Integrationsfördernde Diagnostik

im Spannungsfeld zwischen theoretischem Anspruch, tradierten Gepflogenheiten und pragmatischen Zwängen

Autor:in - Elke Susanne Wiese
Textsorte: Zeitschrift
Releaseinfo: erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 2/2001; Thema: Integration ist unteilbar Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft (2/2001)
Copyright: © Elke Susanne Wiese 2001

Einleitung

Zu Beginn des Schuljahres 1993/94 hatte ich mich bereit erklärt, meine ehrenamtliche Arbeit auf die Vorbereitung der ersten Montessori-Integrationsschule in Thüringen zu konzentrieren. Diese Schule wurde mit der Überwindung ungeahnter Hürden im August 1994 als erste ihrer Art in den neuen Bundesländern eröffnet und brach mit der mächtigen Tradition der sozialistischen Einheitsschule, in der schulische Integration nicht vorgesehen war.

Die theoretische und ebenso die fachpraktische Auseinandersetzung mit schulischer Integration über einen Zeitraum von nunmehr 8 Jahren machte mir auf verschiedenen Ebenen bewusst, wie sehr sich schulische Integration an den tradierten Routinen des Schulsystems und an gesellschaftlichen Entwicklungen reiben muss, um nicht als Etikettenschwindel zu verkommen, wie sehr sich eine Schule, die sich auf den Weg begibt, gemeinsame Beschulung ohne Ausgrenzung zu praktizieren, auf besondere Weise im Spannungsfeld zwischen Akzeptanz und Auslese, zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und den zu gestaltenden Binnenverhältnissen befindet.

Einer dieser Ebenen, die zu den Rahmenbedingungen gehört und schulische integrative Praxis maßgeblich determiniert, möchte ich mich in diesem Beitrag besonders widmen. Es handelt sich um die der pädagogischen Diagnostik bzw. der Förderdiagnostik.

Beide Begriffe verwende ich eingedenk der regen Diskussion um wenig geänderte Inhalte. Sie stehen in meinen Ausführungen für das Bemühen um eine pädagogisch akzeptable integrationsfördernde Diagnostik und um eine wählbare Alternative zu der noch immer mächtigen Tradition herkömmlicher Selektionsdiagnostik.

Einführung in die Problematik

Inhaltsverzeichnis

THESE: Diagnostik im pädagogischen Feld übt je nach dem, welchem Menschenbild, welcher theoretischen Grundlage sie sich verpflichtet, hinsichtlich von Werthaltung, Erwartungsdenken und Zuschreibungsprozessen einen bedeutenden Einfluss auf die Gestaltung pädagogischer Prozesse aus.

Als Kindergartenkind, als Schulanfänger, als Schüler scheint man um die Erfahrung, diagnostiziert zu werden, nicht herum zu kommen. In den meisten Fällen geht es darum, festzustellen, was kann das Kind und was kann es nicht.

Als Zauberformel, dies zu ergründen und daraus Entscheidungen und Prognosen mit weitreichenden Folgen abzuleiten, scheinen gerade bei Kindern, deren Entwicklungsverläufe Besonderheiten aufweisen, psychologische Testverfahren zu gelten.Die Aufmerksamkeit wird auf eine Norm gerichtet, das Abweichen von der Norm wird typisiert und führt teilweise zu erdrückenden Diagnosen bzw. zu Platzierungsentscheidungen, die das Anregungsniveau für ein Kind von vornherein deckeln.

Die folgenden Beispiele geben auszugsweise einen kleinen Überblick diagnostischer Begriffe, denen man täglich begegnet, von denen Kinder begleitet werden.

Beispiel 1: ...Aus heutiger psychologischer Sicht ...formal nahezu altersgerechte mentale Entwicklung... B. wird die verbleibende Zeit zur Reifung der retardierten Funktionen nutzen.

Beispiel 2: ...Beim Intelligenztest K-ABC erzielte er Standardwertwerte in den Gesamtskalen zwischen 46 und 61, Ergebnisse, die dem unteren Extrembereich zuzuordnen sind.

Beispiel 3: ...Mit einem IQ=0.67 entsprach die mentale Behinderung dem Grad einer Debilität.

Beispiel 4: Klärung der Schullaufbahn und Kontrolle der Schulbewährung ... Aus psychologischer Sicht wird jedweder Förderansatz, der die Bewältigung der Förderschulanforderungen zum Ziel hat, bei J. scheitern....Perspektivisch wird eine Umschulung in die Geistigbehindertenschule sinnvoll sein, um zunehmend ihre Stärken zu fördern.

Beispiel 5: ...aus psychologischer Sicht weder vom Entwicklungsstand ihrer Leistungsfähigkeit noch des Sozialverhaltens im August 1998 schulfähig. ....eine kleine Klasse und einen erfahrenen Lehrer wählen, damit R. Bewährungschancen in der Grundschule hat.

Diese authentischen Ausschnitte diagnostischer Aussagen scheinen hinsichtlich ihrer Impulse für die optimale Förderung eines Kindes unbrauchbar. Sie antworten vielmehr auf Fragen, die hinsichtlich pädagogisch-inhaltlicher Problemstellungen nicht gestellt worden sind, nämlich die nach Normen und Durchschnittswerten.

Generiert aber die Frage nach der Norm, was immer darunter verstanden wird, nicht geradezu die Tendenz zur Selektion des Abweichenden? Bringt dieser Ansatz nicht immer wieder gruppen- , leistungs- und institutsbezogene Lösungen hervor und unterstützt die Tendenz weitgehender Homogenisierung? Sind die Erwartungen, Fragen und Probleme des einzelnen Kindes und seiner Eltern in ein Verhältnis gesetzt worden zu den Antworten, die ein Test geben kann, um seine Angemessenheit zu prüfen?

Auch wenn es unstrittig ist, dass diese diagnostischen Begriffe und Impulse pädagogisch-inhaltlich nahezu unbrauchbar sind, tun sie ihre Wirkung nicht nur hinsichtlich der hilfesuchenden Kinder und Eltern. Sie wirken auch einer ohnehin mühsam entstehenden Etablierung integrativen Denkens entgegen. Die Kluft im Verhältnis zwischen traditioneller pädagogisch-psychologischer Diagnostik mit ihrem norm- und funktionsorientierten Ansatz und dem Selbstverständnis von Pädagogik einer integrativen Schule ist offensichtlich. Ungeachtet dessen scheint der Bedarf der Schulen, auch der integrativen, an diagnostischen Hilfen groß zu sein und ungeachtet dessen üben die herkömmlichen Testverfahren hinsichtlich ihrer Anwendung bei Kindern mit besonderen Entwicklungsverläufen eine nahezu ungebrochene Faszination, verbunden mit der Hoffnung auf eine Patentlösung aus.

Woran liegt das?

  • Testpsychologische Untersuchungen lassen sich als Einmaluntersuchungen verhältnismäßig schnell durchführen. Sie scheinen damit dem sehr verbreiteten technischen Verständnis einer "Fehlersuche" beim Kind sehr nahe zu kommen.

  • Die Ergebnisse lassen sich durch Skalen und Zahlwerte quantifizierbar und damit scheinbar unbegrenzt vergleichbar machen.

  • Die Verantwortung für Durchführung und Ergebnisse ist schon durch das Verfahren globalisiert und damit unverbindlich. (Standardisierung der Untersuchungssituation und der Messmethoden)

  • Das Ergebnis ermöglicht Klassifizierungen und Kategorisierungen von Schülern und greift so wie ein Zahnrad in die Planungsroutinen des traditionell hierarchisch gegliederten Schulsystems ein.

  • Traditionelle berufsständische Gepflogenheiten und verwaltungsrechtliche Legitimationszwänge werden bedient.

  • Ressourcen und Finanzierungen, häufig an Diagnosen gebunden, werden gesichert.

Irgendwie passt es auch zum Zeitgeist, über den Glauben an die Allmacht der Quantitäten, die Sensibilität für die Überprüfung kongruenter Inhalte zu vernachlässigen. Alles scheint so gut aufeinander abgestimmt und messmethodisch abgesichert.

Eine Passung kommt aber, bezogen auf den Zielbereich, tatsächlich nur hinsichtlich der traditionellen Grundpfeiler schulischer Organisation, Jahrgang, Bildungsgang, Behinderungsart zustande. Sie wird zu häufig verfehlt hinsichtlich erschwerter Erziehungsprozesse in ihren ganz individuellen Erscheinungsformen und hinsichtlich pädagogischer Handlungsmöglichkeiten. Die Interpretationssubjektivität ist hiervon unberührt. Das ist ein Wirkverlust, der, würde man die Konsequenzen aus der traditionellen päd.-psychologischen Diagnostik hinsichtlich ihrer entwicklungs- und lernfördernden Impulse für ein Kind bzw. seine Eltern und Pädagogen überprüfen, im Verhältnis zum testologischen Aufwand eine erklärungsbedürftige Diskrepanz offenbaren dürfte. Es reicht m.E. nicht, wenn sich Anspruch und Kontrolle päd.- psychologischer Diagnostik auf die Anwendungsmethodologie und die Gütekriterien beschränken. Will sie nicht zum Selbstzweck werden, ist ihr inhaltlicher Bezug zu einem Kind in seiner konkreten Gesamtsituation und zu pädagogischen Anforderungen wohl ein zumindest ebenso wichtiges Prüfkriterium.

Diagnostische Verfahren, die den Zweck haben, auf die Frage nach Rangplätzen und Normwerten zu antworten, sind für die Optimierung pädagogischer Problemkonstellationen weder ausreichend flexibel noch neutral. Sie sind hinsichtlich

  • der anthropologischen Vorverständnisse

  • der theoretischen Bezugssysteme

  • des Denk- und Erklärungszirkels

in einer Weise gebunden, die immer auf's Neue Selektion und Platzierung perpetuiert.

Gerade die als traditionelle Grundpfeiler schulischer Organisation geltenden Kriterien, Kinder nach Jahrgang, Bildungsgang und Behinderungsart zu ordnen, verhindern schulische integrative Praxis. Über die traditionelle Diagnostik wird allerdings permanent die schulspezifische und integrationspädagogische Profilierung subtil beeinflusst, indem das Denken auf etablierte Kategorisierungen, Planungsroutinen und Homogenitätsphilosophien gerichtet wird.

Wenn der Widerspruch zwischen tradierten Rahmenbedingungen und der Gestaltung einer integrativen Binnenstruktur ignoriert und nicht als Widerspruch zwischen Akzeptanz und Auslese sichtbar und damit auch für die Optimierung pädagogischer Diagnostik produktiv gemacht wird, kann er zu Artefakten innerhalb integrativer Praxis führen. Beispiele dafür sind behinderungsspezifische Zuständigkeiten, Angebote, Gruppierungen und Leistungsdarstellungen innerhalb einer Integrationsschule.

THESE: Die Entwicklung integrativer schulischer Praxis kann nicht allein von einer Schule erwartet werden. Sie benötigt im gesellschaftlichen und pädagogischen Kontext eine "vorbereitete Umgebung".

Man ist als praktizierende Pädagogin geneigt, dem Vorschlag Gröschkes folgend, sich dem wissenschaftsskeptischen Verdacht des Philosophen Wittgenstein anzuschließen, der in seinem "Tractatus- logico - philosophicus" (1921) das Verhältnis von Wissenschaft und Leben folgendermaßen beschreibt: "Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind." ( zit. n. Gröschke 1992, 70)

Verlieren sich nicht geradezu die komplexen Fragestellungen im pädagogischen Bereich unter der Faszination immer objektiverer Bestimmungstechniken für immer begrenztere Wirklichkeitsausschnitte? Gröschke (1992, 57 f.) greift das Misstrauen gegenüber dem Siegeszug der analytisch-experimentellen Wissenschaft auf und betont: "...gerade in der Psychologie besteht die Gefahr, dass man vor lauter künstlich isolierten Variablen die lebendige Person als Träger individuellen Erlebens und Verhaltens nicht mehr in den Griff bekommt."

Angesichts dieses Dilemmas kommen Kritiker zu dem Schluss, dass Diagnostik im pädagogischen Feld, erst recht für Kinder, die integrativ beschult werden, völlig überflüssig, ja schädlich ist. Andererseits wird konstatiert, dass Diagnostik per se Bestandteil jeglichen pädagogischen Handelns sei. (vgl. Bundschuh 1994, 52)

Diese Radikallösung scheint nicht nur für einen Teil der an der diagnostischen Realität resignierten Pädagogen, sondern auch für die unter ständigen Sparzwängen leidende Schuladministration sehr reizvoll zu sein. Es ist in der Tat so, dass integrativer Unterricht nicht von oben nach unten, sondern, wie Feuser (1988, 177) betont, von unten nach oben organisiert wird. Der Unterricht muss planerisch, organisatorisch und didaktisch so gestaltet werden, dass die Lernziele, -inhalte und Methoden dem Spektrum kindlicher Vorerfahrungen und Aneignungswege entsprechen. Die Bewertung und die Förderung wird an einer Integrationsschule nicht von allgemeinen Normen, sondern von der Individuallage eines Kindes abhängig gemacht. (vgl. Wiese 1999, 244)

Das klingt gut und impliziert eine schulische Situation, in der sich Verschiedenheit und Lernen aneinander entwickeln. Mit der Proklamation dieses Zieles ist es aber nicht erreicht. Angesichts dessen bereits auf Diagnostik zu verzichten, oder sie in das subjektive Ermessen des einzelnen Pädagogen zu stellen, erscheint mir im Verhältnis zu der Alternative der traditionellen pädagogisch-psychologischen Diagnostik wie eine Wahl zwischen Skylla und Charybdis.

Es ist anzustreben, dass Diagnostik im pädagogischen Feld Bestandteil pädagogischen Handelns ist, der Wert läge hier in dem kongruenten Sinnhorizont. Allerdings ist pädagogisches Handeln noch keine Diagnostik. Aus meiner Erfahrung als Pädagogin halte ich pädagogische Diagnostik für das Umgehen mit den komplexen Fragestellungen im Bereich der Erziehung und Bildung für wichtig und unverzichtbar, kritisch zu hinterfragen ist aber, ob die zur Anwendung gelangenden diagnostischen Verfahren tatsächlich die erforderlichen Impulse für die Optimierung integrativer Lehr-, Lern- und Entwicklungsprozesse geben können, oder ob sie durch Platzierungen, Klassifizierungen und Prognosen mit der Lehr-, Lernkultur an einer integrativen Schule konkurrieren.

Es ist bekannt, dass an einer integrativen Schule nicht zwischen Kindern mit und ohne Behinderungen i.S. der Kategorisierung unterschieden werden soll. Hier liegt aber gerade für integrativ arbeitende Pädagogen ein großes Problem, sich von tradierten Denkroutinen zu verabschieden, die den immer noch gültigen gesellschaftlichen Leistungsvorstellungen entsprechen und gleichzeitig "pädagogisches Neuland" vorzudenken, zu strukturieren und zu gestalten.

Unter der Last der zu bewältigenden Alltagsaufgaben kann das zu gutgemeinter Gleichmacherei führen. Gerade für schulische Integration ist es aber wesentlich, die Unterschiede zwischen den Kindern nicht zu leugnen oder zu ignorieren. Wie sollte den pädagogischen Bedürfnissen der Kinder angemessen begegnet werden, wenn sie nicht thematisiert und reflektiert werden? Die pädagogisch-inhaltlichen und die formal-organisatorischen Aspekte integrativer schulischer Praxis (Unterrichtszeiten, Unterrichtsorganisation, Unterrichtsräume und -materialien, Lehrereinsatz, Klassenbildung usw.) erfordern bei flexibler Binnenstruktur auch eine angemessene Planung. Die Pädagogen sollten bereits in dieser Phase erste diagnostische Hinweise bekommen, um sich auf die besonderen pädagogischen Bedürfnisse eines zur Aufnahme in die Schule stehenden Kindes einstellen zu können. Zudem sollte einer Integrationsschule und auch einer integrationsbereiten Schule ein Mitspracherecht eingeräumt werden, ob sie die für ein Kind erforderliche Anpassungsleistung gegenwärtig erbringen kann.

Ohne angemessene Diagnostik kann es an allen, auch an Integrationsschulen zu einer hohen Zahl unspezifischer oder kontraindizierter Hilfen bei Kindern kommen. Problemisolierungen können ebenso wie Problemnivellierungen zu entwicklungs- und lernbeeinträchtigenden Folgen bei Kindern und in der Folge zu Verunsicherungen bei Pädagogen und Eltern führen.

Zudem könnte eine integrationsbereite Schule als Konsequenz aus Überforderung und Scheitern dazu übergehen, sich ihren "Erfolg" bzw. den Bezug staatlicher Zuschüsse und Ressourcen damit zu sichern, dass nur noch ausgesucht "leichte Fälle" als Integrationskinder aufgenommen würden. Im Ergebnis dessen würde wiederum das Vertrauen von Eltern und die Bereitschaft von Pädagogen, sich auf integrative Praxis einzulassen, stark gestört. Neben dem Rückzug auf tradierte Entlastungstendenzen würde schulische Integration damit kindzentriert gesehen, was der Vorstellung von "integrationsfähigen" und "nicht integrationsfähigen" Kindern neue Nahrung geben und dem Grundverständnis schulischer Integration nachhaltig schaden würde.

Diagnostik ja, aber Diagnostik und pädagogische Arbeit dürfen einander nicht widersprechen, sie müssen sich sinnvoll ergänzen. Wenn pädagogische Diagnostik pädagogisches und integratives Denken und integrative Praxis fördern und nicht verhindern will, muss sie vom Ansatz her hinsichtlich

  • der anthropologischen Vorverständnisse

  • der theoretischen Bezugssysteme

  • des Denk- und Erklärungszirkels mit pädagogischem Denken

kompatibel sein.

Akzeptiert man als Pädagogin die Realität der Gepflogenheiten und Systeme nicht kritiklos, reflektiert man den eigenen pädagogischen Handlungsspielraum innerhalb der täglichen Zwänge i.S. der Orientierungs- und Leitfunktion an vorhandenen Theorien, gerät man möglicherweise in ein Spannungsfeld zwischen Trivialisierung und Subjektverlust. Das könnte der Grund dafür sein, dass viele Pädagogen in der Praxis nur noch ihrer Intuition und ihren Alltagsroutinen vertrauen, theoriemüde geworden und damit der Gefahr, in beinahe willkürliche Subjektivität abzugleiten, ausgesetzt sind.

Zwei Motive waren es, die mich als Lehrerin und Montessori-Heilpädagogin an einem Sozialpädiatrischen Zentrum bewogen haben, mich theoretisch und praktisch mit pädagogischer Diagnostik zu befassen. Das erste entsprang dem allgemeinen Bedürfnis, Kindern, Eltern, Pädagogen zu Fragen auf dem Gebiet der Diagnostik mit pädagogischen Mitteln antworten zu können. Der zweite Aspekt hing mit der Vorbereitung und der wissenschaftlichen Begleitung der ersten Montessori-Integrationsschule in Thüringen zusammen. Während der fast 8-jährigen Begleitung dieser Schule habe ich den Wert der Einbettung pädagogischen Handelns in angemessene theoretische Grundlagen für die Abstützung, Begründung und Planung und die Herstellung von Distanz zur eigenen Arbeit schätzen gelernt. Auch die besten Vorsätze und Einstellungen schützen gerade im (heil- und sonder)- pädagogischen Feld nicht vor Inkompatibilitäten und paradoxen Wirkungen. Die Vielzahl abgebrochener Schulversuche und Modelle spricht ihre eigene Sprache. In Kenntnis der bereits ausgeführten Problemlage entstand die Einsicht, integrationsfördernde Rahmenbedingungen auf der Ebene der pädagogischen Diagnostik zu gestalten.

Aus der Position eines praktizierenden pädagogischen Theoretikers scheint es ein Balanceakt zu sein, hinsichtlich pädagogischer und integrationsfördernder Diagnostik zwischen theoretischem Wunschdenken und dem Erfordernis praktizierbarer Realität einen Lösungsansatz zu vermitteln. Das erkenntnisleitende Interesse richtete sich zunächst auf die Frage, ob sich pädagogische Diagnostik denn überhaupt auf einen theoretischen Ansatz verpflichten lässt und wie es möglich ist, sie zu systematisieren, zu methodisieren und damit übertragbar und praktizierbar zu machen.

Lösungsansatz

THESE: Zu integrativer Pädagogik gehört als Bestandteil integrationsfördernder Rahmenbedingungen eine integrative Diagnostik. Wenn pädagogische Diagnostik im inhaltlichen Zusammenhang mit pädagogischen Fragestellungen und Entscheidungen steht, muss offengelegt werden, welchem Zweck sie dient, auf welchem Menschenbild und auf welcher theoretischen Grundlage sie basiert, ob sie primär äußere, formale, bildungsorganisatorische Entscheidungen vorbereiten und anregen, oder ob sie primär Lehr-, Lern- und Entwicklungsprozesse anregen will.

Es ist unstrittig, dass so komplexe problemverursachende Bedingungs- und Beziehungsgefüge, wie sie im Zusammenhang mit Behinderung entstehen können, nicht isoliert medizinisch oder psychologisch oder pädagogisch theoretisch analysiert, erklärt und praktisch begleitet werden können. Es ist unstrittig, dass die Heil- und Sonderpädagogik auf Erkenntnisse und Perspektiven ihrer medizinisch-biologischen und psychologisch-sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen angewiesen ist. Problematisch erweist es sich, wenn genuin pädagogische Fragestellungen auf der Grundlage medizinischer oder psychologischer Begriffe und Theorien beantwortet werden sollen. Die Verführungskraft ist angesichts tradierter Gepflogenheiten und der Macht berufsständisch legitimierter diagnostischer Instanzen erheblich. Immerhin entbinden diese die Pädagogik und auch die Pädagogen scheinbar von der Verantwortung für Entscheidungen und Konsequenzen. Allerdings führt sie den Heil- und Sonderpädagogen, wenn er ihr erliegt, zu einer Identitätsdiffusion, die bis zum Verlust des pädagogischen Selbstverständnisses führen kann.

Bei der Auseinandersetzung mit Problemstellungen im pädagogischen Bereich, zu denen ich auch die pädagogische Diagnostik zähle, ist es trotz erforderlicher Interdisziplinarität wesentlich, dass der Primat pädagogischen Denkens erhalten bleibt.

Ich stimme Gröschke (1992, 21) zu, wenn er ausführt: "Die disziplin-spezifischen Denkweisen, z.B. psychologische oder medizinische, müssen bei ihrem Durchgang durch eine Nachbardisziplin (z.B. Pädagogik) unter deren Bedingungen reflektiert, d.h."gebrochen" werden, wenn sie einen produktiven Beitrag zur Lösung interdisziplinärer Probleme leisten wollen." Gerade hinsichtlich der pädagogischen Diagnostik sind jedoch nur zögerliche Ansätze erkennbar, sich ihrer Autonomie bewusst zu sein und dem Auftrag Herbarts (1806) folgend, "sich so genau als möglich auf ihre einheimischen Begriffe zu besinnen und ein selbständiges Denken zu kultivieren." (zit. n. Gröschke 1992, 25)

In Auseinandersetzung mit Moor (vgl. 1958, 9) bringt Gröschke (1992, 37)es auf den Punkt, wenn er konstatiert: "Die psychologischen Befunde haben sich den pädagogischen Notwendigkeiten und Zielen zu fügen (tun sie es nicht, um so schlimmer für die Psychologie!)." Schlimm aber auch für die Pädagogik, wenn sie außer der Kritik am medizinischen und psychologischen Modell sich selbst eher unschlüssig zeigt, praktizierbare Alternativen zu entwickeln, die geeignet sind, Kindern in Notsituationen mit diagnostischen Mitteln zu begegnen.

Es gibt immer viele mögliche Wege, sich einer Frage im pädagogischen Feld zu nähern und eine Antwort zu suchen. Pädagogische Problemstellungen gibt es zuhauf. Wenn aber die Pädagogik zu der Flut pädagogischer Problemstellungen im Bereich der Diagnostik keine theoretisch fundierten und praktikablen Antworten erarbeitet, werden sie von den ohnehin durch die Tradition als diagnostische Instanzen etablierten Nachbardisziplinen gegeben. Dass diese Antworten allerdings durch den verständlichen Mangel an pädagogischem Detail- und Überblickswissen möglicherweise ein gewisses Maß an Fremdheit vermitteln oder in einem recht "lockeren" Zusammenhang zu aktuellen pädagogischen Erkenntnissen und Theorien bzw. zu pädagogischer Praxis stehen, darf dann nicht wundern.

THESE: Pädagogische Diagnostik bedarf einer pädagogischen Perspektive, eines theoriegeleiteten begründeten diagnostischen Vorgehens und einer begründeten Entscheidung in einer verbindlichen Form.

Einen initialen Ansatz habe ich durch die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit der Montessori-Pädagogik gefunden. Dem Denken Montessoris liegt ein humanistisch-kooperatives Menschenbild zugrunde. Die zentrale Frage pädagogischen Handelns lautet im Verständnis Montessoris: was braucht das Kind und wie kann seinen Bedürfnissen entsprochen werden:

Das allgemeine Ziel pädagogischer Arbeit besteht in der größtmöglichen Unterstützung eines jeden Kindes, sich selbst aufzubauen. Damit stützt sich der hier vorgestellte Ansatz pädagogischer Diagnostik wesentlich auf Grundlagen der Montessori-Pädagogik. Er wird ergänzt durch Begriffe und Zusammenhänge der Vertreter der Aneignungstheorie der kulturhistorischen Schule, für die ich Wygotski und Galperin nenne, durch die der systemisch-konstruktivistischen Perspektive, für die ich Piaget, Varela und Maturana ebenso wie Bronfenbrenner nennen möchte, sowie durch die Theorie des struktur-niveauorientierten Lernens von Kutzer und Probst.

Keines dieser theoretischen Modelle wird allein dem Anspruch an eine theoretische Fundierung des hier vorgestellten Ansatzes pädagogischer Diagnostik gerecht, was ein großes Argument für das hier sichtbare theoretisch-eklektische Vorgehen war. M.E. ist vor Eklektizismus zu warnen, wenn er dazu führt, Theorien und Konzepte, die wiederum auf Theorien und Menschenbildern beruhen, ohne Rücksicht auf die Zusammenhänge nach "Verwertbarem" abzugrasen und so Methoden, Konzepte, Theorien beziehungslos nebeneinander zu stellen. Dieses Vorgehen würde sich in der Praxis fortsetzen lassen und den verständlichen Wunsch vieler Praktiker nach "handhabbaren" Verfahren und Instrumenten befriedigen, was dazu führen könnte, dass pädagogische Praxis zu einer "Sozialtechnologie" verkommt.

Die hier genannten Ansätze stehen durch die gemeinsame Annahme von Autopoiese und Konstruktivismus in einer theoretisch-inhaltlichen Verbindung und kennzeichnen die Ergänzung der konstruktivistischen durch die interaktionistische Entwicklungsannahme. Für beide Bereiche, den der diagnostischen und den der pädagogischen Praxis begründet der hier sichtbare theoretische Eklektizismus damit eine aus der Komplexität des zu umspannenden Gegenstandes erwachsene Pragmatik, die den Vorteil aufweist, dem Aspekt der Tiefe neben dem der Breite besondere Bedeutung zu geben.

THESE: Theoriegeleitete pädagogische Diagnostik leistet auf der Basis von Interdisziplinarität und Prozessbegleitung einen komplexen, sich mit der integrativen schulischen Praxis wechselseitig durchdringenden Beitrag zur Integrationsförderung.

Theoretische Ansätze leisten als Denkhilfen eine vermittelnde Funktion zwischen jenen, die sie entwickeln und jenen, die sich ihrer bedienen. Bezogen auf das Verhältnis von pädagogischer Diagnostik und integrativer Praxis üben diese theoretischen Grundlagen i.S. von Dollase(1985, 37) Erklärungsfunktion, Integrationsfunktion und Leit- und Orientierungsfunktion für die Theorieergänzung ebenso wie für die Weiterentwicklung diagnostischer und integrativer pädagogischer Praxis aus.

Der Vorteil für das Ineinandergreifen von pädagogischer Diagnostik und pädagogischer Praxis ergibt sich daraus, dass Begriffe und Kategorien vor dem gleichen Sinnhorizont gebildet werden. So wird das Kind in beiden Bereichen als autonomes, strukturdeterminiertes Wesen gesehen, das primär seinen inneren Strukturen folgt.(vgl. Schmetz 1999, 5 f.)

Lernen und Entwicklung verlaufen nach diesem Verständnis über die eigenaktive Auseinandersetzung zwischen dem Kind und seiner Umwelt.( vgl. Schmetz a.a.O.)

Diesem Verständnis folgend, ergibt sich die pädagogische Aufgabe, das Kind als Subjekt bzw. als Experten seiner Entwicklung zu akzeptieren, seine Lernprozesse anzuregen, zu aktivieren und fördernde Lernumwelten zu gestalten. Sowohl die diagnostische als auch die integrative pädagogische Praxis greift diesen Ansatz auf.

Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt pädagogischer Diagnostik:

  • Wie vollziehen sich Entwicklung und Lernen eines Kindes innerhalb seines Lebenskontextes?

  • Wie können die Lernvoraussetzungen und -möglichkeiten eines Kindes angeregt und aktiviert werden?

  • Welche Anpassungsleistung ist seitens der Eltern, Erzieher/innen, Lehrer/innen nötig, um Entwicklung und Lernen dieses Kindes unterstützend zu begleiten?

Damit wird zusätzlich zu der Frage nach dem Lebenskontext und der Lernausgangslage eines Kindes sowie nach seinen pädagogischen Bedürfnissen auch die Frage, ob und wie Kindergarten und Grundschule mit unterschiedlichen Voraussetzungen der einzelnen Kinder umgehen kann, in den diagnostischen Prozess einbezogen.(vgl. Wiese 1999, 261)

Das Ziel ist darauf gerichtet, mit allen Beteiligten ein möglichst "maßgeschneidertes" Angebot zur Optimierung der Situation eines Kindes zu erarbeiten. Dazu wird dem theoretischen Verständnis folgend, dem Kind für die gemeinsame pädagogisch-diagnostische Arbeit eine vorbereitete Umgebung angeboten. Montessori versteht darunter eine klar strukturierte, den Bedürfnissen des Kindes angepasste und seine Aktivitäten anregende Lernumgebung, die das Kind sich aneignet und gestaltet.(vgl. Montessori 1967, 71 ff.) Die vorbereitete Umgebung ist methodisch und didaktisch so vorbereitet, dass verschiedenste Kinder Angebote finden, die sie anregen, einer Spur nachzugehen.

Die Materialien, die sich ergänzen und aufeinander beziehen, bilden eine Gesamtheit, die als Fundamentum zu bezeichnen ist. Dieses Fundamentum ist als horizontale und als vertikale Struktur, bezogen auf die Anregungsvielfalt und das Anregungsniveau zu verstehen. Wann ein Kind sich für welches Angebot entscheidet, ob es alle Materialien benutzt, ob es bestimmte Zwischenhilfen oder erweiterte Angebote (Additivum) braucht, ist nicht vorgegeben und wird am Kind und seiner Lernkonfiguration evaluiert. Der gleiche Sachverhalt kann somit auf vielfältigste Weise erarbeitet werden, obwohl das Fundamentum sich nicht ändert. Während der Auseinandersetzung des Kindes mit seiner materiellen Umgebung offenbaren sich bisherige Einsichten und sollen unter der didaktischen Gestaltung des Lerngegenstandes und der personalen Interaktion zum Erwerb neuer Einsichten und Kompetenzen in Beziehung gesetzt werden. Montessori beschreibt das als dritte Phase der Polarisation der Aufmerksamkeit, Wygotski (1986, 236 ff.) bezeichnet dies als Zone der nächsten Entwicklung. Dabei ist in Anlehnung an Probst (1982, 113) die Sachlogik des Gegenstandes und die Entwicklungslogik der kognitiven Struktur zu beachten. Aus diesem Ansatz ergibt sich die Konsequenz, angemessene Lehr-Lernarrangements zu schaffen, was über die Verbindung von Diagnostik und Didaktik vorbereitet und für die Praxis übertragbar wird.

Dieser diagnostische Ansatz entspricht dem Verständnis von Varela/Maturana folgend der Überzeugung, dass das Lernen als konstruierende Tätigkeit des lebenden Systems, eingebunden in soziale Interaktion zu begreifen ist. Wenn das Lernen und die Entwicklung eines Kindes zutiefst abhängig ist von den Bedingungen, unter denen es lebt und lernt, gibt es keine kontextunabhängige Entwicklung. Als diagnostisch bedeutsame Aspekte werden deshalb die Umfeldbedingungen in den diagnostischen Prozess einbezogen. Vieles, was einem Kind als "Versagen" zugeschrieben wird, erweist sich damit in verschiedenster Weise als umfeldbedingt initiiert.

Die Informationssuche hat das Ziel, das problemverursachende Gefüge in großer Breite und Anschaulichkeit "sprechen" zu lassen und damit das Verstehen zu fördern. Dazu erhalten qualitative Verfahren, wie die Beobachtung, die Befragung und das entscheidungs- oder problemzentrierte Gespräch eine besondere Bedeutung. Die Analyse problemverursachender Zusammenhänge findet auf folgenden Ebenen statt:

der Ebene

  • des Kindes,

  • der Bezugspersonen,

  • des Umfeldes.

Für die Informationsgewinnung wird bewusst auf Normorientierung und Standardisierung verzichtet.

Die pädagogische Diagnostik erfordert ebenso wie die pädagogische integrative Praxis Offenheit und ist deshalb riskant. Sie muss ebenso mit Unvorhersehbarem wie mit "Unberechenbarem" rechnen, was zu einem neuen Verhältnis von "Freiheit und Bindung" bezüglich des Beurteilungsspielraumes führt. Komplexität und Offenheit bezüglich der Ergebnisse erfordern ein mehrdimensionales und multimethodales diagnostisches Handeln. Die Methoden und die Erkenntnis der Zusammenhänge bringen sich in einem dialektischen Prozess wechselseitig hervor und werden bezüglich ihrer Angemessenheit an der Situation des Kindes und der Fragestellung evaluiert. Die Grundlage dafür bilden Orientierungsdaten, nicht statistisch verrechenbare Normierungsdaten.

Ebenso wie die pädagogische ist auch diagnostische Praxis verbindlich und an Verantwortung, pädagogische Haltung, positive Beziehungsgestaltung und einfühlsam verstehendes Erkenntnisbemühen gebunden. Burgener-Woeffray (1995, 245) formuliert diesen Aspekt folgendermaßen: "Mit der Verminderung der objektiven Erfassbarkeit steigt die subjektive Verantwortung der diagnostisch Handelnden sowohl auf der Ebene der Theoriebildung wie auch auf der Ebene der Praxis."

THESE: Der diagnostisch Handelnde muss seine Sicht theoretisch, fachlich und menschlich verantworten. Er sollte im Rahmen einer Prozessbegleitung für Korrekturen und Ergänzungen zuständig und erreichbar sein.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit durchgehender Transparenz. Die Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen sind in den diagnostischen Prozess einbezogen. Der geforderten intersubjektiven Überprüfbarkeit wird durch das Offenlegen der Verfahren, Methoden und Probleme entsprochen (schriftliche und technische Dokumentation). Die Nachprüfbarkeit ist eingedenk der Begrenzung von Wiederholbarkeit und Nachvollziehbarkeit im Erkenntnisprozess enthalten.(vgl. Klein 1995, 54)

Bestandteil dessen ist, dass die Erkenntnisinterpretation sowie die theoretische und fachpraktische Begründung für Entscheidungen und Empfehlungen umfassend in schriftlicher Form erarbeitet und Eltern und Pädagogen zur Verfügung gestellt wird. Die förderdiagnostischen Gutachten und Einschätzungen legen damit eine verbindliche Grundlage für den zu gestaltenden pädagogischen Dialog und können fortgeschrieben werden. Den verpflichtenden Rahmen bilden die bereits dargelegten theoretischen Positionen und ein kooperativ-humanistisches Menschenbild. Sie halten die Klammer zwischen dem praktischen diagnostischen Vorgehen und dem Denkansatz, der dieses Handeln steuert.

Der Problematik mangelnder Übereinstimmung theoretisch abstrakt entwickelter Begriffe und Konstrukte mit den real wirkenden Phänomenen kann mit dem hier dargestellten Ansatz pädagogischer Diagnostik entsprochen werden, wenn Testgütekriterien und Normwerte nicht das absolute Maß aller Dinge darstellen. Der pädagogischen Diagnostik kommt in diesem Zusammenhang eine prozesshaft begleitende unterstützende und vermittelnde Funktion zu. Dieser Ansatz pädagogischer Diagnostik kann einem hohen Maß an Flexibilität entsprechen, den komplexen Fragen im pädagogischen Feld zu begegnen. Er entspricht ebenso dem Erfordernis von Neutralität und Unabhängigkeit den schulischen Systemen und Organisationsformen gegenüber.

Wissenschaftstheoretische Voreingenommenheiten müssen kein Grund sein, den oft beklagten fehlenden Bezug zwischen Theorie und Praxis zu überwinden. Dies ist auch im Bereich der Pädagogik nur durch die Verzahnung von Theorie und Praxis möglich. Die Qualität theoriegeleiteter pädagogisch-diagnostischer Praxis sollte deshalb durchaus am wissenschaftlichen Anspruch, aber ebenso an ihrer Bewährung in der Praxis gemessen werden.

Literatur

Bundschuh, K.: Praxiskonzepte der Förderdiagnostik. Bad-Heilbrunn 1994.

Burgener-Woeffray, A.: Grundlagen der Schuleintrittsdiagnostik. Bern, Stuttgart, Wien 1996.

Dollase, R.: Entwicklung und Erziehung. Stuttgart 1985.

Feuser, G.: Integration heißt: Eine Schule für alle - ohne wenn und aber - und nicht nur für Behinderte. In: Pädagogik extra & demokratische Erziehung 1, 1988.

Gröschke, D: Psychologische Grundlagen der Heilpädagogik. Bad.Heilbrunn 1992.

Klein, F: Aspekte des Gegenstands und der pädagogischen Methode der schulischen Integrationsforschung. In: Heilpädagogische Forschung 21(1995) 1, 43-57.

Montessori, M.: Freiheit und Bindung: Die vorbereitete Umgebung. In: Oswald,

P./ Schulz-Benesch, G. (Hrsg.): Grundgedanken der Montessori-Pädagogik. Freiburg i. Br. 1967

Moor, P.: Heilpädagogische Psychologie. Bd. II. Bern 1958.

Probst, H.: Strukturbezogene Diagnostik. In: Probst, H.(Hrsg.): Kritische Behindertenpädagogik in Theorie und Praxis. Solms-Oberbiel 1982.

Schmetz, D.: Förderschwerpunkt Lernen. in: Zeitschrift für Heilpädagogik 50 (1999), 4-13. Sonderpädagogische Förderung in der Bundesrepublik Deutschland. Dortmund 1999.

Wiese, S.: Pädagogik für besondere Bedürfnisse an der Grundschule. Weimar 1999.

Wygotski L.: Denken und Sprechen. Frankfurt a. M. 1986.

Die Autorin

Dr. Elke-Susanne Wiese

Die Autorin arbeitet seit 1977 als Dipl.-Lehrerin in verschiedenen pädagogischen Bereichen. Nach der politischen "Wende" in Deutschland absolvierte sie an der Akademie für Entwicklungsrehabilitation in München bei Prof. Hellbrügge ein einjähriges Direktstudium der Montessori-Heilpädagogik und promovierte 1999 an der Universität Dortmund (Fakultät Rehabilitationswissenschaften) bei Frau Prof. S. Solarovà und Herrn Prof. D. Schmetz.

Als Vorläufer und parallel zur Einführung schulischer Integration in Thüringen hat die Autorin am Sozialpädiatrischen Zentrum der Klinikum Erfurt GmbH seit 1991 den Bereich klinische Pädagogik mit dem Schwerpunkt auf integrationsfördernder pädagogischer Diagnostik aufgebaut. Seit sieben Jahren ist die Autorin als Lehrbeauftragte in der Lehrerausbildung an der Universität Erfurt tätig.

Dr. Elke-Susanne Wiese

Im Tillgarten 46 a

99428 Hopfgarten 1

Quelle

Elke-Susanne Wiese: Integrationsfördernde Diagnostik im Spannungsfeld zwischen theoretischem Anspruch, tradierten Gepflogenheiten und pragmatischen Zwängen.

Erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft. Nr. 2/2001; Reha Druck Graz, S.61-70

bidok - Volltetxtbibliothek. Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 07.11.2006

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