Qualität auf lange Sicht

Zur Nachhaltigkeit der von Integrationsfachdiensten vermittelten Arbeitsverhältnisse

Autor:in - Stefan Doose
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erstveröffentlichung in: Impulse (2004) - Zeitung der BAG UB, H.29, 3-7.
Copyright: © Stefan Doose 2004

Wie stabil und dauerhaft ist die berufliche Integration der vermittelten Menschen mit Behinderungen?

Die Beschäftigungssituation von neu eingestellten ArbeitnehmerInnen mit Schwerbehinderung gilt allgemein als instabil. Knapp die Hälfte aller schwerbehinderten ArbeitnehmerInnen schied nach einer älteren allgemeinen Untersuchung von SADOWSKI/ FRICK (1992, 102), die sich nicht auf die Vermittlungen von Integrationsfachdiensten bezog, innerhalb der ersten drei Jahre ihrer Beschäftigung im Betrieb wieder aus. "Rund 21% scheiden im Laufe des ersten Jahres nach Einstellung im Betrieb aus, 18% während des zweiten Jahres und weitere 9% während des dritten Jahres". KASTL/ TROST (2002) kommen in ihrer neueren Untersuchung bezogen auf die Integrationsfachdienste des Bundesmodellprojektes zu dem Ergebnis, dass behinderungsübergreifend nach ein bis anderthalb Jahren noch knapp 70% in ihrem ersten Arbeitsverhältnis und 7,2% in einem neuen Arbeitsverhältnis sind, fast 23% sind zu dem Zeitpunkt der Befragung nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt.

Über die langfristige Entwicklung der Arbeits- und Lebenssituation der von Integrationsfachdiensten und Werkstätten für behinderte Menschen vermittelten ArbeitnehmerInnen und die Nachhaltigkeit der beruflichen Eingliederung über die ersten drei Jahre hinaus gibt es bislang trotz der zahlreichen Begleitforschungen der Modellprojekte in diesem Bereich (u.a. KASTL/TROST 2002, ZENTRAS 2000, LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND 2000, BARLSEN, BUNGART U.A. 1999) keine Untersuchungen. Dies liegt daran, dass die bisherigen Begleitforschungen nur die Modellprojektphasen der Integrationsfachdienste in den ersten drei bis fünf Jahre untersucht haben. Berücksichtigt man dann noch eine Aufbauphase

der Dienste bis die ersten Vermittlungen erfolgten, so war bei Abschluss der Untersuchungen kaum eine ArbeitnehmerIn mehr als drei Jahre beschäftigt. Dies wird auch in den Begleitforschungen selber als wichtiges Informationsdefizit angesehen (TROST/KüHN 2001,167, ZENTRAS 2000, 84, BARLSEN 2001, 57), so stellt beispielsweise die Begleitforschung der Modellprojekte des Landschaftsverbandes Rheinland (2000,174) fest: "Bedauerlicher Weise kann die Begleitforschung keine empirisch gestützte Aussage zur Nachhaltigkeit der im Modellvorhaben erfolgten Eingliederungen machen." BARLSEN (2001, 57) stellt zusammenfassend fest: "Es fehlen Längsschnittsstudien, die Aufschluss darüber geben, ob durch IFD tatsächlich dauerhafte Arbeitsverhältnisse angebahnt werden, oder ob sie lediglich kurzfristige Mobilitätsprozesse zwischen dem allgemeinen und dem Sonderarbeitsmarkt initiieren, wiederholte Eingliederungsanstrengungen also eine unumgängliche Aufgabe sind."

Für langfristige Untersuchungen existieren die seit dem Jahr 2000 neu aufgebauten Integrationsfachdienste noch nicht lange genug, dafür könnten aber die Erfahrungen und Ergebnisse der alten Integrationsfachdienste, die von den Integrationsämtern (damals noch Hauptfürsorgestellen genannt) in den neunziger Jahren aufgebaut wurden, erste wichtige Hinweise liefern. Zurzeit laufen gerade zwei Forschungsprojekte, die die langfristige Entwicklung der Arbeits- und Lebenssituation der vermittelten Menschen mit Behinderungen aus diesen Integrationsfachdiensten bzw. Vermittlungsdiensten von Werkstätten für behinderte Menschen bundesweit (Universität Bremen[1]) bzw. im Hinblick auf die Integrationsfachdienste des damaligen Modellprojektes für Menschen mit Lern- und geistiger Behinderung in Westfalen-Lippe (Universität Münster) untersuchen. Die Ergebnisse aus diesen Forschungsprojekten werden im nächsten Jahr vorliegen.

Diskutiert man mit IntegrationsberaterInnen die Frage der Dauerhaftigkeit von Vermittlungen und der Nachhaltigkeit der beruflichen Integration, so erhält man teilweise recht unterschiedliche und wage Angaben wie "Ich glaube gut, weiß es aber nicht." oder "sehr unterschiedlich" - insgesamt wird eingeschätzt, dass die Zahlen sehr vom Integrationsfachdienst, der vermittelten Zielgruppe und der regionalen Arbeitsmarktlage abhängen. Die Einschätzungen, wie viele der vermittelten Personen nach 5 Jahren noch in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert sind, schwanken zwischen 10% und 80%, wobei immerhin Zweidrittel der IntegrationsberaterInnen, die Quote bei über 50% sehen. Diese Diskussionsergebnisse sind sicherlich keine repräsentativen Befragungen, können aber vielleicht erste Hinweise zur Beantwortung der Fragestellung liefern. Festzuhalten bleibt außerdem, dass es in den wenigsten Integrationsfachdiensten oder Integrationsämtern intern gesicherte und im Sinne einer Qualitätssicherung systematische Erkenntnisse gibt, was aus den vermittelten Personen geworden ist. Dabei wären Erkenntnisse über langfristige Effekte von Eingliederungsbemühungen sowohl im Hinblick auf die Wirksamkeit der Maßnahmen als auch für die Weiterentwicklung der Dienstleistung von Integrationsfachdiensten und von nachhaltigen und langfristigen Förderinstrumenten der beruflichen Integration von entscheidender Bedeutung.



[1] Die Untersuchung mit dem Arbeitstitel "Einige Jahre später - die Lebens- und Arbeitssituation von Menschen mit Behinderung in Unterstützer Beschäftigung. Verbleibsstudie zur Situation der von Integrationsfachdiensten und Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelten Menschen mit Behinderungen." wird vom Autor derzeit im Rahmen einer Dissertation an der Universität Bremen durchgeführt.

Welche Faktoren beeinflussen positiv die Nachhaltigkeit der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen?

Fragt man erfahrene IntegrationsberaterInnen nach den Faktoren, die positiv die Stabilität der durch die Integrationsfachdienste vermittelten Arbeitsverhältnisse beeinflussen, kristallisieren sich einige wichtige unterstützungssystembedingte, betriebsbedingte und arbeitnehmerbedingte Faktoren heraus:

Unterstützungssystembedingte Gründe:

1. Passgenaue Vermittlung

Der Grundstein für ein langfristig erfolgreiches Arbeitsverhältnis wird bereits bei der Vermittlung gelegt. Es ist wichtig, dass die ArbeitnehmerIn und der Betrieb gut zu einander passen. Sorgfalt in der Erstellung eines Fähigkeitsprofils und der Arbeitsplatzanalyse, ein Gespür dafür, ob "die Nasen zueinander passen" zahlt sich langfristig aus. ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen müssen gut über Anforderungen und Unterstützungsleistungen beraten werden, eventuelle Probleme sollten lösungsorientiert angesprochen werden und Vermittlungen nicht um jeden Preis forciert werden. Schnelle Vermittlungen, die wenig Rücksicht darauf nehmen, ob der Arbeitsplatz zu dem Arbeitssuchenden und seinen Interessen und Motiven zu arbeiten passt, zählen vielleicht als erfolgreiche Vermittlung für die Statistik und Vergütung, sind längerfristig aber problematisch. MANK (1997) fand bereits vor einigen Jahren in einer Studie in den USA heraus, dass Kompromisse hinsichtlich der Arbeitssituation am Anfang eines Arbeitsverhältnisses z.B. hinsichtlich der Vergütung, der Arbeitsbedingungen, der Tätigkeit oder der sozialen Integration, sich meist durch das gesamte Arbeitsverhältnis fortsetzen und sich nicht nach einiger Zeit automatisch verbessern.

2. Gute Unterstützungsinstrumentarien

Der Integrationsfachdienst benötigt gerade in der Anfangszeit ein gutes, verlässliches Instrumentarium von gesetzlichen Förderleistungen wie Lohnkostenzuschüssen, Arbeitsplatzausstattung, Qualifizierungsmaßnahmen am Arbeitsplatz, (Job-)Coaching, Arbeitsassistenz, die einzelfallbezogen und unbürokratisch zugänglich sind. Dabei ist nicht die Höhe in den ersten Monaten entscheidend (eine 120 oder 100% Förderung kann eine ArbeitnehmerIn auch entwerten), sondern ein kalkulierbarer, realer Ausgleich für den Zeitraum der Leistungsminderung. Für einen bestimmten Personenkreis sind auch langfristige Lohnkostenzuschüsse und personale Unterstützung für die dauerhafte berufliche Integration unerlässlich. Berthold DEUSCH vom Integrationsamt schätzte im Workshop auf der BAG UB Tagung, dass ca. 60% der Personen der Zielgruppe des Integrationsfachdienstes nach seinen Erfahrungen längerfristige Unterstützungsleistungen benötigen, um beruflich integriert zu sein.

3. Gute langfristige Begleitung durch guten Integrationsfachdienst

Als ein wesentlicher positiver Faktor, der die Dauerhaftigkeit der beruflichen Integration beeinflusst, wird von den erfahrenen IntegrationsberaterInnen eine aktive, angemessene, langfristige Begleitung durch den Integrationsfachdienst genannt. Die Integrationsfachdienste müssen über die Vermittlung hinaus als zuverlässiger Ansprechpartner und aktiver Begleiter fungieren.

4. Im Gespräch bleiben - ein nicht abreißender, regelmäßiger Kontakt zwischen Integrationsfachdienst, Betrieb und ArbeitnehmerIn

Dabei ist es nach Einschätzung der IntegrationsberaterInnen für die Nachhaltigkeit von Vermittlungen von zentraler Bedeutung, dass der Integrationsfachdienst, Betrieb und ArbeitnehmerIn im Gespräch bleiben und ein regelmäßiger Kontakt gepflegt wird. Die Häufigkeit und Art der Rückmeldung sollte dabei zwischen den Beteiligten klar vereinbart werden. Die Rückmeldung sollte auch über die einfache Frage "Läuft alles gut?" hinausgehen und offener bestimmte kritische Bereiche ansprechen. Sonst erlebt die IntegrationsberaterIn vielleicht, dass ihr immer mit "Ja" geantwortet wird, bis die KollegInnen oder die ArbeitgeberIn plötzlich explodieren und sagen "Das können wir nun nicht mehr leisten!". Wichtig ist es, dass sowohl die ArbeitgeberIn als auch die ArbeitnehmerIn sich bei Problemen einfach beim Integrationsfachdienst melden können und dort eine vertraute AnsprechpartnerIn haben. Dazu ist eine professionelle Konstanz durch den Integrationsfachdienst wichtig. Der Integrationsfachdienst sollte zwischen den vereinbarten regelmäßigen Kontakten sozusagen auf "stand by" stehen und jederzeit aktiviert werden können. Im regelmäßigen positiven Kontakt mit der ArbeitnehmerIn und Betrieb zu sein, ermöglicht es nicht nur möglichst frühzeitig bei auftretenden Problemen zu vermitteln, sondern hilft häufig auch im Laufe der Zeit weitere Arbeitsplätze zu erschließen. Zufriedene ArbeitgeberInnen sind außerdem immer noch die beste Werbung für die Arbeit des IFD, die man übrigens auch gezielt für Empfehlungen an andere ArbeitgeberInnen nutzen kann.

5. Rechtzeitige Krisenintervention

Die Chance des Integrationsfachdienstes liegt darin auf der Basis des regelmäßigen Kontaktes und eines aufgebauten Vertrauensverhältnisses früher von Problemen zu erfahren als dies z.B. den Integrationsämtern möglich ist. Diese Stellen werden nämlich oft erst in einem so späten Stadium der Kriseneskalation im Kündigungsverfahren eingeschaltet, dass es oft schwer ist zu diesem Zeitpunkt selbst mit großzügigen Fördermitteln ein funktionierendes Arbeitsverhältnis zu erhalten. Eine schnelle und vor allem niedrigschwellige Hilfe bei Problemen durch den Integrationsfachdienst kann dagegen selbst Arbeitsverhältnisse mit häufiger auftretenden Problemen durch die Vermittlung des Integrationsfachdienstes zwischen ArbeitgeberInnen bzw. KollegInnen und den ArbeitnehmerInnen nachhaltig stabilisieren.

Betriebsbedingte Gründe:

1. Günstige wirtschaftliche Lage und gesunde wirtschaftliche Struktur des Betriebes

Eine wesentliche Voraussetzung für die Dauerhaftigkeit von Arbeitsverhältnissen der vermittelten Menschen mit Behinderungen ist natürlich eine günstige wirtschaftliche Lage mit einer gesicherten Auftragslage für den Betrieb. Tatsächlich kann man feststellen, dass eine Reihe von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung oft auch nach jahrelanger beruflicher Integration nicht wegen ihrer Behinderung oder personenbedingten Gründen den Arbeitsplatz verlieren, sondern aus betriebsbedingten Gründen, die in der wirtschaftlichen Lage des Betriebes liegen.

2. Gutes Betriebsklima

Ein wesentlicher Faktor für die Dauerhaftigkeit von Arbeitsverhältnissen und die Integration im Betrieb ist ein gutes Betriebsklima. Das soziale Setting am Arbeitsplatz, wie die KollegInnen zueinander passen, aber auch wie die Führungskultur ist, beeinflussen die Integration am Arbeitsplatz und damit auch die Stabilität des Arbeitsverhältnisses erheblich. Offenheit, Toleranz und Integrationsbereitschaft auf Seiten des Arbeitgebers ist eine gute Basis für ein langfristig gelingendes Arbeitsverhältnis. Es lohnt sich also langfristig nach guten Betrieben zu suchen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, anstatt auf eine einfache Platzierung in Betrieben mit schlechtem Betriebsklima und einer hohen Fluktuation zu setzten.

3. Installation einer AnsprechpartnerIn im Betrieb

Ein unterstützender fester Ansprechpartner (Mentor) im Betrieb ist nach Einschätzung der IntegrationsberaterInnen gerade in der Anfangszeit ebenfalls ein positiver Faktor, wobei es wichtig ist im Laufe der Zeit verschiedene Personen im Betrieb bewusst mit einzubeziehen. Wie wichtig eine solche Person sein kann, zeigt sich negativ oft dann, wenn diese Person geht und kurze Zeit später das Arbeitsverhältnis der ArbeitnehmerIn mit Behinderung gefährdet ist, weil keine neue unterstützende AnsprechpartnerIn gefunden wurde.

Arbeitnehmerbedingte Gründe:

1. Motivation der ArbeitnehmerIn

Die Motivation der ArbeitnehmerIn ist ein wichtiger positiver Faktor für das Gelingen eines Arbeitsverhältnisses. Die Motivation der ArbeitnehmerIn an dem Arbeitsplatz wird umso dauerhafter sein, sofern bei der Arbeitsvermittlung ihre Beweggründe zu arbeiten und ihre Interessen berücksichtigt wurden. Ein schneller Abbruch ist dagegen bei ArbeitnehmerInnen wahrscheinlich, die mehr aus äußerem Druck vom Integrationsfachdienst, dem Arbeitsamt oder

den Verwandten ein Arbeitsverhältnis aufgenommen haben, obwohl es ihren eigentlichen Interessen nicht entsprach.

2. Schlüsselqualifikationen, soziale Kompetenz und persönliche Stabilität

Schlüsselqualifikationen, und dabei neben den Arbeitstugenden besonders soziale Kompetenzen der ArbeitnehmerIn, sind ein wichtiger Faktor für die Stabilität von Arbeitsverhältnissen. Dabei sind Schlüsselqualifikationen nicht Charaktereigenschaften eines Menschen, sondern können gerade bei Personen, die lange nicht mehr oder noch nie im Arbeitsleben waren durch gezieltes Coaching durch den Integrationsfachdienst unterstützt werden. Wichtig ist, dass positive Beziehungen zu KollegInnen aufgebaut und gepflegt werden können.

Die persönliche Stabilität der ArbeitnehmerIn und ihres privaten Umfeldes ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, der durch die Begleitung des Integrationsfachdienstes und der Anregungen einer sinnvollen individuellen Freizeit- und Lebensgestaltung und der Vermittlung von Hilfen bei persönlichen Krisen gestützt werden kann.

3. Qualifikation und Arbeitsleistung der ArbeitnehmerIn passt zum Arbeitsplatz

Die Arbeitsleistung der ArbeitnehmerIn muss im Rahmen der betrieblich erwarteten Bandbreite liegen, was nicht immer eine 100% Leistung bedeutet. Wichtig ist, dass der Arbeitsplatz mit seinen Anforderungen zu der Arbeitnehmerin mit ihren Qualifikationen und Fähigkeiten passt.

Die hier getrennt aufgeführten Faktoren wirken natürlich zusammen und es ist oft mehr eine Frage der "Passung" (des "matching" wie es die Amerikaner nennen) von Arbeitsplatzanforderungen und Fähigkeiten, der sozialen Kompatibilität von KollegInnen oder des Unterstützungsbedarfes und Unterstützungsangebotes. Der Integrationsfachdienst hat jedoch bei vielen Faktoren einen Ansatzpunkt durch die Art seines Dienstleistungsangebotes die Nachhaltigkeit von Arbeitsverhältnissen zu unterstützen. Dafür müssen aber auch die entsprechenden Fördermöglichkeiten gegeben sein.

Betrachtet man die negativen Faktoren, die eine Nachhaltigkeit der Vermittlungen negativ beeinflussen können, findet man vielfach die Umkehrung der positiven Faktoren:

Schnelle Vermittlungen, wenig Zeit und Ressourcen für Beratungen und Erstellung eines Fähigkeitsprofils und einer Arbeitsplatzanalyse, unzureichende und unzuverlässige Fördermittel, wenig Begleitung in der Einarbeitungsphase, keine professionelle Konstanz zwischen Vermittlung und langfristiger Begleitung durch die Organisation der beiden Bereiche in unterschiedlichen Diensten mit unterschiedlichen Mitarbeitern. Die Liste der Risikofaktoren liest sich leider teilweise so wie eine Beschreibung der derzeitigen IFD Praxis in vielen Regionen.

Es ist wirtschaftlich unsinnig die Kosten für eine Vermittlung möglichst gering halten zu wollen und außerdem z.B. die Begleitung in der Einarbeitungsphase oder Job-Coaching nicht hinreichend zu finanzieren, ohne über die Folgekosten im weiteren Verlauf der beruflichen Integration nachzudenken. Den wahren Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung kann man eben oft nur erkennen, wenn man einen längeren Zeitraum betrachtet (was man im Alltag beim Kauf eines Autos oder eines Tintenstrahldruckers oft eindrücklich erlebt). Der Integrationsfachdienst, wie er zurzeit an vielen Orten organisiert und finanziert ist, verliert sein Potential als integriertes Dienstleistungsangebot.

Integrationsfachdienste wurden bei der gesetzlichen Verankerung im SGB IX bewusst nicht als reine Vermittlungsdienste (Vermittlung Dritter für die Bundesagentur für Arbeit) angelegt, sondern als leistungsträgerübergreifende, betriebsnahe Dienst, die als Kernmerkmal immer Aufgaben der Vermittlung und Begleitung integrativ umfassen (s. Aufgabenbeschreibung §110 SGB IX). In der Praxis ist jedoch teilweise eine andere Entwicklung zu beobachten. Beim Aufbau der neuen Integrationsfachdienste wurden in vielen Regionen Verbünde geschaffen, bei denen die Vermittlung und Begleitung in verschiedenen Diensten getrennt sind. Die historisch gewachsene Struktur und die unterschiedliche Finanzierungsstruktur und geteilte Verantwortung der Bereiche durch das Arbeitsamt und das Integrationsamt begünstigte diese Entwicklung, obwohl sie eigentlich im Gegensatz zur Intention des SGB IX steht. Das einheitliche Instrumentarium zerfiel vielerorts in einen Integrationsfachdienst Vermittlung und einen Integrationsfachdienst Begleitung. Damit wird eine künstliche Schnittstelle geschaffen, an der häufig ein Verlust von wichtigen Informationen und vertrauten Kontaktpersonen erfolgt, wenn es überhaupt zu einer offiziellen Übergabe kommt. Dies ist sowohl für die Vermittlung kontraproduktiv, weil sie sich ihrer aufgebauten positiven Betriebskontakte beraubt, als auch für die Begleitung, weil ein Vertrauensverhältnis oft neu aufgebaut werden muss. Wenn es denn stimmt, was in den Gesprächen mit den IntegrationsberaterInnen immer wieder deutlich wurde, dass es für die Nachhaltigkeit von vermittelten Arbeitsverhältnissen entscheidend ist, mit dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Gespräch zu bleiben, ein Vertrauensverhältnis zum Integrationsfachdienst und den IntegrationsberaterInnen aufzubauen, um so Probleme rechtzeitig zu erkennen und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, dann die derzeitige Organisationsstruktur ein negativer Faktor. Ein einheitlicher Integrationsfachdienst, der seine Ressourcen nach den Erfordernissen flexibel auf die MitarbeiterInnen verteilen kann und auch alle im §110 SGB IX aufgezählten Aufgaben im Prozess der beruflichen Integration so vergütet bekommt, dass er sie auch ausführen kann, wäre nicht nur im Sinne des Gesetzes, sondern auch bezogen auf die Nachhaltigkeit der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen sinnvoll.

Durch die Art der Zuweisung des Arbeitsamtes und die Finanzierungsstruktur wurde der Integrationsfachdienst Vermittlung zu einer Schwerbehindertenvermittlung, die die gemeldeten arbeitslosen Schwerbehinderten der Bundesagentur für Arbeit in möglichst großer Zahl vermitteln soll und für den über die Probezeit hinaus die Nachhaltigkeit der vermittelten Arbeitsverhältnisse irrelevant ist. Dabei ergab sich auch noch eine Zielgruppenverschiebung, bei der ein Teil der Zielgruppe des §109 SGB IX wie z.B. schwerbehinderte Menschen aus Werkstätten für behinderte Menschen oder schwerbehinderte Schulabgänger faktisch nicht erreicht wurde. Von den 35.191 Zugängen zum IFD im Jahr 2002 kamen nur 69 (!) aus der WfbM und nur 95 (!) waren schwerbehinderte Schulabgänger (BUNDESREGIERUNG 2003). Die Zielgruppenverschiebung betrifft darüber hinaus insbesondere Personen mit einem besonderen Bedarf an arbeits- und berufsbegleitender Betreuung wie z.B. die im Gesetz ausdrücklich genannten Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung oder mit einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, bei denen die Vermittlung eines Arbeitsplatzes alleine keine hinreichende Unterstützung darstellt, da sie den Arbeitsplatz ohne weitere Begleitung leicht wieder verlieren. Der Gesetzgeber hat dies zumindest teilweise erkannt und mit den Anfang des Jahres beschlossenen Änderungen des SGB IX die Rolle des Integrationsfachdienstes insgesamt sowie bei der Begleitung von SchulabgängerInnen und Auszubildenden gestärkt und die Förderungsmöglichkeiten beim Übergang aus der Werkstatt für behinderte Menschen verbessert, sowie die Strukturverantwortung für die IFD ab dem 1.1.2005 einheitlich bei den Integrationsämtern gebündelt. Ob diese Maßnahmen ausreichen werden, um die gesetzliche Zielgruppe tatsächlich zu erreichen und dauerhafte Eingliederungen zu ermöglichen, wird sich zeigen und nicht zuletzt von der Art der Finanzierung abhängen.

Die Integrationsfachdienste vermittelten im Jahre 2002 7.555 Personen mit Schwerbehinderung auf den ersten Arbeitsmarkt, was einer Vermittlungsquote von ca. 21,5% entspricht. Dies ist eine bemerkenswerte Leistung angesichts der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsmarktes und der kurzen Zeit des Bestandes der Dienste sowie angesichts der Tatsache, dass sonst nur die wenigsten schwerbehinderten Arbeitslosen durch eine Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt aus der Arbeitslosigkeit ausscheiden (vgl. RAUCH, BREHM 2003). Die Vermittlungsquote sank zwar gegenüber den Modellprojekten der Integrationsfachdienste, wo sie zwischen 25 und 50% lag (VGL. KASTL/ TROST 2003, BARLSEN 2001), wobei diese Integrationsfachdienste in der Regel einen freien Zugang hatten, so dass überwiegend Personen in die Betreuung aufgenommen wurden, die eine klare Motivation zu arbeiten hatten, aber auch überwiegend zu dem Personenkreis gehörten, der einen besonderen Bedarf an arbeits- und berufsbegleitender Betreuung hatten, wie z.B. Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung. Die Vermittlung auch dieses Personenkreises ist also mit entsprechender Unterstützung möglich.

Die Qualität von Integrationsfachdiensten sollte in Zukunft weniger an Vermittlungsquoten gemessen werden, sondern breiter den gesamten Dienstleistungsprozess umfassen (s.a. die vorliegenden Qualitätskriterien QUIP 2003, BUNGART, SUPE, WILLEMS U.A. 2000) und die Nachhaltigkeit der Vermittlungen im Sinne der langfristigen beruflichen Integration einbeziehen. Dies heißt nicht, dass Menschen mit Behinderung bis zur Pensionierung an einer Stelle bleiben sollen, sondern sie gerade beim Wechsel, der Weiterqualifizierung und beruflichen Karriereplanung so unterstützt werden, dass sie langfristig im Arbeitsleben integriert bleiben. Die Integration in Arbeit sollte dabei subjektiv zur gesellschaftlichen Teilhabe und Lebensqualität beitragen.

Noch wissen wir wenig über die tatsächliche Nachhaltigkeit von vermittelten Arbeitsverhältnissen und deren Auswirkung auf die Arbeits- und Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen und inwieweit sich diese von nicht behinderten ArbeitnehmerInnen unterscheidet. Verbleibsstudien und Berufsverlaufsforschungen sollten in nächster Zeit im gesamten Bereich der beruflichen Rehabilitation an Bedeutung gewinnen, um die Instrumente der beruflichen Integration insgesamt und insbesondere die Dienstleistungen der Integrationsfachdienste weiter zu entwickeln. Die ersten Hinweise, die sich in den Diskussionen mit den IntegrationsberaterInnen ergeben haben, geben allerdings genug Anlass die derzeitige Förderpolitik im Bereich der Arbeitsverwaltung sowie die Finanzierung, Organisation und Dienstleistungserbringung der Integrationsfachdienste vielerorts kritisch auf deren Auswirkungen auf die langfristige Nachhaltigkeit der Vermittlungen zu hinterfragen.

Literatur:

BARLSEN, Jörg/BUNGART, Jörg/HOHMEIER, Jürgen/MAIR, Helmut: Integrationsbegleitung in Arbeit und Beruf von Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung. Eine Untersuchung der Integrationsfachdienste in Westfalen-Lippe. Abschlussbericht. Westfälische-Wilhelms-Universität, im Forschungsauftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe - Hauptfürsorgestelle (Hrsg.). Münster 1999.

BARLSEN, JöRG: Unterstützte Beschäftigung und Integrationsfachdienste im Spiegel empirischer Forschung. In: BARLSEN, HOHMEIER 2001, 39-64.

BARLSEN, JöRG/HOHMEIER, JüRGEN (HRSG.): Unterstützte Beschäftigung im System der beruflichen Rehabilitation - Neue berufliche Chancen für Menschen mit Behinderung. Düsseldorf 2001.

BUNDESREGIERUNG: Bericht der Bundesregierung nach § 160 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) über die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen. Berlin 2003 In: http://www.bundesregierung.de/Anlage495899/Bericht+der+Bundesregierung+%FCber+die+Besch%E4ftigungssituation+schwerbehinderter+Menschen.pdf (Stand 25.1.2004)

BUNGART, JöRG/ SUPE, VOLKER WILLEMS, PETER/ HOHMEIER, JüRGEN/ MAIR, HELMUT: Handbuch zum Qualitätsmanagement in Integrationsfachdiensten. Münster 2000.

DOOSE, STEFAN: Ein (Arbeits-)Leben außerhalb der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)? Die langfristige Entwicklung der Lebens- und Arbeitssituation von Menschen mit Behinderungen in Unterstützter Beschäftigung. In: HERMES, Gisela/ KöBSELL, Swantje (Hrsg.): Disability Studies in Deutschland - Behinderung neu denken! Dokumentation der Sommeruni 2003. Kassel 2003, 242-247.

DOOSE, STEFAN: Berufliche Integration von Menschen mit Behinderung. In: EBERWEIN, Hans & KNAUER, Sabine (Hrsg.): Integrationspädagogik. Kinder mit und ohne Beeinträchtigung lernen gemeinsam. 6. Auflage von: EBERWEIN, Hans (Hrsg.): Behinderte und nichtbehinderte lernen gemeinsam. Handbuch der Integrationspädagogik. Weinheim/Basel 2002, 245-263.

DOOSE, STEFAN: Kündigungen in Unterstützter Beschäftigung. Ergebnisse aus der Befragung von Integrationsfachdiensten im Juni 1995. In: Impulse - Zeitung der BAG UB (1996), H. 1, 18.

KASTL, JöRG-MICHAEL / TROST, RAINER: Integrationsfachdienste zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung in Deutschland. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung zur Arbeit der Modellprojekte des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung in 16 Bundesländern. Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Fakultät für Sonderpädagogik Reutlingen 2002. In: http://www.bmgs.bund.de/download/broschueren/F295Gesamt.pdf (Stand: 25.1.04)

LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND (HRSG.): Übergänge von der Sonderschule - WfB in das Erwerbsleben. Köln 2000.

MANK, DAVID, CIOFFI, ANDREA.; YOVANOFF, PAUL : Analysis of the typicalness of supported employment jobs, natural supports, and wage and integration outcomes. In: Mental Retardation (1997), H. 3, 185-197.

QUIP-PROJEKT: Perspektiven der Qualität von Unterstützter Beschäftigung. In: impulse (2003) H. 26, 9-13. s.a. http://www.quip.at/ (Stand: 25.1.04)

RAUCH, ANGELA; BREHM, HANNELORE: Licht am Ende des Tunnels? Eine aktuelle Analyse der Situation schwerbehinderter Menschen am Arbeitsmarkt. In: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (Hrsg.): IAB Werkstattbericht Nr. 6, Nürnberg 17.4.2003. Zugl.: http://doku.iab.de/werkber/2003/wb0603.pdf (Stand: 25.1.04)

SADOWSKI, DIETER, FRICK, BERND: Die Beschäftigung Schwerbehinderter. Betriebswirtschaftliche Analysen und politische Empfehlungen. Idarstein 1992.

TROST, RAINER, KüHN, AXEL D.: Berufliche Qualifizierungsinitiative für Menschen mit Behinderung in Werkstätten für Behinderte in Bayern 1993-2000. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung, Nürnberg 2001.

ZENTRAS (ZENTRUM FüR ARBEIT UND SOZIALES): Modellprojekt ‚Integrationsfachdienste in Rheinland-Pfalz, Abschlussbericht zur Begleitforschung, Universität Trier 2000.

Kontakt:

Stefan Doose, Lindenstr. 5, 23558 Lübeck, Tel. 0451 8804777, Email: stefan.doose@t-online.de

Quelle:

Stefan Doose: Qualität auf lange Sicht. Zur Nachhaltigkeit der von Integrationsfachdiensten vermittelten Arbeitsverhältnisse.

erschienen in: Impulse (2004) - Zeitung der BAG UB, H.29, 3-7.

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 03.02.2005

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation