Eine Geschichte zur Persönlichen Zukunftsplanung aus dem Beratungsalltag von Wibs

Schlagwörter: Beratung, People First, Zukunftsplanung
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Wibs ist eine Beratung, an der Menschen mit Lernschwierigkeiten ermutigt werden, ihre Träume zu leben und sich für ihre Rechte einzusetzen. Die MitarbeiterInnen von Wibs sind zum größten Teil selbst Menschen mit Lernschwierigkeiten. Wibs bietet Zukunftsplanungen an.
Copyright: © Wibs 2007

Eine Geschichte zur Persönlichen Zukunftsplanung aus dem Beratungsalltag von Wibs

Im September 2006 lernten wir Herr Mann kennen.

Herr Mann war damals 20 Jahre alt.

Er besuchte die Sonderschule und ging dann 2 Jahre lang täglich in eine Reha Werkstätte.

Dort malte er Bilder und Vasen und manchmal schliff er Holz.

Was ihm an der Werkstätte am meisten gefiel, war die Musiktherapie.

Herr Mann braucht regelmäßig Physiotherapie und Logotherapie.

Ihm ist wichtig, dass er hat viele Menschen um sich hat.

Leider riss ihn der Wechsel von der Schule in die Reha Werkstätte aus seinem Bekanntenkreis.

Zu uns kam er mit seinen Eltern, weil er bald in ein Wohnheim umziehen sollte.

Das wollte Herr Mann gar nicht.

Er wollte nicht weg aus seinem kleinen Heimatort.

Auch für seine Eltern war das keine gute Lösung.

Doch sie werden sich in Zukunft nicht mehr so viel um Herr Mann kümmern können.

Für Wibs ist es wichtig, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Wir wollen, dass jede Person

  • zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen kann.

  • Verschiedenes ausprobieren kann.

  • getroffene Entscheidungen wieder ändern kann.

  • eine sinnvolle Aufgabe hat.

  • am Leben in der Gesellschaft teilnimmt.

  • ihre Fähigkeiten nutzen kann.

  • Freunde findet.

  • Mut und Lebensfreude hat.

Deshalb schlagen wir sehr oft eine persönliche Zukunftsplanung vor.

Auch Herr Mann und seinen Eltern schlugen wir eine persönliche Zukunftsplanung vor.

Sie wollten gerne darüber nachdenken, welches Leben für Herrn Mann noch möglich wäre.

Der Freundeskreis:

Zuerst machten wir ein Plakat mir seinem Freundeskreis.

Da gehörten alle Menschen hinein, die Herrn Mann wichtig waren:

Eltern, Bruder, BetreuerInnen, TherapeutInnen, Nachbarn, Freunde der Eltern, ehemalige LehrerInnen, ...

Wichtig ist, dass alle sich für die Hauptperson einsetzen und ihr Mut machen.

Gut ist es auch noch, wenn jemand dabei ist, der sich mit der Region verbunden fühlt, jemand, der in Vereine, Selbsthilfegruppen und Initiative eingebunden ist.

Der Freundeskreis sollt sich nicht nur einmal im Leben treffen.

Es soll sich immer wieder treffen.

Es können immer wieder neue Personen dazukommen.

Manche werden weggehen.

Aber ein harter Kern soll die Hauptperson ein Leben lang begleiten.

Das Zukunftsfest:

Gemeinsam mit Herrn Mann planten wir einen ganzen Tag,

bei dem sein Freundeskreis darüber nachdenken sollte,

wie das Leben noch ausschauen könnte.

Und das kam dabei heraus:

  • Herr Mann wird in Zukunft wieder mehr in seinem Dorf (mit persönlicher Assistenz) leben und sich langsam aus der Werkstätte zurückziehen.

  • Herr Mann soll lernen persönliche AssistentInnen einzuteilen, anzuleiten.

  • Er will seinen Alltag mit Unterstützung und individuell auf seine Lebenssituation angepasst zu organisieren.

  • Herr Mann bekommt eine eigene abgeschlossene Garconniere bei den Eltern.

  • Wenn die Eltern nicht da sind, bleiben entweder der Bruder oder die Nachbarin über Nacht bei ihm. Außerdem wird ein Antrag nach persönlicher Assistenz gestellt. Dann können auch AssistentInnen bei Herrn Mann übernachten.

  • Herr Mann besucht weiterhin Physiotherapie und Logotherapie.

  • Außerdem wird Herr Mann in der Zukunft von einem Fahrdienst geholt und zur Werkstätte in die Musiktherapie gebracht.

  • Herr Mann ist ein Fußballfan. In der Werkstätte soll versucht werden, eine Freizeitgruppe zu gründen. Diese Gruppe soll dann zu Fußballspielen fahren.

  • Seine ehemalige Lehrerin ist Querflötenspielerin in der Blasmusikkapelle seines Heimatdorfes. Sie will dafür sorgen, dass Herr Mann bei den Proben und Konzerten der Kapelle dabei sein kann. Er soll dort wichtige Aufgaben übernehmen. Eine Aufgabe könnte sein, die Notenblätter zu kopieren und zu verteilen. Weitere Aufgaben müssen erst gesucht werden. Aber es ist auch vorstellbar, dass er die Einladungen für Konzerte kopiert und im Dorf verteilt. Damit er das erledigen kann, braucht Herr Mann persönliche Assistenz.

  • Die Gruppe und Herr Mann entwarfen dann für die Zukunft folgenden Arbeitsplatz. Herr Mann kopiert gerne und ist gerne unter Leuten. Er könnte in der Bank seiner Heimatgemeinde den Kopierer benutzen lernen. Dann könnte er täglich eine Runde machen: von der Schule zur Gemeinde und in die Bank, um Kopiervorlagen abzuholen. Diese würde er dann kopieren und wieder zurückbringen. Eine Ergotherapeutin würde die Arbeitsschritte mit ihm erarbeiten. Ein Arbeitsassistent würde die Arbeitsschritte trainieren und bei Bedarf einspringen. Dafür würde Herr Mann von der Gemeinde/Schulerhalter geringfügig angestellt werden.

Um diesen Traum zu verwirklichen braucht es Schritt für Schritt:

  • die persönliche Zukunftsplanung, immer dann, wenn die Gruppe ansteht.

  • Persönliche Assistenz, die die individuelle Unterstützung gewährleisten kann

  • ein persönliches Budget. Das bedeutet, dass Herr Mann das Geld, dass die Rehawerkstätte im Moment bekommt und das Wohnheim bekommen würde, ihm zur Verfügung stünde, seinen Alltag zu leben. Damit könnte er Assistenz bezahlen, Hilfsmittel zukaufen, die Garconniere umzubauen, ... Schritt für Schritt

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Quelle:

Monika Rauchberger, Ulrike Gritsch: Eine Geschichte zur Persönlichen Zukunftsplanung aus dem Beratungsalltag vom Wibs

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 25.08.2010

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