Dafür gibt es doch Bedarf!

Portraits von ExistenzgründerInnen mit Behinderung

Autor:in - Redaktion impulse
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 49, 1/2009, Seite 36-37. Schwerpunkt: Unterstützte Beschäftigung. Konzept und Maßnahme impulse (49/2009)
Copyright: © Redaktion impulse 2009

Dafür gibt es doch Bedarf!

In der Ausgabe Nr. 45 der impulse (Heft 1/2008, S.5 f) wurde das Projekt enterability vorgestellt, das Menschen mit Schwerbehinderung bei dem Schritt in die berufliche Selbstständigkeit unterstützt. In der Reihe "Dafür gibt es doch Bedarf!" stellen wir Menschen mit Behinderung vor, die den Weg in die berufliche Selbstständigkeit gewagt haben. Die Portraits der behinderten ExistenzgründerInnen sind mutmachende Beispiele, die Einblick in ein ungewöhnliches und innovatives Projekt geben.

Stahl- und Metallbau Pielsch

Siegfried Pielsch hat am 15. Juni 2008 das Unternehmen "Stahl- und Metallbau Pielsch" gegründet.

Nach einem dreiviertel Jahr kann der 50-Jährige bereits auf eine erfolgreiche Zeit zurück blicken. Allen Krisen im Baugewerbe zum Trotz hat Herr Pielsch mit der Fertigstellung von extravaganten Metall- und Aluminiumkonstruktionen eine Nische gefunden. Außerdem wartet und repariert er Türen und Fenster sowie Brandschutzanlagen. Er wird beauftragt, wenn Hauswarte mit ihrem Latein am Ende sind. Unter seinen regelmäßigen Auftraggebern sind auch einige namhafte Berliner Hotels.

Herr Pielsch hat einen Grad der Behinderung von 100. Aufgrund einer seit 1996 fortschreitenden Nierenerkrankung ist er seit 5 Jahren dialysepflichtig. Für den gelernten Metallbaumeister heißt das, dass er drei Mal pro Woche für sechs Stunden eine Auszeit nehmen muss. Die Dialyse findet immer zu festen Zeiten statt, zu denen er keine Aufträge entgegen nehmen kann. Dies erfordert eine genaue Terminierung und Koordination der Arbeit:

"Ich gehe ganz offen mit dieser Situation um. Meine Auftraggeber wissen von der Dialyse und reagieren überwiegend positiv. Da gibt es keine Probleme."

Neben der Nierenerkrankung hat Herr Pielsch seit einem Bandscheibenvorfall vor 10 Jahren einen Wirbelsäulenschaden.

Aus diesem Grund bewilligte ihm das Integrationsamt einen Zuschuss für einen rückengerechten Bürostuhl und einen höhenverstellbaren Schreibtisch. So ist Herr Pielsch, der die Büroarbeit von zu Hause aus erledigt, in dieser Zeit entlastet. Da er keine eigene Werkstatt hat, sondern Aufträge bei den Kunden vor Ort erledigt, ist er viel mit dem Auto unterwegs. Das Integrationsamt finanzierte ihm dafür einen Autositz, den er an seine Bedürfnisse anpassen kann.

Bei der Planung seines Unternehmens wurde Herr Pielsch bei enterability in allen Fragen rund um Konzeption, Finanzplanung sowie Beantragung von Zuschüssen beraten:

"Meine Beraterin bei "enterability" hat mich bei der Vorbereitung meiner Selbstständigkeit tatkräftig unterstützt. Neben der Klärung aller betriebswirtschaftlichen und formalen Fragen, konnte ich hier auch offen über meine Behinderung sprechen."

Herr Pielschs größtes Problem ist derzeit ein typisches für erfolgreiche Unternehmer: er ist überlastet. Er sucht daher händeringend nach MitarbeiterInnen, die ihn bei der Auftragsausführung unterstützen. Gern will er Menschen mit Behinderung einstellen. Bisher hat er leider noch nicht die Geeigneten gefunden.

Kontakt und nähere Informationen

Siegfried Pielsch

E-Mail: metallbau.pielsch@web.de

Rechtsanwaltskanzlei Pamela Pabst

Pamela Pabst ist die erste von Geburt an blinde Strafverteidigerin der Bundesrepublik.

Seit dem 1. März 2007 ist sie in Berlin-Neukölln als selbständige Rechtsanwältin tätig. Sie vertritt überwiegend Privatpersonen in allen Bereichen des täglichen Lebens, so z. B. in Mietstreitigkeiten, nach Verkehrsunfällen, im Arbeits- und Sozialrecht.

Ihr besonderer Interessenschwerpunkt ist jedoch das Strafrecht. Ihr Referendariat absolvierte sie u.a. im geschlossenen Männerstrafvollzug und bei der Staatsanwaltschaft in der Abteilung für Tötungsdelikte.

Heute verteidigt die 30-Jährige auf allen Gebieten des Strafrechts - vom einfachen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht über Betäubungsmittelkriminalität und Jugendstrafrecht bis hin zu Tötungsdelikten. Darüber hinaus vertritt sie die Opfer von Straftaten vor Gericht (Nebenklage) und ist als Beistand insbesondere für Kinder als Zeugen tätig.

Von Geburt an blind, verfügt Frau Pabst noch über einen kleinen Sehrest, der es ihr ermöglicht, Farben und Umrisse zu erkennen. Für die tägliche Arbeit ist sie auf eine Arbeitsassistentin angewiesen, die ihr Akten vorliest, sie zu Gerichtsterminen und in die Haftanstalten begleitet.

Die Selbständigkeit war die einzige Möglichkeit, sich auch weiterhin mit dem Strafrecht befassen zu können, da blinde Menschen aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht Strafrichter werden können. Der Traum von einer Tätigkeit als Staatsanwältin zerplatzte trotz nachgewiesener besonderer Eignung aufgrund der Einstellungslage im öffentlichen Dienst.

Der Kontakt zu enterability entstand durch das Integrationsamt. Insbesondere bei der Erstellung des Finanzplanes und des notwendigen Businessplans war die Unterstützung sehr hilfreich. Von Vorteil war, dass die Gründerin aufgrund ihrer Tätigkeit in einer Kanzlei die organisatorischen Abläufe sehr genau kannte und wusste, welche Genehmigungen und Zulassungen zu beschaffen waren. Frau Pabst bekam zum Start in die Selbständigkeit vom Integrationsamt einen Zuschuss für einen blindengerechten PC-Arbeitsplatz.

Nach knapp zwei Jahren kann Pamela Pabst stolz sein auf eine florierende Kanzlei, mit der sie in der Zwischenzeit ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Pamela Pabst ist als selbständige Rechtsanwältin tätig. Sie vertritt überwiegend Privatpersonen in allen Bereichen des täglichen Lebens, so z.B. in Mietstreitigkeiten, nach Verkehrsunfällen, im Arbeitsund Sozialrecht.

Kontakt und nähere Informationen

Rechtsanwältin Pamela Pabst, Tel.: 030 / 70172713

E-Mail: mail@pamelapabst.de

Quelle:

Redaktion impulse: Dafür gibt es doch Bedarf!

Erschienen in: impulse Nr. 49, 1/2009, Seite 36-37. Schwerpunkt: Unterstützte Beschäftigung

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 19.08.2011

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