Der Weg wird, indem wir ihn gehen

- Kinder mit Behinderungen in der Sekundarstufe I

Themenbereiche: Schule
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft 14, H. 5, 5-21
Copyright: © Ines Boban, Almut Köbberling 1991

1. Eine Vorgeschichte

Imke ist für eine Rückenoperation in eine hochspezialisierte, modern ausgestattete, allseits blinkende Spezialklinik gekommen. Die Erkundungen des ersten Tages geben ihr die Möglichkeit, mit ihrer Aufregung und ihren Ängsten umzugehen und Vorstellungen zu entwickeln, worauf sie sich hier einläßt: Der erste Tag ist voller beunruhigender Begegnungen mit Menschen in unterschiedlichen Gipsverbänden und apparativen Halterungen, unterwegs mit verschiedenen Fahr- und Gehhilfen; er bringt aber auch die Entdeckung zweier beruhigend vertrauter Inseln: Es gibt eine Schule und ein warmes Schwimmbad im Haus!

Am 2. Tag schnappt Imke ihren Ranzen und läuft mit den anderen Kindern der Station zur Schule, bevor die Mutter sie dort anmelden und vorstellen kann. " Na gut, sie werden schon klar kommen!" Aber am nächsten Morgen soll sie mit zur Schule gehen - warum wohl?

Der Schulleiter, ein Sonderpädagoge, empfängt sie freudig und etwas verlegen: "..Ja, sie war gestern ja ganz allein hier ... , wo sie denn in Hamburg zur Schule gehe ..., sie sei doch ... geistig behindert?!" Der Mutter ist unwohl, denn Imke mag solche Gespräche über sie gar nicht. Aber die Antwort, daß sie eine Integrationsklasse im 3. Schuljahr besuche und sonst der Sonderschule für Geistigbehinderte zugewiesen wäre, bringt Erleichterung: Ja, dann könne er das verstehen! Er kenne ja viele geistig behinderte Kinder, aber so eines habe er noch nie erlebt! Sie hatte ja ganz frei alle Kinder gefragt, warum sie hier seien, warum sie den Gips trugen oder im Rollstuhl saßen, und auch nach der dunklen Hautfarbe eines Kindes habe sie gefragt. So etwas war noch nie vorgekommen. Und nun hatten sie also über alle Fragen gesprochen.

Er erscheint stolz und erleichtert, die Herausforderung bewältigt zu haben. Aber heute will er mit ihr allein arbeiten; er will doch mal sehen, was sie kann ! Er nimmt einen Fischertechnik - Baukasten auf seinen Schoß und fordert Imke auf, sich zu ihm zu setzen. Sie hält die Mutter nun fest, und nach peinlichem, schwierigem Zerren bleibt diese schließlich im Raum und erlebt eine Förderstunde mit: Imke will ein Schwimmbad bauen, der Sonderpädagoge will ihre Sprache verbessern. Sie erhält einen Baustein jeweils nur, wenn sie ein schwieriges Wort mit `St`nachgesprochen hat. Die Förderung endet bald, indem Imke sich auf den Schoß der Mutter fletzt und den Daumen in den Mund steckt - zum Kleinkind wird. Der Sonderpädagoge aber erklärt begeistert, was für eine komplizierte kognitive Leistung sie bei der Konstruktion der Ecken vollbracht hat. So ein Kind hat er noch nie erlebt!

Sie aber will nun ins Schwimmbad, ins warme, bergende Wasser. Zur Schule will sie hier nicht wieder gehen.

Was war so ungewöhnlich an Imke? Warum haben die anderen Kinder nicht nach all den Ungeheuerlichkeiten gefragt, warum wurde nie über die Ängste der Neuankömmlinge gesprochen, was sollte in dieser Situation eigentlich "gefördert" werden, und schließlich: Was hat den Sonderpädagogen im Umgang mit dem Kind behindert?

Imke ist wegen irgendwelcher Besonderheiten ihres Gehirns "geistig behindert". Das empfindet sie nicht. Sie fühlt sich behindert durch ein Korsett, das sie seit ein paar Jahren tragen muß. Sie ist sozial unbehindert aufgewachsen. Sie stellt Fragen, wo etwas sie beschäftigt, sie sucht Kontakt, wo sie zu neuen Menschen kommt, und sie findet Möglichkeiten, sich mit Unbekanntem auseinanderzusetzen und Sicherheit gebende Orte aufzuspüren. Sie findet ihren Weg durch das Labyrinth, durch das sie hindurch muß. Ersparen kann ihr das Labyrinth niemand!

Die Geschichte war den Eltern eine Bestätigung für die Perspektive, daß Imkes Weg nach dem 4. Schuljahr in der Integrationsklasse an einer Gesamtschule weitergehen würde. Bei allem engagierten Eifer des Sonderpädagogen war doch klar: Imke entwickelt sich nicht nach linearen Förderplänen, aus professioneller Übersicht kleinschrittig aufgebaut, konsequent durchgeführt und durch gezielte Verstärkungen für Wohlverhalten erfolgsgesichert. Imke weiß und entscheidet selbst, was zu lernen und zu tun für sie wichtig ist. Aber dazu braucht sie Kinder, die ihr antworten und die sie herausfordern; und sie braucht Erwachsene, die dem nachgehen können, was für sie bewegend und bedeutsam ist.

Aber würde die Gesamtschule ihr diesen Weg denn ermöglichen? Würde das Labyrinth des Schulgebäudes, der Fächer und verschiedenen Fachlehrer, der sich verzweigenden Kurse und sich ständig ändernden Stundenpläne vielleicht doch zu unübersichtlich, um noch den Weg hindurch zu finden und die wärmenden "Badestuben" zu finden? Würden da die Menschen sein, die ihre Themen verstehen und ihre Wege mitzugehen in der Lage wären? Oder würde auch da der Druck, Vorgeplantes, Erwartetes, Richtiges zu produzieren sie allmählich verstummen lassen?

Der Weg war noch nicht deutlich zu sehen, er war noch nicht gebaut.

Aber wie in der Ungewißheit vor der Operation stand fest: "Der Weg wird, indem wir ihn gehen."

2. Erfahrungen in Schulen - Geschichten von Kindern

Inzwischen gibt es 30 Integrationsklassen von Jahrgang 5 bis 9 mit ca. 100 Kindern mit Behinderungen in Hamburger Gesamtschulen. Viele Erfahrungen sind gemacht, zusammengetragen, reflektiert und auch nach außen dargestellt worden. In der letzten Zeit haben wir den Eindruck gewonnen, daß dabei immer wieder die Aufgaben, Fragen und Nöte der PädagogInnen im Vordergrund stehen: Fragen der Teamarbeit, der Rollen und Aufgabenverständnisse unterschiedlicher Berufsgruppen, der kooperativen Unterrichtsplanung, der didaktisch - methodischen Erfindungen im Unterricht, der Leistungsbewertung, der Akzeptanz bei Eltern und KollegInnen in der Schule ...In der Vielfalt der täglichen Belastungen und der drängenden, ineinandergreifenden Aufgaben wird deutlich, wie grundlegend und umfassend das Vorhaben ist, Schule von einer nach Leistung selektierenden in eine Schule für alle zu verwandeln. Und es wird deutlich, wie zäh Widerstände, wie mühsam die Schritte sind.

Weniger nach außen getragen wird aber bislang das Erleben der Kinder, das Miteinander oder Gegeneinander in der Klasse und das Lernen und Sich-Entwickeln der jugendlichen Persönlichkeiten, obgleich dies der Motor und der Sinn der täglichen Anstrengungen und Belebungen unter den PädagogInnen ist. Wir wollen deshalb hier einmal Geschichten erzählen: Geschichten von Jugendlichen, die das tägliche "Gratwandeln" auf der Suche nach gangbaren Wegen zeigen.

Wir schreiben diese Geschichten als täglich Beteiligte. Dabei erleben wir immer wieder die spannungsvolle Dynamik integrativer Prozesse. Entwicklung und Integration vollziehen sich in immer neuer Ausbalancierung von Gegensätzen innerhalb polarer Widerspruchseinheiten (vgl. Reiser 1990):

  • Es geht um die Akzeptanz von personaler Gleichheit - bei zugleich hoher Unterschiedlichkeit von Neigungen, Fähigkeiten und Leistungen von Menschen

  • Es geht umgekehrt um das Akzeptieren von Unterschiedlichkeit und die Entfaltung von Individualität - in der Gemeinschaft der Verschiedenen.

  • Es geht um die Entwicklung von Personalität in der Dynamik zwischen Abgrenzung und erneuter Zuwendung zu anderen in ihrer Gleich- und Verschiedenheit.

Die Polarität von Gleichheit und Verschiedenheit entfaltet sich immer neu und fordert Ausbalancierungen auf verschiedenen Ebenen:

  • in den Begegnungen der Menschen,

  • in der Gestaltung von Räumen für Entwicklungen im Unterricht,

  • in schulischen Organisationsformen und Gewohnheiten als Niederschlägen von gesellschaftlichen Wertungen und

  • in Verflochtenheit mit all diesen Ebenen in der Persönlichkeitsentwicklung jedes Menschen.

Wir wollen den notwendigen Balanceübungen auf diesen Ebenen nachgehen.

3. Begegnungen und Auseinandersetzungen unter SchülerInnen

Beim Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe stellt sich verdeckt oder offen wieder einmal die integrationsferne Frage: Sind alle Kinder integrierbar? Oder gehören manche doch nicht hierher? Schließlich sind wir eine Schule, in der gelernt werden soll...

Ben wäre deshalb fast nicht in die Gesamtschule gekommen, sondern nach der Grundschulzeit in einer Integrationsklasse doch noch zur Schule für Geistigbehinderte. Er ist oft kaum zu verstehen, denn er spricht sehr leise und nuschelig, er ist Rollstuhlfahrer und muß in die Fachräume der Schule getragen werden. Und er ist fröhlich und strahlt denen, die auf ihn zugehen, entgegen. Ben ist Klassensprecher der 6. Klasse, zum zweiten Mal gewählt.

* In der Pause bildet sich eine Glocke von Kindern um seinen Rollstuhl, ein Mädchen sitzt auf seinem Schoß, ein anderes legt von hinten seinen Kopf über seine Schulter, alle unterhalten sich lachend, Ben mittendrin.

* In der Sportstunde turnt Jana mit ihm: Sie muß sich meist selbst versorgen, war lange krank, ist heute das erste Mal wieder in der Schule. Zwei Stunden lang erfindet sie Spiele mit Ben, der sie durch seine Freude immer neu anspornt. Er muß aus dem Rollstuhl krabbeln, einen Ball rollen und werfen, sich an der Bank aufrichten, sich recken und strecken ; Jana legt sich auf die Bank und läßt ihre Arme und Beine auffordernde Turngeräte für Ben sein, er strengt sich sehr an, beide lachen viel, und schließlich streichelt er Janas Haar und Gesicht, und beide können genießen, gelöst und erschöpft. Die anderen spielen derweil Völkerball, und am Ende der Stunde verlassen sie alle gemeinsam die Halle, sich freundschaftlich - fröhlich vermischend.

* Mike hat aufgrund vieler Verletzungen die größten Probleme, sich auf Schule und Unterricht einzulassen; er spricht im Unterricht viel, aber ironisch und provokativ, er arbeitet nicht mit. Nun ist sein Vater gestorben, und er soll die Klasse verlassen, um zur Tante zu ziehen. Irgendwann setzt er sich beiläufig neben Ben, spricht mit ihm wie immer, lässig und schnell, will mit ihm im Nebenraum arbeiten und ist dann geradezu begeistert, als er entdeckt, daß er so eine Art Steckspiel, wie Ben es mag, selbst noch zu Hause hat. "Mensch, das kenn ich, das hab ich, soll ich das mal mitbringen? Ich bring das morgen mal mit - ja?" Ben nimmt das Angebot erfreut und lässig an - eine Prise kameradschaftlicher Distanz bleibt für Mike gewahrt, obwohl er sie selbst fast vergessen hatte.

Ben ist ein Sprecher und Mittelpunkt in dieser Klasse mit vielen psychisch bedürftigen Kindern. Er gibt Wärme und spricht Lebensfreude, Mut, Selbstannahme für viele andere aus. Nach dem Lernen in der Schule war gefragt - hier lernen Kinder Grundlegendes für all ihre weiteren Stationen durch ein Kind mit schweren Behinderungen.

Durch die offene Emotionalität von Kindern mit Behinderungen entsteht häufig eine behagliche Kraul- und Kuschelatmosphäre in den Klassen: Alle können es sich gestatten, mal den Kopf an die Schulter des Partners zu lehnen, sich den Arm oder Nacken kraulen zu lassen, sich aneinander anzulehnen. Die Atmosphäre des Lernens ändert sich: der Umgang mit einander wird offener, Bedürfnisse werden direkter geäußert, Gefühle können gelebt und in den schulischen Alltag integriert werden.

Jasper kann alles gut erkennen - wenn er dicht genug rankommt. Will er sicher verstanden werden und genau verstehen, legt er seinem Gegenüber beide Hände um den Hals und spricht Nasenspitze an Nasenspitze. Björn will er ganz besonders genau verstehen, und so sieht man die beiden oft in einer innigen Nähe stehen. In dieser einverständigen Umarmung ziehen die beiden fünfzehnjährigen Jungen sehr viel und sehr unterschiedliche Aufmerksamkeit auf sich. Björn ist ein "angesagter Typ", und seine Anziehungskraft auf Mädchen scheint sich durch seine zärtliche Haltung Jasper gegenüber sehr zu steigern. Und Jasper selbst, wegen vieler sonst unüblicher Übergriffe (z.B. in langes blondes Haar) schulbekannt, ist derjenige, der von manchem pubertätsbehinderten Schüler um seine Mädchennähe überaus beneidet wird.

Dazu gehört auch die Öffnung für belastende, schwer auszuhaltende Gefühle wie Trauer, Wut, Verzweiflung!

Als im 7. Schuljahr Clas seine ganze Traurigkeit über die Aussichtslosigkeit seiner unerfüllten Liebe ausbreitete, als Piet seine Wut über seine körperliche Hilflosigkeit, den Haß auf seine behinderte Existenz auspackte, löste das große Achtung und eine tiefe Solidarität bei den anderen aus und auch einen Prozeß, eigene Gefühle der Unzulänglichkeit und der Verzagtheit zuzulassen.

Aber zum Lernen von einander und miteinander gehören auch harte, schonungslose Auseinandersetzungen der Jugendlichen untereinander. Nicht nur Wärme, Einfühlung und Annahme kennzeichnen die Beziehungen, sondern genauso auch Abgrenzung, Härte, Konfrontation. Und im Spannungsfeld zwischen beidem wird persönliches Wachstum möglich.

Georg aus der sechsten hat sich bei einer Balgerei in Alis Bein - aus der fünften Klasse - festgebissen. Als Befreiungsversuch tritt dieser Georg ins Gesicht. Blut fließt, ein Krankenwagen wird gerufen, die Emotionen kochen hoch. Georgs Kumpanen schwören Rache. Als Georg mit Mutter zurück kommt und ein Lächeln zustandebringt - zum Zeichen dafür, daß er "nur Zahnfleischbluten" hatte, sitzen die Kinder, der Treter und die Rächer gerade im Kreis zur Beratung und Verhandlung einer friedlicheren Koexistenz. Ben, der zum Rächen die dickste Faust geschwungen hatte, blickt Georg erleichtert an. Mit weichem Lidaufschlag und Kopfwinken und behutsam in der Luft tänzelnden Fingern signalisiert er dem vorher Verbissenen, daß er ihn gerne kraulen würde. Georg versteht sofort: "Oja, LAUSEN!", kniet vor Ben nieder und legt ihm den Kopf auf den Schoß. Ali schaut erstaunt und mit einem Funken Sehnsucht zu. Gut, daß es möglich ist, aus Fäusten zärtliche Hände zu machen. Leider ist dies nicht Georgs letzter Biß - gleich eine Woche später kommt es zu einer ähnlich verbissenen Situation. Diesmal mit Sven aus der achten ... Aber statt der Racherufe ertönen Mahnungen an Georg, Verständniswerbungen an Sven und eine Aufzählung, wann wer schon alles seinen Biß weggekriegt hat!

Wieder ein Balanceakt: Akzeptanz von Georgs "Vorläufig-wohl-nicht-anders-Können" und dringender, drängender Wunsch von Beißabbau ... Gratwandern zwischen Annahme einerseits und Abgrenzung andererseits.

Clas, ein Junge im Rollstuhl, der u.a. auch starke Wahrnehmungsstörungen hat und schlecht sieht, beklagt sich in der Tutorenstunde mit bebender Stimme, weil er so oft irgendwo stehen gelassen wird, nicht mitgenommen wird: "Ihr habt gar kein Herz mehr für mich!" Die Antworten der Mitschüler bleiben höchst kühl: "Du sagst ja gar nicht, daß Du mitwillst, zum Tischtennis z.B." "Du könntest ganz gut alleine rollen, in der Grundschule bist Du viel mehr alleine gefahren!" "Aber das ist so ein hassiges Gefühl für mich, alleine zu fahren", bricht es aus ihm heraus. Immer noch cool halten andere dagegen, daß sie auch alles alleine tun müssen und daß er doch auch selbständig werden müsse; aber dann versuchen sie, mit Clas zusammen herauszufinden, was so schlimm für ihn dabei ist: Nicht so sehr die Anstrengung des Rollens, sondern die Einsamkeit und die Unsicherheit, wenn er Unbekannten begegnet. Erst jetzt machen sich viele wieder klar, daß er ja auch schlecht sieht, deshalb vor Fremden Angst hat und an Schwellen auf dem Weg leicht kippen kann. Am Ende scheint für alle der richtige Weg zu sein, daß Clas Wünsche sagen und selbst rollen soll, aber daß MitschülerInnen neben ihm gehen, damit er nicht allein ist.

Beide Seiten mußten sich gewachsenen Verhärtungen stellen, beide konnten sich dann aber auf die Perspektive des anderen einlassen und so - unter Wahrung des eigenen Standorts und Berücksichtigung der Bedürfnisse des anderen - ein neues Stück Wegstrecke ausmachen. Wie stark gerade durch solche klaren Konfrontationen Entwicklung möglich wird, zeigt die folgende Geschichte.

Jasper hat viele "Extrawürste" (V)erhalten. Er erwirkte diverse Sonderangebote und gewöhnte sich mit der Zeit an gewisse Exklusivitäten. Gerade betritt "seine Sonderangebotslehrerin" den Raum, sofort will er sie in Beschlag nehmen. Sie aber will ein Einzelgespräch mit einem anderen Schüler führen und verläßt mit diesem den Raum. Jasper ruft empört kontrollierend: "Wo geht ihr hin?" - "Eisessen!" lautet die veräppelnde Antwort. In der Stunde nach der großen Pause erzählen die Kinder, daß Jasper nur noch ätzend gewesen sei und rumgestänkert und gewütet habe. Zu einem Gespräch zeigt er sich nicht bereit - sammelt vielmehr verdächtig viel Spucke im Mund. Aber seine MitschülerInnen richten trotzdem das Wort an ihn: "Hör mal, selbst wenn Ina und Miro wirklich ein Eis essen gegangen wären, ist das kein Grund, daß Du so'nen Tanz machst. Vielleicht geht es ihm grad schlecht, weil es seiner Mutter schlecht geht. Und da braucht er was extra - vielleicht ja auch nur ein Gespräch. Und Du bekommst oft vielmehr Freiheiten als alle anderen. Zum Beispiel würden viele auch lieber ein Interview auf Englisch mit der Schulleitung machen als 'n Test zu schreiben..." - "Hm, ja schon, na - dann geh ich eben nicht durchs Haus, sondern schreib auch so`n blöden Test, wenn ihr wollt!" - "Nein, daß wollen wir ja gar nicht; es ist in Ordnung, wenn Du genau das machst, was für Dich Sinn macht - nur sollst Du dasselbe Recht auch jedem anderen einräumen! Verstehst Du!" - "Jaja schon - aber..." - "Klar, Jasper, das ist schöner für Dich, wenn ein Erwachsener nur für Dich da wäre, aber andere brauchen das auch ab und zu!"

Ein halbes Jahr später vernimmt Jasper - wie seine MitschülerInnen - mit Entsetzen, daß keine Cassettenrecorder zur Klassenreise mitgenommen werden sollen. Da er einige Sendungen im Radio überaus schätzt, beginnt er sofort mit uns und der Welt zu hadern. Wir bitten ihn, sein "spezielles Problem" in der Tutorenstunde zum Thema des Klassenrates zu machen. Leider fehlt er am Tag der Tut-Stunde, und so tragen wir Jaspers Not vor. Björn unterstreicht nachdrücklich den "spezifischen Bedarf", und die Klasse beschließt, daß es in Ordnung ginge, wenn bei Jasper eine Ausnahme gemacht würde. Erfreut teilen wir ihm die gute Botschaft mit - doch Jasper zögert: "Aber nein, ich will nicht, daß ihr das so macht. Nein warte, das wäre zu ungerecht, denn die andern hätten ja auch gern einen Apparat für sich. Vielleicht geb` ich Euch den Recorder und hole ihn nur für die Sendungen bei Euch ab, mache schnell meine Aufnahmen und geb` ihn Euch zurück. Vielleicht könnte man es so machen. Das wäre etwas gerechter."

Jasper baut Wege, die gangbarer sind für ihn und die anderen...Durch wiederholte Konfrontationen konnte er lernen, seine Bedürfnisse und Rechte in Beziehung zu denen der anderen zu sehen.

4. Gemeinsamkeit und Verschiedenheit im Unterricht der Sek I

Notwendige Balanceakte

Nun beziehen sich Skepsis und Zweifel zur Integration in der Sekundarstufe ja weniger auf die Ebene interaktionellen Lernens als vielmehr auf die des Unterrichts:

- Wie kann es möglich werden, die verschiedensten Kinder gemeinsam zu un- terrichten und doch jedem in seinen individuellen Besonderheiten gerecht zu werden?

- Werden sich nicht die Lernbedürfnisse der Kinder und die Lernaufgaben, die ihnen gesellschaftlich gestellt sind, so weit auseinander entwickeln, daß das integrative Ideal des kooperativen Lernens und Arbeitens aller Kinder am gemeinsamen Gegenstand (vgl. Feuser) sich als kaum zu realisierende Utopie erweist?

- Werden nicht gerade unter den Rahmenbedingungen der Gesamtschule, die ab Klasse 7 äußere Differenzierungen nach Leistung und Neigung vorschreiben, unausweichlich segregierende Strukturen, Leistungshierarchien und Anpassungszwänge in verschärfter Form festgeschrieben, integrative Entwicklungen aber unmöglich gemacht?

- Werden die gewohnten Strukturen schulischer Arbeit und die gesellschaftlichen, weithin internalisierten Erwartungen an schulisches Lernen flexibel genug sein, um vorhandene Chancen und Spielräume für eine Umgestaltung des schulischen Alltags überhaupt nutzen zu können?

Die Schwierigkeiten und Gefahren bei der Fortsetzung von Integration innerhalb von schulischen und gesellschaftlichen Strukturen, die auf der Logik von Selektion und Segregation beruhen, werden wachsam beleuchtet:

  • Feuser (1989) warnt vor den alten Schläuchen, in die neuer Wein gegossen werden soll: Ohne die Veränderung schulischer Strukturen kann eine integrative Pädagogik sich nicht entwickeln.

  • Wir sehen uns aber in der Situation, daß wir nicht warten können, bis neue Schläuche geliefert werden. Nur stückweise und schrittweise wird sich die Kellerei erneuern lassen, werden wir schulische Strukturen also verändern können!

  • Die andere Gefahr ist der alte Wein im neuen Schlauch: die Fortführung eines prinzipiell unveränderten, norm- und selektionsorientierten Unterrichts, nur äußerlich in veränderten Organisationsformen und unter dem Etikett der Integration... Jugendliche mit Behinderungen müßten sich dann entweder selbstdeformierend anpassen oder aus der Gruppe herausfallen.

  • Reiser (1991) sieht mögliche Irrwege der Integration in Fehl-Balancen zwischen Gleichheit und Verschiedenheit: Werden unter der Norm homogener Leistungserwartungen herkömmliche, die Gleichheit der Lernenden betonende, Unterrichtsmuster beibehalten, so geraten SchülerInnen in die Zwickmühle zwischen Anpassungsdruck und Aussonderung durch getrennte Unterrichtung.

  • Es droht der Irrweg der faktisch getrennten Unterrichtung von behinderten und nichtbehinderten Jugendlichen unter dem verkleisternden Deckmantel gemeinsamer sozialer Rahmenhandlungen.

  • Daneben aber steht die Gefahr der Leugnung von notwendig werdenden Differenzierungen in den Lebens- und Lernwegen von Jugendlichen mit unterschiedlichen Lebensperspektiven. Dieser Gesichtspunkt wird im Hinblick auf die Identitätsentwicklung von Jugendlichen mit Behinderungen bedeutsam: Vielleicht brauchen sie doch ausdrücklich eigene Gruppierungen, Angebote und Erfahrungsräume, um zu einem ihnen gemäßen, von Eltern unabhängigen Leben mit ihnen nahestehenden Freunden in dieser heutigen oder morgigen Gesellschaft finden zu können. Aber wie kann dann die Verzahnung mit den Lernräumen der anderen Jugendlichen erhalten bleiben?

Wir wollen versuchen, die Balance zu finden zwischen den je möglichen Gemeinsamkeiten, (die ja allen möglich sein müssen, auch den PädagogInnen) und den notwendigen Trennungen und Teilungen, damit vereinnehmende Zwangsanpassung vermieden und persönlichkeitsentfaltende Besonderung möglich wird. Wir wollen die Kinder und Jugendlichen in ihrer je konkreten Entwicklung, in ihrem Verhalten, ihren Reaktionen begleiten und pragmatisch Wege suchen, die sie betreten und weiterbauen können.

Die Vielfalt von Gemeinsamkeit und Verschiedenheit, die immer neu ausbalanciert werden muß, läßt sich für uns bildhaft so darstellen (vgl.die Abb.):

[Abbildung derzeit nicht verfügbar]

  • SchülerInnen erleben in der Klassengemeinschaft eine tragende, verbindende Mitte, in der sie vielfältige Möglichkeiten des Zusammenkommens, sich Verbündens, Zusammenseins ... erfahren.

  • Und sie lösen sich von der Mitte, streben nach außen, sondern sich ab, gehen eigenen Vorhaben und Interessen nach. Sie tun dies einzeln, zu zweien, zu mehreren, eventuell löst sich das Gesamte in vielfältige Bestandteile auf.

  • Immer aber sind dann Phasen des Zusammensetzens von getrennt Erarbeitetem, des Zusammenführens von getrennt Erlebtem, des Verbindens von unterschiedlichen Bestand-Teilen notwendig.

  • Und in der Ausgewogenheit von Trennung/ Besonderung und Verknüpfung/ Verbindung bleibt dann die mit vielfältigen Zacken sich auffächernde Gesamtheit dennoch als sich abrundende Einheit erhalten.

Die Geschichten von Kindern und Jugendlichen zeigen das Spektrum der Möglichkeiten zwischen Zusammenkommen, Auseinandergehen und neuem Sich - Verbinden.

Projekte - Idealform integrativen Unterrichts

* Fast ein halbes Jahr lang hat die Klasse ein Zirkusprogramm vorbereitet.

Im Mittelpunkt stand die Erfindung und Einübung der Nummern, aber auch Musik wurde ausgewählt und zusammengeschnitten, Kostüme erstellt, Beleuchtungen durchprobiert, Bilder, Fahnen, Einladungen gestaltet ...

Nun läuft die Premiere: Im gemeinsamen Anliegen arbeiten alle Kinder konzentriert zusammen. Sogar die quirlige, kleine Lisa, die sonst nie aufzuräumen bereit ist und kaum länger als 10 Minuten an einer Sache zu halten ist, schleppt zwischen den Nummern unermüdlich Requisiten hin und her und bleibt 2 Stunden lang voll engagiert dabei. Als winzige Seiltänzerin im Tüllröckchen arbeitet sie mit den verschiedensten anderen Artisten zusammen, setzt dabei auch entschieden fordernd immer neue kreativen Erfindungen durch, auf die sich die Partner schnell einstellen müssen; andere Kinder können ihre ungeheure Kraft, ihren Witz, ihre Zauberkünste einbringen, in der Pause werden selbstgemachte Süßigkeiten verkauft...

* Ähnlich verläuft ein mittelalterlicher Markt zum Abschluß des Fachprojekts "Leben im Mittelalter" mit den unterschiedlichsten Darbietungen und Attraktionen wie Minnesängern, Waffenschmieden und auch einer Gerichtsverhandlung.

Jedes Kind konnte in diesen Projekten seinen Zugang zum Thema finden, seine Stärken einbringen, seinen Lernwegen nachgehen und damit eine wichtige Rolle fürs Ganze spielen. Die glühenden Gesichter, die stolzen, sich präsentierenden Bewegungen zeigten, wie wichtig es für alle ist, wahrgenommen zu werden, sich darstellen zu können, wichtig zu sein für ein Ganzes! Aber verstellen solche glanzvollen Ereignisse vielleicht den Blick für die Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten des Alltags?

Während des Projekts zur Steinzeit steht Rosa, ein Mädchen mit Down-Syndrom, fast eine Stunde lang mit dem Rücken an der Wand, unbeteiligt an den Arbeiten ihrer Gruppe, die Kleidung herstellt. Rosa blickt durch den Raum, wippt ein wenig vor und zurück, greift ins Haar des vor ihr webenden Mädchens und lacht herausfordernd, lehnt sich dann wieder zurück. ... alle gemeinsam in Kooperation ?...

Aber später wird sie angezogen, wehrt sich gegen die vorgesehene Kopfbedekung, rückt das Fell vorm Spiegel zurecht, und dann geht sie los zum Beerensammeln, bringt sie heim, trocknet sie, bereitet ein Mahl - alles im imaginären Rollenspiel und in Kooperation mit Kindern dieser und anderer Teilgruppen.

Später, bei der Betrachtung der Video-Aufnahme, waren die PädagogInnen erschüttert: Die Gruppenergebnisse hatten sie mager gefunden, aber diesen und ähnliche Prozesse der Auseinandersetzung untereinander und mit der Sache hatten sie gar nicht wahrnehmen können, so eingebunden waren sie in Beratung und Hilfeleistung. Und allen wird deutlich: Wie oft können wir gar nicht erkennen, welche Prozesse der Auseinandersetzung sich - für uns unsichtbar - abspielen, wie oft lassen wir zu wenig Zeit für Prozesse nach eigenem Tempo, und wie unwichtig kann ein vorzeigbares "Ergebnis" sein!

Der alltägliche Fachunterrricht

Aber unsere schulische Wirklichkeit verlangt vorzeigbare Ergebnisse: Der Lehrplan und die Fachkoordination im Jahrgang verlangen die Erledigung bestimmter Inhalte, Eltern suchen Bestätigungen, daß das Notwendige gelernt wird, SchülerInnen selbst suchen Sicherheit über die Bewältigung handfester Lernanforderungen. Und vielleicht fehlen auch noch Phantasie und Denkgewohnheiten, fachsystematisch erworbene und abgespeicherte Inhalte für SchülerInnen in die Form von Vorhaben und neu zu Entdeckendem rückzuverwandeln! Jedenfalls findet neben Projekten lehrgangsmäßig aufgebauter Fachunterricht statt, und hier liegen die eigentlichen Probleme für die Integration von Kindern mit und ohne Behinderungen:

Die kleine quirlige, sich lautstark durchsetzende Lisa verließ die Klasse anfangs fast in jeder Fachstunde und beharrte darauf, im Gruppenraum zu spielen, denn in der Klasse (mit lehrerzentriertem Unterricht) war es langweilig! Ihre Freundin Imke folgte ihr auf dem Fuße. Also: Sonderunterricht im Gruppenraum? Gleichzeitig weigerte sich aber Rosa, wie Lisa ein Kind mit Down-Syndrom, den Klassenraum zu verlassen und nahm auch keine anderen Aufgaben an. Sie wollte nicht von den anderen unterschieden sein! Den FachlehrerInnen war es aber kaum möglich, sie neben den nichtbehinderten Kindern angemessen einzubeziehen.

Hier versagte erst einmal auch die pädagogische Doppelbesetzung!

Alle mußten lernen! Sich in gemeinsame Formen einzugeben ist schwer, aber auch ein Unterschieden-Sein anzunehmen ist schwer, und natürlich ist das Erlernen von Binnendifferenzierung sehr schwer. Heute gibt es die Grundform, daß alle gemeinsam beginnen, daß in Phasen der Stillarbeit, Partnerarbeit oder Gruppenarbeit differenzierend vorangeschritten wird, auch in getrennten Räumen, und daß nach Möglichkeit ein gemeinsamer Abschluß unter Zusammenführung der Ergebnisse stattfindet.

Gleichzeitig werden immer wieder methodische Formen erfunden, die auch spezielle fachliche Inhalte für Kinder mit Behinderungen zugänglich machen.

Hierzu gäbe es eine Reihe spannender Geschichten zu erzählen, denn von "AIDS" über "Bovine Spongiforme Enzephalopathie" und "Krieg am Golf" oder "Putschversuch in Moskau" bis zum "Zerfall Jugoslawiens" muß man sich allerhand einfallen lassen, will man die Themen, die sich aktuell über den Alltag legen, für alle verständlich(er) machen. Aber auch bei schnöden Richtlinienthemen wie dem "Koordinatensystem" sind Hinweise aus der Geistigbehindertenpädagogik nur selten zu erhalten.

* Als die Mathe-Fachkollegin verkündet, daß das Koordinatensystem nun also als nächstes dran sei und man sich Gedanken um die Handlungs-/Bewegungs-/Wahrnehmungspotentiale dieses Themas machen müßten, winkt die SonderpädagogIn für Freya, ein Mädchen mit Down-Syndrom, großzügig ab - denn jede akribische MathematikerIn und jede(r) ordentliche SonderpädagogIn würden hier entsetzt rufen: "Was soll das? Das Kind muß erstmal mit Mengeninvarianzen umgehen können! Und wozu braucht's das Koordinatensystem?! So'n Kreuz!" (So geschieht es denn später auch - nachzulesen bei KLEIN 1991). Die Kollegin aber bleibt zum Glück vom Sonderpädagogik-Skeptizismus/ -Pragmatismus unbeeindruckt, klebt zwei Springseile alle 20 cm mit leuchtenden Klebstreifen am Boden fest und läßt Freya auf dem x-namigen Seil den Punkt 4 und auf dem y-namigen Seil den Punkt 2 suchen. Und Freya findet die Punkte und Gefallen am Suchen und Finden von Standpunkten im Raum. Sie lehrt ihre MitschülerInnen dieses Spiel mit dem ulkigen Namen und mag es auch im Heft gern spielen - vor allem, um Kurven zu erhalten.

* Zehn Finger sind schon was sehr Hilfreiches zum Rechnen oder wenigstens zum Zählen. Tina braucht sie alle noch sehr, und sicher bis Klasse zehn. Jede(r) MathefachdidaktikerIn möge verzeihen - aber wir können nicht immer genau wissen, was wir tun und warum und wann ... Jedenfalls will Tina plötzlich wissen, was die Null bedeutet. Grit sieht, wie sie sich um das Problem müht. Sie geht hin und läßt nicht mehr locker, bis der Eindruck gerechtfertigt erscheint, daß Tina mindestens im Begriff ist zu begreifen: MitschülerInnen werden herbeigerufen und zum Verschwinden gebracht, Finger werden vorwärts und rückwärts abgezählt, und wo eben noch drei waren, ist ... Keiner, nicht allerdings die Null. Wenigstens erhält diese jetzt einen Platz beim Countdown.

Das Eigentliche ist hier nicht das "Stundenziel Null", sondern die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lernwegen und das Bemühen, die Denkwelt des je anderen zu verstehen und jeweils sinnvolle Impulse zu geben. Wichtiger als raffinierte methodische Einfälle erscheint uns, Raum und Zeit dafür zu geben, sich auseinanderszusetzen und eine Herausforderung für andere zu werden, gemeinsam Problemen nachzugehen. Die Organisationsform der Wochenplanarbeit macht dies möglich.

Dabei gibt es immer neue Entdeckungen über das Lernen:

Tina bearbeitet mit viel Einsatz ein Lesetagebuch und will ihren Text nun der Klasse vorlesen. Sie ist sehr aufgeregt und bittet die Lehrerin, immer die Satzanfänge zu lesen. Sie führt dann den Satz mit zwei bis drei mehrsilbigen Wörtern zuende. Die Mitschüler reagieren unterschiedlich: "Ey, super Tina, Du kannst ja viel besser lesen als vor einiger Zeit." - "Das hast Du bestimmt geraten und nicht gelesen!" - "Sag mal ehrlich, Du konntest den Text auswendig nicht? Hast Dir einfach alles genau gemerkt und gar nicht richtig gelesen?!" Tina legt ihre Stirn in Falten: "Hm!?!" Die Lehrerin fragt zurück: "Fabian, wenn Du z.B. die Buchstabenfolge d-e-r siehst, erliest du dann das Wort 'der' oder weißt Du auswendig, daß d-e-r 'der' heißt?" Und nun beginnt ein kurzes aber heftiges Reflektieren darüber, was eigentlich Lesenlernen und Lesenkönnen ausmacht.

Immer wieder heißt es: Kinder mit geistigen Behinderungen lernen nur durch konkrete Operationen und in kleinen, aufeinander aufbauenden Schritten. Aber auch hier gibt es Entdeckungen.

Jeder Mensch, der dafür bezahlt wird, daß er Situationen schafft, in denen andere Menschen die Möglichkeiten haben, etwas zu lernen, sollte in seiner Ausbildung erfahren und gelernt haben, welche Bedingungen Lernen fördern oder behindern können. Dabei ist es sehr nützlich, die klassischen Lernschritte im Kopf zu haben und zugleich diverse Lernwege für möglich zu halten. Außerdem entkrampft es uns in unserer wahrscheinlichen Fehleinschätzung, erstens nichts für unmöglich zu halten und zweitens nie stur an den jeweils nächsten Zonen der Entwicklung festzuklammern. Denn die Wirklichkeit, die ist nicht so. Sie ist immer eher hinreichend als optimal und auch bei besten Absichten weniger angemessen als aktuell formbar.

Jedenfalls sind die Mikroskope gerade in einer anderen Klasse in Benutzung, als wir uns den Stempel der Lilien mal genauer ansehen wollen. Oder noch besser: Sagen wir, der Schulgartenschlüssel ist mal wieder nicht aufzutreiben, also die Lilien nicht angreifbar. Und so geschieht es - zugegeben eine Verlegenheitslösung, wie so vieles in unserem (Schul-)Alltag - , daß die Abstraktionsebene (nämlich eine Querschnittszeichnung der Lilienblüte) vor der konkret handelnd zu erfahrenden gewählt wird. Und Tina stellt bei der erst nachträglichen "Realbegegnung" vergnügt fest: "Ach, hier ist der Stempel, den ich eben gezeichnet hab! Genau der war's!" Transfer verkehrt - geht auch - zur Not ...

Überhaupt lernen SchülerInnen immer wieder ganz andere Sachen, als man so dachte und ihnen zutraute.

Clas z.B., der mehrfach behinderte Junge im Rollstuhl, lernte zur Verblüffung aller schnell Englisch zu sprechen, mit geradezu akzentfreier Aussprache. Nachträglich ist das erklärlich: Er lernt bevorzugt über den Kanal des Hörens! In den Grundlehrgängen des Lesens, Schreibens, der Mengenerfassung und des Rechnens kam dieser Zugang aber kaum zum Zuge. Jetzt lernt Clas im Wahlpflichtfach auch Französisch.

Gleichzeitig bleibt die Wirklichkeit bestehen, daß - auch? - Kinder mit Behinderungen sich im Unterricht redlich langweilen und quälen und eigentlich gern anderes täten als "auch dabei zu sein"!

Sonderangebote

Maja und Piet haben für sich angenommen: Lernen ist anstrengend, und wir brauchen noch viel Zeit, um alles zu lernen! Sehr gewissenhaft arbeiten sie mit im Englischunterricht, lassen sich immer wieder "ranholen", wenn sie abdriften, zusammensacken. Aufgaben, die ihnen gestellt sind, bearbeiten sie jedes Mal wieder, und die Pädagogen haben die schwierige Entscheidung: Was ist richtiger: sie ausruhen zu lassen oder weiterzufordern?

Aber anders wird es bei "Benz-Geschichten" : Wenn der Sonderpädagoge ihnen Quatschgeschichten erzählt, bei denen sie ganz scharf nachdenken müssen, um die Falle zu entdeken, wo ausdrücklich Raum für ihren Humor und ihr Tempo ist, dann wachen beide auf und werden ganz aufgekratzt und lustig! Sie lieben Benz-Geschichten! Andere lieben Lo, ihren Schreibkurs, die Stunde im "Bälleraum", wo die verschiedensten Spiele gespielt werden!

Immer wieder gehen SchülerInnen mit Behinderungen gern zu "besonderen" Angeboten: wo die Gruppe klein ist, wo es gemütlich ist, wo Spaß gemacht wird, wo auch während der Arbeit Raum zum Klönen ist. Diese Qualitäten, über die sie sich öffnen, kommen im gemeinsamen Klassenunterricht doch offenbar immer wieder zu kurz. So ist es gut, sich immer mal absondern zu können, "Sonderangebote" nutzen zu können!

Tina, noch hadernd mit gemischten Druckbuchstaben, verkündet, daß sie nun aber auch Schreibschrift lernen möchte. Andere Mitinteressenten - auch aus anderen Klassen - werden gesucht, und in einer Stunde pro Woche widmet sich diese kleine Gruppe den Künsten des Schreibens - in Mehl - auf Haut -mit Tauen und später - viel später - auf Papier ... Der Schreibschriftkurs - Tinas Schöpfung - wird ein voller Erfolg auch für Paul, der zögernd in der Tür stehen bleibt und fragt: "Wie willst Du es uns denn beibringen?" Der Frust des schnellen Druckers, der es nunmehr sechs Jahre lange nicht erlernt hatte mit Schleifen und Schnörkeln zu schreiben, steht mit ihm da auf der Schwelle. Die Antwort lautet: "Keiner wird es Dir beibringen. Du wirst Deinen Weg finden!"

Neugier und Freude von nichtbehinderten MitschülerInnen, die bei solchen "Sonderangeboten" mitmachen, zeigen deutlich, daß es hier um Qualitäten geht, die vielen Kindern in der Schule fehlen und allen gut täten. Wie können wir mehr davon lebendig werden lassen? Wie können wir die schulischen Angebote für alle wärmer und reicher werden lassen?

"Sonderangebote" als integrierte Gruppen im Teilungsunterricht, z.B. als englische Spielgruppe, anzubieten, ist ein Schritt in der innerschulischen Weiterentwicklung. Qualitativ neue Kursangebote für alle Jugendlichen zu planen und damit auch Kursstrukturen zu verändern, ist der nächste Schritt.

Über das Lernen nachdenken, etwas über Hirnfuktionen wissen, Lernstörungen und Lehrstörungen betrachten, Yoga, Rhythmik, Psychomotorik, Phantasiereisen, Edukinästhetik oder anderes mehr müssen im Schulalltag für alle zum Tragen kommen. Solche Elemente dürfen eben nicht zu (dann auch noch sogenannten therapeutischen) Sonderangeboten von Raritäten für Raritäten verkommen, sondern sollten die eigentliche Schulreform darstellen: Die Reform des Umganges mit sich selbst und den anderen.

5. Institutionelle und normative Balanceakte

Wie stehen die Chancen für Kurs - Korrekturen im System der Gesamtschule?

Was bedeuten überhaupt die gegenwärtigen organisatorischen Strukturen in Gesamtschulen für die notwendige Ausbalancierung von Gemeinsamkeit und individuell angemessener Differenzierung?

Der grundlegende Zweifel an der Tragfähigkeit des Systems wurde bereits angesprochen: Zwar besuchen alle SchülerInnen dasselbe Schulgebäude; wenn aber ab Klasse 7 in Englisch und Mathematik durchgehend in äußerer Differenzierung in Leistungsniveaugruppen unterrichtet wird, wenn gleichzeitig die Entscheidung für zwei Wahlpflichtfächer die Klasse in mehrere andere wechselnde Gruppierungen aufteilt, und wenn ab Klasse 8 durch äußere Leistungsdifferenzierung auch in Deutsch letztlich nur noch Politik als gemeinsames Unterrichtsfach der gesamten Klasse erhalten bleibt - wo bleibt dann die Mitte, in der all die unterschiedlichen Lernzacken verbunden, verzahnt, integriert werden können?

Was bewirkt überhaupt die Aufteilung in Leistungs- Niveaugruppen, und wo gehen dann die SchülerInnen mit Behinderungen hin? Was geschieht in und unter den Jugendlichen, wenn sie bemerken, daß sie nun letztlich unter dem Gesichtspunkt normorientierter Bewährung eingestuft und beurteilt werden, und nicht - oder nur halbherzig - nach individuellen Entwicklungsmaßstäben? Wird nicht gerade in der räumlichen Nähe die Leistungshierarchie und die damit verbundene unterschiedliche soziale Wertung umso schmerzlicher und zerstörerischer erlebt?

Versuchen wir wieder, den Ambivalenzen und Ausbalancierungen nachzugehen!

Wahlpflichtfächer als Chance neuer Einigungen

* Karin ist nach eigener Entscheidung in einen naturwissenschaftlichen Wahlpflichtkurs gegangen; die PädagogInnen schätzten Inhalte und Niveau als viel zu abstrakt ein, aber Karin mochte den Lehrer und hatte Interesse an den Jugendlichen dieses Kurses! Ihre Entscheidung wurde respektiert, und sie blühte auf! Weniger wegen der Lerninhalte als vielmehr wegen der neuen schwungvollen Kontakte.

Stufen wir das Interesse an neuen sozialen Beziehungen bei Kindern mit Behinderungen vielleicht viel zu niedrig ein, und geben wir der "angemessenen" kognitiven Förderung vielleicht einen viel zu hohen Stellenwert?

* Maja hat Musik gewählt, und die PädagogInnen waren überzeugt: In Musik treffen sich die Interessen der verschiedenen Jugendlichen. Aber trotz großer integrativer Bemühungen der LehrerInnen war unübersehbar: Maja stieg nach kurzer Zeit aus dem Instrumentalspiel der Klasse aus. Sie legte sich quer über zwei Stühle und reiste innerlich ab. Sie hatte ihren Part auf dem Xylophon geübt, den konnte sie auch. Aber nun war das Üben der anderen einfach zu laut. Und dann machte es überhaupt keinen Spaß, an einer (welcher?) fremdbestimmten Stelle zwei bestimmte Töne zu produzieren. Wie schön waren dagegen die Lieder der Grundschulzeit! Aber die werden nicht mehr gesungen.

* Freya hätte am liebsten Französisch und Spanisch gewählt, denn Englisch hat ihr so viel Spaß gebracht. Aber hier setzen wir ihrer Wahlfreiheit ein jähes Ende: "Freya, bestimmt hast Du recht, daß es Dir Spaß machen könnte, noch zwei neue Sprachen zu lernen. Aber sieh mal, ich müßte Ideen haben und Material herstellen, mit denen Du lernen könntest. Und da traue ich mir nicht genug zu. Soweit bin ich noch nicht, und ich weiß, daß ich nicht die Zeit finden werde, mich da hineinzuarbeiten."

* Auch Tina und Tim werden am Punkt Wahlpflicht enttäuscht. Ihre Sonderpädagogin plant - immer noch Luxus - , ein Wahlpflicht-Fach ganz und gar an ihren Bedürfnissen zu orientieren und auf diese Weise gleichzeitig großen Erfahrungsraum für alle anderen Beteiligten zu bringen. Im Rahmen des Faches Darstellendes Spiel sollte das gelingen können. Die Pläne sind geschmiedet - die Lust geweckt. Doch leider nur bei vier weiteren Kindern, denn die Konkurrenz mit den Fremdsprachen und Naturwissenschaften ist zu groß. Und so kann der Kurs mangels Kinder bzw. mangels ausreichender finanzieller Ausstattung der Hamburger Schulen nicht zugelassen werden ...

Reichte beim vorletzten Beispiel die persönliche Kompetenz der Lehrerin nicht hin, so ist beim zweiten u.a. die Struktur der Wahlkiller.

Aus den verschiedenen Wahlpflichtfach - Entscheidungen haben wir gelernt, daß wir oft nicht vorhersehen können, welche Kurse für die einzelnen Jugendlichen geeignet und zuträglich sein könnten! Wir müssen anfangen und sehen, was wächst ... Umso wichtiger wird die einfühlsame, menschlich offene Begleitung und die Bereitschaft, eingeschlagene Wege zu korrigieren - seien es qualitative Veränderungen im Kurs oder auch Kurswechsel außerhalb der schulorganisatorisch vorgesehen Zeitpunkte.

Die andere wesentliche Erfahrung ist aber, daß alle Jugendlichen neugierig und offen für neue Kontakte und Erfahrungen sind, auch die mit Behinderungen! Neue Beziehungen und neue Räume zur Erprobung von Selbständigkeit lassen manche von ihnen geradezu aufleben. Jugendliche ohne Behinderungen, die vielleicht erstmalig mit den behinderten MitschülerInnen zusammenkommen, wenden sich ihnen in aller Regel interessiert und einfühlsam zu. Soziale Integration gelingt in neuer Intensität, vielleicht auch gerade auf der Basis ähnlicher sachlicher Interessen!

Äußere Fachleistungsdifferenzierung

Weitaus problematischer, aber auch noch offen, erscheinen uns die Auswirkungen von Gruppierungen nach Leistungsniveaus.

Für Kinder mit Behinderungen stellt sich hier eigentlich keine qualitativ neue Problematik: Sie mußten sich längst damit auseinandersetzen, daß sie nach anderen Maßstäben lernen und bewertet werden als die MitschülerInnen, und wie bereits gewohnt, werden sie in einem Kurs arbeiten, der überwiegend nach anderen Maßstäben als den eigenen vorgeht.

Fachleistungsgruppen bedeuten aber für alle nichtbehinderten Kinder die Auseinandersetzung mit Gruppenzuweisungen gemäß Leistungsstärken bzw. -defiziten, was brisante Auseinandersetzungen mit Selbstwert und sozialer Anerkennung implizieren kann. Was bedeutet es für das Selbstbild der Jugendlichen mit Behinderungen, wenn nun für alle anderen die Erfüllung von Leistungsnormen offenbar so wichtig wird? Welche Prozesse von Abgrenzung, Abwehr einerseits oder Solidarisierung andererseits werden ausgelöst, wenn sich nun vielleicht lernschwache gemeinsam mit behinderten Jugendlichen im unteren Leistungskurs befinden? Die Auseinandersetzung mit Leistungsnormen und deren Bedeutung für Selbst - Verständnisse steht für alle unausweichlich im Raum:

  • Karin und Su waren in der Grundschulzeit befreundet; sie haben beide deutliche Schwierigkeiten mit Mathematik und Rechtschreibung und könnten im Leistungskurs zusammenarbeiten. Aber für Su wird wichtig, mit "besseren" SchülerInnen zusammenzuarbeiten, und sie entzieht sich Karins Versuchen, sich der alten Freundschaft zu vergewissern.

  • Britta lehnte eigene, für sie angemessene Aufgabenstellungen bis in Klasse 7 hinein ab, obwohl sie oft völlig überfordert war; aber sie wollte die Leistungen "der anderen" erbringen ! Diese waren derweil um das eigene Leistungsniveau besorgt , weil viele nach der Beobachtungsstufe den Übergang zum Gymnasium anstrebten; sie ließen Britta deutlich spüren, wie lästig ihnen ihre Langsamkeit war!

  • Jenny hat als erstes behindertes Kind die Schule verlassen, weil sie sich unter starkem Leistungsdruck und darin überfordert fühlte. Es ist schwer aus- zumachen, was dabei maßgeblich war: eigene internalisierte Leistungsansprüche, das gedrückte Klima in der Klasse, aus der mehrere Kinder zum Gymnasium übergewechselt waren, die direkte Ausstrahlung des Bewährungsdrucks, unter dem sich die LehrerInnen in dieser Situation befanden, oder andere Druck erzeugende Erfahrungen in Jennys Lebensgeschichte.

Deutlich ist, daß die Atmosphäre der normorientierten Leistungsbewertung für alle Kinder die Annahme ihrer individuell verschiedenen Leistungsmsöglichkeiten erschwert! Nun gehört diese Auseinandersetzung aber unausweichlich zum Hineinwachsen in unsere Gesellschaft hinzu; wir können sie auch den Kindern mit Behinderungen in keinem Falle ersparen.

Wie aber können wir sie in dieser schmerzlichen Standortfindung stützen? Können wir vermeiden, daß sie in ihrem Selbstwertgefühl und Lebensmut gebrochen werden? Kann es gelingen, dem normorientierten Aspekt im schulischen Zusammenleben seinen notwendigen aber doch auch nur partiellen und relativen Stellenwert zu geben?

Wir versuchen, die Kinder mit Behinderungen den Niveaugruppen nicht unter Leistungsgesichtspunkten, sondern nach gruppendynamischen und persönlichen Gesichtspunkten zuzuordnen: nach den sozialen Beziehungen der Kinder und der Bereitschaft der KollegInnen, sich auf die neue Aufgabe einzulassen. So entstehen zumindest partiell wieder deutlich heterogene Lerngruppen.

Kinder mit Behinderungen können also im leistungsstärkeren Kurs einbezogen sein. Freia nimmt epochal zu bestimmten Themen am Deutschkurs der leistungsstärkeren SchülerInnen teil. Umgekehrt arbeiten in Mathematik leistungsstarke SchülerInnen eine Wochenstunde im Grundkurs mit und halten so ihre Lernpatenschaften zu leistungsschwachen bzw. behinderten SchülerInnen aufrecht, was Chancen , aber auch Gefahren für die Entwicklung der Beziehungen enthält.

Eine wesentliche Klippe für die Entwicklung der Jugendlichen in den Fachleistungsgruppen wird sein, ob es den LehrerInnen gelingt, trotz der grundsätzlichen Ausrichtung auf leistungshomogenen Unterricht in starkem Maße binnendifferenziert zu arbeiten, dadurch auch Jugendliche mit Behinderungen in die Lerngruppe zu integrieren und für alle SchülerInnen psychosoziale Kränkungen aufgrund von Leistungsschwächen zu vermeiden.

Wir können die Folgen der äußeren Leistungsdifferenzierung ab Klasse 7 noch nicht genügend beurteilen. Sie scheint bislang verkraftbar zu sein. Aber für Kinder, die sich in der Auseinandersetzung mit ihren Möglichkeiten und Grenzen befinden, ist zumindest die Phase der Zuordnung zu einer Niveaugruppe belastend. Andererseits wird auch von Vorteilen berichtet: In beiden Niveaugruppen erleben LehrerInnen ein Aufblühen mancher Jugendlicher unter der Erfahrung, Raum und Zeit für ihre Lernstile, Lernzeiten und Lernebenen zu haben!

Darüber hinaus tritt die Bedeutung der stabilen Kernklasse für die Jugendlichen offenbar zurück: Mit zunehmendem Alter der Jugendlichen steigt ihr Interesse an einer Öffnung für neue Partner und Bezugsgruppen; die Jugendlichen orientieren sich bald über den Rahmen ihrer Klasse hinaus im sozialen Feld ihres Jahrgangs, und Jugendliche aus darüber wie darunter liegenden Jahrgängen sind potentielle Partner. Auch Jugendliche mit Behinderungen haben Beziehungen zu SchülerInnen aus anderen Klassen; manchmal suchen sie Kontakte zu anderen MitschülerInnen mit Behinderungen: Sie besuchen sich gegenseitig in den Klassen; Clas und Jan in ihren Rollstühlen treffen sich gern auf dem Hof, klönen und lachen zusammen.

So können wechselnde Lerngruppierungen bereichernd werden, und Jahrgangs-Feten wie klassenübergreifende Projekte können zu einem wichtigen Ort für neue Begegnungen und Verflechtungen werden.

Sorgen macht vor allem die äußere Leistungsdifferenzierung im Fach Deutsch ab Klasse 8. Damit entfällt ein wesentlicher Bereich für die gemeinsame Bearbeitung von Themen, die alle Jugendlichen beschäftigen; der Raum für Projekte und für die lebendige Gestaltung einer klasseneigenen Atmosphäre wird gravierend eingeschränkt.

In einer Schule wird daher ein anderes Organisationsmodell erprobt: Nach bestimmten Wahlfachschwerpunkten werden die Klassen in Jg. 8 neu zuammengesetzt, so daß stabile Lerngruppen mit gemeinsamen Unterrichtsschwerpunkten entstehen. Die Frage ist aber, ob durch die Fächerwahlen nicht - ganz im Sinne äußerer Leistungsdifferenzierung - eine soziale und kognitive Entmischung der SchülerInnen stattfindet, wenn es z.B. um die Alternativen Kunst oder Naturwissenschaft bzw. Sport oder Politik geht.

In anderen Schulen arbeiten Teams darauf hin, das Ausmaß äußerer Differenzierung in Deutsch wenigstens zu lockern und anteilsweise den Deutschunterricht räumlich undifferenziert zu erteilen. Chancen hierzu bestehen, wenn die Parallelklassen im Jahrgang ebenfalls auf eine durchgehende äußere / räumliche Differenzierung verzichten und zur verstärkten Kooperation im Jahrgangsteam finden.

Die Scheren in den Köpfen der Menschen

Hier setzt nun aber das wesentliche Problem der institutionellen Balance ein:

Die Ausweitung von Integration im Sekundarbereich ist auf Einigungen angewiesen. Einigungen müssen möglich werden mit KollegInnen, die ihr fachliches Selbstverständnis im Kurssystem nicht verändern wollen, die nicht Berichte schreiben, sondern Zensuren erteilen wollen, die äußere Fachleistungsdifferenzierung im Sinne eines fachlich effektiven Lernens sinnvoll und erstrebenswert finden.

Wir beobachten, wie mit der Geschwindigkeit der Ausbreitung von Integrationsklassen das integrative pädagogische Grundverständnis ständig neu gewonnen werden muß. Und wir beobachten auch, daß institutionelle Gestaltungsräume unter der Macht gewohnter Arbeitsverständnisse nicht ausgenutzt oder gar aufgegeben werden, indem z.B. bereits in Klasse 6 Zensuren erteilt oder Leistungsgruppen gebildet werden. Wir befinden uns im Prozeß der Beobachtung und kritischen Reflexion darüber, was die tragenden, wirklich bedeutsamen Grundpfeiler integrativer Arbeit sind.

Wodurch kommt Integration in den Schulen zum Leben? Welche Rolle spielen die organisatorischen Rahmenbedingungen? Und welche Rolle spielen die Menschen, die Erfahrungen miteinander machen und sich dabei selbst verändern?

* Tina hat in ihrem Zeugnis ein besonderes Lob stehen: Sie sorgt in der oft hektischen Betriebsamkeit des Schulalltags für's Innehalten und Sich-Besinnen. Sie spricht die zum Lehrerzimmer Vorbeieilenden an und fragt nach Namen, Laune, dem vor 12 Monaten gebrochenen Daumen und anderem mehr. Andere, von denen sie schon Verklemmtheit und Wortkargheit kennt, beackert sie auch schon mal nonverbal: Stellt sich in den Weg, versucht am Mantel zu ziehen oder in besonders schwierigen Fällen mit leichten Klopfern auf den Po für veränderte Mienen zu sorgen. Hierbei bevorzugt sie es, Männern in Anzug und Krawatte auf den oft nur unzureichend mit dem Aktenkoffer als Schild geschützten Hintern zu klatschen. Nicht erst die von ihr jeweils erzielten Resultate - die Aktion an sich bereichert das Schulleben ungemein. Hier werden empfindliche Normen berührt!

* Max, ein autistischer Junge, hatte im Verlauf der Grundschulzeit allmählich verständlich zu sprechen gelernt, hatte - im Gruppenraum meist auf der Matratze hopsend, ganz beiläufig das Lesen erlernt und darüber dann den Weg gefunden, sich auch zur Gruppe zu setzen. Aber er brauchte weiterhin eine feste Bezugsperson neben sich!

Als zu Beginn der Gesamtschulzeit der Vertrag seines Zivildienstleistenden endete und er die Orientierung in der riesigen neuen Schule ohne festen Betreuer suchen mußte, war er ohne Halt und "flippte wieder aus", wie im übrigen auch viele andere Kinder auf ihre Weise! Max ging an die Grenzen des Möglichen: Blitzschnell rannte er weg, prüfend, ob er gehalten werde; und ständig lief ein Teammitglied suchend und beschwörend hinterher; er aber drückte im Vorbeisausen am Kopierer auf alle Knöpfe, kippte die Tonerflüssigkeit aus, drehte irgendwo im Haus Wasserhähne auf, und schließlich spuckte er LehrerInnen an und riß ihnen Brillen von der Nase! Das war zu viel! "So ein Kind gehört hier nicht her! Das brauchen wir uns nicht gefallen zu lassen!"

Der Konferenzbeschluß der Abschulung konnte knapp vermieden werden, stattdessen veränderten sich allmählich Toleranzen. Beim Hausmeister hat Max eine Aufgabe bekommen: Er darf den Knopf bedienen, der ihn immer am meisten faszinierte: mit einem Druck kann er die Lichtluken im ganzen Haus öffnen oder schließen, damit es nicht hineinregnet - oder soll es mal? Max hat die Kontrolle. Und er beruhigt sich.

* Jasper ist gerade drei Monate in der neuen Schule, da beklagt sich die Schulsekretärin bei der Schulleitung: "Entweder geht er oder ich werde gehen!" Seine täglichen Überfälle im Schulbüro mit dem Wortlaut: "Dies ist ein Überfall! Geld her oder Du mußt eine mehrfache Vergewaltigung über Dich ergehen lassen, und 23 Messerstiche werden Dich töten!" gehen an die Substanz, wirken toxisch. Eine intensive Zeit der Verständnis- und Geduldsbitten, der Verstehensversuche, der Verhandlungen und kleinen Einigungen folgt. Die Krise, die Phase der krassen Abgrenzung hat Haltungen in Bewegung gebracht, neue keimen lassen. Die Besonderheit und Intensität der Beziehung, die sich daraus entwickelt, erhält ein deutliches Zeichen, als Jasper der einzige Schüler dieser Schule ist, der zu Weihnachten von der Sekretärin ein Geschenk erhält. Und was damals wuchs, trägt noch heute, wenn sie mit echter Anteilnahme seine Stimmungsschwankungen beobachtet und zu "Eskapaden" Stellung nimmt. Klar und sicher konfrontiert sie ihn nun mit seiner Wirkung auf sie, wenn er durchs Haustelefon anruft und sie anbrüllt: "Herr Ober, kann ich noch zwei Wurschtsalat ham?!"

Mitunter können wohl die Erfahrungen der Menschen miteinander bewirken, daß sich die Vorstellungen vom Möglichen und Richtigen verändern, so daß sie dann auch die Bedingungen ihres Zusammenlebens verändern.

Unauffällig aber wirksam können vielleicht gerade die einzelnen Kinder zum Lebendigwerden eines annehmenden, integrativen Lebens in der Schule beitragen.

6. Gratwanderungen in der Selbstwerdung der Jugendlichen

Wir sehen Balanceakte auf allen Ebenen: in den Prozessen von Abgrenzung und Annäherung unter den jugendlich werdenden Kindern, in den Suchbewegungen des Unterscheidens und Zusammenführens im Unterricht, in den reibungsvollen Bewegungen des Vorstoßens und Zurückdrängens oder -weichens in den Begrenzungen des schulischen Alltags ...

Letztlich müssen vor allem die Kinder mit Behinderungen diese Balanceakte mit sich selbst vollbringen: Sie müssen die Prozesse des Sich - Unterscheidens und Sich - Einigens in ihrer Selbstwerdung vollziehen.

In der Grundschulzeit war die Unterscheidung zwischen behinderten und nichtbehinderten Kindern oft wohl noch nicht bedeutsam geworden. Im Verlauf der Sekundarstufe wird nun die Auseinandersetzung mit dem Behindert - Sein für viele unausweichlich. Verschiedene Aspekte dieser schwierigen Selbst- Bewußt - Werdung sind schon angesprochen worden: Da kann verzweifelte Wut über die Behinderung durch die Grenzen des eigenen Körpers entstehen, da mag übergroße Anstrengung aufgewandt werden, diese Grenzen zu leugnen, um mit allen anderen mitzuhalten; da mag auch ein Rückzug in die schützenden Wände des eigenen Zimmers gesucht und der Kontakt zu anderen behinderten Jugendlichen bewußt gemieden werden; oder da kann plötzlich gleißend hell, nicht zu übersehen und nicht zu übergehen die Frage gestellt werden: "Ich bin behindert? Wieso?"

Vielleicht werden die Unterschiede im Lernen, Spielen und Reden allmählich prägnanter wahrgenommen; vielleicht wird dies durch Reaktionen in der neuen schulischen Umgebung auch unterstützt, z.B. indem FachlehrerInnen sich um die einen, SonderpädagogInnen sich um die anderen Kinder kümmern und indem dann auch der praktisch zusammenfassende Begriff "die Behinderten " auftaucht; vielleicht werden auch Kränkungen und Konfrontationen mit Schülern aus anderen Klassen durchlebt, z.B. wenn im Prestigekampf der Klassen die "Behindertenklasse" als Kampfbegriff fällt ...

Für Imke ist die Frage nach diesem noch unverständlichen Gruppen- und Personmerkmal in Klasse 6 plötzlich zentral geworden, und sie macht sie in vielen Variationen zum Thema für alle:

  • Sie stellt fest: "Ich kann nur leichte Aufgaben - ich bin behindert", als sei das nun geklärt, und fragt weiter: " Warum? Das ist wegen meinem Gehirn? " Die sachliche Erklärung scheint hilfreich zu sein;

  • sie probiert aus, sich durch das Zauberwort selbst zu schonen, wenn etwas anstrengend wird oder etwas mißlingt, was sie sonst kann;

  • sie entdeckt den möglichen Nutzen des Begriffs, wenn sie im Bus um einen Sitzplatz bittet,

  • sie probiert aus, wie andere reagieren, wenn sie sich vorstellt: "Ich bin behindert", als wolle sie kritisch testen:" Was sagst du nun zu mir? Was hältst du davon ? Was bedeutet Behindertsein für Dich?"

  • sie provoziert ihre Mitschülerin Rosa "du bist auch behindert!", die das nicht hören will und anfängt zu weinen;

  • sie stellt fest: "Du bist auch behindert, schlafbehindert", als sie Baldrian- Tabletten bei der Mutter findet und sich den Zweck erklären läßt;

  • sie wird scharfsichtig beim Gang durch die Stadt, erkennt bei anderen Jugendlichen: "die ist auch behindert" - und ahmt vergnügt die komische Gangart nach;

  • und sie unterscheidet nun für sich, was sie kann und mag und was ihr schwer fällt - da ist sie behindert.

In vielen Facetten probiert sie aus, was "Behindertsein" ist, sucht die Wahrheit über sich selbst dabei zu entdecken und verwickelt die anderen in diese sich ausdifferenzierende Selbstklärung mit hinein. Auch die anderen Kinder der Klasse entdecken ihre geleugneten Bereiche der Schwäche, und vielleicht verliert das Wort auch für Rosa seinen Schrecken, so daß sie hinsehen kann, was ihre Selbst- Wirklichkeit ist.

"Da bin ich behindert - na und?" - ob es gelingen kann, das so selbstverständlich zu sehen und zu sagen?

Angekommen sind die SchülerInnen der Sek I da wohl alle noch nicht. Sie sind unterwegs. Unklar ist noch, wo sie Freunde finden werden, wenn die einbindende vertraute Gruppe nach der Schulzeit auseinandergeht, wenn der "Schonraum" der (anfangs doch beängstigend riesigen) Schule verlassen wird ... Aber sie sind schon dabei, sich den Weg hinaus zu bahnen:

* Majas Klasse macht eine Reise nach England, und sie hat sich auf dem Elternabend als einzige SchülerIn mit mutigen Reden dafür eingesetzt! Kurz bevor es los geht, hat sie doch große Angst; aber sie weiß, daß in ihrer Gastgeberfamilie eine Katze ist, und sie will noch lernen auf Englisch zu sagen "Ich möchte die Katze streicheln" - dann kann sie sich trösten, wenn es schwierig wird!

* Imke hat gerade gelernt, mit dem öffentlichen Bus zur Schule zu fahren; heute nimmt sie zum ersten Mal die nächste Hürde und steigt alleine um, von der S-Bahn in den Bus. Wie sie so den langen Bahnsteig entlang geht, versucht sie kleine Hüpferchen mit wippendem Ranzen, so wie Schulkinder das eben machen. Es dauert sehr, sehr lange, bis sie aus dem Unterführungstunnel wieder auftaucht und sich der Bushaltestelle nähert. Da kommt der Bus schon. Imke sieht ihn und rennt so gut sie kann ; das sieht schon sehr angestrengt aus! Mit hochrotem Kopf erreicht sie den wartenden Bus, steigt ein, schaut prüfend nach allen Seiten, ob alles richtig ist, hat keine Zeit zurückzuwinken... Sie ist jetzt allein unterwegs ... hinein ins nächste Labyrinth, versuchsweise hüpfend!

* Auf dem Bundeselterntreffen für Integration in Berlin (1991) tritt ein junger Mann ans Mikrophon und gibt den PolitikerInnen auf dem Podium wie dem Plenum zu bedenken: "Hier wird immer wieder vom Recht der Menschen mit Behinderungen auf Integration gesprochen. Sehen Sie, ich bin immer in einer Integrationsklasse zur Schule gegangen und jetzt in Klasse 10. Ich denke, das war mein gutes Recht - gemeinsam mit behinderten Kindern großzuwerden!" Und er erzählt: "Als ich 12 Jahre alt war, mochte ich plötzlich nicht mehr mit Ole zusammen gesehen werden. Ich dachte, andere Jungen könnten mich ablehnen, weil ich einen eindeutig behinderten Freund habe. Oles Mutter war darüber total verzweifelt und bat mich, ihn doch wenigstens ab und zu wieder ins Schwimmbad mitzunehmen. Sie weinte, und ich heulte auch. Aber ich konnte es nicht und blieb stur. Über zwei Jahre ging das so. Erst dann habe ich allmählich erkannt: Wer den Ole nicht akzeptiert, den kann ich sowieso vergessen - so einer kommt für mich nicht mehr in Frage! So lange kann's dauern, bis man das kapiert."

Georg Feuser warnt: "Die Realisierung integrativer Pädagogik ist Schulreform.... Sie strebt die Realisierung solcher Lebens- und Lernzusammenhänge an, in denen die Schüler im Prozeß ihrer Selbstorganisation ihre Persönlichkeit optimal und ungebrochen entfalten können. Gesellschaftlich gebrochene Schulreformen brechen auch weiterhin die Persönlichkeit der Schüler!"(1989,S.40).

Wo aber wären wir, wenn wir nicht diesen Weg mit all seinen Brechungen und Halbheiten - noch alles andere als optimal - gingen?

Literatur

Deppe-Wolfinger, Helga, Annedore Prengel und Helmut Reiser: Integrative Pädagogik in der Grundschule. Weinheim/München:Juventa 1990.

Feuser, Georg: Allgemeine integrative Pädagogik und entwicklungslogische Didaktik. In: Behindertenpädagogik, 28.Jg.(1989) H.1, 4-48.

Feuser, Georg: Grundlagen einer integrativen Pädagogik im Kindergarten- und Vorschulalter. In: Behinderte. 13.Jg.(1990) H.1, 5-26.

Integration Behinderter in der Gesamtschule Bergedorf. In: Hamburger Lehrerzeitung 1991 H.9, 10-18.

Integrationspädagogik in Hamburg. Leitgedanken, Modelle, Bedenken. In: Hamburg macht Schule. 1. Jg. (1989) H.6.

Klein, Gerhard: Auftrag und Dilemma der Sonderschule - gestern, heute und morgen. In: Geistige Behinderung. 30.Jg.(1991) H.2, 115-129.

Reiser, Helmut: Entwicklung der Fragestellung und Untersuchungsplan, Ergebnisse der Untersuchung. In: Deppe-Wolfinger, H., A. Prengel und H. Reiser: Integrative Pädagogik in der Grundschule. München 1990, 26-34, 259-273.

Reiser, Helmut: Wege und Irrwege zur Integration. In: Sander, A. und P. Raidt (Hrsg.): Integration und Sonderpädagogik. St. Ingbert 1991, 13-33.

Sander, Alfred und Peter Raidt (Hrsg.): Integration und Sonderpädagogik. Saarbrücker Beiträge zur Integrationspädagogik, Bd.6. St. Ingbert: Röhrig 1991.

Schley, Wilfried, Ines Boban und Andreas Hinz (Hrsg.): Integrationsklassen in Hamburger Gesamtschulen. Hamburg: Curio 1989.

Schley, Wilfried, Ulrike Dahmke, Annegret Hoffmann, Gerda Niermeier, Marianne Poppe: Integrationsklassen in der Sekundarstufe I, "Bergedorfer Erfahrungen". In: Gesamtschulinformationen. 21.Jg.(1990) H.3-4, 144-215.

Schley, Wilfried und Almut Köbberling: Integrationspädagogik in der Sekundarstufe I. Bericht über die Fachtagung 1990. Institut für Lehrerfortbildung Hamburg, Schriftenreihe Heft 11. Hamburg:Beratungszentrum Integration 1990.

Schley, Wilfried: Wir schreiben unser Drehbuch selbst. In: Pädagogik. 43.Jg. (1991) H.1, 10-14.

Quelle:

Ines Boban, Almut Köbberling: Der Weg wird, indem wir ihn gehen - Kinder mit Behinderungen in der Sekundarstufe I

Erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Geselschaft 14, H. 5, 5-21

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 17.08.2006

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