Berufliche Integration von Menschen mit Behinderung in Österreich

Autor:in - Marion Presslauer
Themenbereiche: Recht, Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse, Nr. 44/2007, Seite 44-46. Bei dem Artikel handelt es sich um einen Vortrag für die Fachtagung am 13. September 2007 in Zadar (siehe auch Artikel von Ute Mank: http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-44-07-mank-qualitaet.html) impulse (44/2007)
Copyright: © Marion Presslauer 2007

Berufliche Integration von Menschen mit Behinderung in Österreich

Auch in Österreich ist es für Menschen mit Behinderung besonders schwer, einen Arbeitsplatz am ersten Arbeitsmarkt zu erlangen oder beizubehalten. Tatsächliche Leistungsschwankungen, häufig aber auch Vorurteile führen dazu, dass Unternehmen die Arbeitskraft von Menschen mit Behinderung in geringem Maße nachfragen.

Die österreichische Bundesverfassung kennt keinen Kompetenztatbestand der "Behindertenpolitik" oder "Rehabilitation", sodass auch die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung eine Querschnittmaterie ist.

Angelegenheiten der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen fallen in die Kompetenz des Bundes und werden vorwiegend vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) wahrgenommen. Auf Grundlage des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) werden vom BMSK Behindertenprogramme und Richtlinien zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung erstellt, die von den nachgeordneten Dienststellen, dem Bundessozialamt und seinen Landesstellen, umgesetzt werden. Aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderung wurde 2001 eine Beschäftigungsoffensive zur Eingliederung dieses Personenkreises in den Arbeitsmarkt gestartet. Die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt wird vom BMSK durch verschiedenste Maßnahmen unterstützt, die u.a aus den Mitteln dieser Beschäftigungsoffensive (sog. "Behindertenmilliarde") finanziert werden. Die Behindertenmilliarde wird jährlich mit ca. € 60 - 70 Mio. aus allgemeinen Budgetmitteln dotiert.

In einem kurzen Überblick möchte ich die wichtigsten (Förder-)Maßnahmen zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung in Österreich vorstellen.

1. Mobilitätshilfen

Ein wesentliches Element der erfolgreichen Integration von Menschen mit Behinderung stellen Förderungen zur Erreichbarkeit von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen dar.

Allgemein versteht man unter Mobilitätshilfen Zuschüsse zu jenen Kosten, die mit der Suche nach einem Arbeitsplatz oder der Ausübung einer Beschäftigung verbunden sind. Solche Zuschüsse können gewährt werden, wenn die behinderte Person nachweisen kann, dass ihr die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels aus behinderungsbedingten Gründen nicht möglich ist. Unter diesen Voraussetzungen können etwa Zuschüsse zur Erlangung einer Lenkerberechtigung oder zum Erwerb eines Kraftfahrzeuges gewährt werden. Für Menschen mit Sehbehinderung können die Kosten für ein Mobilitätstraining übernommen werden, das die Selbständigkeit blinder Menschen erhöhen und den Antritt bzw. die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erleichtern soll.

2. Lohnkostenzuschüsse

Unter dem Überbegriff Lohnkostenzuschüsse werden diejenigen Förderungen zusammengefasst, die Dienstgebern einen finanziellen Anreiz bieten sollen, behinderte Menschen einzustellen bzw. ihren Arbeitsplatz zu erhalten.

Integrationsbeihilfe

Stellt ein Unternehmen einen arbeitslosen Menschen mit Behinderung ein, kann diesem für die maximale Dauer von drei Jahren ein Zuschuss zu den Lohnkosten gewährt werden, die sog. Integrationsbeihilfe.

Entgeltbeihilfe

Bei aufrechtem Dienstverhältnis kann dem Dienstgeber eine Entgeltbeihilfe bewilligt werden, wenn sich herausstellt, dass die berufliche Leistungsfähigkeit des Menschen mit Behinderung im Vergleich zu einem Dienstnehmer ohne Behinderung herabgesetzt ist.

Arbeitsplatzsicherungsbeihilfe

Ist der Arbeitsplatz eines Menschen mit Behinderung letztlich gefährdet, kann dem Dienstgeber für die Zeit des Vorliegens der Gefährdung eine Arbeitsplatzsicherungsbeihilfe als Zuschuss zu den Lohn- und Ausbildungskosten gewährt werden (maximal drei Jahre).

3. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen

Ausbildungsbeihilfen

Nur die bestmögliche Ausbildung trägt zu einer optimalen Integration von jugendlichen Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt bei. Das Bundesministerium unterstützt dieses Ziel, indem für schwer behinderte junge Menschen ab dem 15. Lebensjahr sog. Ausbildungsbeihilfen geleistet werden können. Ziel dieser Maßnahme ist es, den im Rahmen einer Schul- oder Berufsausbildung entstehenden, durch die Behinderung bedingten Mehraufwand für die Dauer dieser Ausbildung abzudecken.

Qualifizierungsmaßnahmen

Durch die verstärkten Anforderungen am Arbeitsmarkt, insbesondere durch den technischen Fortschritt, ist es aber auch erforderlich, gezielte Schulungsmaßnahmen für ältere Menschen mit Behinderung zu setzen. Der Schwerpunkt der Interventionen wird bei dabei auf die Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen gelegt. Qualifizierungsmaßnahmen für ältere Menschen haben dabei im verstärkten Maße im Technologie- und Kommunikationsbereich zu erfolgen, um Zugänge zu neuen Berufssparten zu eröffnen.

4 "Integrative" Berufsausbildung

Als besonders bedeutsame und erfolgreiche Qualifizierungsmaßnahme für junge Menschen mit Behinderung kann die Berufsausbildungsassistenz im Rahmen der "Integrativen" Berufsausbildung hervorgehoben werden.

Dieses Angebot wurde für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen geschaffen, denen die Absolvierung einer "üblichen" Lehre nicht möglich ist. Durch neue Formen der Berufsausbildung können die individuellen Bedürfnisse von benachteiligten Jugendlichen ganz gezielt berücksichtigt werden. So wird die Ausbildung entweder als eine Lehrausbildung mit einer um bis zu zwei Jahren verlängerten Lehrzeit gestaltet oder es werden im Rahmen einer Teilqualifizierung nur bestimmte Teile eines Berufsbildes erlernt.

Die integrative Berufsausbildung ist durch geschulte BerufsausbildungsassistentInnen zu unterstützen und zu begleiten. Ziel der integrativen Berufsausbildung ist es, Jugendlichen mit persönlichen Vermittlungshindernissen den Eintritt in den Arbeitsmarkt auch dann zu ermöglichen, wenn ein regulärer Lehrabschlusses nicht erreicht werden kann.

5. Clearing

Förderungen für Menschen mit Behinderung werden wie beschrieben während einer Schul- oder Berufsausbildung gewährt. An der Schnittstelle zwischen Schule und Beruf fehlte für behinderte Jugendliche jedoch lange Zeit ein flächendeckendes Auffangnetz.

Die Leistung des "Clearing" dient dazu, jugendlichen Menschen mit Behinderung den bestmöglichen Übergang zwischen Schule und Beruf zu ermöglichen und die Zielgruppe an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Clearing - Teams haben dabei die Aufgabe, im letzten bzw. vorletzten Schuljahr gemeinsam mit den Betroffenen Möglichkeiten einer beruflichen Entwicklung zu erarbeiten, zu begleiten und anschließend einen Karriereplan zu erstellen. Damit soll für junge Menschen mit Behinderung ein bestmöglicher Übergang zwischen Schule und Beruf gewährleistet werden.

Die Maßnahme Clearing wurde von der Europäischen Kommission für das Jahr 2004 als "Best-practice-Beispiel" auserkoren und anschließend interessierten Europäischen Ländern vorgestellt.

6. Vermittlungsorientierten Unterstützung

Unter vermittlungsorientierter Unterstützung versteht man Leistungen der Arbeitsassistenz, des jobcoaching und der persönlichen Assistenz

Arbeitsassistenz[1]

Das Angebot der Arbeitsassistenz richtet sich sowohl an Menschen mit Behinderung, als auch an Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen bzw. beschäftigen wollen. Qualifizierte Fachkräfte unterstützen Menschen mit Behinderung bei der Erlangung von Arbeitsplätzen und bei drohendem Arbeitsplatzverlust. Des Weiteren beraten sie Dienstgeber über Fördermaßnahmen zur beruflichen Integration und führen Gespräche mit zukünftigen Vorgesetzten und Kollegen. Einrichtungen der Arbeitsassistenz für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen bestehen in Österreich in allen Bundesländern und bieten zeitlich begrenzte Begleitung auf unentgeltlicher Basis.

Auch die Arbeitsassistenz in Österreich wurde von der Europäischen Kommission als "Best-Practice" Beispiel und somit als erfolgreiche und nachahmenswerte Maßnahme für alle Mitgliedstaaten ausgewählt.

jobcoaching

Im Anschluss an die Vermittlung eines Arbeitsplatzes bietet jobcoaching Arbeitsbegleitung und Hilfe sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Durch qualifizierte Fachkräfte werden den Betroffenen etwa berufsbezogene Kenntnisse vermittelt oder Hilfestellungen zur Verbesserung der individuellen Lebenssituation geboten. Ziel ist es, Menschen mit schwerer Behinderung dabei zu unterstützen, einen erlangten Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz zu behalten.

Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz

Menschen mit schwerer Behinderung ist der Zugang zum Arbeitsmarkt sowie der Verbleib im Erwerbsleben trotz fachlicher Eignung oft erschwert. Durch die persönliche Assistenz wird Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben oder am Ausbildungsplatz ermöglicht. Sie orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen und ist jede Art von persönlicher Hilfe, die Menschen mit schwerer Behinderung brauchen, um überhaupt berufstätig sein zu können. Beispiele dafür können sein: die Begleitung am Weg zwischen der Wohnung und der Arbeitsstelle, Unterstützungstätigkeiten manueller Art oder die Assistenz bei der Körperpflege während der Diensttätigkeit.



[1] Anmerkung der Redaktion: Der Begriff Arbeitsassistenz ist in Deutschland u. a. in § 102 Abs. 4 SGB IX rechtlich definiert und unterscheidet sich inhaltlich von der Definition in Österreich. Weitere Informationen sind im Handbuch "Arbeitsassistenz" nachzulesen. Dieses steht auf der Internetseite www.arbeitsassistenz.de zum Download kostenlos zur Verfügung.

7. Transitarbeitsprojekte

Die sog. Transitarbeitsprojekte wenden sich an diejenigen Personen, die wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch nicht geeignet sind. Diese Beschäftigungsprojekte bieten die Möglichkeit einer befristeten Beschäftigung in Begleitung einer fachlich geeigneten Betreuungsperson. Ziel ist es, diese Personengruppe zu stabilisieren, um sie so in einer möglichst realen Arbeitssituation auf die Beschäftigung in der freien Wirtschaft vorzubereiten.

8. Sensibilisierung für die Anliegen behinderter Menschen, Information und Öffentlichkeitsarbeit, investive Maßnahmen

Finanzielle Zuwendungen wie die eingangs erwähnten Lohnkostenzuschüsse für Dienstgeber sollten nicht die Hauptmotivation für die Einstellung behinderter Menschen sein. Trotz beachtlicher Fortschritte sind Vorurteile gegen Menschen mit Behinderung noch immer tief im gesellschaftlichen und kulturellen Leben verwurzelt.

Um das Potenzial von Menschen mit Behinderung ausschöpfen zu können, müssen diese Vorurteile abgebaut werden. Das Bundesministerium unterstützt daher professionelle Beratungsleistungen für Unternehmen, die insbesondere rechtliche Grundlagen für die Einstellung behinderter Menschen, das Förderangebot des BMSK oder die Gestaltung von geeigneten Arbeitsplätzen umfassen.

Abschließend sollen auch noch jene vom BMSK geförderten Projekte und Maßnahmen aufgeführt werden, durch die die Zugänglichkeit behinderter Menschen zu Informationen, aber auch zur baulichen Umwelt unterstützt wird.

Zugänglichkeit im umfassenden Sinn ist eine zentrale Voraussetzung für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und ihre gesellschaftliche Teilnahme. Um eine verbesserte Zugänglichkeit von Gebäuden zu erreichen, unterstützt das BMSK die Durchführung sog. "investiver Maßnahmen". Auch hier soll durch eine mögliche Förderung ein Anreiz für Unternehmen geschaffen werden, bauliche Barrieren abzubauen (z.B. Errichtung von Rampen, Einbau von Treppenliften, Errichtung von Behindertenparkplätzen, Leitsystemen für Blinde oder schwer Sehbehinderte).

Zur Verbesserung der Zugänglichkeit von Informationen werden beispielsweise Broschüren oder Formulare öffentlicher Stellen auf ihre Verständlichkeit hin geprüft und für Menschen mit Lese- und Lernschwierigkeiten vereinfacht aufbereitet ("easy to read"). Des Weiteren wurden "Leitlinien für die Gestaltung von barrierefreien Websites" entwickelt, durch die öffentliche Stellen angeregt werden sollen, ihre Internetseiten weitgehend barrierefrei zu gestalten.

Soweit in aller Kürze der Überblick über die Maßnahmen des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) im Rahmen der beruflichen Integration. Ausführliche Informationen finden sie auf der Homepage des BMSK (www.bmsk.gv.at), Fachbereich Behinderung), über die auch ein download der den Förderungen zugrunde liegenden Richtlinien möglich ist.

Kontakt

Marion Presslauer

Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz, Fachbereich Behinderung

Stubenring

A-1010 Wien

www.bmsk.gv.at

Marion.Preszlauer@bmsk.gv.at

Quelle:

Marion Presslauer: Berufliche Integration von Menschen mit Behinderung in Österreich

erschienen in: impulse, Nr. 44/2007, Seite 44-46. Bei dem Artikel handelt es sich um einen Vortrag für die Fachtagung am 13. September 2007 in Zadar (siehe auch Artikel von Ute Mank: http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-44-07-mank-qualitaet.html)

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 09.07.2009

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