Schulentwicklung unter dem Aspekt der Inklusion

oder: weg von "Integrationsklassen" hin zur "Schule für alle Kinder"!

Themenbereiche: Schule
Textsorte: Zeitschrift
Releaseinfo: erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 2/2001; Thema: Integration ist unteilbar Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft (2/2001)
Copyright: © Marianne Wilhelm, Gitta Bintinger 2001

Schulentwicklung unter dem Aspekt der Inklusion oder: weg von "Integrationsklassen" hin zur "Schule für alle Kinder"!

Jeder Mensch hält Ausschau nach einem Menschen, der ihm das Ja des Seindürfens zuspricht. Martin Buber

Wenn wir über "Integrationsklassen" reden, haben wir das Bild im Kopf, dass es auch andere, dass es auch "normale" Klassen gibt. Wenn wir von "Integration" reden, haben wir im Kopf, dass es auch die Segregation gibt. Wenn wir von "Sonderpädagogischem Förderbedarf" reden, wissen wir, dass es Kinder mit und ohne Sonderpädagogischem Förderbedarf gibt. Wenn wir von Sonderpädagogik reden, wissen wir, dass es auch die sogenannte Allgemeine Pädagogik gibt.

Einleitung

Insgesamt ent- und erhalten all diese Begriffe die "Segregation im Kopf." Wenn wir gewillt sind, die Segregation, die Kategorienbildung bei Menschen hinter uns zu lassen, so müssen wir zuerst Begriffe finden, die unser "Nicht-aussonderndes Denken" auch sprachlich exakt darstellen können.

So finden wir im englischsprachigen Raum den Begriff der Inklusion. Die inklusive Schule ist die Schule für alle Kinder, der inklusive Unterricht ist der Unterricht für alle Kinder. Die inklusive Schule ist die Schule der Nicht-Aussonderung, die ohne Kategorisierung, ohne Sonderpädagogischen Förderbedarf auskommt und trotzdem die optimale Lernbegleitung jedes einzelnen Kindes garantiert ("therapeutische" entwicklungsbegleitende Maßnahmen miteingeschlossen).

"Integration" und auch "Inklusion" sollten als Übergangsbegriffe verstanden werden, die, wenn die nächste Entwicklungsstufe der Gesellschaft erreicht wurde, auch wieder vergessen werden dürfen. So ließe sich eine mögliche Entwicklungslinie folgendermaßen darstellen: von der Segregation zur Integration - von der Integration zur Inklusion - von der Inklusion zur Vielfalt als "Normalfall".

Schulentwicklung als Notwendigkeit, die Schule im Sinne der Inklusion zu einer Schule für alle Kinder zu entwickeln, wird in den Medien, wird von der Öffentlichkeit nicht eingefordert. Die aus der Integration entstehenden und entstandenen Probleme sind jedoch vielfach im Schulalltag täglich präsent und zwingen derzeit z.B. Sonderpädagogische Zentren zu neuen Wegen, zu Schul-und Organisationsentwicklungsprozessen.

Wir brauchen im Sinne inklusiver Denkweise keine "Schularten" mehr, sondern ausreichende Ressourcen für die optimale entwicklungsbegleitende Betreuung jedes Kindes.

Schulentwicklung heute sollte daher unter anderem die Entwicklung standortbezogener durchgängiger inklusiver pädagogischer Konzepte im Sinne der Humanisierung und Demokratisierung der Schule bedeuten.

Im Sinne der Schulautonomie auf dem Weg zum inklusiven Schulprofil - zu einer eigenen inklusiven Schulkultur[1]

Die Chancen der österreichischen Schule liegen heute im Bereich der Schulentwicklung im Sinne der optimalen Nutzung des Autonomiegedankens. Zur Zeit ist es jedoch so, dass der Begriff der Schulautonomie auf unterschiedliche Weise interpretiert und mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt wird. Die Lehrerschaft fragt sich zurecht - geht es um die Deregulation des Schulwesens, um neue Formen der Bildungsfinanzierung[2] oder um Schulprofile - und was ist darunter zu verstehen - genügt es, ein Hügelbeet anzulegen, um eine Schule mit biologischem Schwerpunkt zu sein? Ist der Begriff "Autonomie" eigentlich passend für das, was im Bereich der "Staatsschule" - und das ist unsere Schule allemal - möglich ist? Seel[3] reduziert diesen Begriff mit Recht auf "die Schule mit mehr Gestaltungsspielräumen", da Österreichs Schulen den Kennzeichen von Autonomie: Selbstgesetzgebung, Herauslösung aus der staatlichen Hoheitsverwaltung und Weisungsunabhängigkeit nicht entsprechen.

Um Unsicherheiten in der Lehrerschaft zu beseitigen, die die Entwicklungschancen an einzelnen Schulen hemmen, müsste es zu einer Verdeutlichung der Freiheiten (Rechte und Pflichten) kommen; müsste es vermehrt Anregungen und Ermutigungen zu ihrer Inanspruchnahme geben; müssten institutionelle und kompetenzmäßige Voraussetzungen geschaffen werden[4]; müssten den einzelnen Standorten Hilfestellungen geboten werden. All dies bedeutet einen dezitierten Auftrag an die Lehrerbildung, die die Professionalisierung des Lehrberufs im Sinne von umfassenden wissenschaftlichen Grundlagen und einer professionellen Problemlösungskompetenz (Befähigung zur Erfindung, Begründung und Umsetzung zweckmäßiger und situationsgerechter Verfahren) auf der Basis eines Berufsethos, das das Wohl der Kinder in den Vordergrund stellt, garantieren muss. Grundlagen für die professionelle Problemlösungskompetenz und das Entstehen von Berufsethos können durch Informationen und aktive Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der "Erneuerung" und Schulentwicklung, die auf reformpädagogischem Gedankengut beruhen, geschaffen werden.

Im Umgang mit dem bei uns heute noch unscharfen Begriff der "Schulautonomie" scheint es - in Betrachtung der möglichen Teilbereiche von Autonomie für die einzelnen Standorte noch viele unausgeschöpfte Möglichkeiten zu geben:

  • Marktautonomie (die Freiheit, Zielgruppen auszuwählen und externe Finanzmittel zu akquirieren)

  • normative Autonomie (die Freiheit, das Schulprofil und die pädagogischen Leitlinien festzulegen)

  • Produktautonomie (die Freiheit, die Zielsetzungen der Schule festzulegen),

  • Methodenautonomie (die Freiheit, die Lehrmethoden und alle Lehrmittel frei zu wählen)

  • Organisationsautonomie (die Freiheit, die Organisations- und Managementform festzulegen)

  • finanzielle Autonomie (die Freiheit, das Schulbudget selbst zu verwalten)

  • Personalautonomie (die Freiheit, Personal einzustellen, zu befördern und zu kündigen)[5]

Am Anfang eines Neuerungsprozesses an Schulen steht oft die Not (No pain, no change!), die Unzufriedenheit einzelner Lehrer oder der Schulleitung, sinkende Schülerzahlen, die Unzufriedenheit der Eltern, zunehmende Schwierigkeiten mit Kindern usw. All dies können Gründe sein, warum an einer Schule der Wunsch nach Veränderungen laut wird. Da es dem Lehrerimage nicht zuträglich ist, über Nöte und Probleme im Kollegenkreis zu berichten, geht dem Offenkundigwerden oft ein langer Leidensweg voraus. Unsere zum Einzelkämpfer erzogenen Lehrer sehen im "Lehrkörper" oft wenig Möglichkeiten, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen und resignieren daher leicht. Schulfrust und Burn-out-Syndrom sind die Folgen. Die Entwicklung vom "Lehrkörper" zum funktionierenden "Lehrerteam" ist vielfach ohne Hilfe von außen nicht möglich. Meist gelingt es nur einem externen Berater, alte Kommunikations- und Interaktionsstrukturen, die Entwicklungsprozesse unmöglich machen, ins Bewusstsein zu rufen und neue Wege aufzuzeigen.

Voraussetzung für das Ingangkommen von Schulinnovation ist die freiwillige Teilnahme und das Einverständnis aller Beteiligten.

Die in der Folge angeführten Aussagen bilden die Basis der Zusammenarbeit:

"Wir wollen gemeinsam etwas verändern!

Wir treffen alle Entscheidungen gemeinsam und tragen dafür die Verantwortung!"

Im Anschluss folgt die Analyse der Ist-Situation, wobei den bestehenden Stärken der Schule besonderes Augenmerk geschenkt werden soll. Die Analyse der Ist-Situation soll ein möglichst detailliertes Bild der Schule ergeben.

Wir wollen uns Orientierung verschaffen, indem wir feststellen, was HIER ist!

In der nächsten Phase brauchen Lehrerteams manchmal Informationen über bildungstheoretische Ansätze, alternative Unterrichtsmethoden, reformpädagogische Ideen, Schulversuche usw., um den Blick "über den eigenen Tellerrand" zu öffnen. Hier spielen der externe Berater, Hospitationen und kollegiale Fortbildung eine große Rolle.

Wir beschaffen uns Informationen!

Wir wollen feststellen, was ANDERSWO ist!

Diesem Schritt muss eine Phase folgen, in der die Lehrer die Möglichkeit haben, einander noch besser kennen zu lernen. Vielfach wurden Kontakte nur oberflächlich oder in Kleingruppen gepflegt. Man kennt den anderen, seine Ideale, Vorstellungen, Werthaltungen, Vorlieben und Abneigungen nicht wirklich und neigt zu Vorurteilen, die eine sachliche Auseinandersetzung oft behindern.

Wir lassen uns aufeinander ein!

Wir üben das "aktive Zuhören"!

Aus der Auseinandersetzung mit den Wunsch- und Idealvorstellungen der einzelnen Teammitglieder entsteht die Erarbeitung der gemeinsamen Ziele, die für alle verbindlich sein sollen. Hier geht es um pädagogische Prinzipien, Werthaltungen, Methoden usw. In dieser Phase sollten Eltern und Schüler in den Prozess einbezogen werden.

Was wollen wir?

Wie sieht unsere Traum-Schule aus?

Die Ziele, die in der vorhergehenden Phase festgelegt wurden, müssen in eine Reihung nach Dringlichkeit, Durchführbarkeit, Aufwand usw. gebracht werden. Teammitglieder übernehmen einzelne Aufgaben.

Wir setzen Prioritäten!

Wir teilen die Arbeit auf!

Mit Hilfe des Konzepts der Aktionsforschung arbeiten die Teammitglieder an der Problemklärung und der Problemlösung ihrer Aufgabengebiete.

Wir untersuchen unsere berufliche Realität in der

Absicht, sie weiterzuentwickeln!

Aus der reflektierenden Betrachtung der beruflichen Realität ergeben sich neue Handlungserfordernisse, neue notwendige Veränderungen, sodass der Innovationsprozess von neuem beginnt.

Wir wollen eine "gute Schule"! Doch was genau ist das?

Vision without action is merely a dream. Action without vision just passes time. Vision with action can change the world!

Lange Zeit galt die Meinung, dass vor allem schulorganisatorische Veränderungen die pädagogische Wirksamkeit von Schule verbessern könnten. Heute wird zunehmend die Bedeutung innerschulischer Faktoren für das Gelingen "wirksamer" Schule in das Blickfeld gerückt. Fragen innerschulischer Kooperation und der Steuerung des Schulgeschehens am einzelnen Standort erhalten immer mehr Bedeutung.[6]

Die pädagogische Ausrichtung, die Erziehungsphilosophie und der Ethos einer Schule trägt zu deren Wirksamkeit bei.

Was sind nun die spezifischen Merkmale der "guten" inklusiven Schule?

Die Wertebasis pädagogischen Handelns ist in der inklusiven Schule begründet auf der Humanisierung und Demokratisierung der Schule, auf Freiheit, Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit und auf die Unteilbarkeit dieser Prinzipien. Die inklusive Einstellung und Haltung baut auf auf ein ganzheitliches Weltbild und ein ganzheitliches Menschenbild.

Die Prinzipien der Reformpädagogik dienen als Grundlage inklusiven, reflexiven pädagogischen Denkens und Handelns.

Der Lernende wird als aktives, sich selbst bildendes Subjekt anerkannt, Lernen erfolgt nach dem inneren Entwicklungsplan des Lernenden.

Lebensbegleitendes Lernen wird zum Prinzip für Lernende und Lehrende.

Lernen wird als ganzheitliches, handlungsorientiertes und lernorientiertes Lernen in Kooperation verstanden.

Die Lehrer arbeiten im Team, sind Begleiter, Berater, Interpret und Vermittler zwischen dem Lernenden und der Welt.

Die professionelle Lernbegleitung erfolgt durch Beobachtung, Beratung, integrierte Therapie und Gestaltung von Lernwelten.

Lernwelt ist die vorbereitete Umgebung, sind pädagogische Situationen, in denen jeder Lernende Lernchancen wahrnehmen kann.

Die Lernkultur zeichnet sich aus durch eine rhythmisierte, gruppenübergreifende und individualisierte Gestaltung des Lerngeschehens.

Die Bildungsgrundformen: Arbeit, Gespräch, Spiel und Feier bieten der multikuturellen, altersheterogenen Lerngemeinschaft Möglichkeiten zur Kooperation.

Ausgegangen wird von einem individuellen Leistungsbegriff und dem Ausschöpfen des individuellen Leistungspotenzials.

Daher gibt es als Beurteilungsform auch nur die Beschreibung und/ oder Dokumentation des individuellen Lernfortschrittes.

Selbstorganisation als Ziel und Weg der Schule von heute - oder "Auf dem Weg zur inklusiven Schule"

Die alte Schule lehrte Worte und Begriffe;

die neue Schule lehrt anschauliches Erkennen.

Die alte Schule übte das Wortgedächtnis;

die neue Schule denkt auf Entwicklung des ganzen Menschen.

Die alte Schule war eine Lernschule; die neue Schule ist eine Schule der Tat.

Die alte Schule stellt die Lerngegenstände nebeneinander, die neue Schule verknüpft sie organisch-genetisch.

Adolf Diesterweg, 1852

Hans-Günter Rolff beschreibt in seinem Buch "Wandel durch Selbstorganisation"[7] die Probleme, denen sich die Schule von heute stellen muss. Es geht um die veränderte Kindheit, um ein Leben aus zweiter Hand, um neue Technologien und neue Formen des Wissens und die schwindende Erziehungskraft bei gleichzeitig erhöhten Qualitätsanforderungen. Auf all diese Faktoren sollte die gute Schule eine Antwort haben. Gleichzeitig kann sie diese Antworten aber nur finden, wenn sich die Schulstruktur selbst verändert. Die Lösung sieht Rolff darin, die "Schulkultur" der einzelnen Schule als Bezugspunkt für Veränderungen zu sehen und damit einen neuen Weg zu beschreiten - von der Mikropolitik zur Makropolitik - und nicht umgekehrt - wie bisher. Die Erfahrung hat vielfach gezeigt, dass die Ziele einer "guten Schule" nicht vorgegeben werden können. "Vorgaben führen höchstens zur Verdinglichung von Zielen oder/und zur 'inneren Kündigung' der Kollegien, die die Zielvorgaben auf der Oberfläche bejahen (‚Leerformeln'), im praktischen Handeln jedoch negieren[8]." So liegt schlussendlich die Möglichkeit der Entwicklung des Gesamtsystems "Schule" in den Händen der Organisationsentwicklungsteams der einzelnen Schulstandorte - eine große Herausforderung!

Organisationsentwicklung an Schulen ist eine Erneuerungsstrategie, "die letztlich auf die Selbstaktivierung der Betroffenen nach dem Motto ‚Betroffene zu Beteiligten machen' abzielt"[9]. Wir kennen zwar Methoden der Organisationsentwicklung, diese dürfen jedoch nicht mit Rezepten verwechselt werden. "Organisationsentwicklung ernst nehmen heißt, keine fertigen Antworten, Rezepte und Methodenpakete parat zu haben, sondern erprobte Wege und Fragen"[10] - die es den Betroffenen ermöglichen, ihren individuellen, standortbezogenen Lernweg zu finden. Entwicklungswege von einzelnen Lehrer/innen und Lehrerteams sind deshalb nicht als eins zu eins übertragbare Vorgaben für ähnliche Projekte mit anderen Personen oder an anderen Standorten zu sehen. Organisationsentwicklung unterstützt das "Lernen" von Organisationen, verhilft zusätzlich zum Verständnis der "Sachlogik" auch zum Verständnis der "Psychologik"[11] - das sind jene verborgenen Reaktionsmuster und Strategien, die es letztlich bewusst zu machen gilt.

Die Schule als "lernende Organisation" unterscheidet sich in einigen Punkten von anderen Organisationsentwicklungsmodellen - sie stützt sich auf spezielle geistige Wurzeln:

  1. die Idee der Inklusion,

  2. die Ideen der Reformpädagogik und einen emanzipatorischen Bildungsbegriff,

  3. die Prinzipien der Organisationsentwicklung und systemtheoretische Überlegungen,

  4. die Aktionsforschung und die Handlungsorientierte Didaktik,

  5. Konzepte der Selbstentwicklung, motivationstheoretische Überlegungen und Selbstverantwortung,

  6. die Idee des vernetzten Problemlösens, des ganzheitlichen Denkens und der emotionalen Intelligenz,

  7. pädagogischen Eros und Engagement.[12]

Organisationsentwicklung, die Erstellung eines Schulprofils, die Entwicklung einer Schulkultur sind anspruchsvolle Aufgaben, die vom Lehrkörper neue, spezielle Fähigkeiten erfordern und spezielles Fachwissen verlangen. Es erscheint daher notwendig, Fachleute - "Schulorganisationsentwicklungsberater" auszubilden, die den notwendigen Kompetenztransfer innerhalb der betroffenen Lehrerteams übernehmen können bzw. mit einem System "Schulinterner Lehrerfortbildung[13]" die Entwicklung der neuen Schule zu gewährleisten.

Schulen benötigen Hilfe von außen genau so wie andere Organisationen, denn auch bei optimalen Bedingungen ist unter Umständen mit Widerstand gegen den Wandel bzw. mit Angst vor Neuerungen zu rechnen. Ängste gegen Wandel können aber abgebaut werden, wenn:

  • ein Organisationsentwicklungsprojekt die Unterstützung der Schulleitung und der Schulaufsicht hat,

  • die Beteiligten das Gefühl haben, es sei ihr Projekt,

  • die neuen Formen des Neuerungsprojektes mit den bisherigen großteils übereinstimmen,

  • die Autonomie und Sicherheit der Beteiligten nicht gefährdet ist[14] und

  • erprobte Wege (wie z.B. Modelle der Reformpädagogik) Hilfestellung und Orientierung geben.



[1] Vgl. WILHELM, Marianne in EICHELBERGER, Harald (Hrsg.): Jenaplan heute - eine Pädagogik der Zukunft. Studien Verlag Innsbruck (wird erst herausgegeben)

[2] Vgl. SEVERINSKI, Nikolaus: Schulautonomie und die Schulkrise der Gegenwart. WUV - Universitätsverlag 1992

[3] SEEL, Helmut: Randbemerkungen zur Schulautonomie. E&U 3/97, S.252

[4] Vgl. ebd. S.253-254

[5] LAKERVELD VAN, Jaap: Schulautonomie in den Niederlanden. E&U 3/97, S.221

[6] LAKERVELD VAN, Jaap: Schulautonomie in den Niederlanden. E&U 3/97, S.10

[7] ROLFF, Hans-Günter: Wandel durch Selbstorganisation. Theoretische Grundlagen und praktische Hinweise für eine bessere Schule. Juventa Verlag Weinheim und München 1995 (2. Aufl.)

[8] ROLFF, Hans-Günter: Wandel durch Selbstorganisation. Theoretische Grundlagen und praktische Hinweise für eine bessere Schule. Juventa Verlag Weinheim und München 1995 (2. Aufl.), S.112

[9] PHILIPP, Elmar: Gute Schule verwirklichen. Vorwort von ROLFF, H.G.; Beltz , Weinheim Basel 1992 (4. Aufl.) S.7

[10] Management Center Vorarlberg o.J., S.5

[11] PHILIPP, E.: Gute Schule verwirklichen; Beltz , Weinheim Basel 1992 (4. Aufl.), S.25

[12] Vgl. SCHRATZ, M. &STEINER-LÖFFLER, U.: Die Lernende Schule. Beltz Verlag Weinheim und Basel 1998, S.35-36

[13] GREBER, U., MAYBAUM, J., PRIEBE, B., WENZEL, W.: Auf dem Weg zur "Guten Schule": Schulinterne Lehrerfortbildung. Beltz Verlag Weinheim und Basel 1993 (2. Aufl.)

[14] Vgl. WATSON, G.: Widerstand gegen Veränderungen. In: BENNIS u.a. (Hrsg.): Änderung des Sozialverhaltens. Stuttgart 1975

Schlusswort

"Wer eine neue Ordnung denken will, muss den Mut haben, aus der alten Ordnung herauszutreten. Wer die alte Ordnung verlassen will, braucht einen festen Standort"[15]. Diesen "festen Standort" gilt es zu finden, bevor ein Lehrerteam sich auf den Weg der Schulerneuerung begibt. Dieser "feste Standort" sollte unser inklusives Denken - unsere inklusive Haltung sein.

Die inklusive Schule ist die beste Schule für alle Kinder, in der berücksichtigt wird,

  • dass autonome Menschen nur in einem, die Autonomie ermöglichenden System heranwachsen können;

  • dass Bildung nicht "machbar" ist. Machbar sind nur die Bedingungen, die den Erwerb von Bildung, die Lernen möglich machen. Dies braucht die Akzeptanz und die Freigabe des Individuums;

  • dass, wem Bildung "verabreicht" wird, wer nicht selbst erfahren, selbst handeln darf, kein Selbstbewusstsein, keine Selbstachtung, kein Selbstwertgefühl bekommt; dieser Mensch wird nicht selbstbestimmend;

  • dass wir Kindern nicht "die Bildung" mitgeben können, da ihre Inhalte zu raschen Veränderungen unterliegen. Pädagogik muss den Menschen helfen, den möglichen Herausforderungen einer ungewissen Zukunft gerecht zu werden;

  • dass so ungewiss die Zukunft ist, so gewiss ist ihr allgemeiner Auftrag dem guten Leben aufzuhelfen, damit mehr Humanität, Gerechtigkeit, Verständnis, Besonnenheit und Mitmenschlichkeit sei;[16]

  • dass zur Bildung die Haltung der Grundsatztreue, Verantwortung, Absage an Opportunismus, an Feigheit und Bequemlichkeit gehört. Dadurch wird die Notwendigkeit von Bildung für die Zukunft deutlich;

  • dass Bildung nicht an bestimmte Inhalte, auch nicht an bestimmtes Können gebunden ist, sondern ausdrücklich auf den Menschen bezogen, sofern er Subjekt von möglichen Gegenständen und als Person möglichen Herausforderungen ausgesetzt ist;

  • dass man den Zeitpunkt und die Art der Herausforderungen nicht beeinflussen kann, wohl aber die Art und Weise, wie man ihnen begegnet;

  • dass Bildung der Inhalte bedarf. Daher ist Bildung mit Unterricht und Erziehung verbunden. Die heutige Ausbildung sollte so geschehen, dass an und mit ihr der Bildungsanspruch artikuliert wird;

  • dass Erziehung sich als Hilfe zur Selbsthilfe begreifen muss;

  • dass wir auch im Bereich der Erziehung erkennen müssen, dass sie nicht von außen "herbeigeführt" werden kann, dass es "das allgemein gültige Erziehungsziel" nicht gibt, dass es gilt, "als autonomes Wesen die Autonomie anderer zu achten, also zu lernen, mit Freiräumen und Grenzen, mit Eigenbewegungen und Anstößen, mit Stärken und Schwächen umzugehen, mit dem Ziel der Reduzierung von Willkür und Rücksichtslosigkeit, dem Abbau von Herrschaftsverhältnissen und dem Aufbau von gleichwertigen Beziehungen."[17]

Nur wer selbst autonom handelt, kann anderen autonomes Handeln zugestehen. Wenn Eltern, Lehrer und Schüler ihre Schule mitgestalten, ihre "Schulkultur" gemeinsam erstellen und mittragen, dann wird durch dieses gemeinsame Ziel, durch das Projekte-Planen, das Feste und Feiern-Gestalten aus Schulfrust Schullust. Vielleicht werden jene Lehrer/innen, die Schule aktiv mitgestalten, die für ihre Schule "kämpfen", die ihrer Schule Schulprofil und Schulkultur geben und damit in der Achtung der Öffentlichkeit steigen, anerkannte Professionalist/innen statt ausgebrannter Pensionist/innen.

Deshalb - gebt der Schule alle Freiheit und Hilfen, die sie braucht, um die Schule der Gegenwart zu werden - die Schule für alle Kinder, um Bildungsstätte für zukünftige freie Bürger zu sein, die sich durch ein großes Repertoire an Problemlösungsstrategien und damit Selbstbewusstsein, Team- und Beziehungsfähigkeit, Weltoffenheit und damit Toleranz d. h. durch inklusives Denken auszeichnen.



[15] HELM, Hermann: Aus meiner Sicht. Autonomie als wesentliches Gestaltungselement eines Schulsystems. Pflichtschullehrer 7/92, 2

[16] Vgl. HEITGER, Marian (Hrsg.): Bildung für die Zukunft - Die Zukunft der Bildung. Tyrolia 1991, S.95-S.117

[17] MILLER, Reinhold: Schul-Labyrinth. Beltz 1993, S.79

Die Autorinnen

Marianne Wilhelm ist Professorin an der pädagogischen Akademie des Bundes in Wien für Erziehungs- und Unterrichtswissenschaften und Sonder- und Heilpädagogik. Sie ist gemeinsam mit Harald Eichelberger und Gitta Bintinger Begründerin und Leiterin des Institutes für Reformpädagogik, Schulentwicklung und Inklusive Pädagogik. Koordinatorin des Jenaplan-Hochschullehrganges; Teilnahme und Mitarbeit an EU-Projekten zur Curriculumsentwicklung und zur Lehrer/innenfortbildung (INTEGER, ETAI, EUROMOBIL, TRADE). Zahlreiche Schulentwicklungsprojekte in Ostösterreich. Publikationen zu den Themen Integrative Pädagogik, Sexualpädagogik und Reformpädagogik und Schulentwicklung.

Gitta Bintinger ist Pädagogin an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien mit den Schwerpunkten "reformpädagogisch-integrativer Unterricht" und "integrative Ausbildung" in der Arbeit mit Studierenden. Sie ist Mitarbeiterin im EU-Projekt INTEGER, Proponentin der "Inklusiven Pädagogik", wissenschaftliche Autorin und in der Lehrer/innenfort- und -weiterbildung tätig.

Pädagogische Akademie des Bundes in Wien

Ettenreichgasse 45a

1100 Wien

Tel. 01 / 602 91 92

Fax 01 / 603 41 39

Quelle

Marianne Wilhelm, Gitta Bintinger: Schulentwicklung unter dem Aspekt der Inklusion. oder: weg von "Integrationsklassen" hin zur "Schule für alle Kinder"!

Erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft. Nr. 2/2001; Reha Druck Graz, S.44-50

bidok - Volltetxtbibliothek. Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 01.03.2006

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