Mein langer Weg vom Heim in die Wohngemeinschaft und von der Wohngemeinschaft in meine eigene Wohnung. Teil 2

Autor:in - Monika Rauchberger
Schlagwörter: Biografie, Wohnen, Unterstützung, Selbstbestimmt Leben
Textsorte: Artikel
Copyright: © Monika Rauchberger 2007

2. Teil: Die Zeit in der Übergangswohnung

Während ich in der Übergangswohnung im Heim gelebt habe, habe ich mir oft überlegt, wie es wohl wäre, außerhalb von einem Heim zu leben. Ich habe mir vorgestellt, dass ich dort mehr Freiheit hätte. Ich könnte mir die Freizeit selber einteilen. Ich könnte mir das kochen, was ich essen mag. Ich könnte am Abend und am Wochenende ausgehen, und es wäre egal, wann ich heimkommen würde. Ich könnte mit meinem Freund wie in einer Beziehung leben. Da wurde mein Wunsch so groß, dass ich meine ganze Energie in den Auszug gesteckt habe.

Obwohl ich schon einmal von einem Heim ins andere gezogen bin, war auch diesmal das Ausziehen nicht einfach.

Was heißt das, selbständig zu wohnen, wenn ich mein ganzes Leben lang in Heimen gewohnt habe?

Da brauchte ich schon wieder ganz viel Mut, um meine Ängste abzubauen. Ich musste Geduld mit mir selbst haben, denn so schnell habe ich meine Ängste nicht überwunden. Ich musste damit zurechtkommen, dass ich immer wieder Zweifel hatte, ob ich überhaupt ausziehen wollte und ob ich es schon schaffen würde, in einer Wohngemeinschaft zu wohnen.

Es half, dass ich mich mit ganz vielen Fragen beschäftigt habe und gemerkt habe, dass das Ausziehen aus vielen kleinen Schritten besteht. Ich nahm mir Zeit, mit meinen Betreuern und meinen zukünftigen WohnungskollegInnen alles ganz gut zu besprechen. Und ich hatte Ehrgeiz, sonst hätte ich nicht gelernt, was zu lernen war.

Nachdem ich meine Zweifel und Ängste zum größten Teil überwunden hatte, konnte ich mich mit anderen wichtigen Fragen beschäftigen. Eine wichtige Frage war, mit wem ich gerne in der Wohnung zusammenleben wollte. Mir war auch klar, dass es die Möglichkeit gibt, alleine zu leben. Es macht einen großen Unterschied, ob man alleine lebt oder in einer Wohngruppe. Ich habe mich damals noch nicht getraut, alleine in eine Wohnung zu ziehen. Meine Betreuer haben mich auch nicht dabei unterstützt, alleine in eine Wohnung zu ziehen. Und ich wurde nicht gefragt, mit wem ich zusammenziehen möchte. Das war nicht gut, denn da kam es später zu Reibereien. Gut war, dass auch mein Freund mit mir in die Wohngemeinschaft gezogen ist. Das hat mir Sicherheit gegeben, und ich hatte jemanden zum Reden und der mich unterstützt.

Ich und meine 3 Mitbewohner haben uns damit beschäftigt, was wir alles können mussten, damit wir in der Wohngemeinschaft wenig Betreuung leben konnten. Wir haben gemerkt, dass wir kochen und Wäsche waschen können müssen. Ganz wichtig war uns zu überlegen, was wir machen würden, wenn etwas passiert, z. B. wenn sich jemand verletzt oder der Geschirrspüler übergeht.

Wir haben damals geglaubt, dass wir nicht ausziehen können, wenn wir nicht fast alles selbst lernen. Das haben uns die Betreuer so gesagt.

Trotzdem mussten die Betreuer für uns das machen, was wir nicht konnten. Sie haben auch beim Land angesucht, wie viele Betreuungsstunden wir in der Wohngemeinschaft bekommen. Da haben wir nicht mitgeredet.

Einer meiner Mitbewohner konnte nichts von all dem lernen. Der ist in seine eigene Wohnung ausgezogen und hat seit damals persönliche Assistenz. Warum wir in eine Wohngemeinschaft mit Betreuern gezogen sind und nicht persönliche AssistentInnen bekommen haben, ist schwierig zu erklären. Wahrscheinlich haben die BetreuerInnen vom Heim nicht geglaubt, dass es mit Persönlicher Assistenz für mich klappen würde.

Dann waren wir so weit. Wir konnten einziehen.

Wir haben viel gestritten. Wir mussten viel selbst tun. Ich konnte kommen und gehen, wann ich wollte. Das war ein Stück der Freiheit, die ich mir gewünscht habe.

Manchmal kochte jemand etwas, was ich nicht mochte. Die Betreuer haben schon immer noch gesagt, was ich tun sollte und was nicht. Aber sie haben nicht mehr ganz so viel wie in einem Heim bestimmt.

Ich habe in der Wohngemeinschaft viel dazu gelernt. Das hat mich stolz gemacht und ich bin sehr mutig geworden. Da kam mir die Idee, dass ich noch mehr Freiheit hätte, wenn ich mit meinem Freund in einer eigenen Wohnung leben würde.

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Quelle:

Monika Rauchberger: Mein langer Weg vom Heim in die Wohngemeinschaft und von der Wohngemeinschaft in meine eigene Wohnung. Teil 2

Erschienen in: www.behindertemenschen.at; Zeitschrift Behinderte Menschen

© Monika Rauchberger 2007

bidok - Internetvolltextbibliothek. Wiederveröffentlichung im Internet.

Stand: 22.07.2009

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