliche und persönliche Entwicklung weiter zu verfolgen. Unterstützung am Arbeitsplatz soll den Unternehmen helfen Diversity (Vielfalt) in ihren Unternehmen zu fördern und erfolgreich mit Personen mit verschiedenen Fähigkeiten und Unterstützungsbedarf zusammen zu arbeiten. Unterstützung am Arbeitsplatz und technische Hilfsmittel sollten unauffällig sein und in die Unternehmenskultur passen, kollegiale Unterstützung sollte ermutigt und ermöglicht werden.

Ein personenzentrierter Aktionsplan sollte die unterschiedlichen gemeinschaftlich erbrachten betrieblichen und außerbetrieblichen Unterstützungen abstimmen. Ein barrierefreier Aktionsplan, der auf dem in einer früheren Phase des Prozesses erstellten Fähigkeitsprofi l einer Person sowie einer Analyse des Arbeitsplatzes und der Unternehmenskultur basiert, sollte die Ausbildung und die Unterstützungsleistung begleiten. Die Qualifizierung und Unterstützung der ArbeitnehmerInnen müssen zweckentsprechend sein und die Selbständigkeit am Arbeitsplatz und Weiterentwicklung fördern.

Der Job Coach sollte mit ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen bevorzugte Qualifizierungsmaßnahmen und Lernansätze, Adaptierungen und Unterstützungsstrategien festlegen, die den individuellen Bedürfnissen entsprechen und in die Unternehmenskultur passen. KollegInnen und UnternehmerInnen sollten aktiv an dem Prozess teilhaben und die notwendige Anleitung erhalten, um die neuen MitarbeiterInnen erfolgreich zu integrieren. KollegInnen können als MentorInnen für die neuen MitarbeiterInnen fungieren und sie im Unternehmen unterstützen sowie als Kontaktperson für den Job Coach zur Verfügung stehen.

Die ArbeitnehmerInnen sollen persönliche und systematische Unterstützung erhalten, um Arbeitsaufgaben zu lernen und durchzuführen und um sich erfolgreich in das Arbeitsteam zu integrieren. Beschäftigte sollten unterstützt werden um an den "typischen" Einführungen, Einarbeitungen und Betriebsabläufen teilzuhaben.

Jobmodifikationen, Arbeitshilfen und Adaptierungen können wirksame Mittel zur Anpassung des Arbeitsplatzes sein und helfen diesen für den Beschäftigten so zugänglich wie möglich zu machen. Job Coachs sollten deshalb allgemeine Kenntnisse über solche technischen Hilfsmittel, potentielle Leistungsträger für Anpassungen oder Spezialausstattung haben.

Unterstützung und Qualifizierung sollten flexibel und für die Entwicklung von Beziehungen innerhalb und außerhalb des Arbeitsplatzes einsetzbar sein sowie die Teilhabe an sozialen Ereignissen und Aktivitäten mit KollegInnen auch außerhalb der Arbeit einbeziehen.

Es ist wichtig, für ein regelmäßiges Feedback unter den beteiligten PartnerInnen zu sorgen. Job Coachs sollten als MediatorInnen zwischen ArbeitnehmerInnen, ArbeitgeberInnen und KollegInnen fungieren können. Im Falle von Schwierigkeiten ist die schnelle Reaktion des Job Coachs erforderlich und die Unterstützung der beteiligten Parteien, um das Problem so früh wie möglich zu lösen. Regelmäßiger Kontakt und eine vertrauensvolle persönliche Beziehung mit den unterstützten ArbeitnehmerInnen, KollegInnen und UnternehmerInnen ist die Basis für eine erfolgreiche Unterstützung durch den Job Coach.

ArbeitnehmerInnen sollten unterstützt werden, Arbeitsbedingungen entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen, einen regulärer Arbeitsvertrag sowie Möglichkeiten zur Weiterbildung und zum beruflichen Aufstieg aushandeln zu können. ArbeitnehmerInnen sollte Unterstützung zur Teilnahme an innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Weiterbildungen sowie an beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten angeboten werden. Unterstützung und Assistenz sollte auch für Beschäftigte zur Verfügung stehen, die in eine bessere Position im Unternehmen oder an einen anderen Arbeitsplatz wechseln wollen.

Die Unterstützung sollte für die ArbeitnehmerInnen und das Unternehmen so intensiv und so lange wie notwendig bereitgestellt werden. Der Unterstützungsbedarf von MitarbeiterInnen mit Behinderungen verschwindet nicht mit ihrer Integration ins Unternehmen. Nachdem eine intensive betriebliche oder außerbetriebliche Unterstützung nicht mehr nötig ist, sollte der Job Coach eine Vereinbarung über die weitere Zusammenarbeit abschließen. Der Job Coach sollte mit ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn in Kontakt bleiben, weil dies eine wirksame Methode zur Krisenprävention ist und die Möglichkeit bietet neue Arbeitsplätze basierend auf guter Zusammenarbeit und Partnerschaft mit dem Unternehmen zu erschließen. ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen sollten, wann immer es nötig ist, den Fachdienst kontaktieren können.

Schlussfolgerungen

Eine gute betriebliche und außerbetriebliche Unterstützung ist ein Kernelement der Unterstützten Beschäftigung und macht diese zu einer erfolgreichen Methode, um für Menschen mit Behinderung eine bezahlte Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erlangen und zu erhalten. Studien belegen, dass unterstützte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen dauerhafter sind als nicht unterstützte. Dennoch sind Förderungen in vielen europäischen Ländern für längerfristige betriebliche Unterstützung sehr begrenzt bzw. nicht verfügbar. Diese muss aber bedarfsgerecht zur Verfügung stehen, um positive Effekte von betrieblicher und außerbetrieblicher Unterstützung vollständig nutzen zu können.

Quelle:

EUSE: Betriebliche und außerbetriebliche Unterstützung. Positionspapier des EUSE-Toolkit

Erschienen in: impulse Nr. 55, 4/2010, Seite 25-27.

bido k-Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 02.10.2012

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