Mein langer Weg vom Heim in die Wohngemeinschaft und von der Wohngemeinschaft in meine eigene Wohnung. Teil 1

Autor:in - Monika Rauchberger
Schlagwörter: Biografie, Wohnen, Unterstützung
Textsorte: Artikel
Copyright: © Monika Rauchberger 2007

Inhaltsverzeichnis

1. Teil: Die Zeit im Heim

Ich habe sehr, sehr lang in Heimen gewohnt.

Mit 2 Jahren kam ich in das erste Heim. Dort konnte ich bleiben, bis ich mit der Schule fertig war. Danach musste ich nach Innsbruck in ein anderes Heim für erwachsene Menschen mit Körper- und auch Mehrfachbehinderungen übersiedeln. Dort lebten schon viele meiner KollegInnen, die Jahre vor mir die Schule und das Kinderheim verlassen hatten.

Niemand hat uns erzählt, dass es auch noch andere Heime gibt. Niemand hat uns gefragt, ob wir in eine eigene Wohnung ziehen wollen. Aber das war mir damals nicht klar.

Ich wollte aus dem Heim im kleinen Ort weg. Ich habe das gemacht, was alle meine Bekannten vor mir gemacht haben. Ich wollte in Innsbruck leben, weil ich von meinen ehemaligen ZimmerkollegInnen gehört hatte, dass es im Heim in Innsbruck mehr Freiheit gibt. Ich hab mit vorgestellt, dass ich in der großen Stadt heimkommen kann, wann ich will.

Trotzdem war ich sehr aufgeregt.

Ich hatte Angst, wie das so werden wird. Die Betreuer aus meinem alten Heim haben sich auch Sorgen um mich gemacht. Sie haben zu mir gesagt, dass ich ja noch gar nicht auf mich selbst aufpassen kann. Sie wollten, dass ich in ihrem Heim bleibe. Das hat mir noch mehr Angst gemacht. Aber ich musste wegziehen, weil ich für das Kinderheim zu alt war.

Also bin einfach mit meinem ganzen Gepäck ins Heim übersiedelt. Jemand hat mich in den ersten Stock in ein Vierbettzimmer begleitet und dann alleine gelassen. Da war mir nicht ganz wohl.

Ich war in dem großen Zimmer ganz alleine, bis eine Mitbewohnerin hereingekommen ist. Die neuen Betreuer haben sich nicht um mich gekümmert. Die haben geglaubt, dass ich eh Bescheid weiß. Aber ich wusste gar nichts, weil ich am Schnuppertag die Schafblattern gehabt hatte.

Also hab ich mich alleine auf den Weg gemacht. Ich bin ins Erdgeschoss gefahren. Dort war der große Essensraum. Da waren dann ein paar Betreuer und auch Mitbewohner.

Eigentlich hätte ich mich beschweren sollen. Aber ich hab mich nicht getraut. Es hat auch niemanden von meiner Pflegefamilie gegeben, der mich am ersten Tag begleitet hat. Niemand hat mir gesagt, wann in der Früh überhaupt Tagwache ist und wann es Essen gibt. Und wann ich in die Werkstätten muss und auch in welche Werkstätte ich komme.

Mit der Zeit hab ich das alles selbst herausgefunden. Das ist alles leider traurig, aber wahr.

In diesem Heim war es so, dass immer eine Person geduscht und eine andere daneben gebadet hat. Wie am Fließband ist das gegangen. Das ist mir auf die Nerven gegangen. Deshalb wollte ich lernen, selber zu duschen. Nicht alle MitbewohnerInnen wollten selbständig duschen lernen. Ein paar Betreuer haben mich unterstützt. Und so habe ich selbständig duschen gelernt.

Mit dem Essen war es ähnlich. Ich habe damals nur Fleisch mit der Gabel essen können. Suppe und Joghurt haben mir die Betreuer füttern müssen. Da haben die Betreuer gesagt, dass es nicht geht, dass ich nur mit der Gabel essen kann. Ich soll auch lernen, mit dem Löffel zu essen. Am Anfang war es ziemlich mühsam. Ich habe aber durchgehalten. Ich wollte unabhängig sein.

Erwachsen sein und auf sich alleine gestellt zu sein, ist am Anfang ganz schwer, wenn man aus einem Kinderheim herauskommt. Aber ich hab mich daran gewöhnt. Ich bin dann in ein Einzelzimmer gekommen und habe meinen Freund kennen gelernt. Der hat auch im Heim gewohnt. Eine Zeit lang war ich nun gerne im Heim.

Aber dann ist der Traum aufgetaucht, dass ich mit meinem Freud einmal in eine eigene Wohnung ziehen wollte. Das Heimleben ist mir immer mehr auf die Nerven gegangen.

Irgendwann hat der Heimleiter aus einem Stock eine Übergangswohnung gemacht. Übergangswohnung heißt, dass man alles lernt, was man zum Ausziehen in eine weniger betreute Wohngemeinschaft können muss. Ich habe mich für die Übergangswohnung gemeldet. Mein Freund hat sich zum Glück auch dort angemeldet. Die Vorbereitung für die Wohngemeinschaft hat lange gedauert.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Quelle:

Monika Rauchberger: Mein langer Weg vom Heim in die Wohngemeinschaft und von der Wohngemeinschaft in meine eigene Wohnung. Teil 1

Erschienen in: www.behindertemenschen.at; Zeitschrift Behinderte Menschen

© Monika Rauchberger 2007

bidok - Internetvolltextbibliothek. Wiederveröffentlichung im Internet.

Stand: 07.06.2010

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation