Teilqualifizierung in Tirol - eine Erfolgsgeschichte?

Autor:in - Katharina Angerer
Themenbereiche: Arbeitswelt
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: erschienen in: bidok works 04/10, S.4-6.
Copyright: © Katharina Angerer 2010

Vorwort der bidok-Redaktion

Dieser Artikel stammt aus "bidok works - Zeitschrift für berufliche Integration in Tirol", Ausgabe 04/10. Die digitale Zeitschrift widmet sich Erfahrungs- und Praxisberichten sowie Projektbeschreibungen rund um den Themenschwerpunkt der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung in Tirol. bidok works erscheint zwei Mal pro Jahr und richtet sich insbesondere an Mitarbeiter und MitarbeiterInnen in diesem Bereich.

Download von bidok works unter folgendem Link: http://bidok.uibk.ac.at/projekte/arbeitswelt_tirol/works.html

Teilqualifizierung in Tirol - eine Erfolgsgeschichte?

Für Menschen mit Behinderung gibt es seit 2003 (Novelle zum Berufsausbildungsgesetz BAG, BGBl. I Nr. 79/2003) die Möglichkeit einer integrativen Berufsausbildung (IBA), um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Diese soll eine auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse abgestimmte Ausbildung bieten, die entweder als Lehre mit verlängerter Lehrzeit oder als Teilqualifikation absolviert werden kann.

Bei einer verlängerten Lehre wird ein regulärer Lehrabschluss inklusive aller Inhalte erworben, während bei der Teilqualifikation die Lernziele individuell auf die Jugendlichen zugeschnitten werden.

Die Zielgruppe der IBA umfasst Menschen, bei denen das AMS (Arbeitsmarktservice) Probleme bei der Vermittlung in ein reguläres Lehrverhältnis hat:

  • Jugendliche, die am Ende der Pflichtschule sonderpädagogischen Förderbedarf hatten oder über einen negativen oder keinen Hauptschulabschluss verfügen

  • Menschen mit Behinderung im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetztes (BEinstG)

  • oder des jeweiligen Landesbehindertengesetzes

  • Jugendliche, für die angenommen wird, dass sie in absehbarer Zeit keine reguläre Lehrstelle finden werden.

Für Menschen mit Behinderung nach BEinstG und mit sonderpädagogischen Förderbedarf ist in Tirol der Verein arbas (bzw. in Reutte Vianova) zuständig. Für die anderen Zielgruppen wird die Abwicklung der IBA von ibis acam im Projekt JuNet übernommen. Diese werden über das AMS finanziert, während für Jugendliche mit Behinderung das Bundessozialamt die Finanzierung übernimmt.

Ablauf

Nach einem Clearing wird vom AMS oder der Berufsausbildungsassistenz ein geeigneter Lehrplatz gesucht. Ein Großteil (75%) der integrativen Lehrlinge werden direkt in Unternehmen ausgebildet (bei der Teilqualifizierung liegt der Anteil bei 95%!). Eine integrative Lehre kann jedoch auch in einer speziellen Ausbildungseinrichtung, z.B. bei ibis acam, absolviert werden.

In einem Gremium, das durch den Landesschulinspektor, den Leiter der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer, einem Vertreter der Arbeiterkammer und der Berufsausbildungsassistenz gebildet wird und ca. alle 2 Monate tagt, wird ein auf jeden einzelnen Lehrling zugeschnittenes Berufsbild erarbeitet.

Die Ausbildungsdauer und -inhalte im Betrieb sowie in der Berufsschule werden im Lehrvertrag vereinbart. Für die verlängerte Lehre ist ein Berufsschulbesuch verpflichtend, während sich die Schulpflicht bei einer Teilqualifizierung auf die festgelegten Ziele beschränkt.

In Tirol wird, laut Auskunft des Leiters der Jugendabteilung der AK Tirol, Dr. Peter Schumacher, besonderer Wert darauf gelegt, dass alle integrativen Lehrlinge die Berufsschule besuchen. Dabei kommen jeweils individuelle Lehrpläne zum Einsatz mit Befreiungen von einzelnen Gegenständen oder auch der Option auf Benotung in einzelnen Fächern.

Die Berufsausbildungsassistenz begleitet und unterstützt den Prozess der integrativen Berufsausbildung und fungiert als Anlaufstelle für alle Beteiligten.

Den Abschluss der Teilqualifizierung bildet eine Abschlussprüfung in Form einer Arbeitsprobe. Die Inhalte der Prüfung werden vorher gemeinsam mit der Berufsausbildungsassistenz im Gremium festgelegt. Der Lehrling erhält bei erfolgreich bestandener Prüfung ein Zeugnis über die erlernten Inhalte.

Allerdings ist dieser Abschluss nicht mit einem konkreten Anspruch verbunden, das heißt es gibt keine geregelte Entlohnung für einen Teilqualifizierungsabschluss. Ein angemessenes Lohnschema steht noch aus.

Auch Wechsel zwischen Teilqualifizierung, Verlängerter Lehre und Teilqualifizierung sind möglich und kommen laut Helmut Wittmer von der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Tirol immer wieder vor. Auch in diesen Fällen wird im Gremium beraten und eine individuelle Lösung gemeinsam erarbeitet.

Das Modell der Teilqualifizierung wird in Tirol sehr gut angenommen. In den letzten Jahren wurden ständige Zuwächse verzeichnet. Im Jahr 2009 absolvierten laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Tirol insgesamt 64 Jugendliche eine Teilqualifizierung, (2007 waren es 47). Davon befinden sich 60 in Unternehmen und 4 in speziellen Ausbildungseinrichtungen.

Insgesamt lässt sich in Tirol eine sehr positive Stimmung gegenüber der Teilqualifizierung und der integrativen Berufsausbildung allgemein ausmachen. Auch die Betriebe, die einen integrativen Lehrling beschäftigen, seien durchaus positiv eingestellt und aufgeschlossen, wie Helmut Wittmer berichtet.

In den meisten Fällen funktioniere die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Beteiligten sehr gut und mache die Integrative Berufsausbildung in Tirol zu einem Erfolgsmodell, bestätigt Dr. Schumacher. Auch Mag. Reinhold Beer, Bundessozialamt Landesstelle Tirol, hält die Teilqualifizierung für ein sehr wertvolles Projekt, weil es Jugendlichen, die im Bildungsbereich Probleme haben, eine Chance auf Ausbildung bietet.

Literatur zur Teilqualifizierung

Inhaltsverzeichnis

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz: Behindertenbericht 2008. Bericht der Bundesregierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen in Österreich 2008. Wien

Heckl, Eva et. al. (2006): Evaluierung der integrativen Berufsausbildung (IBA). Endbericht. http://bidok.uibk.ac.at/library/bmwa-berufsausbildung-endbericht.html

Pienetz, Petra/ Prammer, Wilfried: Die Integrative Berufsausbildung in Österreich - eine Ausbildungsform für behinderte Jugendliche?! In: Zeitschrift für Inklusion, Nr 1 (2010) http://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion/article/view/44/51

Schiestl, Dorothea-Maria: Integrative Berufsausbildung an Tiroler Fachberufsschulen. Mögliche Wege für ein zukunftsweisendes pädagogisches Modell. Diplomarbeit, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck; Institut für Erziehungswissenschaften . http://bidok.uibk.ac.at/library/schiestl-berufsausbildung-dipl.html

Wirtschaftkammer Tirol: Tiroler Lehrlingsstatistik 2009.Innsbruck 2010. http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?angid=1&stid=332166&dstid=1445&opennavid=0

Zettel, Petra: Integrative Berufsausbildung. Eine Chance für Jugendliche? Diplomarbeit; Leopold - Franzens - Universität Innsbruck. Institut für Erziehungswissenschaften http://bidok.uibk.ac.at/library/zettel-berufsausbildung-dipl.html

Links zur Teilqualifizierung

Anbieter:

Arbeitsassistenz Tirol: http://www.arbas.at/

Junet: http://www.junet.at/

Vianova: http://www.vianova-austria.at

Weitere Informationen:

Lehrlingsstelle Wirtschaftskammer Tirol:

http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?AngID=1&StID=291774&DstID=1445&titel=Integrative,Berufsausbildung

Tiroler Berufschulen: http://bsr.tsn.at/tbw/?getPage=docs/berufsschulen.html&menu=381

Richtlinie BAS: http://www.bundessozialamt.gv.at/basb/Downloads_&_Formulare/Richtlinien

Rund um Arbeit und Behinderung. Eine Broschüre für Arbeit suchende Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder Behinderung. http://ams.brz.gv.at/arbeitundbehinderung/index.html

BAG-Novelle 2010:

http://www.bmwfj.gv.at/Berufsausbildung/LehrlingsUndBerufsausbildung/Seiten/BAGNovelle2010.aspx

Quelle:

Katharina Angerer: Teilqualifizierung in Tirol - eine Erfolgsgeschichte?

erschienen in: bidok works 04/10, S.4-6

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 08.08.2012

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation