Leben, Studieren und Arbeiten mit Persönlicher Assistenz

Autor:in - Julia Golser
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: erschienen in: bidok works 06/11, S. 13-14
Copyright: © Julia Golser 2011

Vorwort der bidok-Redaktion

Dieser Artikel stammt aus "bidok works - Zeitschrift für berufliche Integration in Tirol", Ausgabe 06/11. Die digitale Zeitschrift widmet sich Erfahrungs- und Praxisberichten sowie Projektbeschreibungen rund um den Themenschwerpunkt der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung in Tirol. bidok works erscheint zwei Mal pro Jahr und richtet sich insbesondere an Mitarbeiter und MitarbeiterInnen in diesem Bereich.

Download von bidok works unter folgendem Link:

http://bidok.uibk.ac.at/projekte/arbeitswelt_tirol/works.html

Die Anfänge

Die Anfänge meiner Assistenznehmerinnenkarriere waren im Herbst 2000 und fielen nicht einfach zufällig auf den Beginn meines Studiums an der LFU Innsbruck. Bereits 2 Jahre zuvor kristallisierte sich mein Wunsch heraus ein Psychologiestudium zu Beginnen und auch am Studienort zu wohnen. Es stand außer Frage, dass dies ohne fremde Hilfe nicht für mich zu bewerkstelligen sein würde und stieß auf Selbstbestimmt Leben und das Angebot der Persönlichen Assistenz.

Da ich bis dato immer zu Hause gewohnt hatte und jegliche Unterstützung durch Familie und Freunde abgedeckt wurde, war es für mich schwer einschätzbar wie viele Assistenzstunden ich tatsächlich für die Dinge des täglichen Lebens brauchen würde. Die Einschätzung des Bedarfs zur Unterstützung beim Studium war noch schwieriger, da ich ja zuvor noch nie studiert hatte. Die zahlreichen Erfahrungswerte der KoordinatorInnen aus erster Hand waren daher von unschätzbarem Wert, nicht nur betreffend der Stundenerhebung, sondern auch durch die praxiserprobten Möglichkeiten Persönliche Assistenz täglich zu Organisieren.

Durch diese Form der Beratung war es mir möglich eine relativ realistische Vorstellung zu entwickeln wie Leben und Studieren unabhängig von meiner Familie an einem anderen Ort aussehen könnte.

Ein Tag

Es ist halb acht, meine Assistentin betritt die Wohnung, nach einem verschlafenen "Guten Morgen" bitte ich sie das Fenster zu öffnen und mir mein Frühstück zuzubereiten. Viele Anweisungen brauche ich nicht zu geben, da sich bereits eine gewisse Routine breit gemacht hat, Gott sei Dank! Nachdem ich mein Frühstück genossen habe und mittlerweile als wach bezeichnet werden kann, hilft mir meine Assistentin beim Aufsetzen und Überwechseln in den Rollstuhl, schiebt mich ins Bad: Klo, Dusche, Anziehen, Haare frisieren, Zähneputzen, bei all dem hilft sie mir.

Danach Überwechseln in den anderen Rollstuhl, Schuhe, Jacke, Schal, die Brille. Sie überprüft für mich ob alles Notwendige in meiner Tasche ist und ich gebe ihr letzte Kontrollanweisungen. Sie öffnet für mich Türen, drückt auf Liftknöpfe und zieht mir im Hörsaal die Jacke wieder aus und packt aus was ich ihr sage: Handy, Block und Kugelschreiber, das alles legt sie auf den Tisch so wie ich es brauche. Danach verabschieden wir uns.

Nach der Vorlesung eine Pause, danach eine weitere Vorlesung. Für heute ist Schluss, eine andere Assistentin holt mich ab und hilft mir beim Einpacken, wir gehen nicht sofort, der Austausch mit Studienkollegen ist wichtig. So erfahre ich noch wichtige Neuigkeiten während ich einer Freundin noch ein Skriptum, das ich ihr mitgebracht habe aushändige bzw. das ihr meine Assistentin aus-händigt. Danach noch schnell etwas kopiert, natürlich wieder mit Hilfe meiner Assistentin, bevor es in die Stadt geht. Besorgungen, Einkäufe und zurück in die Wohnung.

Meine Assistentin hilft mir beim Aussortieren der Wäsche und schaltet die Waschmaschine ein, danach stellt sie für mich einen Topf Kartoffeln auf den Herd die vor sich hin köcheln während wir uns um das Aufbereiten, Sortieren und Einordnen der Mitschriften kümmern. Nachdem alles Universitäre für heute erledigt ist, lasse ich mir den Rest des Essens zubereiten und meine Assistentin legt mir alle notwendigen Gegenstände so hin, dass ich sie erreichen kann. Danach geht sie und ich genieße die Ruhe.

So großartig meine Assistentinnen auch sind und so viel sie mir auch ermöglichen, ist es auch schön einmal ganz allein zu sein. Später am Abend klingelt es an der Tür, mein Nachtdienst ist da. Sie bringt mich noch mal zur Toilette, hilft mir beim Umziehen, bringt mich ins Bett und bereitet mir am Nachtisch noch alles Nötige für die Nacht vor, was zu trinken, ein Skriptum zum Lernen und sämtliche nötigen Fernbedienungen. Dann ist sie auch schon wieder weg und ich genieße in Ruhe den Rest des Abends.

Mein persönliches Resümee

Nach nun bereits 11 Jahren, in denen ich mein Leben mit Persönlicher Assistenz gestalten durfte, steht für mich fest, dass es für mich DIE Unterstützungsform für eine selbstbestimmte Lebens-führung ist. Ich schätze mich glücklich in die je-weils vorgeschriebenen Kategorien der Behörden (Land Tirol für Assistenz im Privatbereich und Bundessozialamt für PAA) zu fallen, denn nicht alle die Assistenz benötigen bekommen sie auch.

Bis jetzt konnte ich alles was ich mir vorgenommen hatte auch umsetzen und stehe nun mitten im Arbeitsleben. Die Trennung der beiden Lebensbereiche Arbeit und Privatleben geht meiner Erfahrung nach an der Realität vorbei, da es hier einige fließende Übergänge gibt. Für die Zukunft würde ich mir deshalb nicht nur einen Ausbau Persönlicher Assistenz wünschen, ich fände eine Abwicklung über nur einen Kostenträger wesentlich sinnvoller. Das Ziel kann für mich nur eine bundeseinheitliche, einkommensunabhängige und bedarfsgerechte Regelung der Persönlichen Assistenz sein. Ich hoffe die Politik erkennt das Potential und schlägt in Zukunft den richtigen Weg ein.

Quelle:

Julia Golser: Leben, Studieren und Arbeiten mit Persönlicher Assistenz

erschienen in: bidok works 06/11, S.13-14

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 24.06.2013

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