Dies ist ein Text von der Wibs Homepage
Inhaltsverzeichnis
Diesen Text haben wir von Wibs.
Erich Girlek hat einen Vortrag gehalten.
Erich Girlek ist ein Selbstvertreter.
Erich Girlek kommt aus Salzburg.
Das Thema von dem Vortrag ist Sachwalterschaft
Wie gesagt, mein Name ist Erich Girlek.
Ich bin Selbstvertreter und arbeite seit mehreren Jahren
für die Umsetzung der UN Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Ich möchte mich zu Beginn sehr herzlich für die Einladung
beim Justizministerium bedanken.
Wir Menschen mit Lernschwierigkeiten haben viel Erfahrung
mit Sachwalterschaften. Wir haben in den letzten Jahren in
Arbeitsgruppen und auf Selbstvertretungs-Tagungen darüber
nachgedacht und besprochen und wir haben einiges zum
Thema zu sagen.
Nur ist es meistens sehr schwierig, dass unsere Ergebnisse
außerhalb der Arbeitsgruppen gehört werden.
Oft werden wir noch immer nicht ernst genommen.
Deshalb ist es wirklich eine große Freude für mich, dass ich
heute hier als Experte zum Thema sprechen kann.
Ich möchte mit meinen eigenen Erfahrungen
mit der Sachwalterschaft beginnen.
In meiner Zeit wo ich in den Geschützten Werkstätten
gearbeitet habe, hatte ich große Schwierigkeiten
beim Thema Geld.
Da es keine andere Möglichkeit gegeben hat,
bekam ich meinen ersten Sachwalter.
Wir hatten schon am Anfang kein gutes Verhältnis zueinander.
Seine Aussagen waren zum Beispiel:
„Brauchst du wirklich dein Moped?“
Oder auch in der Freizeit wollte er mich einschränken.
Seine schlimmste Aussage war,
dass er mir verbieten wollte zu Fernsehen.
Ich hatte nie ein gutes Gefühl wenn wir uns trafen.
Ich muss auch zugeben,
dass ich ein paar Fehler gemacht habe.
Wie zum Beispiel: Dass ich eine Zeitung abonniert habe
und dass ich manche Entscheidungen selber getroffen habe.
Nur mit der Unterstützung meiner besten Freundin habe ich
es geschafft, dass ich einen anderen Sachwalter bekam.
Den hat mir eine Betreuerin vorgeschlagen
als sie von meinem Problem gehört hat.
Wir trafen uns und ich hatte ein besseres Gefühl dabei.
Da diese Person nicht so viel Erfahrung hatte mit Sachwalterschaften
und auch nicht so viel Erfahrung hatte
mit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten,
war ich mir nicht so sicher.
Inzwischen war ich aber schon Selbstvertreter
und ich habe mehr über meine Rechte gewusst.
Ich habe gewusst, dass ich das Recht habe,
dass mir mein Sachwalter erklärt wie viel Geld ich habe
und woher es kommt und wofür es ausgegeben wird.
Und ich habe gelernt, dass es früher doch kein Fehler von mir war,
dass ich manche Entscheidungen selber getroffen habe
und dass ich ein Recht auf Selbstbestimmung habe.
Da mein Sachwalter persönlich von Salzburg weg gezogen ist,
hat er sich selber entschlossen die Sachwalterschaft zu beenden.
So bekam ich dann meine jetzige Sachwalterin.
Die Richterin hat eine Vereinssachwalterin vorgeschlagen
und der Sachwalterverein hat mir eine Sachwalterin zugeteilt.
Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander.
Sie erklärt mir meine Finanzen
und sie ermutig mich auch, dass ich vieles alleine
oder mit der Unterstützung die ich brauche schaffen kann.
Und sie ermutigt mich auch, dass ich es auch ohne
Sachwalterschaft schaffen kann, wenn ich manche Dinge lerne
und gute Unterstützung bekomme.
Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten haben ähnliche oder
die gleichen Schwierigkeiten gehabt oder
haben sie auch noch heute so wie ich selber.
Leider haben aber zu wenige Menschen die gleichen Erfolge wie ich.
Viele habe keine Chance ihren Sachwalter durch
einen Entscheidungs-Unterstützer zu ersetzen.
Und zwar weil es am Anfang vor allem
mit guter Unterstützung von irgendwoher zu tun hat.
Denn die besachwalterte Person ist vom Sachwalter abhängig.
Auch haben viele Menschen ihre Eltern als Sachwalter.
Und manche verwechseln die Sachwalter-Aufgaben
mit Erziehungs-Aufgaben.
Dann haben Menschen mit Lernschwierigkeiten ein sehr großes Risiko
ein Leben lang wie Kinder behandelt zu werden.
Erst wenn jemand stärker wird und
über seine Rechte Bescheid weiß,
traut man sich etwas gegen
die Fremdbestimmung zu unternehmen.
Ich habe das alles erzählt, weil ich es für wichtig halte,
dass alle, die mit dem Sachwalterrecht zu tun haben,
die Schwierigkeiten kennen,
die wir besachwalterten Personen damit haben.
Ich weiß, das Sachwalterrecht würde rein von den Paragraphen her
viel mehr Selbstbestimmung zulassen als in Wirklichkeit gelebt wird.
Nur in Wirklichkeit schaut es meistens düster aus!
Manche denken auch, wir sollten nicht unbedingt das Gesetz verändern,
sondern lieber die Umsetzung des Gesetzes verbessern.
In Wirklichkeit haben nämlich nur ungefähr ein Zehntel
aller besachwalterten Menschen einen ausgebildeten Sachwalter.
Man kann also sagen es wäre vielleicht wirklich zuerst wichtiger
dass die Richter Sachwalterschaften mehr einschränken
und dass es bessere Sachwalter gibt
statt an einem neuen Gesetz zu feilen.
Aber natürlich sind wir SelbstvertreterInnen sehr kritisch.
Ich denke, das Sachwalterrecht passt nicht zur UN- Konvention
und es wird auch nach einer Verbesserung wahrscheinlich
auch noch der UN-Konvention widersprechen.
Es ist für uns eine zu große Einschränkung der Freiheiten und
der Menschenrechte, wenn jemand anders die Entscheidungen trifft
und wenn jemand anders die Zuständigkeit für unser Leben hat.
Und es gibt deshalb zu viel Diskriminierungen weil Menschen denken,
dass besachwalterte Personen nichts können.
Insgesamt haben wir viele schlechte Erfahrungen
mit der Sachwalterschaft und weniger gute.
Deshalb wollen wir ein wirkliches Umdenken
von der Fürsorge zum Menschenrechts-Gedanken.
Wir wollen dass die Fremdbestimmung
durch Unterstützte Entscheidungsfindung ersetzt wird.
Damit alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können
wie es die UN-Konvention vorgibt und
wie die UNO es nach der Staatenprüfung
noch einmal empfohlen hat.
Auch wenn man das Sachwalterrecht verbessert, darf es nicht passieren,
dass die Unterstützte Entscheidungsfindung einschläft und
wir bei der Sachwalterschaft bleiben.
Das Pilotprojekt muss unbedingt weiter gut unterstützt werden.
Auch ist die persönliche Zukunftsplanung aus meiner Sicht ein Muss!
Personenzentriertes Denken bei den Unterstützungspersonen ist wichtig
damit Menschen mit Unterstützung selbstbestimmt leben können.
Die Zuständigkeit für sein Leben muss jeder Mensch selbst behalten
auch wenn er nur wenig selbständig kann.
Es wäre wichtig auch noch mehr sagen
zum Recht auf Selbstbestimmung und
zum Recht auf Risiko.
Weil das Recht auf Selbstbestimmung wird oft
weniger wichtig genommen als
das Recht auf Schutz und Unversehrtheit.
Aber es ist eine sehr schwere Diskussion meistens
und dafür braucht man mehr Zeit.
Und zum Schluss möchte ich auch noch etwas darüber sagen,
wie wichtig eine echte Partizipation und Mitbestimmung
von ExperteInnen in eigener Sache ist
wenn das Sachwalterrecht überarbeitet wird.
Das wurde auch sehr deutlich in den Handlungsempfehlungen
der Staatenprüfung gesagt.
Überall sollen Menschen mit Behinderungen einbezogen werden.
Das heißt, dass wir in Arbeitsgruppen mitarbeiten
oder dass wir auf Fachtagungen eine Rede halten so wie heute.
Es heißt auch aus meiner Sicht,
dass RichterInnen und SachwalterInnen zum Beispiel
von uns geschult werden über Fremdbestimmung
und Selbstbestimmung und die Mensch-Zuerst-Grundsätze
für Gute Unterstützung.
Und ich muss auch sagen, es ist wirklich wichtig,
dass wir Menschen mit Lernschwierigkeiten
als ExpertInnen in eigener Sache akzeptiert werden.
Aber es muss dafür auch mehr in Selbstvertretung investiert werden.
Wir brauchen für unsere Arbeit unabhängige Organisationen,
damit wir unabhängig von den Sachwaltern
und von den Vereinen sind,
die zum Beispiel die BetreuerInnen anstellen.
Denn wenn es mehr Geld für unabhängige Selbstvertretung
wie im Netzwerk Selbstvertretung Österreich gibt,
werden andere Menschen wirklich gestärkt
und mehr über ihre Rechte informiert.
Derzeit bezahlen hauptsächlich Trägervereine für die Selbstvertretung.
Das ist gut, weil sonst gäbe es höchstens
erst zwei Selbstvertretungsgruppen in Österreich.
Aber es ist nur eine Übergangslösung
bis die Selbstvertreter unabhängig werden können.
Zum Schluss meiner Rede möchte ich sagen,
dass ich es sehr gut finde,
dass sich das Justizministerium bemüht
etwas zu unternehmen um die UN-Konvention voranzubringen.
Ich hoffe ich habe ein paar wichtige Gedanken
von Menschen mit Lernschwierigkeiten einbringen können
und dass sie in der Fachtagung weiter bearbeitet werden.
Mein Schluss-Satz ist:
„Wir Menschen mit Lernschwierigkeiten sind die ExpertInnen,
wenn es um unser Leben geht!
Wir müssen die Entscheidungen treffen können,
die uns betreffen auch wenn wir dabei vielleicht Unterstützung brauchen.
Nichts über uns – ohne uns!"
Vielen Dank.
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Quelle
Erich Girlek: Wichtige Veränderungen für das Sachwalterrecht aus der Sicht von SelbstvertreterInnen
Original: http://www.wibs-tirol.at/userfiles/dateien/Final_Rede_Sachwalterschaft_Fachtagung-Girlek.pdf
bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet
Stand: 17.06.2015