PIC -Das Projekt Integrationscoach

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: impulse Nr. 36, Dezember 2005, Seite 15 - 22. impulse (36/2005)
Copyright: © Heide Trautwein, Bernhard Schöpfer, Luz Weber, Elke Weyersberg 2005

PIC -Das Projekt Integrationscoach

Als Ergänzung zu den Integrationsfachdiensten hat der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg - KVJS - das Projekt Integrationscoach PIC entwickelt. Durch das Projekt sollen bereits praxisbewährte Ansätze gestärkt und weiterentwickelt, aber insbesondere auch neue Arbeitsweisen erprobt und etabliert werden. Zentral sind dabei eine netzwerkorientierte Arbeitsweise und der Regionalbezug. Das bedeutet unter anderem, dass nicht mit ausgewählten "Modellschulen" oder "Modelleinrichtungen" gearbeitet wird, sondern mit allen zielgruppenrelevanten Schulen und weiteren Institutionen einer Region. PIC wird von erfahrenen und geschulten MitarbeiterInnen der IFD umgesetzt, den Integrationscoachs, und vom Europäischen Sozialfond für die Dauer von drei Jahren gefördert (2005 - 2007).

Vorbemerkung

Eine grundlegende Zielorientierung der Arbeit des Integrationsamtes des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg -KVJS -ist es, möglichst vielen schwerbehinderten Menschen einen Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Dass dies unter veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch in Baden-Württemberg zunehmend schwieriger wird, zeigt ein Blick in die Statistik: Waren Ende 2002 in Baden-Württemberg ca. 15 300 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet, ist zum 30.06. 2005 bereits wieder ein Anstieg auf ca. 19 100 gemeldete Personen zu verzeichnen. Das Ziel, schwerbehinderte Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf (und um diese "Zielgruppe" geht es hier) in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln, wird also unter den Voraussetzungen einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung postuliert, deren Ende durchaus nicht absehbar ist. Andererseits wäre es aber ein all zu vordergründiges Argument, die Ermöglichung von Teilhabe mit dem Hinweis auf konjunkturelle Entwicklungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben: Noch immer wechseln weit mehr als 90% der geistig behinderten SchülerInnen nach Ableistung der Schulpflicht in eine Werkstatt für behinderte Menschen/WfbM (Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und ihrer Teilhabe vom 16.12.2004, S.72). Zugleich sind diese Jugendlichen als KlientInnen der Integrationsfachdienste im Bundesdurchschnitt nicht nur unterrepräsentiert, sondern in manchen Diensten so gut wie nicht vorhanden. Dies geht aus einer von Impulse veröffentlichten Untersuchung von Dr. Jörg Michael Kastl und Prof. Dr. Rainer Trost hervor (Impulse Nr. 34, 2005). In der Zusammenschau belegen diese Zahlen einen seit langem eingespielten Mechanismus sehr eindrücklich. Karl-Friedrich Ernst, der Leiter des Integrationsamtes des KVJS, formuliert das Problem pointiert wenn er fordert, dass es nicht akzeptabel sei, ganze Jahrgangsklassen automatisch in die Werkstätten (WfbM) abwandern zu lassen.

Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg

Dass Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt auch für schwerbehinderte Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf möglich ist, zeigen andererseits verschiedene Modelle, die seit einigen Jahren in der Praxis entwickelt und umgesetzt werden - gerade auch in Baden-Württemberg. Es gibt hier eine Reihe von Sonderschulen, WfbM und Integrationsprojekten die sich diesem Thema mit nachweisbarem Erfolg angenommen haben. Insbesondere die Gustav-Heinemann-Schule in Pforzheim (siehe Artikel von Klaus-Peter Böhringer auf Seite 3) und die Karl-Georg-Haldenwang-Schule in Leonberg können als Pioniere einer Entwicklung gelten, die durch ein von Prof. Dr. Rainer Trost von der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg begleitetes Forschungsvorhaben entscheidend geprägt worden ist. Die Schulen bereiten geeignete SchülerInnen für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vor und begleiten die Qualifizierungs- und Einstellungsphase in den Betrieben. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Entwicklung und Umsetzung individuell gestalteter Integrationskonzepte, der Vernetzung mit weiteren Schulen im lokalen Raum und der Vernetzung mit den regional zuständigen Integrationsfachdiensten (IFD). Diese integrativen Ansätze werden von den zuständigen Ministerien und der Schulverwaltung begleitet und unterstützt. Die Fachdiskussion konnte damit auch auf der Ebene der Bildungsplanung entscheidende Impulse erhalten. Vor allem aber findet über Weiterbildung und fachlichen Austausch ein Transfer in die schulische Praxis bereits landesweit statt. Die schulischen Rahmenbedingungen entwickeln sich also tendenziell in eine Richtung, die Teilhabe auch in der Arbeitswelt zunehmend begünstigt.

Auch eine weitere Entwicklung ist für die Teilhabe behinderter Menschen von Bedeutung: In Baden-Württemberg wurde Anfang 2005 die Zuständigkeit für Einzelfallhilfen, insbesondere der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, vom überörtlichen Träger auf die 44 Stadt- und Landkreise verlagert. Vieles deutet darauf hin, dass das Interesse der Kommunen an wohnortnahen und kostengünstigen Unterstützungsformen nun deutlich sensibilisiert ist. Darin liegen einerseits Risiken, aber auch Chancen. So haben bereits freie Träger öffentlich ihre Bedenken geäußert. Es wird nicht nur ein Auseinanderdriften der Versorgungsniveaus im regionalen Vergleich beklagt, sondern auch eine generelle landesweite Senkung der Leistungsstandards befürchtet. Aber nicht nur die aktuelle Haushaltslage der Kommunen und Landkreise nährt diese Befürchtungen. Der Verbandsdirektor des KVJS, Roland Klinger, verweist auf eine brisante Entwicklung: Aufgrund demografischer Veränderungen und des medizinischen Fortschritts erhöhe sich die Zahl der auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesenen Menschen jedes Jahr in Baden-Württemberg um 1.400 Personen. Ohne Änderungen im Hilfesystem müssten deshalb jährlich mindestens 40 Millionen Euro zusätzliche öffentliche Mittel bereitgestellt werden. Dabei gehe es nicht darum, eine undifferenzierte Rotstiftpolitik zu verfolgen. Der Verbandsvorsitzende, Landrat Karl Röckinger, fordert deshalb ein prinzipielles Umdenken: "Nicht das Handicap darf im Mittelpunkt der Bemühungen stehen, sondern wir müssen uns mehr als bisher auf die Entwicklung und Förderung vorhandener Fähigkeiten und Fertigkeiten jedes einzelnen behinderten Menschen konzentrieren". Mittelfristig strebe der KVJS an, den Prozentsatz der behinderten Menschen, die ambulant versorgt werden, deutlich zu steigern. Die Chance liegt also in der Entwicklung intelligenter Konzepte, die an den Kompetenzen und Selbsthilfekräften der behinderten Menschen und ihres sozialen Umfeldes ansetzen und die zugleich durch eine Vernetzung professioneller Ressourcen die erforderliche Unterstützung leisten. Eine sozialräumlich orientierte Verbesserung von Lebensverhältnissen und Unterstützungssystemen ist aber auch eine wichtige Voraussetzung, um Teilhabechancen am allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhöhen.

Strategische Ziele des Integrationsamtes des KVJS

In Baden-Württemberg konnten - im Vergleich zu anderen Bundesländern - in den vergangenen Jahren relativ viele schwerbehinderte Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf vermittelt werden. So haben in 2004 immerhin 150 geistig behinderte Menschen aus Sonderschulen oder Menschen, die in einer WfbM gearbeitet haben, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden. Das Integrationsamt des KVJS setzt hier verstärkt die Instrumente des SGB IX ein. Hierzu gehören die Beratung und Information der Arbeitgeber und finanzielle Anreize zur Einstellung schwerbehinderter Menschen, die Tätigkeit der vom KVJS beauftragten IFD sowie die Förderung von Integrationsprojekten, die ein Bindeglied zwischen dem allgemeinen Arbeitsmarkt und der WfbM darstellen. Dennoch sei die Wirksamkeit der vorhandenen und durch das SGB IX zur Verfügung stehenden Instrumentarien nicht ausreichend oder regional unterschiedlich realisiert, konstatiert Karl-Friedrich Ernst. Ein Grund hierfür dürfte in der bislang vorrangigen Nutzung der IFD durch die Bundesagentur für Arbeit liegen. Den IFD wurde überwiegend das Klientel der Agentur zugewiesen, wozu AbsolventInnen der Sonderschulen und MitarbeiterInnen von Werkstätten gerade nicht gehören. Eine weitere Ursache ist in der bislang nicht ausreichend verbindlichen Zusammenarbeit aller am Integrationsprozess Beteiligten zu sehen.

Die fachliche Strategie des Integrationsamtes des KVJS zielt darauf ab, diesen Trend zu stoppen und die Chancen für Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich zu erhöhen. Um die Wirksamkeit des "Regelinstrumentariums" zu optimieren, wird die Arbeit der IFD entsprechend fokussiert und intensiviert. Des Weiteren entwickelt der KVJS unterstützende Modellprojekte und fördert zugleich auch Projekte anderer Träger. Zielgruppe dieser Modelle sind vorrangig SchülerInnen und AbsolventInnen der Schulen für Geistigbehinderte, für die eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich erscheint, sowie wesentlich behinderte AbsolventInnen der Förderschulen, die mit den vorhandenen Möglichkeiten nicht ausreichend gefördert werden können. Bei gleicher Zielsetzung sollen unterschiedliche konzeptionelle Ansätze umgesetzt und erprobt werden. So werden im Projekt "Kooperative berufliche Bildung und Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - KoBV" erstmals bisher getrennt und nacheinander ablaufende Elemente der schulischen und beruflichen Bildung und Vorbereitung zu einem Paket gebündelt. Das regionale Projektteam besteht aus je einer MitarbeiterIn des IFD, einem Jobcoach, der von der regional zuständigen WfbM für das Projekt abgestellt wird und aus zwei LehrerInnen. Das Projekt ist an die duale Ausbildung angelehnt. Die berufsschulische Bildung erfolgt auf der Basis eines eigens für dieses Projekt entwickelten modularen Curriculums an einer regulären Berufsschule. In den Berufsvorbereitenden Einrichtungen -BVE erhalten SchülerInnen eine individuelle Förderung, welche die nachhaltige berufliche und soziale Eingliederung in gleicher Weise berücksichtigt. Strukturmaxime für die berufliche Qualifizierung ist hier das Prinzip "Erst platzieren, dann bedarfsgerecht qualifizieren". Deshalb unterstützen individuell abgestimmte Lerneinheiten gezielt und bedarfsgerecht die praktische Erprobung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts. Eine explizit netzwerkorientierte Arbeitsweise wird hingegen im Projekt Integrationscoach - PIC erprobt, das im Folgenden beschrieben wird.

PIC - Das Konzept

Den gesetzlichen Auftrag, einzelne behinderte Menschen bei ihrer beruflichen Integration zu begleiten, haben primär die IFD. PIC wurde deshalb als ein Konzept entwickelt, das die Arbeitsweise der IFD optimiert. Durch das Projekt sollen bereits praxisbewährte Ansätze gestärkt und weiterentwickelt, aber insbesondere auch neue Arbeitsweisen erprobt und etabliert werden. Zentral ist dabei eine netzwerkorientierte Arbeitsweise und der Regionalbezug (siehe unten). Das bedeutet unter anderem, dass nicht mit ausgewählten "Modellschulen" oder "Modelleinrichtungen" gearbeitet wird, sondern mit allen zielgruppenrelevanten Schulen und weiteren Institutionen einer Region. PIC wird von erfahrenen und geschulten MitarbeiterInnen der IFD umgesetzt, den Integrationscoachs, und vom Europäischen Sozialfond für die Dauer von drei Jahren gefördert (2005 - 2007).

Zielgruppe

Das Projekt richtet sich in erster Linie an SchülerInnen der Schulen für Geistigbehinderte (so die offizielle Bezeichnung in Baden-Württemberg - im Kontext dieses Artikels im Folgenden als G-Schulen bezeichnet) aber auch an SchülerInnen anderer Sonderschulen, für die eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich erscheint. Zur Zielgruppe gehören auch SchülerInnen der Förderschulen, die auf eine entsprechende Hilfestellung angewiesen sind. PIC bezieht nahe Bezugspersonen, insbesondere Eltern und weitere Familienangehörige, mit ein.

Annahmen

Das Projekt basiert auf der Annahme, dass für die SchülerInnen eine deutlich höhere Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist, wenn

  • die betroffenen jungen Menschen und wichtige Bezugspersonen frühzeitig Information und Ermutigung erhalten, um nach beruflichen Perspektiven außerhalb des gemeinnützigen Dritten Sektors zu suchen,

  • regionale Arbeitsmarktressourcen bekannt sind und für die Jugendlichen noch gezielter erschlossen werden können als dies bisher möglich war,

  • eine Begleitung der Jugendlichen unter Einbeziehung und Verknüpfung individueller und institutioneller Netzwerkressourcen ermöglicht wird.

Arbeitsweisen

Netzwerkarbeit bedeutet im Pilotprojekt Integrationscoach -PIC die systematische Kooperation mit PartnerInnen aus informellen Bezugssystemen (Familienangehörige, Nachbarn, Freunde u.a.) und formellen Bezugssystemen (MitarbeiterInnen professioneller Dienste und Institutionen). Beide Bezugssysteme sind bedeutsam: Lösungen sind im Einzelfall nur dann längerfristig tragfähig, wenn sie vom informellen Bezugssystem des Jugendlichen gestützt werden. Andererseits kann PIC schnelle und effektive Unterstützungen für einzelne Jugendliche nur dann realisieren, wenn das Projekt gut funktionierende Kooperationsbeziehungen zu solchen Institutionen aufbaut, die über relevante Ressourcen verfügen. Im Projekt Integrationscoach findet Netzwerkarbeit deshalb immer auf drei Ebenen statt:

Auf der Ebene der fallübergreifenden Arbeit geht es darum, diejenige Gruppe von Jugendlichen überhaupt erst zu erreichen, für die der allgemeine Arbeitsmarkt eine Perspektive darstellen kann. Hierzu werden Kontakte und stabile Kooperationsverfahren mit denjenigen Institutionen etabliert, die bereits mit der Zielgruppe arbeiten, also insbesondere mit G-Schulen. PIC regt die Entwicklung partizipativer Verfahren an, welche eine realistische Berufs- bzw. Beschäftigungsprognose ermöglichen und wirkt bei deren Umsetzung mit. Richtschnur ist die "Orientierungshilfe zur Berufswegeplanung im Projekt PIC". Diese sieht als zentrale Elemente insbesondere vor:

  • Frühzeitige und umfassende Information der SchülerInnen und ihrer Bezugspersonen,

  • regelmäßige Durchführung von Perspektivgesprächen in individuell gestalteten Settings für jede SchülerIn (hier geht es um die Entwicklung und Begleitung der beruflichen Perspektive unter Beteiligung aller relevanten Bezugspersonen),

  • Verzahnung von arbeitsweltbezogenen Erfahrungen und Unterrichtsinhalten und

  • Durchführung von Berufswegekonferenzen (Organisation einzelfallübergreifender Abstimmungsprozesse zwischen Schule, Anbieter von Praktikumsstellen, Agentur für Arbeit und IFD).

Diese Verfahrensweisen kann PIC allerdings lediglich anregen. Sie müssen vor Ort zwischen allen Beteiligten verhandelt und vereinbart werden. Aufgabe des Integrationscoachs ist es,

diesen Prozess zu initiieren.

Auf der Ebene der fallunabhängigen Arbeit initiiert PIC innerhalb der Region seines Zuständigkeitsbereichs ein institutionelles Netzwerk. In diesem Netzwerk sind alle Institutionen vertreten, die zur Teilhabe des Jugendlichen in seinem sozialen Umfeld und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konkrete Unterstützung anbieten können. Dies sind insbesondere die Schulen, die Agentur für Arbeit, Handwerkskammern, regionalansässige Unternehmen, Integrationsunternehmen aber auch die Stadt und Landkreise. Eine besondere Form der institutionellen Kooperation ist die lokale Netzwerkkonferenz. Die Netzwerkkonferenz soll als Plattform fungieren, die es den NetzwerkpartnerInnen ermöglicht, einzelfallübergreifend ihre Erfahrungen und ihr Wissen über Lebensverhältnisse und Problemlagen der Jugendlichen auszutauschen und gemeinsam über institutionsübergreifende Lösungen nachzudenken. Insbesondere können Netzwerkkonferenzen bei der Akquisition von Praktikums-, Ausbildungs- und Beschäftigungsplätzen unterstützend wirken, ebenso bei der Entwicklung von Beschäftigungsverbünden.

Im Kontext der fallbezogenen Perspektive informiert, motiviert und berät der Integrationscoach einzelne Jugendliche und deren Bezugspersonen. -Des Weiteren erschließt der Integrationscoach für einzelne dieser Jugendlichen Arbeits-, Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie unterstützende Hilfen die erforderlich sind, -um eine dauerhafte Integration zu ermöglichen. Dieser Tätigkeitsaspekt entspricht in seiner Zielstellung auch der Funktion der IFD. Eine neue Qualität -soll erreicht werden, indem der Integrationscoach das individuelle Beziehungsnetz (Familie, FreundInnen, Nachbarn, Semiprofessionelle u.a.) und das institutionelle Beziehungsnetz (Schule, Rehaträger, Integrationsamt und Hilfsdienste) des Jugendlichen konsequent - und systematisch untersucht und einbezieht. PIC nutzt in diesem Zusammenhang die verschiedenen Instrumente der Netzwerkerkundung. Ziel ist es, solche NetzwerkpartnerInnen zu finden und zu motivieren, die den jeweiligen regionalen und lokalen Kontext kennen und bereit sind, bei der Suche nach "maßgeschneiderten" Beschäftigungs- oder Ausbildungsarrangements mitzuhelfen oder sich an einem individuellen Unterstützungsnetzwerk des Jugendlichen zu beteiligen. So könnte z.B. ein Nachbar, der Kontakte zu einem ortsansässigen Einzelhändler hat, eine wichtige Hilfestellung geben oder ein Verwandter eines Freundes, der in einem wohnortnahen Betrieb arbeitet und dort über gute Verbindungen verfügt.

Abb. 1 Netzwerkarbeit im Projekt PIC

Regionale Umsetzung

Konzentriert auf 4 Regionen wird das Projekt in 14 Landkreisen Baden-Württembergs umgesetzt. Dies ist bedeutsam, weil so regionale Synergien genutzt werden können, um Teilhabe in einem gemeinsamen Prozess voranzubringen. Ein regionalbezogener fachlicher Austausch der Integrationscoachs findet regelmäßig statt und wird durch eine verbindliche Beratung kontinuierlich unterstützt.

Erste Erfahrungen

Die Projektarbeit wurde Anfang des Jahres 2005 aufgenommen. Dies ist ein sehr kurzer Zeitraum, um über Erfahrungen zu berichten. Dennoch konnten an allen Projektstandorten Entwicklungen angestoßen werden, die sehr ermutigend sind. Die nachfolgenden Praxisberichte wurden aus der Perspektive von Integrationscoachs der Region Stuttgart verfasst. Sie spiegeln also nicht alle Erfahrungen wieder, die bislang im Rahmen des Projekts gesammelt wurden, verweisen aber auf die an allen Projektstandorten relevanten Themen. Der Schwerpunkt der Arbeit lag in dieser ersten Projektphase ganz eindeutig im Aufbau von Netzwerkstrukturen. Netzwerkorientierte Arbeit mit einzelnen Jugendlichen wird auch in der fachlichen Begleitung und Weiterbildung der Integrationscoachs ab Herbst 2005 verstärkt Thema werden.

Projekt-Auftakt am Beispiel der Region Stuttgart

Neue Projekte brauchen für ein gutes Gelingen eine breite Öffentlichkeit, viel Unterstützung und engagierte MultiplikatorInnen. Deshalb war es unser Anliegen, ein Forum für lebendigen Austausch und Begegnung zu bieten. Die Veranstaltung sollte Mut und Interesse wecken, sich auf neue Wege und Ideen einzulassen. Um Synergien zu nutzen und möglichst viele engagierte Menschen zusammen zu bringen, planten die Projektstandorte Ludwigsburg, Stuttgart und Rems-Murr einen gemeinsamen Netzwerk-Auftakt.

Zunächst wurden alle für das Projekt als wichtig erachteten NetzwerkpartnerInnen von den lokalen Integrationscoachs ermittelt. Mit vielen wurden persönliche Gespräche geführt. Der Einladung des KVJS zur regionalen Auftaktveranstaltung folgten schließlich ca. 100 Interessierte, was von uns als großer Erfolg gewertet wurde und sicher auch auf unsere zum Teil aktive Einladung durch persönliche Ansprache zurückzuführen war.

In verschiedenen Beiträgen wurden die Projektidee und Konzeption vorgestellt. Vom Filmbericht (von Integrationscoachs selbst hergestellt), der eine gelungene Integration eines Schülers sowie eines Schülers im Praktikum aus den Perspektiven aller beteiligten KooperationspartnerInnen zeigte, über die lebendigen Schilderungen der Erfahrungen eines Arbeitgebers aus seinem Betrieb bis hin zur Podiumsdiskussion ergab sich eine anregende und motivierende Palette von Erkenntnissen. Mit seinem persönlichen und offenen Bericht aufgrund eigener Betroffenheit ermutigte der Beitrag des Unternehmers die Gäste ganz besonders. Prof. Dr. Rainer Trost (PH Ludwigsburg/FB Sonderpädagogik) berichtete von erfolgreichen Moellschulen in Baden-Württemberg, in denen ein sehr hoher Prozentsatz geistig behinderter SchülerInnen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden konnte. Weitere Untersuchungen belegen nicht nur eine deutliche Steigerung im Bereich von sozialen und kognitiven Fähigkeiten der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt Vermittelten im Vergleich zu Kontrollgruppen. Es konnte auch gezeigt werden, dass der weit überwiegende Teil dieser Menschen einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt viele Jahre behalten hat.

In der Pause übernahmen SchülerInnen der Werkstufe einer G-Schule den Catering-Service und sorgten für das leibliche Wohl der Gäste. Beim Ständemarkt hatten die TeilnehmerInnen Gelegenheit, die Integrationscoachs kennen zulernen und sich mit SchülerInnen, Arbeitgebern und ReferentInnen auszutauschen.

Gerade diese bunte und lebendige Mischung aus Theorie und Praxis, Erfahrungsaustausch und aktiver Beteiligung von SchülerInnen regte den Dialog unter den Gästen an, öffnete den Blick für bisher unbeachtete Möglichkeiten und verbreitete eine motivierende Stimmung. Die Resonanz auf die Veranstaltung war deshalb sehr positiv. Insbesondere VertreterInnen von Schulen, Werkstätten, ElternvertreterInnen, VertreterInnen der Stadt- und Landkreise sowie die Agentur für Arbeit waren zahlreich erschienen und an einer intensiveren Zusammenarbeit interessiert. Nicht ganz so zahlreich vertreten waren die Arbeitgeberverbände, dies zeichnete sich schon im Vorfeld ab. Fast alle waren jedoch im Einzelfall für eine Zusammenarbeit und generell für weitere Informationen offen.

Entwicklungen in den Landkreisen

Nach der gemeinsamen Auftaktveranstaltung waren die Wege dann unterschiedlich, auf denen das lokale Netzwerk aller für den Arbeitsmarkt relevanten Gruppen gebildet wurde. Wichtig ist gerade in der Netzwerkarbeit, auf die regionalen und bereits bestehenden Strukturen einzugehen, diese zu nutzen und weiterzuentwickeln. Im nächsten Schritt sollten engagierte, in ihren Institutionen auch einflussreiche, NetzwerkpartnerInnen für die weitere Kooperation gewonnen werden.

So hat im Rems-Murr-Kreis bereits eine erste Netzwerkkonferenz stattgefunden. Mit VertreterInnen der Sonderschulen, des Landkreises (Referat Eingliederungshilfe und Schulamt), IHK und Handwerkskammer sowie der Werkstätten wurden Erfahrungen ausgetauscht, Kooperationsmöglichkeiten und Ideen gesammelt, Handlungsansätze besprochen und erste Maßnahmen geplant, um Möglichkeiten der beruflichen Integration zu verbessern. Die TeilnehmerInnen überraschten mit ihrem großen Interesse, ihrer Motivation, einer großen Offenheit und Kreativität. Mit einzelnen NetzwerkpartnerInnen wurden weitere Kooperationen vereinbart und konkrete Schritte zur Umsetzung festgelegt, unter anderem Projektpräsentationen bei größeren Versammlungen und den verschiedenen HandwerksInnungen sowie Veröffentlichungen in den jeweiligen Fachzeitschriften der IHK und der Handwerkskammer.

In Stuttgart nahmen die PIC-MitarbeiterInnen nach der Veranstaltung zu Arbeitgeber- und anderen Verbänden erneut direkt Kontakt auf um Einzelgespräche zu führen. Das Interesse unserer GesprächspartnerInnen, sich für geistig behinderte junge Menschen einzusetzen, sowohl derjenigen, die den Kirchen nahe stehen, als auch der kirchenferneren, war ermutigend. Unterschiedlichste Kooperationsformen wurden neben der Unterstützung bei der Stellensuche ins Auge gefasst: Von der gemeinsamen Betriebsbesichtigung mit SchülerInnen und LehrerInnen in Betrieben, die Praktikumsstellen anbieten, über die Projektvorstellung bei Verbandsversammlungen bis hin zur Vernetzung mit dem Jugendprojekt eines Verbandes.

Über die Auftaktveranstaltung ist es in Ludwigsburg gelungen zum Wirtschaftsclub Ludwigsburg, einem Netzwerk in dem ca. 40 selbständige UnternehmerInnen und leitende Angestellte vertreten sind, engere Beziehungen zu knüpfen. Die ArbeitgeberInnen haben bereits zugesagt, 10 Praktikumsplätze zu schaffen und sie engagieren sich weiter für das Projekt PIC, um passende Arbeitsplätze zu finden. Verschiedene VertreterInnen des Wirtschaftsclubs Ludwigsburg sind bereit, sich dafür einzusetzen, in ihrem Umfeld weitere Verbindungen herzustellen.

Vorläufiges Resümee:

Es ist uns mit den bisherigen Netzwerkaktivitäten gelungen, sowohl AnsprechpartnerInnen in Bereichen zu gewinnen, die bisher noch nicht erschlossen waren, als auch MultiplikatorInnen zu finden, die sich in den jeweiligen Institutionen für unser Projekt stark machen.

Die Unterstützungsbereitschaft der ArbeitgeberInnen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nicht nur der "Draht" zwischen IFD und ArbeitgeberInnen muss stimmen. Häufig ist die persönliche Betroffenheit der ArbeitgeberInnen ein Erfolgsfaktor, z.B. verwandtschaftliche Beziehung zu behinderten Menschen. Eine rein ökonomische Argumentation reicht jedenfalls nicht aus, um NetzwerkpartnerInnen aus dem Unternehmerlager zu gewinnen. Es ist immer die Kombination aus sozialem und ökonomischem Mehrwert, die den Ausschlag zur Beschäftigung von behinderten Menschen gibt.

Ein lokales Netzwerk kann je nach Bedarf und Situation unglaublich vielseitig sein. Im Laufe der Zeit werden sicherlich neue NetzwerkpartnerInnen dazu stoßen, da auch neue Ideen entstehen. Alle PartnerInnen, die im Prozess der Integration wichtig sein können, werden in Betracht gezogen und miteingebunden. Je mehr die verschiedenen Ebenen von persönlichem Engagement, persönlicher Betroffenheit, Interesse für das gleiche Anliegen in diesem Prozess zusammentreffen, um so mehr kann das Netzwerk greifen und unterstützen.

Fallübergreifende Arbeit

Die Integrationscoachs treffen in der Modellregion Stuttgart sehr verschiedene Bedingungen an. Diese reichen von äußeren Unterschieden wie der Anzahl der Schulen, der Trägerschaften (öffentlich, privat) oder dem Alter (lange Tradition gegenüber Neugründung) bis hin zu Unterschieden in der pädagogischen oder weltanschaulichen Ausrichtung. Ähnliches gilt für die Landschaft der Werkstätten für behinderte Menschen. Auch das Ausmaß, in dem sich die Institutionen, die mit den SchülerInnen direkt arbeiten, vernetzt haben, differiert stark. An manchen Stellen kooperieren Institutionen bereits konstruktiv in eng geknüpften Netzwerken, während andernorts die Netzwerke noch im Entstehen sind.

Arbeit in bestehenden Netzwerkstrukturen am Beispiel der Stadt Stuttgart - Bisherige Vernetzung -

In Stuttgart gibt es seit ein paar Jahren eine sehr gute Kooperation von Sonderschulen und IFD. Aus dieser Kooperation ging der so genannte Runde Tisch hervor, bestehend aus den G-Schulen, Schulen für Körperbehinderte (offizielle Bezeichnung in Baden Württemberg -im Folgenden als K-Schulen bezeichnet), den WfbM und dem IFD. Als Gäste nehmen auch die Agentur für Arbeit und Bildungsträger für nachschulische Bildungsangebote teil, u. a. der Internationale Bund für Sozialarbeit (IB), das Christliche Jugenddorfwerk (CJD) und die Deutsche Angestellten Akademie (DAA). Der Runde Tisch ist ein Forum für Austausch und Koordination Stuttgarter Sonderschulen, Werkstätten und IFD, zum Beispiel werden Praktika der Schüler in den Stuttgarter WfbM koordiniert, Auswertungsverfahren besprochen oder Informationsveranstaltungen für Eltern über nachschulische Arbeits- und Bildungsangebote gemeinsam organisiert.

Vernetzung im Rahmen von PIC

Da die bisherige Arbeit des Runden Tisches sich nicht ausdrücklich auf die Perspektive des allgemeinen Arbeitsmarktes bezog, entschieden wir uns, in der Anfangsphase des Projekts gerade diejenigen zusammenzubringen, bei denen wir ein direktes Interesse an der Gestaltung der Wege in den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstellen können: Engagierte Eltern, SchulleiterInnen und LehrerInnen aus den G-Schulen.

Im Vorfeld führten wir zahlreiche Einzelgespräche mit SchulleiterInnen, LehrerInnen, ElternvertreterInnen und Schulamt. Dabei stießen wir auf eine über Jahre gewachsene, enge Kooperationsstruktur zwischen den G-Schulen und den K-Schulen. Die Schulen äußerten ein nachdrückliches Interesse, auch an der Gestaltung der Berufswegeplanung gemeinsam zu arbeiten. Daher entschieden wir uns, entgegen unserer ursprünglichen Absicht, auch die K-Schulen und die Schule für Sehbehinderte an unserem Arbeitskreis zu beteiligen. Es wird sicher spannend, geeignete Arbeitsformen zu finden, um den Anliegen von nun insgesamt sechs Schulen gerecht zu werden.

In Zusammenarbeit mit dem staatlichen Schulamt und unter Beteiligung des Koordinators für Sonderschulen und Förderschulen in Stuttgart hat sich der neue Arbeitskreis Ende September erstmals getroffen. Wir haben gemeinsame Strukturen und Verfahrensweisen erarbeitet, mit Hilfe derer die für den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen der SchülerInnen frühzeitig erkannt und gefördert werden. Ziel ist es, geeignete SchülerInnen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu begleiten und in passende Praktikums- und Arbeitsstellen zu vermitteln.

Es geht darum, die notwendigen Informationsflüsse zu kanalisieren, Verantwortlichkeiten festzulegen, Entscheidungsprozesse bei der Berufswegeplanung und die Art und Weise der Einbeziehung der Integrationscoachs zu regeln, sowie die Praktikums- und Stellenakquise zu organisieren. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang vorhandene persönliche Beziehungen von Schule und Elternhaus zu Betrieben bzw. zu AnsprechpartnerInnen in Betrieben. Beispielsweise ist es sicher nicht unbedingt empfehlenswert, wenn die behinderte Tochter im elterlichen Betrieb ein Praktikum macht, es spricht aber nichts dagegen, dass ein Klassenkamerad dort ein Praktikum macht.

Ausblick

Themenbezogen sollen die weiteren KooperationspartnerInnen einbezogen werden, die mit den SchülerInnen an definierten Punkten des Gesamtprozesses zu tun haben. Zum Beispiel wird die Agentur für Arbeit beim Thema Zusammenarbeit mit der Berufsberatung, die WfbM hinsichtlich der Weichenstellungen im Dreieck Schule, WfbM und allgemeinem Arbeitsmarkt ein unverzichtbarer Kooperationspartner sein.

Das Interesse der von uns angefragten Einrichtungen in Stuttgart ist sehr groß. Die Offenheit gegenüber der Thematik ist spürbar. Das Integrationsamt hat mit dem Projekt PIC in Stuttgart allem Anschein nach den "Nerv der Zeit" getroffen. Dies war nicht immer so. Ein Schulleiter verriet uns mit einem Augenzwinkern: "Vor ein paar Jahren hätten Sie sich mit Ihrem Anliegen an den Schulen die Zähne ausgebissen."

Fallübergreifende Arbeit am Beispiel einer G-Schule

Der Landkreis Ludwigsburg verfügt über drei G-Schulen. Außerdem besuchen SchülerInnen aus dem südlichen Teil des Landkreises eine G-Schule im Nachbarkreis. Kooperationen zwischen IFD und Schulen waren bislang am Einzelfall orientiert. Eine besonders intensive Form der Kooperation findet im Kontext von PIC nun mit einer Schule statt, die erstmalig eine Werkstufe einrichtet. Dies soll im Folgenden beschrieben werden.

Interessant war, dass die Schule über Dritte frühzeitig von PIC erfahren hatte und sich um eine Zusammenarbeit von Anfang an sehr bemühte. So war es möglich, recht zügig gemeinsame Absprachen zu organisieren, an denen das Lehrerkollegium, der Schulleiter und der Integrationscoach teilnahmen. Inhalt dieser Gespräche war zunächst ein Austausch der bisherigen Erfahrungen und die Sammlung von Visionen an denen die Schule ihre Arbeit künftig orientieren möchte. Im Verlauf der Sitzungen wurde das Ziel "Individuelle Auswahlmöglichkeiten für die Lebensgestaltung der Jugendlichen eröffnen" formuliert. Darunter wurde verstanden, die eingefahrene Einbahnstraße - "Aus der Schule in die WfbM" -so zu gestalten, dass jeder Schüler seiner Befähigung entsprechend "Abzweigungen" finden kann. Wie diese "Abzweigungen" ermöglicht werden können, wurde dann weiter präzisiert. Zentrale Eckpunkte sind:

Transparente und partizipative Gestaltung des Prozesses

SchülerInnen und Eltern sollen von Beginn an über die neue Entwicklung an ihrer Schule informiert und in diese einbezogen werden. Dies soll auf vielfältige Weise geschehen, z.B. bei Elternabenden, aber auch über eine öffentlich zugängliche Dokumentation der unterschiedlichen Aktivitäten z.B. durch Pinwände im Flur.

Individuelle Berufswegeplanung

Die SchülerInnen werden - unter Einbeziehung ihrer Eltern und nahen Bezugspersonen - darin unterstützt, die für sie passenden beruflichen Möglichkeiten zu erkunden. Basis ist hier eine für jede SchülerIn individuell und partizipativ gestaltete Berufswegeplanung, die mit dem Wechsel in die Werkstufe beginnt. Vorgesehen sind regelmäßige Perspektivgespräche sowie Elternabende, an denen PIC, Agentur für Arbeit und weitere Experten über Angebote informieren.

Erweiterung des Erfahrungshorizonts durch eigene Erfahrungen

Die SchülerInnen erhalten Gelegenheit, unterschiedliche Arbeitswelten kennen zu lernen. Angeboten werden schulinterne Praktika (hier ist z.B. an die Pflege der Außenanlagen oder Unterstützung der Hausmeisterin gedacht), Betriebsbesichtigungen, externe Praktika in Betrieben, Integrationsfirmen und in der WfbM. Praktika finden während der gesamten Werkstufe statt und werden entsprechend der individuellen Neigungen und Kompetenzen arrangiert.

Gegen Ende der Schulzeit kann auch ein längeres Praktikum mit dem Ziel der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis stattfinden.

Verknüpfung von Unterricht und Erfahrungen in der Arbeitswelt

Sämtliche Maßnahmen in Richtung Arbeitsmarkt -wie oben beschrieben -werden Gegenstand des Unterrichts. Das bedeutet zum Beispiel, dass nach einer Betriebsbesichtigung die Eindrücke im Klassenverbund dem Kenntnisstand der SchülerInnen entsprechend nachbereitet werden oder dass SchülerInnen nach dem Praktikum über die neuen Erfahrungen berichten und die Klasse gemeinsam z.B. darüber spricht welche Kenntnisse und Schlüsselqualifikationen bei dieser Stelle wichtig waren.

Schule und Integrationscoach entwickeln ein Dokumentationssystem, das die SchülerInnen während der Werkstufe begleitet. Hier werden Kompetenzen, Neigungen, Leistungen und Entwicklungsmöglichkeiten der SchülerInnen über einen längeren Zeitraum und aus verschiedenen Perspektiven beschrieben (SchülerInnen, LehrerInnen, Praktikumsstelle).

In der Werkstufe wird "Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln" kontinuierlich trainiert. Das Training wird verbindlicher Bestandteil des Lehrplans sein, da Mobilität ein wesentlicher Faktor für erfolgreich Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist.

Kooperation in der Akquisition von Praktikumsplätzen

Eine weitere Idee ist, einen festen Praktikumsplatz in einer Firma zu akquirieren, der dann dauerhaft von unterschiedlichen PraktikantInnen belegt werden kann. Sollte ein solcher Praktikumsplatz nicht von einer Schule allein besetzt werden können, ist daran gedacht dies in Kooperation mit anderen Schulen zu gewährleisten.

Ausblick

Mit den bisherigen Absprachen und Maßnahmen ist ein guter Grundstein für die weitere Arbeit gelegt. In der verbleibenden Zeit des Projektes wird es darum gehen, das oben beschriebene noch im Detail auszuarbeiten und dann praktische Erfahrungen damit zu sammeln. In diesem Prozess wird es vermutlich

auch zu der einen oder anderen Korrektur des zuvor Erarbeiteten kommen. Als weitere Themen, die an der Schule im Unterricht aber auch in Absprache mit den Eltern "behandelt" werden sollen, sind Wohnen, Freizeit, Partnerschaft, Bildung und Familie benannt. Diese Lebensbereiche werden an der Schule für sehr bedeutsam gehalten und hier wird sich der Bildungsplan der Schule wesentlich weiterentwickeln. Die Umsetzung des Rahmenkonzeptes der Berufswegekonferenz in Ergänzung mit den Ideen der lokalen Netzwerkkonferenz wird ein weiterer Inhalt der Arbeit im Rahmen des Projektes an dieser Schule sein.

Einzelfallarbeit am Beispiel des Schülers F. - Die Vorgeschichte -

F. war schon vor Beginn des PIC-Projektes in Betreuung des Integrationsfachdienstes mit dem Ziel einer Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Gespräch mit Schüler, Lehrer und Eltern zeigte sich, dass F. sozial sehr kompetent und vielseitig interessiert ist.

Ein Gutachten der Agentur für Arbeit bestätigte diese Eindrücke. Empfohlen wurde allerdings eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BVB-Maßnahme). Diese könne nach Abschluss der Schule zwar nicht zur Ausbildungsreife, wohl aber zur Erlangung der Arbeitsreife führen. Damit wäre der für G-Schule AbsolventInnen übliche Weg vorgezeichnet: WfbM oder BVB. Der Integrationscoach hatte jedoch den Eindruck, dass sich die Vorstellungen des Jugendlichen und seiner Familie eher auf die unmittelbare Integration in eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt richtete.

Einbeziehung des individuellen Beziehungsnetzes

Bei der Analyse des individuellen Beziehungsnetzes erwiesen sich für den erfolgreichen Fortgang der Vermittlungsbemühungen drei Personen als zentral: Zum einen ist die Mutter zu nennen, die mit großem Interesse und Tatkraft die berufliche Verselbstständigung des Sohnes unterstützte. Weiter konnte der Onkel von F., zu dessen Familie ein intensiver Kontakt besteht, als wichtige Bezugsperson identifiziert werden und der Schulfreund des Bruders, bei dem sich die Geschwister häufig in ihrer Freizeit aufhalten.

Abb. 2: F. am Arbeitsplatz

Die Mutter arbeitete unkompliziert und vertrauensvoll mit Schule, Integrationscoach und Agentur für Arbeit zusammen. Sie erwies sich bei sämtlichen Absprachen und Informationsübermittlungen als zuverlässige Kooperationspartnerin. Sie unterstützte den Sohn im Umgang mit den Behörden und nahm sich für derartige Termine auch ganz selbstverständlich bei der Arbeit frei.

Der Onkel betreibt seit kurzem einen kleinen Lebensmitteleinzelhandel. Eine Stelle konnte er in absehbarer Zeit nicht anbieten. Die Idee lag aber nahe, auszuprobieren, ob F. eine Tätigkeit, wie das Einräumen von Waren, Spass machen würde. In den Schulferien konnte F. beim Einsortieren der Waren mithelfen und war mit Begeisterung bei der Sache. Kurze Zeit später kam in der Schule die Sprache auf einen CAP-Lebensmittelmarkt, bei dem SchülerInnen aus anderen Klassen ein Praktikum gemacht hatten. F. äußerte sofort den Wunsch, es selbst auch mit einem Praktikum in einem CAP-Markt zu versuchen.

Der Haken an der Sache war die nicht ganz einfache Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Hier erhielt F. vom Schulfreund des Bruders Unterstützung. Dieser Schulfreund besitzt nämlich einen PC, der diesmal nicht für Spiele, sondern zur Sichtung der geeigneten Bus- und Bahnverbindungen eingesetzt werden konnte. Außerdem "probten" die beiden Jugendlichen die Fahrt zum CAP-Markt, wobei der Schulfreund gemeinsam mit F. nach markanten Orten und Signalen Ausschau hielt, mithilfe derer F. anschließend den Weg zum CAP-Markt allein zurücklegen konnte.

Der Weg zur Vermittlung

In Kooperation von Integrationscoach, Schule und Integrationsunternehmen (Betreiber des CAP-Marktes) konnte bald darauf ein Praktikum im CAP-Markt organisiert werden. F. sollte dort zunächst vier Wochen in der Frühschicht mitarbeiten. Die Auswertung ergab eine Eignung für den CAP-Markt, vorhandene Einschränkungen hinsichtlich Sorgfalt und Selbstständigkeit, hieß es, seien keine unüberwindbaren Hindernisse für eine erfolgreiche Arbeit im Markt. Eine Stelle sei aber derzeit nicht frei.

In der Schule fand kurze Zeit später gemeinsam mit Lehrer, Berufsberater der Agentur für Arbeit sowie dem Schüler und seiner Mutter ein Perspektivgespräch statt. Der Berufsberater bot F. eine BVB-Maßnahme im Bereich Lager/ Handel an. Der Integratinscoach übernahm die Aufgabe zu klären, ob alternativ nicht doch eine Einstellung im CAP-Markt möglich sei.

Fast gleichzeitig signalisierte das Integrationsunternehmen eine kurzfristig frei gewordene Stelle im CAP-Markt, die mit einer Werkstattbeschäftigten oder einer SonderschulabsolventIn zu besetzen sei. Daraufhin wurde ein weiteres vierwöchiges Praktikum bis Schuljahresende vereinbart. Ziel war, F. an weitere Arbeitsinhalte (z. B. Mitarbeit an der Kasse), wechselnde Schichten und Samstags-Arbeit heranzuführen. F. bekam einen realistischen Eindruck von der Arbeit im Markt und der Marktleiter konnte sich von F.'s Einsatzbereitschaft und Durchhaltevermögen überzeugen.

Der Geschäftsführer des CAP-Marktes hatte zum Auswertungsgespräch die Meinung des Marktleiters und der Vorarbeiterin eingeholt, die ebenfalls anwesend waren, und meinte lapidar: "Wir brauchen eigentlich keine sozialpädagogischen Auswertungsgespräche zu führen. Alle sind zufrieden ..." So endete das Praktikum erfolgreich mit dem Abschluss eines Probearbeitsvertrags über drei Monate mit der Option auf ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis.

Dieses Beispiel zeigt, dass der Integrationscoach eine wichtige Rolle einnimmt. Er achtet darauf, dass die Weichen richtig gestellt werden: Er ist nicht nur Akquisiteur und Begleiter beruflicher Praktika. Er achtet vor allem darauf, dass am Ende der Schulzeit die Türe zum allgemeinen Arbeitsmarkt nicht durch eine vorzeitige Einmündung des Jugendlichen in einen der vorgezeichneten Wege (BVB, WfbM) verschlossen wird.

Schlussbemerkung

Wir haben uns mit den dargestellten Erfahrungen beispielhaft auf die Modellregion Stuttgart beschränkt. Die Ausgangsbedingungen, Vorgehensweisen und Erfahrungen sind bereits in dieser einen Modellregion außerordentlich vielgestaltig. Dabei sind die Aktivitäten und Erfahrungen der drei weiteren PIC-Projektstandorte in dieser Darstellung noch gar nicht enthalten. Es steht zu vermuten, dass die Vielfalt der konkreten Ausgestaltungen im weiteren Verlauf des Projekts eher zu- als abnehmen wird.

Der regelmäßige Austausch der ProjektmitarbeiterInnen regional und überregional, verbunden mit fachlichen Inputs, ist daher unverzichtbar, um das Konzept PIC flexibel an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass es in seinen Strukturen klar erkennbar bleibt und effektiv umgesetzt wird.

Der Austausch unter den MitarbeiterInnen bietet auch die Gelegenheit, zentrale Fragestellungen für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit voranzubringen. Stellvertretend sind zwei Themenkomplexe zu nennen: Die Notwendigkeit, unbürokratische und verlässliche Rückkehroptionen in die WfbM zu bekommen, wenn trotz intensiver Begleitung eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt nach einiger Zeit unterbrochen oder beendet werden muss und die Finanzierung einer betrieblichen Qualifizierung nach Beendigung der Schule im Rahmen von PIC als Alternative zur BVB-Maßnahme, die für geistig behinderte Menschen nur in Ausnahmefällen eine Alternative zu den von der Agentur für Arbeit abgeschafften F-Lehrgängen darstellt.

PIC eröffnet durch die Verknüpfung der drei Netzwerkebenen die Chance, flexible und individuelle Lösungen zu finden. Darin liegt die besondere Qualität und Stärke des Projektes PIC. Die Vielfalt an Kontakten und Erfahrungswerten schafft ein dynamisches, weit verzweigtes Netzwerk aus vielen verschiedenen Institutionen und Einzelpersonen. Die gezielte Kooperation ermöglicht auch eine rasche Realisierung von Maßnahmen. Vor allem das regionale unabhängige Netzwerk kann hier einen großen Beitrag leisten. Hier kann die Basis für Verständnis und Unterstützung für den betroffenen Personenkreis geschaffen werden. Für den Prozess und den Erfolg der Integration ist die optimale Koordinierung ein sehr wichtiger Faktor. Auch für die Passgenauigkeit und damit die Nachhaltigkeit ist die enge Abstimmung ausschlaggebend. Ein Gewinn könnte darüber hinaus in der unbürokratischen Abwicklung durch die Kostenträger und in neuen Finanzierungsmodellen liegen. Gerade in dieser neuen Form der Zusammenarbeit können in einer Zeit wachsender ökonomischer Schwierigkeiten individuelle Wege erschlossen werden. Darin liegen die Bedeutung und die Wichtigkeit der Netzwerkkonferenzen.

Langfristig wird es darauf ankommen, die vor Ort erarbeiteten Netzwerkstrukturen so weit zu stabilisieren, dass sie über die Laufzeit des Projekts hinaus in der "normalen" IFD-Arbeit ihren Platz finden und Bestand haben.

Kontakt:

Heide Trautwein

Kommunalverband für Jugend und Soziales

Baden-Württemberg 70176 Stuttgart

Fon: 0711-6375716 Fax: 0711-6375260

EMail: heiderose.trautwein@kvjs.de

Gefördert durch

Quelle:

Heide Trautwein, Bernhard Schöpfer, Luz Weber, Elke Weyersberg: PIC -Das Projekt Integrationscoach

erschienen in: impulse Nr. 36, Dezember 2005, Seite 15 - 22.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 05.09.2007

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