IntegrationsberaterIn für blinde und sehbehinderte Menschen

Unterstützungsangebote für einen besonders betroffenen Personenkreis

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: impulse Nr. 45, 1/2008, Seite 12. Schwerpunkt: Jahrestagung 2007 der BAG UB impulse (45/2008)
Copyright: © Andreas Lehmann, Bruno Kuhn 2008

IntegrationsberaterIn für blinde und sehbehinderte Menschen

In Würzburg zeigt die gute Zusammenarbeit zwischen dem Berufsförderungswerk und dem Integrationsfachdienst, dass auch große Barrieren für eine erfolgreiche berufliche Integration überwunden werden können. Auf einem Workshop wurde ein erfolgreicher Einzelfall vorgestellt.

Was hätten Sie getan? Welche Kenntnisse hätten Sie benötigt?

Das waren die Arbeitsfragen, die Andreas Lehmann vom Integrationsfachdienst Würzburg und Bruno Kuhn vom Berufsförderungswerk Würzburg als Moderatoren den TeilnehmerInnen des Workshops stellten.

Vorlaufend hatten sie den konkreten Fall des Herrn Ali T. vorgestellt Zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit dem Fachdienst für blinde und sehbehinderte Menschen war Herr T. 22 Jahre alt und hatte 3 Monate vorher eine Ausbildung als Telefonist abgeschlossen. Die berufliche, medizinische und soziale Anamnese ergab folgendes Bild:

Erblindung und spastische Lähmung nach Tumor-OP im Kindesalter; Berufsausbildung in einer Förderschule zum blinden Telefonisten; keine Berufspraktika; religiös geprägtes Elternhaus; wenig ausgeprägte soziale Kompetenzen, vergleichbar mit einem 15-jährigen Ratsuchenden ohne Behinderung; wohnhaft im strukturschwachen Raum; noch keine Sicherheit in der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel

Unter anderem das religiös geprägte Elternhaus führte dazu, dass die Mutter des Ratsuchenden Herrn T. in ihrer Nähe behalten wollte, auch um für ihn sorgen zu können. Bisher wurden von ihr alle Versuche einer Arbeitsaufnahme außerhalb des Tagespendelbereichs vom Wohnort am Untermain abgeblockt. Herr T. selbst war sich nicht sicher, ob er den Herausforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewachsen sei.

Die Diskussion in der Arbeitgruppe ergab, dass eine erfolgreiche berufliche Integration ohne die Beteiligung fachkompetenter Stellen wohl kaum möglich sein würde.

Die erfolgreiche Unterstützung in sechs Phasen

Im Workshop wurden daraufhin die unterschiedlichen realen Unterstützungsphasen der letztlich erfolgreiche Arbeitsaufnahme von Herrn T. auf dem ersten Arbeitsmarkt dargelegt.

In der ersten Unterstützungsphase unternahm der Integrationsfachdienst verschiedene Vermittlungsversuche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Arbeitsschwerpunkte waren dabei das Training sozialer Kompetenzen, Stellenakquisition sowie die Analyse von Orientierung / Mobilität für den Fall einer Arbeitsaufnahme in Wohnortferne. Auch für die Fragen der Mutter musste ein erheblicher Zeitaufwand eingerechnet werden. Die Bemühungen der ‚ersten Phase' waren nicht von Erfolg gekrönt. Letztlich stellten sich die fehlende praktische Ausbildung, die Widerstände aus dem Elternhaus gegen eine Arbeitsaufnahme außerhalb des Tagespendelbereichs und die Defizite bei der Sozialkompetenz zum damaligen Zeitpunkt als unüberwindlich dar.

Die zweite Integrationsphase fand im Berufsförderungswerk Würzburg statt. Herr T. nahm an der Maßnahme "Integration Blinder und Sehbehinderter" teil. Sie dauert ein Jahr und hat Bewerbungstraining, Training der Fach-, Sozial- und Hilfsmittelkompetenz sowie ein neunmonatiges betreutes Praktikum zum Inhalt. In dieser Phase wurde intensiv an den behinderungs- und persönlichkeitsspezifischen Einschränkungen gearbeitet. Als besonders unterstützend erwies sich eine Unterbringung im Internat und die damit verbundene Trennung vom Elternhaus.

In einer dritten Phase erfolgte erneut die Unterstützung durch den Integrationsfachdienst. Die inzwischen deutlich erfolgte Lösung vom Elternhaus ermöglichte die Erweiterung des Bewerbungsgebiets der Stellenakquisition ohne Ängste des Ratsuchenden, dass er fern des Elternhauses aufgrund seines fehlenden Sehvermögens nicht zurechtkommen würde. Das im Berufsförderungswerk begonnene Training sozialer Kompetenzen wurde fortgeführt.

In der vierten Integrationsphase übernahmen der Integrationsfachdienst und das Berufsförderungswerk Würzburg gemeinsam die Begleitung von Herrn T.. Ziel war die konkrete Unterstützung bei einem Bewerbungsverfahren in Baden-Württemberg. Durch das Berufsförderungswerk wurden Stellenangebote gesichtet, die auf das Profil von Herrn T. passen und mit Herrn T. besprochen.. Der Integrationsfachdienst bereitete dann mit Herrn T. das Vorstellungsgespräch vor und begleitete ihn dorthin. Fachdienst und Bildungseinrichtung setzten in dieser Phase arbeitsteilig das Training sozialer Kompetenzen fort.

Sehr intensive Unterstützung wurde in Phase fünf notwendig, nachdem Herr T. die Stellenzusage bekam. Dabei ging es vorrangig um die Verlegung des Lebensmittelpunktes von Herrn T. In dieser Phase wurde Herr T. durch den Fachdienst begleitet. Am Anfang stand die Suche und Einrichtung einer geeigneten Wohnung und die Suche einer Übergangswohnmöglichkeit in einer Pension. Für den Arbeitsweg wurde ein Fahrdienst organisiert, bis das Orientierungs- und Mobilitätstraining auf dem Weg zur Arbeit und im Betrieb abgeschlossen war. Für den häuslichen Bereich wurde ein Reinigungsdienst engagiert und der Pflegebedarf ambulant abgesichert. Zudem brauchte Herr T. Unterstützung in der Auseinandersetzung mit dem Eltern, die weiterhin eine auswärtige Arbeitsaufnahme verhindern wollten.

In der nachgehenden Begleitung von Herrn T. in Phase sechs leistete der Integrationsfachdienst noch Hilfe bei der Einreise der Ehefrau von Herrn T. aus der Türkei und unterstützte das Paar bei der Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, nachdem die Ehefrau von Herrn T. den Führerschein erworben hatte.

Resümee

Ohne die gute Zusammenarbeit zwischen dem Integrationsfachdienst für blinde und sehbehinderte Menschen und dem Berufsförderungswerk Würzburg wäre die berufliche Integration von Herrn T. wohl nicht erfolgreich gewesen.

Zurückkommend auf die Ausgangsfrage erforderte die Integration im dargestellten Einzelfall spezifische Kenntnisse, wie sie auch bei der Unterstützung anderer Behinderungsarten durch den Integrationsfachdienst benötigt werden. Bei den Problembereichen Orientierung / Mobilität, lebenspraktische Fertigkeiten, behinderungsspezifische Arbeitstechniken und Bildungsmaßnahmen inklusive deren Finanzierung zeigen sich Anforderungen an die Fachkompetenz der IntegrationsberaterInnen, wie sie nur in einer Spezialisierung auf diesen Personenkreis zur Verfügung stehen. Sie müssen in anders gearteten Fällen noch ergänzt werden durch Kenntnisse über behinderungsspezifische Hilfsmittel, um sie im Arbeitgeberkontakt hinsichtlich Art und Wirkungsweise kompetent erläutern zu können.

Andreas Lehmann und Bruno Kuhn arbeiten seit mehr als zehn Jahren in der Unterstützung blinder und sehbehinderter Menschen. Herr Lehmann als Fachberater im Integrationsfachdienst mit fachlichem Schwerpunkt blinde und sehbehinderte Menschen, Herr Kuhn zunächst als Fachlehrer für sehbehinderte Sozialversicherungsfachangestellte und jetzt als stellvertretender Abteilungsleiter Assessment und Mitarbeiter im Arbeitsmarktservice des Berufsförderungswerks Würzburg.

Andreas Lehmann und Bruno Kuhn

Kontakt:

Andreas Lehmann

Integrationsfachdienst Würzburg

Gutenbergstr. 7, 97080 Würzburg

Fon: 09 31 / 3 29 40 - 11

Fax: 09 31 / 3 29 40 - 501

lehmann.andreas@ifd-wuerzburg.de

www.ifd-wuerzburg.de

Bruno Kuhn

Berufsförderungswerk Würzburg

Helen-Keller-Str. 5, 97209 Veitshöchheim

Fon: 0931 / 90 01 - 133

Fax: 0931 / 3 29 40 - 105

kuhn@bfw-wuerzburg.de

www.bfw-wuerzburg.de

Quelle:

Andreas Lehmann, Bruno Kuhn: IntegrationsberaterIn für blinde und sehbehinderte Menschen. Unterstützungsangebote für einen besonders betroffenen Personenkreis

Erschienen in: impulse Nr. 45, 1/2008, Seite 12. Schwerpunkt: Jahrestagung 2007 der BAG UB

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Stand: 01.12.2010

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