Chancen und Herausforderungen von Unterstützter Kommunikation in Zukunftsplanungsprozessen

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Hausarbeit
Releaseinfo: Wissenschaftliche Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Förderschulen. Eingereicht beim Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt, Landesprüfungsamt für Lehrämter am: 13. 12. 2010, Erstgutachterin: Ines Boban, Zweitgutachter: Prof. Dr. Andreas Hinz
Copyright: © Katharina Guttenberg 2010

Inhaltsverzeichnis

1 "VORSTELLUNG: Was ist dabei? Wie hängt es mit dem Thema zusammen?" - Einleitung

Zukunftsplanungstreffen beginnen häufig mit einer Gesprächsrunde darüber, wie die einzelnen Unterstützerinnen und Unterstützer zu der planenden Person[1] stehen, welche Erinnerungen mit ihr verbunden sind und wie ein solches Treffen abläuft (vgl. Boban 2008, S. 235). In Anlehnung daran beginnt auch diese Arbeit mit einer kurzen Erläuterung, welche persönlichen Beziehungen zum Thema existieren, welche einzelnen Unterthemen zum Gegenstand dazugehören und somit dabei sind, d.h. behandelt werden, und auf welche Art und Weise vorgegangen wird.

Den persönlichen Bezug für diese Arbeit bildet die studienbegleitende Tätigkeit als Freizeitassistentin bei Nilufar[2], einer erwachsenen Frau, die in einem Wohnheim der Lebenshilfe in Halle lebt und aufgrund der Zuschreibung, "nicht werkstattfähig" zu sein, ihre gesamten Tage und Nächte dort verbringt. Ihr Tagesablauf wird durch die Struktur der Institution bestimmt und besteht vorrangig aus Mahlzeiten, Hygienemaßnahmen und nicht vorstrukturierten Situationen, die sie oft zum Umherwandern im Haus oder Garten nutzt. Besuch bekommt sie keinen, da der Großteil ihrer Verwandtschaft im Iran lebt und ihrem Bruder und ihrem Onkel, die beide in Halle wohnen, von ihrem gesetzlichen Betreuer keine generelle Besuchserlaubnis zugesprochen wird. Nilufar drückt sich über körpereigene Kommunikationsformen aus, indem sie Orte aufsucht oder sie verlässt, und wer geübt ist, kann aus ihrer Mimik und Gestik auf ihren emotionalen Zustand schließen. Da im Alltag des Wohnheims jedoch aufgrund der dortigen Alltagsorganisation selten darauf Rücksicht genommen wird, kann sie nur sehr vereinzelt die Erfahrung machen, ihre Umgebung beeinflussen zu können und Veränderungen zu bewirken. Bei den gemeinsamen Freizeitaktivitäten, von denen sie das Kaffeetrinken in einer Bäckerei am meisten zu genießen schien, wurde die erlernte Bedürfnislosigkeit der Assistenznehmerin sehr deutlich. Anfangs saß sie nur da, ohne nach einer der vor ihr stehenden Tassen zu greifen, von denen sie bereits mit Unterstützung probiert hatte, rollte mit dem Kopf, vermutlich um sich Reize zu verschaffen, und klatschte ab und an in die Hände. Nach mehr als dreieinhalb Jahren regelmäßiger Freizeitassistenz im Abstand von anfangs einer, mittlerweile zwei Wochen mit dem Versuch, Nilufar mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen, drückt die Assistenznehmerin ihre Bereitschaft und Freude über die anstehende Aktivität durch Lachen und das selbst initiierte Aufstehen aus ihrem Sessel aus und geht von sich aus in ihr Zimmer, um sich dort mit Unterstützung für die Unternehmung anzuziehen. Beim Kaffeetrinken greift sie seit einiger Zeit nach ihrem augenscheinlich bevorzugten Getränk - über Monate hinweg fiel die Wahl zwischen den Alternativen Kakao und Cappuccino immer auf die heiße Schokolade - und bestimmt selbst das Trinktempo, nachdem sie zu Beginn der Freizeitassistenz die gesamte Tasse in einem Zug hinuntergestürzt hatte. Nach und nach entstand das Gefühl, ihre Emotionen besser deuten zu können und sich aufeinander einzuspielen. Trotz der verhältnismäßig selten zusammen verbrachten Zeit und dem begrenzten Situationsspektrum konnte ein Bruchteil der Möglichkeiten in Bezug auf die Erweiterung der Kommunikation und der selbstbestimmten Lebensführung sowie eine damit einhergehende Verbesserung der Lebensqualität erahnt werden. Diese angestoßene Entwicklung ließ den Gedanken entstehen, welche Veränderungen möglich wären, wenn das gesamte in der Situation steckende Potential genutzt würde und individuelle Bedürfnisse und Ausdrucksmöglichkeiten der Assistenznehmerin berücksichtigt würden.

Aus den Fragen, wie solche Lebenssituationen im fremdstrukturierten Einrichtungsalltag anders gestaltet werden können, um Menschen trotz eines hohen Unterstützungsbedarfs die Entwicklung von mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen, wie sie diese auch ausdrücken können sowie an mehr Aktivitäten aktiv teilhaben können, entstand mein Interesse an der Thematik dieser Arbeit.

In unterschiedlichen Semestern meines Studiums beschäftigte ich mich zudem in verschiedenen Seminaren der Allgemeinen Rehabilitations- und Integrationspädagogik und der Geistigbehindertenpädagogik sowohl mit dem Feld der Unterstützten Kommunikation als auch mit Möglichkeiten, individuelle Zukünfte zu entwerfen und umzusetzen. Aus der getrennten Auseinandersetzung mit beiden Gebieten entstand für mich die Frage, inwieweit sich diese Ansätze gegenseitig ergänzen bzw. eventuell auch bedingen und welche neuen Perspektiven sich in Zukunftsplanungsprozessen ergeben, in denen die Hauptperson nicht lautsprachlich kommuniziert[3].

1.1 Problemaufriss

"Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis und subjektiv für Lebensqualität[4] von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine wesentliche Bedingung für soziale Partizipation und Selbstbestimmung[5] und zudem eine wichtige Grundlage jeder Entwicklung." (Wilken 2006, S. 1)

Das menschliche Bedürfnis nach Kommunikation und darüber hinausgehende Bedeutungen werden auch in einem Zitat[6] von Williams hervorgehoben:

"Das Schweigen bei Sprachlosigkeit ist niemals gold. Wir alle müssen kommunizieren und mit anderen in Kontakt treten - nicht nur auf eine Art und Weise, sondern so vielfältig wie möglich. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, ein Menschenrecht. Und viel mehr als das ist es eine grundlegende menschliche Kraft und Macht." (2000, S. 248)[7]

Somit ist jeder Mensch in seinem Leben "stets auf Interaktion und Austausch mit anderen Menschen sowie auf gegenseitige Unterstützung angewiesen" (Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 80). Die Frage, was dabei unter Kommunikation zu verstehen ist, kann mit der weit gefassten Definition von Wilken beantwortet werden:

"Mit Kommunikation bezeichnen wir alle Verhaltensweisen und Ausdrucksformen, mit denen wir mit anderen Menschen bewusst oder unbewusst in Beziehung treten. Kommunikation umfasst deshalb viel mehr als nur die verbale Sprache." (Wilken 2006, S. 4)

Um zu verhindern, dass sämtliche Aktivitäten als Kommunikation gesehen werden, schränkt sie in einer Fußnote ein:

"Eine Überdehnung des Begriffes auf alle Formen von Aktivität ist jedoch problematisch. Kommunikation ist eingebunden in wechselseitige personale Beziehungen - auch wenn noch keine Intentionalität vorliegt." (Wilken 2006, S. 4, Herv. im Original)

Ein ähnliches Verständnis legt auch das National Joint Committee for the Communicative Needs of Persons with Severe Disabilities zugrunde. Kommunikation ist danach

"jede Handlung, durch welche eine Person von einer anderen Person Informationen über ihre Bedürfnisse, Wünsche, Wahrnehmungen, ihr Wissen oder ihre Gefühlszustände übermittelt oder empfängt. Kommunikation kann intentional oder nicht intentional sein, konventionelle oder unkonventionelle Zeichen einbeziehen, linguistische oder nicht linguistische Formen annehmen und über Lautsprache oder andere Formen geschehen" (1992, S. 2, zit. nach Beukelman/Mirenda 1999, S. 3)[8]

Aufgrund der Tatsache, dass die zweite Definition bereits explizit auch ungewöhnliche Kommunikationsformen einbezieht und auf die Bedeutung sowohl des Sendens als auch Empfangens eingeht, wird sie mit ihrer weiten Auffassung von Kommunikation, die nicht nur lautsprachlichen Austausch einbezieht, als Grundlage dieser Arbeit ausgewählt. Zudem sollen auch die von Light unterschiedenen vier Ziele von Kommunikation - "1. Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken, 2. soziale Nähe (social closeness) herzustellen, 3. Informationen auszutauschen und 4. die geltenden sozialen Konventionen und Etiketten zu erfüllen" (Wachsmuth 2003. S. 302; vgl. auch Kristen 2005, S. 131ff.; Beukelman/Mirenda 2010, S. 9) - Berücksichtigung finden, so dass eine Erweiterung der Definition erfolgt:

Kommunikation ist jede Handlung, durch welche eine Person von einer anderen Person Informationen über ihre Bedürfnisse, Wünsche, Wahrnehmungen, ihr Wissen oder ihre Gefühlszustände übermittelt oder empfängt, soziale Nähe herstellt oder soziale Konventionen erfüllt. Kommunikation kann intentional oder nicht intentional sein, konventionelle oder unkonventionelle Zeichen einbeziehen, linguistische oder nicht linguistische Formen annehmen und über Lautsprache oder andere Formen geschehen.

Von Bedeutung ist Kommunikation auch in Bezug auf die Zukunft, die grundsätzlich jeder Mensch vor sich hat (vgl. Doose 2007, S. 3). Durch die zunehmende Individualisierung in der Gesellschaft und die Pluralisierung der Lebensstile bieten sich dem Einzelnen unzählige Möglichkeiten der Lebensgestaltung, die jedoch gleichzeitig auch eine Verpflichtung zur gezielten Wahl des Erwünschten darstellen (vgl. Burow 1999, S. 29f.). Daher hilft es vielen Menschen, bei der Ausgestaltung und Realisierung der Zukunft auf die Unterstützung zahlreicher anderer Menschen zurückzugreifen, was wiederum Kommunikation erfordert (vgl. Doose 2007, S. 3). Zukunft wird somit als vom Einzelnen und seinem Umfeld beeinflussbar und individuell gestaltbar wahrgenommen. Dennoch stehen oft für Menschen mit Behinderungen[9] Vorgaben und Bedingungen der Gesellschaft als Barrieren bei der Entwicklung und Verwirklichung von Zukunftsplänen im Weg (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 75). In Deutschland ist der Weg durch verschiedenste Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderungen stark verfestigt. Demgegenüber stehen gesetzliche Entwicklungen, die es als Aufgabe der Leistungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sehen, "die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern."[10] (§ 4, Abs. 1 SGB IX). Daraus resultiert, dass diesen Ansprüchen auf Individualisierung nicht mit vorgefertigten, standardisierten Angeboten entsprochen werden kann, sondern ein Bedarf an neuen Wegen besteht. Zudem sind Menschen mit Behinderungen häufig in höherem Maß und in vielen Bereichen ihres Lebens von der Unterstützung durch Familienmitglieder, enge Freundinnen und Freunde, Bekannte und Professionelle abhängig. Dabei variiert die Qualität dieser Unterstützung enorm, da es darauf ankommt, die Wünsche und Träume des Menschen mit Unterstützungsbedarf wahrzunehmen und zu berücksichtigen (vgl. Doose 2007, S. 3). Auch in Bezug auf ihre Zukunft brauchen sie Unterstützerinnen und Unterstützer, die zuhören, wie sie leben wollen (vgl. Smull/Sanderson 2005, S. 8). Dies gilt auch für Menschen mit so genannter schwerster Behinderung, denn "ungeachtet des Schweregrads der Behinderung sind Menschen in der Lage, positive Kontrolle über ihr Leben zu übernehmen, sofern wir lernen, ihnen zuzuhören und Vertrauen entgegenzubringen" (Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 13)[11]. Selbst wenn Menschen möglicherweise noch nicht wissen, was sie in Bezug auf ihre Zukunft wollen, ist Bevormundung definitiv der falsche Weg. So sieht Nirje es als Aufgabe der Professionellen und der Gemeinschaft an, "die Macht seiner [bzw. ihrer] Kenntnisse und seines [bzw. ihres] Verständnisses [zu] nutzen, um den behinderten Menschen selber Macht zu geben, ihre menschlichen Möglichkeiten zu verwirklichen" (1994, S. 31). Daher geht es im Rahmen von Selbstbestimmung darum, verständliche Informationen über unterschiedliche Möglichkeiten zu bekommen, verschiedene Dinge auszuprobieren und sich darüber mit wichtigen Bezugspersonen auszutauschen (vgl. Doose 2007, S. 3).

Die Fragen, in welcher Form solche persönlich bedeutsamen Lebensstile und Zukünfte entwickelt und umgesetzt werden können und wie auch Personen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, ihr Recht auf Partizipation wahrnehmen können, verdeutlichen die Relevanz der Thematik dieser Arbeit.

1.2 Aufbau der Arbeit

Das Potential der Vorgehensweisen, um Zukünfte zu planen und Veränderungen in die Wege zu leiten, soll auch in dieser Arbeit genutzt werden, indem sich der Aufbau an verschiedene Phasen und Schritte von Zukunftsplanungsprozessen anlehnt (vgl. vertiefende Erläuterung der Verfahren in Punkt 2.2.3). Dabei gilt auch hier der Grundsatz, dass das Verfahren an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden kann, so dass diese für die vorliegende Arbeit lediglich als Orientierung genutzt und passende Bezeichnungen für die jeweiligen Punkte herangezogen wurden.

Nach dem der Vorstellungsphase in MAPS[12] entsprechenden persönlichen Einstieg in die Thematik (1) sowie einer Darstellung, welche Relevanz das gewählte Thema besitzt (1.1), wird in Punkt 2 die Geschichte, d.h. die theoretischen Grundlagen, betrachtet. Dabei werden die Grundlagen von Unterstützter Kommunikation und Zukunftsplanungsprozessen zunächst isoliert voneinander dargestellt. Die für die Arbeit relevanten Basisinformationen zu Unterstützter Kommunikation umfasst der Punkt 2.1 und geht in den einzelnen Unterpunkten auf das Begriffsverständnis (2.1.1), die Zielgruppe (2.1.2), die Entstehung (2.1.3), die Bandbreite der Kommunikationsmittel (2.1.4), wichtige Grundannahmen (2.1.5), Vorgehensweisen, um den Einsatz Unterstützter Kommunikation zu planen (2.1.6) und den Bezug von Unterstützter Kommunikation zu Watzlawicks Kommunikationstheorie (2.1.7) ein. Anschließend stehen Zukunftsplanungsprozesse im Fokus (2.2), deren verschiedene Begriffsfassungen diskutiert werden (2.2.1) und deren Entstehungsgeschichte beleuchtet wird (2.2.2). Unterschiedliche Herangehensweisen bei der Strukturierung der Planung werden in Punkt 2.2.3 vorgestellt, bevor das Potential des gemeinsamen Planens mit Burows Theorie des Kreativen Feldes unterlegt wird (2.2.4). Da beide Ansätze sehr umfassend sind, werden lediglich die für diese Arbeit wichtigen Aspekte beleuchtet, während über das eigentliche Thema hinausgehende Informationen, die für das Verständnis jedoch wichtig sind, als Exkurse in Fußnoten behandelt werden.

Bei MAPS folgt an dieser Stelle das Ausmalen des Traums sowie des Alptraums, so dass in dieser Arbeit untersucht wird, welche traumhaften Möglichkeiten sich durch eine Verbindung beider Ansätze ergeben und welche alptraumhaften Entwicklungen und Aspekte möglichst vermieden werden sollten (2.3).

Aufgrund der Tatsache, dass es wenig Literatur gibt, die beide Konzepte zusammen betrachtet, wird ein empirischer Zugang gewählt. In Zukunftsplanungsprozessen werden in der Phase der Planung die durchzuführenden Aktionen vereinbart, so dass in Punkt 3 das Vorgehen im Rahmen der Untersuchung vorgestellt wird. Nach der Präsentation der zugrunde liegenden Fragestellung (3.1) werden andere Forschungsergebnisse im Sinne einer Stärkung beim Vorgehen zusammengefasst (3.2), bevor die verwendete Methode vorgestellt und begründet wird (3.3). Auf dieser Grundlage erfolgt die Erläuterung des konkreten Ablaufs der Untersuchung (3.4).

Die Darstellung der Ergebnisse (4) entspricht der Phase in Zukunftsplanungsprozessen, in der die Bedürfnisse betrachtet werden, deren Erfüllung notwendig ist, um den Traum zu erreichen. Dabei wird eine grobe Unterteilung in die Phasen vor (4.1), während (4.2) und nach dem Zukunftsplanungstreffen mit unterstützt kommunizierenden Hauptpersonen (4.3) vorgenommen. Aus den zusammengetragenen Ergebnissen und der relevanten Literatur wird der Nordstern mit seinen zu verwirklichenden Prinzipien abgeleitet, indem sowohl die Chancen als auch die zu beachtenden Herausforderungen (5) hervorgehoben werden. Um auch noch offenen Fragen Raum zu geben, damit diese wünschenswerterweise in der Zukunft bearbeitet werden, eröffnet Punkt 6 im Sinne einer Fortsetzung des Unterstützerkreises Perspektiven, die für den Einsatz Unterstützter Kommunikation im Rahmen von Zukunftsplanungsprozessen bestehen, bevor ein dem Nachklang entsprechendes abschließendes Fazit (7) gezogen wird.



[1] In dieser Arbeit werden die Begriffe "planende Person" und "Hauptperson" synonym verwendet und bezeichnen den Menschen, dessen Zukunft im Mittelpunkt des Planungsprozesses steht.

[2] Der Name wurde zum Schutz der Person von der Verfasserin geändert.

[3] Die Bezeichnungen "unterstützt kommunizierend" und "nicht lautsprachlich kommunizierend" werden synonym verwendet.

[4] Lebensqualität kann nach der Norwegerin Siri Naess gedacht werden als Zusammensetzung aus Handlungsmöglichkeiten, zwischenmenschlichen Beziehungen, Selbstachtung, -sicherheit, -anerkennung sowie Lebensfreude. Weitere Kernelemente bestehen in erfolgreicher Selbstverwirklichung, Möglichkeiten der Kontrollübernahme über das eigene Leben sowie der Erfahrung des Respektiertwerdens (vgl. Nirje 1994, S. 29).

[5] Selbstbestimmung ist nicht zu verwechseln mit Selbstständigkeit (vgl. Doose 2007, S. 15). Die Leitidee der Selbstbestimmung entwickelte sich mit dem Normalisierungsprinzip (siehe Fußnote 23, S. 18f.) und wird unter fünf verschiedenen Aspekten betrachtet:

im Sinne von Kompetenzen, die erworben und somit auch vermittelt werden müssen,

als intrinsische Motivation zu "autonomem, selbstgesteuerten [sic!] und selbstbewusstem Verhalten (im Sinne von ‚Empowerment' und ‚sich seiner selbst bewusst sein')" (Lindmeier/Lindmeier 2002, S. 64)

als basaler Selbstausdruck in kommunikativen und sozialen Beziehungen, der jedoch eine passende Reaktion des Umfeldes erfordert,

als Grundrecht im politischen Sinne, das jeder Bürgerin und jedem Bürger zusteht, sowie

als Bedarf zur Veränderung des traditionellen Behindertenhilfesystems (vgl. Ebd.).

[6] Aufgrund der Herkunft beider Ansätze (Unterstützte Kommunikation und Zukunftsplanungen) aus dem angloamerikanischen Raum ist ein Teil der verwendeten Fachliteratur in Englisch verfasst. Wörtliche Zitate wurden von der Verfasserin der Arbeit ins Deutsche übersetzt und sind in den Fußnoten in ihrer englischen Originalfassung zu finden. Zudem werden englische Ausdrücke und Bezeichnungen zur besseren Lesbarkeit kursiv dargestellt.

[7] "The silence of speechlessness is never golden. We all need to communicate and connect with each other - not just in one way, but also in as many ways as possible. It is a basic human need, a basic human right. And much more than this, it is a basic human power." (Übersetzung d. Verf.)

[8] "Any act by which one person gives to or receives from another person information about that person's needs, desires, perceptions, knowledge, or affective states. Communication may be intentional or unintentional, may involve conventional or unconventional signals, may takte linguistic or nonlinguistic forms, and may occur through spoken or other modes." (Übersetzung d. Verf.)

[9] Wenn aus Gründen der besseren Lesbarkeit von "unterstützt kommunizierenden Menschen" oder "Menschen mit Behinderung" gesprochen wird, ist nicht intendiert, sie auf dieses eine Merkmal zu reduzieren und es herauszustellen. Im Vordergrund des Denkens steht stets der einzelne Mensch mit der Vielfalt verschiedenster Merkmale, die ihn in ihrer Gesamtheit ausmachen.

[10] Bei Zitierungen wird die Rechtschreibung des Originals beibehalten.

[11] "Regardless of severity of disability, people are able to take positive control over their lives as we learn to listen and trust develops" (Übersetzung d. Verf.)

[12] Obwohl in mehreren deutschen Publikationen die Abkürzung MAP verwendet wird (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 51; Hömberg 2008, S. 01.051.001; Boban/Hinz 2009a, S. 454), erfolgt die Orientierung in dieser Arbeit an der englischsprachigen Originalbezeichnung MAPS. Es kann nach seiner Erfinderin Marsha Forest sowohl für "Making Action Plans" bzw. "McGill Action Planning System" stehen, da dort im Rahmen eines Sommerinstituts für Inklusion viele Menschen das Verfahren erlernten. Dennoch wird in einer der neusten angloamerikanischen Veröffentlichungen vorgeschlagen, den Begriff MAPS im Sinne einer Landkarte für sich selbst stehen zu lassen (vgl. O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 10).

2. "GESCHICHTE: Bedeutsames von früher und jetzt" - theoretische Grundlagen

Um eine theoretische Basis für die verwendeten Begriffe zu schaffen, werden in den folgenden Unterpunkten die Grundlagen von Unterstützter Kommunikation und Zukunftsplanung getrennt voneinander umrissen und es wird jeweils die in dieser Arbeit getroffene Begriffswahl vorgestellt. An geeigneten Stellen wird auf weiterführende Literatur verwiesen, da eine umfassende Darstellung beider Ansätze den Theorieteil dieser Arbeit weit übersteigen würde. Abschließend erfolgt eine knappe Zusammenführung der beiden Ansätze, indem Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden.

2.1 Unterstützte Kommunikation

"Die Menschheit zur Freiheit bringen, das heißt, sie zum Miteinander reden bringen." (Karl Jaspers)

Um auch Menschen, die sich nicht über die Lautsprache ausdrücken, die Befriedigung ihres Kommunikationsbedürfnisses zu ermöglichen, entwickelte sich der Ansatz der Unterstützten Kommunikation. Im Folgenden wird nach einer Darstellung verschiedener Definitionen die Zielgruppe dieser Maßnahmen betrachtet und ein Blick in die Entstehungsgeschichte geworfen.

Da das Feld der Unterstützten Kommunikation äußerst umfangreich ist, erfolgt in dieser Arbeit eine derartige inhaltliche Eingrenzung, dass die Thematik der konkreten Anbahnung, Förderung und Anwendung Unterstützter Kommunikation in der Praxis mit dem Gebiet der Beratung und schulischen Förderung nicht dargestellt wird[13].

2.1.1 Unterstützte Kommunikation - Begriffsklärung

In Deutschland wird seit 1992 die von Braun vorgeschlagene Bezeichnung Unterstützte Kommunikation verwendet (vgl. Lage 2005, S. 15.002.005). Kristen betrachtet sie "als Oberbegriff für alle pädagogischen bzw. therapeutischen Maßnahmen, die eine Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten bei Menschen ohne Lautsprache bezwecken" (2005, S. 15), während Wilken zusätzlich auch Menschen einbezieht, die über eine "erheblich eingeschränkte[] Lautsprache" (2006, S. 3) verfügen, aber gleichzeitig als Ziel lediglich die Verständigung mit dem Gegenüber benennt (vgl. Ebd.). In dieser Arbeit wird Kristens Definition, deren umfangreicherer Anspruch der Entfaltung der Kommunikation anstelle einer reinen Verständigung für diese Arbeit passender erscheint, zugrunde gelegt. Ihre Zielgruppe wird um Menschen mit stark eingeschränkter Lautsprache erweitert:

Unterstützte Kommunikation ist der Oberbegriff für alle pädagogischen bzw. therapeutischen Maßnahmen, die eine Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten bei Menschen ohne oder mit erheblich eingeschränkter Lautsprache bezwecken. Zusätzlich versteht man unter dem Begriff der Unterstützten Kommunikation das entstandene interdisziplinäre Fachgebiet, das sich mit den alternativen Kommunikationsformen beschäftigt, sowie den konkreten Kommunikationsprozess mit Formen der Unterstützten Kommunikation (vgl. Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.011.001).

Welche der drei Bedeutungsvarianten jeweils gemeint ist, ergibt sich aus dem entsprechenden Kontext.

Im Gegensatz zur deutschen Bezeichnung wird im angloamerikanischen Sprachraum mit dem durch zwei Adjektive bestimmten Begriff Augmentative and Alternative Communication (AAC) genauer differenziert (vgl. Beukelman/Mirenda 2010, S. 3).

Ersetzender Kommunikation (Alternative Communication) bedienen sich Personen, die sich nicht oder nur sehr eingeschränkt über die Lautsprache verständigen können und daher eine Alternative benötigen. Ein solches ersetzendes Kommunikationssystem können Gebärden, graphische Zeichen, Schriftsprache oder verschiedene technische Hilfsmittel mit und ohne Sprachausgabe darstellen (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 17; Wilken 2006, S. 3).

Ergänzende Kommunikationsformen (Augmentative Communication)bezeichnen "Verfahren, die unterstützend bzw. begleitend zur Lautsprache eingesetzt werden" (Wilken 2006, S. 3; vgl. auch Tetzchner/Martinsen 2000, S. 17; Braun 2003, S. 01.003.001).

Wichtig ist darüber hinaus, den Oberbegriff der Unterstützten Kommunikation nicht mit ihrem kritisch diskutierten Teilgebiet Gestützte Kommunikation (Facilitated Communication oder FC) zu verwechseln, mithilfe derer Menschen, die sich nicht oder kaum lautsprachlich verständigen können, mit einer stützenden Berührung an der Hand, am Arm, am Ellenbogen oder an der Schulter schreiben oder auf graphische Symbole deuten (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 201ff.; Braun 2003, S. 01.003.001; Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.004.001; Kristen 2005, S. 30f.).

2.1.2 Zielgruppe

Die Maßnahmen, die unter dem Begriff Unterstützte Kommunikation gefasst werden, richten sich an Personen aller Altersstufen, sozioökonomischen und ethnischen Hintergründe, die vorübergehend oder dauerhaft nicht oder nur schwer verständlich lautsprachlich kommunizieren können (vgl. Kristen 2005, S. 15f.; Beukelman/Mirenda 2010, S. 4). Mögliche Gründe hierfür können angeborene[14] oder erworbene[15] Schädigungen darstellen (vgl. Kristen 2005, S. 15). In dieser Arbeit wird auf eine genauere Beschreibung der häufig mit Beeinträchtigungen der Lautsprache einhergehenden Schädigungsbilder verzichtet, da beim Einsatz Unterstützter Kommunikation der Fokus nicht auf schädigungsbildspezifischen Interventionen liegt, sondern die nicht zufrieden stellende Kommunikation, die es verhindert, eigene Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken, in den Blick genommen wird, um an den vorhandenen Fähigkeiten individuell anzuknüpfen und zu einer Verbesserung der Kommunikationssituation beizutragen.

Tetzchner und Martinsen (vgl. 2000, S. 79ff.) versuchen trotz der Individualität jedes und jeder unterstützt Kommunizierenden eine Einteilung in drei Untergruppen vorzunehmen je nach der Funktion, die Unterstützte Kommunikation im jeweiligen Fall leistet:

  • Personen, die der Expressive Language Group zuzuordnen sind, nutzen Unterstützte Kommunikation als Ausdrucksmittel, um die Diskrepanz zwischen ihrem weit entwickelten Lautsprachverständnis und den Schwierigkeiten bei der Sprachproduktion zu überbrücken.

  • In der Supportive Language Group wird Unterstützte Kommunikation als Unterstützung der Lautsprache eingesetzt. Die Autoren unterscheiden in dieser Gruppe nochmals zwischen der Developmental Group, in der die Kommunizierenden im Rahmen einer entwicklungsbedingten Sprachverzögerung mithilfe Unterstützter Kommunikation die Lautsprache anbahnen, und der Situational Group, in der die Kommunizierenden situationsabhängig auf Unterstützte Kommunikation angewiesen sind, da sie sich in vertrauten Situationen mit vertrauten Personen meist über Lautsprache verständigen können, aber z.B. mit fremden Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner auf Unterstützung zurückgreifen.

  • Personen, die die beiden Autoren der Alternative Language Group zuordnen, verwenden Unterstützte Kommunikation als Ersatzsprache sowohl im Sprachverständnis als auch in der -produktion, was bedeutet, dass auch ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner auf das alternative Kommunikationssystem zurückgreifen müssen, um eine Verständigung zu ermöglichen (vgl. Martinsen/Tetzchner 1996, S. 43ff.; siehe auch Braun 2003, S. 01.003.001f.).

2.1.3 Ein kurzer Blick in die Geschichte der Unterstützten Kommunikation

Geschichtlich sind die ersten Ansätze Unterstützter Kommunikation vor mehr als 200 Jahren bei Itard und Abbé de L'Epée zu verorten, die daran arbeiteten, eine sprachliche Verständigung mit taubblinden bzw. gehörlosen Personen zu ermöglichen. Erste Erfahrungsberichte über den Einsatz von alternativen Kommunikationsformen durch die Nutzung körpereigener Möglichkeiten und externer Hilfen sowie über die Auswirkungen auf die persönliche Entwicklung erschienen in den 1950ern. Dennoch blieb die auf Itard und Abbé de L'Epée aufbauende oralistische Haltung[16] im mitteleuropäischen Raum bis in die 1970er präsent. Obwohl eine genaue Rekonstruktion der Entstehung der Unterstützten Kommunikation aufgrund der multidisziplinären und internationalen Entwicklung schwierig ist, lassen sich drei wichtige Einflussfaktoren herausstellen, die zu einer systematischen Implementierung von Unterstützter Kommunikation in den nordamerikanischen Staaten zu Beginn der 1970er führten. Erstens trug die Erschaffung von Symbolsystemen wie BLISS[17] dazu bei, dass Kommunikationstafeln erstellt und genutzt werden konnten. Zweitens wurde die Gebärdensprache als offizielle Sprache anerkannt, womit gleichzeitig auch die Akzeptanz von multimodalen, individuell passenden Kommunikationsformen (Total Communication[18]) sowie die Einsicht in die positiven Auswirkungen von alternativen Kommunikationssystemen auf die Interaktion, Kommunikation und Sprache einherging. Drittens fanden rasante Entwicklungen im technischen Bereich statt, so dass spezielle Schreibgeräte und Umweltkontrollsysteme konzipiert und hergestellt wurden (vgl. Kristen 2005, S. 19; Lage 2005, S. 15.002.003f.).

Diese Entwicklungen waren jedoch vor allem aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen möglich, die von der US-amerikanischen Antidiskriminierungs- und Integrationsbewegung erkämpft wurden. Um die 1975 verabschiedete Regelung bezüglich Individueller Erziehungsplanung (Individual Education Plans) für Kinder mit Behinderungen in Regelklassen auch für nichtsprechende Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten, mussten alternative Kommunikationssysteme entwickelt werden. Auch das in den UN-Menschenrechtskonventionen verankerte Recht auf Erziehung und Bildung für Menschen mit Behinderungen ebnete den Weg für die Entwicklung von Unterstützter Kommunikation (vgl. Lage 2005, S. 15.002.002ff.).

1983 erfolgte die Gründung von ISAAC (International Society for Augmentative and Alternative Communication) mit der Zielsetzung, "UK[19] [d.h. Unterstützte Kommunikation, Anm. d. Verf.] allen Menschen, die davon profitieren können bzw. damit zu tun haben, zugänglich zu machen [...] [und] das multidisziplinäre Fachgebiet in Theorie, Forschung und Praxis [zu] etablieren" (Lage 2005, S. 15.002.003; vgl. auch Braun 2003, S. 01.004.001).

Während im angloamerikanischen und skandinavischen Gebiet sowie in den Niederlanden von diesem Zeitpunkt an Unterstützte Kommunikation unter theoretischer und praktischer Perspektive Beachtung fand, setzten sich in Deutschland zunächst nur Einzelpersonen damit auseinander. Erst nachdem eine Gruppe von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen 1990 die deutschsprachige Sektion ISAAC - Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e.V. gegründet hatte, verbreitete sich der Ansatz unter dieser an der niederländischen Bezeichnung "Ondersteunde Communicatie" orientierten Begrifflichkeit langsam im sonderschulischen Bereich, in dem er auch heute noch vorrangig lokalisiert ist (vgl. Braun 2000, S. 7; Braun 2003, S. 01.005.001; Lage 2005, S. 15.002.003). Im Unterschied zu internationalen Tendenzen erkannte das Berufsfeld der Logopädie Unterstützte Kommunikation lediglich sehr verhalten als Arbeitsschwerpunkt an (vgl. Braun 2000, S. 7). Eine weitere deutsche Besonderheit bestand darin, dass die Verankerung in der Wissenschaft und gleichzeitig in der Fachliteratur bis zur Jahrtausendwende sehr vereinzelt war, während sich im angloamerikanischen Raum und in Skandinavien bereits wissenschaftliche Forschungszentren an den Universitäten herausbildeten und Unterstützte Kommunikation als Studienschwerpunkt angeboten wurde (vgl. Braun 2000, S. 7f.; Lage 2005, S. 15.002.004).

Bis zum aktuellen Zeitpunkt hat insofern eine Veränderung der Lage stattgefunden, als dass sich Unterstützte Kommunikation auch in Deutschland als eigenständige Disziplin herausgebildet hat, die an sonderpädagogischen Instituten gelehrt und erforscht wird und zunehmend in verschiedensten Einrichtungen für alle Altersstufen Einsatz findet. Dennoch besteht in Familien und Einrichtungen weiterhin großer Informationsbedarf (vgl. Braun 2003, S. 01.005.001; Kristen 2005, S. 7; Lage 2005, S. 15.002.005).

2.1.4 Kommunikationsmittel der Unterstützten Kommunikation

Hinsichtlich der Kommunikationsmittel, die entsprechend der individuellen Kommunikationsbedürfnisse genutzt werden, kann zwischen drei Arten unterschieden werden: körpereigene Kommunikationsformen bzw. Kommunikation ohne Hilfsmittel und Kommunikation mit externen Hilfsmitteln, die sich noch untergliedern lässt in nichtelektronische Kommunikationshilfen und elektronische Kommunikationshilfen (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 18; Braun/Kristen 2003, S. 02.005.001; Kristen 2005, S. 60).

Körpereigene Kommunikationsformen können neben vorsymbolischer auch symbolische Kommunikation beinhalten und weisen oft Ähnlichkeiten zu nonverbalen Verhaltensweisen lautsprachlich kommunizierender Personen auf, während sie sich in der Funktion unterscheiden. Folgende Beispiele zählen zu körpereigenen Kommunikationsformen: Atmung, Körperhaltung, -spannung und -bewegungen, Blicke, Mimik, Gestik, Gebärden, Laute (vgl. Braun/Kristen 2003, S. 02.006.001; Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.006.001; Kristen 2005, S. 39ff.). Ein zentrales Merkmal körpereigener Kommunikationsformen besteht darin, dass sie von der und dem unterstützt Kommunizierenden jeweils produziert werden müssen und vergänglich sind (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 18; Kristen 2005, S. 60).

Hingegen erfordern externe Hilfen das Wiedererkennen von bleibenden Zeichen, um sie auszuwählen (vgl. Ebd.). Nichtelektronische Hilfen umfassen Real- und Miniaturobjekte sowie Fotos, Bilder oder Symbole[20] als Bestandteil von Kommunikationstafeln, -ordnern und -büchern, Karten (vgl. genauere Darstellungen mit Diskussion der Vor- und Nachteile in Kristen 2005, S. 63-74 und Hüning-Meier/Pivit 2003). Elektronische Hilfen beinhalten zum einen Geräte ohne Sprachausgabe zur Selektion eines Feldes mithilfe eines oder mehrerer Schalter bzw. zum Anzeigen der ausgewählten Information auf dem Bildschirm eines Computers oder als Papierausdruck. Zum anderen zählen zu den elektronischen Hilfen Sprachausgabegeräte, die mit natürlicher Stimme besprochen werden können oder auf synthetische Stimmproduktion zurückgreifen (vgl. ausführliche Vorstellung in Kristen 2005, S. 74-84).

Bei der Nutzung externer Hilfen kann auf unterschiedliche Formen der Selektion[21] und des Scannings bzw. der Codierung[22] zurückgegriffen werden, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Eine gute Übersicht ist bei Tetzchner/Martinsen 2000, S. 49f. und Kristen 2005, S. 84f. zu finden.

2.1.5 Prinzipien

Das Ziel von Unterstützter Kommunikation besteht in der "Verbesserung der Kommunikation und [...] [der] Erweiterung der kommunikativen Fähigkeiten eines Menschen im Alltag" (Kristen 2005, S. 16). Mit dieser Zielsetzung trägt Unterstützte Kommunikation zum sonderpädagogischen Paradigmenwechsel bei, da die ursprünglich lautsprachorientierte Ausrichtung der Förderung einer Betonung der allgemeinen Kommunikationskompetenzen gewichen ist (vgl. Braun 2003, S. 01.004.001). Tetzchner und Martinsen erweitern dieses Ziel noch im Sinne des Normalisierungsprinzips[23], indem sie "die Schaffung einer Lebensqualität, die für die meisten Menschen selbstverständlich ist" (2000, S. 110), sowie die Entwicklung von Selbstbestimmung und Achtung vor sich selbst zur Priorität machen.

Daraus ergibt sich das Prinzip der Alltagsorientierung, um für die unterstützt kommunizierende Person persönlich bedeutsame Kommunikationssituationen zu schaffen. Die bis vor einigen Jahren ausschließlich praktizierte Einzelförderung erwies sich insofern in isolierter Form als nachteilig, als dass der Transfer der Kommunikationsformen in die verschiedenen Lebensbereiche erschwert war (vgl. Kristen 2005, S. 138ff.).

Ein wichtiger Grundsatz ist die Voraussetzungslosigkeit von Unterstützter Kommunikation. Das einzige Kriterium ist das Atmen, wenn man davon ausgeht, "dass jegliches menschliche Individuum von Beginn seines Lebens an in der Lage ist zu kommunizieren" (Braun/Kristen 2003, S. 02.005.001), und dabei die Kommunikationsdefinition des National Joint Committee for the Communicative Needs of Persons with Severe Disabilities, dass jegliche Handlung der Informationsübermittlung unabhängig von ihrer Form Kommunikation darstellt, zugrunde legt (vgl. Beukelman/Mirenda 1999, S. 3; Kristen 2005, S. 7 und 20).

Daraus ergibt sich der Anspruch, ein individuelles multimodales Kommunikationssystem[24] im Sinne der Total Communication zu entwickeln. Idealerweise findet eine Verknüpfung von in Punkt 2.1.4 vorgestellten Kommunikationsmitteln statt, wobei zunächst die körpereigenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um darauf aufbauend externe Hilfen anzupassen. Dabei sind auch die unkonventionellsten Kommunikationsformen geeignet, sofern sie individuell effektiv sind (vgl. Braun 2003, S. 01.003.001f.; Kristen 2005, S. 16ff.; Beukelman/Mirenda 2010, S. 4).

Daran anknüpfend ist das Prinzip der Individualität in der Vorgehensweise zu nennen. Welche konkreten Formen der Unterstützung benötigt werden, um die individuelle Kommunikationssituation zu verbessern, hängt jeweils von den Fähigkeiten und Bedürfnissen des einzelnen Menschen ab und kann aufgrund der beschriebenen Heterogenität der Zielgruppe nicht verallgemeinert werden (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 111).

Im Idealfall sollte im Rahmen von Frühförderung mit Unterstützter Kommunikation begonnen werden, um Kindern in ihrer Kommunikationsentwicklung so früh wie möglich bedeutsame Erlebnisse des Verstandenwerdens, der Umweltbeeinflussung und des Selbstausdrucks zu ermöglichen (vgl. Braun 2003, S. 01.004.001; Braun/Kristen 2003, S. 02.004.001; Graf-Frank 2003, S. 10.003.001; Kristen 2005, S. 16).

Die gleichwertige Anerkennung von Lautsprache und alternativen Kommunikationsformen führt dazu, dass sich Logopädie und Unterstützte Kommunikation nicht ausschließen, sondern ergänzen. Eine solche Multidisziplinarität besteht sowohl im wissenschaftlichen Bereich, da Erkenntnisse aus der Linguistik, Informatik, Sonderpädagogik, Ergo- und Physiotherapie, Logopädie und Psychologie zusammenkommen, als auch in der Praxis, weil die unterstützt kommunizierende Person in allen Lebensbereichen kommuniziert (vgl. Braun 2003, S. 01.004.001; Kristen 2005, S. 24; Lage 2005, S. 15.002.002; Beukelman/Mirenda 2010, S. xi).

Daraus ergibt sich zudem, dass die Bedeutung des Umfeldes nicht zu unterschätzen ist. Wie in den Punkten 1.1 und 2.1.7 ausführlicher dargelegt, hängt erfolgreiche Kommunikation sowohl vom Sender als auch vom Empfänger ab. Insofern ist es wichtig, dass möglichst alle Menschen, mit denen die oder der unterstützt Kommunizierende in den einzelnen Lebensbereichen zusammentrifft, die Besonderheiten der Gesprächssituation mit Unterstützter Kommunikation kennen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gehören zu diesen Kennzeichen die Asymmetrie, die durch eine geringere Beeinflussungsmöglichkeit des Gesprächsverlaufs durch die oder den unterstützt Kommunizierenden herrührt, der erhöhte zeitliche Umfang und die dadurch erforderliche hohe Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Ko-Konstruktion[25]. Aufgrund der Erfolgsabhängigkeit der Kommunikation von den Kompetenzen der jeweiligen Gesprächspartnerin bzw. des jeweiligen Gesprächspartners wird ein spezielles Partnertraining empfohlen (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 73f.; Braun 2005, S. 01.026.002f.; Kristen 2005, S. 48f. und 150f.).

2.1.6 Modelle zur Interventionsplanung

Nachdem anfangs im Rahmen der mittlerweile veralteten Kandidatenmodelle (Candidacy Models) erfasst wurde, welche Voraussetzungen für den Einsatz Unterstützter Kommunikation bei einem Individuum vorhanden waren, fand eine Änderung des Denkens zu einer Voraussetzungslosigkeit statt, die bereits in Punkt 2.1.5 aufgegriffen wurde (vgl. Kristen 2005, S. 7). Um herauszufinden, wie eine ausgeprägtere Teilhabe an verschiedenen Lebensbereichen und eine damit einhergehende Erhöhung der subjektiven Lebensqualität erreicht werden kann, eignet sich das von Beukelman und Mirenda entwickelte Partizipationsmodell (Participation Model) als theoretische Grundlage[26]. Es berücksichtigt grundsätzlich zwei Prinzipien: Eine kooperative Zusammenarbeit aller Beteiligten in allen Phasen unterstützt den Erfolg der Intervention. Zudem sind Interventionsplanung und -durchführung keine einmaligen Angelegenheiten, sondern werden kontinuierlich weitergeführt, um sich wandelnde Bedürfnisse zu erkennen und zu berücksichtigen. Daher verläuft der Prozess in drei Phasen, von denen sich die erste der Gegenwart mit der Frage nach den aktuellen Kommunikationsbedürfnissen und -fähigkeiten widmet, um Informationen für eine erste Intervention zu sammeln. Diese wird kontinuierlich verfeinert, so dass schnellstmöglich ein grundlegendes individuelles Kommunikationssystem entsteht. Die zweite Phase nimmt die Zukunft in den Blick und entwickelt auf der Grundlage des Lebensstils ein zukunftsgerichtetes Kommunikationssystem, das den unterstützt kommunizierenden Menschen in allen Lebensbereichen mithilfe eines grundlegenden und spezifischen Vokabulars unterstützt. Im Rahmen des Follow-Ups, der dritten Phase, erfolgt die Erfassung der Bedürfnisse und Fähigkeiten der oder des unterstützt Kommunizierenden, die "Wartung" und Aktualisierung des Kommunikationssystems sowie die Erweiterung und Anpassung des Vokabulars (vgl. Boenisch/Sachse 2007, S. 43f.; Musketa 2009, S. 20ff.; Beukelman/Mirenda 2010, S. 137ff.).

Das Vorgehen mit dem Partizipationsmodell wird anhand der folgenden Graphik (Abb. 1) kurz erläutert:

Abb. 1: Das Partizipationsmodell (Quelle: Antener 2001, S. 263)

Nach der gemeinsamen Identifikation der Teilhabemuster und kommunikativen Bedürfnisse der Hauptperson in Form einer Liste von individuell bedeutsamen Situationen werden diese mit denen einer Person ohne Behinderung im gleichen Alter verglichen. Aus den auseinander klaffenden Punkten ergeben sich die Interventionsbedarfe, die durch das Herausstellen von Gelegenheits- und Zugangsbarrieren genauer bestimmt werden. Gelegenheitsbarrieren, die durch andere Personen verursacht werden und sich nicht durch die Nutzung eines passenden Kommunikationssystems beseitigen lassen, können in den fünf Bereichen Politik, Praxis, Einstellungen, Wissen und Fertigkeiten auftreten. Dagegen entstehen Zugangsbarrieren vorrangig durch die aktuellen Fertigkeiten oder das gegenwärtige Kommunikationssystem. Als einzelne Bereiche der aktuellen Kommunikationssituation werden die natürlichen Lautsprachfähigkeiten, die Möglichkeiten der anpassenden Umgebungsveränderung sowie das Potential zur Nutzung eines Kommunikationssystems betrachtet. Dieses ergibt sich aus einem umfassenden Fähigkeits- und Einschränkungsprofil und einer Feststellung der operationalen Anforderungen, die eine Kommunikationshilfe erfüllen sollte. Aus den identifizierten Barrieren werden anschließend Interventionen in den einzelnen Teilbereichen entwickelt, die für die aktuelle Situation und für zukünftige Lebensumstände gemeinsam geplant und anschließend umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, dass sowohl der unterstützt kommunizierende Mensch als auch seine Umgebung bei der Nutzung des neu entwickelten Kommunikationssystems Unterstützung erfahren. Besonders wichtig ist die folgende Evaluation, in der ermittelt wird, ob sich die Teilhabe subjektiv verbessert hat, um entweder wieder in den Prozess der Barriereneinschätzung einzusteigen oder ein Follow-Up in die Wege zu leiten (vgl. Antener 2003, S. 01.024.001f.; Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.008.001; Boenisch/Sachse 2007, S. 43; zur Vertiefung siehe ausführliche Darstellung in Beukelman/Mirenda 2010, S. 139ff.).

Generell ist festzuhalten, dass das Modell sehr komplex ist, aber dadurch verschiedenste Faktoren der Teilhabe und Kommunikation im gegenwärtigen und zukünftigen Alltag in den Blick nimmt und dabei das Umfeld mit einbezieht. Kritisch betrachtet wäre es jedoch bereits bei der Ermittlung der Barrieren sinnvoll, gleichzeitig auch auf Fähigkeiten zu schauen, um eine Kompetenzorientierung zu wahren (vgl. Kristen 2005, S. 142f.; Boenisch/Sachse 2007, S. 42ff.).

2.1.7 Watzlawicks Axiome und Unterstützte Kommunikation

Die aufgezeigten Aspekte und Kategorien, die das Partizipationsmodell in den Blick nimmt, verdeutlichen die Vielschichtigkeit von Kommunikation sowie die Bedeutung des Umfeldes, die es zu bedenken gilt. Diese systemische Haltung findet sich in der Kommunikationstheorie von Watzlawick/Beavin/Jackson (vgl. 2003, S. 32) wieder, die entsprechend der in dieser Arbeit zugrunde gelegten Kommunikationsdefinition auch für Unterstützte Kommunikation gilt[27]. Die Autoren beziehen sich auf fünf theoretische Axiome[28] der menschlichen Kommunikation, die an dieser Stelle auf Unterstützte Kommunikation angewendet werden.

  1. "Man kann nicht nicht kommunizieren" (Watzlawick/Beavin/Jackson 2003, S. 53, Herv. im Original). Darunter ist zu verstehen, dass neben der Lautsprache auch sämtliche weitere Verhaltensweisen Kommunikation sind und aufgrund der Unmöglichkeit, sich nicht zu verhalten, immer kommunikatives Verhalten gezeigt wird, das auch nichtintentional, unbewusst und in Bezug auf die Informationsvermittlung nicht erfolgreich sein kann (vgl. Ebd., S. 51f.). Somit sind auch Menschen, die sich mit körpereigenen Kommunikationsformen oder externen Kommunikationshilfen ausdrücken, in diesem Axiom berücksichtigt.

  2. "Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, daß letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist" (Ebd., S. 56). Neben der inhaltlichen Informationsübermittlung entscheidet jeweils auch der zwischenmenschliche Faktor darüber, wie eine Mitteilung vom Empfänger interpretiert wird, ohne dass er sich dessen bewusst sein muss (vgl. Ebd., S. 53.ff.). In Bezug auf Unterstützte Kommunikation lässt sich daraus ablesen, dass sich diese Beziehungsdominanz noch stärker auswirkt, da jede Mitteilung bei der Übermittlung auf die Interpretation der Gesprächspartnerin bzw. des Gesprächspartners in Form von Ko-Konstruktion angewiesen ist, und dies daher stets reflektiert werden sollte.

  3. "Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der [Partnerinnen und] Partner bedingt" (Ebd., S. 61). Dies bedeutet, dass der Ablauf einer Kommunikation, deren Elemente gleichzeitig Reiz, Reaktion und Verstärkung darstellen, durch die von den Kommunikationspartnerinnen und -partnern zugrunde gelegte Struktur gegliedert wird, indem sie Dominanz, Abhängigkeit, Initiativergreifung zeigen (vgl. Ebd., 57f.). Für Unterstützte Kommunikation ergibt sich daraus, dass die Interpunktion durch die Notwendigkeit der Ko-Konstruktion bestimmt wird und aus dieser Besonderheit eine klare Dominanz der sprechenden Gesprächspartnerin oder des sprechenden Gesprächspartners resultiert, die wiederum dem bzw. der unterstützt Kommunizierenden eine abhängige Rolle zuweist.

  4. "Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax" (Ebd., S. 68). Die inhaltsbezogene digitale Form, die sich der Lautsprache und ihres willkürlich gesetzten Wortschatzes bedient und vielschichtige Zusammenhänge ausdrücken kann, steht der beziehungsbezogenen analogen Form gegenüber, die auf bildlichem Ausdruck und Ähnlichkeitsbeziehungen fußt und aufgrund ihrer Vieldeutigkeit auf die Interpretation des Gegenübers angewiesen ist. Eine Übersetzung von der einen in die anderen Form ist mit Missverständnissen und Informationsverlust gekoppelt (vgl. Ebd., S. 63ff.). Übertragen auf Unterstützte Kommunikation bedeutet dies, dass die Informationsveränderungen bei der Ko-Konstruktion berücksichtigt und auch die Besonderheiten, die die analoge Sprache aufweist, beachtet werden sollten.

  5. "Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den [Partnerinnen und] Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht" (Ebd., S. 70). Diese mit dem dritten Axiom eng verbundene Setzung bezieht sich auf die unterschiedlichen Rollen und Machtverhältnisse, in denen sich die Kommunikationspartnerinnen und -partner befinden. Bezogen auf Unterstützte Kommunikation folgt daraus, dass aufgrund der besonderen Gesprächssituation eine komplementäre Beziehung vorherrscht, die auf der Abhängigkeit der oder des unterstützt Kommunizierenden von den Interpretationen ihres oder seines Gegenübers basiert.

Generell kann menschliche Kommunikation, ob unterstützt oder nicht, immer mit Störquellen verbunden sein, die an den unterschiedlichsten Stellen der oben beschriebenen Axiome auftreten können und derer man sich bewusst sein sollte (vgl. Ebd., S. 72).

2.2 Zukunftsplanung

"Die Zukunft, die wir wollen, muß erfunden werden. Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen." (Joseph Beuys)

Auch Zukunftsplanungsprozesse bauen auf gelingender Kommunikation und menschlichen Beziehungen auf. In den folgenden Unterpunkten werden unterschiedliche Begriffsversionen mit Inhalt gefüllt und voneinander abgegrenzt, bevor sich ein Abschnitt über die Entstehungsgeschichte der Ansätze zur Zukunftsplanung anschließt. Um einen Einblick in verschiedene Verfahren zu ermöglichen, werden in Punkt 2.2.3 zwei unterschiedliche Herangehensweisen ausdifferenziert und anhand von Beispielen veranschaulicht. Abschließend wird das Potenzial, das der Ansatz der Zukunftsplanung in sich birgt, an Hand theoretischer Überlegungen aufgezeigt.

2.2.1 Zukunftsplanung und Lebensstilplanung - Definition und Abgrenzung

"Wenn einer allein träumt, ist es nur ein Traum. Wenn Menschen gemeinsam träumen, ist es der Beginn einer neuen Wirklichkeit." (Dom Helder Camara)

Planungsprozesse weisen mittlerweile unterschiedliche Akzentuierungen auf, die sich in Attributen oder Planungsarten äußern. Generell sind zunächst Planungsprozesse, die die Bezeichnung der Personenzentrierung tragen und über Institutionsgrenzen hinausdenken, von der traditionellen institutionellen Hilfeplanung zu unterscheiden, die sich an den in der jeweiligen Einrichtung vorhandenen Möglichkeiten orientiert (vgl. Boban 2007, S. 2; Doose 2007, S. 15f.; Boban/Hinz 2009a, S. 453). Emrich, Gromann und Niehoff (vgl. 2006, S. 47) sehen diese Abgrenzung insofern nicht so ausgeprägt, als dass sie personenzentrierte Verfahren als potenzielle Ergänzung oder Alternative zu herkömmlicher Hilfeplanung verstehen, während Boban und Hinz (vgl. 2007, S. 257) die diesbezüglichen Differenzen betonen.

Die in Deutschland seit mehreren Jahren verbreitete Definition versteht unter Persönlicher Zukunftsplanung einen "methodische[n] Ansatz, mit Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam über ihre Zukunft nachzudenken, sich Ziele zu setzen und diese gemeinsam mit anderen konkret abzuarbeiten" (Doose 2007, S. 3, vgl. auch Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 6).

Demgegenüber entwickelt sich aktuell die Tendenz, den Begriff Bürgerzentrierte Zukunftsplanung (vgl. Boban 2008; Boban/Hinz 2009a) zu bevorzugen. Begründet wird dies zum einen mit der aktuellen Entwicklungsphase der Angebote für Menschen mit Unterstützungsbedarf, die von der US-Amerikanerin Bradley mit dem zentralen Gedanken der Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern charakterisiert wird[29] (vgl. Boban 2008, S. 230f.). Zum anderen wird durch die Betonung des sozialen Miteinanders unter Bürgerinnen und Bürgern der Anspruch einer finanziellen Abrechenbarkeit von Dienstleistungen, die Personenzentrierung schnell zu einer Professionellenorientierung werden lässt, verhindert. Der Wert, der der gegenseitigen Bürgerschaftshilfe dabei zukommt, soll somit auch für Zukunftsplanungsprozesse durch das Adjektiv "bürgerzentriert" betont werden (vgl. Boban/Hinz 2009a, S. 453f.). Zudem orientiert sich der Ansatz durch seine Gemeinde- und Nahraumorientierung an einer inklusiven Gemeinschaft, in der alle Bürgerinnen und Bürger willkommen sind und im Zusammenleben ihre Bürgerrechte wahrnehmen können (vgl. Doose 2007, S. 16). Aus diesen Gründen wird auch in der vorliegenden Arbeit anstelle von Personen- von Bürgerzentrierung gesprochen.

Darüber hinaus findet sich in der Literatur der Begriff der Lebensstilplanung, der einen anderen Fokus setzt (vgl. Smull/Sanderson/Allen 2004; Schirbort 2007). Dieser Ansatz ist auch für den Einsatz innerhalb von Institutionen gedacht und kann an Stelle einer individuellen Hilfeplanung genutzt werden. Während sich Zukunftsplanungen häufig auf große Veränderungen im Leben von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen beziehen, nimmt die Lebensstilplanung vorrangig ältere Menschen in den Blick und ermöglicht ihnen je nach individuellem Bedarf das Aufstellen von Zielen für die nächsten Wochen bis hin zu mehreren Jahren. Häufig wird im Rahmen eines Jahresrhythmus mit begleitender Dokumentation, Zwischenbesprechungen und einer Jahresevaluation geplant, wobei jedoch die Personenzentrierung und Kompetenzorientierung in jeder Phase berücksichtigt werden (vgl. Schirbort 2007, S. 207).

Ein Versuch einer genaueren Differenzierung wird in Punkt 2.2.3 vorgenommen, indem spezielle Verfahren der unterschiedlichen Herangehensweisen aufgezeigt werden.

Um das grundsätzliche Ziel, das bei allen Varianten in der Verbesserung der Lebensqualität der planenden Person besteht, zu erreichen, wird in Zukunftsplanungsprozessen unabhängig von ihrer konkreten Schwerpunktsetzung thematisiert, wie sich die Hauptperson ihr Leben vorstellt und welche Unterstützung sie für die Umsetzung dieser Wünsche und Bedürfnisse benötigt (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 69). Smull, Sanderson und Allen fassen dies mit den Worten "Menschen zuhören, lernen, was in ihren Leben persönlich bedeutsam ist, und auf dieser Grundlage handeln" (2004, S. 13)[30] zusammen und führen wie auch Doose (vgl. 2007, S. 41ff.) als mögliche Auswirkungen Veränderungen nicht nur in den individuellen Lebensstilen, sondern auch in den professionellen Dienstleistungen und im Gemeinwesen an. In Bezug auf die Ebene der Gesellschaft bestehen weitere Ziele in der Umsetzung von Inklusion in Form "der Wahrnehmung ihrer Bürgerrechte im Rahmen der Weiterentwicklung des Umfeldes zu einer inklusiven Gesellschaft" (Boban 2008, S. 231) und der Ausweitung von Selbstbestimmung (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 73).

Als Zielgruppe gelten grundsätzlich alle Menschen, die gemeinsam mit anderen über ihre Zukunft nachdenken möchten (vgl. Emrich 2004, S. 1[31]). Da das Ausmalen und Umsetzen eines individuell passenden Lebensstils vor allem für Menschen mit Behinderungen aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht selbstverständlich ist, wird das Potential des Konzeptes für diesen Personenkreis besonders hervorgehoben (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 70).

Anlässe für eine Zukunftsplanung können neben anstehenden Übergangssituationen (z.B. Ende der Schulzeit, Veränderung der Wohnsituation) auch ein unbefriedigender aktueller Lebensstil oder eine krisenhafte Phase sein (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 75; Doose 2007, S. 11; Hömberg 2008, S. 01.050.001). Auch altersmäßig sind keine Grenzen gesetzt, so dass sich der Ansatz für jede Lebensspanne eignet und jederzeit begonnen werden kann (vgl. Boban 2008, S. 234), um im Sinne seines Charakters als "kontinuierlicher Problemlösungsprozess" (Doose 2007, S. 21) im Laufe des Lebens in geeigneten Situationen fortgeführt zu werden (vgl. Wells o. J., S. 1).

Das volle Potential des Ansatzes entfaltet sich nur, wenn die Initiative von der planenden Person oder einer Unterstützungsperson, die jedoch im Sinne der Hauptperson handelt, ausgeht. Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit, Zukunftsplanungsprozesse in Einrichtungen verpflichtend durchzuführen (vgl. Boban 2003a, S. 5; Emrich 2004, S. 5; Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 76).

Eine weitere Stärke des Ansatzes besteht darin, dass nicht alleine geplant wird (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 76). Die planende Person entscheidet gegebenenfalls mit zurückhaltender Unterstützung durch nahe stehende Menschen, wer Teil des Netzwerkes sein soll, mit dem sie in Planungstreffen ihre Zukunft entwirft und umsetzt (vgl. Doose 2007, S. 32; Boban 2008, S. 232). Entsprechend liegt auch die Wahl des zeitlichen Rahmens sowie des Ortes bei der planenden Person (vgl. Doose 2007, S. 32; Sanderson/Smull o. J., S. 5).

Um die Hauptperson und ihre ausgewählten Mitplanerinnen und -planer durch den Prozess zu leiten, empfiehlt sich vor allem bei der ersten Zusammenkunft ein externes Moderationstandem (vgl. Doose 2007, S. 35; Boban 2008, S. 235). Eine bzw. einer der beiden übernimmt als group facilitator die Gesprächsleitung und -moderation[32], während die oder der andere im Rahmen der graphic facilitation das Besprochene und Überlegte visualisiert[33] (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 82f.; Boban/Hinz 2009b, S. 13).

Die verschiedenen Ansätze, auf die im Folgenden noch eingegangen wird, haben drei grundlegende Kernelemente gemein: Nach der Erstellung eines persönlichen Profils zum vielperspektivischen Kennenlernen der planenden Person wird das Bild der persönlich erwünschten Zukunft ausgemalt, bevor die Planung und Realisierung der Ziele in Angriff genommen werden (vgl. Emrich 2004, S. 2ff.; Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 84ff.). Dabei gilt es, das Wesentliche der eventuell auch unrealistischen Träume herauszuarbeiten und in erreichbare Schritte zu übertragen (vgl. Emrich 2004, S. 3; Doose 2007, S. 19f.). Häufig wird auch die Wahl einer Agentin oder eines Agenten empfohlen, die bzw. der die Umsetzung überwacht und damit die Verantwortung von den Schultern der planenden Person bzw. ihren engsten Familienangehörigen nimmt (vgl. Boban 2007, S. 7f.; Doose 2007, S. 21). Selbstverständlich obliegt es wiederum der planenden Person darüber zu entscheiden, welchen Menschen sie sich für die Übernahme dieser Rolle wünscht (vgl. Sanderson/Smull o. J., S. 5).

Aus diesen kurz beschriebenen Kennzeichen von Zukunftsplanungsprozessen lassen sich die wichtigsten Menschenbildannahmen ableiten. So basieren bürgerzentrierte Ansätze auf der grundsätzlichen Zuerkennung der Fähigkeit zur Selbstbestimmung, die jedoch nur ausgebildet werden kann, wenn im Alltag häufig zwischen echten Alternativen ausgewählt werden kann. Außerdem wird jedem Menschen das Recht auf volle Partizipation am gesellschaftlichen Leben zugesprochen und dabei die "Erwartung [gehegt,] dass das Individuum Teil einer inklusiven Gemeinschaft wird" (Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 176)[34]. Neben der konsequenten Orientierung an den Kompetenzen werden die Wünsche und Bedürfnisse der Hauptperson in den Mittelpunkt gestellt, aber gleichzeitig erfolgt auch eine Identifizierung der konkreten Unterstützungsbedarfe, wodurch Träume in umsetzbare Einzelschritte untergliedert werden. Die Planung ist im gesamten Prozess lediglich das Mittel, da das Ziel in der Umsetzung der Pläne und Ideen besteht, die auch noch so kleinschrittig sein können. Die geäußerten Ziele werden in jedem Fall mit "tiefem Respekt vor dem Individuum" (Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 176)[35] akzeptiert, da keine Vorstellung eines idealen Lebensverlaufs zugrunde gelegt wird. Stattdessen werden eine Pluralität an Lebensstilen und damit zusammenhängende unterschiedliche Vorlieben anerkannt. Dabei wird durch kontinuierliches Weiterplanen auch berücksichtigt, wenn sich Meinungen ändern. Zudem herrscht das Bewusstsein vor, dass der Mensch auf langfristige soziale Beziehungen angewiesen ist und sich diese im gleichberechtigten Dialog herausbilden (vgl. Emrich 2004, S. 1 und 4; Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 13; Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 76f.; Doose 2007, S. 23; Boban/Hinz 2009b, S. 15; Sanderson/Smull o. J., S. 6).

Besonders zentral ist dabei, dass es im Rahmen bürgerzentrierter Planungen keine festen Vorgaben gibt, sondern stets die Individualität der planenden Person im Mittelpunkt steht, wenn Entscheidungen bezüglich des methodischen Vorgehens in der Vorbereitung und Durchführung von Planungsprozessen getroffen werden (vgl. Emrich 2004, S. 2 und 5; Doose 2007, S. 24f.).

2.2.2 Ein kurzer Blick in die Geschichte der Zukunftsplanung

Das Konzept des Person Centered Planning[36] hat seine Wurzeln in den USA und Kanada in den 1980ern (vgl. Emrich 2004, S. 1; Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 70; Boban/Hinz 2009a, S. 453). Als Oberbegriff für personen- bzw. bürgerzentrierte Planungsverfahren und -ansätze mit unterschiedlichen methodischen Verfahrensweisen wie Essential Lifestyle Planning (vgl. Smull/Sanderson/Allen 2004), MAPS und PATH[37] (vgl. O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010), Personal Futures Planning (vgl. Mount 2000), Preference-Based Planning (vgl. Curtis/Dezelsky 1994) weist er auf die gemeinsamen Elemente hin. Alle unter dem Begriff Person Centered Planning gefassten Konzepte legen die zentrale Stellung der planenden Person sowie eine konsequente Stärken-, Interessen- und Bedürfnisorientierung zugrunde (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 71). Zudem unterliegen sie der "Selbstverpflichtung, zu lernen, was den Menschen selbst wichtig ist sowie der Selbstverpflichtung, das Gelernte umzusetzen" (Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 12)[38].

Seine Hintergründe hat das Person Centered Planning in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, als deren einer Zweig sich die Behindertenrechtsbewegung versteht (vgl. Doose 2007, S. 5; Boban 2008, S. 232). Durch den Erfolg der Kämpfe um Gleichberechtigung der zuvor diskriminierten Menschen mit dunkler Hautfarbe und Frauen und das "gestärkte[] Bewusstsein für die eigenen Rechte" (Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 53) entstand 1962 die Independent Living Bewegung, in der sich vorrangig Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderung für Selbstbestimmung in der Lebensführung einsetzten (vgl. Theunissen 2001, S. 14; Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 53f.). Um auch Menschen mit geistiger Behinderung diese Möglichkeiten zu eröffnen, entstand das Konzept des Supported Living, welches

"einige der zentralen Errungenschaften des [I]ndependent [L]iving-Ansatzes bei[behält]: Als hervorstechendste nennen wir nur die Trennung von Wohnraum und Hilfeleistung, die Analyse der Macht- und Kontrollstrukturen oder das Ziel, behinderten Menschen ein Leben zu ermöglichen, das nicht durch die Schablonen institutioneller Betreuung bestimmt wird. Im Unterschied zum [I]ndependent [L]iving rückt es aber die sozialen Netzwerke und die lebensweltlichen Bezüge des behinderten Menschen viel stärker in den Mittelpunkt." (Lindmeier/Lindmeier 2000, S. 160)

Als wichtiges Element zur Umsetzung des Konzeptes entstanden die Verfahren des Person Centered Planning, woraus sich ihr Anspruch auf Eröffnung von Möglichkeiten in der Gemeinde sowie im informellen Umfeld anstelle von institutioneller Unterstützung ableitet (vgl. Lindmeier/Lindmeier 2001, S. 46; Theunissen 2001, S. 18).

Auch außerhalb der Arbeit mit Menschen mit Behinderung entstanden verschiedenste Verfahren, um die Zukunft zu gestalten (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 25 und 28). Ein Beispiel hierfür sind Zukunftskonferenzen (Future Searches), die Weisbord seit den 1960ern im englischsprachigen Raum vertritt und mithilfe derer "sich eine große Zahl von Menschen in die Optimierung ganzer Systeme einbeziehen läßt" (Weisbord/Janoff 2001, S. 100), während an einem gemeinsamen, die Zukunft betreffenden Thema gearbeitet wird (vgl. Burow 2000, S. 203; Weisbord/Janoff 2001, S. 11 und 25). Auch Jungks Konzept der Zukunftswerkstatt als "Forum, in dem sich Bürger gemeinsam bemühen, wünschbare, mögliche, aber auch vorläufig unmögliche Zukünfte zu entwerfen und deren Durchsetzungsmöglichkeiten zu überprüfen" (Jungk/Müllert 1997, S. 17) zielt auf eine Stärkung der Bürgerbeteiligung und somit der Demokratie (vgl. Ebd., S. 13; Burow 2000, S. 170), so dass der Begriff der "Bürgerzentrierung" auch aus dieser Perspektive gerechtfertigt und treffend erscheint.

Der Begriff Persönliche Zukunftsplanung, der sich an den englischsprachigen Bezeichnungen Personal Futures Planning und Person Centered Planning orientiert, wurde von Doose in den 1990er Jahren in den deutschen Sprachgebrauch eingebracht (vgl. Emrich 2004, S. 1; Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 71) und von Ines Boban (vgl. 2008) zur Bezeichnung Bürgerzentrierte Zukunftsplanung weiterentwickelt[39].

Über die Zeit ist eine kontinuierliche Veränderung und Weiterentwicklung des Ansatzes zu bemerken, im Zuge derer aber die Kerngrundsätze der Personen- bzw. Bürgerzentrierung, der Kompetenzorientierung und der Bildung von sozialen Netzwerken konstant blieben (vgl. Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 77). Aus diesem Grund erfolgt zunächst die Erläuterung des Unterstützerkreises, bevor auf unterschiedliche Vorgehensweisen und Akzentuierungen innerhalb von Zukunftsplanungsprozessen eingegangen wird.

2.2.3 Verschiedene Stränge der Zukunftsplanung

"Das Und durchlöchert das Entweder/Oder!" (Ulrich Beck)

Die Grundidee der Persönlichen Zukunftsplanung, der planenden Person eine stärkere Einbindung in ihr gesellschaftliches Umfeld zu ermöglichen, macht die Entwicklung eines Unterstützerkreises sinnvoll, der in der englischen Terminologie als Circle of Friends, Circle of Support oder Relationship Circle bezeichnet wird (vgl. Boban 2003b; Smull/Sanderson 2005, S. 87; Boban/Hinz 2009b, S. 12; Sanderson/Smull o. J., S. 4). Die graphische Darstellung dieses Netzwerkes zielt darauf ab, einen Überblick über die sozialen Beziehungen der Hauptperson zu erhalten und somit mögliche Unterstützerinnen und Unterstützer zu identifizieren (vgl. Boban/Hinz 1999, S. 17; Boban 2008, S. 233).

Abb. 2:Unterstützerkreis (Quelle: modifiziert nach Smull/Sanderson 2005, S. 88)

Es bietet sich, wie in Abbildung 2 dargestellt, an, mithilfe vier konzentrischer Kreise für die Einladung in Frage kommende Personen zusammenzutragen. Im Mittelpunkt steht die Hauptperson, die letztendlich - mit der individuell notwendigen Unterstützung - die Entscheidung trifft, wen sie als Mitglied ihres Unterstützerkreises gewinnen möchte. Im innersten Kreis werden die Namen derjenigen Personen festgehalten, die zum Kreis der Vertrautesten (Circle of Intimacy) gehören und auf die sich die Person in jedem Fall verlassen kann. Der nächste Kreis, der Freundschaftskreis (Circle of Friendship), beinhaltet die Namen der Menschen, die die planende Person als ihre Freundinnen und Freunde empfindet. Im dritten Kreis werden die Personen eingetragen, die dem Bekanntenkreis (Circle of Participation) angehören. Sie zeichnen sich durch gemeinsame Unternehmungen und Interessengebiete mit der Hauptperson aus, ohne dass eine enge Freundschaft besteht. Der äußerste Kreis umfasst die Namen der Professionellen, die für die planende Person arbeiten. Dieser so genannte Dienstleistungskreis (Circle of Economic Exchange oder Circle of Exchange) basiert auf Beziehungen, die auf einer finanziellen Basis stehen (vgl. Smull/Sanderson et al. 2005, S. 88; Green/Moore/O'Brien 2006, S. 130f.; Boban 2007, S. 3f.; Boban/Hinz 2009b, S. 12f.; O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 53). Die Visualisierung dieser Kreise hilft, leere Stellen zu entdecken und im Rahmen der Zukunftsplanung bewusst den Aufbau sozialer Netzwerke anzustreben, um durch und mit Unterstützung die Stärken und Chancen der Hauptperson zu verbessern (vgl. Boban/Hinz 1999, S. 17; Emrich 2004, S. 4). Zudem ermöglicht das Zusammenkommen eines Unterstützerkreises die Erfüllung des Anspruches bürgerzentrierter Vorgehensweisen, bei der Planung und Umsetzung nicht auf sich allein gestellt zu sein, sondern die Kraft der Gruppe zu nutzen (vgl. Sanderson/Smull o. J., S. 5). Das Stattfinden weiterer Zusammenkünfte einzelner oder aller Mitglieder stellt bei Doose (vgl. 2007, S. 34) das zentrale Kriterium für Unterstützerkreise dar, wobei der zeitliche Abstand der Treffen je nach Bedarf vereinbart werden kann.

Emrich, Gromann und Niehoff (vgl. 2006, S. 81f.) unterscheiden bei der Verwendung der Begriffe verschiedene Zusammensetzungen. So verstehen sie unter einem Circle of Support die Zusammenarbeit derjenigen Menschen, die für die Umsetzungen der Pläne als hilfreich eingeschätzt werden und aus allen in der Abbildung 2 aufgezeigten Bereichen stammen können. Im Unterschied dazu liegt beim Circle of Friends der Fokus neben der Implementierung von Veränderungen vor allem auf gemeinsamen Freizeitaktivitäten und der Ausübung gleicher Hobbys (vgl. auch Doose 2007, S. 34). Eine völlig andere Schwerpunktsetzung weist ein Unterstützerkreis als Person Centered Team auf, das sich ausschließlich aus bezahlten Professionellen zusammensetzt und damit nicht den Anspruch der Bürgerzentrierung verfolgt. Dennoch kann eine solche Zusammensetzung einen Menschen, der über keinerlei Ansätze eines sozialen Netzwerkes verfügt, auf dem Weg dorthin unterstützen, falls das Denken aller Beteiligten über die Professions- und Institutionsgrenzen hinaus gelingt.

Im Allgemeinen gilt jedoch: Je heterogener die Mitglieder des Unterstützerkreises in den verschiedensten Dimensionen sind, desto produktiver kann sich die gestalten und desto mannigfaltigere Möglichkeiten können erdacht und umgesetzt werden (vgl. Boban 2003b, S. 291; Doose 2007, S. 15). Neben dieser Vielfalt ist zudem die Anwesenheit von Gleichaltrigen sehr bedeutsam, da sie zum einen als Identifikationsmöglichkeiten fungieren und zum anderen der Lebensphase der planenden Person am nächsten stehen (vgl. Boban 2008, S. 233). Die meisten kreativen Verbindungen und Kontaktaufbauten finden über Personen statt, die dem Bekanntenkreis zuzuordnen sind. Sie bewegen sich in anderen engen Freundeskreisen und bieten auf diese Weise die Chance, wichtige Ressourcen über Sozialkontakte über mehrere Ecken hinweg zu erschließen und die Heterogenität in ihrem "konkret inklusiv erfahrbaren Potential" (Ebd.) zu erleben.

Beim moderierten Auftakttreffen des Unterstützerkreises ist es wichtig, eine Atmosphäre der optimistischen Gemeinschaftlichkeit zu schaffen, um die Kraft der Gruppe auch für die folgenden unmoderierten Unterstützerkreistreffen nachwirken zu lassen (vgl. Boban 2007, S. 7). Dabei wird vor allem der Wert der Moderationskompetenz des "gekonnt[en] [R]efraim[ens]" (Boban 2003b, S. 291) betont, bei der sämtliche Einwände und Bedenken positiv umgedeutet werden, um mit Enthusiasmus an die Umsetzung gehen zu können (vgl. Ebd.).

Im englischsprachigen Raum lässt sich eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung in den bürgerzentrierten Verfahren, die alle mit der Ressource des Unterstützerkreises arbeiten, erkennen. Helen Sanderson Associates (vgl. o. J., o. S.) zeigen mit MAPS und PATH, Essential Lifestyle Planning und Personal Futures Planning drei unterschiedliche Methoden unter der Kategorie des Person Centred Planning auf, die auch in dieser Arbeit aufgegriffen werden, und durch die kurze Vorstellung von Person Centred Reviews ergänzt werden. Sanderson verwendete in einer Diskussion im Rahmen eines EU-Projektes die Begriffe der künstlerischen und handwerklichen Herangehensweise[40], um die ambitionierten, visionären Planungsverfahren, die auf ein bereits bestehendes informelles soziales Netzwerk zurückgreifen und am Rand von Systemen nach Alternativen suchen, von jenen abzuheben, die im institutionellen Rahmen von professionellen Unterstützerinnen und Unterstützern angestoßen werden[41], ohne dass zu Beginn ein Unterstützerkreis zusammengerufen werden kann, weil lediglich wenige informelle Kontakte bestehen (mündliche Mitteilung von Ines Boban am 22.11.2010; vgl. auch Smull 2009, 00:53-02:38). Diese Begrifflichkeit wird in den folgenden Unterpunkten aufgegriffen und mit Verfahren gefüllt. Smull (vgl. 2009, 00:53-00:56) spricht in diesem Zusammenhang von styles und betont explizit die Gleichwertigkeit dieser Verfahren, die unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Der synergetische Wert beider Stränge lässt sich bereits daran erkennen, dass sich die beiden Begriffe "Kunst" und "Handwerk" in der deutschen Sprache zum "Kunsthandwerk" zusammensetzen lassen und einander produktiv ergänzen. In diesem Sinne sind auch die im Folgenden erläuterten Verfahren nicht als sich gegenseitig ausschließend, sondern als einander anregend, ergänzend und erweiternd zu verstehen!

2.2.3.1 Die künstlerische Herangehensweise

"Wirklich reich ist, wer mehr Träume in seiner Seele hat, als die Realität zerstören kann." (chinesisches Sprichwort)

Neben PATH, das als "darstellende Kunst wie Musik, Schauspiel, Tanz oder Jonglieren" (O'Brien/Pearpoint 2002, S. 58)[42] bezeichnet wird, zählt auch MAPS zum eher künstlerischen Vorgehen. Der einander ergänzende Charakter dieser beiden im Folgenden vorgestellten Verfahren für "Tu nicht irgendwas, setz dich erstmal (und erzähl deine Geschichte)!"-Situationen (MAPS) bzw. für "Sitz nicht rum, tu etwas!"-Situationen (PATH) macht sie zu einer geeigneten Strukturierungshilfe für Zukunftsplanungstreffen (vgl. O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 46)[43].

Da die ursprüngliche achtschrittige Form in der deutschsprachigen Literatur mehrfach genauer beschrieben ist (vgl. Boban/Hinz 1999, S. 17f.; Bros-Spähn 2002, S. 51; Boban/Hinz 2009b, S. 13f.), wird an dieser Stelle die alternative Form von MAPS erläutert, die in der Veröffentlichung "The PATH & MAPS Handbook. Person-Centered Ways to Build Community" enthalten ist (vgl. O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 93ff.).

Das Verfahren MAPS hilft in sechs Phasen bei der Entwicklung eines individuellen Profils, das Stärken, Fähigkeiten, Träume, Wünsche, Bedürfnisse und Ziele aufzeigt (vgl. Doose 2007, S. 34). Im Unterstützerkreis wird gemeinsam überlegt, wobei es wichtig ist, als Rückversicherung jeweils die planende Person entscheiden zu lassen, ob der jeweilige Gedanke zutrifft und er somit visualisiert wird oder nicht (vgl. Ebd., S. 35). Die Abbildung 3 verdeutlicht die graphische Dokumentation der "[p]ersonenzentrierte[n] Gegenwarts-Klärung" (Boban 2007, S. 7) mithilfe von MAPS.

Abb. 3: MAPS (Quelle: modifiziert nach O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 98)

Nach dem Erläutern des Vorgehens und einer Vorstellungsrunde, die es den Mitgliedern des Unterstützerkreises ermöglicht, sich gegenseitig kennenzulernen, die jeweiligen Verbindungen zur Hauptperson zu erfahren und zu benennen, warum es persönlich bedeutsam ist, hinzugezogen worden zu sein, wird im ersten Schritt auf die Geschichte der planenden Person zurückgeblickt. Dabei werden wichtige Aspekte aus der fernen und nahen Vergangenheit erinnert. Anschließend folgt der zweite Schritt, der zum Träumen auffordert. Gesammelt werden Visionen, wie die Zukunft der Hauptperson gestaltet werden könnte. Um auch Raum für Befürchtungen zu eröffnen, werden in der dritten Phase kurz die Alpträume benannt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieser Schritt keine große Gewichtung erfährt, damit der für den Ansatz der Persönlichen Zukunftsplanung charakteristische Optimismus aufrechterhalten wird. In der Originalvariante besteht die Aufgabe des Unterstützerkreises während dieser ersten drei Schritte im aufmerksamen und anerkennenden Zuhören und Wahrnehmen der Überlegungen der planenden Person. Aufgrund des Grundsatzes, so individuell wie möglich und nötig vorzugehen, ist eine Abwandlung der Verfahren je nach Bedarf immer möglich, so dass als Variante auch der Unterstützerkreis bereits zu Wort kommen kann (vgl. Emrich 2004, S. 2; Emrich/Gromann/Niehoff 2006, S. 83). Der vierte Schritt beinhaltet das Thematisieren von besonderen Eigenschaften, Stärken, Fähigkeiten, Talenten und Neigungen der Hauptperson, die sie aus Sicht der Mitglieder des Unterstützerkreises ausmachen und mit denen sie ihre Umgebung bereichert. Daran schließt sich als fünfter Schritt die Überlegung an, welche Bedingungen und Unterstützungsangebote es der Hauptperson ermöglichen, ihre Träume und Wünsche zu verwirklichen sowie ihre Umwelt an ihren Stärken teilhaben zu lassen. Im sechsten Schritt übernehmen die Anwesenden Verantwortung, indem sie ihren Anteil an der Umsetzung der Pläne benennen. Zuletzt kann die planende Person die Mitglieder ihres Unterstützerkreises bitten, durch eine Unterschrift auf dem Plakat ihr Mitwirken am Planungsprozess festzuhalten (vgl. O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 96ff.).

An dieser Stelle des Vorgehens eignet sich in vielen Fällen die Anwendung des Verfahrens PATH, um bildlich gesprochen auf der entwickelten Landkarte die einzelnen Schritte auf dem Pfad zum Ziel gemeinsam zu denken und anschließend zu gehen. In einem solchen Fall ist es sinnvoll, auf den sechsten Schritt von MAPS zu verzichten, da genau an dieser Stelle PATH ansetzt (vgl. Boban 2007, S. 7). Einen Vorschlag zur graphischen Umsetzung stellt die Abbildung 4 dar, die sich wiederum an der Originalvariante orientiert.

Abb. 4: PATH (Quelle: modifiziert nach O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 68)

Im Vergleich zu MAPS fallen bei PATH die Unterschiede zwischen den Alternativen eher gering aus. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Autoren keine genauen Zeitangaben mehr vorgeben und der Nordstern, der im ersten Schritt mit Visionen, Idealen und Träumen gefüllt wird, als richtungsweisender Orientierungspunkt für die konkreten Schritte dient. Die zweite Phase beinhaltet eine Zeitreise zu dem Zeitpunkt[44], an dem die erträumte Zukunft erreicht wurde. Die Mitglieder des Unterstützerkreises benennen konkrete Umstände, die das Erreichte erkennen lassen. Im dritten Schritt erfolgt der Abgleich mit der Realität, indem auf die aktuelle Situation geblickt wird. Anschließend überlegt der Unterstützerkreis in der vierten Phase, welche Bündnispartnerinnen und -partner für die Umsetzung der Pläne gewonnen werden können, bevor im fünften Schritt die Möglichkeiten zur Stärkung jedes Einzelnen sowohl in persönlicher als auch in zielbezogener Hinsicht benannt werden. Nach dieser Berücksichtigung der Ressourcen erfolgt als sechste Phase erneut eine Zeitreise, die die Hälfte des Planungszeitraums überbrückt und bis dahin erreichte Meilensteine illustriert. Im siebten Schritt nähert sich der Unterstützerkreis gedanklich noch weiter der Gegenwart und konkretisiert, auf welche Veränderungen nach einem Monat geblickt werden kann. Um den Verwirklichungsprozess der Vision mit kleinen Schritten in Gang zu setzen, benennen die Unterstützerinnen und Unterstützer in der letzten Phase, welche Aktion sie am nächsten Tag in die Tat umsetzen werden (vgl. O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 70ff.).

Zu einer solchen künstlerischen Herangehensweise passt der Begriff des Zukunftsfestes, der auf Anregung einer planenden Person entstand und von Boban (vgl. 2007, S. 6; Boban/Hinz 2009b) in Publikationen häufig verwendet wird. Falls in dieser Arbeit ausdrücklich der künstlerische Zukunftsplanungsstrang gemeint ist, wird das stattfindende Treffen als Zukunftsfest bezeichnet, während ein Treffen im Sinne der handwerklichen Herangehensweise, wie sie im folgenden Unterpunkt beschrieben wird, als Zukunftskonferenz betitelt wird. Im Falle einer auf beide Richtungen zutreffenden Aussage wird der neutrale Begriff des Zukunftsplanungstreffens genutzt.

2.2.3.2 Die handwerkliche Herangehensweise

"Die Qualität unseres täglichen Lebens wird durch das Vorhandensein oder Fehlen von persönlich bedeutsamen Dingen bestimmt - unseren Wahlmöglichkeiten, unseren Ritualen." (Michael Smull)[45]

Von Smull und Sanderson (vgl. 2005, S. 15) wird das Vorgehen insofern weiter gefasst, als dass die Bedeutung kontinuierlichen personenzentrierten Denkens (Person Centred Thinking) der personenzentrierten Planung (Person Centred Planning) übergeordnet wird und von einem Personenkreis ausgegangen wird, der Dienstleistungen der so genannten Behindertenhilfe (services) nutzt. Bereits daran lässt sich der unterschiedliche Anspruch im Sinne einer Lebensstilplanung (vgl. Punkt 2.2.1) erkennen.

Schirbort betont vor allem das Potential, das die persönlich bedeutsame Lebensstilplanung (Essential Lifestyle Planning) für nicht lautsprachlich kommunizierende Personen mit besonders hohem Unterstützungsbedarf in sich birgt, da "zunächst wichtige Bezugs- bzw. Vertrauenspersonen durch genaue Beobachtungen und dialogische Begegnungen individuelle Bedürfnisse, Wünsche und Interessen der einzelnen Person erspüren bzw. erschließen sollen" (2007, S. 208). Die Initiative der Planung kann sowohl von Selbstvertretern und Familien als auch von bezahlten Professionellen übernommen werden (vgl. Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 16). Analog zu dieser Flexibilität lässt sich auch der konkrete Planungsprozess individuell mithilfe von methodischen Anregungen[46] gestalten. Dennoch besteht die grobe Struktur von Essential Lifestyle Planning aus fünf aufeinander aufbauenden Phasen, die im Folgenden knapp umrissen werden[47].

Im ersten Schritt (Think about what you want to learn and how you want to learn it) findet ein gemeinsames Nachdenken des facilitators[48] mit der planenden Person statt, um eine gute Basis für den zu entwickelnden Plan und seine Umsetzung aufzubauen. In dieser Phase stellt sich der facilitator Fragen zur eigenen Haltung, ermittelt mit der Hauptperson mit einem Relationship Circle die sozialen Beziehungen und vereinbart grundlegende Regeln für das Vorgehen (vgl. Ebd., S. 36ff.). Anschließend erfolgt in der zweiten Phase (Gather the information) das Zusammentragen von Informationen, wobei das Verbringen von Zeit mit der Hauptperson und sorgfältiges Zuhören im Vordergrund stehen. Je nachdem, welche Vorgehensweise ausgehandelt wurde, nimmt die planende Person an diesen Schritten teil bzw. wird über die Gespräche mit den von ihr aus dem Relationship Circle ausgewählten Menschen informiert. Für Hauptpersonen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, wird empfohlen, zunächst auf die Kommunikation einzugehen, um möglichst bald Wissen über Austauschmöglichkeiten zu sammeln[49] (vgl. Ebd., S. 56ff.). Mithilfe der gewonnenen Informationen erstellt der facilitator im dritten Schritt (Develop and review a first plan) einen ersten Plan, der mit der Hauptperson und anschließend mit einer fremden Person besprochen wird, um die Verständlichkeit zu überprüfen. Dieser Entwurf erhebt nicht den Anspruch auf Perfektion, sondern dient als Grundlage für die Umsetzung sowie weitere Überarbeitungen (vgl. Ebd., S. 76ff.). In der vierten Phase (Put what has been learned into practice) wird die Aufhebung der wahrgenommenen Differenzen zwischen dem gewünschten und dem tatsächlichen Lebensstil angestrebt. Dabei wird es als sinnvoll erachtet, ein Treffen aller Beteiligten zu initiieren, auf dem Verantwortlichkeiten festgelegt und in einem Umsetzungsplan dokumentiert werden. Die Handlungsmöglichkeiten werden trotz der Planung im Rahmen von Unterstützungsdienstleistungen oder Institutionen nicht auf dieses Setting beschränkt, sondern es wird nach den besten Optionen gesucht, die auch außerhalb des genutzten Dienstleistungsangebots liegen können (vgl. Ebd., 90ff.). Im Sinne des Verständnisses von bürgerzentriertem Planen als kontinuierlicher Prozess sieht der fünfte Schritt (On-going learning) die Fortsetzung des Lernens sowohl über die planende Person als auch über die eigene Organisation und die gebotene Unterstützung vor. Hierfür werden verschiedene methodische Herangehensweisen wie beispielsweise der Einsatz anderer bürgerzentrierter Verfahren (PATH, Personal Futures Planning) angeboten (vgl. Ebd., S. 132ff.).

Der an dieser Stelle erläuterte Verlauf zielt auf die Erstellung eines Essential Lifestyle Plans ab, der jedoch nur dann als gut gilt, wenn er wiedergibt, was der Person selbst wichtig ist, in leichter Sprache verfasst ist, ständig weitergeführt und verändert wird und nur ein Mittel zur Zielerreichung darstellt (vgl. Ebd., S. 7). Ein solcher Plan umfasst vier Bereiche: Im Abschnitt Organisatorisches wird festgehalten, wer wann mit wem geplant hat, bevor im Bereich über die Hauptperson ihre Stärken und Bedürfnisse, die in drei Prioritätskategorien eingeordnet sind, dargestellt werden. Darüber hinaus beinhaltet der Abschnitt Unterstützung die jeweiligen Unterstützungsbedarfe[50] sowie die Sichtweisen der Unterstützerinnen und Unterstützer darüber, was sie für wichtig halten. Um den Plan zu einer Handlungsgrundlage zu machen, führt der häufig im Rahmen eines Treffens erarbeitete Bereich Aktionen die Diskrepanzen zwischen der aktuellen Lebenssituation und dem gewünschten Lebensstil auf und gibt Aufschluss darüber, wer dafür verantwortlich ist, welchen Umstand zu verändern bzw. aufrechtzuerhalten (vgl. Smull/Sanderson 2005, S. 66ff.).

Die Sichtweise, dass Person Centred Planning nur einen Schritt auf dem Weg zum Person Centred Thinking darstellt, erfordert es, dass ganze Organisationen aus der Umsetzung von Essential Lifestyle Plans durch einzelne Teams lernen und sich dadurch weiterentwickeln (vgl. Ebd., S. 110). Mit dem Ziel, in gesamten Institutionen Person Centred Thinking im alltäglichen Umgang umzusetzen, verbindet sich zudem die Vision, dass sich die Nutzer der services auf Grundlage der entstandenen Pläne ihre eigenen Unterstützerinnen und Unterstützer selbst auswählen (vgl. Sanderson/Smull o. J., S. 7).

Im Rahmen dieser handwerklichen Planungsweise können auch außerhalb des komplexen Essential Lifestyle Plannings mithilfe von einzelnen Methoden bereits Veränderungen im Lebensstil erzeugt werden. Ein Beispiel für eine derartige Methode, die dem Oberbegriff des Person Centred Thinking zuzuordnen ist, ist die persönliche Lagebesprechung (Person Centred Reviews), die nach denselben Grundannahmen vorgeht und eine Alternative zu herkömmlichen Hilfeplangesprächen darstellt. Auf an den Wänden verteilten Plakaten werden gemeinsam mit allen Anwesenden Informationen zu einzelnen Überschriften gesammelt, die sich mit Fragestellungen aus dem Essential Lifestyle Planning beschäftigen, um aus der Auswertung dessen, was gut funktioniert und was nicht, den Handlungsbedarf abzuleiten (vgl. hierzu vertiefend Sanderson/Goodwin 2010, S. 28f. und Sanderson/Mathiesen o. J., S. 1).

Personal Futures Planning nach Beth Mount (vgl. 2000, S. 7ff.) basiert auf denselben Grundannahmen wie die bereits vorgestellten bürgerzentrierten Verfahren und strebt die Entwicklung einer an Stärken orientierten Vision an, die mithilfe eines "intervisionären" (Ebd., S. 17)[51] Unterstützerkreises in einer aufzubauenden inklusiven Umgebung umgesetzt wird und gleichzeitig zu einer Veränderung der professionellen Dienstleistungen beiträgt. Ähnlich wie beim Essential Lifestyle Planning stellt das Planungstreffen nur einen kleinen Baustein in einem umfangreicheren Ansatz dar. Ausgehend von den fünf grundlegenden Werten "Beziehungen, Gemeindebezug, respektierte Rollen, Wahlmöglichkeiten, Mitwirkung" (Ebd., S. 23)[52] werden sechs Phasen durchlaufen: Der erste Schritt (Getting to Know People: Finding Friends for the Journey) fokussiert die sozialen Beziehungen und stellt mit der Relationship Map ein Instrumentarium zur Verfügung, diese aufzuzeichnen, Personen für den weiteren Planungsprozess auszuwählen und sich anschließend gemeinsam mit einer Unterstützerin oder einem Unterstützer fünf Strategien zu überlegen, um die sozialen Beziehungen auszubauen (vgl. Ebd., S. 28ff.). Als zweite Aufgabe (Finding Capacities in People) wird mithilfe der in Abbildung 5 dargestellten Materialien ein persönliches Profil erstellt, das die Stärken, Träume und Bedürfnisse der planenden Person wiedergibt.

Abb. 5: Persönliches Profil im Personal Futures Planning (Quelle: modifiziert nach Mount 2000, S. 35)

Gemeinsam mit nahe stehenden Menschen werden die Basis-Karten (Relationship Map, Places Map, Background Map, Preferences Map, Dreams, Hopes & Fears Map) mit Inhalten und Bildern gefüllt. Je nach individueller Situation können auch noch weitere optionale Karten(Choices Map, Health Map, Respect Map, Home or Work Map, Communication Map) herangezogen werden (vgl. Ebd., S. 32ff.). Im dritten Schritt (Finding Opportunities in Community Life) wird der Blick auf die Gemeinde und verschiedene Möglichkeiten der Teilhabe als Bürger gerichtet. Dabei werden beim Ausfüllen der Community Building Map sowohl das Nachgehen von Interessen an Orten des Gemeindelebens und die Bereicherung desselben als auch konkrete Unterstützungsbedarfe und Aktionsstrategien in den Blick genommen (vgl. Ebd., S. 41). Nach diesen gegenwartsbezogenen Schritten folgt in der vierten Phase (Creating a Vision for the Future) das Planungstreffen, im Rahmen dessen eine Zukunft entworfen wird, die eine Verbesserung der fünf Grundwerte anstrebt. Verschiedene Bereiche (z.B. eine Besserung der Beschäftigung tagsüber, des sozialen und gemeinschaftlichen Lebens, des Wohnens oder des Nachgehens von Interessen) sollten thematisiert werden, um ihnen unterschiedliche Prioritäten und Planungszeiträume zuzuteilen. Als Struktur des Treffens wird vorgeschlagen, das persönliche Profil zu überarbeiten, Zukunftsvisionen zu entwickeln, Umsetzungsstrategien zu diskutieren, Prioritäten zu setzen und zuletzt ein nächstes Treffen zu vereinbaren. Als zusätzliche Optionen können noch mögliche Umsetzungschancen und -hindernisse in den Blick genommen werden sowie der Veränderungsbedarf der Institution thematisiert werden (vgl. Ebd., S. 46ff.). Die fünfte Phase (Supporting People Over Time) gilt als die schwierigste, da es darauf ankommt, ein tragendes, intervisionäres Unterstützernetzwerk aufzubauen, das die aufgestellten Ziele verwirklicht. Zudem fallen in diesen Schritt weitere Treffen, in denen eine Bilanz des bereits Erreichten gezogen wird und eine Planung des weiteren Vorgehens erfolgt, die Reflexion der Moderation des gesamten Prozesses stattfindet sowie positive Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Pläne ermittelt werden (vgl. Ebd., S. 54ff.). Im letzten Schritt (Organizational Change) werden anstelle einer bloßen Kritik am institutionellen System konstruktive Veränderungsvorschläge für Dienstleistungen der Behindertenhilfe entwickelt (vgl. Ebd., S. 61ff.).

Im Vergleich zum Essential Lifestyle Planning fällt auf, dass das Personal Futures Planning den Anspruch der Bürgerzentrierung noch stärker in den Vordergrund rückt und dem inklusiven Leben in der Gemeinschaft einen höheren Stellenwert beimisst. Aus diesem Grund lässt es sich auf dem in Abbildung 6 dargestellten Kontinuum, an dessen einem Ende Essential Lifestyle Planning und an dessen anderem Ende MAPS und PATH stehen, eher mittig anordnen, da zwar vom institutionellen Rahmen ausgegangen wird, aber gleichzeitig die Partizipation am öffentlichen Gemeindeleben einen hohen Stellenwert einnimmt.

Abb. 6: Kontinuum verschiedener Verfahren zur Zukunftsplanung

2.2.4 Gemeinsames Planen und Kreative Felder

Unabhängig von dem gewählten Strang wird bei der Planung grundsätzlich die Kraft der Gruppe, die zum Teil erst noch während des Prozesses zusammengebracht wird, genutzt. Welches Potential in diesem Vorgehen steckt, lässt sich mithilfe der Theorie des Kreativen Feldes (vgl. Burow 2000, S. 24) auch theoretisch untermauern. Burow definiert ein Kreatives Feld wie folgt:

"Das Kreative Feld zeichnet sich durch den Zusammenschluß von Persönlichkeiten mit stark unterschiedlich ausgeprägten Fähigkeiten aus, die eine gemeinsam geteilte Vision verbindet: Zwei (oder mehr) unverwechselbare Egos, die sich trotz ihrer Verschiedenheit ihres gemeinsamen Grundes bewußt sind, versuchen in einem wechselseitigen Lernprozeß ihr kreatives Potential gegenseitig hervorzulocken, zu erweitern und zu entfalten." (1999, S. 123)

Dabei betont er die anregende Wirkung von heterogen zusammengesetzten Gruppen, deren einzelne Mitglieder sich voneinander unterscheiden und sich ihrer Individualität bewusst sind (vgl. Ebd., S. 105ff.). Wichtige Konzepte für das Schaffen eines Kreativen Feldes sind der gleichberechtigte Dialog, innerhalb dessen die Ideen der anderen mit- und weitergedacht werden, in Bezug auf eine Vision, die sich auf ein kreatives Produkt (z.B. eine verbesserte Lebensqualität in der Zukunft) richtet, ohne dabei zu stark die Richtung vorzugeben. Eine solche Vision, die von einer Person als so genannter "Kristallisationskern" (Burow 2000, S. 26) ausgeht, zieht Unterstützerinnen und Unterstützer an, wobei jeder im Kreativen Feld an geeigneten Stellen als Kristallisationskern fungieren kann. Die Vielfalt der Zusammensetzung wirkt sich positiv auf die zusammenkommenden Ideen aus, da häufig mehr als nur die Summe der einzelnen Ideen entsteht, sondern sich komplett neue Gedanken entwickeln. Wichtig ist dabei aber auch die Personzentrierung, die den Wert der einzelnen, voneinander verschiedenen Individuen, die sich in ihren Stärken und Schwächen komplementär ergänzen, hervorhebt. Daraus ergibt sich der typische Synergieprozess, in dem sich durch das gemeinsame Denken unentdeckte Potentiale auftun und jeder seine Fähigkeiten im Sinne der gemeinsamen Vision in Form eines idealen Aufgreifens der Differenzen einsetzt. Aus den Konzepten der Partizipation und der Nachhaltigkeit ergibt sich der Anspruch, gleichberechtigt mitzuwirken und dabei möglichst für alle einen persönlichen Gewinn zu erzeugen (vgl. Burow 1999, S. 124ff.).

Bezieht man diese Kennzeichen auf Unterstützerkreistreffen, so wird deutlich, dass jeder Unterstützerkreis zu einem Kreativen Feld werden kann. Je größer die Heterogenität der Mitglieder ist, desto mehr Chancen bieten sich, passende "Synergiepartner[innen]" (Burow 2000, S. 22) und -partner zu finden, an deren Stärken und Schwächen andere mit ihrer Individualität andocken können, um so zu völlig neuen Denkdimensionen in Bezug auf die erträumte Zukunft bzw. Möglichkeiten der Umsetzung zu gelangen. Auch das gleichberechtigte Einbeziehen aller Anwesenden spielt eine große Rolle, denn analog zum Bild einer Jazzband, in der beim Improvisieren verschiedene Mitglieder zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Führung übernehmen, kann auch im Unterstützerkreis generell jeder als Kristallisationskern wirken, der die anderen mit seiner Vision mitreißt (vgl. Burow 1999, S. 20). Dennoch kann es erleichternd sein, wenn eine so genannte "Kreativitätsmanager[in bzw. ein Kreativitätsmanager] oder ‚[f]acilitator'" (Burow 2000, S. 42, Herv. im Original) moderierend durch den Prozess leitet, wie dies auch in den Zukunftsplanungsverfahren empfohlen wird.

Entsprechend der Theorie des Kreativen Feldes wird im Folgenden darauf geblickt, welche Synergien sich ergeben können, wenn Unterstützte Kommunikation und Zukunftsplanung zusammenkommen, und welche Schwierigkeiten möglichst vermieden werden sollten.

2.3 "TRAUM: Wie sieht eine ideale Verbindung aus?" und "ALPTRAUM: Welche Befürchtungen gibt es?" - Zusammenführung der Grundlagen

Eine ideale Verbindung kann zunächst durch die Identifikation von Gemeinsamkeiten hergestellt werden, da diese begründen, warum das Zusammendenken beider Konzepte so relevant sein kann. Dabei werden zu Beginn die von Nina Hömberg (2008, S. 01.050.001) identifizierten Gemeinsamkeiten vorgestellt, bevor diese durch eigene Gedanken erweitert werden.

Historisch betrachtet zeigen sich ähnliche Entwicklungslinien, da beide Ansätze ihre Ursprünge in den "emanzipatorischen Sozialbewegungen der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts" (Ebd.) verorten. Zudem wurzeln sie in der nordamerikanischen Kultur und verfolgen die kulturtypischen Denkweisen des Optimismus und Pragmatismus. Eine weitere wichtige Gemeinsamkeit besteht in der Voraussetzungslosigkeit, die alle Menschen unabhängig von bestimmten Fähigkeiten einschließt, um ihnen Selbstbestimmung und Partizipation in einem weitestgehend barrierefreien Umfeld zu ermöglichen. Darüber hinaus basieren beide Konzepte auf der menschlichen Interaktion und Kooperation, indem sie dialogisch vorgehen und auf gegenseitige Unterstützung bauen (vgl. Ebd.).

Obwohl beide Ansätze methodische Anregungen und Hilfsmittel vorhalten, sind sie mehr als reine Methoden- bzw. Hilfsmittelsammlungen, sondern gehen stets einher mit einer veränderten Haltung und einem wertschätzenden sowie von Vertrauen in die Fähigkeiten geprägten Menschenbild (vgl. Kristen 2005, S. 51ff.; Doose 2007, S. 23ff.).

Zudem erfolgt in beiden Konzepten eine Orientierung am Normalisierungsprinzip (vgl. Boban/Hinz 2009a, S. 453; Beukelman/Mirenda 2010, S. 139). Dies zeigt sich beispielsweise im Partizipationsmodell, das einen Vergleich der Teilhabemöglichkeiten mit gleichaltrigen Peers vorsieht, sowie in dem Ansinnen, durch erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten selbstbestimmte Wahlen zu treffen, wie dies auch durch Zukunftsplanung angestrebt wird.

Beide Ansätze enthalten konkrete Vorschläge zur Strukturierung der Planung (z.B. MAPS, PATH, Essential Lifestyle Planning, Partizipationsmodell), wobei ein Unterschied darin besteht, dass das Partizipationsmodell eine weitaus theoretischere Grundlegung ist, die jedoch mit den von Beukelman und Mirenda (vgl. 2010, S. 139ff.) dargestellten Verfahren in die Praxis umgesetzt werden kann. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Hauptperson und ihre Entscheidungen nicht so ausdrücklich im Mittelpunkt stehen, wie dies beim bürgerzentrierten Planen der Fall ist. Dennoch kann das Partizipationsmodell in seiner komplexen Struktur mit der bewussten Einbeziehung der Umwelt auch als Anhaltspunkt in Zukunftsplanungen dienen, wenn es um die Frage geht, wie die planende Person und ihr Umfeld die kommunikative Situation verbessern können. Zudem wird explizit bei Beukelman und Mirenda auf Verfahren wie MAPS, PATH, Circle of Friends und Person-Centered Planning im Allgemeinen als "wichtigste Vorgehensweisen zur Verwirklichung von Inklusion" (2010, S. 266)[53] verwiesen, so dass sich daraus ein weiterer Hinweis auf die gewinnbringende Kompatibilität der Ansätze ergibt.

Beide Ansätze bauen auf die Unterstützung durch das Umfeld und bieten für den Überblick über die sozialen Beziehungen spezielle Methoden an. In Zukunftsplanungen verdeutlicht der graphisch dargestellte Unterstützerkreis die Menschen, zu denen Kontakt besteht (vgl. Boban/Hinz 2009b, S. 12), und auch im Bereich der Unterstützen Kommunikation können mit dem Diagnostikinstrument "Soziale Netzwerke"[54] Beziehungsstrukturen in Bezug auf Kommunikation analysiert werden. Auf der Basis der Beziehungen sollen passende Kommunikationsstrategien entwickelt werden, um damit zu einer höheren Lebensqualität und intensiveren Teilhabe beizutragen (vgl. hierzu vertiefend Wachsmuth 2006, S. 14.031.001). Somit lässt sich auch in der Zielsetzung eine Parallele zu klassischen Zukunftsplanungsprozessen erkennen.

Die auf diese Weise identifizierten Unterstützerkreise bzw. Netzwerke stehen idealerweise in regelmäßigem gleichberechtigten, respektvollen und Konsens anstrebenden Austausch im Rahmen von Treffen, die von einer festgelegten Person, die in Zukunftsplanungsprozessen als Agentin bzw. Agent bezeichnet wird, koordiniert werden (vgl. Kristen 2005, S. 149; Doose 2007, S. 34; Boban/Hinz 2009b, S. 15).

Neben den genannten Ähnlichkeiten, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, lässt sich insofern eine gegenseitige Bedingtheit erkennen, als dass es dem Umfeld ohne Kommunikationshilfen meist schwer fällt, zu wissen, was in dem Menschen vorgeht (vgl. Ehler 2003, S. 10.008.001). Eine Zukunftsplanung, in der es darum geht, die Bedürfnisse, Wünsche und Träume der planenden Person zu erfassen, sollte also zumindest eine Verbesserung der kommunikativen Situation anstreben bzw. Möglichkeiten der Mitbestimmung mithilfe eines individuellen Kommunikationssystems eröffnen.

"Um ein UK-System [d.h. System der Unterstützten Kommunikation, Anm. d. Verf.] aufzubauen ist viel Arbeit und Zeit notwendig, die nicht von einer Person allein geleistet werden kann." (Kristen 2005, S. 148). Daran zeigt sich, wie hilfreich es sein kann, im Rahmen von Zukunftsplanungen einen Unterstützerkreis zusammenzubringen, der neben anderen Zielverwirklichungen auch die Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten gemeinschaftlich angeht und sich somit aus "Menschen [zusammensetzt], die ein Interesse daran haben sollten, daß jemand besser und effektiver im Alltag kommuniziert und an Aktivitäten teilhaben kann" (Ebd., S. 149). Das Einbringen der unterschiedlichen Wissensstände und Ressourcen ist dabei besonders wertvoll und wichtig (vgl. Ebd., S. 148f.).

Nirje (vgl. 1994, S. 24) betont zudem in den Veröffentlichungen zum Normalisierungsprinzip, wie wichtig es ist, dass das gesamte soziale Netzwerk das individuelle Kommunikationssystem einer Person kennt und sich darüber mit ihr austauschen kann, um keine Abhängigkeit von einer bestimmten Bezugsperson zu erzeugen. Zudem verhindert der regelmäßige Austausch über Kommunikationsprozesse eine allzu einseitige Interpretation der Vorlieben und Charakteristiken der Person.

Als Ansporn, ein mithilfe von Unterstützerinnen und Unterstützern aufgebautes Kommunikationssystem auch zu nutzen, kann ein abwechslungsreicher Alltag dienen, denn "[n]ur wer viel erlebt, hat viel zu sagen" (Graf-Frank 2003, S. 10.004.001). Daraus wird die Notwendigkeit deutlich, über eine Zukunftsplanung die subjektive Lebensqualität und soziale Teilhabe zu verbessern und mehr Angebote zu schaffen, um Mitteilenswertes zu erleben und diese Erfahrungen zu kommunizieren.

Auch ein Alptraum soll an dieser Stelle kurz angerissen werden, um zu wissen, wohin die Kombination der beiden Ansätze nicht gehen darf. Eine solche Befürchtung könnte sein, dass ein Unterstützerkreis einer nicht lautsprachlich kommunizierenden Hauptperson insofern eine ungünstige Dynamik entwickelt, als dass alle Beteiligten sich darin einig sind, die Wünsche und Träume der Hauptperson bis ins kleinste Detail zu kennen, und auf möglichst vielperspektivische Interpretationen und sorgfältige Reflexionen verzichten. Diese Gefahr könnte insbesondere dann entstehen, wenn der Unterstützerkreis nur sehr eng zusammenarbeitende bzw. in Abhängigkeitsverhältnissen zueinander stehende Personen umfasst, die lediglich schon bestehende Strukturen reproduzieren und mehr vom Selben ins Leben rufen.



[13] siehe hierzu Tetzchner/Martinsen 2000; Kristen 2005; Boenisch/Sachse 2007; Sachse/Birngruber/Arendes 2007

[14] z.B. einige Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung, Cerebralparese, Autismus, kindliche Sprechapraxie (vgl. Beukelman/Mirenda 2010, S. 4)

[15] z.B. Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Multiple Sklerose (MS), Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, Rückenmarksverletzungen (vgl. Beukelman/Mirenda 2010, S. 4)

[16] Als Oralismus wird in der Gehörlosenpädagogik der Ansatz bezeichnet, lediglich die Lautsprache sowie die Schriftsprache als Kommunikationsform für differenzierte Äußerungen anzuerkennen und somit alternative Kommunikationssysteme wie beispielsweise die Gebärdensprache zu verbieten (vgl. Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.001.001).

[17] Charles K. Bliss entwickelte die "piktographisch-ideographische Schriftsprache" (Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.002.001), die sich an der Schriftsprache orientiert und umfassende Grammatikregeln besitzt, mit der Intention, eine interkulturelle Verständigung zu ermöglichen. Diese Funktion erfüllten die graphischen Zeichen jedoch nie. Stattdessen wurden sie 1971 erstmals in Toronto im schulischen Setting in der Arbeit mit Kindern mit motorischen Beeinträchtigungen ohne Lautsprachgebrauch eingesetzt (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 21; Lage 2005, S. 15.002.003).

[18] Der Begriff ist der Gehörlosenpädagogik entlehnt und bezeichnet die bewusste Berücksichtigung aller Ausdrucksmöglichkeiten einer Person (vgl. Braun 2003, S. 01.004.001).

[19] Da die Abkürzung "UK" sowohl für Unterstützte Kommunikation als auch für Unterstützerkreis stehen kann, wird in der vorliegenden Arbeit darauf verzichtet.

[20] In der Unterstützten Kommunikation wird zwischen so genannten Symbolsammlungen (symbol set), die eine begrenzte Anzahl an Symbolen enthalten, und Symbolsystemen (symbol system), die nach einem vorgegebenen Schema erweiterbar sind, unterschieden. Während BLISS ein Beispiel für ein Symbolsystem darstellt und Aladins Bildersammlung den Symbolsammlungen zuzuordnen ist, ist die Literaturlage bezüglich PCS (Picture Communication Symbols) und Rebus nicht eindeutig (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 21ff.; Hüning-Meier/Pivit 2003, S. 03.004.001; Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.011.001; Kristen 2005; S. 89). Eine steckbriefartige Gegenüberstellung der einzelnen Symbolsammlungen und -systeme findet sich bei Franzkowiak 2003.

[21] Der Begriff der Selektion bezieht sich auf die konkrete Auswahl einzelner Symbole durch die oder den unterstützt Kommunizierenden und kann entweder körpereigen oder mit Hilfsmitteln erfolgen (vgl. Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.010.001; Kristen 2005, S. 84f.).

[22] Von Scanning wird gesprochen, wenn das Symbol nicht direkt ausgewählt wird, sondern "nacheinander Wahlmöglichkeiten angeboten werden, auf die mit einem vorher vereinbarten Signal reagiert wird" (Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.009.001). Codierung hingegen bedeutet, dass die Felder einer Kommunikationshilfe mit einem Code (z.B. Zahlen, Buchstaben, Farben oder Muster) verknüpft sind (vgl. Kristen 2005, S. 86).

[23] Das Normalisierungsprinzip wurde in den 1960ern von Nirje in Schweden als Erweiterung des Normalisierungsgedanken von Bank-Mikkelsen entwickelt und in den 1970ern von Wolfensberger in den USA und Kanada weitergeführt (vgl. Thimm 1994, S. 17f.). Der zentrale Gedanke des Normalisierungsprinzips besteht darin, dass alle Menschen mit einer Behinderung jeglicher Art in allen Lebensphasen das Recht auf ein möglichst normales Leben haben. Dazu zählen unter anderem verschiedenste Lebensrhythmen, die Bereiche Freizeit, Wohnen, Arbeit, Sexualität sowie die Ausübung von Selbstbestimmung, die mithilfe von Unterstützter Kommunikation auch Menschen ohne Lautsprache ermöglicht werden kann (vgl. Nirje 1994, S. 13 und 23). Jedoch darf das zugrunde gelegte Gleichheitsrecht nicht im Sinne einer Gleichmachung falsch verstanden werden, sondern ist darauf angelegt, die Individualität und die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen zu berücksichtigen (vgl. Ebd., S. 30).

[24] Ein Kommunikationssystem im Bereich Unterstützter Kommunikation umfasst vier Komponenten: Neben den Zeichen (symbols), die sowohl körpereigen als auch extern sein können, zählen auch die verwendeten Kommunikationshilfen (aids), die Ansteuerungshilfen (techniques) sowie Kommunikationsstrategien (strategies), um sich möglichst effektiv und effizient auszudrücken, dazu (Lexikon Unterstützte Kommunikation 2003, S. L.008.001; Beukelman/Mirenda 2010, S. 4).

[25] Unter Ko-Konstruktion versteht man das aktive Frageverhalten der Gesprächspartnerin bzw. des Gesprächspartners mit dem Ziel, "die beabsichtigte Mitteilung [der unterstützt kommunizierenden Partnerin oder] des unterstützt kommunizierenden Partners zu entwickeln" (Braun 2005, S. 01.026.002).

[26] Unterschiedliche diagnostische Methoden, die sich als Ergänzung des theoretischen Modells nutzen lassen, finden sich z.B. bei Von Loeper Literaturverlag/ISAAC 2003, 14. Teil; Boenisch/Sachse 2007; Spiekermann 2007; Leber 2009. Zudem weisen Beukelman/Mirenda (vgl. 2010, S. 139ff.) ausführlich auf Vorgehensweisen der Diagnostik und Förderung hin, die den Rahmen inhaltlich füllen.

[27] Für den Bereich der Interventionsplanung für eine Kommunikationsunterstützung ohne Voraussetzungen, der jedoch nicht im Fokus dieser Arbeit steht, lassen sich wichtige Handlungsanweisungen aus der Spracherwerbstheorie nach Bruner und aus dem entwicklungspsychologischen Modell der sensomotorischen Entwicklung nach Piaget ableiten (vgl. Braun/Orth 2005).

[28] Die Axiome sind zu verstehen als "provisorische Formulierungen, die aus sich selbst heraus verstehbar sind" (Eichler/Pankau o. J., o. S.).

[29] Dieser Phase des Lebens mit Unterstützung standen die Institutionsreform, in der der Ansatz des Betreuens von Patientinnen und Patienten zugrunde gelegt wurde, und die Deinstitutionalisierung voran, während welcher die Aufgabe darin gesehen wurde, Klientinnen und Klienten zu fördern (vgl. Boban 2003a, S. 4; Boban 2008, S. 231).

[30] "listen to people, learn what is important in their lives and act upon this" (Übersetzung d. Verf.)

[31] Bei Internetquellen wird jeweils die Seitenzahl der Druckversion angegeben. Falls keine explizite Druckversion existiert, wird die Seitenangabe mit "o. S." gekennzeichnet.

[32] Eine ausführliche Darstellung der Kompetenzen und Aufgaben einer Moderatorin bzw. eines Moderators sowie hilfreicher Fragen findet sich bei Doose (2007, S. 35ff.). Zusammengefasst zeichnen eine gute Moderatorin bzw. einen guten Moderator "Augen für Fähigkeiten und Möglichkeiten, Ohren zum aktiven und einfühlsamen Zuhören [sowie ein] Mund für eine wertschätzende und für alle verständliche Sprache" (Ebd., S. 39) aus.

[33] Entsprechende Anregungen, Ideen und Schritt-für-Schritt-Zeichenkurse finden sich in einem Arbeitsbuch für graphic facilitators aus demenglischsprachigen Raum, das bei einem erfolgreichen Visualisieren des Prozesses unterstützen soll (vgl. McAllister 2009).

[34] "an expectation that the individual will be included in his or her community" (Übersetzung d. Verf.)

[35] "profound respect for the individual" (Übersetzung d. Verf.)

[36] Bei englischsprachigen Bezeichnungen, die eine unterschiedliche Rechtschreibung im amerikanischen bzw. britischen Englisch aufweisen, wird jeweils die Variante gewählt, die der Gültigkeit im Herkunftsland der Publikation entspricht.

[37] Die häufig für diese Abkürzung angeführte Bezeichnung "Planning Alternative Tomorrows with Hope" erklären O'Brien/Pearpoint/Kahn (vgl. 2010, S. 10) für überflüssig und beziehen sich auf das in dem Akronym steckende Wort Pfad, das ihnen aussagekräftig genug erscheint.

[38] "a commitment to learning what is important to people and a commitment to implement what is learned" (Übersetzung d. Verf.)

[39] Zu weiteren Vertretern, die die methodischen Möglichkeiten, das dahinter stehende Menschenbild und die Ansprüche an Unterstützungsangebote der Bürgerzentrierten Zukunftsplanung auch im deutschsprachigen Raum durch Veröffentlichungen, Workshops und die Moderation von Zukunftsplanungstreffen verbreiten, zählen Emrich, Göbel, Haake sowie Hinz (vgl. Boban/Hinz 1996; Hömberg/Burtscher/Ginnold 2001, S. 170; Emrich 2004, S. 5; Doose 2007, S. 4).

[40] "performing arts" und "engineering" (Übersetzung d. Verf.)

[41] Smull betont zudem, dass Essential Lifestyle Planning seine volle Kraft sowohl innerhalb von Systemen als auch außerhalb entfalten kann, wodurch die Durchlässigkeit des Kontinuums deutlich wird.

[42] "PATH is a performing art, like music or drama or dance or juggling." (Übersetzung: Boban 2007, S. 6)

[43] "Don't just do things, sit there (and tell your story)!" und "Don't just sit there, do something!" (Übersetzung d. Verf.)

[44] Die Autoren weisen darauf hin, dass der mit PATH geplante Zeitraum mindestens ein Jahr und maximal zwei Jahre umfassen sollte (vgl. O'Brien/Pearpoint/Kahn 2010, S. 73).

[45] "Our quality of life everyday is determined by the presence or absence of things that are important to us - our choices, our rituals." (Übersetzung d. Verf.)

[46] Sanderson verweist in ihren Veröffentlichungen auf hilfreiche Materialien zur Unterstützung des Planungsprozesses (vgl. hierzu vertiefend Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 148ff. und Sanderson/Goodwin 2010) und vorbereitende Workshops (vgl. Sanderson/Smull o. J., S. 4f.).

Zudem lassen sich dem handwerklichen Bereich auch verschiedene von Doose (2007, S. 24ff.) vorgestellte deutschsprachige Materialien zur Vorbereitung und Unterstützung des Prozesses zuordnen. Dazu zählen beispielsweise Themenblätter, die zum Nachdenken über den Lebensstil oder die eigene Person anregen, Karten, die der spielerischen Ideengenerierung und als Gesprächsanlässe dienen können, sowie Ordner, die den Planungsprozess begleiten (vgl. hierzu ausführlich Ebd.).

[47] Eine ausführliche Darstellung aller Schritte mit Beispielen, Übungen und Kopiervorlagen findet sich in "Essential Lifestyle Planning. A Handbook for Facilitators." (Smull/Sanderson/Allen 2004).

[48] Im Rahmen dieses Verfahrens wird der Begriff "facilitator" verwendet, da weder Moderatorin und Moderator, Professionelle und Professioneller, Freundin oder Freund, Familienangehörige oder Familienangehöriger noch Unterstützerin bzw. Unterstützer geeignete Übersetzungen darstellen.

[49] Als Methode eignet sich an dieser Stelle die "Kommunikations-Karte" (Sanderson/Goodwin 2010, S. 12f.).

[50] Bei Personen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, wird in diesem Abschnitt des Essential Lifestyle Plans auf ihr Kommunikationssystem eingegangen. Dabei wird zum einen betrachtet, wie die Person sich ausdrückt und zum anderen wie ihr Umfeld mit ihr kommuniziert (vgl. Smull/Sanderson/Allen 2004, S. 32).

[51] "intervisionary" (Übersetzung d. Verf.)

[52] "relationships, places, valued roles, choice, contribution" (Übersetzung d. Verf.)

[53] "primary approaches to inclusion" (Übersetzung d. Verf.)

[54] "Soziale Netzwerke" arbeitet ebenfalls mit konzentrischen Kreisen, denen jedoch ein fünfter hinzugefügt wird, in dem Fremde, d.h. Personen eines bestimmten Berufsstandes oder Bereiches, als mögliche Interaktionspartnerinnen und Interaktionspartner aufgeführt werden (vgl. Wachsmuth 2006, S. 14.032.001f.).

3 "PLANUNG: Liste der Aktionen" - Vorstellung der Untersuchung

Anstelle von rein theoretischen Überlegungen wird im Folgenden auf der Basis der erarbeiteten Grundlagen aus der Unterstützen Kommunikation und Zukunftsplanungsprozessen ihr Zusammenspiel untersucht. Nach einer kurzen Darlegung der Fragestellung werden bereits vorhandene Forschungsergebnisse zur Schnittmenge der beiden Ansätze vorgestellt. Anschließend werden das methodische Vorgehen begründet und ausführlich dargestellt sowie der Ablauf der eigenen Untersuchung geschildert, wobei gleichzeitig auch in diesem Kontext gewonnene Erfahrungen reflektiert werden.

3.1 Fragestellung

Aufgrund der geringen Verknüpfung der Themenfelder der Unterstützten Kommunikation und der Zukunftsplanung in der Literatur soll die Untersuchung den Berührungspunkt ein wenig stärker beleuchten. Zum einen richtet sich der Blick darauf, welche Chancen sich in Zukunftsplanungsprozessen ergeben, wenn sich die Hauptpersonen nicht lautsprachlich verständigen, sondern alternative Kommunikationsformen nutzen. Zum anderen besteht ein weiteres Ziel darin, auch einige der Herausforderungen herauszuarbeiten, die vor, während und nach den Zukunftsplanungstreffen zu bedenken und im Handeln zu berücksichtigen sind, um das gesamte Potential des Prozesses zu entfalten. Dabei sollen stets auch die Individualität und die besondere Dynamik der einzelnen Prozesse mit in den Blick genommen werden, um den beteiligten Menschen möglichst gerecht zu werden.

3.2 "STÄRKEN: Worauf kann gebaut werden?" - Überblick über den Forschungsstand

In der Forschung existiert bislang, nach Wissen der Verfasserin, nur ein Versuch, unterstützt kommunizierende Menschen und ihre Zukunft in den Blick zu nehmen. Thiele hat in einem qualitativen Forschungssetting, das sich auf problemzentrierte Leitfadeninterviews und eine schriftliche Befragung von 15 unterstützt kommunizierenden Menschen im Alter von 18 bis 42 Jahren stützt, analysiert, welche Bedürfnisse und relevanten Themen im nachschulischen Lebensbereich auftreten (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 25 und 39). Dabei wird augenscheinlich, dass für diesen Personenkreis "klassische Themen des Erwachsenenlebens" (Ebd., S. 26), d.h. Arbeit, Freizeitaktivitäten, soziale Beziehungen, das Finden von Freundinnen sowie Freunden und Partnerinnen bzw. Partnern, Sexualität sowie eigenständiges, vom Elternhaus räumlich getrenntes Wohnen eine Rolle spielen. Die von Thiele im Rahmen dieser Studie ermittelte Unzufriedenheit mit der schulischen Vorbereitung auf die Themen der folgenden Lebensphase verdeutlichen das Bedürfnis nach gemeinsamem Nachdenken über die Zukunft (vgl. Ebd., S. 26). Gleichzeitig wurden in der Studie auch die vorhandenen Kompetenzen ermittelt, die die Teilnehmer zu diesen Themenbereichen bereits aufwiesen und die für Zukunftsplanungsprozesse hilfreich erscheinen. Dazu zählen die Fähigkeiten, sowohl ihre Probleme, Wünsche und Hoffnungen als auch ihre Stärken zu benennen, konkrete Anforderungen an ihre Kommunikationspartnerinnen und -partner zu stellen und verschiedene Möglichkeiten der Zukunftsgestaltung zu erdenken (vgl. Ebd., S. 28).

Über diese Studie hinaus sind in der Literatur theoretische Perspektiven zu finden, welche Aspekte in Bezug auf Unterstützte Kommunikation in Zukunftsplanungsprozessen zu berücksichtigen sind (vgl. Hömberg 2008; Thiele/Renner 2009; Thiele 2010). Diese werden an den geeigneten Stellen in der Auswertung in Punkt 5 herangezogen und aus diesem Grund nicht nochmals gesondert dargestellt. Zudem existieren aufgrund des verhältnismäßig hohen Anteils nicht oder schwer verständlich lautsprachlich Kommunizierender unter den Hauptpersonen - Thiele und Renner (vgl. 2009, S. 32) geben mit Bezugnahme auf Ines Boban eine Prozentzahl von 37 % an - verschiedene Erfahrungsberichte von Familien bzw. Hauptpersonen, die ihre Zukunftsplanung schildern und auf diese Weise mit der Öffentlichkeit teilen:

  • Aus den verschiedenen Sichtweisen berichten die Moderatorin Ines Boban, die Hauptperson Jens Ehler und seine Mutter Ulrike Ehler von der Zukunftsplanung im Jahr 2003, die zum Ende der Schulzeit durchgeführt wurde (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005). Die planende Person, die mithilfe eines Kommunikationsordners und eines Power Talkers[55] kommuniziert, beschreibt in einer weiteren Veröffentlichung auch ihr zweites Zukunftsplanungstreffen (vgl. Ehler 2009).

  • Eine Mutter blickt auf fünf Jahre zurück, in denen zwei Zukunftskonferenzen während der Schulzeit ihrer Tochter Melanie stattfanden. Es gelang mithilfe des Unterstützerkreises und unterschiedlicher Praktika, alternative Arbeitsformen ins Leben zu rufen, die Melanie in Begleitung einer Assistentin besucht (vgl. Bros-Spähn 2002; Bros-Spähn 2007).

  • Auch der Vater Mathias Kluge blickt auf zwei Zukunftsplanungen zurück, deren Hauptperson Felix zum Zeitpunkt der Treffen die dritte bzw. sechste Klasse besuchte. Gemeinsam mit dem Unterstützerkreis wurde der weitere schulische Weg durchdacht und angegangen (vgl. Kluge 2007).

Die Details aus den Erfahrungsberichten werden ebenfalls im Rahmen der Darstellung der eigenen Untersuchungsergebnisse herangezogen, um eine breitere Basis für Schlussfolgerungen zu schaffen.

3.3 Auswahl der Methode

Eine geeignete Methode, um einen ersten Eindruck von einem Zukunftsplanungstreffen, dessen Hauptperson unterstützt kommuniziert, zu erhalten, stellt die offene und unsystematische Beobachtung eines solchen Treffens dar (vgl. Flick 2010, S. 282). Darüber hinaus wird angestrebt, detailliertere Informationen im Rahmen qualitativer Interviews zu erhalten. Methodisch wird eine Form des leitfadengestützten Interviews gewählt, die somit zwischen narrativen und standardisierten Interviews angesiedelt ist (vgl. Scholl 2003, S. 66). Die offenen Fragen des Leitfadens eignen sich besser als geschlossene Fragen, da diese sich aufgrund der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten am Wissen und an den Vorannahmen und Denkstrukturen der oder des Forschenden orientieren und damit eventuell andere Vorstellungen der Befragten ausschließen (vgl. Lamnek 2005, S. 345). Gleichzeitig ermöglicht die Verwendung eines Leitfadens im Vergleich zu narrativen Interviews, dass die Gesprächssituation stärker strukturiert ist und die Ergebnisse der einzelnen Interviews besser vergleichbar sind (vgl. Scholl 2003, S. 66; Flick 2010, S. 224).

Hinsichtlich der Durchführung von Interviews betont Bourdieu (vgl. 1997, S. 780), dass sich Interviewsituationen aufgrund der Zielsetzung des bloßen Erkenntnisgewinns von Kommunikationsbeziehungen des Alltags zwar abheben, aber dennoch auch in ihnen soziale Beziehungen entstehen, die sich auf das Ergebnis auswirken. Daher ist es wichtig, sich des entstehenden Machtgefälles bewusst zu sein und eine "Beziehung des aktiven und methodischen Zuhörenszu schaffen" (Ebd., S. 782, Herv. im Original). Des Weiteren herrscht im Idealfall eine gesellschaftliche Nähe der Interviewpartnerinnen und -partner vor. Dies würde unter anderem bedeuten, dass ein Mensch, der sich mithilfe alternativer Kommunikationsformen verständigt, von einer ebenfalls unterstützt kommunizierenden Person befragt wird. Falls dies nicht möglich ist, kommt es darauf an, der oder dem Interviewten "das Gefühl [zu] geben, mit gutem Recht das zu sein, was er [oder sie] ist, wenn er [d.h. der Interviewer, oder sie, die Interviewerin, Anm. d. Verf.] ihm durch seinen [bzw. ihren] Tonfall und vor allem durch den Inhalt seiner [bzw. ihrer] Fragen vermittelt, dass er [bzw. sie] sich gedanklich in ihn [oder sie] hineinversetzen kann" (Ebd., S. 786, Herv. im Original). Dabei darf jedoch nicht die gesellschaftliche Entfernung und Asymmetrie der Situation verschleiert werden (vgl. Ebd.). Für die Interviewerin bzw. den Interviewer muss im Vordergrund stehen, den Interviewten das Wort zu überlassen und anstelle der eigenen Fragen die subjektiven Wahrheiten und Betonungen in den Mittelpunkt zu stellen (vgl. Ebd., S. 787ff.). Somit können die Interviews eine Möglichkeit darstellen, Menschen, die in der öffentlichen Diskussion meist noch nicht wahrgenommen werden, zum Ausdruck zu verhelfen (vgl. Bourdieu 1997, S. 792).

Das leitfadengestützte ExpertInneninterview[56], das Meuser und Nagel in der Literatur zur qualitativen Sozialforschung vertreten, eignet sich insofern für die im Rahmen dieser Wissenschaftlichen Hausarbeit verfolgten Ziele, als dass es der "Erfassung von praxisgesättigtem Expertenwissen" (2003, S. 481) dient. Im Gegensatz zu anderen qualitativen Interviewformen steht also statt der gesamten Persönlichkeit die Rolle der oder des Interviewten als "Repräsentant einer spezifischen Gruppe" (Lamnek 2002, S. 176) im Zentrum des Interesses. Der Status "Expertin" bzw. "Experte" in Bezug auf ein spezifisches Wissensgebiet wird einer Person durch die Forschende oder den Forschenden zugeteilt. Das Expertenwissen zeichnet sich dabei durch eine Exklusivität aus, da nicht alle in diesem Handlungsfeld tätigen Menschen generell darüber verfügen (vgl. Meuser/Nagel 1991, S. 443; Meuser/Nagel 2003, S. 483f.). Der Leitfaden, der die anzusprechenden Themen, aber keine ausformulierten Fragen umfasst, erfüllt in dieser Interviewform mehrere Funktionen. Zum einen verhindert er das Abdriften des Gespräches in Bereiche, die nicht mit dem Forschungsinteresse übereinstimmen. Zum anderen gewährleistet er durch die Beschäftigung mit der Thematik im Rahmen seiner Erstellung, dass die oder der Forschende gegenüber der Expertin bzw. dem Experten als kompetente Gesprächspartnerin bzw. kompetenter Gesprächspartner auftritt (vgl. Meuser/Nagel 1991, S. 448f.; Meuser/Nagel 2003, S. 486f.; Nohl 2006, S. 21).

Die für die Auswertung qualitativer Interviews geltenden Regeln sind für das ExpertInneninterview abgeschwächt, da eine Orientierung nicht an der Sequenzialität der Äußerungen im Interview, sondern an inhaltlichen Einheiten erfolgt (vgl. Meuser/Nagel 1991, S. 453; Meuser/Nagel 2003, S. 488). Die beiden Autoren schlagen das folgende sechsschrittige Vorgehen bei der Auswertung vor:

Das aufgezeichnete Einzelinterview wird zunächst einer Transkription unterzogen. Hierbei kann jedoch aufgrund des inhaltlichen Interesses auf komplizierte Notationsformen verzichtet werden. Darüber hinaus ist es eher unüblich, Interviews vollständig zu transkribieren, da lediglich interessierende Bestandteile in Schriftsprache umgewandelt werden.

Anschließend werden die in Bezug auf die Forschungsfrage wichtigen Teile in der am Interviewverlauf orientierten Abfolge paraphrasiert. Die Länge der einzelnen Abschnitte der Paraphrase richtet sich nach der Wichtigkeit der Aussagen, nicht nach der Ausführlichkeit, die die Expertin oder der Experte dem jeweiligen Thema widmet. Dabei ist es wichtig, dass die Gesamtaussage der interviewten Expertin bzw. des interviewten Experten in eigenen Worten wiedergegeben wird.

Der folgende Schritt erfordert die Bildung von passenden Überschriften zu den paraphrasierten Abschnitten, die inhaltlich einander zugeordnet werden, ohne dass dabei die Reihenfolge aufrechterhalten werden muss. Ein wichtiges Kriterium in der Begriffswahl stellt die Textnähe dar.

Nachdem sich sämtliche bislang erfolgten Auswertungsschritte auf das einzelne Interview richteten, wird als nächstes ein thematischer Vergleich angestrebt. Inhaltlich vergleichbare Abschnitte aus verschiedenen Interviews werden gruppiert und mit einer gemeinsamen textnahen Überschrift versehen.

Im Folgenden schließt sich die soziologische Konzeptualisierung an, die eine Abkehr von der Begriffswahl der Interviewten mit sich zieht. Die Übertragung der textnahen Begrifflichkeiten in soziologische Terminologie ermöglicht eine empirische Generalisierung.

Als letzter Schritt werden im Rahmen der theoretischen Generalisierung die Ergebnisse dargestellt und interpretiert, so dass eine Verknüpfung von Theorie und Empirie stattfindet (vgl. Meuser/Nagel 1991, S. 455ff.; Meuser/Nagel 2003, S. 488f.).

Grundsätzlich gilt für die Auswertung, dass immer alle sechs Schritte angewandt werden müssen. Um zu gewährleisten, dass die generalisierten Aussagen ihre Basis in den einzelnen Interviews haben, muss im fortlaufenden Prozess eine Kontrolle erfolgen, indem die oder der Forschende zur Überprüfung der Aussagen auf bereits abgeschlossene Stufen zurückkehrt (vgl. Meuser/Nagel 1991, S. 465).

3.4 Ablauf der eigenen Untersuchung

Parallel zur Literaturrecherche und der damit einhergehenden inhaltlichen Auseinandersetzung entstand die Idee, das Thema der Unterstützten Kommunikation in Zukunftsplanungsprozessen empirisch zu vertiefen, um Expertinnen und Experten mit ihren Erfahrungen einzubeziehen und nicht nur theoretisch zu spekulieren. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit sowie der verhältnismäßig geringen Zahl an Personen, die auf Erfahrungen zur vorliegenden Fragestellung zurückgreifen können, erfolgte eine gezielte Auswahl, die zudem am ehesten mit dem von Patton verwendeten Begriff des "convenience sampling" beschrieben werden kann. Darunter ist der Einbezug derjenigen Fälle zu verstehen, zu denen die oder der Forschende möglichst unproblematisch Zugang erhalten kann (vgl. Flick 2010, S. 165f.). Die Kontakte zu den Expertinnen und Experten kamen per Schneeballsystem zustande: Ines Boban vermittelte mir den Kontakt zu Margot Pohl, die mich wiederum an die Familien 1 und 2[57] weiterleitete. Zudem entstand im Rahmen eines Zertifikatskurses für Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren und Moderatorinnen bzw. Moderatoren von Zukunftsfesten und -konferenzen des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm) in Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg über Gerhard Grunick von der Stiftung Leben pur der Kontakt zu einer der sechs am Evaluationsprojekt der Stiftung teilnehmenden Familien. Die in Memmingen lebende Familie ermöglichte es mir, das Zukunftsplanungstreffen ihrer Tochter mitzuerleben, so dass bei der Leitfadenerstellung auch auf die Notizen aus dieser unsystematischen Beobachtung zurückgegriffen werden konnte. Eine direkte Begleitung der Vorbereitung, Durchführung und Umsetzung mehrerer Zukunftsplanungstreffen mit Hauptpersonen, die unterstützt kommunizieren, war zeitlich und organisatorisch leider nicht möglich, da sie zum Teil bereits im Juli bzw. vor mehreren Jahren stattfanden, als das Thema für die Wissenschaftliche Hausarbeit noch nicht angedacht war. Daher erfolgte die Sammlung von Informationen aus einer distanzierten, nicht direkt beteiligten Perspektive.

In beiden Ansätzen, im Bereich der Unterstützten Kommunikation und in der Zukunftsplanung, herrscht der Grundsatz vor, nicht für die unterstützt kommunizierende Person bzw. die Hauptperson zu entscheiden, sondern mit ihr. Dieses Prinzip äußert sich in der Haltung der am Unterstützerkreis beteiligten Personen und der ko-konstruierenden Gesprächspartnerinnen und -partner. Somit konnte eine Befragung und Erfahrungssammlung zu Unterstützter Kommunikation und Zukunftsplanung die Hauptpersonen auch nicht außen vor lassen, sondern musste Wege finden, wie eine entsprechende Einbeziehung möglich wird, um eine Beteiligung am Endergebnis zu ermöglichen. Dabei konnte selbstverständlich nur individuell vorgegangen werden, um die jeweilige Person in ihrer Ganzheit und Einmaligkeit zu berücksichtigen. Eine in der Literatur aufgeführte Voraussetzung für qualitative Interviews, "Verbalisierungs- und Artikulationsvermögen" (Lamnek 2005, S. 356), wurde in diesem Zuge versucht, außer Kraft zu setzen. An diesem Kriterium zeigt sich, dass das Ansinnen, unterstützt kommunizierende Personen selbst zu Wort kommen zu lassen, sowohl inhaltlich als auch methodisch relatives Neuland darstellt. Eine Ausnahme hiervon bildet z.B. Thiele (vgl. Thiele/Renner 2009).

Die Datenerhebung konnte selbstverständlich nur systemisch angelegt sein, da sowohl Zukunftsplanung als auch Unterstützte Kommunikation das Umfeld mit einbeziehen und als Ressource nutzen. Daher wurden auch andere Personen aus dem Unterstützerkreis als Interviewpartnerinnen und -partner ausgewählt. In allen Fällen waren dies enge Bezugspersonen, da hier der Kontakt bereits hergestellt war und auf Grundlage des convenience samplings genutzt wurde.

Die Expertinnen und Experten, die im Rahmen der Interviews zu Wort kommen sollten, waren somit zum einen Bezugspersonen von Hauptpersonen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, als Expertinnen und Experten in eigener Sache und zum anderen Moderatorinnen und Moderatoren, die bereits Zukunftsplanungen mit Hauptpersonen, die unterstützt kommunizieren, durchgeführt haben. Die für ExpertInneninterviews geforderte Exklusivität des Wissens war dadurch gegeben, dass bislang wenig Literatur zur Verknüpfung von Unterstützter Kommunikation mit Zukunftsplanungsprozessen existiert (vgl. Hömberg/Burtscher/Ginnold 2001; Boban/Ehler/Ehler 2005; Bros-Spähn 2007; Hömberg 2008; Thiele/Renner 2009) und auch noch nicht alle Moderatorinnen und Moderatoren von Zukunftsplanungstreffen Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnten.

Als weiterer Experte in eigener Sache wurde die Hauptperson 1 als unterstützt kommunizierende Person einer Zukunftsplanung befragt. Die Begründung für die Einbeziehung der Hauptperson 1 in die Erhebung besteht darin, dass sie in einem Artikel sowie einem Brief[58] bereits von ihrer Zukunftsplanung berichtet hat und es daher ein Übergehen der gemachten Erfahrung wäre, sie nicht zu Wort kommen zu lassen. Auf dieser Grundlage sowie den durch die Mutter 1 zur Verfügung gestellten Materialien aus der Vorbereitung der Zukunftsplanung wurden ausformulierte Fragen (siehe Anhang S. 138) entwickelt, die entsprechend der kommunikativen Möglichkeiten entweder mit Ja oder Nein beantwortet werden können oder drei alternative Antworten, deren dritte jeweils die Verneinung der beiden anderen darstellt, anbieten, aus denen mittels auditivem Scanning ausgewählt werden kann. Die Fragen wurden ihm von seiner Mutter gestellt, die anschließend die Antworten in einer E-Mail (siehe Anhang S. 138) an die Verfasserin dieser Arbeit weiterleitete.

Auf diese Weise wurde versucht, die von Bourdieu (vgl. 1997, S. 782 und 786) geforderte Atmosphäre des aktiven und methodischen Zuhörens sowie die gesellschaftliche Nähe der Interviewpartnerinnen und -partner in der Informationserhebung mit der Hauptperson 1 zu realisieren und ihr durch die vertraute Gesprächspartnerin bzw. den vertrauten Gesprächspartner das Verstandenwerden zu ermöglichen. In der Darstellung der Ergebnisse werden die Aussagen der Hauptperson 1 mit dem Verweis "Antwort ... HP 1" unter Angabe der entsprechenden Nummer gekennzeichnet.

Bei der Hauptperson 2, deren Kommunikation hauptsächlich auf konkrete Situationen gerichtet ist, bestünde hingegen die Gefahr, in einer durch die zeitliche Distanz zum Zukunftsplanungsereignis abstrakten Gesprächssituation zu viele subjektive Gedanken und Spekulationen in Verhaltensweisen hinein zu interpretieren. Während bei der Hauptperson 1 die Videomitschnitte des Zukunftsplanungstreffens als Informationsquelle für die Fragenformulierung genutzt wurden, wurde im Fall von der Hauptperson 2 auf die Videoaufnahmen vom Treffen zurückgegriffen, um aus dem beobachtbaren Verhalten der planenden Person und den Reaktionen und Interpretationen des Unterstützerkreises sehr vorsichtige Schlussfolgerungen über eventuelle Stimmungen, Gefühle, Interessen und Bedeutsamkeiten abzuleiten. Selbstverständlich besteht auch in dieser Variante der Einbeziehung die Gefahr des Missverstehens, da die Basis jeglicher Interpretation stets der eigene Erfahrungshorizont bildet, der sich von jenem der Hauptperson unterscheidet. Mit diesen Gedanken im Hintergrund soll dennoch im Rahmen dieser Arbeit der Versuch gewagt werden, auch dieser Hauptperson eine Stimme zu verleihen.

Der Leitfaden (siehe Anhang S. 137) entstand auf der Basis der aus der Literatur entnommenen Informationen sowie den subjektiven Eindrücken und Ideen, die bei der Memminger Zukunftsplanung gewonnen werden konnten. Er nimmt zunächst die Hauptperson in den Blick, indem die Kommunikationssituation sowie Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Teilhabe thematisiert werden. Anschließend erfolgt eine Orientierung an dem Ablauf einer Zukunftsplanung, der die Vorbereitung, die Durchführung des Treffens sowie die anschließende Umsetzung beinhaltet. Dabei wird in allen Phasen erfragt, inwieweit die Hauptperson beteiligt war und auf welche Art und Weise die Kommunikation stattfand. Für die ExpertInneninterviews mit Moderatorinnen und Moderatoren wird zudem noch ihr persönlicher Hintergrund in der Form thematisiert, als dass auf die Anzahl der moderierten Zukunftsplanungen sowie die Zahl der nicht lautsprachlich kommunizierenden Hauptpersonen eingegangen wird.

Aufgrund dieser chronologischen Struktur kann der Leitfaden den Interviewten helfen, die Zukunftsplanung bzw. Zukunftsplanungen gedanklich zu rekonstruieren, wobei er entsprechend des Verständnisses eines Leitfadens nicht dogmatisch abgearbeitet werden muss, sondern in der Situation flexibel verändert werden kann.

Den zeitlichen und räumlichen Rahmenbedingungen sowie der verhältnismäßig geringen Zahl an Familien[59] und Moderatorinnen bzw. Moderatoren mit Erfahrungen bezüglich Unterstützter Kommunikation in Zukunftsplanungsprozessen ist geschuldet, dass der Leitfaden entgegen der Empfehlungen aus der Literatur nicht in Probeinterviews getestet und überarbeitet werden konnte, sondern direkten Einsatz fand.

Nachdem per E-Mail ein Gesprächstermin verabredet wurde und kurz das Anliegen des Interviews beschrieben wurde, fanden die fünf Befragungen auf Seiten des Interviewers per Skype statt. Die jeweiligen Interviewpartnerinnen und -partner konnten sich zwischen einem Telefonat und einem Skypegespräch für ihr bevorzugtes Medium entscheiden, so dass eines der Interviews auf beiden Seiten über Skype stattfand, während die anderen vier Gesprächspartnerinnen und -partner ihren Telefonanschluss nutzten. Mit dem kostenlosen Programm Call Graph wurde das Interview auf dem Rechner aufgezeichnet, so dass digitalisierte Aufnahmen entstanden, die sich als Dateien auf der DVD im Anhang befinden.

Der erste Auswertungsschritt der Transkription wurde angesichts der zeitlichen Begrenzung dieser Arbeit nur auf ausgewählte, relevante Stellen beschränkt[60] und an den geeigneten Stellen direkt in den Text eingefügt. Die Quelle ist durch die Angabe der Initialen der oder des Interviewten, die in der Legende im Anhang aufgeschlüsselt sind, sowie die Zeitangabe innerhalb der Datei belegt. Nachdem die weiteren Auswertungsphasen in der von Meuser und Nagel (vgl. 2003, S. 488f.) vorgegebenen Reihenfolge durchlaufen wurden, wobei die soziologische Konzeptualisierung vor allem bei den Moderatorinnen- und Moderatoren-Interviews aufgrund derselben verwendeten Fachsprache entfiel, wurden die zusammengestellten Ergebnisse den Befragten zur kommunikativen Validierung geschickt. Die in diesem Zusammenhang erforderlichen inhaltlichen Änderungen wurden mit dem Zusatz "auf Wunsch verändert" gekennzeichnet, während Formulierungen ungekennzeichnet angepasst werden.

Vor der Darstellung der Ergebnisse wird zunächst auf das methodische Vorgehen sowie auf in den Interviews gewonnene Erfahrungen zurückgeblickt. Reflektierend betrachtet hätte eine Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht durch Blickkontakt und Körpersprache eine intensivere Atmosphäre des aktiven Zuhörens im Sinne Bourdieus schaffen können. Da jedoch als Interviewform das ExpertInneninterview gewählt wurde, in welchem vor allem der Informationsgehalt und nicht der Kontext im Vordergrund steht, und neue Medien zur Verfügung stehen, kann das gewählte Vorgehen dennoch als angemessen betrachtet werden, da ohne diese mediale Möglichkeit aufgrund der weiten Anfahrtswege nach Süddeutschland bzw. Südtirol vermutlich keine oder zumindest weniger Interviews durchführbar gewesen wären.

Aufgrund ihrer Struktur erfordern Leitfadeninterviews einen ständigen gedanklichen Abgleich von Leitfaden und Gesprächssituation. Die spontan zu fällenden Entscheidungen der Interviewerin oder des Interviewers, welche Fragen zu welchem Zeitpunkt und in welcher Formulierung gestellt werden und in welchen Fällen Nachfragen angebracht sind, können in der Komplexität der Situation eventuell auch zu suboptimalen Ergebnissen führen (vgl. Flick 2010, S. 222f.). Die Schwierigkeit des spontanen Fragenformulierens zeigte sich unter anderem im Interview mit der Mutter 1, in dem viele Entscheidungsfragen gestellt wurden, die die Teilnehmerin lediglich bejahen oder verneinen hätte können. Dank ihres Erzählbedürfnisses und ihres Wissens über das Interviewziel, möglichst ausführliche Erfahrungsschilderungen zu erhalten, traten dadurch jedoch keine Probleme auf. Zudem erwies es sich in der Situation zum Teil als schwierig, systematisch vorzugehen. Dieses Problem trat vor allem beim ersten Interview mit der Moderatorin Margot Pohl zutage. Ein möglicher Erklärungsansatz hierfür besteht darin, dass die fehlende Übung der Interviewerin mit der Tatsache zusammentraf, dass die Moderatorin auf mehrere Zukunftsplanungen zurückblicken konnte, in deren Rahmen sie unterschiedliche Erfahrungen gemacht hatte und zwischen denen sie beim Erzählen hin und her sprang. Somit ergaben sich daher vermutlich weniger Informationen aus diesem Interview als es eigentlich möglich gewesen wäre. Zum Teil wurden suggestive Fragen gestellt, wie beispielsweise in der Unterredung mit Margot Pohl, in das die zeitliche Streckung des Planungstreffens von der Interviewerin eingebracht wurde. In diesem Fall entstand dadurch insofern kein Problem, als dass Margot Pohl den Vorschlag aufgriff und ihre eigene Meinung dazu darstellte. An manchen Stellen kam es zu begrifflichen Einwürfen, wenn die Interviewpartnerinnen bzw. -partner nach einem passenden Begriff suchten. So wurde zum Beispiel der Mutter 2 der Begriff "Agentin" bzw. "Agent" angeboten sowie der Mutter 1 der Fachausdruck "graphic facilitator". Ansonsten wurde versucht, möglichst nur bestätigende Kommentare und Signale des aufmerksamen Zuhörens zu geben, um an geeigneten Stellen weitere Fragen entlang des Leitfadens anzuschließen.

Deutlich wurde, dass die Struktur des Interviews bei Bezugspersonen von Hauptpersonen klarer war, da sie sich lediglich mit der Anforderung konfrontiert sahen, die Erfahrungen aus einer einzigen Zukunftsplanung zu rekonstruieren und daher eher chronologisch vorgehen konnten, während die Moderatorinnen und Moderatoren ihre unterschiedlichen Erfahrungen an verschiedenen Stellen aufgriffen und einander gegenüberstellten.

In technischer Hinsicht traten Mikrophonprobleme bei der Befragung der Mutter 2 und anfangs auch bei Angela Woldrichs Interview auf. Diese verbesserten sich bei der Mutter 2 trotz zweitem Anruf nicht stark, so dass sie im Verlauf des Interviews mehrfach nachfragen musste, weil sie etwas akustisch nicht verstanden hatte. Diese eher ungünstige Situation, die für nicht auf Technik beruhende Gesprächssituationen spricht, hat dennoch die Ergebnisse meines Erachtens nicht geschmälert, da sich die Interviewpartnerinnen und -partner dadurch nicht entmutigen ließen.



[55] Computer mit Sprachausgabe, der zu den elektronischen Kommunikationshilfen zählt (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 160)

[56] Aufgrund der Verwendung dieses Begriffs in der Literatur (vgl. Meuser/Nagel 1991; Meuser/Nagel 2003) wird er übernommen, ohne ihn an die getrennte Nennung beider Geschlechter anzugleichen.

[57] Alle interviewten Personen hatten die Möglichkeit, zu entscheiden, ob sie mit ihrem Namen in der Arbeit genannt oder mit einer Nummer anonymisiert werden möchten.

[58] Beide wurden der Verfasserin dieser Arbeit als Dateiversion zur Verfügung gestellt und werden im Folgenden mit den Bezeichnungen "Artikel HP 1" bzw. "Brief HP 1" belegt.

[59] Von den ursprünglich sechs ausgewählten Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern, die eine mündliche Zusage bzw. eine Zusage per E-Mail gegeben hatten, meldete sich lediglich die Familie, deren Zukunftsplanungstreffen von der Verfasserin miterlebt werden konnte, nicht, so dass nach dem dreimaligen Versuch der Kontaktaufnahme davon ausgegangen wurde, dass ihre Bereitschaft zur Teilnahme am Interview nicht mehr besteht. Aus diesem Grund konnten in der vorliegenden Arbeit fünf ExpertInneninterviews geführt werden.

[60] Es wurden jeweils nur die Aussagen der interviewten Person transkribiert. Die Grammatik und Wortwahl wurden der hochdeutschen Schriftsprache angepasst, während Fülllaute wie "ähm" oder "öh" sowie Wiederholungen ausgelassen wurden.

4 "BEDÜRFNISSE: Was wird zur Umsetzung der Träume benötigt?" - Darstellung und Auswertung der Ergebnisse

Die folgende Darstellung der Ergebnisse orientiert sich an den Phasen der Vorbereitung, Durchführung und Umsetzung von Zukunftsplanungsprozessen und bezieht neben den fünf ExpertInneninterviews, den Antworten der Hauptperson 1 und einigen Situationsinterpretationen aus Videoaufnahmen von der Zukunftsplanung der Hauptperson 2 auch ausgewählte Aspekte aus den bereits in Punkt 3.2 erwähnten Erfahrungsberichten von Kluge, Bros-Spähn und Ehler mit ein.

Generell ist festzuhalten, dass alle Erfahrungen sehr individuell sind. Dennoch wurde entsprechend der für ExpertInneninterviews geltenden Auswertungskriterien versucht, eine Sortierung nach Themenschwerpunkten vorzunehmen, innerhalb derer Vergleiche gezogen werden, um Relevantes herauszuarbeiten.

Während die beiden teilnehmenden Mütter von Hauptpersonen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, auf ein einziges Zukunftsplanungstreffen zurückblicken, besitzen die drei Moderatorinnen und Moderatoren bereits eine umfangreichere Erfahrung von vier bis acht Zukunftsplanungen mit Hauptpersonen, die sich nicht über Lautsprache verständigen.

Angela Woldrich blickt bereits auf einen längeren Zeitraum als Moderatorin zurück und schätzt die Anzahl der von ihr moderierten Zukunftsplanungstreffen auf mindestens 20 ein. Ihrer Erinnerung nach kommunizierten ungefähr sieben dieser Hauptpersonen nicht lautsprachlich, wobei sie als Kriterium zugrunde legt, dass im Rahmen der Moderation bei der Verständigung mit ihnen Unterstützung benötigt wurde. Zu dem Personenkreis der unterstützt Kommunizierenden zählen die Hauptpersonen ihrer letzten vier Planungstreffen, die von der Stiftung Leben pur organisiert waren, eine planende Person mit Autismus, eine Hauptperson mit selektivem Mutismus[61] sowie eine planende Person mit schwerer Mehrfachbehinderung (vgl. AW, 01:39-03:03, auf Wunsch verändert).

Margot Pohl hat insgesamt in sechs selbst moderierten Zukunftsplanungen, deren Hauptpersonen durchgängig nicht oder lediglich sehr wenig über Lautsprache kommuniziert haben, Erfahrungen gesammelt (vgl. MP, 01:27-01:33).

Sascha Plangger moderiert seit acht Jahren Zukunftsplanungstreffen, wobei anfangs alle planenden Personen die Lautsprache nutzten (vgl. SP, 00:31-01:51). Die ersten vier Planungen, deren planende Personen nicht über Lautsprache in den Planungsprozess einbezogen werden konnten, wurden ebenfalls von der Stiftung Leben pur organisiert (vgl. SP, 01:51-02:23). Momentan befindet er sich als Moderator in der Vorbereitung eines Zukunftsplanungstreffens einer nicht lautsprachlich kommunizierenden jungen Frau in Südtirol. In diesem Prozess berücksichtigt er seine Erfahrungen aus den Zukunftsplanungen der genannten Stiftung, um das Vorgehen besser auf die Bedürfnisse einer unterstützt kommunizierenden Person abzustimmen (vgl. SP, 02:23-02:46).

Die Kommunikation der Hauptpersonen wird aufgrund ihrer Individualität kurz für den Einzelfall beschrieben.

Bei der Hauptperson 2 erfolgte die Kommunikation 18 Jahre lang über Mimik und Gestik. Seit einem Dreivierteljahr besitzt der Jugendliche zusätzlich einen tragbaren Sprachausgabecomputer mit Augensteuerung als Kommunikationshilfe, mit dem er sich nach Einschätzung seiner Mutter verhältnismäßig gut verständigen kann. Wenngleich sie einräumt, dass es auch Tage gibt, an denen er damit nicht gut zurechtkommt, relativiert sie dies (vgl. M2, 01:02-01:35): "Es gibt natürlich Tage, an denen es gar nicht funktioniert, aber ich denke, ich habe einen 16-jährigen Sohn, der auch manchmal nicht mit mir redet" (M2, 01:20-01:30). Auf der Kommunikationshilfe werden Symbole und Schrift genutzt. Dabei sind die schriftsprachlichen Begriffe vorrangig für seine Gesprächspartnerinnen und -partner gedacht, da die Mutter 2 vermutet, dass er nicht lesen kann (vgl. M2, 24:04-24:14): "Ich gehe davon aus, dass er es nicht kann, weil es ihm in der Schule nie angeboten wurde, lesen zu lernen oder Buchstaben oder Wortkarten oder welche anderen Möglichkeiten es gibt. Das war viele Jahre mein Kampf in der Schule. Ich dachte, bitte, bietet es ihm doch wenigstens an, aber da kam dann eigentlich immer zurück, das haben wir noch nie erlebt, dass diese Kinder lesen lernen. Da denke ich immer: ‚Na ja, gut, ihr könnt es ja auch nicht erleben, wenn ihr es nicht anbietet.'" (M2, 24:14-24:45).

Die Hauptperson 1 kommuniziert vorrangig über Mimik und Augenbewegungen (vgl. M1, 02:03-02:07 und Brief HP 1, S. 1). Die Mutter 1 beurteilt es in der Familie als "am einfachsten, ohne Hilfsmittel zu kommunizieren" (M1, 16:34-16:37). Das multimodale Kommunikationssystem der Hauptperson 1 umfasst neben diesen körpereigenen Kommunikationsformen auch Bild-Wort-Karten, Kommunikations-fenster[62], die in der Kommunikationsmappe aufbewahrt werden, und ein Ich-Buch als nichtelektronische Hilfen sowie einen elektronischen eintastigen Talking Buddy[63](vgl. Artikel HP 1, S. 1 und Brief HP 1, S. 3ff.). Ansonsten wird auf ein Tagebuch zurückgegriffen, in das die Familie sowie die Einrichtung, die er dreimal wöchentlich besucht, regelmäßig eintragen (vgl. M1, 16:37-16:55).

In Sascha Planggers Zukunftsplanungen fand die Kommunikation bei allen nicht lautsprachlich kommunizierenden Hauptpersonen vorrangig über Gestik und Mimik statt (vgl. SP, 03:03-03:37).

Die Ko-Konstruktion erfolgt bei der Hauptperson 2, indem sich die Mutter erkundigt, "ob er das wirklich so meint" (M2, 01:50-01:51). Lediglich bei Reaktionen, die ihr ganz klar und eindeutig erscheinen, fragt sie nicht nach (vgl. M2, 01:48-02:09). Dennoch ist es manchmal auch erforderlich, mehrmals nachzufragen (vgl. M2, 02:09-02:23). Nach Einschätzung der Mutter führen alle Menschen aus der Familie, Schule, Tagesstätte, die mit ihrem Sohn umgehen, auf diese Art und Weise die Ko-Konstruktion durch (vgl. M2, 02:30-02:37).

In der Kommunikation mit der Hauptperson 1 gestaltet sich die Ko-Konstruktion derart, dass Fragen in einer Art und Weise gestellt werden, dass eine Ja-Nein-Antwort möglich ist oder zwischen zwei bzw. drei Alternativen ausgewählt werden kann, wobei die dritte Auswahlmöglichkeit auf Empfehlung von Nina Hömberg immer die Verneinung beider Alternativen ist, um andere Möglichkeiten genannt zu bekommen (vgl. M1, 02:15-02:49).

Auch die Fähigkeit der Hauptpersonen, Lautsprache zu verstehen wurde unterschiedlich eingeschätzt. Beide Mütter schätzten das Lautsprachverständnis ihrer Söhne als gut ein (vgl. M2, 00:33-00:42 und M1, 02:09-02:14). Der Eindruck der Mutter 2, dass ihr Sohn mehr versteht, als sein Umfeld glaubt, wird durch das seit kurzem genutzte Kommunikationsgerät noch verstärkt (vgl. M2, 00:33-00:50). Inwieweit auch abstrakte Sachverhalte verstanden werden, kann die Mutter nicht einschätzen, während sie sich sicher ist, dass der Jugendliche Alltagssituationen, die ihn oder die Familie betreffen, erfasst (vgl. M2, 00:50-01:01).

Aus der Sicht von Margot Pohlwar das Lautsprachverständnis bei den planenden Personen sehr unterschiedlich entwickelt: "Ich kann es auch nicht immer wirklich einschätzen, weil ich die Vorbereitung teilweise nicht selbst gemacht habe. Speziell bei den Zukunftsplanungen der Stiftung Leben pur sind wir ja wirklich nur zur Moderation hingefahren. Deshalb ist es auch immer sehr schwer einzuschätzen" (MP, 01:42-01:55), da die Sichtweisen von Eltern, Schulen sowie externen Beobachterinnen und Beobachtern nicht immer ähnlich sind (vgl. MP, 01:35-02:03). Nach ihrer Einschätzung konnte die Mehrzahl der Hauptpersonen den Sinn und Ablauf der Zukunftsplanungen erfassen und das Geschehen mitverfolgen, was sich in einer hohen Aufmerksamkeit und Konzentration äußerte, die nach Aussage der Eltern außergewöhnlich war (vgl. MP, 02:04-02:32).

Die vier Zukunftsplanungen der Stiftung Leben pur wurden nicht von den Moderatorinnen und Moderatoren, sondern zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung Leben pur vorbereitet, "deshalb wussten wir eigentlich nicht, wer die Personen waren" (SP, 03:54-03:58). Sascha Plangger betont mit dieser Erinnerung die Schwierigkeiten, bei nicht selbst vorbereiteten Zukunftsplanungen die Kommunikationssituation der Hauptperson einzuschätzen und berichtet davon, häufig vorher den Eindruck gehabt zu haben, "dass man wirklich auf Personen trifft, die nicht verstehen werden, was man im Planungsprozess macht oder was gemacht wird. Das hat sich jedoch aus meiner Sicht nicht bestätigt, denn die Personen wurden eher unterschätzt in dem, was sie durch die Zukunftsplanung aufnehmen konnten. Es gab eher eine Unterschätzung der Person" (SP, 04:13-04:43) (vgl. SP, 03:47-04:43).

Um eine bessere Vorstellung vom Verhalten der Hauptpersonen und ihrer Interaktion im Umfeld zu erhalten, wurde auch eine Einschätzung der Teilhabe und Selbstbestimmung erbeten. Die Mutter 2 schildert, dass ihr Sohn sich mitteilen und seinen Willen ausdrücken kann (vgl. M2, 03:30-03:35). Sobald er nach Hause kommt, wird seine elektronische Kommunikationshilfe am Rollstuhl befestigt "und dann kann er erzählen oder auch nicht. Das ist seine Entscheidung" (M2, 19:55-20:00) (vgl. M2, 19:51-20:00). Sehr gut funktioniert die Kommunikation zu Hause, während sie im schulischen Bereich lediglich manchmal erfolgreich ist (vgl. M2, 03:46-03:51). Vor allem in Gruppensituationen gestaltet sich die Kommunikation schwieriger, worin die Mutter "noch einen großen Lernbedarf" (M2, 03:44-03:46) sieht (vgl. M2, 03:38-03:46). Die Schwierigkeit der Kommunikation in einer Gruppe ist auch im familiären Bereich zu merken, indem der Jugendliche schweigsam wird, sobald eine Gruppe von Menschen zu Gast ist, was seine Mutter auf Überforderung zurückführt (vgl. M2, 03:52-04:02). Generell erlebt die Mutter eine Zunahme an Selbstbestimmung, seit ihrem Sohn die Kommunikationshilfe zur Verfügung steht (vgl. M2, 02:48-02:53). Zuvor dachte sie jahrelang, sie müsse sich vollständig ihrem Kind widmen und "sofort alles fallen lassen" (M2, 02:58-02:59), sobald es aus der Schule kommt. Mittlerweile ist es jedoch häufig der Fall, dass der Jugendliche beim Nachhausekommen über seine elektronische Kommunikationshilfe ausdrückt, dass er in seinem Zimmer seine Ruhe haben möchte, wo er sich über seinen Computer allein Musik einschaltet. Nach ungefähr 20 bis 30 Minuten hört sie dann: "‚Kannst du mir jetzt bitte helfen? Mir ist langweilig!'" (M2, 03:22-03:25) (vgl. M2, 02:54-03:25).

Die Selbstbestimmungihres Sohnesbeurteilt die Mutter 1 wie folgt: "Er entscheidet in der Familie ziemlich viel mit" (M1, 15:11-15:16). In seinen Interessensgebieten, die vorrangig Radiohören und in geringerem Umfang Fernsehen umfassen, entscheidet er selbst, was er hören bzw. sehen möchte. In Abständen durchforstet die Familienfreundin Margot Pohl mit ihm das Internet nach Sendungen, aus denen er sich dann gewünschte auswählt (vgl. M1, 15:11-15:50). Insgesamt betont die Mutter 1 die Normalität im Umgang mit der Kommunikation und Mitentscheidung: "Ich frage nicht immer, was ich kochen soll, weil ich den Rest der Familie ja auch nicht frage. Bestimmte Entscheidungen treffe ich, so wie es natürlich ist. Die Kleider, die ich ihm anziehe, interessieren ihn zum Beispiel nicht. Aber ‚Gehen wir da oder dort hin?' zum Beispiel interessiert ihn sehr. Ihn interessiert sehr, was ich, die ich nicht berufstätig bin, zu Hause alles erledigt habe. Das will er schon alles wissen, was passiert ist in der Zeit, in der er abwesend war" (M1, 15:51-16:29).

Während die Mütter der Hauptpersonen aus Alltagssituationen berichten können, liegen Margot Pohl nur Beobachtungen und Einschätzungen aus den Planungsprozessen vor. Sie schließt aus derhohen Aufmerksamkeit bei allen Zukunftsplanungen auf eine intensive innerliche Partizipation am Geschehen (vgl. MP, 02:19-02:32). Dennoch ist die Beteiligung der Person davon abhängig, ob die Moderatorin oder der Moderator selbst die Vorbereitung durchgeführt bzw. begleitet hat, da es ihr bzw. ihm in diesem Fall leichter fällt, die planende Person einzubeziehen, wodurch die Produktivität steigt (vgl. MP, 02:42-03:08). Dies ging in ihrer Erfahrung insofern mit einer Erhöhung der Selbstbestimmung einher, "dass weniger über die Köpfe hinweg geplant wurde" (MP, 03:11-03:14).

4.1 Vor dem Zukunftsplanungstreffen - "Die Vorbereitung ist das A und O" (AW, 27:39-27:42)

"Die Zukunft liegt nicht darin, dass man an sie glaubt oder nicht an sie glaubt, sondern darin, dass man sie vorbereitet." (Erich Fried)

Insgesamt wird die Vorbereitung besonders von den Moderatorinnen und Moderatoren in ihrer Wichtigkeit herausgestellt (vgl. AW, 27:39-29:01; SP, 40:15-40:19). Von Angela Woldrich wird sie als A und O bezeichnet, da nicht jede Moderatorin bzw. jeder Moderator das entsprechende Wissen zu Unterstützter Kommunikation wie beispielsweise Margot Pohl hat, die in der Vorbereitungsphase entsprechende Informationen zusammentragen kann: "Auch ich hab dieses Know-How nicht. Wenn ich in eine schwierige Situation gehe, kann ich wirklich nur mit dem, was dort ist, arbeiten. Ich kann in der Situation nichts entwickeln. Ich kann auch im Vorfeld nichts entwickeln, das heißt, ich bin absolut angewiesen auf die Dolmetscher, wer auch immer dies dann in der Situation ist" (AW, 27:56-28:16). Als Fazit und großen Wunsch zieht sie daraus, dass in der Vorbereitungsphase bereits vor der inhaltlichen Vorbereitung in einer Vorphase eine Expertin bzw. ein Experte für Unterstützte Kommunikation eingebunden wird, um in den Familien bzw. Einrichtungen den aktuellen Stand in Bezug auf Unterstützte Kommunikation herauszufinden (vgl. AW, 27:39-29:01).

Nimmt man in den Blick, auf wessen Initiative hin eine Zukunftsplanung ins Leben gerufen wird, so fällt auf, dass dies bei den in den Interviews erfassten Hauptpersonen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, immer durch eine andere Person geschah. Bei der anstehenden Zukunftsplanung in Südtirol ging die Initiative von der Elternvereinigung Arbeitskreis Eltern Behinderter (AEB) aus, die seit Ines Bobans erstem Vortrag in Südtirol von der Idee der Zukunftsplanung überzeugt sind, um "Menschen mit Behinderungen ein autonomes Leben zu ermöglichen abseits von herkömmlichen Dienstleistungen und Servicesystemen" (SP, 12:21-12:32), und seitdem gemeinsam mit Sascha Plangger viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben haben. Mittlerweile ist der Ansatz der Zukunftsplanung nach Sascha Planggers Ansicht in einschlägigen Kreisen auch bei Beamtinnen und Beamten bekannt, weshalb dem AEB aktuell von der Abteilung Sozialwesen ein finanzielles Budget in Höhe von 5000 bis 6000 Euro für Zukunftsplanungen zur Verfügung steht. Die Zukunftsplanung, die Sascha Plangger aktuell mit der jungen Frau vorbereitet, ist Teil dieses Projektes des AEB (vgl. SP, 11:51-13:17). Um eine Zukunftsplanung über den AEB durchzuführen, melden sich die Eltern der Hauptpersonen bei der Elternvereinigung. Generell weist Sascha Plangger darauf hin, dass die Initiative für Zukunftsplanungen durch informelle Kontakte zwischen potentiellen Hauptpersonen, Eltern und Moderatorinnen bzw. Moderatoren entsteht (vgl. SP, 13:23-13:52).

Nach Angela Woldrichs Erfahrungen entstand die Initiative für die Zukunftsplanung sehr unterschiedlich. In ungefähr 25 % der Fälle wurde die Moderatorin von einem Verein beauftragt, der im Rahmen von Clearing[64] mit Unterstützerkreisen gearbeitet hat und diese mit dem Einverständnis der Eltern organisiert hat. Zwei bis drei Mal wurde Angela Woldrich von Eltern gebeten, zu moderieren. Vier Zukunftsplanungen moderierte sie auf Anfrage der Stiftung Leben pur im Rahmen eines Projektes und bei zwei Zukunftsplanungen, die sich vorrangig im privaten Bereich der Moderatorin verorteten, ging der Anstoß von ihr selbst aus (vgl. AW, 07:42-08:46). Zusammenfassend stellt sie fest: "In meinem Fall kam es kein einziges Mal vor, dass die Zielperson selbst auf mich zugekommen wäre und gefragt hätte, ob ich es moderiere" (AW, 08:46-09:02).

Dieser Eindruck wird auch durch die Erfahrung der Mutter 2 gestützt. Sie erhielt von der Stiftung Leben pur die Informations-E-Mail über Zukunftsplanungen, woraufhin sie sich sofort dort meldete und im Rahmen des Projektes eine positive Rückmeldung erhielt. Im Nachhinein beurteilt sie es als "Glücksfall" (M2, 04:35-04:36), dass sie sich so schnell darauf melden konnte, da sie eventuell sonst nicht für das Projekt ausgewählt worden wären (vgl. M2, 04:13-04:35).

Auch die Mutter 1 bezeichnet es als Glück, vor mehreren Jahren Ines Bobans Bekanntschaft auf einem Vortrag für Eltern gemacht zu haben und sie später als Gasthörerin an der Universität Brixen bei einem weiteren Vortrag erlebt zu haben, im Rahmen dessen die Idee für ein Zukunftsplanungstreffen entstand. Bei der Feier der 30-jährigen Integration in Südtirol wurde mit Ines Boban und Nina Hömberg ein vorläufiger Termin in einer zeitlichen Entfernung von ungefähr 12 Monaten ins Auge gefasst, an dem schließlich wirklich das Zukunftsfest stattfand (vgl. M1, 07:46-09:38). "Es war ein bisschen eine Aneinanderreihung von Zufällen und auch die Verzweiflung, was [die Hauptperson 1, Anonymisierung d. Verf.] nach der Schule macht" (M1, 09:38-09:49). Margot Pohl, die der Mutter 1 von der Möglichkeit einer Zukunftsplanung berichtete und sie auf dem Weg zur Durchführung einer solchen begleitete, beschreibt die feste Vereinbarung mit Ines Boban: "Dann ist es zum Selbstläufer geworden, aber es hat schon viel Überwindung gekostet" (MP, 09:19-09:25), was unter anderem mittels des entstandenen Handlungsdrucks durch das anstehende Ende der Schulzeit beschleunigt wurde (vgl. MP, 08:46-09:44).

Auch in anderen Zukunftsplanungen stellt das Schulende einen zentralen Anlass dar, wie die Fälle von der Hauptperson 2 (vgl. M2, 08:11-08:18) und Jens Ehler, dessen Heilpädagogin die Durchführung einer Zukunftsplanung anregte (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 160 und 164), zeigen. Gleichzeitig illustrieren aber die Erfahrungsberichte von Felix Kluge, dessen erstes Planungstreffen in der dritten Klasse stattfand (vgl. Kluge 2007, S 188), und Melanie Bros-Spähn, die in der sechsten Klasse mit einem Unterstützerkreis über ihren weiteren Weg nachdachte (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 51), dass Planungen für die Zukunft auch schon früher beginnen können. Bei Felix hatte der Vater zuvor die Moderatorin Ines Boban auf Vorträgen kennengelernt und sich mithilfe von Fachliteratur über Zukunftsplanungen informiert, so dass auch in diesem Fall deutlich wird, dass die Initiative über das Kennenlernen von Schlüsselpersonen entstand (vgl. Kluge 2007, S. 188).

Nachdem deutlich wurde, dass die Initiative jeweils nicht von der Hauptperson ausging, stellt sich die Frage nach dem Einbezug der Hauptperson in die Entscheidung für ein Zukunftsplanungstreffen. Die Hauptperson 1 gibt an, dass sie im Vorhinein befragt wurde, ob sie ein Zukunftsfest machen möchte (vgl. Antwort 1 HP 1). Hingegen konnte die Hauptperson 2 vor der Bewerbung für die Durchführung einer Zukunftsplanung nicht befragt werden, da der Jugendliche zum Zeitpunkt des E-Mail-Erhalts in der Schule war und die Entscheidung nach Einschätzung der Mutter schnell fallen musste. Während der mehrtägigen Wartezeit auf die Antwort der Stiftung wurde mit ihm darüber gesprochen, wobei jedoch seine Mutter den Eindruck hatte, dass er nicht genau verstand, worum es sich dabei handelte und zu welchem Zweck die Zukunftsplanung stattfinden sollte (vgl. M2, 04:41-05:08). Auch als ein Mitarbeiter der Stiftung Leben pur die Familie besuchte und sie über Zukunftsplanungen informierte, wurden diese nach dem Empfinden seiner Mutter für ihren Sohn dennoch nicht greifbar. Gemeinsam wurde überlegt, wer eingeladen werden soll. Dabei wurde sehr deutlich, wen die Hauptperson 2 dabei haben wollte und wen nicht, was auch respektiert wurde. So wurde beispielsweise eine langjährige Familienfreundin, die seine Mutter sehr gerne dabei gehabt hätte, nicht eingeladen, weil die Entscheidung des Jugendlichen gegen sie ausfiel (vgl. M2, 05:17-06:14). Das Vorgehen bei der Auswahl undEinladung des Unterstützerkreises gestaltete sich folgendermaßen: "Ich habe ihn bei jedem, bei dem wir dachten, dass er dabei sein sollte, gefragt: ‚[Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.], willst du das? Ja oder nein?' und das hat eigentlich relativ gut geklappt" (M2, 06:52-07:04).

Auch die Mutter 1 beschreibt, dass ihr Sohn vor allem durch die Entscheidung, wer Teil des Unterstützerkreises werden soll, einbezogen wurde (vgl. M1, 09:49-10:12). Sie erinnert sich: "Da war er sehr genau und wusste genau, wen er will. Er hätte gerne 50 Personen gehabt, aber das war logistisch nicht möglich" (M1, 10:12-10:25). Die gemeinsame Erarbeitung mit der Hauptperson 1, wen sie einladen möchte, fand in der Schule mit der Mitarbeiterin für Integration, mit einer langjährigen Familienfreundin (Margot Pohl)[65] und zu Hause statt, indem "Menschen, die [die Hauptperson 1, Anonymisierung d. Verf.] ein Stück seines Lebens begleitet haben" (M1, 12:01-12:06) aus den Bereichen der Kernfamilie, der Großfamilie, der Schule (Freundinnen und Freunde, Lehrerinnen und Lehrer) und des jahrelangen Familienurlaubs mit der Lebenshilfe vorgeschlagen wurden. Mit dieser Liste, die fast 100 Namen enthielt, wurde die Hauptperson 1 immer wieder befragt, woraufhin sie durch Hinsehen oder Wegsehen die Entscheidung mitteilte (vgl. Artikel HP 1, S. 2; M1, 10:34-12:40 und MP, 06:11-07:47). Die konkrete Einladung wurde auch von der Hauptperson 1 übernommen, indem sie an ihre Gäste eine CD verschickte, deren Inhalt (Lied, das die planende Person gern im Radio hört, sowie Fotos) selbst ausgewählt war (vgl. MP, 07:47-08:06).

Auch Jens Ehler suchte in einem langen Prozess selbst aus, wer Teil seines Unterstützerkreises werden sollte und gestaltete die Einladung in seinem Namen (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 159 und 161). Unter den Eingeladenen befanden sich auf seinen Wunsch hin sowohl viele Gleichaltrige als auch ältere männliche Bekannte und Freunde (vgl. Ehler 2009, S. 17).

Die Beobachtung, dass die Einladung des Unterstützerkreises in jedem Fall von der planenden Person ausging, die mit Hilfe der Eltern oder Assistentinnen bzw. Assistenten die Auswahl traf, konnte auch Angela Woldrich machen, die als Moderatorin diese Aufgabe nie übernahm (vgl. AW, 09:02-09:24).

Eine Ausnahme bilden dabei die Zukunftsplanungen von Melanie Bros-Spähn und Felix Kluge, deren Eltern die Auswahl und Einladung des Unterstützerkreises stellvertretend übernahmen (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 51; Kluge 2007, S. 188f.).

Obwohl die Erarbeitung, wer Teil des Unterstützerkreises sein soll, nicht von den Moderatorinnen und Moderatoren selbst übernommen wurde, machen diese von der Zusammensetzung und Größe des Unterstützerkreises einen großen Teil des Erfolges des anschließenden Treffens abhängig. Margot Pohl weist darauf hin, dass der Unterstützerkreis keinesfalls zu klein sein darf und nennt als Beispiel, dass zwölf Menschen zu wenig sind. Sie hat zwei bis drei Planungstreffen moderiert, bei denen den Unterstützerkreisen nur wenige Personen angehörten, und erlebte dies als schwierig, weil dabei häufig entweder eine starke Homogenität oder Polarität entstand, ohne dass durch andere Personen triangulierende, davon abweichende Meinungen und Perspektiven eingebracht werden konnten. Ihre Empfehlung bezüglich der Größe lautet daher ungefähr 20 Menschen (vgl. MP, 18:25-18:53). Hinsichtlich der Zusammensetzung wird von Margot Pohl zudem geraten, Menschen aus allen Lebensphasen der Hauptperson mit zu bedenken und jeweils mindestens eine Vertreterin oder einen Vertreter aus jedem Kreis des Circle of Friends [vgl. graphische Darstellung in Punkt 2.2.3, Anm. d. Verf.] sowie aus jedem Lebensabschnitt einzuladen. Sie nennt als Beispiele die "Kindergärtnerin, Nachbarskinder, vielleicht den Pfarrer, der die Erstkommunion begleitet hat oder andere Personen" (MP, 19:12-19:21) und weist auf das Potential der Heterogenität hin (vgl. MP, 18:53-19:25).

Auch Sascha Plangger betont, dass die Zusammensetzung des Unterstützerkreises gut vorbereitet und durchdacht werden sollte. Dabei seien Anregungen von der Moderatorin oder dem Moderator in der Vorbereitung hilfreich, da zu familien- und professionellenlastige Unterstützerkreise zu einseitigen Denkmustern neigen. Am Negativbeispiel eines jungen Mannes, der seine Zukunft im Rahmen des Projektes der Stiftung Leben pur geplant hat, verdeutlicht Sascha Plangger, welche Chancen ein heterogener Unterstützerkreis bietet. Er beschreibt sein gutes Lautsprachverständnis, das sich daran zeigte, dass er den Planungsprozess und das von den beiden Moderatorinnen und Moderatoren Gesprochene sehr gut nachvollziehen konnte. Diese Kompetenz wurde vom Unterstützerkreis, in dem eine sehr große Homogenität herrschte, nach Sascha Planggers Einschätzung jedoch nicht erkannt, woraus er für sich schlussfolgert: "Das ist eine sehr heikle Angelegenheit und ich glaube, in Zukunft werde ich eher darauf achten, wie sich die Unterstützerkreise zusammensetzen, dass man Personen aus den verschiedensten Lebensbereichen der Fokusperson einbezieht. Da verschiedene Personen einen anderen Blick auf die Person werfen und auch vor diesem Hintergrund ihre Kommunikation anders eingeschätzt werden kann als von Personen, die tagtäglich mit der Fokusperson zusammen sind" (SP, 05:38-06:12) (vgl. SP, 04:43-06:12). Auch in den Zukunftsplanungen der Stiftung Leben pur fiel Sascha Plangger die ausgeprägte Homogenität der Unterstützerkreise auf, die zwar enge Familienmitglieder und das engste professionelle Umfeld beinhalteten, jedoch keine Freundinnen bzw. Freunde oder Bekannten der Hauptperson. Mit diesen Zusammensetzungen zeigte es sich, dass die Planungsprozesse vorrangig in institutionellen Bahnen verlaufen und der Anspruch, alternative Lebensentwürfe zu planen, sich nicht verwirklichen lässt (vgl. SP, 21:00-21:55). Er verdeutlicht dies an einem Beispiel aus einer Zukunftsplanung der Stiftung Leben pur, in der als Traum ein genießerischer Urlaub am Meer mit Sonne erdacht wurde, der anschließend bei der Umsetzung in eine Infrarotlampe mündete[66]. Das Zurückschrauben großer Visionen auf minimale Umsetzungen darf Sascha Planggers Ansicht nach nicht passieren und ist auf die Homogenität des Unterstützerkreises, dem Außenstehende und Gleichaltrige fehlten, zurückzuführen (vgl. SP, 21:55-22:39). Er hebt die Relevanz der Zusammenstellung des Unterstützerkreises hervor, vor allem dann, wenn sich die Hauptperson nicht lautsprachlich verständigen kann (vgl. SP, 22:40-22:47): "Sie können es selbst auch nicht von dem Unterstützerkreis einfordern oder selbst sagen: ‚Jetzt will ich mich wieder mal treffen', sondern da muss man darauf achten, dass die Unterstützung rundum funktioniert, also vom Aufbau des Unterstützerkreises, von der Durchführung, von der Vorbereitung und der Nachbearbeitung der Ergebnisse" (SP, 23:13-23:37). Diese Erkenntnisse bezieht er bereits in die Zukunftsplanung, die er zum Zeitpunkt des Interviews mit der jungen Frau aus Südtirol vorbereitet, ein. Da sie in die vorletzte Klasse des Gymnasiums[67] geht, besuchte Sascha Plangger sie als Moderator für zwei bis drei Stunden in der Schule und bereitete dort die Themen der Zukunftsplanung gemeinsam mit den 26 gleichaltrigen Personen vor, die seit vier Jahren mit der Hauptperson in eine Klasse gehen und sie aufgrund der gemeinsam verbrachten Schuljahre kennen. Zwei Klassenkameradinnen und Klassenkameraden nehmen auch als Vertreterinnen und Vertreter der gesamten Klasse am Unterstützerkreis teil, um die Sichtweisen ihrer Altersgruppe in den Prozess einzubringen (vgl. SP, 41:14-43:22).

Sascha Plangger empfand es bei den Zukunftsplanungen der Stiftung Leben pur zusätzlich als hemmend, dass er die regionalen Strukturen nicht kannte, während der homogene Unterstützerkreis aus Eltern und Professionellen durch den sehr engen Blick auf vorhandene Angebote und Möglichkeiten bremsend wirkte und die Perspektiven sehr einschränkte. Daraus leitet er ab, dass es wichtig ist, dass entweder Anwesende oder die Moderatorin bzw. der Moderator selbst mit den alternativen Möglichkeiten der Region in den verschiedensten Bereichen vertraut ist, so dass auch dies bei der Zusammenstellung des Unterstützerkreises berücksichtigt werden sollte (vgl. SP, 25:43-26:51).

In Angela Woldrichs Moderationen war die Größe und Zusammensetzung der Unterstützerkreise ebenfalls sehr unterschiedlich und begann bei zehn Personen (d.h. die Hauptperson, zwei Moderatorinnen bzw. Moderatoren und sieben Unterstützerinnen und Unterstützer). Ein solch kleiner Unterstützerkreis wird von Angela Woldrich als passend für ein Treffen angesehen, das lediglich ein bestimmtes Thema überdenken und planen will. Jedoch kann keine Vielfalt an Sichtweisen und kein Blick über den eigenen Tellerrand erreicht werden, da hierfür zu wenige Menschen anwesend sind und diese auch größtenteils aus der Familie bzw. dem engsten Umfeld stammen, wie dies im zehn Personen umfassenden Unterstützerkreis der Fall war. Als Vorteil eines großen Unterstützerkreises benennt sie die in der Regel größere vorhandene Vielfalt, obwohl gleichzeitig die Moderation ungleich schwieriger wird, nicht mehr alle zu Wort kommen und die Zeit sehr knapp wird. Als Obergrenze für ein gut funktionierendes Unterstützerkreistreffen gibt Angela Woldrich die Zahl von 20 Personen an (vgl. AW, 13:00-15:25). Die Bedingung für einen größeren Unterstützerkreis besteht für sie darin, methodisch anders vorzugehen[68] (vgl. AW, 15:25-15:51).

Der von der Hauptperson 2 ausgewählte Unterstützerkreis umfasste 14 Eingeladene, zwei Moderatorinnen sowie eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter der Stiftung Leben pur (vgl. M2, 08:48-08:59). Neben seiner Kernfamilie, seiner Patentante und seinem Patenonkel, seinem Onkel, aktuellen und früheren Betreuerinnen und Betreuern kamen auch seine Klassenlehrerin, die Betreuerin aus der Tagesstätte sowie ein Zivildienstleistender, der sowohl in der Schule als auch in der Tagesstätte tätig ist. Aufgrund des unbezahlten Sonntags war niemand von Philips Therapie anwesend, was von der Mutter bedauert wurde. Zudem wird als Gleichaltrige von der Mutter 2 lediglich eine 22-jährige ehemalige Betreuerin genannt, bevor sie mit den Worten "aber sonst leider niemand" (M2, 11:06-11:07) schließt (vgl. M2, 09:00-11:07). Generell scheint sich die Mutter 2 gut in ein soziales Netzwerk eingebunden zu fühlen, denn sie verwendet den Ausdruck "eine ganze Ansammlung von Menschen, die sich um [die Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.] kümmern" (M2, 09:22-09:26). Gleichzeitig betont sie aber in Bezug auf Gleichaltrige, dass es schwierig sei, diese einzuladen, da "diese schwerbehinderten nicht sprechenden Kinder keine gleichaltrigen Freundinnen und Freunde haben. Die Freundschaften beschränken sich in der Regel auf das, was Eltern organisieren" (M2, 11:14-11:28).

Bei Felix Kluge und Melanie Bros-Spähn setzten sich die Unterstützerkreise aus Familienmitgliedern, Familienfreundinnen bzw. Familienfreunden und Professionellen zusammen, während Felix' gleichaltrige Klassenkameradinnen und -kameraden bereits im Vorhinein von den Moderatorinnen besucht und nach ihren Ideen befragt wurden (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 51; Kluge 2007, S. 188f.). Zu Melanies zweiter Zukunftsplanung werden zudem auch interessierte Menschen eingeladen, die das Verfahren einmal miterleben wollen (vgl. Bros-Spähn 2007, S. 182).

Der Unterstützerkreis der Hauptperson 1 musste aus logistischen Gründen von der planenden Person auf30 Menschen reduziert werden (vgl. M1, 12:41-12:49), deren Engagement die Mutter 1 besonders hervorhebt: "Es hat niemand abgesagt. Alle waren bereit zu kommen" (M1, 12:49-12:53). Bei einer weiteren Zukunftsplanung würde die Mutter 1 ihren Sohn dennoch bitten, weniger Personen einzuladen, obwohl sie es gleichzeitig nochmals betont, wie stärkend die vielen Unterstützerinnen und Unterstützer wirkten (vgl. M1, 25:45-25:58).

Eine weitere Möglichkeit, um die planende Person einzubeziehen, sieht Sascha Plangger in der Wahl des Ortes. Er legt Wert darauf, für das Zukunftsplanungstreffen eine Umgebung und einen Ort zu finden, an dem die Hauptperson sich wohl fühlt (vgl. SP, 17:39-17:53).

Um Felix' Bedürfnisse nach Ruhephasen berücksichtigen zu können, entschied sich Familie Kluge, das Zukunftsplanungstreffen zu Hause durchzuführen (vgl. Kluge 2007, S. 189).

In der Familie 2 wurde die Entscheidung für den Ort nicht von der Hauptperson getroffen, da es aus Sicht der Mutter 2 schwierig war, einen geeigneten Raum zu finden (vgl. M2, 06:21-06:40).

Hingegen betont Jens Ehler, welchen Stellenwert die selbstbestimmten Entscheidungen in der Vorbereitung für ihn besaßen. Neben der Festlegung, wo sein Zukunftsfest stattfinden sollte, wählte er auch aus, wie für das leibliche Wohl gesorgt werden sollte und welche Musik erklingen sollte (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 161).

Wie von Sascha Plangger bereits in Bezug auf den Unterstützerkreis erwähnt, sind Hauptpersonen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, in erhöhtem Maß von ihrem Umfeld abhängig. Somit sind auch die Haltung der Eltern und ihre Erwartungen an das Zukunftsplanungstreffen von entscheidender Bedeutung. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, was beim Zukunftsplanungstreffen herauskommen würde, wurde von den Eltern der Hauptperson 2 als spannend empfunden. Sie stellten sich im Vorhinein die Frage, ob "das, was wir [d.h. die Eltern, Anm. d. Verf.] uns für [die Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.] vorstellen, gar nicht stimmt" (M2, 08:02-08:04), da sie sich angesichts des letzten anstehenden Schuljahres bereits Gedanken zur Zukunft ihres Sohnes gemacht hatten (vgl. M2, 07:48-08:31). Ähnliche Gedanken hegte auch Ulrike Ehler vor Jens' Zukunftsfest und blickte dem gemeinschaftlichen Überlegen nach Erfahrungen von Überforderung und Hilflosigkeit freudig gespannt entgegen (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 163).

Eine vollkommen andere Erfahrung machte Sascha Plangger in zwei Zukunftsplanungen, deren Vorbereitung er nicht selbst übernommen hatte. Die Eltern der beiden Hauptpersonen hegten die Intention, mithilfe der Zukunftsplanung lediglich einen Plan B zu entwickeln, da die eigentlich favorisierte Zukunftsgestaltung eine andere war, aber in der entsprechenden Einrichtung in den nächsten zwei bis drei Jahren kein Platz frei werden würde. Daraus leitet Sascha Plangger ab, wie wichtig es ist, im Vorfeld herauszufinden: "Ist der Wille da, Situationen zu verändern? Ist der Wille da, wirklich auszubrechen aus dem Herkömmlichen?" (SP, 30:23-30:31) (vgl. SP, 29:56-30:58). Dabei verdeutlicht er, dass selbst wenn ein Veränderungswille in der Hauptperson vorhanden ist, die Ansprüche und Erwartungen der Kernfamilie entscheidend wirken, da die planenden Personen in den meisten Fällen in einem extremen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Kernfamilie stehen. Wenn der Wille, verrückt, kreativ und alternativ zu planen in der Familie nicht oder noch nicht vorhanden ist, lassen sich nach Sascha Planggers Ansicht besser andere Vorgehensweisen wählen, indem gemeinsam mit der Familie grundlegend personenzentriert gearbeitet wird und dabei der Unterschied herausgearbeitet wird zwischen einem Denken, was für die Hauptperson aus Sicht der Bezugspersonen wichtig ist und was der Hauptperson selbst wichtig ist (vgl. SP, 32:41-33:56). Aus diesen Erfahrungen und seiner Auseinandersetzung mit personenzentrierten Methoden im Allgemeinen (z.B. dem britischen Essential Lifestyle Planning sowie Personal Futures Planning nach Beth Mount) im letzten Jahr gewann Sascha Plangger die Idee, Moderatorinnen und Moderatoren sollten ein Repertoire an Verfahren kennen, um diese situationsspezifisch im Vorfeld eines Zukunftsfestes anwenden zu können. Er erkannte, dass die unterschiedlichen Verfahren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden und untermalt dies mit dem Beispiel, dass zunächst einmal die Frage nach der Kommunikation mit der Hauptperson im Vordergrund stehen sollte, wenn diese nicht lautsprachlich kommuniziert, im Umfeld niemand vorhanden ist, der die Kommunikationsentwicklung unterstützt, und keine Hilfsmittel genutzt werden, um im Folgenden auf dieser Grundlage die Bedürfnisse und Wünsche herauszufinden. Anschließend könnte dann mit Zwischenschritten eine Zukunftsplanung durchgeführt werden (vgl. SP, 33:56-35:38). Zur Verdeutlichung führt Sascha Plangger das Beispiel eines jungen Mannes aus dem Projekt der Stiftung Leben pur an, vor dessen Zukunftsplanung viel grundlegendere Fragen hätten gestellt werden müssen: "Wenn die Mutter sagt, das Ideale für [die Hauptperson, Anonymisierung d. Verf.] wäre dieses und jenes, dann hat sie noch nicht begriffen, dass [die Hauptperson, Anonymisierung d. Verf.] eigentlich in diesem Moment schon fremdbestimmt ist. Dann hätte man fragen können: ‚Wollen wir mal schauen, wie wir mit [der Hauptperson, Anonymisierung d. Verf.] kommunizieren können? Was ist [der Hauptperson, Anonymisierung d. Verf.] wichtig?', bevor wir eine Zukunftsplanung machen" (SP, 35:53-36:17). Zunächst geht es Sascha Plangger darum, "zwischen [der Hauptperson, Anonymisierung d. Verf.] und der Familie ein commitment[69]" (SP, 36:21-36:23) zu finden, um danach im Wissen um das gemeinsame Ziel die Zukunftsplanung zu beginnen (vgl. SP, 35:38-36:40). Bei Personen, die deutlich ausdrücken können, dass sie ihre Zukunft planen wollen und wen sie dabei haben wollen, erscheint es Sascha Plangger geeignet, ein bürgerzentriertes Zukunftsfest zu veranstalten (vgl. SP, 36:41-37:03). "Wenn dies jetzt nicht der Fall ist, dann muss man aufpassen und schauen, ob es zu diesem Zeitpunkt schon die richtige Methode ist oder ob wir eine Stufe vorher ansetzen müssen, etwas vorzubereiten" (SP, 37:03-37:21). Sascha Plangger erscheint es in manchen Fällen sinnvoll, mit dem gut strukturierten Personal Futures Planning nach Mount zu beginnen, um daran ein bürgerzentriertes Zukunftsfest anzuschließen. Er berichtet von einer Mutter, die sich mit der Bitte um eine Planung an ihn gewandt hat, aber nicht so etwas Großes wie ein bürgerzentriertes Zukunftsfest in Angriff nehmen möchte. Daher probiert er gemeinsam mit ihr Personal Futures Planning in einem kleineren Kreis (Hauptperson, Mutter, zwei Geschwister der Mutter, ein befreundetes Paar) aus, um damit selbst Erfahrungen sammeln zu können und es als Übungschance zu nutzen sowie den Bedürfnissen der Mutter gerecht zu werden (vgl. SP, 48:42-50:26). Sascha Plangger befindet sich momentan in einer Experimentierphase, um herauszufinden, welche Potentiale in den verschiedenen Methoden, mit denen er sich in den letzten anderthalb Jahren theoretisch beschäftigt hat, stecken, welche Methoden ihm persönlich liegen, welche ihm Spaß machen, und an welchen Stellen er sich noch verbessern kann. Aus diesem Grund bietet er in kleineren Treffen mit Bekannten an, gemeinsam ein neues Verfahren auszuprobieren und sich auf unbekanntes Terrain zu bewegen, um anschließend zu reflektieren (vgl. SP, 50:26-50:39; 51:12-51:27 und 51:38-52:50). Auf diese Weise versuchte er sich an der Moderation von zwei Lagebesprechungen, die er im Nachhinein als nicht gut gelungen beurteilt. Gleichzeitig relativiert er diese Einschätzung, indem er darauf hinweist, dass er als Moderator möglicherweise durch die Erfahrungen mit bürgerzentrierten Zukunftsfesten, in denen große Veränderungen angestoßen werden, einen anderen Anspruch hat. Lagebesprechungen bewegen sich stattdessen eher im institutionellen Rahmen, was, so hebt er hervor, auch ihrer Zielsetzung entspricht, in Institutionen personenzentriertes Denken anzuregen (vgl. SP, 50:39-51:11).

Neben der Auswahl des Unterstützerkreises und dem Herausfinden der Erwartungen an die Planung kommt der inhaltlichen Vorbereitung mit der nicht lautsprachlich kommunizierenden Hauptperson ein hoher Stellenwert zu.

Bei der Hauptperson 2, deren Zukunftsplanungstreffen wie bereits erwähnt lediglich von einem Mitarbeiter der Stiftung Leben pur organisatorisch vorbereitet wurde, fand von Seiten der Eltern aufgrund der eigenen Unsicherheit bezüglich des zu Erwartenden keine inhaltliche Vorbereitung der Zukunftsplanung mit der planenden Person statt (vgl. M2, 07:37-07:48).

Hingegen betont die Mutter 1, wie gut die inhaltliche Vorbereitung war (vgl. M1, 05:46-05:51), die von der Mitarbeiterin für Integration im schulischen Rahmen umgesetzt wurde (vgl. M1, 06:42-06:55). Methodisch gestaltete sich die Vorbereitung durch die Arbeit mit Fragen, mit deren Hilfe versucht wurde, Träume, Wünsche und Bedürfnisse herauszufinden (vgl. Artikel HP 1, S. 2; M1, 07:04-07:15; unveröffentlichtes Material der Vorbereitung). Margot Pohl beschreibt die Vorbereitung mit der Hauptperson 1 genauer: Um Informationen über Berufe zu erhalten, führte die Hauptperson 1 mit Fragebögen Erkundungen über die Berufe einer Vielzahl von Bekannten und Verwandten durch, um mehr über ihren Alltag zu erfahren: "Wann stehst du auf? Was macht dir am meisten Freude daran? Sehr konkrete Fragen, so dass er sich ein bisschen ein Bild machen konnte, welche verschiedenen Berufe es gibt und was das eigentlich für den Alltag bedeutet" (MP, 06:33-06:46). Darüber hinaus erstellte die Hauptperson 1 ein Geschenk für die Gäste, indem sie im Rahmen der Vorbereitung mit Eigenbewegungen (d.h. der Pinsel war an der Hand befestigt) mit einer selbst ausgewählten Farbe auf einer großen Leinwand malte, die im Anschluss zerschnitten und an alle Anwesenden verschenkt wurde (vgl. MP, 08:07-08:35). Im gesamten Prozess der Vorbereitung lag das Augenmerk darauf, ihm möglichst viel Selbstbestimmung zu ermöglichen: "Es wurde wirklich ganz konkret darauf geachtet, dass es immer wirklich seine Aktion war" (MP, 08:36-08:41). Die Mutter 1 sieht die Ursache für den erfolgreichen Planungsprozess stark in der guten Vorbereitung verankert, "dass es für [die Hauptperson 1, Anonymisierung d. Verf.] einfach sehr gut verständlich war. Er wusste, was auf ihn zukommt. Gewusst haben wir alle nicht, was auf uns zukommt, aber die Themen wussten wir, um was es ging und wer kommt" (M1, 25:07-25:22), wodurch alle Beteiligten Sicherheit verspürten (vgl. M1, 25:00-25:31). Diese Einschätzung wird auch größtenteils durch die Hauptperson 1 selbst belegt, indem sie mitteilt, dass sie sich gut auf das Zukunftsfest vorbereitet gefühlt habe und die individuellen Wünsche und Träume im Rahmen der Vorbereitung verstanden wurden (vgl. Antworten 2 und 3 HP 1). Gleichzeitig wurde eine ambivalente Antwort (Ja und Nein) auf die Fragen, ob mehr Mitbestimmung wünschenswert gewesen wäre und ob vorher eine Vorstellung existiert habe, was genau passieren wird, gegeben, die den Aussagen der Mutter 1, die vermutet, dass die Hauptperson wusste, was ihn erwartet, und von Margot Pohl, die hervorhebt, dass die Betonung darauf lag, die Hauptperson mitbestimmen zu lassen, nicht vollständig entsprechen (vgl. Antworten 4 und 5 HP 1).

Angela Woldrich machte ihre Unterstützung in der Vorbereitung von der Betreuungssituation und dem Wissen der Unterstützerinnen und Unterstützer über Zukunftsplanungen abhängig, so dass sie auf sehr unterschiedliche Erfahrungen zurückblicken kann. Je weniger Know-How vorhanden war, desto intensiver brachte sie sich als Moderatorin ein, wobei in diesen Fällen ein großer Anteil der inhaltlichen Arbeit auch erst während des Planungstreffens passierte (vgl. AW, 09:37-10:56). Als Beispiel beschreibt sie: "Bei einer Situation, in der ich wusste, es war sowohl von den Betreuern als auch vom Elternhaus überhaupt kein Know-How in Bezug auf Zukunftsplanung vorhanden, bin ich hingefahren und habe gemeinsam mit ihnen den Circle of Friends gemacht. Ich habe ihn auch dort gelassen und bin ein zweites Mal hingefahren. Die Einladung hat dann die Zielperson mit einem Assistenten zusammen gemacht. Einladungen haben immer die Zielpersonen selbst gemacht. In Südtirol haben wir es intensiver vorbereitet, aber die Einladungen haben immer die Assistenten vor Ort gemacht" (AW, 09:50-10:39). Im Falle einer knappen Vorbereitung kann im Rahmen des Planungstreffens nicht so vertieft gearbeitet werden, da der Schwerpunkt zunächst vor allem auf dem Herausfinden von Stärken, Bedürfnissen, Träumen liegt. Hingegen wurde beispielsweise in Südtirol das Treffen sehr intensiv mit Karten[70] von People First und anderen Materialien vorbereitet, so dass viel schneller in die Tiefe gegangen werden konnte. Angela Woldrich zieht daraus den Schluss, dass eine intensive Vorbereitung ideal wäre, aber noch nicht immer möglich ist (vgl. AW, 10:56-11:46).

Margot Pohl betont vor allem die Wichtigkeit der individuellen Anpassung der Vorbereitung heraus (vgl. MP, 03:26-03:34) und stellt fest: "Ich kann mir nicht vorstellen, mit einem fertigen Programm wie beispielsweise ‚Käpt'n Life'[71] zu arbeiten" (MP, 03:30-03:34). Zudem hebt sie die Bedeutung des Einbezugs der Schule[72] hervor (vgl. MP, 03:36-03:42). In den von ihr moderierten Zukunftsplanungstreffen wurden Entscheidungsfindungsprozesse teilweise von der Schule übernommen (vgl. MP, 04:49-04:53), "weil es zu Hause doch oft wieder nach dem gleichen Muster abläuft und im Endeffekt doch die Mutter entscheidet, wer dann kommen darf oder es wird die Frage so gestellt, dass es keine wirkliche Entscheidung ist" (MP, 04:53-05:07). Gleichzeitig bietet der Vorbereitungsprozess dem System Familie eine Chance, neue Rollen kennenzulernen, indem die wichtigen Entscheidungen über die Einzuladenden und den Ort des Treffens von der Hauptperson getroffen werden (vgl. MP, 03:43-04:01), "weil es sehr oft ganz ungewohnt ist, dass die Hauptperson an sich auch Entscheidungen trifft und das, denke ich, kann man nur in der Vorbereitung wirklich durchexerzieren. In der Zukunftsplanung selbst kann man vielleicht Meinungen oder Gefühle abfragen, aber dort fallen ja in dem Sinne keine wirklichen Entscheidungen, die unmittelbare Folgen haben" (MP, 04:01-04:22). Zudem betont die Moderatorin, wie wichtig es ist, dass die Hauptperson bereits im Vorhinein Erfahrungen damit sammeln kann, was Zukunft ist und wie sie aussehen könnte, welche Wohnformen und Berufe existieren, ob und wie andere Menschen mit Beeinträchtigungen alleine leben oder studieren (vgl. MP, 24:54-25:16): "Also, ich denke, dies alles muss im Vorfeld passieren. Ich finde, es ist zu spät, wenn es erst in der Zukunftsplanung zum Thema wird, weil das meist sehr weit weg von der Lebensrealität der Hauptpersonen ist und sie somit nicht wirklich Entscheidungen treffen können" (MP, 25:16-25:32).

Diese Erfahrung, dass die Teilhabe- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten der planenden Person in den Zukunftsplanungstreffen von der Vorbereitung mit ihnen abhängen, machte auch Sascha Plangger (vgl. SP, 06:40-06:50). Er erlebte, dass bei der Stiftung Leben pur auch keine Vorbereitung - und Nachbereitung - in dem Sinne stattfand, "dass die Personen in einer autonomen selbstbestimmten Weise den Prozess auch reflektieren können und sich einmischen können" (SP, 27:13-27:21). Wenn im Vorfeld deutlich wird, dass sich die Hauptpersonen mit ihrer Kommunikation nicht direkt in das Planungstreffen einbringen können, kommt der intensiven Vor- und Nachbereitung der Treffen ein besonderer Wert zu (vgl. SP, 10:14-10:25). Für Vorbereitungs- (und Nachbereitungs-)Situationen erwägt Sascha Plangger es als sinnvoll, dass die Moderatorin bzw. der Moderator "nicht alleine mit der Person agiert, sondern vielleicht wiederum auf einen kleinen Unterstützerkreis zurückgreift, zum Beispiel auf Personen, die die Person kennen oder im Falle der anstehenden Zukunftsplanung [in Südtirol, in deren Vorbereitung Sascha Plangger sich zum Zeitpunkt des Interviews befindet, Anm. d. Verf.] auf die Lehrperson, die mit der Person über Computer kommuniziert, während die Person selbst in der Situation sicher nicht schnell reagieren kann auf das, was man sagt" (SP, 10:34-11:03). Er schlägt somit für die Vor- und Nachbereitung die Bildung eines kleinen Unterstützerkreises vor, der bei der Kommunikation hilft (vgl. SP, 10:25-11:25) und verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des Kommunikationskreises (vgl. SP, 14:19-14:37).

Der Aspekt der Kommunikation spielt in der Vorbereitung generell eine wichtige Rolle. Margot Pohl weist darauf hin, dass eine Verallgemeinerung bezüglich des Vorgehens schwierig ist. Sie beginnt meist mit einer Variante des Kommunikationsprofils von Kristen[73], um einen Überblick über die Fähigkeiten und Bedürfnisse im Bereich der Kommunikation zu erhalten, und erfragt Sichtweisen der verschiedensten Beteiligten, um ein möglichst umfassendes Bild im Sinne des diagnostischen Mosaiks[74] zu erhalten. Anschließend ist es ihrer Meinung nach sehr wichtig, mit der Hauptperson Vokabular für die Prozessbeeinflussung zu entwickeln (vgl. MP, 23:58-24:40), "und wenn es nur darum geht zu sagen: ‚Mir ist es jetzt zuviel, ich muss mal kurz raus', sei es über Symbole oder auch über bestimmte Gesten, Verhaltensweisen, Laute" (MP, 24:40-24:54).

Angela Woldrich ist nicht bekannt, dass im Vorfeld einer von ihr moderierten Zukunftsplanung neue Elemente für die Kommunikation (z.B. Symbole) speziell für das Treffen entwickelt wurden. Stattdessen wurde im Rahmen der Planungstreffen auf das Vorhandene zurückgegriffen (vgl. AW, 11:46-12:12). In der Zusammenarbeit mit Margot Pohl hat sie gelernt, dass eine intensive kommunikative Vorarbeit eine Voraussetzung für echte Teilhabe der Hauptperson ist, da die Moderatorin bzw. der Moderator ansonsten ausschließlich auf die Aussagen des Umfelds angewiesen ist. Gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass keine Zukunftsplanungen mit Menschen durchgeführt werden können, bei denen es noch nicht gelungen ist, Wege der Verständigung zu finden, die auch für weiter entfernte, nicht vertraute Personen verständlich sind. In solchen Fällen wird die individuelle Situation akzeptiert und das Vorgehen daran angepasst (vgl. AW, 29:01-30:14).

Die Beteiligung der Hauptpersonen in der Vorbereitung der beiden Südtiroler Zukunftsplanungen verlief nach Margot Pohls Ansicht sehr gut, wobei an dieser Stelle neben der sehr guten Einbindung der Schule auch der mehr als drei Monate umfassende Zeitrahmen der Vorbereitung mitbedacht werden muss (vgl. MP, 04:32-04:49). Diese Empfehlung für eine sinnvolle Länge der Vorbereitungszeit gilt nicht unbedingt, wenn die Moderatorin, der Moderator bzw. die vorbereitende Person die Familie bereits kennt (vgl. MP, 25:44-25:55).

Die Mutter 2 bedauert es im Nachhinein, dass die Vorbereitungszeit mit drei Wochen sehr knapp bemessen war, weil aufgrund der Zeitnähe einige Eingeladene bereits anderweitig verplant waren, und nennt als Verbesserungsvorschlag eine Vorbereitungszeit von zwei Monaten (vgl. M2, 07:04-07:30 und 29:04-29:11).

Innerhalb dieser umfassenden Vorbereitungszeit kann es nach Sascha Planggers Überlegungen zudem sinnvoll sein, ein umfeldunabhängiges Treffen mit der Hauptperson zu realisieren. Dies verdeutlicht er am Beispiel eines Zukunftsfestes für einen 14-jährigen Jugendlichen, das nicht von ihm moderiert wurde, sondern das er als Mitglied im Unterstützerkreis erlebte. Er lernte die Hauptperson im Nachhinein bei der Organisation einer Ausstellung besser kennen und stellte fest, dass ihre Interessen sich altersentsprechend um Mädchen und Spaßhaben drehen. Bei der Zukunftsplanung jedoch lag der Schwerpunkt auf kirchlicher Einbindung, die in der Welt seiner Eltern zentral und für ihn vorgesehen war. Sascha Plangger vermutet, dass der Jugendliche entsprechend seiner Interessen eigentlich auch mal in die Disko gehen möchte, was in der Zukunftsplanung merkwürdigerweise nicht thematisiert wurde, so dass reflektiert werden müsste, ob wirklich die Wünsche der Hauptperson berücksichtigt wurden (vgl. SP, 37:29-39:25). Daraus schlussfolgert Sascha Plangger, dass es sinnvoll ist, sich im Vorfeld als Moderatorin bzw. Moderator mit der Person allein zusammenzusetzen, wenn Zukunftsplanungen auf die Initiative der planenden Person hin gemacht werden und viele eigene Entscheidungen möglich sind. Er nennt den Pizzeriabesuch als Beispiel, um sich zwei bis drei Stunden ungestört vom Einfluss der Familie auszutauschen. In diesem Rahmen könnte es möglich sein, über intime Fragen zu sprechen, die bei den Eltern Befremden auslösen oder dem Jugendlichen vor Zuhörern unangenehm sind (vgl. SP, 39:26-40:15).

4.2 Während des Zukunftsplanungstreffens - "...extrem unterschiedlich halt" (AW, 06:03-06:06)

Nachdem der Prozess der Vorbereitung in unterschiedlicher Intensität abgeschlossen war, fand die Realisierung des Zukunftsplanungstreffens statt.

Jeweils abhängig davon, "wie in der Vorbereitung spürbar war, ob die Zielperson dabei bleiben kann, ob sie hinausgeht oder nicht" (AW, 16:09-16:17), wurde der zeitliche Rahmen in den von Angela Woldrich moderierten Zukunftsplanungstreffen gestaltet. Die Pausen wurden eingelegt, sobald deutlich wurde, dass die Hauptperson eine Unterbrechung braucht, um danach wieder aufmerksam teilnehmen zu können. Wenn jedoch der Eindruck entstand, dass auch eine Pause nicht genügend Erholung bieten würde, wurde ohne die planende Person weitergearbeitet. Bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen griff Angela Woldrich jeweils auf die Einschätzung der Anwesenden zurück (vgl. AW, 16:04-17:42). Es wird auf diese Weise versucht, die Bedürfnisse der Hauptperson unbedingt zu berücksichtigen, wie sie am Beispiel des jungen Mannes mit Autismus verdeutlicht. Er hielt sich nach Angela Woldrichs Einschätzung ungefähr ein Drittel der Zeit nicht im Raum auf, da er es nicht aushielt. Auffällig war jedoch, dass er immer wieder zurückkehrte, so dass er regelmäßig wieder einbezogen werden konnte, indem das gezeigte Verhalten von den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern interpretiert wurde (vgl. AW, 05:00-05:25).

Insgesamt benennt Angela Woldrich als Herausforderung das Mehr an Zeit, das durch die Verlangsamung des Prozesses in Planungstreffen, deren Hauptpersonen nicht lautsprachlich kommunizieren, notwendig wird (vgl. AW, 27:33-27:39).

Die Zeitplanung gestaltete sich in den Einzelfällen recht unterschiedlich. Bei Familie 2 war die zeitliche Gestaltung von der Stiftung Leben pur ungefähr vorgegeben (10 bis 16 Uhr) und sah eine kleine Pause am Vormittag sowie eine umfangreichere Mittagspause vor. Dennoch war insofern eine Berücksichtigung der Bedürfnisse der Hauptperson 2 gegeben, als dass sie jederzeit den Raum hätte verlassen oder eine Pause hätte einlegen können. Dies erwies sich jedoch als nicht nötig, da der Jugendliche ein hohes Durchhaltevermögen zeigte und sehr aufmerksam und konzentriert wirkte (vgl. M2, 06:21-06:40 und 26:12-26:42). Bei kläglich klingenden Geräuschen wurde die Hauptperson 2 gefragt, was los sei, ihr wurde angekündigt, dass bald eine Pause gemacht werde und sie erhielt anschließend die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie aus dem Rollstuhl herausgenommen werden möchte, was sie durch ihre Mimik und anschließende freudige Laute deutlich bejahte (vgl. Video 2 HP 2, 28:28-28:43 und 30:35-33:05). Die Mittagspause wurde dann genutzt, um mit der planenden Person in einer Einzelsituation den Nordstern, der die Träume umfasste, durchzugehen und diejenigen Ideen zu markieren, die sie selbst als wichtig erachtete (vgl. Video 4 HP 2, 00:00-01:05). Aus der Haltung des Jugendlichen lässt sich schließen, dass er am Nachmittag körperlich bereits erschöpft war, was durch jammernde Laute noch unterstrichen wird, die jedoch wiederum vom Unterstützerkreis aufgegriffen und thematisiert wurden (vgl. Video 4 HP 2, 06:25-06:48; 10:08-11:39 und 15:01-16:09). Gleichzeitig ist für außenstehende Beobachterinnen und Beobachter nicht unbedingt zu erkennen, ob sein Lautieren sich auf die Gespräche bezog oder davon losgelöst war (vgl. Video 4 HP 2, 47:42-48:59; Video 5 HP 2, 00:00-04:10; Video 6 HP 2, 01:40-01:57; 21:22-21:36). Es wurde versucht, die Lagerung seinen Bedürfnissen anzupassen, indem er den Vormittag im Rollstuhl bzw. auf dem Schoß verbrachte und während der Nachmittagsphase zuerst auf einem Sack lag, bevor er das Geschehen danach wieder aus dem Rollstuhl verfolgte (vgl. Video 1 HP 2, Video 2 HP 2, Video 4 HP 2 und Video 6 HP 2).

Melanie Bros-Spähns erstes Zukunftsplanungstreffen erstreckte sich über einen Zeitraum von anderthalb Tagen (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 51), während das Zukunftsfest der Hauptperson 1 im Rahmen eines einzigen Nachmittags durchgeführt wurde, was durch die planende Person als genau richtige Länge beurteilt wurde (vgl. Antwort 6 HP 1). Diese Zeiteinsparung während des Treffens war nur aufgrund der intensiven Vorbereitung möglich. Die eingeplante größere Pause konnte erst am Ende des Prozesses umgesetzt werden, was von Margot Pohl, die anwesend war ohne zu moderieren, als nicht so günstig eingeschätzt wurde. Im Nachhinein empfand sie die Planung als sehr gedrängt, wodurch es dazu kam, dass während des Prozesses nur eine kurze Unterbrechung eingeschoben wurde. Sie bedauert diesen Umstand insofern, als dass sich in den Pausen jeweils Raum für informelle Gesprächsentwicklungen bietet. Während der gesamten Zeit wurde dennoch den Bedürfnissen der planenden Person insofern Rechnung getragen, als dass Lageveränderungen (Verfolgen des Geschehens im Liegen oder in den Armen gehalten) nach seinen Wünschen vorgenommen wurden, indem seine Eltern auf vertraute Blicke und Laute reagierten (vgl. M1, 19:22-20:21 und MP, 13:21-14:03).

Viele kleine Pausen (mindestens fünf Minuten nach jedem Abschnitt) sind nach Margot Pohls Erfahrung auch wichtig, um der planenden Person, die nicht lautsprachlich kommuniziert, die Möglichkeit zu geben, die Plakate zu erkunden oder mit einem Mitglied des Unterstützerkreises ein bestimmtes Thema durchzusprechen. Gleichzeitig erkennt sie daran die Gefahr der Prozessverlangsamung, wodurch eine Energieveränderung geschehen kann (vgl. MP, 28:41-29:21).

Ein Veränderungsversuch in Bezug auf die zeitliche Gestaltung wird im November in einer Zukunftsplanung ausprobiert, die auf zwei Tage im Abstand mehrerer Wochen verteilt wird, wobei Margot Pohl betont, dass sie sich noch nicht genau vorstellen könnte, welche Auswirkungen dies habe, weil sie MAPS als sehr wichtige Vorarbeit für PATH ansieht, da vor allem das Nachdenken über den Traum die Voraussetzung für den Einstieg in die konkrete Planung darstellt. Die Trennung der beiden Methoden führt nach Margot Pohls Sicht zu einer Ähnlichkeit mit normaler Förderplanung (vgl. MP, 29:38-30:23).

Für Sascha Plangger gehen Überlegungen zum zeitlichen Rahmen einher mit methodischen Entscheidungen hinsichtlich der Verfahren. Er führt das Beispiel eines jungen Mannes an, dessen Zukunftsplanung Teil des Projektes der Stiftung Leben pur war und der sich mit einzelnen Wörtern in den Prozess einbringen konnte. Es zeigte, dass die angesetzte Planungszeit von 10 Uhr bis 16 / 17 Uhr für ihn zu lang war, um durchgängig konzentriert am Planungsprozess teilzuhaben, wodurch er trotz seiner Fähigkeit, die einzelnen Schritte zu reflektieren und nachzubesprechen, nicht immer eingebunden werden konnte. Im Nachhinein führt dieses Beispiel bei Sascha Plangger zu der Frage, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, zuerst nur MAPS durchzuführen, um der planenden Person die Möglichkeit zu geben, in diesen zwei Stunden mit Konzentration dabei zu sein, und den PATH in einem weiteren Treffen anzugehen (vgl. SP, 31:36-32:31). Aus dieser Erfahrung leitet er ab, dass das von Ines Boban konzipierte Zukunftsfest mit einer Verknüpfung von MAPS und PATH dem Personenkreis der nicht lautsprachlich kommunizierenden Hauptpersonen nicht gerecht wird, da es aufgrund der Länge der Zeit zu anstrengend wird. "Sie [d.h. Ines Boban, Anm. d. Verf.] hat ihr Modell der bürgerzentrierten Planung entwickelt, was wirklich toll ist. Aber ich glaube, bei Menschen, die sich im Prozess nicht so selbstständig und autonom einbringen können, muss man die Schritte ein bisschen verändern oder die Methoden so verwenden, dass man sie nicht zusammenführt, weil MAPS und PATH ja eigentlich getrennte Tools sind, und sie dann so einsetzt, wie man sie dann benötigt. Das ist meine Erfahrung, die ich nach München gemacht habe und die ich bei dieser nächsten Zukunftsplanung umzusetzen versuche" (SP, 46:57-47:46).

Stattdessen schlägt er wie Margot Pohl, die diesem jedoch eher skeptisch gegenübersteht, vor, MAPS und PATH zu trennen. Auf diese Weise liegt beim ersten Treffen der Schwerpunkt auf den Stärken, Träumen und Bedürfnissen, die zwischen den beiden Zusammenkünften mit der Hauptperson gemeinsam erschlossen, reflektiert und aufgearbeitet werden, bevor es zum PATH als konkretem Planungstreffen kommt, der ebenfalls in der Zwischenzeit mit der planenden Person vorbereitet wird. Auch an das zweite Treffen, in dem PATH erarbeitet wird, schließt sich eine intensive Nachbereitung mit der Hauptperson an (vgl. SP, 07:47-08:47). Diese Trennung erscheint ihm vor allem sinnvoll, wenn deutlich wird, dass die Hauptperson sich nicht mit technischen Hilfsmitteln in den eigentlichen Planungsprozess einbringen kann (vgl. SP, 09:52-10:14). Außerdem ermöglicht es die terminliche Trennung von MAPS und PATH, die planenden Personen nicht mit einer Fülle von Ergebnissen zu erschlagen (vgl. SP, 14:37-14:55).

In der von Margot Pohl bereits erwähnten anstehenden Zukunftsplanung einer jungen Frau in Südtirol werden diese Überlegungen umgesetzt: Am ersten Termin steht der MAPS-Prozess an, zu dem ein Unterstützerkreis mit 15 bis 18 Personen eingeladen ist. Gemeinsam wird die Entscheidung getroffen, wann der PATH-Termin folgt, welche Themen dabei den Schwerpunkt bilden und welche zusätzlichen Bündnispartnerinnen und -partner dazu eingeladen werden. Im Anschluss reflektiert die Betreuerin, die mit der planenden Person per Computer kommuniziert, alles mit ihr im schulischen Rahmen. Durch dieses Vorgehen steht ausreichend Zeit hierfür zur Verfügung, da erst auf der Basis dieser Ergebnisse der PATH-Prozess mit einem auf die Verwirklichung der Themen ausgerichteten Unterstützerkreis initiiert wird (vgl. SP, 43:25-45:02).

Auch Angela Woldrich verwendete in den von ihr moderierten Zukunftsplanungstreffen hauptsächlich MAPS und PATH. Eine Ausnahme stellt lediglich die Situation dar, dass sich bereits in der Vorbereitung abzeichnet, dass es zeitlich zu eng wird, woraufhin sie statt MAPS lediglich die Blume der Kompetenzen[75] einsetzt, die ebenfalls mit Einstiegsrunde mit Geschichten beginnt, bevor in den Blütenblättern die Fähigkeiten gesammelt werden, während die Wurzeln die Rahmenbedingungen aufnehmen (vgl. AW, 17:26-19:20). Eine weitere Variante für Fälle, in denen die Zeit knapp wird, besteht nach Angela Woldrich darin, eine Variation des PATH vorzunehmen, indem beispielsweise die letzten drei Schritte in einen zusammengefasst werden, andere Schritte gekürzt werden oder nur noch bestimmte Themen aufgegriffen werden (vgl. AW, 17:42-18:26).

Von der Intensität der Vorbereitung macht Angela Woldrich es abhängig, ob das Zusammentragen der Kompetenzen relativ zügig vonstatten gehen kann (vgl. AW, 19:20-19:51): "Wenn dieser positive Blickwinkel gar nicht spürbar ist, wird viel mehr Zeit benötigt, um hineinzukommen" (AW, 19:51-19:59).

Bei einem großen Unterstützerkreis, der mehr als 20 Personen umfasst, erscheint es ihr sinnvoll, das methodische Vorgehen abzuwandeln. Anstelle einer Kopplung von MAPS und PATH benennt Angela Woldrich zwar die Möglichkeit, zunächst nur MAPS zu machen und sich auf die Eigenschaften der Person zu konzentrieren, bevor in einem weiteren Treffen PATH angesetzt wird. Jedoch hat sie diese Variante selbst noch nicht praktiziert und kann sich keinen konkreten Grund vorstellen, der ein solches Vorgehen sinnvoll macht. Eher tendiert sie dazu, den MAPS-Prozess mithilfe der Blume der Kompetenzen abzukürzen, um auf jeden Fall den PATH anschließen zu können (vgl. AW, 15:25-15:51, auf Wunsch verändert).

Auch von Margot Pohl wurden generell MAPS und PATH angewendet, die manchmal mit der Zeit geschuldeten Anpassungen verändert wurden. Beispielsweise wurden Schritte in MAPS verändert (der Schritt "Geschichte" wurde umgewandelt zu "Geschichten", so dass bereits die Fähigkeiten in den Mittelpunkt rückten), um Zeit zu sparen. In einem Fall war nachmittags nur wenig Zeit für den PATH, was dazu führte, dass der aktuelle Stand nicht mehr thematisiert wurde (vgl. MP, 14:58-15:38). Margot Pohl beurteilt diese Veränderungen als "aus der Not geboren. Ansonsten bin ich schon der Meinung, dass es sinnvoll ist, die beiden Verfahren vollständig durchzuführen" (MP, 15:38-15:45). Bei der Hauptperson 1 wurde der aus MAPS und PATH bestehende Prozess insofern abgewandelt, dass MAPS aufgrund der individuellen Situation stark gekürzt wurde (vgl. MP, 14:14-14:23).

Für zukünftige Planungen hegt sie die Überlegung, ob es eventuell sinnvoll sein könnte, zwischen MAPS und PATH einen facilitator-Rollentausch vorzunehmen, um das Absinken der Energie am Nachmittag aufzuhalten, wie sie dies in zwei Zukunftsplanungen erlebte. Dies müsste sie jedoch erst ausprobieren und in Abhängigkeit von der Co-Moderatorin bzw. dem Co-Moderator entscheiden (vgl. MP, 27:54-28:38).

Aus den Erinnerungen der Mutter 2 sowie Matthias Kluges und Bernadette Bros-Spähns Erfahrungsberichten geht hervor, dass auch in der Zukunftsplanung ihrer Kinder die beiden Verfahren MAPS und PATH kombiniert wurden (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 51ff.; M2, 12:30-12:47; 15:21-15:55; 15:59-16:08; 20:12-20:37 und 30:11-31:17; Kluge 2007, S. 189ff.). Bei Felix' zweiter Zukunftsplanung wurde an die früheren MAPS-Ergebnisse angeknüpft und nur die konkrete Planung des Schulübergangs angegangen. Dabei kam der Unterstützerkreis jedoch nicht zu einem zufrieden stellenden Konsens, so dass nach zehn Tagen ein weiteres kleineres Treffen ohne Moderation stattfand, das auch erfolgreich war (vgl. Kluge 2007, 192f.).

Mit den Verfahren geht zudem auch die Visualisierung einher. Margot Pohl hält sich bei der graphischen Darstellung nicht an die Vorgaben der Verfahren, sondern hat in einer Zukunftsplanung, die am Chiemsee stattfand, bei MAPS das Bild eines Schiffes verwendet, das von der Hauptperson in der Rolle des Kapitäns gesteuert wird und sich am Nordstern orientiert, während die Gewitterwolke die Alpträume umfasst. Die Fähigkeiten wurden in den Segeln gesammelt, die Bedürfnisse wurden im Meer festgehalten. Margot Pohl hebt vor allem die stärkere Anschaulichkeit dieser graphischen Umsetzung hervor (vgl. MP, 15:46-16:16) und favorisiert daran den selbsterklärenden Charakter vor allem der Gewitterwolke, die schnell vorüberzieht und am besten umschifft werden sollte. Dadurch wird es ermöglicht, den verbalen Anteil möglichst gering zu halten, was sich nach Margot Pohls Ansicht als vorteilhaft erweist, weil Zuhören anstrengt und auch der Unterstützerkreis zum Teil nicht so gerne pädagogisch bedeutungsvolle Erläuterungen anhört. Generell ist es erforderlich, dass die Moderatorin bzw. der Moderator ihr bzw. sein Verhalten so auf den Unterstützerkreis und seine Erwartungen abstimmt, dass sie bzw. er ernst genommen wird (vgl. MP, 26:31-27:41).

Bei allen Zukunftsplanungstreffen, auf die Margot Pohl zurückblicken kann, wurden in der Vorbereitung keine speziellen Symbole entwickelt, die dann im Prozess verwendet werden konnten. Sie nennt das Beispiel eines Treffens "mit einem recht kompetenten UK-Nutzer [d.h. Mensch, der unterstützt kommuniziert, Anm. d. Verf.], der mit Augensteuerung kommuniziert, aber dann die Sprachausgabe des Gerätes nutzt, so dass er auch keine vorbereiteten Symbole hatte, die man auf das Plakat hätte kleben können" (MP, 16:37-16:53). Margot Pohl brachte zur Unterstützung der planenden Person meist unbekannte PCS-Symbole[76] mit und beurteilt den Einsatz trotz fehlender Bekanntheit als erfolgreich (vgl. MP, 16:26-17:07).

Die Moderatorin weist auf die erhöhten Herausforderungen bei zwei Zukunftsplanungstreffen hin, deren unterstützt kommunizierende Hauptpersonen zusätzlich eine Sehbehinderung hatten. Es wurde eine Anpassung der Visualisierung vorgenommen durch den Versuch, eine Plastizität auf den Plakaten herzustellen, indem beispielsweise die Konturen mit Seidenpapier nachgeformt wurden. Bei einer der beiden Hauptpersonen, bei der eine vollständige Blindheit angenommen wurde, lag der Schwerpunkt auf dem Einsatz von Musikpostkarten[77], die zum jeweiligen Abschnitt passten und als Einstieg verwendet wurden (vgl. MP, 17:07-17:59). Rückblickend beurteilt sie es als "schöne Erfahrung. Es hat den ganzen Prozess begleitet und war immer wieder ein Moment, in dem die Hauptperson, wenn sie selbst mit Handführung gedrückt hat, auch eine ganz wichtige Rolle bekommen hat" (MP, 17:59-18:12). Sie hebt zusammenfassend noch mal hervor, wie hilfreich diese Postkarten sein können, da mit ihrer Hilfe ein anderer Wahrnehmungskanal angesprochen wird, der die Aufrechterhaltung der Konzentration erleichtert. Daher würde sie dieses Medium auch in zukünftigen Prozessen beibehalten (vgl. MP, 26:06-26:26).

Auch Angela Woldrich bejaht die Frage nach der Abstimmung der Visualisierung auf die individuellen Bedürfnisse der planenden Person sehr nachdrücklich und nennt als Beispiel den Einbezug von im Vorfeld Gebasteltem (vgl. AW, 20:00-20:31). Sie verweist auf Margot Pohls Idee, beispielsweise die Wellen tastbar zu machen und den Einsatz der Musikkarten, die durch Drücken eine Melodie abspielen (vgl. AW, 21:13-21:35).

In der Vorbereitung greift Angela Woldrich gern auf einen Plüschelefanten zurück, den sie als gegenständliche Unterstützung für die Hauptperson einsetzt, wenn sie mit der Geschichte mit dem Elefanten[78], der von blinden Männern an unterschiedlichen Stellen befühlt wird, die daraus vollkommen unterschiedliche Dinge schlussfolgern, die Wichtigkeit der Heterogenität des Unterstützerkreises erläutert (vgl. AW, 21:37-22:03). Sie betont, dass sie einen erweiterten Moderationskoffer besitzt, in dem der bereits erwähnte Elefant, eine Landkarte und gebastelte Gegenstände aus anderen Moderationen enthalten sind, aber dass sie zusätzlich auf spontane Einfälle zu den im Vorfeld bekannten Informationen zurückgreift bzw. im Prozess selbst noch weitere Ideen entwickelt (vgl. AW, 22:03-22:22, auf Wunsch verändert).

Die Individualität des Vorgehens wird deutlich am Beispiel der jungen Frau mit selektivem Mutismus, die aufgrund der Vorbereitung mit dem Ordner "Käpt'n Life" sehr genau wusste, was sie erwartet, auch in visueller Hinsicht (z.B. kannte sie bereits die graphische Darstellung des PATH), so dass ihr nach Angela Woldrichs Einschätzung das Einordnen möglich war. Gleichzeitig wurde durch das Wissen, dass die Hauptperson viel schreibt, auch in der graphic facilitation stark auf Schrift zurückgegriffen. "Da wären wahrscheinlich genau andersherum Bilder zu abstrakt gewesen. Da haben wir ganz viel geschrieben" (AW, 21:07-21:13).

Visualisierung stellt ebenso für Sascha Plangger einen weiteren sehr wichtigen Bereich für Veränderungen und Anpassungen an die Hauptperson dar. Seiner Meinung nach ist es sinnvoll, mit der planenden Person in der Vorbereitung Symbole zu entwickeln, die dann für die graphische Umsetzung verwendet werden (vgl. SP, 14:58-15:23 und 17:35-17:39). Er blickt auf die Erfahrung zurück, dass graphic facilitation nicht nur den Hauptpersonen beim Verständnis hilft, sondern auch die Mitglieder des Unterstützerkreises davon profitieren, so dass ein Schwerpunkt auf eine gute Visualisierung gelegt werden sollte, um es zu ermöglichen, die Situation auf einen Blick zu begreifen (vgl. SP, 15:25-16:14). Sascha Plangger weist zudem darauf hin, dass für eine gute graphic facilitation Übung notwendig ist. Er machte die Erfahrung, dass die ungefähr zehn verschiedenen Themen, die in Zukunftsplanungstreffen behandelt werden, immer wieder aufgegriffen werden (z.B. Freundschaft, Arbeit, Wohnen, Musik), und suchte im Internet und weiteren Quellen nach passenden Symbolen, die er in einem kleinen Lexikon zusammenstellte und für die Visualisierung ausschneidet und aufklebt (vgl. SP, 16:14-17:35).

Bei der Hauptperson 2 wurde die maritime Thematik, die Margot Pohl erwähnt hatte, in der Visualisierung aufgegriffen. Beim Betreten des Raumes fiel der Mutter 2 sogleich das Plakat auf, auf das ein Schiff gezeichnet war, dessen Kapitän die Hauptperson 2 war. Der aus einem Foto ausgeschnittene Kopf der planenden Person trug eine Kapitänsuniform, was die Mutter 2 sehr ansprach (vgl. M2, 12:17-12:28). Insgesamt hat die graphic facilitation einen tiefen Eindruck hinterlassen und es wurde darin von der Mutter 2 das Ziel erkannt, "dass [die Hauptperson, Anonymisierung d. Verf.] das [d.h. alles Besprochene, Anm. d. Verf.] wieder erkennt" (M2, 15:08-15:11) (vgl. M2, 14:56-15:16). Beim Visualisieren wurden jedoch keine Symbole aus dem Kommunikationssystem der Hauptperson verwendet, sondern eigene Ideen des graphic facilitators umgesetzt (vgl. M2, 29:42-29:53).

Die Mutter 1 erinnert sich an keine besondere Anpassung der Visualisierung. Da der eigentlich zuständige graphic facilitator plötzlich aus persönlichen Gründen das Treffen verlassen musste, versuchte der eigentliche group facilitator beide Aufgaben zu übernehmen. Diese Rahmenbedingungen, die Margot Pohl als nicht ideal bezeichnet, wurden von der Mutter aber nicht als negativ empfunden und sie vermutet, dass es ihrem Sohn genauso ging, da die folgende Nachbereitung weitaus wichtiger für ihn war als der eigentliche Prozess (vgl. M1, 20:29-21:53 und MP, 14:23-14:43).

Neben der methodischen Gestaltung lassen sich auch Parallelen auf der inhaltlichen Ebene der Zukunftsplanungstreffen erkennen. In allen Fällen wurde die Kommunikation als Thema aufgegriffen, das mehr oder weniger ausgiebig behandelt wurde. Die Mutter 1 bezeichnet das Thema der Kommunikation mehrfach als "enorm wichtig" (M1, 13:09-13:10 und 13:49-13:51). Dabei verweist sie auf die Anwesenheit von Nina Hömberg, die das Planungstreffen auch mit der Sicht auf Unterstützte Kommunikation beobachtete, und vermutet: "Ich weiß nicht, wie ihre Zufriedenheit war. Es wurde sehr gekürzt, weil es [der Hauptperson 1, Anonymisierung d. Verf.] nicht so gut ging. Wir haben ja auch nur für ein Jahr geplant, damit der Übergang geschehen konnte" (M1, 13:21-13:44). Dennoch wurde auch eine Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten geplant (vgl. M1, 13:08-14:06). Margot Pohl beschreibt, dass das vorrangige Anliegen darin bestand, ein Gerät mit Augensteuerung zu bekommen, so dass es darum ging, herauszufinden, welche verschiedenen Geräte es gibt, wie die Hauptperson damit Erfahrungen sammeln kann, wie sie herausfinden kann, ob diese Kommunikationshilfe für sie geeignet ist und wie die Finanzierung gestaltet wird (vgl. MP, 12:07-12:32).

Bei der Hauptperson 2 stand neben Themen wie der Erweiterung von Kontakten zu Gleichaltrigen, was von der Mutter 2 jedoch als schwierig eingeschätzt wurde, da Jugendliche in diesem Alter andere Interessen hätten (vgl. M2, 11:35-11:51) oder Träume wie "eine nette Freundin, eine schöne Umgebung, viel Aktivität und ein cooles Haus, in dem er mit dem Rolli vom sechsten Stock herunterdüsen kann" (M2, 15:38-15:50) auch die Kommunikation im Mittelpunkt. Während des Treffens wurde versucht, der Schule und der Tagesstätte zu verdeutlichen, wie notwendig es ist, dass das Kommunikationsgerät immer am Rollstuhl befestigt wird, damit es dem Jugendlichen jederzeit zur Verfügung steht, auch wenn er zeitweilig nicht darüber kommuniziert. Die Mutter 2 stellt bedauernd die Brisanz dieser Thematik heraus: "Das ist wirklich ein Knackpunkt, weil es offensichtlich ganz schwierig ist in der Schule, weil dort die anderen Kinder daran herumspielen wollen, weil er dann die anderen Kinder nicht mehr sieht, weil keine Zeit ist, weil ... was weiß ich. 76 Sachen, warum es nicht geht" (M2, 19:15-19:36). Zudem vermutet sie, dass ihr Sohn aufgrund der Beliebigkeit, mit der ihm die elektronische Kommunikationshilfe zur Verfügung gestellt wird, diese dort so selten nutzt (vgl. M2, 18:52-19:51).

Angela Woldrich machte als Moderatorin die Erfahrung: "Gerade bei der Zielgruppe mit hohem Unterstützungsbedarf ist in der Zukunftsplanung eigentlich jedes Mal herausgekommen, dass in Bezug auf Unterstützte Kommunikation noch Nachholbedarf ist und dass dort überhaupt noch nicht ausreichend gearbeitet wurde" (AW, 12:12-12:30). Zudem hebt sie den in allen Fällen festgestellten Beratungsbedarf der Vereine, Assistentinnen und Assistenten, Betreuerinnen und Betreuer vor Ort hervor (vgl. AW, 12:12-12:48). Auch wenn die Professionellen häufig der Meinung seien, dass sie bereits alles in ihrer Macht Stehende ermöglichen, betont Angela Woldrich, stimme dies nicht, da sich im Bereich der Unterstützten Kommunikation in den letzten Jahren enorm viel getan habe, so dass es wichtig sei, sich ständig auf dem neuesten Stand zu halten bzw. anzuerkennen, dass es weitere Entwicklungen gebe, von denen man nichts wisse. Von Eltern könne man nicht verlangen, dass sie sich zu Expertinnen bzw. Experten auf dem Gebiet der Unterstützten Kommunikation machen und aktuellste Entwicklungen mitverfolgen. Von Professionellen, die ebenfalls nicht alles wissen müssen, erwartet Angela Woldrich jedoch, dass sie sich offen zeigen und entsprechende Unterstützung suchen. Auch sie selbst habe erst von Margot Pohl gelernt, welche Möglichkeiten sich bieten. Wenn aber keinerlei Angebote der Unterstützten Kommunikation gemacht würden, werden den nicht lautsprachlich kommunizierenden Menschen wichtige Entwicklungschancen genommen, so dass zugespitzt von einer Form struktureller Gewalt gesprochen werden kann (vgl. AW, 29:19-29:38, auf Wunsch verändert).

Den Wert der Anwesenheit von Menschen mit umfassendem Wissen zu Unterstützter Kommunikation betont auch Sascha Plangger. Aus seinen Erfahrungen lässt sich ableiten, dass Kommunikation vor allem dann zum Thema wird, wenn die Moderatorin bzw. der Moderator Expertenwissen im Bereich der Unterstützten Kommunikation hat. Dies war beispielsweise bei den ersten beiden Zukunftsplanungen der Stiftung Leben pur der Fall, die von Margot Pohl moderiert wurden. Sie erkannte sehr schnell, inwiefern die kommunikativen Möglichkeiten der Hauptperson erweitert werden könnten. Den Umstand, wenn eine Moderatorin oder ein Moderator viel Wissen zu Unterstützter Kommunikation besitzt, bezeichnet Sascha Plangger als großen Vorteil (vgl. SP, 23:50-24:37 und 27:37-27:51). Vor allem bei Personen, die nicht oder noch nicht mit Hilfsmitteln kommunizieren, erscheint es Sascha Plangger sinnvoll, wenn eine Expertin bzw. ein Experte auf diesem Gebiet bei den Treffen dabei ist, der seinen Blick auf die kommunikativen Möglichkeiten der planenden Person richtet und auch in der Situation selbst unterstützen kann (vgl. SP, 24:55-25:43).

Wie wichtig unterschiedliche Meinungen aus dem Unterstützerkreis auch für das Thema der Kommunikation sein können, macht Margot Pohl am Beispiel einer Zukunftsplanung, die nicht von ihr selbst vorbereitet wurde, deutlich. Die Ausdrucksform der Hauptperson, in Essenssituationen über das Herausstrecken der Zunge Ablehnung auszudrücken, wurde von einer neuen Lehrerin als Ansatzpunkt für eine Kommunikationserweiterung angesehen. Leider war jedoch genau diese Lehrerin beim Zukunftsplanungstreffen nicht anwesend, was von Margot Pohl bedauert wurde, da sie vermutet, dass diese Lehrerin etwas hätte bewirken können (vgl. MP, 22:43-23:37).

Entsprechend der Individualität der Hauptpersonen verlief die Kommunikation während des Planungstreffens sehr unterschiedlich.

In den von Angela Woldrich moderierten Treffen war es möglich, über Vorbereitetes und in Form von Bestätigung zu kommunizieren. In einem Fall, in dem es ihr sehr schwer fiel mit der Hauptperson zu kommunizieren, wurde auf eine Unterstützerin oder einen Unterstützer zurückgegriffen: "Da haben wir eine Dolmetscherin bzw. einen Dolmetscher gehabt, der bzw. die für uns übersetzt hat" (AW, 03:32-03:39). Als weiteres Beispiel erzählt sie: "Die junge Frau mit selektivem Mutismus hat sich gefilmt. Sie traute sich zu reden, wenn sie sich selbst filmt. Sie hat praktisch die Begrüßung gemacht und sie hat eine sehr intensive Vorbereitung gemacht, die mit eingebracht wurde, indem sie eigene Moderationskarten mit der Betreuerin vorbereitet hatte. Sie hat sich also praktisch über vorbereitete Karten und den durchgearbeiteten ‚Käpt'n Life' sehr stark schriftlich eingebracht." (AW, 03:41-04:19). Diese intensive Vorbereitung wird von Angela Woldrich als Faktor für die erfolgreiche Einbeziehung in der Zukunftsplanung betrachtet (vgl. AW, 03:16-04:23). Ansonsten wurden die Anwesenden, die mit der planenden Person vertraut waren, von Angela Woldrich nach ihrer Interpretation befragt und als Übersetzer einbezogen: "Was glaubt ihr jetzt? Passt das? Passt das nicht?" (AW, 04:49-04:52). Auch im Falle, dass die Hauptperson unruhig wurde, wurde das Umfeld um seine Einschätzung gebeten. Es wurden somit keine besonderen Hilfsmittel mit Ausnahme des Zukunftsplanungstreffens der jungen Frau mit selektivem Mutismus verwendet (vgl. AW, 04:23-05:00). Eine Übersetzung fand insofern in beide Richtungen statt, als dass Pausen genutzt wurden, um das Thematisierte mit der planenden Person zu besprechen und der Moderatorin rückzumelden, wobei auf Hilfsmittel wie beispielsweise Symbole verzichtet wurde. (vgl. AW, 05:37-05:52).

Ähnliche Erfahrungen machte Sascha Plangger, der die Kommunikation während des Treffens ebenfalls als sehr unterschiedlich verlaufend beschreibt. Er nennt das Beispiel eines jungen Mannes, der seine Zukunft im Rahmen des Projektes der Stiftung Leben pur plante und wenige Einzelwörter sprechen konnte, so dass er auch in den konkreten Planungsprozess einbezogen werden konnte (vgl. SP, 30:58-31:35). Sascha Plangger hatte während des Treffens sehr bald das Gefühl, dass die Hauptperson gut nachvollziehen konnte, was geplant wird, und wusste, was sie will, so dass der Moderator ihn seiner Meinung nach gut einbeziehen konnte, indem er ihn nach vorn holte, um mit ihm Planungsschritte nachzubesprechen. Besonders stark blieb Sascha Plangger eine Szene im Gedächtnis, in der die Hauptperson ganz deutlich kommunizierte, dass sie mit einem Freund zusammenwohnen wolle: "und dann hat er gesagt: ‚mit M. [d.h. seinem Freund, Anonymisierung d. Verf.] wohnen'" (SP, 29:23-29:25). Diese Äußerung wurde jedoch von den Eltern schlichtweg überhört. Erst als der Wunsch durch die Moderatorin und den Moderator aufgegriffen und betont wurde, zeigte sich Perplexität bei den Eltern, die sich für ihren Sohn eine anthroposophische Einrichtung als beste Umgebung vorstellten (vgl. SP, 28:07-29:56).

Den Zusammenhang zwischen Kommunikation und Teilhabe am Planungstreffen greift Sascha Plangger wie folgt auf: "Bei Personen, die nicht über Lautsprache verfügen, bei denen es darum geht, eher mit anderen Formen der Mitteilung und des Dialogs zu arbeiten, muss man andere Kriterien für Autonomie und Selbstbestimmung anlegen. Ich glaube, dass es dann nicht unbedingt der springende Punkt ist, dass die Personen in der Planungsphase genau wissen, was jetzt gemacht wird, sondern dass man im Vorfeld schon mal sehr gut eruiert mit ihnen, welche Träume sie haben, welche Bedürfnisse, welche Wünsche, welche Fähigkeiten" (SP, 06:54-07:36). Somit stellt sich als neues Kriterium: "Das Prinzip der Autonomie und Selbstbestimmung muss in diesem Moment in die Vorbereitung und Nachbereitung der Planungstreffen verlagert werden" (SP, 08:50-09:02). Diese Verlagerung bezieht er nicht auf Menschen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, aber sich problemlos mit technischen Hilfsmitteln in das Zukunftsplanungstreffen einbringen können. Dies war jedoch in den von ihm moderierten Zukunftsplanungen der Stiftung Leben pur sowie der in der Vorbereitung befindlichen Planung in Südtirol nicht der Fall, weil die Hauptpersonen im Vorfeld vielleicht nie die Möglichkeit hatten, die Nutzung von technischen Hilfsmitteln zu lernen (vgl. SP, 09:09-09:52).

Sascha Plangger hat gemeinsam mit Angela Woldrich die Erfahrung gemacht, dass es ihnen als Laien in Bezug auf Unterstützte Kommunikation im Planungsprozess schwer fiel, die Hauptperson kommunikativ einzubeziehen (vgl. SP, 24:38-24:54). Daher erscheint es ihm auch aus dieser Perspektive wichtig, dass Expertinnen und Experten für Unterstützte Kommunikation dabei sind, die die planende Person angemessen einbeziehen können und erweiterbare kommunikative Potentiale wahrnehmen (vgl. SP, 26:51-27:37).

Die Kommunikations- und Teilhabemöglichkeiten waren gleichzeitig auch stark von der Verfassung der Hauptperson abhängig. So war es nach Einschätzung der Mutter 2 nicht möglich, dass ihr Sohn die elektronische Kommunikationshilfe während des Zukunftsplanungstreffens nutzt, weshalb er sich über Gestik und Mimik verständigt hat (vgl. M2, 23:13-23:25). Sie begründet dies damit, dass er zu aufgeregt war, um die angebotenen Symbole auf dem Sprachcomputer zu nutzen (vgl. M2, 29:23-29:42). Die Mutter 2 beurteilt die Teilhabe der Hauptperson 2 am Planungstreffen folgendermaßen: "Ich fand, dass er teilweise überfordert war, dass er nicht wirklich gut einschätzen konnte, was das alles ist. Er hat sich total gefreut, dass viele Leute da waren, aber er war selbst ganz aufgeregt. Er konnte den ganzen Tag überhaupt nichts essen und das ist bei ihm immer so ein Zeichen, dass alles zuviel und nicht einschätzbar ist" (M2, 22:43-23:11). Diese Aufregung bzw. der Umstand, dass ihm eventuell nicht genügend Zeit gelassen wurde, wird bereits bei dem Begrüßungslied, das er selbst ausgesucht hat, aber in der Situation nicht alleine starten kann, deutlich (vgl. Video 1 HP 2, 00:00-00:24). Die auf seinem Sprachausgabegerät gespeicherte Begrüßung "Mein Zukunftstag am 04. Juli 2010" lässt er stattdessen in verschiedensten Momenten ertönen (vgl. Video 1 HP 2, 04:17-04:20; 16:12-16:42; 17:53-17:57; 37:46-37:53 und zahlreiche weitere). Als er von Margot Pohl nach der Geschichtenphase nach vorne geholt wird, um mit seinem Blick die Geschichte auszuwählen, die ihm besonders gut gefällt, scheint er zu nervös und überfrachtet mit Eindrücken zu sein, was auch von der Moderatorin derart interpretiert wird (vgl. Video 1 HP 2, 34:55-36:49). Dennoch ist der Hauptperson 2 in vielen Momenten anzusehen, wie sehr sie dem Geschehen folgt, indem sie in allgemeines Gelächter einstimmt, den Blick deutlich nach hinten zu einer sprechenden Person richtet oder konzentriert zuhörend wirkt (vgl. Video 1 HP 2, 20:58-21:30; Video 2 HP 2, 06:15-06:53; 08:05-08:17). Auch als Zustimmung interpretierte Laute gibt der Jugendliche nach Beiträgen von Mitgliedern aus dem Unterstützerkreis von sich (vgl. Video 1 HP 2, 40:02-42:10). Die von seiner Mutter angenommene Überforderung wurde auch bei der Wahl der Agentin oder des Agenten augenscheinlich, da er anscheinend nicht wusste, wen er anschauen und damit zur Agentin bzw. zum Agenten machen soll, oder körperlich zu erschöpft war, so dass auf die Interpretation des Unterstützerkreises zurückgegriffen wurde (vgl. Video 6 HP 2, 17:17-19:53).

Jens Ehler erkrankte in der Woche vor seinem Zukunftsplanungstreffen schwer und erlebte es aufgrund seiner Weigerung, es ausfallen zu lassen, in einem angeschlagenen Gesundheitszustand mit einer Pause, in der er sich ausruhte (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 162). "Keiner hätte gedacht, dass ich an diesem Tag so durchhalte. Ich habe alles gegeben, was ich konnte!" (Ehler 2009, S. 18).

Bei der Hauptperson 1 war im Vorfeld ebenfalls nicht einmal gesichert, ob das Zukunftsfest aufgrund des Gesundheitszustandes stattfinden könnte. Er "war steinkrank, wie wir es hier sagen. Er hatte vorher eine ganz starke Bronchitis und war vollgestopft mit Antibiotika" (M1, 04:39-04:48). Trotz Krankheit verfolgte die Hauptperson 1 die Planung mit hoher Aufmerksamkeit, während sie in der Mitte des Unterstützerkreises lag. Seine Mutter interpretiert, dass er spürte, dass es um seine Person ging (vgl. M1, 04:32-06:04). "Ich traue mich fast zu behaupten, dass diese Erkrankung, seine Bronchitis, die uns auch betreffen könnte, von der Aufregung herrührte" (M1, 05:28-05:45). Die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Hauptperson 1 bei sie betreffenden Sachverhalten beschreibt die Mutter so: "Er hörte die Diskussionen und er wurde immer wieder gefragt, wenn es ihn betraf, eine Entscheidung zu treffen, wo er lieber sein würde, oder solche Fragen" (M1, 06:09-06:22) (vgl. M1, 06:04-06:26). Dennoch hebt Margot Pohl hervor, dass die Krankheit der planenden Person nicht eine Beteiligung in dem Maße zuließ, in dem es im normalen Gesundheitszustand möglich gewesen wäre (vgl. MP, 09:51-10:05). Während der Zukunftsplanung gab es Augenblicke, in denen es ihm aufgrund seiner Krankheit nicht möglich war, dem Gespräch zu folgen (vgl. MP, 10:05-10:20), aber Margot Pohl erinnert sich an "eine Szene, in der er wirklich ganz eindeutig zu dem jungen Mann hingeblickt hat[79], der vorgeschlagen hat, er sollte sich doch mal eine Uni anschauen, um zu sehen, ob das etwas für ihn wäre. Das war wirklich sehr eindeutig und es war seine Initiative. Ansonsten wurde er auch immer wieder gefragt: ‚Ist das jetzt okay so für dich?' oder ‚Sollen wir dieses Thema auch ansprechen?' und es gab immer wieder Phasen, in denen er auch ganz konkret gefragt wurde zum Ablauf, aber das war jetzt eine Szene, in der er wirklich von sich aus seine Stimme erhoben hat" (MP, 10:20-10:55). Die Hauptperson 1 selbst gibt keine Antwort auf die Frage, ob die eigenen Ideen, Wünsche und Träume in der Planung berücksichtigt wurden (vgl. Antwort 7 HP 1). Obwohl sich der junge Mann nach eigenen Angaben jederzeit einbringen konnte, wenn er etwas zu einem Thema mitteilen wollte, und sich auch verstanden fühlte, wäre er gern stärker einbezogen worden (vgl. Antworten 8, 9 und 10 HP 1). Hinsichtlich der Selbstbestimmung gibt die Hauptperson 1 an, dass es unterschiedlich war, ob für sie entschieden wurde oder sie selbst entscheiden konnte (vgl. Antwort 11 HP 1).

Die Ko-Konstruktion während des Treffens wurde aufgeteilt nach Bereichen. Die im Verhältnis geringeren Aspekte des privaten und familiären Bereichs übernahm seine Mutter, während der umfangreichere schulische und außerfamiliäre Bereich von seiner Betreuerin, die in Südtirol als Mitarbeiterin der Integration[80] bezeichnet wird, abgedeckt wurde. Diese Aufteilung wurde von der Mutter als gut eingeschätzt (vgl. M1, 03:10-03:45). Die Abgabe der Ko-Konstruktion während des Zukunftsplanungstreffens an die Mitarbeiterin für Integration, die auch stark in die schulische Vorbereitung involviert war, wurde in der Vorbereitung beschlossen: "ganz bewusst nicht ein Mitglied der Familie. Sie wurde auch als Dolmetscherin im Vorfeld so benannt. Es war ganz klar ausgemacht, dass sie diesen Part übernimmt" (MP, 11:18-11:27). Diese Festlegung wurde gemeinsam getroffen, da nur wenige Menschen in Frage kamen, die die aktuelle Kommunikationssituation der planenden Person gut kannten (vgl. MP, 11:08-11:57).

Melanie erlebte einen Großteil ihres Zukunftsplanungstreffens mit und nutzte vor allem ruhige Denkphasen zum Schlafen, während sie in Phasen, in denen die Überlegungen gesammelt und diskutiert wurden "hellwach [ist] und [...] sehr aufmerksam" (Bros-Spähn 2002, S. 51) wirkt. "Zum Ende des PATH erhebt sich Melanie, indem sie die Hand der Moderatorin ergreift und zu ihrer "zukunftsweisenden" Wandzeitung geht, um sie abzutasten. Der Kreis interpretiert: Melanie gibt ihr Okay." (Ebd., S. 54, Herv. im Original).

Die Partizipation der Hauptpersonen wird von der Moderatorin Angela Woldrich als "extrem unterschiedlich" (AW, 06:03-06:05) eingeschätzt, wie sie in Beispielen verdeutlicht: "Bei der jungen Frau mit selektivem Mutismus sehr stark, weil sie einfach präsent und die ganze Zeit da war. Nach Pausen gab es immer eine geschriebene Rückmeldung von ihr. Bei einer der allerersten Zukunftsplanungen, die ich moderiert habe, war die Person selbst minimalst beteiligt. Der Unterstützerkreis war riesengroß, es waren 27 Leute. Das würde ich mit so vielen auch nie wieder machen. Dort war es so, dass man es ihm [d.h. der Hauptperson, Anm. d. Verf.] durch die Mimik angemerkt hat, wenn es ihm gepasst hat und wenn es ihm nicht gepasst hat. Aber mehr konnte ich nicht herauslesen und insofern würde ich die Teilhabe eher als gering einschätzen" (AW, 06:08-07:08). Obwohl die Zukunftsplanung in ihrer Umsetzung sehr erfolgreich war, weil viele Veränderungen angegangen wurden, ist Angela Woldrich skeptisch, inwieweit die Hauptperson im Prozess selbstbestimmt teilhaben konnte (vgl. AW, 05:54-07:25).

4.3 Nach dem Zukunftsplanungstreffen - "... hat schon so was wie 'ne Initialzündung gegeben" (AW, 23:47-23:52)

Das Zukunftsplanungstreffen hatte in allen Fällen zunächst direkte Auswirkungen auf das Erleben der Beteiligten. Angela Woldrich erinnert sich, dass in einer Zukunftsplanung der Stiftung Leben pur die Mutter beim Aufräumen betonte, wie viel positiver ihr Blick auf ihr eigenes Kind nach diesem Treffen sei (vgl. AW, 27:03-27:18).

Die Mutter 2 empfand es als spannend, dass die Meinungen und Erfahrungen in Bezug auf die Eigenschaften ihres Sohnes und die Geschichten mit ihm stark voneinander abwichen, vor allem zwischen seinen privaten Unterstützerinnen und Unterstützern und der Schule (vgl. M2, 12:48-13:32): "Die Schule hat [die Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.] als ängstlich, eher beobachtend und eher passiv beschrieben, während alle anderen [die Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.] eigentlich so wahrgenommen haben, dass er sich viel traut, dass er mutig ist, dass er es lustig findet, wenn viele Leute auf einem Haufen sind und dass er eigentlich viel Spaß dabei hat, wenn man ihm ein bisschen hilft und er damit viel selbst machen kann" (M2, 12:59-13:26). Die Mutter 2 vermutet im Nachhinein, dass die schulische Wahrnehmung von ihrem Sohn als Beobachter vermutlich aus einem Personalmangel resultiert, im Rahmen dessen es angenehm ist, einen Schüler zu haben, der sich nicht laut einbringt, sondern beobachtend dabei ist (vgl. M2, 14:09-14:50). Der Jugendliche selbst hat deutliche Freude über das Vorlesen der schriftlichen Beteiligung der Konduktiven Therapeuten[81], zu denen er seit 15 Jahren nach Wien fährt, gezeigt. Auffällig war, dass sich ihre Sichtweise stark von der schulischen abhob (vgl. M2, 13:32-14:05). Seit der Zukunftsplanung erfolgt ein tägliches Anschauen des entstandenen Plakates, das im Zimmer der Hauptperson 2 hängt und bei ihr immer wieder für Erheiterung sorgt (vgl. M2, 29:53-30:03).

Die Mutter 2 fühlt sich durch das Zukunftsplanungstreffen in ihren Vorstellungen für die Zukunft ihres Sohnes (Leben in einer Einrichtung, in der Konduktive Therapie angeboten wird[82]) bestätigt, als es zur Einschätzung kommt, was alle Beteiligten für realistisch halten und erreichen wollen (vgl. M2, 16:10-18:14). Insgesamt beurteilt die Mutter 2 die zeitliche Gestaltung, die allgemeine Realisierung des Treffens sowie die Moderation sehr positiv (vgl. auch IE, 29:11-29:23) und resümiert: "Wir sind mit einem ganz guten Gefühl herausgegangen. Es war richtig gut und hat uns auch noch mal gezeigt, wo es hingeht, wo [die Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.] steht, wie er wahrgenommen wird. Es war eigentlich für alle Beteiligten richtig gut" (M2, 26:54-27:12). "Es hat uns schon gestärkt, auch noch mal von außen oder von anderen Leuten zu hören, wie [die Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.] wahrgenommen wird, was man ihm zutraut und was für ihn wirklich gut wäre" (M2, 27:21-27:35). Diese unterschiedlichen Sichtweisen werden als Stärkung zur wahrgenommenen Diskrepanz zwischen der eigenen und der schulischen Einschätzung erlebt, da die Mutter 2 von der Schule meist die Reaktion erfährt, dass die Therapie eine Überforderung für die Hauptperson 2 sei, während sie ihren Sohn dort trotz umfangreichem Programm hochkonzentriert erlebt (vgl. M2, 26:42-28:21).

Für die Mutter 1 sowie ihrer Meinung nach auch für die Hauptperson war es stärkend, dass alle Eingeladenen dabei waren (vgl. M1, 23:44-23:57). "Ich habe so ein Tragen verspürt. Ich habe mich an dem Tag getragen gefühlt und ich glaube, auch [die Hauptperson 1, Anonymisierung d. V.]" (M1, 23:57-24:05).

Jens Ehler empfand vor allem den stärkenorientierten Blick auf sich als kraftspendend, erlebte sich als Teil der Gemeinschaft und wusste dank des ausgemalten Alptraumes, dass er alles daran setzen würde, nicht "möbelähnlich" herumzustehen, sondern seine Mobilität und Kommunikation durch harte Arbeit weiterzuentwickeln (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 162f.). Seine Mutter war bereits von seinem Engagement und seiner Willensstärke in der Vorbereitung nachhaltig beeindruckt und erlebte das Zukunftsplanungstreffen als hochgradig emotionsgeladen und kräftezehrend (vgl. Ebd., S. 164f.). Zur Beschreibung ihres Gefühls verwendet sie die gleichen Worte wie die Mutter 1: "Gleichzeitig haben wir uns aber getragen gefühlt von allen, die da waren mit ihren Ideen, aufmunternden Worten und Blicken." (Ebd., S. 165). Zudem wirkten die unvoreingenommenen verschiedenen Sichtweisen des Unterstützerkreises aufrüttelnd auf sie, auch außerhalb fester Bahnen zu denken (vgl. Ebd.).

Auch Felix' Vater erinnert sich: "Für uns Eltern war nicht nur dieser Tag der Zukunftskonferenz eine unglaubliche Bereicherung und Entlastung, vielmehr stärkten uns die Mitstreiter hervorragend auf unserem Weg" (Kluge 2007, S 192).

Melanies Eltern nahmen vor allem die sensiblen Blicke auf Melanie und die unterschiedlichen Perspektiven des Unterstützerkreises als sehr bereichernd wahr (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 52).

Angela Woldrich hat bei allen von ihr moderierten Zukunftsplanungen[83] die Erfahrung gemacht, dass Veränderungen angestoßen wurden, denn es hat "dadurch, dass sich nachher etwas verändert hat, schon so etwas wie eine Initialzündung gegeben, aber nicht unbedingt, dass sich ein Unterstützerkreis gebildet hat" (AW, 23:47-23:59) (vgl. AW, 23:28-23:59). Angela Woldrich sieht eine große Chance von Zukunftsplanungen mit Menschen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, darin, dass bei den Treffen alle wichtigen Menschen an einem Tisch in einen Austausch kommen, wodurch sich der Blickwinkel auf die Hauptperson verändert. Selbst wenn keine inhaltlichen Veränderungen angestoßen werden, verbessert nach Angela Woldrichs Ansicht bereits dieser gemeinsame Austausch, im Rahmen dessen die verschiedensten Sichtweisen angehört werden müssen, die Situation der Hauptperson mit hohem Unterstützungsbedarf. Sie betont, dass zwar schon vorher Helferkonferenzen und Elterngespräche stattfinden, aber meist nur in Eins-zu-Eins-Situationen (vgl. AW, 25:40-27:03 und 30:14-30:28).

Margot Pohls Beispiel eines jungen Mannes mit Autismus, dessen familiäres und schulisches Umfeld ein sehr geringes bis nicht vorhandenes Lautsprachverständnis annahm, da er bei schriftlichen Antworten[84] zu stereotypen Angaben seiner Adresse oder des Wortes "ja" neigte, untermalt Angela Woldrichs Überlegung. Wenn dem jungen Mann jedoch Auswahlfragen gestellt wurden, kreuzte er seine bevorzugte bzw. die zutreffende Antwort an. Seit der Zukunftsplanung hat insofern eine Veränderung stattgefunden, als dass die Art, Fragen zu stellen, an seine Bedürfnisse angepasst wurde und ihm ein grundlegendes Zutrauen in seine Entscheidungsfähigkeit entgegengebracht wird. Margot Pohl begründet dies zum einen mit dem erfolgreichen Funktionieren dieser Kommunikationsform in der Zukunftsplanung, indem er eine bewusste Entscheidung für einen ihn interessierenden Beruf traf, und zum anderen mit einer Situation beim nächsten Unterstützerkreistreffen, im Rahmen dessen seine Mitarbeiterin für Integration nochmals die Meinung des jungen Mannes zur Zukunftsplanung in Form eines Multiple-Choice-Fragebogens erfasst hat, der anschließend sehr eindeutige Ergebnisse aufzeigte (vgl. MP, 20:59-22:29).

Auch Sascha Plangger sieht in der guten Reflexion des Planungsprozesses mit der Hauptperson als Nachbereitung ein wichtiges Element für die Ermöglichung von Teilhabe und Selbstbestimmung (vgl. SP, 07:36-07:47).

Die Nachbereitung mit der Hauptperson 1 fand ebenso wie die Vorbereitung durch die Mitarbeiterin für Integration statt (vgl. M1, 07:29-07:32) und war für die planende Person wichtiger als beispielsweise die Visualisierung im Rahmen des Treffens (vgl. M1, 21:45-21:58). Diese Einschätzung wird insofern durch die Hauptperson selbst untermauert, indem sie bejaht, dass mit ihr darüber gesprochen wurde, wie ihr die Ergebnisse der Zukunftsplanung gefallen (vgl. Antwort 14 HP 1).

In Bezug auf die Umsetzung differenziert Angela Woldrich klar zwischen einer inhaltlichen Veränderung, die angestoßen wurde, und einer regelmäßigen Zusammenkunft des Unterstützerkreises. Vor allem bei den durch Vereinen z.B. im Rahmen des Clearing durchgeführten Zukunftsplanungen ist sie skeptisch, ob dies zu einem kontinuierlichen Unterstützerkreis[85] geführt hat, während feststeht, dass inhaltliche Aspekte umgesetzt wurden und teilweise auch mehrere Menschen nochmals zusammenkamen, um über bestimmte Themen (z.B. Wohnen) gemeinsam nachzudenken. Lediglich bei zwei Planungen der 20 von ihr moderierten Treffen fand im Jahr danach ein weiteres Treffen des gesamten Unterstützerkreises statt (vgl. AW, 24:00-25:16).

Die Zufriedenheit mit der Agentin bzw. dem Agenten, die bzw. der im Rahmen des Zukunftsplanungstreffens, ernannt wurde, variiert. Die Mutter 2 erfuhr zwei Tage vor dem Interview, dass die ausgewählte Agentin ihre Aufgabe wahrnimmt und bei den Unterstützerinnen und Unterstützern nachfragt, wie sich die Umsetzung gestaltet (vgl. M2, 21:32-21:53). Als positives Resultat hebt die Mutter 2 bereits den Teilerfolg hervor, dass der Aufbau einer Einrichtung mit Konduktiver Therapie angestoßen wurde, die Räumlichkeiten feststehen und bereits zwei Personen an Fortbildungen teilgenommen haben, während die Kostenfrage noch nicht endgültig geklärt ist (vgl. M2, 18:14-18:47). Die entstandenen Verantwortlichkeiten für einen Konzertbesuch, einen Opernbesuch, das Besuchen eines Reggae-Festivals und eine Fahrradtour um den Chiemsee wurden auch fast alle bereits bis Oktober umgesetzt[86] (vgl. M2, 20:37-21:30). Anschaulich berichtet die Mutter 2 vom Besuch ihres Sohnes beim Überseeer Reggae-Festivals mit seiner Patentante, das er bereits im Jahr zuvor besucht, aber nach ungefähr einer Stunde aufgrund des Lärms und der Menschenmengen wieder verlassen hatte: "In diesem Jahr haben sie dann gesagt: ‚Na ja, vielleicht schaffen wir es dieses Jahr ein bisschen länger!' und dann haben sie es in diesem Jahr ganz lange geschafft. [Die Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.] wollte überhaupt nicht mehr weg. Sie waren von abends um sieben weg und um halb eins sind sie wieder zurückgekommen. Ich habe mir schon fast Sorgen gemacht" (M2, 25:19-25:39). Es muss ihm großen Spaß bereitet haben (vgl. M2, 24:55-25:52): "‚Das war cool!' Das sagt er jetzt immer noch, wenn ich frage: ‚[Hauptperson 2, Anonymisierung d. Verf.], wie war es beim Reggae?' - ‚Das war cool!'" (M2, 25:46-25:52). Auch nach anderen Aktivitäten äußert der Jugendliche deutlich seine Begeisterung über die Kommunikationshilfe (vgl. M2, 23:26-23:55): "‚Wow, das ist toll!'" (M2, 23:49-23:51).

Jens Ehler forderte nach seiner ersten Zukunftsplanung per Brief die Umsetzung einer Vereinbarung ein, als diese nicht eingehalten wurde. Auch das nicht stattfindende Nachtreffen, das seine Agentin nicht verwirklichte, sorgte bei ihm für Unmut, den er jedoch in ein zweites Zukunftsplanungstreffen münden ließ. Dort entschloss er sich, selbst als Agent mit Unterstützung tätig zu werden und erinnerte seine Unterstützerinnen und Unterstützer nach einem Monat mit Briefen an ihre Verantwortlichkeiten. Aufgrund mehrerer Krankheiten musste das Nachtreffen der zweiten Zukunftsplanung mehrfach verschoben werden, aber Jens als Agent wacht darüber, dass es stattfinden wird (vgl. Ehler 2009, S. 18f.).

Bei Melanies erster Zukunftsplanung stellten sich ihre Eltern als Agentin und Agent zur Verfügung. Diesen Umstand beurteilen sie jedoch im Nachhinein als ungünstig, da die Entlastung nicht zum Tragen kommt (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 54). Aus diesem Grund werden beim zweiten Planungstreffen drei Agentinnen oder Agenten ausgewählt, die sich für unterschiedliche Bereiche zuständig erklären (vgl. Bros-Spähn 2007, S. 182).

Bei der Zukunftsplanung der Hauptperson 1 übernahm die Tante die Aufgabe der Agentin, worüber sich die Mutter 1 auf emotionaler Ebene auch freute. Gleichzeitig schätzt sie es jedoch so ein, dass ihrer Schwester als "Agentin des Herzens" (M1, 27:04-27:05) das notwendige Verständnis fehlte. Die Mutter 1 hätte sich eine professionelle Agentin bzw. einen professionellen Agenten als "Agentin bzw. Agent der Umsetzung" (M1, 27:06-27:09) gewünscht, da sie das Gefühl hatte, selbst viel Verantwortung für die Umsetzung zu tragen (vgl. M1, 26:16-28:02). Sie beurteilt es als sehr problematisch, dass die geplante Verwendung einer elektronischen Kommunikationshilfe an finanziellen Problemen scheitert. Die Hauptperson erhielt die Gelegenheit zum Ausprobieren der Kommunikationshilfe in einer künstlichen Situation (innerhalb von zwei Stunden in den Räumlichkeiten einer Genossenschaft): "Wir, die ihn besser kennen, wissen, dass [die Hauptperson 1, Anonymisierung d. Verf.] mit dem [d.h. der elektronischen Kommunikationshilfe] etwas anfangen könnte, aber es kostet viel Geld und das ist das große Hindernis" (M1, 14:39-14:49) (vgl. M1, 14:05-14:59 und Brief HP 1, S. 7). Auch die Hauptperson 1 verneint, dass sich die Kommunikationssituation durch das Zukunftsfest verbessert hat (vgl. Antwort 12 HP 1). Margot Pohl, die ebenfalls erwähnt, dass das Erhalten einer elektronischen Kommunikationshilfe[87] bis zum Zeitpunkt dieses Interviews im Verlauf von mehr als zwei Jahren noch nicht umgesetzt werden konnte, da andere finanzielle Prioritäten auftraten (neuer Rollstuhl erforderlich, der den Kauf eines neuen Autos nach sich zog) (vgl. MP, 12:41-13:00), blickt optimistischer in die Zukunft: "aber ich denke mal, irgendwann wird das schon kommen" (MP, 13:00-13:03). Der Wunsch der planenden Person, ein weiteres Jahr in der Schule zu verbringen, wurde größtenteils ohne seine Beteiligung umgesetzt, da es vorrangig ein Vorsprechen bei Behörden umfasste. Zum Teil war er auch dabei, jedoch verhältnismäßig selten, um ihn nicht zu sehr zu belasten. Stattdessen fanden zu Hause häufig Gespräche darüber statt, die auch die planende Person einbezogen, und es wurden E-Mails verfasst. Wenn die Hauptperson 1 sich beteiligen wollte, gab sie einen Laut von sich und wurde daraufhin befragt: "[Hauptperson 1, Anonymisierung d. Verf.], was möchtest du dazu sagen?" (M1, 23:24-23:26). Die Frage, inwieweit das Einbringen in die Umsetzung der Pläne möglich war, beantwortet die Hauptperson 1 nicht (vgl. Antwort 13 HP 1). Dies verdeutlicht eventuell, wie sehr die Erinnerung an die Zukunftsplanung für die Hauptperson 1 auch mit sehr aufwühlenden Gefühlen verbunden ist, da ihr ein hohes Maß an Ungewissheit folgte, einige entworfene Ziele nicht umgesetzt werden konnten und der Königsweg noch nicht aufgetan wurde. Aufgrund der Resignation und Frustration möchte die Hauptperson 1 auch kein weiteres Zukunftsplanungstreffen durchführen (vgl. Brief HP 1, S. 1; 6 und 8).

Jens Ehler blickt in seinem Erfahrungsbericht auf verschiedenste Veränderungen zurück, die durch die Zukunftsplanung ausgelöst wurden und ihn sowohl erwachsener als auch selbstbewusster gemacht haben. Für den Bereich der Unterstützten Kommunikation ist dabei zentral, dass sich sein Umgang mit dem Power Talker seitdem verbessert hat, er damit telefonieren sowie Vorträge halten kann und häufig das Formulieren selbst übernimmt (vgl. Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 162f.). Sehr wichtig für ihn war, von seinen Freunden zu hören, welche Möglichkeiten ihm der Talker bietet, um mit diesem Ansporn den Umgang zu verbessern (vgl. Ehler 2009, S. 19). Dennoch überkam seine Mutter in der ersten Woche nach dem Planungstreffen eine große Angst, wie und ob das Geplante umsetzbar sei. Im Nachhinein erkennt sie, dass viele Veränderungen in Gang kamen, die zum Teil auch von anderen Menschen unterstützt werden, und merkt: "Jens hat mehr Selbstbewusstsein entwickelt und fordert mehr - aber zu Recht!" (Boban/Ehler/Ehler 2005, S. 166).

Nach Angela Woldrichs Erfahrungen finden sehr selten weitere Treffen des gesamten Unterstützerkreises statt, wenn die Zukunftsplanung nicht an einen Verein oder ein professionelles Angebot angebunden ist. Darin erkennt sie insofern einen Nachteil, als dass die Umsetzung wieder an den Eltern oder einer anderen treibenden Kraft hängen bleibt. So ist die Fortführung des Unterstützerkreises häufig von der Wahl der Agentinnen und Agenten, die in den einzelnen Fällen sehr verschieden sind, abhängig. An dieser Stelle hebt sie ganz deutlich hervor, dass die Organisation weiterer Unterstützerkreistreffen nicht in die Verantwortung der Moderatorin oder des Moderators fallen (vgl. AW, 22:41-23:27).

Bei Familie 2 besteht noch keine konkrete Planung für ein nächstes Treffen des Unterstützerkreises, das aber zu Beginn des nächsten Jahres stattfinden soll, um einen Überblick über die bis zu diesem Zeitpunkt erreichten Zielverwirklichungen zu erhalten und nächste Schritte einzuleiten (vgl. M2, 22:04-22:32).

Im Gegensatz dazu bedauert die Mutter 1 rückblickend: "es ist nicht mehr weitergegangen, der Unterstützerkreis ist dann ein bisschen verloren gegangen" (M1, 26:08-26:13), so dass ein Großteil der Verantwortung wieder auf ihren Schultern lastete (vgl. Brief HP 1, S. 7f.).

Hingegen fand bei Familie Bros-Spähn schon zwei Monate nach dem ersten Zukunftsplanungstreffen ein Unterstützerkreistreffen zu festgelegten Themen statt, zu dem sich jedoch der Unterstützerkreis etwas verändert hatte (vgl. Bros-Spähn 2002, S. 54). Dies wird über die Jahre hinweg nach Bedarf fortgeführt, wobei die Mitglieder des Unterstützerkreises nicht unbedingt dauerhaft erhalten bleiben (vgl. Bros-Spähn 2007, S. 182).

Margot Pohl hat bei den von der Stiftung Leben pur geplanten Zukunftsplanungen keine weiteren Treffen der Unterstützerkreise miterlebt, wobei sie vermutet, dass aufgrund der kurzen Zeit, die seit den Planungstreffen vergangen ist, noch keine weiteren Zusammenkünfte stattfanden. Bei zwei anderen Zukunftsplanungstreffen nahm sie an den nächsten Unterstützerkreistreffen teil und resümiert: "es war schon so, dass sich in beiden Fällen wirklich einiges bewegt hat, so dass es wirklich auch die Rolle der Hauptperson verändert hat, fand ich. Sie hat einfach einen anderen Stellenwert im ganzen System bekommen und wurde als Entscheidungsträgerin bzw. Entscheidungsträger einfach sehr viel mehr wahrgenommen, unabhängig davon, ob sich dann in der Praxis wirklich etwas verändert hat. Hat es sich natürlich schon, weil bei beiden der Schulabschluss dazwischen lag und die Lebenssituation einfach auch eine ganz andere ist" (MP, 20:02-20:35). Margot Pohl bejaht insofern auch die Frage nach der Veränderung von Selbstbestimmung und Teilhabe durch die Zukunftsplanungen (vgl. MP, 19:44-20:48).

Sascha Plangger hat aus seinen Erfahrungen gelernt, dass es sinnvoll ist, noch zwei bis drei weitere Treffen des Unterstützerkreises zu moderieren, "denn ich habe gesehen, dass diese Unterstützerkreise durch eine Zukunftsplanung allein noch nicht laufen lernen. Sie werden noch nicht zum Selbstläufer" (SP, 18:17-18:29). Auch eine methodische Unterstützung erscheint ihm dabei sinnvoll (vgl. SP, 17:58-18:41). Zudem erwähnt er die Chance, dass Moderatorinnen und Moderatoren in diesem Prozess der Weiterbegleitung bei der Auswahl unterstützen, wer zu den nächsten Treffen eingeladen wird, welche Bündnispartnerinnen und -partner benötigt werden, da im Rahmen der folgenden beiden Treffen bereits vieles auf den Weg gebracht werden kann (vgl. SP, 20:01-20:14). Er schildert seine Erfahrung eines Zukunftsfests, um die Wichtigkeit der weiteren Begleitung des Unterstützerkreises zu verdeutlichen: Da sich niemand anderes aus dem 30 bis 35 Personen umfassenden Unterstützerkreis dazu bereit erklärte, übernahm seine Frau die Rolle der Agentin. Ihrem Engagement war es zu verdanken, dass weitere Unterstützerkreistreffen zustande kamen, die in der Anzahl der Personen auf drei bis vier Anwesende schrumpften. Er beschreibt, dass die anfänglich euphorische Stimmung verebbte (vgl. SP, 18:42-20:01). Nach zwei bis drei weiteren begleiteten Treffen, schätzt Sascha Plangger, schaffen es Unterstützerkreise vermutlich auch ohne externe Hilfe, sich zwei- bis dreimal im Jahr zum Erfahrungsaustausch und zur Reflexion zu treffen. Die Personen selbst müssen auch erst lernen und erkennen, welche Potentiale Unterstützerkreise entfalten können (vgl. SP, 20:14-20:30, auf Wunsch verändert). "Aber zuerst braucht es sicher noch diese Kraft, die ein bisschen dahinter steht und versucht, den Schwung und die Euphorie, die man erzeugt hat, noch aufrechtzuerhalten und weiterzuführen" (SP, 20:30-20:49).



[61] Selektiver Mutismus "ist ein dauerhaftes, wiederkehrendes Schweigen in bestimmten Situationen (z.B. im Kindergarten, in der Schule) und gegenüber bestimmten Personen (z.B. gegenüber allen Personen, die nicht zum engsten Familienkreis gehören). Dieses Schweigen tritt auf, obwohl die Sprechfähigkeit (generell, Anm. d. Verf.) vorhanden ist. Ebenso ist die Redebereitschaft gegenüber einigen wenigen vertrauten Personen in vertrautem Umfeld gegeben" (Bahr 2002, S. 14).

[62] Auf einem Blatt, in dessen Mitte ein Fenster geschnitten ist, um den Blick des Gegenübers beobachten zu können, werden an den Ecken verschiedene Symbole aufgeklebt. In der Kommunikationssituation wird es der Hauptperson 1 vor das Gesicht gehalten und ihre Blickrichtung wird gedeutet.

[63] Handsensor, der Aufgesprochenes bei Berührung wiedergibt

[64] Darunter ist in Österreich der Prozess mit dem Ziel der beruflichen Integration zu verstehen.

[65] Die Mutter besuchte mit Margot Pohl gemeinsam als Gasthörerinnen die Veranstaltungen der Universität Brixen.

[66] Während des Zertifikatskurses des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V., der zeitlich nach dem Interview stattfand, stellte sich heraus, dass im Nachhinein ein Urlaub geplant wurde und der Traum anscheinend trotz der spartanischen Umsetzung zumindest in den Köpfen des Unterstützerkreises präsent blieb und nachwirkte.

[67] In Südtirol kann jede Schülerin und jeder Schüler jede Schule besuchen. Häufig ist es der Fall, dass Schülerinnen und Schüler mit schwerer Behinderung an höheren Schulen (Realgymnasium, fremdsprachliches Lyzeum) lernen, da ihnen dort bessere Ressourcen zur Verfügung stehen als beispielsweise in Berufsschulen.

[68] Darauf wird im Punkt zur Durchführung nochmals gesondert eingegangen, so dass der Einwurf an dieser Stelle nicht weiter erläutert wird.

[69] im Sinne einer Übereinkunft bzw. einer freiwilligen Selbstverpflichtung (Übersetzung d. Verf.)

[70] Beispiele für Karten, die in der Vorbereitung genutzt werden können, stellt Stefan Doose (2007, S. 27ff.) vor. Dazu zählen beispielsweise Lebensstilkarten, Dream Cards und Hutkarten, die beim Generieren von Ideen, Träumen und Wünschen helfen.

[71] "Käpt'n Life und seine Crew" (Doose/Emrich/Göbel 2004) ist ein Ordner, der die planende Person durch den Prozess leitet, über ihre Zukunft nachzudenken (vgl. Doose 2007, S. 31).

[72] In Südtirol gibt es keine Sonderschulen, so dass immer allgemeine Schulen gemeint sind (vgl. MP, 05:07-05:33).

[73] vgl. Kristen 2008

[74] vgl. Schley 1988 und Boban/Hinz 1996

[75] In Bezug auf die Visualisierung wird dies genauer erläutert, so dass hier darauf verzichtet wird.

[76] Picture Communication Symbols (vgl. Punkt 2.1.4)

[77] Gemeint sind an dieser Stelle Klappkarten aus Pappe, die nach dem festen Drücken eines Knopfes eine Melodie abspielen, die es in einer großen Bandbreite an Liedern und Geräuschen gibt.

[78] vgl. ausführlicher in Weisbord/Janoff 2001, S. 88f. und 293ff.

[79] Die Kommunikation der Hauptperson 1 erfolgt vorrangig über Blicke, indem sie zu Gegenständen, Bildern, Personen hin- oder wegsieht und darüber Zustimmung (Ja) bzw. Ablehnung (Nein) ausdrückt.

[80] Eine Mitarbeiterin der Integration ist für die Betreuung in der Schule zuständig und übernimmt pflegerische sowie sämtliche weiteren entstehenden Aufgaben (vgl. M1, 03:47-04:06).

[81] Konduktive Förderung als ganzheitliche Therapieform, die vom ungarischen Mediziner András Petö für Kinder und Jugendliche mit cerebralen Schädigungen entwickelt wurde, richtet sich auf Förderung der Bewegungsfähigkeit und Selbststeuerung, um eine möglichst hohe Selbstständigkeit und Unabhängigkeit in der Alltagsbewältigung zu erreichen. Dabei werden verschiedenste pädagogische und therapeutische Inhalte von einer Konduktorin oder einem Konduktor koordiniert (vgl. Fachausschuss Konduktive Förderung o. J., S. 11).

[82] Angebote der Konduktiven Therapie sind in Deutschland bereits für Kinder und Jugendliche mit schwerer Mehrfachbehinderung, die nicht lautsprachlich kommunizieren, sehr selten, während sie im nachschulischen Bereich gar nicht existieren. Da die Mutter 2 seit über 10 Jahren im Vorstand der Lebenshilfe tätig ist, konnte sie Bündnispartner für die Idee gewinnen, eine Einrichtung für junge Erwachsene, die über Jahre mit Konduktiver Therapie gefördert wurden, aufzubauen.

[83] Da die letzten Zukunftsplanungen erst sehr kurze Zeit zurückliegen, kann sie darüber noch keine Aussage treffen.

[84] Er nutzte keine Gestützte Kommunikation (FC) (vgl. die Abgrenzung von Unterstützter Kommunikation in Punkt 2.1.1) und schrieb somit frei.

[85] An dieser Stelle wird Dooses Verständnis des Unterstützerkreises (vgl. Punkt 2.2.3) zugrunde gelegt.

[86] Die Ausnahme bildet lediglich die aus Wettergründen verschobene Radtour.

[87] Das von Margot Pohl favorisierte Gerät "MyTobii" konnte von der Hauptperson lediglich einmal ausprobiert werden, wohingegen mehrere Versuche mit dem EyeGaze-System aus technischen und daraus resultierend auch motivationalen Gründen keinen Erfolg nach sich zogen (vgl. Ergänzung Margot Pohls per E-Mail).

5 "NORDSTERN: Prinzipien, die verwirklicht werden sollen" - Chancen und Herausforderungen

"Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie ein Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen." (Carl Schurz)

Systematisierend werden im Folgenden die Ergebnisse der eigenen Untersuchung mit allgemeinen Überlegungen und theoretischen Erkenntnissen aus der Literatur unterlegt, um daran Chancen und Herausforderungen aufzuzeigen, die sich bei der Durchführung von Zukunftsplanungen mit nicht lautsprachlich kommunizierenden Hauptpersonen ergeben.

Bevor es überhaupt zu einer Planung kommen kann, ist von grundlegender Bedeutung, dass die Bezugspersonen der Hauptperson von der Möglichkeit einer Zukunftsplanung erfahren, da sich in den Interviews ergeben hat, dass die Initiative in keinem der Fälle von der Hauptperson, die nicht über Lautsprache kommuniziert, selbst ausging. Die Bedeutung der Schule im Prozess der Zukunftsplanung stellt sich in diesem Zusammenhang zur Diskussion. Zum einen bietet der schulische Rahmen eine gute Gelegenheit, um über die Möglichkeiten sowohl von Zukunftsplanungen als auch Unterstützter Kommunikation zu informieren, wie das Beispiel von Jens Ehlers Heilpädagogin verdeutlicht. Denn wie auch für andere Wünsche und Bedürfnisse gilt, dass ein solches Anliegen, sich Gedanken über seine Zukunft zu machen und in diesem Zug auch über eine Verbesserung bzw. Erweiterung kommunikativer Möglichkeiten nachzudenken, erst entstehen kann, wenn bekannt ist, dass entsprechende Ansätze existieren. Ob man jedoch gezielt mit Schülerinnen und Schülern über Zukunft nachdenkt und mit einer gesamten Gruppe sowohl in Sondereinrichtungen als auch in integrativen oder sogar inklusiven Settings vorbereitende Elemente erarbeitet (z.B. Träume, Wünsche, Berufsvorstellungen, Stärken, Unterstützungspersonen), stellt eine Gratwanderung zwischen verpflichtender Zukunftsplanung, die dem eigentlichen Anspruch nicht gerecht würde, und der Unterstützung auf dem Weg zu einer möglichen Initiativergreifung dar. Zum anderen kann im schulischen Bereich nach der erfolgten Entscheidung für die Durchführung einer Zukunftsplanung eine äußerst intensive und damit hilfreiche Vorbereitung stattfinden, wie dies am Beispiel der Hauptperson 1 und aus der aktuellen Zukunftsplanungsvorbereitung Sascha Planggers deutlich wurde. Dies kann die Selbstbestimmungsmöglichkeiten während des Treffens stark erhöhen, wie Angela Woldrichs Beispiel der jungen Frau mit selektivem Mutismus untermalt. Zudem wird es der planenden Person ermöglicht, sich bereits im Vorfeld mit Unterstützung Gedanken über mögliche Themen und eigene Wünsche und Träume zu machen. Gleichzeitig kann ein solches Vorgehen vermutlich einige Pädagoginnen und Pädagogen vor die große Herausforderung stellen, die persönlichen Sehnsüchte ohne pädagogischen Zeigefinger oder Fördergedanken im Hinterkopf zu achten und zu unterstützen und somit den Anspruch der Gleichberechtigung zu wahren (vgl. Hömberg/Burtscher/Ginnold 2001, S. 171). Die Tradition der amerikanischen Schulen, seit den 1980ern Zukunftsplanungen verpflichtend durchzuführen (vgl. Ebd.), erscheint aus dem Blickwinkel der Freiwilligkeit dennoch fragwürdig und passt vermutlich in den meisten Fällen nicht in Burows Theorie des Kreativen Feldes, die die Effektivität von "Pseudoteams" (1999, S. 151) weit unter jene echter Teams stellt, da die Mitglieder "nicht ihrer inneren Berufung folgen und über keine gemeinsam geteilte Vision verfügen" (Ebd.).

Dabei muss der Anlass einer Zukunftsplanung nicht erst das Ende der Schulzeit sein, wie Melanies und Felix' Planungstreffen verdeutlichen. Vor allem wenn auch eine Verbesserung der kommunikativen Möglichkeiten zu den Inhalten gehören soll, empfiehlt es sich entsprechend des Prinzips der Unterstützten Kommunikation, bereits so früh wie möglich im Sinne der Total Communication die Verständigung zu erweitern (vgl. Braun 2003, S. 01.004.001), auch schon in jungen Jahren gemeinsam mit Unterstützerkreisen darüber nachzudenken, um das gesamte Umfeld in die Entwicklung eines individuellen Kommunikationssystems einzubeziehen (vgl. Kristen 2005, S. 148f.).

Aus der Betrachtung der individuellen Ausgangssituationen ergibt sich, dass kein direkter Schluss von der fehlenden Lautsprachfähigkeit auf eine homogene Zielgruppe unterstützt kommunizierender Hauptpersonen möglich ist. Stattdessen wird deutlich, dass Tetzchners und Martinsens Einteilung (vgl. 2000, S. 79ff.) in drei Untergruppen auch für die Überlegung der besonderen Anforderungen in Zukunftsplanungen herangezogen werden sollte und darüber hinaus jeweils das individuelle Kommunikationssystem sowie mögliche Erweiterungen von Bedeutung sind. Für den gesamten Planungsprozess macht es darauf aufbauend einen Unterschied, welche Kommunikationsformen die Hauptperson nutzt, wie das Umfeld ko-konstruiert und inwiefern die planende Person über Lautsprachverständnis verfügt. Generell gilt:

"Damit Menschen mit schweren Kommunikationsbeeinträchtigungen an der Persönlichen Zukunftsplanung aktiv und selbstbestimmt partizipieren können, müssen sie die Möglichkeit erhalten, sich an den kommunikativen Prozessen zu beteiligen, um so ihre Zukunft mitgestalten zu können." (Thiele/Renner 2009, S. 32)

Diese Aufgabe kommt der Unterstützten Kommunikation zu, die bereits im Vorfeld zum Tragen kommen sollte. Die drei befragten Moderatorinnen und Moderatoren betonen übereinstimmend die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn die Zukunftsplanung nicht intensiv durch die Moderatorin oder den Moderator selbst vorbereitet wird. Bei der Einschätzung der kommunikativen Situation sind die facilitators in solchen Fällen vollständig auf die Sichtweisen der engsten Bezugspersonen und des Unterstützerkreises angewiesen, die sich häufig stark widersprechen und somit zunächst irritierend sind. Auf diese Weise kann die Hauptperson in geringerem Maß in den Prozess einbezogen werden, so dass weniger Selbstbestimmung möglich ist. Denkt man den Gedanken der Vorbereitung durch die Moderatorinnen und Moderatoren jedoch weiter, ergeben sich in der aktuellen Situation verschiedenste Herausforderungen, die bedacht sein wollen. Zum einen ist fraglich, wie eine lange kommunikative und inhaltliche Vorbereitung durch die facilitators finanziell geregelt werden kann, da aufgrund der Intensität dieser Phase enorme Kosten entstehen würden (vgl. auch Hömberg 2008, S. 01.054.001). Zum anderen existiert im deutschsprachigen Raum momentan noch kein regionales Moderatorinnen- und Moderatoren-Netzwerk, so dass Fahrtwege durch den gesamten deutschsprachigen Raum anfallen und auch aus diesem Grund häufig keine aufwändige Vorbereitung durch die Moderatorinnen und Moderatoren vor Ort möglich erscheint. Einen Ausweg aus diesem Dilemma zeigt Thiele (vgl. 2010, S. 19) auf, indem sie vorschlägt, eine so genannte Kommunikationshelferin bzw. einen Kommunikationshelfer zu wählen, der dafür verantwortlich ist, mit der planenden Person individuell wichtige Themen, Visionen und Ziele zu erarbeiten, ein persönliches Profil zu entwickeln, Gesprächsregeln für das Zukunftsplanungstreffen aufzustellen, eventuell bei der Erweiterung des Wortschatzes behilflich zu sein sowie bereits im Vorhinein die Befugnisse der Kommunikationshelferin bzw. des Kommunikationshelfers und enger Bezugspersonen zu bestimmen. Um auch die Moderatorinnen und Moderatoren über die Vorbereitungsprozesse, die mit der Kommunikationshelferin bzw. dem -helfer stattgefunden haben, zu informieren, schlägt Thiele ein Vortreffen vor, bei dem die Hauptperson, die Kommunikationshelferin bzw. der Kommunikationshelfer und die Moderatorinnen und Moderatoren anwesend sind. Dieses Treffen kann zudem den Charakter des von Sascha Plangger vorgeschlagenen umfeldunabhängigen Treffens mit der Hauptperson, das auf den ersten Blick vor allem für Hauptpersonen, die sich über Lautsprache verständigen, relevant zu sein scheint, einnehmen. Ergänzend ist an dieser Stelle noch zu bedenken, dass sich die größten Potentiale ergeben, wenn die Kommunikationshelferin bzw. der -helfer bereits Zukunftsplanungen miterlebt oder sogar moderiert hat und daher die inhaltlichen und kommunikativen Erfordernisse der Planungssituation genau kennt. Wie wichtig diese Anwesenheit von Expertinnen und Experten sowohl für die Unterstützung der Kommunikation in der Situation als Übersetzungshilfe für alle Anwesenden als auch für die Erfassung des kommunikativen Potentials und die Überlegung möglicher Interventionen ist, zeigt sich neben Sascha Planggers und Angela Woldrichs Standpunkten auch bei Hömberg (vgl. 2008, S. 01.053.001) in der Literatur.

Sascha Planggers Idee, im Vorfeld einen Kommunikationskreis einzuberufen, könnte genutzt werden, um im Rahmen eines solchen Forums bereits unterschiedliche Sichtweisen auszutauschen, sich eventuell für das weitere Vorgehen bereits am Partizipationsmodell zu orientieren und aus diesem Personenkreis die Kommunikationshelferin bzw. den -helfer auszuwählen.

Der Vorbereitungsprozess dient zum einen der Identifikation und Überwindung von Barrieren im kommunikativen Bereich (vgl. Hömberg 2008, S. 01.052.001). Dies untermauert auch Angela Woldrich, wenn sie betont, dass die kommunikativen Möglichkeiten nicht erschöpft waren und durch eine entsprechende Unterstützung weitaus mehr Teilhabe und Kommunikation möglich gewesen wäre, und damit aufzeigt, wie wichtig die Anwesenheit von Expertinnen und Experten ist, um die Informationsbedarfe in den Familien und Einrichtungen zu berücksichtigen und zu befriedigen (vgl. Braun 2003, S. 01.005.001; Kristen 2005, S. 7; Lage 2005, S. 15.002.005). Auch Margot Pohls Beispiel des Mädchens, das in Essenssituationen bereits Ablehnung ausdrückte, verdeutlicht den Fall, dass schon vor dem eigentlichen Planungstreffen kommunikative Möglichkeiten erweitert werden könnten, um die Mitbestimmungsmöglichkeiten der planenden Person sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung zu verbessern.

Zum anderen können auch Barrieren "als Folge von jahrelanger Abhängigkeit und Entmutigung" (Hömberg 2008, S. 01.052.001) bestehen, die es erforderlich machen, wieder Selbstvertrauen zu entwickeln und das Träumen und Wünschen zu lernen (vgl. Ebd.). In diesem Sinne scheint es auch relevant zu sein, inwiefern die Hauptperson bereits im regulären Alltagsleben die Chance erhält, mitzubestimmen und sich einzubringen, wie dies beispielsweise bei der Hauptperson 1 der Fall ist. Wie wichtig eine solche Orientierung am Normalisierungsprinzip ist, wird auch deutlich, wenn beispielsweise Sascha Plangger damit konfrontiert wird, dass es als altersgerecht angesehen wird, dass sich ein Jugendlicher in der Pubertät für Kirche interessiert, oder wenn die Mutter 2 die Kommunikationsbereitschaft ihrer beiden Söhne vergleicht. Je selbstverständlicher dieses Denken im gesamten Umfeld gelingt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der zusammenkommende Unterstützerkreis eine entsprechende Grundhaltung besitzt, die der planenden Person eine selbstbestimmte Teilhabe ermöglicht. Daraus kann also vor dem Hintergrund von Sascha Planggers Erfahrungen die vorsichtige Schlussfolgerung gezogen werden, dass es wichtig ist, zunächst mit Methoden des personenzentrierten Denkens Selbstbestimmungs- und Teilhabemöglichkeiten im Alltag aufzubauen, um beim Nachdenken über die Durchführung eines Zukunftsplanungstreffens auf einer entsprechenden Grundhaltung aufbauen zu können und auch in diesem Prozess die Person mit ihren Wünschen und Bedürfnissen zu berücksichtigen.

Dennoch ist gleichzeitig auch eine intensive Vorbereitung notwendig, wie das Beispiel der Hauptperson 2 zeigt, die aufgrund der Kürze der Zeit und der Projektbedingungen sowohl inhaltlich als auch kommunikativ unvorbereitet und daher auch unsicher in das Zukunftsplanungstreffen stolperte und aus diesem Grund nicht stark in die Planung einbezogen werden konnte, obwohl die Mutter 2 in mehreren Beispielen die Mitbestimmung im Alltag beschreibt. Diese variiert jedoch entsprechend der verschiedenen Sichtweisen von Bezugspersonen der unterschiedlichen Settings enorm, wie sich im schulischen Bereich zeigt, der die Hauptperson 2 in beobachtender Rolle wahrnimmt und ihr die Möglichkeit, eventuell lesen zu lernen, verwehrt.

Sascha Plangger betont, dass es letztendlich entscheidend ist, was die gesamte Familie in ihrer derzeitigen Situation braucht. Ihre Erwartungen und Bedürfnisse bestimmen mit, welche methodische Herangehensweise geeignet ist. Wenn es darum geht, im institutionellen Rahmen zu denken und die Selbstbestimmung und Lebensqualität im Alltag zu erhöhen, eignet sich besonders die handwerkliche Herangehensweise mit personenzentrierten Methoden des Denkens, im Rahmen derer noch nicht unbedingt ein Unterstützerkreis existieren muss (vgl. auch Sanderson/Goodwin 2010). Besteht hingegen der Wunsch nach inklusiveren, alternativen Wegen abseits der bereits gegangenen Wege, helfen MAPS und PATH bei der Umsetzung, indem auf ausgeprägte soziale Netzwerke zurückgegriffen wird. Gleichzeitig bedeutet diese Gegenüberstellung nicht, dass eines das andere ausschließt: Auch mit MAPS und PATH können kleinschrittige Ziele erdacht und in ihrer Umsetzung geplant werden, denn wie immer gilt, dass die Anpassung an die Individualität im Vordergrund steht. Auch für Moderatorinnen und Moderatoren gilt der Grundsatz, dass es darum geht, Methoden zu finden, die zu einem selbst passen, so dass es sinnvoll sein kann, wie Sascha Plangger auszuprobieren, was einem Spaß macht, um das Recht auf die im Ansatz verankerte Wahrnehmung als individuelle Persönlichkeit mit der daraus resultierenden Bedürfnis- und Interessenorientierung auch in Bezug auf die bevorzugte Art und Weise der Zukunftsplanung wahrnehmen zu können und eventuell für die jeweiligen Bedarfe der Familie eine andere Moderatorin oder einen anderen Moderator zu empfehlen.

Die Bedeutung der Vorbereitung sowohl in Bezug auf die Rahmenbedingungen als auch die Inhalte des Treffens ist bei Personen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, noch größer als sonst. Hömberg nennt als Beispiele, die entsprechend der individuellen Situation der Hauptperson ausgewählt und variiert werden können, die "Zusammenstellung eines passenden ‚Zukunftsvokabulars' [...] [,] ‚Traumreisen' oder Rollenspiele [...] [sowie] vorbereitende[] Praktika, die Zukunftsvorstellungen entwickeln helfen sollen" (2008, S. 01.051.001). Dabei kann auf vorbereitete Materialien zurückgegriffen werden, wenn dies der Situation angemessen erscheint. Jedoch scheint aufgrund der Individualität der Personen, die unterstützt kommunizieren, in vielen Fällen ein individuelles Vorgehen geeigneter, wie es auch von Margot Pohl betont wird (vgl. Hömberg 2008, S. 01.052.001). Die Vorbereitung kann individuell und idealerweise mithilfe einer Kommunikationshelferin oder eines -helfers stattfinden oder auch, wie bereits diskutiert, im schulischen Rahmen bzw. im Wohnbereich integriert werden (vgl. Ebd.). Eine sehr gelungene Verknüpfung könnte entstehen, wenn die Kommunikationshelferin oder der -helfer aus dem schulischen Bereich oder der Wohngruppe stammt und die regelmäßig dort verbrachte Zeit, für die er regulär bezahlt wird, gemeinsam mit der planenden Person für die Vorbereitung nutzen kann, so dass ein familienunabhängiger Vorbereitungsprozess möglich wird. Die Ergebnisse der inhaltlichen Vorbereitung können wie bei der Hauptperson 1 als Portfolio, das den Prozess wiedergibt, in einem Ordner, als Bilder, als Filme wie bei der planenden Person mit selektivem Mutismus oder in Form anderer Produkte festgehalten und somit in das Zukunftsplanungstreffen einbezogen werden (vgl. Ebd., S. 01.053.001). Eine individuelle Entwicklung von Träumen und Ideen kann insofern ambivalent gesehen werden, als dass zum einen der eigentliche Planungsprozess dadurch stark erleichtert wird und die planende Person besser daran teilhaben kann, aber zum anderen das Potential, das Burow mit der Theorie Kreativer Felder hervorhebt, sich durch den in der Ausarbeitung fehlenden Unterstützerkreis zumindest zu Beginn nicht vollständig entfalten kann (vgl. auch Thiele/Renner 2009, S. 35).

Beispiele für eine Vorbereitung im kommunikativen Bereich liefert Thiele (vgl. 2010, S. 16), indem sie die Notwendigkeit aufzeigt, dass Zeichen entwickelt werden, mithilfe derer eine Beteiligung am Gespräch eingefordert werden kann (z.B. "Ich möchte etwas sagen!") oder verdeutlicht werden kann, dass die planende Person nicht einverstanden ist (z.B. "Das stimmt nicht."). Bei der Hauptperson 1 regelte sich dies über Bewegungen und Laute, die von den Eltern interpretiert wurden, sowie über das Hin- und Wegschauen zum Ausdrücken von Zustimmung oder Ablehnung. Wenn planende Personen mit Handzeichen oder Symbolen kommunizieren, ist es unabdingbar, im Vorhinein das Vokabular entsprechend anzupassen und zu erweitern (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 37).

Selbst wenn keine Vorbereitung in Bezug auf mögliche Themen und kommunikative Beteiligungsformen in der konkreten Planung stattfand, wie dies bei der Hauptperson 2 zutraf, wurden die nichtsprechenden Hauptpersonen bei der Einladung des Unterstützerkreises mit Ausnahme von Melanie und Felix einbezogen und konnten auf diese Weise mitbestimmen, wessen Gedanken mit in die Planung der eigenen Zukunft einfließen sollten.

Hinsichtlich der Zusammenstellung dieser Unterstützerkreise lassen sich sowohl Chancen als auch Herausforderungen erkennen. In einigen Fällen, in denen die planenden Personen selbst über die Mitglieder ihres Unterstützerkreises entschieden, wurde die Befragung, wer eingeladen werden soll, von den Eltern übernommen (z.B. bei der Hauptperson 2 sowie teilweise bei der Hauptperson 1). Berücksichtigt man das Plädoyer von Sascha Plangger, als Moderatorin bzw. Moderator bei der Zusammenstellung des Unterstützerkreises auf eine möglichst hohe Heterogenität zu achten, wird die große Herausforderung deutlich, den Hauptpersonen ihre Entscheidungsfreiheit zu gewähren und dennoch dazu zu raten, Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, Sichtweisen, Erfahrungen und Bezügen zur Hauptperson in den Unterstützerkreis einzubeziehen. Eventuell kann sich Angela Woldrichs Vorgehen eignen, die Geschichte des Elefanten in der Vorbereitung zu nutzen, um die Notwendigkeit der Heterogenität zu verdeutlichen. Denn bekannt ist, dass eine größere Heterogenität zu stärkerer Produktivität führt, wie dies sowohl die Theorie Kreativer Felder als auch die Erfahrungen der interviewten Moderatorinnen und Moderatoren untermauern (vgl. auch Boban 2005, S. 160f.; Boban 2007, S. 5). Auch die Kraft der Gleichaltrigen erscheint für Unterstützerkreise von Hauptpersonen, die unterstützt kommunizieren, besonders bedeutungsvoll, da es Menschen im selben Alter möglich ist, mit den altersentsprechenden Interessen im Hintergrund Vorschläge zu machen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit als diejenigen anderer Altersgruppen die Wünsche und Träume der planenden Person treffen, wie die Beispiele Jens Ehlers und Felix Kluges zeigen (vgl. Boban 2005, S. 161; Hömberg 2008, S. 01.053.001). Gleichzeitig besteht wiederum eine Herausforderung darin, genügend Gleichaltrige in den Unterstützerkreis einladen zu können. Sowohl von Graf-Frank (vgl. 2003, S. 10.003.001) und Wachsmuth (vgl. 2006, S. 14.031.001) als auch von der Mutter 2 werden die fehlenden bzw. wenigen Sozialkontakte von Menschen, die sich ohne Lautsprache verständigen, erwähnt. Insofern eröffnet sich im selben Moment die Chance, im Rahmen der Zukunftsplanung bzw. bereits in der Vorbereitung diese Lücken zu schließen und es als eine wichtige Aufgabe anzusehen, tragfähige Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen. Eine besondere Bedeutung kommt auch weiteren informellen Ressourcen zu, die z.B. von Nachbarn, Kindergärtnern, Pfarrern, wie Margot Pohl sie aufzählt, im Sinne einer Bürgerzentrierung eingebracht werden, um auf diese Weise zu versuchen, ein institutionelles "Übergewicht" zu vermeiden (vgl. Boban 2005, S. 161). Als ungefähre Richtgröße für einen produktiven Unterstützerkreis für Zukunftsplanungstreffen, deren Hauptpersonen unterstützt kommunizieren, kann die sowohl von Margot Pohl als auch von Angela Woldrich genannte Anzahl von 20 Personen gelten.

Um die Chancen, die sich im Rahmen der Vorbereitung bieten, in ihrem vollen Potential nutzen zu können, entsteht eine weitere Herausforderung bezüglich der Vorbereitungszeit. Die in den Interviews vorgeschlagene zwei- bis dreimonatige Vorlaufzeit wird auch gestützt in der Literatur, in der Ines Boban (vgl. 2010, S. 16) empfiehlt, circa drei Monate vor dem Treffen die Einladungen zu verschicken. Dies bedeutet jedoch, dass bereits bis zu diesem Zeitpunkt die Auswahl des Unterstützerkreises stattgefunden hat, so dass idealerweise mehr als drei Monate Vorbereitungszeit eingeplant werden sollten. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass im Idealfall die Kommunikationsmöglichkeiten bereits im Vorhinein erweitert und an die Erfordernisse einer von Selbstbestimmung geprägten Planungssituation angepasst werden, erscheint eine umfangreiche Vorlaufzeit wichtig, bevor das gemeinsame Planungstreffen stattfindet.

Während des Zukunftsplanungstreffens stellt der Gesundheitszustand der Hauptpersonen eine weitere Herausforderung dar. Bei der Betrachtung der Erfahrungen von Jens Ehler und der Hauptperson 1 kann die vorsichtige Interpretation gewagt werden, dass vor allem nach einer intensiven Vorbereitung die Aufregung vor dem großen Tag das Immunsystem derartig schwächen kann, dass eine Krankheit die Folge ist (vgl. auch Hömberg 2008, S. 01.054.001). Dies wiederum kann dazu führen, dass die Partizipation am Zukunftsplanungstreffen davon beeinträchtigt ist.

Auch unter dem Gesichtspunkt, eventuell erkrankte Hauptpersonen nicht gesundheitlich zu überfordern, scheint der Zeitfaktor des Zukunftsplanungstreffens bedenkenswert zu sein. Neben Thiele (vgl. 2010, S. 16 und 20), die herausstellt, dass Zukunftsplanungen mit Hauptpersonen, die nicht lautsprachlich kommunizieren, aufgrund der aufwändigen Ko-Konstruktion, des Einsatzes individueller Fragetechniken und möglichst häufigem Herstellen von Entscheidungssituationen, in denen der Planungsprozess durch die Hauptperson autorisiert wird, generell ein Mehr an Zeit benötigen, weisen auch die Moderatorinnen und Moderatoren in den Interviews darauf hin. Alle drei erwähnen die Trennung von MAPS und PATH, die jedoch nur von Sascha Plangger positiv vertreten wird, während Margot Pohl und Angela Woldrich die Streckung des Prozesses kritisch beurteilen. Ein solches über mehrere Tage ausgedehntes Vorgehen, wie es Melanie Bros-Spähn in ihrem Zukunftsplanungstreffen erlebte und wie es auch Weisbord und Janoff für Zukunftskonferenzen in ihrem Verständnis vorsehen, wenn sie eine "[ü]ber drei Tage verteilte Veranstaltung (‚zweimal drüber schlafen')" (2001, S. 91) für das Planen der Zukunft anberaumen, birgt die Schwierigkeit in sich, dass der Unterstützerkreis nicht nur an einem Tag mit seiner Zeit gefordert wird. Gleichzeitig beinhaltet eine Splittung der Termine, die sich ebenso wie die Einrichtung von Pausen an den Bedürfnissen der planenden Person orientiert, wie dies auch in den Erfahrungen von Angela Woldrich, Jens Ehler und der Hauptperson 2 der Fall war, die Chance, dass die auch von Margot Pohl erwähnte benötigte Energie und Disziplin (vgl. Thiele 2010, S. 16), die besonders in Zukunftsplanungen mit nicht lautsprachlich kommunizierenden Hauptperson notwendig ist, nicht in einem einzigen langen Tag verloren geht. Zudem bleibt mehr Zeit für Pausen nach jedem Schritt, damit, wie Margot Pohl betont und ebenso aus der Zukunftsplanung der Hauptperson 2 hervorgeht, auch in einer Paarsituation nochmals der vorhergegangene Schritt reflektiert werden kann. Aus diesem Grund erscheint eine Trennung von MAPS und PATH meines Erachtens sehr sinnvoll, wenn dabei von den Bedürfnissen der planenden Person ausgegangen wird und ihre Partizipationsmöglichkeiten sich auf diese Weise erhöhen.

Die kommunikative Situation während des Zukunftsplanungstreffens stellt an sich schon durch verschiedene Faktoren eine Herausforderung dar. Zum einen werden höchst abstrakte Themen behandelt, so dass Kommunikation das Ziel des Informationstransfers anstelle einer Übermittlung von aktuellen Wünschen und Bedürfnissen verfolgt (vgl. Light nach Beukelman/Mirenda 2010, S. 9; Thiele 2010, S. 16). Zudem befinden sich die Hauptpersonen selbst nach einer intensiven Vorbereitung in der Situation, dass ihnen lediglich ein qualitativ und oder quantitativ begrenzter aktiver Wortschatz zur Verfügung steht, wobei der Schriftsprache dabei ein besonderes Potential innewohnt und auch der Ja-Nein-Kommunikation eine hohe Bedeutung zukommt. Anstelle einer einzigen Gesprächspartnerin oder eines einzelnen Gesprächspartners steht der unterstützt kommunizierende Mensch einer Gruppe gegenüber, wodurch die Kommunikationssituation weiter erschwert wird, wie auch das Beispiel der Hauptperson 2 verdeutlicht (vgl. Thiele 2010, S. 16). Bedenkt man zusätzlich Watzlawicks Axiome der Kommunikation, so wird augenscheinlich, dass auch der Beziehungsaspekt innerhalb der Gruppe eine wichtige Rolle spielt, da die planende Person auf die Interpretation anderer angewiesen ist und sich somit in einer großen Abhängigkeit befindet. Dies ist noch verstärkter der Fall, wenn die Hauptperson noch nicht symbolisch kommuniziert und auf körpereigene Ausdrucksformen angewiesen ist, die sensibel beobachtet, gedeutet und rückgemeldet werden müssen (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 33f.; Thiele 2010, S. 16 und 20).

Die größte Anforderung während des Zukunftsplanungstreffens selbst besteht darin, der Gefahr der Fremdbestimmung entgegenzuwirken (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 33). Das Beispiel der Hauptperson 2 und die Erfahrungen Sascha Planggers verdeutlichen die Schwierigkeit, dass die Kommunikationshilfen, sofern sie bereits existieren, aufgrund der Aufregung und der großen Gruppe nicht zum Einsatz kommen. Sascha Plangger, der hinsichtlich der geeigneten Vorgehensweisen zwischen den unterschiedlichen Gruppen Unterstützt Kommunizierender unterscheidet, schlägt, um dieser Gefahr zu begegnen, vor, bei Personen, die Unterstützte Kommunikation als Ersatzsprache nutzen, den Schwerpunkt auf die Vor- und Nachbereitung zu legen und ein erweitertes Selbstbestimmungs- und Teilhabeverständnis zugrunde zu legen. Dies wird auch von Hömberg gestützt, indem sie betont:

"Der Planungsprozess wird auch und gerade dann von der Persönlichkeit der Hauptperson geprägt, wenn sie z.B. behaglich gelagert oder nebenher spielend anwesend ist, angesprochen wird, den Ablauf verfolgen kann, das Geschehen durch Mimik, Laute oder Körperbewegungen kommentiert und das Tempo vorgibt, etwa durch kleine Ruhe- oder Essenspausen" (2008, S. 01.051.001).

Als Vorgehensweise, wenn nicht gesichert ist, ob die planende Person konkrete Vorstellungen einer über die nächsten Tage hinaus gehenden Zukunft hat und über abstrakte Dinge kommunizieren kann, empfiehlt es sich, zuerst eine Zukunftsplanung durchzuführen, bei der die Kraft des Unterstützerkreises genutzt, bürgerzentriert vorgegangen und mithilfe eines hohen Maßes an Empathie versucht wird, verschiedenste Möglichkeiten und Vorschläge zu sammeln, von denen der Unterstützerkreis glaubt, dass sie den Wünschen und Bedürfnissen der Hauptperson entsprechen. Anschließend ist es wichtig, die planende Person dabei zu unterstützen, Erfahrungen zu sammeln und in diesem Rahmen mithilfe der individuellen Kommunikation herauszufinden, welche Reaktionen die Erfahrungen hervorrufen. Klauß (vgl. 2007, S. 41) betont die Wichtigkeit, die das Sammeln von Erfahrungen für die Entwicklung von Bedürfnissen besitzt: "Um in allen Lebensbereichen Bedürfnisse ausbilden und befriedigen zu können, sind entsprechende Angebote notwendig." (Ebd.). Hömberg (vgl. 2008, S. 01.053.001f.) schlägt sogar ebenso wie Margot Pohl vor, diese Erfahrungssammlung, die wie an Melanie Bros-Spähns Beispiel deutlich wird, auch für Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung umsetzbar ist, bereits in die Vorbereitung mit aufzunehmen. Um eine gedankliche Wiederanknüpfung an diese Erfahrungen auch in einem anderen Kontext (z.B. dem nächsten Unterstützerkreistreffen) zu ermöglichen, erscheint es empfehlenswert, möglichst konkrete Dokumentationsformen zu nutzen (z.B. Gegenstände aus der Situation, Fotos, Videoaufnahmen etc.) und eventuell ein entsprechendes Vokabular zu entwickeln. Die Interpretationen, wie der Hauptperson die ausprobierten Situationen gefallen haben, werden wiederum mit dem Unterstützerkreis gemeinsam ausgewertet, um daraus dann zusammen mit der planenden Person abzuleiten, welche Aktivitäten aufrechterhalten bzw. ausgeweitet werden sollen und in welche Richtung sich die Zukunftsplanung weiter bewegen soll. Somit kann nach einem ersten Unterstützerkreistreffen, das größtenteils fremdbestimmt, aber dennoch bürgerzentriert ist, aufgrund der zwischenzeitlich stattgefundenen Erfahrungssammlung ein zweites Treffen mehr Selbstbestimmung durch aktive Kommunikation über bekannte Themen mit passenden Ausdrucksmöglichkeiten gewährleisten.

Für Personen, die der Alternative Language Group zuzuordnen sind und somit Unterstützte Kommunikation als Ersatzsprache nutzen, ist es aufgrund der Herausforderung, dass die Planungsprozesse vorrangig sprachlich erfolgen und die Visualisierung der Lautsprache untergeordnet ist (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 33; Thiele 2010, S. 16), zudem wichtig, dass der Planungsprozess in ihr individuelles Kommunikationssystem übertragen wird und somit von ihnen nachvollzogen und möglichst mitbestimmt werden kann. Um auch diejenigen Personen des Unterstützerkreises teilhaben zu lassen, die lautsprachlich kommunizieren und das individuelle Kommunikationssystem nicht genau kennen, empfiehlt sich in solchen Fällen simultane Kommunikation[88].

Hingegen schlägt Sascha Plangger bei Menschen, die Unterstützte Kommunikation als Ausdrucksmittel nutzen, vor, sie in den konkreten Planungsprozess während des Treffens gleichberechtigt einzubeziehen. Seine Beschränkung auf technische Hilfsmittel wäre zu erweitern um eindeutige Gebärden oder nichtelektronische Kommunikationshilfen, die ebenfalls eine selbstbestimmte Mitwirkung an der Planung ermöglichen. Wichtig ist, dass mit ihnen in der Vorbereitung geeignete Strategien und Formen entwickelt werden, mithilfe derer sie sich ausdrücken können (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 33).

Thiele und Renner (vgl. 2009, S. 34ff.) spielen den gesamten Planungsprozess für Personen, die mit Unterstützter Kommunikation Zustimmung und Verneinung ausdrücken können, durch und zeigen dabei auf, welche Erfordernisse sich während des Zukunftsplanungstreffens ergeben. Sie betonen, dass eine kommunikative Beteiligung der Hauptperson, wie dies am Beispiel Jens Ehlers bzw. der Hauptperson 1 deutlich wurde, vor allem in jenen Schritten des Planungsprozesses von Bedeutung ist, in denen über Ideen und die weiteren Schritte entschieden wird (der Traum bei MAPS sowie die Entwicklung des Nordsterns, die Zeitreisen und die Festlegung der Agentin oder des Agenten bei PATH). Die Aufgabe der Moderatorinnen und Moderatoren ist es zudem, alle getroffenen Entscheidungen nochmals durch die planende Person genehmigen zu lassen. Dabei kommt es darauf an, nicht im ersten Schritt bereits die vollständige Zustimmung zu erfragen, sondern zunächst einen eventuellen Änderungsbedarf zu thematisieren, um anschließend mögliche Varianten zur Entscheidung zu stellen. Gleichzeitig ist es, wie bereits angesprochen, wichtig, dass sich die Hauptperson jederzeit über ein vorher festgelegtes Zeichen (Laut, Bewegung oder technisches Gerät) in die Diskussion einbringen kann und mit entsprechenden Formulierungstechniken der Gesprächsbeitrag erfragt wird. Diese Herausforderung kann mithilfe der Kommunikationshelferin oder des -helfers gemeistert werden, indem diese oder dieser die Aufgabe der lückenlosen Beobachtung und Weiterleitung der Signale sowie eine Übermittlung von Kontextwissen, das die Kommunikation erfolgreicher macht, übernimmt. Der Unterstützerkreis als solcher ist ebenso stark gefordert, die durch die Ja-Nein-Kommunikation entstehende Prozessverlängerung geduldig und ohne Energieverlust mitzuerleben und auch die Ablehnung entwickelter Ideen zu respektieren. Daher ist es wichtig, bereits zu Beginn des Treffens diese speziellen Charakteristiken der Kommunikationssituation gemeinsam zu besprechen, um die planende Person nicht unter Zeit- und Entscheidungsdruck zu setzen, was eventuell in der Zustimmung zu Vorschlägen, die eigentlich nicht den eigenen Wünschen entsprechen, resultieren könnte (vgl. Tetzchner/Martinsen 2000, S. 73f.; Thiele 2010, S. 20).

Allgemein kann festgehalten werden:

"Die Anpassung der Persönlichen Zukunftsplanung an die Bedingungen unterstützt kommunizierender Menschen erfordert an vielen Stellen des Gesamtprozesses ein besonderes Augenmerk auf die Kommunikationsprozesse und die Kommunikationsmittel und damit auch auf das Kommunikationsverhalten aller Beteiligten, insbesondere der ModeratorIn" (Thiele/Renner 2009, S. 36).

Auch Kristens Erfahrung, "daß die grundlegende Form der Haltung und Gesprächsführung der sprechenden [Partnerinnen und] Partner einen entscheidenden Einfluß auf die Effektivität der gemeinsamen Kommunikation hat" (2005, S. 11), untermauert eine wichtige Erkenntnis für die Haltung und das Verhalten des Unterstützerkreises. Von den Fähigkeiten einer guten Moderatorin bzw. eines guten Moderators, die sich auf den stärkenorientierten Blick, das empathische Zuhören und die anerkennende Sprache richten, kommt vor allem dem empathischen Zuhören bei einer unterstützt kommunizierenden Hauptperson eine noch größere Bedeutung zu als ohnehin, wie Sascha Planggers Beispiel der Hauptperson zeigt, die gerne mit einem Freund zusammen wohnen würde und in ihrer Äußerung von den Eltern nicht wahrgenommen wird. Der Moderatorin bzw. dem Moderator kommt als Modell die Verantwortung zu, dafür zu sorgen, dass die Äußerungen der planenden Person wahrgenommen und berücksichtigt werden und diese für die Beteiligung auch die notwendige Zeit bekommt (vgl. Boban 2007, S. 5; Doose 2007, S. 39f.). Je nachdem, wie die Moderatorin oder der Moderator mit der unterstützt kommunizierenden Hauptperson interagiert und welche Interpretationsmöglichkeiten sie oder er dem Unterstützerkreis anbietet, entwickelt sich die Teilhabe und Selbstbestimmung (vgl. Boban 2007, S. 5). Dabei kommen vor allem der Empathiefähigkeit sowie der Erfahrung der Moderatorinnen und Moderatoren ein hoher Stellenwert zu (vgl. Hömberg 2008, S. 01.051.001). Zudem bietet die Moderation im Tandem in Zukunftsplanungen, deren Hauptpersonen nicht lautsprachlich kommunizieren, vor allem in Fällen, in denen keine Kommunikationshelferin bzw. kein Kommunikationshelfer anwesend ist, die Chance einer besseren Interpretation des Verhaltens der Hauptperson bzw. der Sichtweisen des Unterstützerkreises (vgl. Boban 2007, S. 6).

Die Unterstützung der Moderatorinnen und Moderatoren durch Kommunikationshelfer birgt insofern eine zusätzliche Herausforderung in sich, als dass es durch die Doppelfunktion als Kommunikationsassistenz und Unterstützer wichtig ist, offen zu legen, in welcher Rolle die jeweilige Äußerung getätigt wird, um Irritationen vorzubeugen (vgl. Thiele 2010, S. 20).

Die Visualisierung erleichtert vor allem Menschen, die mithilfe von Symbolen kommunizieren, das Nachvollziehen des Prozesses und kann im Nachhinein als Erzählunterstützung und Auswertungsrahmen genutzt werden, wie auch die Mutter 2 es beschreibt. Dabei empfehlen Hömberg (vgl. 2008, S. 01.052.001) und Thiele (vgl. 2010, S. 20), mit Symbolsammlungen und -systemen zu arbeiten. Die besondere Chance entsteht, wenn im Vorbereitungsprozess bereits diese Symbole eingeführt werden und sie somit im Gegensatz zu Margot Pohls Erfahrungen den Hauptpersonen schon im Vorhinein bekannt sind. Auch die Anordnung der einzelnen graphischen Elemente im Rahmen der Visualisierung kann im Kommunikationsprozess Chancen bieten, wenn beispielsweise die einzelnen Symbole bzw. graphisch dargestellten Ideen in einem Raster angeordnet werden, das mit Blicken gescannt werden kann, wie Margot Pohl dies in der Zukunftsplanung der Hauptperson 2 realisierte.

Zukunftsplanungstreffen können wie im Fall der Hauptperson 2 als Forum fungieren, um Kommunikationshaltungen zu thematisieren und Sichtweisen auszutauschen, so dass idealerweise eine Verbesserung der Situation eintritt. Eine Chance könnte sich zudem insofern bieten, als dass vor dem Hintergrund des Partizipationsmodells gemeinsam über Kommunikation nachgedacht werden kann und somit sowohl Zukunftsveränderungen als auch eine Kommunikationserweiterung angestoßen werden können. Diese Effekte der verbesserten Kommunikation und Einbeziehung durch das Umfeld erkennen auch Angela Woldrich und Margot Pohl, die explizit die veränderte Rolle der Hauptperson in dem sie umgebenden System wahrnahm. Vor allem kann die kompetenzorientierte und optimistische Herangehensweise zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls beitragen (vgl. Hömberg 2008, S. 01.053.001), wie Jens Ehler dies schildert und wie sich anhand der positiven Reaktion der Hauptperson 2 auf den Brief der Konduktiven Therapeuten vermuten lässt. Daraus kann die Chance entstehen, dass die Hauptperson, wie im Fall von Jens Ehler, nach dem Treffen eine neue Kraft und eine neue Motivation verspürt, Formen der Unterstützten Kommunikation zu nutzen und sich der Herausforderung zu stellen, den Umgang damit zu erlernen (vgl. auch Hömberg 2008, S. 01.054.001).

Jens Ehler nahm aufgrund seiner Unzufriedenheit das Agentinnen- und Agenten-Amt nach der zweiten Zukunftsplanung selbst in die Hand. Dies zeigt auf der einen Seite seine Selbstbestimmung und Selbstständigkeit, aber verdeutlicht auf der anderen Seite auch, wie unbefriedigend es ist, wenn die Agentin bzw. der Agent nicht tätig wird. Nicht alle Hauptpersonen können die Verbindlichkeiten auf dieselbe Art und Weise einfordern, so dass darauf geachtet werden sollte, eine geeignete Agentin bzw. einen geeigneten Agenten zu finden. Eine gute Variante haben die Familie Bros-Spähn, die in der zweiten Zukunftsplanung drei Agentinnen oder Agenten bestimmte, und die Mutter 1, die für eine Agentin bzw. einen Agenten des Herzen und eine Agentin oder einen Agenten der Umsetzung plädiert, aufgezeigt, um abzusichern, dass die Rolle gut erfüllt wird. Zudem könnte eine geeignete Möglichkeit in diesem Fall auch die von Doose beschriebene "persönliche Unterstützungsagent[in]" (2007, S. 22) bzw. der Unterstützungsagent darstellen, die bzw. der für das Initiieren, Organisieren und Koordinieren von Aktivitäten zuständig ist, ohne dabei selbst konkrete Assistenz zu leisten. An dieser Stelle eröffnet sich dann als neue Schwierigkeit, wie die Finanzierung einer professionellen Agentin oder eines professionellen Agenten geleistet werden kann.

Dennoch betonen Boban und Hinz (vgl. 2009b, S. 15) den Wert von Agentinnen und Agenten aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis, um sowohl den engsten Familienangehörigen als auch den Professionellen das Kennenlernen einer neuen Rolle zu ermöglichen. Im Sinne des bürgerzentrierten Herangehens birgt diese Wahl einer informellen Agentin bzw. eines informellen Agenten vermutlich mehr Potential, jedoch kann es für die Hauptperson und ihre Familie auch eine Entlastung darstellen, wenn eine professionelle Agentin oder ein professioneller Agent durch vorhandenes Expertenwissen zum Teil auch weitere Entwicklungen anstoßen kann bzw. weiß, an welche Stellen man sich wenden kann. Vor allem im kommunikativen Bereich könnte sich eine solche Vorgehensweise anbieten, um das gesamte vorhandene Potential für die Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten auszuschöpfen. Durch den Anspruch, die individuelle Entscheidung der planenden Person bzw. engster Bezugspersonen bei der Wahl der Agentin oder des Agenten zu berücksichtigen, kann die Variante gewählt werden, die im Einzelfall am geeignetsten scheint[89]. Thiele (vgl. 2010, S. 20) empfiehlt in diesem Zusammenhang, dass die Nachbereitung von der Kommunikationshelferin bzw. dem -helfer und den gewählten Agentinnen und Agenten gemeinsam übernommen wird, so dass sowohl die Umsetzung als auch die inhaltliche und kommunikative Nachbereitung abgesichert sind.

Wenn der Unterstützerkreis weitergeht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Selbstbestimmung und Teilhabe. Margot Pohl greift diesen Gedanken auf, wenn sie die Veränderung der Rolle der Hauptperson nach Zukunftsplanungen beschreibt. Setzen sich das gemeinsame Denken und der Austausch im Rahmen von Unterstützerkreistreffen kontinuierlich weiter fort, können die Anwesenden immer wieder einen neuen Blick auf die Hauptperson richten und ihre Sichtweisen erweitern, wie die Mutter 2 und Ulrike Ehler es beschreiben. Daher erscheint Sascha Planggers Vorschlag sinnvoll, eine weitere Begleitung durch die Moderatorin oder den Moderator zu gewährleisten, während sich daraus insofern eine Herausforderung ergibt, als dass dies auch gleichzeitig eine finanzielle Hürde darstellt. Sascha Planggers Idee wurde bereits im Kursangebot des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Schleswig-Holstein e.V. realisiert, indem erstmalig eine "nachhaltige Begleitung" (2010, o. S.) angeboten wird, so dass abzuwarten bleibt, welche Erfahrungen mit einem solchen Vorgehen gemacht werden.



[88] Unter simultaner Kommunikation wird die gleichzeitige Anwendung von Lautsprache und Elementen der Unterstützten Kommunikation verstanden, um auf diese Weise die wichtigsten Begriffe und Themen zu unterstreichen (vgl. Kristen 2005, S. 141).

[89] Um die subjektiv beste Lösung zu erreichen, ist es wichtig, dass viele, eventuell auch alle Personen des Unterstützerkreises bereit wären, in die Rolle der Agentinnen und Agenten zu schlüpfen und diese verantwortungsvolle Position niemandem übertragen wird, der sich dagegen sträubt. Denn in einem solchen Fall wäre fraglich, mit wie viel Engagement und Enthusiasmus die Aufgabe erfüllt würde, wodurch im schlimmsten Fall die Verwirklichung der erträumten Ziele gefährdet wäre und Zukunftsplanung damit zu einer leeren Versprechung verkäme, was von Smull, Sanderson und Allen (2004, S. 6) als eine der größten Gefahren angesehen wird.

6 "FORTSETZUNG DES UNTERSTÜTZERKREISES" - Offene Fragen und Perspektiven

Aus den Interviewergebnissen und der bearbeiteten Literatur wird deutlich, dass noch ein großer Bedarf an Forschung besteht, um das Potential von Zukunftsplanungen mit unterstützt kommunizierenden Hauptpersonen noch stärker auszuschöpfen und den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Zu den Aspekten, die einen Anlass für weiterführende Forschungsansätze bieten und denen aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit nicht nachgegangen werden konnte, gehören:

  • eine genauere Betrachtung der Chancen und Herausforderungen, die sich bieten, wenn der Unterstützerkreis einer nicht lautsprachlich kommunizierenden Person mehrere unterstützt kommunizierende Personen umfasst,

  • eine explizite Forschung zu den Anforderungen, die sich der Unterstützten Kommunikation in den Gruppendiskussions-Situationen im Rahmen des Unterstützerkreises stellen (vgl. Thiele/Renner 2009, S. 33),

  • Einzelfallstudien zu den unterschiedlichen Zielgruppen der Unterstützten Kommunikation, zu den einzelnen Stufen der Kommunikationsentwicklung und zu verschiedenen Kommunikationsformen, um der Individualität des Personenkreises gerecht zu werden (vgl. auch Thiele/Renner 2009, S. 34 und 36f.),

  • eine Untersuchung der Möglichkeiten des Persönlichen Budgets in Bezug auf Zukunftsplanungen und Unterstützte Kommunikation, z.B. Finanzierung einer persönlichen Unterstützungsagentin bzw. eines -agenten (vgl. Doose 2007, S. 23), Finanzierung einer Kommunikationshelferin bzw. eines -helfers (vgl. Thiele 2010, S. 19ff.), Finanzierung der Moderation etc.,

  • eine genauere Betrachtung des Zusammenhangs der Entwicklung von Zukunftsvorstellungen mit der Kommunikationsentwicklung sowie daraus resultierende notwendige methodische Veränderungen,

  • die Entwicklung von Ideen für Aufbaukurse für Moderatorinnen und Moderatoren zu Unterstützter Kommunikation bzw. für Expertinnen und Experten der Unterstützten Kommunikation zu Zukunftsplanungen,

  • Überlegungen zur Verknüpfung des Partizipationsmodells mit dem Zukunftsplanungstreffen und seiner spezifischen Struktur sowie entsprechende Versuche in der Praxis.

Diese Auflistung kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern ist als Anregung gedacht, um im Sinne der Theorie Kreativer Felder weitere Perspektiven und Denkweisen einzubeziehen und einzelne Aspekte in anderen Forschungsarbeiten vertiefend herauszugreifen.

7 "NACHKLANG" - Fazit

"Wer große Pläne hat, nehme sich Zeit." (Sokrates)

Im Rahmen dieser Arbeit konnte lediglich ein Überblick über die Verbindung von Unterstützter Kommunikation und Zukunftsplanung geschaffen werden, wobei in der Untersuchung auf individuelle Erfahrungen eingegangen wurde. Dabei wurde neben der "Komplexität der Herausforderungen" (Thiele/Renner 2009, S. 36) und der Chancen noch einmal die Wichtigkeit der Individualisierung in allen Schritten des Prozesses deutlich.

Besonders zentral erscheint ein äußerst sensibles Vorgehen gepaart mit einer durchgehenden Reflexion der Gratwanderung zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung, die auch von Schirbort (vgl. 2007, S. 208) als unerlässlich angesehen wird, um als Stellvertreterin oder Stellvertreter die überlassene Verantwortung im Sinne der Hauptperson wahrzunehmen. Generell ist eine Zukunftsplanung auch dann sinnvoll, wenn die planende Person nur teilweise anwesend ist oder die Situation zu aufregend und abstrakt für selbstbestimmte Kommunikation ist. Die Entstehung neuer Denkweisen und der Versuch, sich in die Hauptperson einzufühlen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität und eine damit verbundene Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten in den Blick zu nehmen, machen es lohnenswert und erfordern ein verändertes Verständnis von Selbstbestimmung in der Situation.

In jedem Fall hat eine Zukunftsplanung Auswirkungen auf das Erleben der planenden Person und der Unterstützerinnen und Unterstützer:

"In Zukunftskonferenzen spüren sich Menschen, die sich sonst nicht spüren. Menschen werden von anderen berührt, weil sie deren Sichtweise oder deren Gefühle vorher nie so eindringlich erlebt haben. In Zukunftskonferenzen können einem die Sichtweisen der anderen unter die Haut gehen." (Bonsen 2001, S. 9, Herv. im Original).

Des Weiteren sind auch Geduld und Zeit nötig - in der Vorbereitung, im Prozess selbst und in der anschließenden Umsetzung. Smull, Sanderson und Allen lernten aus ihren Erfahrungen, dass der Aufbau von sozialen Beziehungen im Gemeinwesen nach Planungsprozessen möglich ist und auch stattfindet, "aber es dauert gewöhnlich Jahre, nicht Monate" (2004, S. 13)[90]. Kontinuierliche Veränderungen in Form von kleinen Schritten tragen jedoch zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Lebensqualität bei und lohnen sich daher! Hömberg geht sogar noch weiter und bezeichnet es als

"allgemeine gesellschaftliche Aufgabe auch und besonders Menschen mit Sprech- und Kommunikationsbeeinträchtigungen die Gelegenheit zu einer Verständigung über die Zukunft zu bieten und damit das Recht auf Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und Teilhabe auch tatsächlich umzusetzen" (2008, S. 01.055.001)

Zuallerletzt soll noch einmal der Blick auf Nilufar gerichtet werden, die aufgrund ihrer individuellen Situation den persönlichen Anstoß für die Beschäftigung mit dem Themenkomplex darstellte. In ihrem Fall könnte es ein erster Ansatzpunkt sein, mithilfe eines Person Centered Teams über ihre Bedürfnisse im Rahmen des Alltags nachzudenken: Darüber, wie sie kommuniziert und wie man mit ihr kommuniziert, darüber, was für sie wichtig ist und was ihr selbst wichtig ist, darüber, welche professionelle Unterstützung passt, darüber, was gut läuft und was nicht gut läuft, darüber, wie Entscheidungen getroffen werden, darüber, wie bloße Anwesenheit zu aktiver Teilhabe werden kann und über vieles mehr (vgl. Sanderson/Goodwin 2010). Gleichzeitig ist es für den Erfolg solcher kleinen Methoden wichtig, dass im institutionellen Rahmen eine Veränderung der Haltung entsteht. Von höchster Bedeutung ist, dass echtes Interesse an ihrer Person, ihren Fähigkeiten und ihren Besonderheiten besteht, um daran anknüpfend gemeinsam mit ihr kleine Schritte zu einem Mehr an Lebensqualität zurückzulegen.

Abb. 7: "Träume Dir Dein Leben schön und mache aus diesen Träumen eine Realität" - Marie Curie (Quelle: Kunst und Bild GmbH o. J.)



[90] "but it usually takes years not months" (Übersetzung d. Verf.)

8 Ein kleiner Dank

Wie eine Zukunftsplanung, die ohne die Unterstützung durch andere Menschen nicht ihr gesamtes Potential entfalten kann, wäre auch diese Arbeit ohne viele hilfsbereite Menschen nicht möglich gewesen. Ein herzliches Dankeschön geht an alle Interviewpartnerinnen und -partner, die bereit waren, mir ihre Zeit zu schenken und mich an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen. Darüber hinaus danke ich allen Familien, die mir die Videodokumentationen der Zukunftsplanungstreffen zur Verfügung gestellt haben und mir somit die Möglichkeit eröffnet haben, diese sehr emotionalen Tage nachzuvollziehen. Ein weiterer Dank für die Unterstützung und die Hilfestellung bei der Kontaktaufnahme zu den Expertinnen und Experten richtet sich an die Stiftung Leben pur.

Außerdem gebührt Ines Boban ein großes Dankeschön für die hilfreiche Betreuung und die Vermittlung verschiedenster Kontakte!

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Thimm, Walter: Das Normalisierungsprinzip - Eine Einführung. Marburg: Lebenshilfe 1994 (=Kleine Schriftenreihe, Bd. 5).

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Anhang

Verwendete Abkürzungen

AW Angela Woldrich

HP 1 Hauptperson 1

HP 2 Hauptperson 2

M1 Mutter der Hauptperson 1

M2 Mutter der Hauptperson 2

MP Margot Pohl

SP Sascha Plangger

Zeitpunkt und Dauer der Interviewdurchführung

Interview

Datum

Zeitpunkt

Dauer

MP

11. 10. 2010

16:16 - 16:47

31 min 12 s

M2

14. 10. 2010

08:04 - 08:36

32 min 38 s

AW

26. 10. 2010

14:14 - 14:45

31 min 52 s

M1

27. 10. 2010

10:11 - 10:40

29 min 21 s

SP

02. 11. 2010

20:29 - 21:23

53 min 48 s

Leitfaden

Erfahrung (nur für Moderatorinnen und Moderatoren)

  • Anzahl der moderierten Zukunftsplanungstreffen

  • Anzahl der Hauptpersonen, die sich nicht lautsprachlich verständigen

Hauptperson

  • Kommunikation

  1. Kommunikationsform / Art des Kommunikationsmittels

  2. Lautsprachverständnis

  3. Ko-Konstruktion

  • Teilhabe

  • Selbstbestimmung

Vorbereitung

  • Anregung / Idee / Anlass (Wer? Wie? Wo?)

  • Einladung (Wer hat entschieden? Wie verlief es?)

  • Unterstützung

  • kommunikativer Bereich

Durchführung

  • Anwesende

  • Themen (Unterstützte Kommunikation?)

  • Zeit (Wie lange? Wie oft Pause?)

  • Ablauf

  • Visualisierung (Evtl. bekannte Symbole?)

  • Verfahren (MAPS? PATH? Variation? Andere Verfahren?)

Umsetzung

  • Wer? Wann? Wie? Beteiligung der Hauptperson? Dokumentation?

Erfahrungen

  • Positives

  • Voraussetzungen

  • Veränderungsvorschläge für ein nächstes Zukunftsplanungstreffen

Fragen an HP 1

"Nun zu den Fragen an [die Hauptperson 1, Anonymisierung d. Verf.]. Er kann sich, nach seinen Aussagen, noch gut an das Zukunftsfest erinnern (er vergißt kaum etwas). Die Fragen beantwortete er folgendermaßen:

Vor dem Zukunftsfest

  1. Wurdest du vorher gefragt, ob du ein Zukunftsfest machen möchtest? Ja

  2. Hast du dich gut auf das Zukunftsfest vorbereitet gefühlt? Ja

  3. Wurden deine Träume und Wünsche in der Vorbereitung verstanden? Ja

  4. Hättest du gerne mehr mitentschieden in der Vorbereitung? Ja und Nein

  5. Konntest du dir vorher vorstellen, was dort passiert und wie es sein wird? Ja und Nein

Beim Zukunftsfest

  1. Wie fandest du die Länge des Zukunftsfestes? zu lang, zu kurz, genau richtig? Genau richtig

  2. Wurden deine Ideen, Wünsche und Träume in der Planung berücksichtigt? Keine Antwort

  3. Konntest du dich immer einmischen, wenn du etwas zu einem Thema mitteilen wolltest? Ja

  4. Wärst du gern mehr einbezogen worden? Ja

  5. Hattest du das Gefühl, dass du verstanden wurdest? Ja

  6. Hattest du das Gefühl, dass für dich entschieden wurde oder dass du selbst entscheiden konntest? es wurde für mich entschieden, ich konnte selbst entscheiden, es war unterschiedlich? Es war unterschiedlich

Nach dem Zukunftsfest

  1. Haben sich deine Kommunikationsmöglichkeiten durch das Zukunftsfest noch verbessert? Nein

  2. Konntest du dich in die Umsetzung der Pläne einbringen? Keine Antwort

  3. Wurde im Nachhinein mit dir darüber gesprochen, wie dir die Ergebnisse der Zukunftsplanung gefallen? Ja"

(Ausschnitt aus einer E-Mail der Mutter 1 vom 25.11.2010)

Quelle:

Katharina Guttenberg: Chancen und Herausforderungen von Unterstützter Kommunikation in Zukunftsplanungsprozessen. Wissenschaftliche Hausarbeit. Sachsen-Anhalt, 2010.

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet.

Stand: 23.08.2011

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