Von Krisenerzählungen über Parteien zur Beobachtung von Praktiken der Exklusion

Eine programmatische Einführung

Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Zeitschrift Momentum Quarterly – Zeitschrift für Sozialen Fortschritt / Journal for Societal Progress, Vol.2, No. 2 (2013), p. 57–66.
Copyright: @ Laura Dobusch und Katharina Kreissl und Jasmin Siri 2013

Von Krisenerzählungen über Parteien zur Beobachtung von Praktiken der Exklusion. Eine programmatische Einführung

Wenn man von Parteien spricht und liest, dann spricht und liest man in den meisten Fällen von ihren Krisen und Problemen, davon, dass es doch mal besser war und nie mehr besser wird. Parteien sind nicht beliebt, und so manche_r diagnostizierte ihnen daher schon, dass sie sich selbst überflüssig machen würden. Es scheint, als wüssten viele Beobachter_innen immer schon genau, was in Parteien vorginge, als erübrige sich bei diesen Organisationen eine Untersuchung. Und doch sind Parteien – bei aller scheinbaren Unbeliebtheit – ein Bestandteil moderner Demokratien. Es gibt bisher keine Staatsform, die ohne Parlamente und ohne feste Gruppen, die diese Parlamente besetzen, auskommt. Parteien sind also bei allen Abgesängen ein zumindest noch nicht substituierbarer Bestandteil moderner Demokratien und es lohnt sich daher, sie aufmerksam zu studieren.

Parteien als Organisationen betrachten

Tut man dies, so gerät zweierlei in den Blick[1]: Parteien sind erstens Organisationen wie „alle anderen auch“ – sie unterscheiden sich in ihrer Funktionslogik gar nicht so sehr von Unternehmen, Kirchen oder Krankenhäusern, ja, sie haben sogar manchmal genau die gleichen Probleme (Luhmann 1992; Siri 2012: 99ff., 147ff.). Nun steht etwa ein organisationssoziologischer Vergleich der europäischen Sozialdemokratie und der katholischen Kirche nicht völlig zu Unrecht noch aus: An beiden kann sich aber beobachten lassen, wie organisationaler Wandel historisch „alter“ Organisationen zu spezifischen Problemen führt, die dann durch Reformen in den Griff bekommen werden sollen. Während die Sozialdemokratien Europas ihre historischen Erfolge mit dem Verschwinden der Arbeiter_innenbewegung und der Übernahme ihrer Forderungen durch andere Parteien bezahlen, steht die katholische Kirche vor der Herausforderung, trotz aller Aufklärung, Versuchungen und Forderungen nach Reform, weiter eine „unfehlbare“ Kirche Petri für eine sehr heterogene Schar von Gläubigen zu sein. An beiden zeigt sich auch, wie problematisch die Reformen sind: Ändert man „zu viel“, dann mag es sein, dass die Mitglieder und Sympathisant_innen verärgert sind. Die deutsche Sozialdemokratie hat so die Partei DIE LINKE hervorgebracht. Ändert man „zu wenig“, riskiert man aber auch Verärgerung und Austritte, wie die katholische Kirche angesichts des vorsichtigen Umgangs mit Missbrauchsfällen in Schulen und Internaten. Und egal wie man es macht, ob man aktiv reformiert oder vertuscht: In beiden Fällen droht im Zusammenspiel mit der massenmedialen Öffentlichkeit stets: der Glaubwürdigkeitsverlust, oder neudeutsch: der Shitstorm.

Parteien sind also erstens Organisationen wie „alle anderen auch“, was impliziert, dass man sie nicht nur demokratie- oder ungleichheitstheoretisch, sondern vor allem organisationstheoretisch untersuchen kann (Siri 2012: 147ff.). Das bedeutet zum Beispiel, verstärkt Verfahren, Programme und Mitglieder in den Blick zu nehmen. Die Parteien werden aber zweitens von einem ganz erheblichen Krisendiskurs umspannt, von dem sich die Forschung zunächst emanzipieren muss (Siri 2012: 95ff., 99ff.). Zwar kennen alle modernen Organisationen und Gruppen Krisenbeschreibungen, denn die Krise ist das prägendste Narrativ der Moderne (Koselleck 1959; Habermas 1973; Foucault 1992; Luhmann 1997) – Männlichkeit ist „in der Krise“, die Universität ist „in der Krise“, der Glauben ist „in der Krise“ und so soll es um „die Parteien“ und „den Parlamentarismus“ oder gar „die Demokratie“ auch bestellt sein. Die deutschsprachige Forschung zu Parteien ist von einem Krisendiskurs dominiert, der mit der Gründung dieser Organisationen im deutschen Sprachraum – für Deutschland also bspw. um 1840 – entsteht, wobei sich die angelsächsische Diskussion, die weniger krisendiagnostisch verläuft, von der deutschsprachigen Diskussion zu Beginn des 19. Jahrhunderts trennt (Hume 1988; Siri 2012: 32ff.).

Krise – Reflexion eines starken Diskurses, der die wissenschaftliche Beobachtung lähmt

Während also fast alle gesellschaftlichen Einheiten die Semantik der Krise kennen, hat allerdings der Krisendiskurs der Parteien zu einer erstaunlichen Verbindung zwischen Politik, Organisation, Medien und Wissenschaft geführt (Siri 2012). Es ist nämlich so, dass über Parteien fast ausschließlich im Modus der Krise geredet wird: nicht zuletzt von Wissenschaftler_innen. Niklas Luhmann begründet dies mit dem Hinweis, dass sich die Politikwissenschaft als eine Reflexionswissenschaft nicht ausreichend von ihrem Gegenstand, dem Politischen, abgrenze (Luhmann 2002). Als Reflexionswissenschaft sei sie weniger Wissenschaft denn Teil des politischen Systems und damit eine Agentur politischer Selbstbeschreibung. Sie trage also als „wissenschaftlicher“ Teil des politischen Systems zu dessen Reproduktion bei und müsse dazu gewisse Einbußen hinsichtlich ihrer Wahrheitsfähigkeit in Kauf nehmen. Diese Erklärung kann man aber einerseits als polemisch lesen, andererseits ist sie nicht ganz zutreffend. Denn während einerseits abseits des Mainstreams der Parteienforschung auch in der Politikwissenschaft spannende empirische Studien angefertigt werden, tun sich soziologische Beobachter_innen nicht minder schwer, Parteien als einen Gegenstand wie andere auch, ohne normative Vorannahmen und mit empirischem Interesse, zu erforschen (Siri 2012: Kapitel 2 für Beispiele).

Aus einer soziologisch-systemtheoretischen Perspektive kann nun gefragt werden, worin die gesellschaftliche Funktion von Krisenbeschreibungen besteht (Luhmann 1964). Wichtig ist hierbei die Annahme, dass das Reden von der Krise eine Funktion für das politische System erfüllt. Was aber kann die Funktion vom „Schlechtreden“ der Parteien sein? Was soll daran produktiv sein?

Die Paradoxie der Krisenerzählung

Die Paradoxie der Krisenerzählung der Parteien – Mitgliederschwund, Oligarchie und Korruption sind nur drei prominente Themen solcher Narrative – besteht darin, dass sie genau das pflegt, was sie kritisieren will: den Parteienstaat. Im Reden von der Krise werden demokratische Ideale beschworen, die in der repräsentativen Demokratie keinen Platz finden – und wohl auch noch nie gefunden haben. Das Reden von der Krise begreift sich zwar stets als aktuell, vergleicht man jedoch die heutigen Krisendiagnosen mit denen der Gründungszeit der Parteien, so sieht man, dass dieselben Argumente bemüht werden. Das Reden von der Krise – das Aufmerksammachen auf Dysfunktionalitäten der Organisation – erfüllt also die Funktion, demokratische Ideale hochzuhalten, die der Organisation, die ja auf das Besetzen von Ämtern und „undemokratische“ Entscheidungen angewiesen ist, entgegenstehen. Indem die Kritik an der Organisation geäußert wird, wird dieses Ideal präsent gehalten. Das bedeutet aber auch, dass die Parteien sich um das Präsenthalten dieser Werte gar nicht selbst kümmern müssen. Das tun zum Beispiel Protestbewegungen (Luhmann 1996) oder eben Parteienforscher_innen, die im Fernsehen einen Werteverfall beklagen – und damit suggerieren, es könnte eigentlich anders sein (auch Siri 2011).

Eines von vielen dieser Ideale ist die Existenz eines homogenen Volkswillens, eines volonté générale, der „eigentlich“ aus den Entscheidungen des Parlaments sprechen sollte. Parteien konterkarieren diese Idee, denn sie lassen uns stets spüren, dass das Volk eben nicht mit einer Stimme, sondern mit vielen Stimmen redet. Carl Schmitt fand dies so unsäglich, dass er für eine Demokratie ohne Parteien plädierte (Schmitt 1923). Während nun bspw. in der angelsächsischen Tradition Theorien entwickelt wurden, die mit dieser Indifferenz des „Volks“ gut leben konnten, arbeitet sich die deutschsprachige Demokratietheorie und Parteienforschung noch immer zuhauf an diesen Idealen ab. So ist es kein Zufall, dass Robert Michels, der Erfinder des viel zitierten Oligarchiemodells (1911) und Carl Schmitt, dessen Parlamentarismuskritik bis heute für Links wie Rechts stilbildend ist, beide biografisch der Demokratie abschwuren. Ihre Ideale wollten sie im Faschismus und im Nationalsozialismus verwirklicht sehen.

Von der wohlklingenden Forderung nach Partizipation hin zur Beobachtung von Exklusionen

Wenn man sich also von dem allgemeinen Lamento über Parteien verabschiedet und akzeptiert, dass Parteien Organisationen sind und keine Vollversammlungen auf einem fiktiven Marktplatz, so ist von Appellen und Krisenmethaphorik nicht viel zu erwarten: außer eben einer Reproduktion des bestehenden Systems aufgrund der oben beschriebenen Paradoxie der Kritik, stets zur Erhaltung dessen beizutragen, was sie kritisiert. Wir wollen daher nun an einer Auseinandersetzung mit Praktiken der Inklusion und Exklusion argumentieren, dass die Änderungsbereitschaft von Organisation vor allem in der Logik der Organisation selbst gefunden werden muss. Es zeigt sich, dass westliche Parteien quer über ideologische Trennlinien und demokratische Systeme an ihrer Inklusionsfähigkeit arbeiten. So kommen auch konservative Parteien nicht um Quotendiskussionen herum, die einst linke oder grüne Parteien auszuzeichnen schienen. Dabei schließen alle an die „Gleichheitskommunikation in der modernen Gesellschaft“ (Giegel 2004: 119) an, der ein hegemonialer Status in politischen Diskursen zukommt. Sie besagt, dass jeder Mensch ohne Berücksichtigung zugeschriebener „Merkmale“ wie z. B. Geschlecht, Migrationshintergrund oder Behinderung prinzipiell Zugang zu den verschiedenen Funktionssystemen einer differenzierten Gesellschaft haben müsse (Luhmann 1995), so auch zum Politik- und Parteiensystem. Vor dem Hintergrund dieses „Gleichheitsgebot[s]“ (Heintz/ Nadai 1998: 78) reagieren die Parteien vor allem auf die Unterrepräsentanz von Frauen unter ihren Organisationsmitgliedern und Funktionsträger_innen[2], weswegen uns der Umgang mit der Ungleichheitskategorie Geschlecht im Folgenden als Beispiel dienen soll. So verabschiedeten die deutschen GRÜNEN bereits 1979 eine Quotenregelung nach der mindestens die Hälfte aller Ämter und Wahllisten mit Frauen zu besetzen sind. Die SPD führte 1988 eine Geschlechterquote ein, nach der in allen Gremien und Delegationen Frauen bzw. Männer zu mindestens 40 % vertreten sein müssen. Die CDU beschloss 1996, dass Frauen und Männer zu je mindestens einem Drittel Parteiämter und öffentliche Mandate innehaben müssen (Kürschner 2009). Im Jahr 2010 verabschiedete schließlich auch die CSU auf ihrem Parteitag mit knapper Mehrheit eine Frauenquote von 40 % (Sauer/ Wöhl 2011). Lediglich die FDP spricht sich 2012 in ihrem aktuellen Grundsatzprogramm abermals gegen eine sogenannte „Zwangsquote“ (FDP 2012: 47) aus, betont aber die Wichtigkeit frauenfördernder Maßnahmen: „Wir stellen gleichzeitig fest, dass ein Verzicht auf aktive Frauenförderung in der Vergangenheit nicht zu einer nennenswerten Steigerung des Frauenanteils in politischen und unternehmerischen Führungspositionen geführt hat. Frauen werden in vielen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen strukturell diskriminiert – und sei es nur durch ihre geringe Anzahl und ungleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation und Arbeit. Auch mit dem Aufbrechen dieser Strukturen muss in Zukunft die gezielte Förderung von Frauen verstärkt und so echte Teilhabe verwirklicht werden.“ (47–48)

Förderung von Frauen als parteipolitischer Mainstream

Allen Parteien ist gemein, dass in ihnen die Forderung nach einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis in politischen Funktionen sowie öffentlichen Ämtern geteilt wird (Biehl 2005: 66). Der Teilhabeanspruch von Frauen wird als legitim aufgefasst und je nach politischer Ausrichtung in unterschiedlicher Intensität und Qualität bearbeitet.[3] Es offenbart sich eine „gewisse gesellschaftliche Verschiebung“ (Baer 2012: 34), die eine Verlagerung der Debatte über geschlechtsbezogene Quotenregelungen vom feministischen Spezialdiskurs in die Mitte des politmedialen Mainstreams nach sich gezogen hat. Für die Parteien bedeutet dies, dass sie mehr (SPD, B’90/ GRÜNE, LINKE) oder weniger (CDU, CSU, FDP) innerhalb eines „discrimination-and-fairness paradigm“ (Thomas/Ely 1996: 81ff.) agieren: Das heißt, es besteht ein Konsens darüber, dass bestimmte Gruppen ungerechtfertigterweise vom Zugang zur Organisation im Allgemeinen und/oder einflussreichen Positionen im Speziellen exkludiert wurden oder werden. Als Ursache für die mangelnde Teilhabe werden oftmals vorurteilsbasierte Diskriminierungen – auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene – genannt. Im Sinne eines Fairnessanspruchs aber auch des Wunsches nach einer adäquateren Repräsentation der Gesellschaft innerhalb der eigenen Organisation werden zum Beispiel Quotenregelungen, Mentoringprogramme oder andere gruppenspezifische Fördermaßnahmen installiert.

Die Bedeutung einer parteiübergreifenden Anerkennung von (v. a. geschlechtsbezogenen) Diskriminierungsmechanismen und auch die tatsächliche Erhöhung demografischer Diversität (v. a. aufgrund eines steigenden Frauenanteils) lässt die Parteiorganisationen zu einem gewissen Grad durchlässiger werden.[4] Gleichzeitig bleiben jedoch im „discrimination- and-fairness paradigm“ bestimmte Ausschlusspraktiken unterbeleuchtet und andere erfahren sogar eine – wenn auch nicht-intendierte – Bestärkung: So erfolgt zwar beispielsweise durch die Einführung einer Quote ein systematischer Eingriff bei der Besetzung von Funktionen und Ämtern, aber die grundsätzlichen Mechanismen der Entscheidungsfindung und damit einhergehenden Praktiken der Machtausübung werden nicht berührt. Wie Katharina Meßmer und Yasmina Banaszczuk im Rahmen des Special Issue beleuchten, bleiben der für den Aufstieg in Parteistrukturen notwendige Habitus und die damit einhergehenden Kapitalformen, die u. a. über Geschlecht reguliert und ungleich verteilt werden, unhinterfragt. Ansätze mit einem „more transformative potential“ (Squires 2005: 370), die organisationsimmanente und daher tief verankerte Exklusionsroutinen zum Gegenstand machen, werden nicht in Betracht gezogen – und so erfahren die formalen Parteistrukturen eine implizite Affirmation ihres vermeintlich ungleichheitsneutralen Charakters.

Assimilationsdruck trotz Quote

Denn auch auf Parteien trifft – trotz ihrer prinzipiell demokratischen Ausrichtung – die Beobachtung Stinchcombes (1965/2000) zu, dass die soziohistorischen Rahmenbedingungen zur Gründungszeit einer Organisation langfristig deren strukturelle wie kulturelle Ausformung prägen.[5] So korrespondieren der hierarchische Aufbau einer Organisation und Statusdifferenzen der einzelnen Positionen oftmals mit historischen Ungleichheiten (Linnehan und Konrad 1999). Ragins und Gonzales (2003) stellen in Bezug auf Unternehmen fest, dass dort „power relations at the group identity level (e. g., Black and White, male and female)“ (149) meist in einem Wechselverhältnis mit „power relations among groups at the organizational level (e. g., managers and subordinates, haves and have nots)“ stehen (ebd.). Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Parteien, wo Frauen vor allem die Position der stellvertretenden Parteivorsitzenden innehaben oder thematisch auf die sogenannten „weichen“ Bereiche wie Frauen/Familie/Jugend, Kultur, Bildung/Wissenschaft und Entwicklungspolitik festgelegt werden (Looman 2007). Ebenso werden Menschen mit Behinderungen oder Migrant_innen sehr häufig auf die Repräsentation ihres „merkmal-bedingten“ special interest limitiert. Soll heißen: Eine Frauenquote, die ein Mehr an Frauen in die Parteien bringt, ändert noch nichts an der gesellschaftlichen Praxis, diesen Frauen dann „frauenspezifische“, „weiche“ Gebiete zuzurechnen.

Darüber hinaus orientiert sich die parteiübliche „Versammlungspraxis“ (Kürschner 2009: 10) an Lebensentwürfen ohne Sorgearbeit oder andere zusätzliche Zeitbedarfe. Dadurch sind etwa Personen mit Kinderbetreuungs- oder Pflegepflichten sowie Frauen und Männer mit kognitiven/psychischen/ physischen Beeinträchtigungen, die aufgrund von Umweltbarrieren längere Wege oder Wartezeiten auf sich nehmen müssen, potenziell durch Ausschluss vom parteipolitischen Alltag bedroht. Dadurch werden die ohnehin bereits ausgeprägten „informelle[n] Entscheidungs- und Machtstrukturen“[6] (ebd.), von der die „dominant group“ (Loden/Rosener 1991: 37) profitiert, verfestigt. Unter „dominant group[7] verstehen Loden und Rosener jene Organisationsmitglieder, die überproportional viel Einfluss auf Entscheidungen ausüben und deren „Werte, Normen und Verhaltensmuster (…) zum Standard erhoben [wurden] und damit zum Maßstab, an dem die Mitglieder dominierter Gruppen gemessen werden – und als ‚abweichend‘ oder gar ‚defizitär‘ erscheinen“ (Krell et. al 2007: 10). Im hier betrachteten Kontext kann die dominante Gruppe parteiübergreifend als männlich, weiß, ohne Migrationshintergrund, christlich, mittleren Alters, heterosexuell, mit höherem Bildungsabschluss und ohne Beeinträchtigung charakterisiert werden. Mitglieder dieser Gruppe fungieren als impliziter Referenzrahmen[8], an dem Parteistrukturen und auch die Organisationskultur ausgerichtet werden. Durch Quotenregelungen ändert sich demnach nichts an dem „Assimilationsdruck“ (Aretz/ Hansen 2003: 16), unter dem marginalisierte Gruppen stehen, sich in die vorhandene Ordnung einzufügen.

Wenn mehr in den Blick gerät als das Geschlecht

Abseits des Umstands, dass Quoten weniger eine Delegitimierung, sondern mehr eine Stütze vorhandener – wenn auch adaptierter – Praktiken der Postenvergabe darstellen, findet durch den Fokus auf dieses Gleichstellungsinstrument ein essenzialisierender und hierarchisierender „Gruppismus“ seine Fortschreibung: „Wer Menschen in Gruppen einteilt, reduziert sie auf ein Merkmal oder eine Eigenschaft, die eine Gruppe definieren, homogenisiert also Menschen, die Einiges, aber nie alles gemeinsam haben. Wer sich an Gruppen orientiert, tendiert dazu, kollektive Identitätskonzepte als Identitätspolitiken zu verfestigen.“ (Baer 2010: 13) Im Hinblick auf die Quotenregelungen in den Parteien wird ausschließlich die Geschlechtszugehörigkeit zum entscheidenden Kriterium für die Vergabe von Parteifunktionen und öffentlichen Ämtern.[9] Geschlecht wird damit „als an den Körpern abzulesende ‚Essenz‘“ (Mihçiyazgan 2008: 134) verstanden und nicht als Ergebnis immer wieder aktualisierter Unterscheidungspraktiken, die ungleichheitsstiftendes Potenzial besitzen. Darüber hinaus wird durch den Fokus auf das Alleinstellungsmerkmal Geschlecht weder den Differenzen innerhalb der Gruppe der Frauen (und der Männer) noch der oftmaligen Mehrdimensionalität von Exklusionspraktiken, nämlich der Intersektionalität mehrerer Ungleichheitsverhältnisse, Rechnung getragen (Foljanty 2012). Dadurch kommt es auch zu einer hierarchisierenden Wirkung, die frauenpolitischen Teilhabeansprüchen stets den Vorzug gegenüber jenen Anliegen einräumt, die mit anderen exklusionsrelevanten Differenzsetzungen verknüpft sind (Baer 2010).

Gleichzeitig zeigt die Debatte zur Einführung einer Quote für Migrant_innen innerhalb der SPD[10] im Jahr 2010, dass neben „den“ Frauen auch die Gruppe „der“ Migrant_innen als möglicher Adressant_innenkreis von systematischen Gleichstellungsmaßnahmen entdeckt wurde. In Bezug auf andere marginalisierte Gruppen wie z. B. Frauen und Männer mit Behinderungen verbleibt die organisationale Einbindung meist auf der Ebene der Arbeitsgemeinschaften ohne klare Verbindlichkeiten.[11] Hinsichtlich der überproportionalen Repräsentation (männlicher) Angestellter oder öffentlich Bediensteter mit einem höheren Bildungsabschluss in den Parteien (Biehl 2005: 41ff) sind keine spezifischen Maßnahmen festzustellen. Für die „mehrfache Zurücksetzung ressourcenschwacher Bürger“ (ebd. 66), die aus dem Teufelskreis von mangelnden Kapazitäten sich parteipolitisch zu engagieren und somit geringem Einfluss auf die Verteilung der ungleichen Ressourcenausstattung ausüben zu können, ausbrechen wollen, bietet auch der Einsatz direktdemokratischer Verfahren keine Lösung. In Bezug auf das hohe Durchschnittsalter von 58 Jahren der Parteimitglieder in SPD, CDU, CSU und DIE LINKE ist zwar ein „Problembewusstsein“[12] zu attestieren (Wiesendahl 201), jedoch findet keine systematische Berücksichtigung junger Parteimitglieder im Sinne einer strukturellen Bearbeitung statt.

Die Vielfalt der Exklusionen: Wie wird die Partei zur „inklusiven Organisation“?

Diese kurze Zusammenschau einiger potenziell marginalisierter Gruppen in den Parteiorganisationen veranschaulicht die Vielfalt vorhandener Exklusionsrisiken. Sie macht deutlich, dass allgemeine Appelle für „mehr Partizipation“ und „mehr Demokratie“ in Parteien eben noch lange nicht mitliefern, wer denn eigentlich teilhaben soll. Sicher, „alle“ sollen es sein. Die Praxis macht aber deutlich, dass die vielen dann doch oft aus wenigen bestehen, weil die Ansprache sich – nicht aus böser Absicht, aber dennoch fatal – an einer dominanten Gruppe orientiert, die meist exklusiv ist. Zusätzlich bleibt die Kritik an einem „Gruppismus“ aufrecht, durch den Menschen anhand eines zugeschriebenen Merkmals homogenisiert und damit auch immer miss-repräsentiert werden: „Wer Menschen bezogen auf bestimmte Merkmale fördert, festigt genau diese Merkmale auch als Stigma.“ (Baer 2010: 16) Gleichzeitig setzt „Nicht-Diskriminierung (…) Anerkennung voraus, denn man kann nur jene nicht diskriminieren, die man diskriminiert hat als solche, die man nicht diskriminiert.“ (Weisser 2005: 62). Das heißt die Wirkmächtigkeit routinisierter Unterscheidungspraktiken, die Differenzierungen zu „natürlichen“ Eigenschaften von Personen gerinnen lassen und an die stabile Ungleichheitslagen geknüpft sind, wird nicht dadurch ausgeschaltet, dass derartige Unterscheidungen normativ zurückgewiesen werden.

Um Parteien zu „inklusiven Organisationen“ (Dobusch 2013) zu machen, braucht es daher einen Doppelstrategie an gruppenbezogenen sowie –neutralen Maßnahmen, damit auf die Komplexität „des Dilemmas der Differenzen“ adäquat reagiert werden kann (Janssens/Zanoni, 2008). Es bedarf eines Paradigmenwechsels hin zu einem „learning-andeffectiveness paradigm“ (Thomas/ Ely 1996: 85ff), in dem der Umgang mit Differenzen nicht nur mittels partiellen Strukturinterventionen (z. B. Quote), separaten Teilorganisationen (z. B. parteieigene Frauenorganisationen) oder vereinzelten Fördermaßnahmen (z. B. Mentoringprogramm) adressiert wird, sondern als Bestandteil der täglichen Praxis – ja des Kerngeschäfts – von Parteien aufgefasst wird. Dies ist von besonderer Bedeutung, da das derzeit vorhandene Repertoire an gruppenbezogenen Maßnahmen erst bei jenen Privilegierten (v. a. weiße Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen) ansetzt, die es schon in den „Vorhof “ der Parteienzentren geschafft haben. Es zeigt sich, dass bereits die Entscheidung über das eigene Engagement in Parteien nicht in erster Linie aus persönlichen Vorlieben resultiert, sondern massiv von der Ressourcenausstattung abhängig ist, auf die jede_r Einzelne zurückgreifen kann. So hängen das politische Interesse und die Einstellung politisch überhaupt etwas verändern zu können, sehr stark mit der Höhe des Einkommens und dem Bildungsgrad zusammen (Bödeker 2012). Das Bemühen um einen Wandel von Parteien hin zu „inklusiven Organisationen“ beginnt also bereits an deren Grenzziehungspraktiken. An dieser Stelle gilt es erst einmal herauszufinden, ob und wie die gesellschaftlich unzureichend bereitgestellten Ressourcen, um sich parteipolitisch engagieren zu können, von den Parteien kompensiert werden können. Um dem komplexen Wechselverhältnis von Ungleichheitsverhältnissen sowie der stigmatisierenden Wirkung eines merkmalsbezogenen „Gruppismus“ Rechnung zu tragen, erscheint der Fokus auf die individuelle Bedürfnislage einer_eines jeden Einzelnen zentral.[13] Mögliche Anleihen, wie diese identifiziert werden kann, finden sich etwa bei Mor Barak (1998, 2000) oder Janssens und Zanoni (2008), die sich mit der Messbarkeit von individuellen Inklusion- und Exklusionsbedingungen in Organisationen auseinandersetzen. Dabei werden nicht nur Faktoren berücksichtigt wie der subjektive Zugang zu Informationen oder die Möglichkeit Einfluss auf Entscheidungen auszuüben, sondern auch die Qualität des sozialen Austausches zwischen privilegierten und weniger privilegieren Organisationsmitgliedern. Dies wäre ein erster Schritt in Richtung inklusivere Strukturen, dem sich Parteien offensiv im Spannungsfeld zwischen Delegitimierungsdiagnosen und dem Ruf nach mehr Demokratie und gesellschaftlicher Partizipation stellen müssen.

Die Perspektive des Special Issue: eine offene Haltung gegenüber der Empirie

Eine organisationstheoretische Perspektive auf Parteien sowie Überlegungen zu deren Existenzberechtigung ist auch gemeinsamer Nenner der Beiträge dieses Special Issue. Bei aller Unterschiedlichkeit der theoretischen Herangehensweise, der gewählten Empirien und disziplinären Verortung nähern sich die Autor_innen den Parteien auf eine unkonventionelle und im besten Sinne kritische Art und Weise. Kritisch sein bedeutet dabei nicht, in die Klage über den Verfall der Parteien und ihre Krise einzustimmen. Das mag verführerisch sein, kann man sich doch selten als Wissenschaftler_in der Zustimmung des Publikums sicherer sein, als wenn man eine Parteienkrise, ein Demokratiedefizit oder eine Krise des Personals der Parteien diagnostiziert. Allein ein solcher Wissenschaftspopulismus sagt über das Innenleben von Parteiorganisationen und die Menschen, die sich in diesen Organisationen bewegen, noch nichts aus.

Eine moderne Parteienforschung soll freilich nicht unkritisch sein, sie muss auch nicht von den Parteien eingenommen sein oder diese für die Funktion des demokratischen Staats für absolut notwendig halten. Sie muss aber – um mehr als eine publizistische oder politische Krisendiagnose zu sein – zweierlei leisten, um sich als Forschung von Diskursen der Öffentlichkeit abzugrenzen. Sie sollte es erstens schaffen, ihre disziplinären Leitunterscheidungen und Ansprüche als historisch gewordene Ansprüche und Semantiken, die eine Kopplung zwischen wissenschaftlichem Feld und politischem Feld beschreiben, zu reflektieren. So ist beispielsweise der Befund um „Oligarchie“ und Hierarchie (Michels 1911) eben nicht einfach eine sachliche Beschreibung von Parteien, sondern eine typische soziologische Krisenbeschreibung der Organisation im frühen 20. Jahrhundert. So schrieb Weber, der mit Michels übrigens in Kontakt stand, zur selben Zeit Ähnliches über die Bürokratie. Es geht hier also weniger um Parteien als um Organisationen und um eine Kritik der Massenpartei, die in einem spezifischen historischen und sozialen Kontext möglich wird. Und es geht um den deutschen Sonderweg einer „verspäteten Nation, der auf Repräsentation stets pessimistisch hinabschaut“ (Plessner 1959) und bei Weitem nicht so objektiv ist, wie seine Protagonist_innen behaupten. Parteienforschung, so das Plädoyer dieser Ausgabe, sollte also ihre eigenen Leitunterscheidungen in den Blick nehmen und historisch einordnen können.

Die einzelnen Beiträge des Special Issue: Wahlkämpfe, Parteireform und normative Demokratietheorie mit empirischen Bezug

Die drei in diesem Special Issue versammelten Artikel lösen auf ihre eigene Weise die oben skizzierten Ansprüche ein und kommen so auf neue und innovative Beschreibungen der Parteien.

Marcel Lewandowsky untersucht in seinem Text den Umgang mit modernen Kampagneninstrumenten sowie die organisationsinterne Positionierung von Wahlkampfleitungen in den Landesparteien Deutschlands. Lewandowsky betritt mit seiner Forschung insofern Neuland, als er die von der Wahlkampfforschung vernachlässigten Landesparteien in den Blick nimmt (Lewandowsky 2013). Dabei begibt er sich auf kritische Distanz zu der im Mainstream der Parteienforschung stark vertretenen These der fortschreitenden Professionalisierung von Kampagnen, da seine empirischen Ergebnisse darauf hinweisen, dass Kampagnen oft „nicht nur gegen, sondern abseits von Professionalisierungsprämissen geführt“ (75) werden. Lewandowskys empirische Ergebnisse – er hat Interviews geführt und Kampagnenmaterial untersucht – dekonstruieren Mythen der Typologisierung von Wahlkämpfen und machen deutlich, welch großer Aufholbedarf an konkreter empirischer Forschung in der deutschsprachigen Parteienforschung besteht, die viel zu oft ideologisch argumentiert oder sich Modelle bedient, die mit einer ökonomistischen Sicht auf Parteien an der konkreten Praxis dieser Organisationen (mit all ihren Irrationalitäten) vorbeisieht. Es zeigt sich, dass Parteistrukturen in Wahlkämpfen nicht ausschließlich nach Prinzipien der Effizienz funktionieren, sondern in ein komplexes Interessensnetz aus landesspezifischen Faktoren und der ideologischen Ausrichtung der Bundespartei eingebunden sind.

Katharina Meßmer und Yasmina Banaszczuk beschäftigen sich in ihrem Artikel mit Inklusionsbarrieren in politischen Parteien am Beispiel der jüngsten Parteireform der SPD. Sie nehmen damit einen Standpunkt ein, der sich für die konkrete Verfahrenspraxis in Parteien interessiert. Die Autorinnen identifizieren den passfähigen politischen Habitus als wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Teil- und Einflussnahme in den Parteistrukturen. Mit einem Blick auf frauenfördernde Maßnahmen und Institutionen innerhalb der SPD verweisen sie auf das Dilemma zwischen einerseits ungleichheitsreproduzierender, weil essenzialisierender Benennung von sozialen Ungleichheitskategorien und andererseits der politischen Notwendigkeit von strategischem „Gruppismus“. Am Beispiel des Mitgliederbegehrens, eingeführt als Instrument zur verstärkten internen Mitsprache, zeichnen sie anschaulich nach, wie durch eine mangelnde Durchleuchtung und Reflexion ungleichheitsproduzierender Strukturen die Selektion von Mitgliedern legitimiert wird und schließen: „Gerade das Instrument, welches bestehende Hierarchien aufbrechen sollte, deckt die tiefer liegenden und oftmals impliziten sozialen Funktionsmechanismen in der Partei auf, die eben zur Bildung der genannten Hierarchien führen.“ (88)

Fabio Wolkenstein stellt in seinem Text die Frage nach der Aufgabe politischer Parteien in repräsentativen Demokratien westlicher Prägung und argumentiert diese mit drei zentralen Kernfunktionen: der Bündelung von Einzelinteressen (bzw. die mit dieser Kollektivierung ermöglichte politische Handlungsfähigkeit), der Motivation zu politischem Engagement und der zweifachen deliberativen Funktion in der diskursiven Auseinandersetzung um Positionen innerhalb und zwischen Parteien. Unter Rückgriff auf empirische Parteienforschung erläutert Wolkenstein die Auswirkungen des jüngsten organisatorischen und strukturellen Wandels von der Massen- zur Kartellpartei auf diese drei Funktionen und plädiert angesichts der Ergebnisse für eine strukturelle Öffnung, die „innerparteilichen Widerstreit als Bereicherung versteht und dementsprechend vor allem Strukturen pluralistischer Deliberation schafft.“ (104)

Nicht zufällig kommen alle Autor_innen aus ihren ganz unterschiedlichen Perspektiven dazu, Verfahren und Organisationsentscheidungen wie die Kandidat_innenauswahl und die Wege von Kampagnenentscheidungen in den Blick zu nehmen. Alle haben empirisch gearbeitet und beschreiben – Lewandowsky im Hinblick auf die Beobachtung seiner politikwissenschaftlichen Disziplin, Meßmer und Banaszczuk in Bezug auf Praktiken der Exklusion und Wolkenstein immanent demokratietheoretisch und mit Perspektive auf die Defizite einer Demokratietheorie – eine Irritation durch Praxis, die nicht so unterkomplex, rational und gerichtet ist, wie die Elfenbeinperspektive rationalistischer oder wohlmeinender Ratgeber_innen sie beschreibt. So können „gut gemeinte“ Beteiligungsverfahren an der Mitgliedschaft vorbeigehen und im Sinne der Deliberation geplante Verfahren paradoxale Effekte haben.

Die Auseinandersetzung mit der Organisationsförmigkeit von Parteien macht deutlich, dass die Parteienforschung gut daran täte, sich an der Empirie die Finger schmutzig zu machen und ihre Leitunterscheidungen, Theorien und Begriffe im Hinblick auf ihre Konsequenzen für die parteiliche Praxis zu reflektieren. Während es in anderen Forschungsgebieten völlig unplausibel ist, mit Forderungen und normativen Erwartungen an „Besserung“ auf den Gegenstand zuzugehen, scheint das bei Parteien noch Usus zu sein. Unser Vorschlag lautet daher, weniger zu urteilen und vor allem weniger schnell zu urteilen, mehr zu forschen und – so eine normative Perspektive eingenommen wird – solche Vorschläge zu unterbreiten, die Organisationen auch prozessieren und umsetzen können. Die hier versammelten Beiträge geben dazu spannende und wichtige Hinweise.

Literatur

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Baer, S. (2012): „Die Geschlechtergleichstellung hat eine etwas ambivalente Situation erreicht“. Interview mit Prof. in Dr. Susanne Baer, Richterin des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Femina Politica, 21 (2), 24–37.

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Quelle

Laura Dobusch, Katharina Kreissl, Jasmin Siri: Von Krisenerzählungen über Parteien zur Beobachtung von Praktiken der Exklusion. Eine programmatische Einführung. Erschienen in: Momentum Quarterly – Zeitschrift für Sozialen Fortschritt Vol. 2, No. 2 (2013), p. 57–66.

bidok-Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 18.05.2017



[1] Die hier angestellten Überlegungen basieren tw. auf einer systemtheoretisch-diskursanalytischen Studie über Parteien (Siri 2012). Hierin liegen die im Folgenden häufigen Verweise auf die Monografie (ebd.), in der einige vorgestellten Thesen genauer beschrieben und am empirischen Material nachvollzogen werden, sowie jene auf den bekanntesten Vertreter der soziologischen Systemtheorie, Niklas Luhmann, begründet werden. Eine Exklusivität der systemtheoretischen Betrachtung von Parteien soll aber hiermit nicht argumentiert werden, vielmehr hätten auch andere theoretische Ansätze zu ganz ähnlichen Beobachtungen führen können.

[2] Bei absolut sinkenden Mitgliederzahlen verzeichnen alle Parteien außer der FDP und DIE LINKE seit 1990 einen Anstieg des Frauenanteils unter den Parteimitgliedern, der zwischen 1,5 % und 3,8 % liegt. Derzeit machen Frauen bei der CDU 25,5 %, bei der SPD 31,1 %, der CSU 18,9 %, der FDP 22,8 %, bei B’90/GRÜNE 37,4 % und DIE LINKE 39,1 % aus (Niedermayer 2009: 15). In Bezug auf parteiinterne Spitzenfunktionen nehmen Frauen vor allem die stellvertretenden Landes-/Parteivorsitze ein. Dort liegt der Frauenanteil auf Bundes- wie Landesebene bei ca. 40 % (Looman 2007: 76). Im Bundestag sind zu 32,9 % weibliche Abgeordnete vertreten (Stand 2012), deren Anzahl in den letzten Jahren in der Tendenz rückläufig ist (Sauer/Wöhl 2011: 6). In den Landesparlamenten lässt sich ein Frauenanteil von 32,2 % mit einer Spannweite zwischen 18,1 % und 43,4 % feststellen (Stand 2011).

[3] Dabei kommen nicht nur Quotenregelungen zum Einsatz, sondern auch andere frauenfördernde Maßnahmen wie z. B. frauenspezifische Parteiteilstrukturen oder Coachings.

[4] So hat bei B’90/GRÜNE in etwa ein Drittel der weiblichen Parteimitglieder die Hälfte aller Funktionen und Ämter inne, da sich insgesamt weniger Frauen als Männer in der Partei aktiv engagieren (Looman 2007: 85).

[5] Die Zeit der Entstehung der Parteien war geprägt durch das „liberale Trennungsdispositiv“ (Sauer/Wöhl 2011: 2), das den Frauen die Sphäre des Privaten und den Männern jene der Öffentlichkeit und somit des politischen Engagements zuwies.

[6] Beim abendlichen Biertrinken werden oftmals wichtige Weichenstellungen für künftige Entscheidungen festgelegt und auch der soziale Kitt vertieft, der bei Nominierungen von und Unterstützungen für Kandidat_innen eine bedeutende Rolle spielen kann (Kürschner 2009).

[7] Diese muss nicht zwangsläufig die Mehrheit der Organisationsmitglieder widerspiegeln.

[8] Puwar beschreibt, dass die Orientierung an der dominanten Gruppe erst offensichtlich wird, wenn sogenannte „Space Invaders“, die von der körperlichen Norm der herkömmlichen Entscheidungsträger_innen als abweichend empfunden werden, Zugang zu zentralen Positionen in Organisationen bekommen: „The corporeal dimension of positions of authority is brought to the fore when those whose bodies are not the norm in these places take up these very positions.“ (Puwar 2004: 34) Insofern kann ein Effekt von Quotenregelung sein, dass sie bisher unthematisierbare – weil unsichtbare – Dominanzverhältnisse überhaupt erst in den Raum des Sagbaren holt.

[9] Durch die Ausrichtung der Quote an einer dichotomen Zweigeschlechtlichkeit wird inter- und transsexuellen sowie Transgender-Personen der Zugang zu diesem Gleichstellungsinstrument erschwert oder gar verunmöglicht. Mehr zum „Menschenrecht auf Geschlechtsfreiheit“ bei Liebscher et al. 2012: 213f.

[10] Eine Quotenregelung für Migrant_innen wurde letztlich nicht verabschiedet. Stattdessen wurde auf dem Parteitag die Zielgröße beschlossen, dass parteiinterne Führungsgremien zu 15 % mit Menschen mit Migrationshintergrund besetzt und auch der Posten einer_eines Verantwortlichen für die „interkulturelle Öffnung der Partei“ geschaffen werden soll (Foljanty 2012).

[11] Bei PDS/DIE LINKE gründete sich bereits Anfang der 90er-Jahre die Arbeitsgruppe „Selbstbestimmte Behindertenpolitik“, bei B’90/GRÜNE wurde 2000 eine Bundesarbeitsgemeinschaft „Behindertenpolitik“ installiert und die SPD richtete 2013 das Netzwerk „Selbst Aktiv“ von Menschen mit Behinderungen innerhalb der SPD ein.

[12] In Bezug auf die Kategorie Alter muss festgehalten werden, dass diese vor allem im Sinne einer Überalterung der Parteien und einem Mangel an jugendlichen Mitgliedern diskutiert wird. Wiesendahl (2011) bezeichnet Parteien gar als „sklerotisierende Organisationen“ (12). Durch diese negative Perspektive auf die mehrheitlich älteren Parteimitglieder gerät völlig aus dem Blick, dass mit zunehmendem Alter auch bestimmte Bedürfnisse verbunden sein können (z. B. die Notwendigkeit einer barrierefreien Infrastruktur, Induktionsschleifen bei größeren Veranstaltungen aufgrund von Hörbeeinträchtigungen), die bei Nicht-Beachtung zur Exklusion von Partizipationschancen führen können.

[13] An dieser Stelle sei noch einmal betont, dass dieser individuumszentrierte Ansatz nicht als Gegenmodell zu gruppenbezogener, also kollektiver Interessenpolitik verstanden werden soll. Vielmehr geht es um dessen Ergänzung, um auf mehrdimensionale Ungleichheitsverhältnisse besser reagieren zu können.

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