Editorial Gemeinsam leben Nr. 1-99

Themenbereiche: Psychosoziale Arbeit
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: Gemeinsam leben - Zeitschrift für integrative Erziehung Nr. 1-99 Gemeinsam leben (1/1999)
Copyright: © Luchterhand 1999

Editorial Gemeinsam leben Nr. 1-99

Den Leserinnen und Lesern von GEMEINSAM LEBEN wird mit dieser Ausgabe ein Überblick gegeben über die derzeit geführte Diskussion um Qualität, Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung, Qualitätsmanagement, Sozialmanagement, Budgetierung und die vielen anderen wie eine riesige aus der Betriebswirtschaftslehre auf den gesamten Bereich sozialer Dienste und Dienstleitungen überschwappenden Welle. Bitte betrachten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dieses nicht als eine Zumutung. Wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, mit diesem Thema auseinandersetzen, um nicht der Gefahr zu erliegen, daß uns von außen etwas aufgezwungen wird, das wir nicht mehr beeinflussen können, weil wir die Diskussion verschlafen haben.

Wer hat diese Debatte eigentlich ausgelöst? Wem hilft sie? Wozu ist diese Debatte gut? Das FORUM stellt sich diesen Fragen und gibt in vier Beiträgen sehr unterschiedliche Antworten.

Nicht alle werden die Einschätzung von Hans Dietrich Engelhardt teilen, wenn er auf die kritische Frage "Wozu nützt Sozialmanagement? antwortet, der Gesetzgeber habe bisher zwar die sozialen Einrichtungen und Dienstleistungen finanziert, bisher jedoch kaum Einfluß auf die inhaltliche Ausgestaltung der Hilfen genommen. Eine Änderung dieser Praxis könne brach liegende Ressourcen aktivieren und damit die Qualität sozialer Dienstleistungen verbessern, ohne sie teurer zu machen.

Peter Gerull gibt einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand unterschiedlicher Meinungen in der Qualitätsdebatte und setzt sich mit den aufgeworfenen Fragestellungen kritisch auseinander. Er kommt dabei zu dem eher skeptischen Ergebnis, die ganze Diskussion nutze zuerst den Unternehmensberatern, welche den verunsicherten Sozialmanagern und Vorständen von Trägern sozialer Einrichtungen zeigen, wo es lang zu gehen habe.

Helga Treeß hält die ganze Debatte für überflüssig und sieht im Ergebnis nur "einen alten Hut mit neuer Schleife". Sie lenkt den Blick auf die Notwendigkeit, endlich damit zu beginnen, sozialraumorientierte Integrationskonzepte zu entwickeln. Diese Notwendigkeit werde in der augenblicklichen Qualitätsdebatte eher vernachlässigt. Abschließend stellt sie dem in Peter Gerulls Beitrag aufgelisteten Überblick über Ansätze der Qualitätssicherung einen Tauglichkeitstest für sozialpädagogische Einrichtungen gegenüber, der es wert ist, jeder Einrichtung gleichsam als Spiegel vorgehalten zu werden. - Bitte liebe Leserin, lieber Leser, machen Sie sich die Mühe, und prüfen Sie an Hand dieses Tests beispielsweise die Tagesstätte, in welche Sie an jedem Morgen Ihr Kind bringen. Das ist bedeutungsvoller, als eine Zertifizierung der Einrichtung nach der europäischen Norm ISO 9000 durch einen staatlich geprüften Auditor "mit schwarzem Köfferchen".

Gottfried Koppold schließlich gelangt zu der Auffassung, daß die Qualitätsdebatte, so wie sie angelegt ist, weitgehend nur in den Chefetagen der Träger geführt wird und sich auf der Ebene der in der Pflege, Betreuung und Erziehung Tätigen kaum auswirkt. Dort herrschen ganz andere Fragestellungen und Probleme vor!

Die beiden WERKSTATTBERICHTE setzen sich mit der Qualitätsdebatte aus dem Blickwinkel unmittelbarer Praxisbegegnung auseinander. Jutta Hagen sieht in dieser Debatte vor allem ein Mittel zur Kostenreduzierung und warnt vor der Übernahme betriebswirtschaftlicher Steuerungsmodelle in die soziale Arbeit.

So sieht es auch Gusti Steiner. Für ihn ist die Budgetierung sozialer Dienstleistungen eine Sozialdemontage zu Lasten behinderter und hilfebedürftiger Menschen. Er weist auf den Widerspruch zwischen dem gesetzlich garantierten Anspruch auf Hilfe und der Unmöglichkeit hin, diesen Anspruch einzulösen, wenn beispielsweise das Budget ausgeschöpft ist oder geschont werden soll.

Auch die Rubrik RECHT reiht sich der Diskussion um Qualitätssicherung ein, wenn der Jurist Peter Mrozynski darlegt, was nach der neuen Rechtsprechung als Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung anerkannt wird - und was nicht.

Das BAG INFO enthält als dominierendes Element einen Beitrag zur Qualitätsdebatte, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so scheinen mag. Georg Feuser führt die Debatte wieder zurück auf das Eigentliche, auf die Menschen, um die es zuerst gehen muß, wenn er daran erinnert "Die Würde des Menschen ist unantastbar!". Darüber hinaus rundet das BAG INFO das Spektrum mit vielen Nachrichten und Informationen in gewohnter Weise ab.

Die Herausgeber hoffen, mit diesem "Themenheft" einen Beitrag zur Qualitätsdebatte geleistet zu haben, welcher den Blick nicht vernebelt, sondern ein wenig zum klaren Durchblick verhilft.

Klaus-Rainer Martin / Peter Mrozynski

Quelle:

Klaus-Rainer Martin, Peter Mrozynski: Editorial Gemeinsam leben Nr. 1-99

Erschienen in: Gemeinsam leben - Zeitschrift für integrative Erziehung Nr. 1-99

Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied 1999

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 07.06.2005

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