Die Einstellung macht´s

Tipps und Information für Unternehmen zum Behindertengleichstellungspaket

Themenbereiche: Recht, Arbeitswelt
Textsorte: Broschüre
Releaseinfo: Das Layout dieses Textes wurde von bidok überarbeitet (für brailleboard). Die Originalversion finden Sie hier: http://wko.at/sp/arbeitundbehinderung/Die-Einstellung-machts.pdf
Copyright: © Wirtschaftskammer Österreich 2006

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

Sehr geehrte Wirtschaftstreibende!

Die Bevölkerungsgruppe der behinderten Menschen macht laut Schätzungen seit jeher konstant 10 % der Gesamtbevölkerung aus. Das heißt, dass laut aktueller EU-Statistik immerhin 37 Millionen Europäer in der einen oder anderen Form von Behinderungen betroffen sind, sei es in Bezug auf Mobilität, Gehör, Sprechen, Sehen oder eine geistige Behinderung.

Das Bild des Schwerbehinderten, der im Rollstuhl sitzt, ist - zumindest statistisch gesehen - ein Klischee. Denn die weitaus häufigste Behinderungsart ist eine Funktionsbeeinträchtigung der inneren Organe. Behinderungen werden in vielen Fällen von Krankheiten verursacht, die im Laufe eines Lebens auftreten und jeden von uns treffen können. Viele behinderte Menschen können im richtigen Beruf ganz "normal" leben und arbeiten. Es kommt oft nur darauf an, den geeigneten Arbeitsplatz zu finden.

Können Sie sich vorstellen, warum ausgerechnet behinderte Menschen oftmals eine bessere Ausbildung und mehr Lust auf ihren Job haben als andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Weil sie aufgrund ihrer Benachteiligung besser sein wollen als Nichtbehinderte und weil sie wegen ihres Bedürfnisses nach gesellschaftlicher Akzeptanz besonders engagiert sind. Und: da sich behinderte Menschen oft auf eine neue Lebenssituation einstellen müssen, sind sie zudem außerordentlich flexibel. Genau diese Voraussetzungen können Sie als Unternehmer nützen.

Das Gesetz gegen die Diskriminierung behinderter Menschen hat die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen in der Gesellschaft und damit auch im Arbeitsleben zum Ziel. Wie Sie als Unternehmerin und Unternehmer dazu beitragen können, welche Rechte und Pflichten das Behindertengleichstellungsgesetz bzw. das Behinderteneinstellungsgesetz beinhalten und welche Vorteile die Einstellung behinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch für Sie bringt, das lesen Sie in dieser Broschüre.

Dr. Christoph Leitl, Präsident der Bundesministerin Wirtschaftskammer

Logo: Wirtschaftskammer Österreich

Ursula Haubner, Österreich für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Logo: Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

DAS BEHINDERTENGLEICHSTELLUNGSRECHT

Wie kann ich als Unternehmer vom Behindertengleichstellungsrecht betroffen sein?

Mit 1. Jänner 2006 ist das so genannte Behindertengleichstellungspaket in Kraft getreten. Das Paket enthält insbesondere

  • das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG, zur Regelung des Diskriminierungsverbots im "täglichen Leben"),

  • eine umfassende Novelle des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG, mit den Bestimmungen über das Diskriminierungsverbot in der Arbeitswelt),

  • eine Novelle des Bundesbehindertengesetzes (BBG; u. a. zur Einrichtung eines Behindertenanwaltes).

Der in diesem Paket geregelte Diskriminierungsschutz umfasst aus kompetenzrechtlichen Gründen nur den Bereich der Bundeszuständigkeit. Die Länder haben in ihrem Zuständigkeitsbereich den Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt verankert, einzelne Länder haben darüber hinaus Antidiskriminierungsgesetze erlassen.

Wie kann nun ein Unternehmer - soweit er nicht selbst als behinderte Person von Diskriminierung bedroht ist - von diesem Gesetz betroffen sein? Er kann betroffen sein

  • als Anbieter von Waren und Dienstleistungen gegenüber Kunden oder

  • als Arbeitgeber gegenüber Mitarbeitern.

Was ist das Behindertengleichstellungspaket?

Anlass für dieses umfassende Paket war einerseits die Umsetzung einer EU-Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlungin Beschäftigung und Beruf, die auch für den Personenkreis der Menschen mit Behinderungen Geltung haben soll. Die Umsetzung jener Richtlinien, die die anderen vom EU-Recht umfassten Diskriminierungsgründe berühren (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Alter, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung), erfolgte in Novellen zum Gleichbehandlungsgesetz und zum Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, die bereits mit 1. Juli 2004 in Kraft getreten sind.

Andererseits wurde die Bundesregierung am 9. Juli 2003 in einer einstimmigen Entschließung aller Fraktionen ersucht, dem Nationalrat den Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes für alle Lebensbereiche zuzuleiten. Bereits 1997 war mit den Stimmen aller Parteien eine Ergänzung des Art. 7 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) beschlossen worden:

§ "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten." (BGBl. I Nr. 87/1997)

Das Behindertengleichstellungsrecht versteht sich auch als Umsetzung dieser Verfassungsbestimmung.

Wenn im Weiteren von Behindertengleichstellungsrecht (Gleichstellungsrecht) die Rede ist, sind damit alle Rechtsvorschriften gemeint, die die Gleichbehandlung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zum Inhalt haben, also insbesondere das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und die Antidiskriminierungsbestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes.

Wie regelt das Behindertengleichstellungsrecht Diskriminierung?

Um die Auswirkungen des Diskriminierungsverbotes für den Einzelnen richtig einschätzen zu können, ist es zunächst wichtig, zu verstehen, in welcher Weise das Gesetzespaket die Folgen einer Verletzung des Diskriminierungsverbots regelt.

Das Behindertengleichstellungsrecht verbietet in maßgeblichen Bereichen des österreichischen Bundesrechts die Diskriminierung aus dem Grund einer Behinderung. Es ist aber nicht Teil des Strafrechts oder des Verwaltungsstrafrechts, d. h. dass eine Diskriminierung nicht von Amts wegen verfolgt wird. Behindertengleichstellungsrecht ist dem Zivilrecht zuzuordnen, d. h. im Falle einer Diskriminierung kann seitens der betroffenen Person Klage eingebracht werden.

Das Behindertengleichstellungsrecht ordnet auch nicht positiv an, wie z. B. eine barrierefreie Umgebung auszusehen hätte. Dies wäre - da z. B. Baurecht Landeszuständigkeit ist - aus kompetenzrechtlichen Gründen gar nicht möglich. Es regelt nur die Rechtsfolgen einer Diskriminierung.

Stellt ein Gericht in diesem Zusammenhang eine Diskriminierung fest, so ist die Rechtsfolge dieser Diskriminierung die Zuerkennung von Schadenersatz. In vielen Bereichen des Arbeitslebens können auch vorenthaltene Leistungen eingeklagt werden (z. B. die Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme, die Aufrechterhaltung eines gekündigten Arbeitsverhältnisses oder die Zuerkennung vorenthaltenen Gehalts).

Welche Personen betrifft das Behindertengleichstellungspaket?

Die Bestimmungen des Behindertengleichstellungspaketes gelten für folgende weit gefassten Personengruppen:

Menschen mit Behinderungen

Unter den Diskriminierungsschutz fallen Menschen mit körperlichen, geistigen, psychischen Behinderungen sowie Sinnesbehinderungen. Im Unterschied zu vielen anderen Bestimmungen des österreichischen Rechts muss hier eine Behinderteneigenschaft nicht förmlich festgestellt werden. Es muss aber glaubhaft sein, dass eine bestimmte Behandlung auf Grund einer Behinderung erfolgt ist.

Wird die Verpackungsabteilung eines Betriebs ausgelagert, und alle Mitarbeiter dieser Abteilung gekündigt, und einer davon ist behindert, wird dies im Regelfall keine Diskriminierung darstellen, da keine Ungleichbehandlung des behinderten gegenüber den nicht behinderten Mitarbeitern erfolgt.

Umgekehrt kann bereits eine Kündigung einer Mitarbeiterin eines Schönheitssalons wegen eines chronischen Hautausschlags in ihrem Gesicht mit der Begründung, dies sei den Kunden des Salons nicht zumutbar, eine Diskriminierung im Sinne des Gleichstellungsrechts darstellen.

Angehörige

Weiters sind unter bestimmten Voraussetzungen auch Angehörige geschützt, und zwar

  • Eltern, wenn sie ihr Kind (Stief-, Adoptiv- oder Pflegekind) behinderungsbedingt betreuen,

  • sonstige Verwandte in gerader Linie, Geschwister und Ehe- und Lebenspartner, sofern sie eine behinderte Person überwiegend behinderungsbedingt betreuen,

  • im Falle einer Belästigung alle oben genannten Personengruppen ohne das Erfordernis einer behinderungsbedingten Betreuung.

Der Angehörigenschutz wirkt aber nur im Rahmen des Geltungsbereichs des jeweiligen Gesetzes.

Ein Vater eines behinderten Kindes wird beim Einkauf vom Verkäufer wegen der Behinderung seines Kindes beschimpft und schikaniert: Das Gleichstellungsrecht ist anwendbar.

Eine behinderte Person wird auf der Straße von Passanten gehänselt und verspottet: Das Gleichstellungsrecht ist nicht anwendbar, da zwischen der belästigten Person und den Belästigern kein Rechtsverhältnis besteht.

Zeugen und Auskunftspersonen

Ebenfalls geschützt sind Personen, die als Zeugen oder Auskunftspersonen in einem Verfahren auftreten oder eine Beschwerde einer betroffenen Person unterstützen (Viktimisierungsschutz).

Wovor schützt das Behindertengleichstellungsrecht?

Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung

Das Behindertengleichstellungsrecht schützt vor Diskriminierung auf Grund einer Behinderung in vielen Lebensbereichen. Es wird zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung unterschieden.

Unmittelbar diskriminiert wird man, wenn man auf Grund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation weniger günstig behandelt wird als eine andere Person.

Diskriminierungsschutz gilt hier unter folgenden Voraussetzungen:

  • Die Ungleichbehandlung muss auf Grund der Behinderung erfolgen.

  • Die Behandlung muss weniger günstig sein als die einer anderen Person (d. h. es muss eine so genannte Vergleichsperson zumindest vorstellbar sein).

  • Die Situationen, in denen sich die betroffene Person und die Vergleichsperson befinden, müssen tatsächlich vergleichbar sein.

Eine Gruppe von Gästen mit mehreren behinderten Kindern wird in einem Wirtshaus offenkundig wegen der Behinderung der Kinder nicht bedient. Das wäre eine klare Diskriminierung.

Ein nicht behinderter HAK-Absolvent wird einem behinderten Absolventen einer Handelsschule bei der Einstellung vorgezogen: Hier liegt keine Diskriminierung vor, wenn die Ausbildung das Kriterium für die Einstellung war.

Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn scheinbar neutrale Vorschriften oder Merkmale gestalteter Lebensbereiche Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, ohne dass dies aus besonderen Gründen sachlich gerechtfertigt wäre. Merkmale gestalteter Lebensbereiche in diesem Zusammenhang können auch bauliche oder sonstige Barrieren sein. Was darunter zu verstehen ist, und ob das im Einzelfall zutrifft, sollen auch hier einige Beispiele verdeutlichen:

Die Reden der Geschäftsleitung und des Betriebsrats bei der jährlichen Mitarbeiterversammlung eines großen Unternehmens, das auch mehrere gehörlose Menschen beschäftigt, werden nicht in Gebärdensprache übersetzt.

Die Homepage eines großen und wirtschaftlich potenten Dienstleistungsanbieters ist für blinde und schwer sehbehinderte Menschen nicht navigierbar.

Ein Firmenchef sucht seinen Führungsnachwuchs beim morgendlichen Joggen aus. Ein schwer gehbehinderter Mitarbeiter kann davon natürlich keinen Gebrauch machen.

Belästigung und Anweisung zur Diskriminierung

Wird jemand aufgrund einer Behinderung belästigt, oder wird eine andere Person zur Diskriminierung angewiesen, so gilt dies ebenfalls als Diskriminierung im Sinne des Gleichstellungsrechts.

Die Belästigung, wie sie das Gleichstellungsrecht definiert, muss allerdings eine beträchtliche sein, um als Diskriminierung im Sinne des jeweiligen Gesetzes qualifiziert zu werden. Der Gesetzgeber spricht von unerwünschten, unangebrachten oder anstößigen Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betroffenen Person verletzt und ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber, dass zwischen Belästiger und belästigter Person ein Rechtsverhältnis bestehen muss, damit ein Verhalten als Belästigung im Sinne des Gleichstellungsrechts anerkannt werden kann.

Die Abteilungskollegen piesacken einen behinderten Kollegen ständig mit kleinen Spötteleien über seine Behinderung. Die Abteilungsleiterin sieht untätig zu. In einem solchen Fall können sowohl der Arbeitgeber als auch die Vorgesetzte und die Kollegen zur Verantwortung gezogen werden.

Ein Verkäufer verspottet eine behinderte Jugendliche wiederholt, sodass diese nicht mehr in das Geschäft einkaufen gehen will.

Die Anweisung einer anderen Person zur Diskriminierung ist ebenfalls rechtswidrig. Ein Arbeitgeber ist auch für die Handlungen seiner Mitarbeiter verantwortlich, wenn sie diese in Ausübung ihrer Arbeitnehmertätigkeit setzen ("Gehilfenhaftung" nach allgemein bürgerlichem Recht).

Ein Wirt stachelt andere Gäste an, einen behinderten Gast zu verspotten, ohne sich selbst an der Verspottung zu beteiligen. Hier kann der Wirt zur Verantwortung gezogen werden. Die Gäste können allerdings (da kein Rechtsverhältnis besteht) nicht belangt werden.

Eine Tankstellenpächterin duldet, dass ihr Tankwart einen behinderten Kunden belästigt. Hier ist die Pächterin zur Verantwortung zu ziehen.

Muss nun alles barrierefrei gestaltet sein?

Da die österreichische Gesetzgebung in die Zuständigkeiten der Länder und des Bundes aufgeteilt ist, kommt es, wie schon erwähnt, dem Bund schon allein aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht zu, Barrierefreiheit gesetzlich anzuordnen.

Die dafür zuständigen Länder sind dabei, in ihre Bauordnungen Bestimmungen über barrierefreies Bauen oder so genanntes behindertengerechtes Bauen aufzunehmen bzw. haben dies teilweise auch schon getan. Die Bauordnungen gelten im Wesentlichen aber nur für Neubauten und wirken naturgemäß nicht auf Altbaubestand zurück. In vielen Fällen ist es wohl nahe liegend, dass manche Gebäude oder Gebäudeteile (insbesondere bei historischen Gebäuden) nie barrierefrei zugänglich sein können (z. B. der Stephansturm oder Burgruinen).

Dass bei der Errichtung eines Bauwerks oder bei einem Umbau geltendes Baurecht eingehalten wurde, kann aber allein noch nicht garantieren, dass eine bestehende bauliche Barriere nicht eine Diskriminierung verursachen kann. Es kommt vielmehr auf die Nutzung des Gebäudes an.

Es ist nach geltendem Baurecht selbstverständlich vollkommen in Ordnung, beim Eingang eines Geschäftslokals Stufen zu errichten. Handelt es dabei aber um den Eingangsbereich eines großen Warenhauses, kann die Auswirkung dieser baulichen Situation eine diskriminierende Barriere für Rollstuhlfahrer und schwer gehbehinderte Menschen sein.

Verantwortlich für barrierefreie Zugänge zu Angeboten von Waren und Dienstleistungen ist im Zusammenhang mit möglichen Diskriminierungen also nicht der Eigentümer eines Gebäudes, sondern der Nutzer, der Anbieter der von betroffenen behinderten Menschen nachgefragten Waren und Dienstleistungen.

Zumutbarkeitsprüfung

In Zusammenhang mit der Beurteilung von Barrieren sieht das Gleichstellungsrecht eine Zumutbarkeitsprüfung vor. Die Verhinderung einer Diskriminierung durch Beseitigung einer Barriere ist einem Anbieter von Leistungen an die Öffentlichkeit oder einem Arbeitgeber nur unter bestimmten Bedingungen zumutbar.

Ob nun eine Maßnahme zumutbar ist, oder nicht, hängt insbesondere davon ab,

  • welcher Aufwand mit dieser Maßnahme verbunden wäre,

  • wie es um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des für die Barriere Verantwortlichen bestellt ist (dabei ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme von öffentlichen Förderungen einzubeziehen),

  • wie viel Zeit seit dem Inkrafttreten des Gleichstellungspakets vergangen ist.

Wenn die Herstellung vollständiger Barrierefreiheit nicht zumutbar ist, entbindet das den Verantwortlichen aber noch nicht von seiner Verantwortung. In diesem Fall bestünde, um eine Diskriminierung zu vermeiden, die Verpflichtung, durch zumutbare Maßnahmen zumindest eine maßgebliche Verbesserung der Situation der betroffenen Person im Sinne einer größtmöglichen Annäherung an eine Gleichbehandlung zu bewirken.

Jedenfalls zumutbar wird es sein, in Zukunft bauliche Barrieren zu vermeiden. Studien haben ergeben, dass bei Neubauten barierefreies Bauen nur geringfügige Mehrkosten verursacht.

Einer großen Supermarktkette wird es wohl zumutbar sein, nach Auslaufen der Übergangsbestimmungen betreffend bauliche Barrieren, alle ihre Filialen barrierefrei zu gestalten.

Einem kleinen Greißler wird dies eher nicht zugemutet werden können. Dieser könnte aber beispielsweise einem gehbehinderten Kunden, der die Stufen zum Verkaufslokal nicht überwinden kann, einmal pro Woche einen unentgeltlichen Zustelldienst anbieten.

Es wird wohl auch in Zukunft nicht möglich sein, alle Artikel eines Warenanbieters auch in Braille-Schrift auszupreisen. Es wäre aber wohl zumutbar, eine blinde Kundin während ihres Einkaufs unterstützend zu begleiten und z. B. auf Sonderangebote oder das günstigste Produkt einer Produktgruppe hinzuweisen.

TIPP: Es ist sicherlich schwierig, im Vorhinein zu beurteilen, wie ein Gericht im Zusammenhang mit Barrieren und der Zumutbarkeit ihrer Beseitigung entscheiden würde. Wichtiger als detaillierte Beurteilung bautechnischer Fragen wird aber sein:

Fühlt sich der behinderte Mensch als Kunde oder Mitarbeiter mit seinen besonderen Bedürfnissen ernst genommen?

Betritt ein blinder Mensch ein Geschäftslokal und wird in angemessener Zeit von einem Mitarbeiter des Unternehmens nach seinen Bedürfnissen befragt, und wird diesen dann auch nachgekommen, wird dieser sich wohl kaum veranlasst sehen, ein Gericht anzurufen.

Befindet sich bei einem nicht ebenerdig zugänglichen Geschäftslokal in einem Gründerzeitbau in der Wiener Innenstadt ein deutlich sichtbarer Verweis auf einen barrierefrei zugänglichen Hintereingang mit einer Klingel, und es wird der betroffenen Person in angemessener Zeit geöffnet, wird diese sich wohl nur in Ausnahmefällen beschwert fühlen.

Wird letztere Person hingegen nach dem Betätigen der Klingel zehn Minuten im Regen stehen gelassen, ist der Fall wohl anders zu beurteilen.

Da es in vielen Bereichen nicht möglich ist, gleichsam über Nacht alles umzugestalten, gibt es für bauliche Barrieren und Barrieren im öffentlichen Verkehr Übergangsbestimmungen. Diese Übergangsbestimmungen bewirken, dass die Bestimmungen stufenweise bis zum Jahr 2015 in Kraft treten.

Bitte beachten Sie, dass die Übergangsbestimmungen nur im Bereich des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes gelten, nicht aber in der Arbeitswelt. Ausführlicheres zum Übergangsrecht finden Sie im Kapitel "Auswirkungen für Unternehmer als Anbieter von Waren und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (BGStG)".

In welchen Bereichen gilt der Diskriminierungsschutz?

Diskriminierungsschutz im "täglichen Leben"

Der Diskriminierungsschutz gilt einerseits für die gesamte Verwaltung des Bundes einschließlich der nach Bundesrecht errichteten Selbstverwaltungskörper (z. B. für die Sozialversicherungsträger oder das Arbeitsmarktservice), andererseits für alle privaten Rechtsträger, die Waren und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit anbieten.

Dies umfasst beispielsweise

  • alle so genannten Verbrauchergeschäfte (Angebote von Waren und Dienstleistungen in Geschäftslokalen, per Versand etc.),

  • den Zugang zu Information (z. B. Internetauftritte, Messen und Informationsveranstaltungen, Beratungsangebote).

All diese Bereiche sind im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geregelt.

Bitte beachten Sie aber, dass es sich dabei immer nur um Angelegenheiten der Bundeskompetenz handeln darf. Dies ist nicht immer leicht zu unterscheiden. Im Zweifelsfall erkundigen Sie sich bitte bei Ihrer Landeskammer oder dem Bundessozialamt, ob eine Angelegenheit in den Geltungsbereich des jeweiligen Gesetzes fallen könnte, und ob in diesem Fall grundsätzlich Diskriminierungsschutz gegeben wäre.

Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt

Nach dem Behinderteneinstellungsgesetz gibt es Diskriminierungsschutz

  • im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (einschließlich der Bewerbung) und

  • in der so genannten sonstigen Arbeitswelt (Berufsausbildung, Berufsberatung, Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit).

Auch hier gilt der Schutz des Behinderteneinstellungsgesetzes nur im Bereich der Bundeskompetenz. Für beispielsweise Landarbeiter oder Landes- und Gemeindebedienstete ist ein weitgehend vergleichbarer Diskriminierungsschutz in den jeweiligen Landesgesetzen geregelt.

Bitte beachten Sie:

Diesem Themenkreis widmet sich ein ganzes Kapitel dieser Broschüre. Näheres dazu erfahren Sie unter "Auswirkungen in der Arbeitswelt (BEinstG)".

Welche Rechtsfolgen kann eine Diskriminierung auslösen?

Ziel des Behindertengleichstellungsrechts ist, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sollen Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen beseitigt oder verhindert werden.

Das Instrument, mit dem eine Verhaltensänderung in der Gesellschaft bewirkt werden soll, ist die Schadenersatzklage. Es ist gesetzlich festgelegt, dass aus einer festgestellten Diskriminierung ein Schadenersatzanspruch besteht. Ein materieller Schaden wird in dem Maß ersetzt, wie er tatsächlich angefallen ist (z. B. wenn eine betroffene Person eine Leistung nicht in Anspruch nehmen konnte). Darüber hinaus entsteht durch eine festgestellte Diskriminierung jedenfalls ein immaterieller Schaden, eine Kränkung, eine "persönliche Beeinträchtigung", wie es der Gesetzgeber formuliert.

Der Weg, das Recht behinderter Menschen auch gegen den Willen anderer durchzusetzen, ist also die Klage bei Gericht. Die Rechtsfolge einer Diskriminierung, wenn eine solche vom Gericht festgestellt wird, ist eine Schadenersatzzahlung durch den Diskriminierer.

Schlichtung und Mediation

Zweck der gesetzlichen Regelung des Diskriminierungsschutzes ist es aber keineswegs, eine Klagsflut auszulösen. Aus diesem Grund muss, bevor eine Sache bei Gericht anhängig gemacht werden kann, ein verpflichtender Schlichtungsversuch beim Bundessozialamt durchgeführt werden.

Die Schlichtung soll eine außergerichtliche Einigung im Sinne aller Betroffenen herbeiführen. Das Verfahren ist bewusst formlos, eine anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich. Der Fantasie zum Finden von Lösungen sind dabei keine Grenzen gesetzt, solange diese Lösung nicht rechtswidrig ist, und solange beide Seiten damit einverstanden sind.

Im Rahmen dieser Schlichtung können die Schlichtungsparteien auch unentgeltliche Mediation durch externe, in einer Liste des Bundessozialamts eingetragene Mediatoren in Anspruch nehmen (Diese Liste ist unter der Website www.basb.bmsg.gv.at/cms/basb/ abrufbar). Für die Dauer der Schlichtung sind alle Fristen zur Geltendmachung von Forderungen aus einer Diskriminierung gehemmt.

Mehrfachdiskriminierung

Fühlt sich eine Person aus mehreren Gründen diskriminiert (neben Behinderung kommen das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit, Alter, Religion und Weltanschauung oder die sexuelle Orientierung in Betracht), fällt die Angelegenheit jedenfalls in den Bereich des Behindertengleichstellungsrechts, sobald auch eine Diskriminierung aus dem Grund einer Behinderung geltend gemacht wird. Die meisten der anderen genannten Personengruppen sind allerdings nur für den Bereich der Arbeitswelt relevant.

Gerichtsverfahren

Scheitert die Schlichtung, kann die betroffene Person eine Klage einbringen. Gelingt es der betroffenen behinderten Person, dem Gericht glaubhaft zu machen, dass sie diskriminiert wurde, muss der Beklagte beweisen, dass er nicht diskriminiert hat. Dies kommt einer so genannten Beweislastumkehr nahe.

AUSWIRKUNGEN FÜR UNTERNEHMER ALS ANBIETER VON WAREN UND DIENSTLEISTUNGEN, DIE DER ÖFFENTLICHKEIT ZUR VERFÜGUNG STEHEN (BGSTG)

Wie kann ich als Unternehmer gegenüber meinen Kunden vom Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz betroffen sein?

Als Unternehmer, der Waren und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, sind Sie verpflichtet, niemanden auf Grund einer Behinderung zu diskriminieren. Folgende Personengruppen könnten sich als Kunden von Ihnen diskriminiert fühlen:

Menschen mit Behinderungen

Der Diskriminierungsschutz des Gesetzes gilt für Menschen mit körperlichen, geistigen, psychischen Behinderungen oder Sinnesbehinderungen, beispielsweise für:

  • Rollstuhlfahrer und Menschen mit Cerebralparese,

  • lernbehinderte Menschen,

  • psychisch behinderte bzw. psychisch kranke Menschen,

  • blinde, gehörlose oder sprachbehinderte Menschen,

  • chronisch kranke Menschen (z. B. Krebspatienten) oder

  • pflegebedürftige Menschen.

Es ist nicht notwendig, dass eine Behinderteneigenschaft der betroffenen Person förmlich festgestellt ist. Es muss glaubhaft sein, dass eine bestimmte Behandlung auf Grund einer Behinderung erfolgt ist. Die Behinderung darf allerdings nicht nur vorübergehend sein und muss erfahrungsgemäß länger als sechs Monate andauern. Eine kurzfristige Mobilitätseinschränkung, wie z. B. nach einem Beinbruch, würde daher nicht darunter fallen.

Angehörige

Weiters sind unter bestimmten Voraussetzungen auch Angehörige geschützt, und zwar

  • Eltern, wenn Sie ihr Kind (Stief-, Adoptiv- oder Pflegekind) behinderungsbedingt betreuen,

  • sonstige Verwandte in gerader Linie, Geschwister sowie Ehe- und Lebenspartner, sofern Sie eine behinderte Person überwiegend behinderungsbedingt betreuen.

Einer Familie wird aufgrund der Behinderung des Kindes der Zutritt zu einem Restaurant verwehrt. Hier könnten nicht nur das betroffene Kind, sondern auch andere Familienangehörige, sofern sie die oben genannten Voraussetzungen erfüllen, einen Schadenersatzanspruch geltend machen.

  • Im Falle einer Belästigung sind alle oben genannten Personengruppen geschützt, auch wenn sie keinerlei Betreuungstätigkeiten übernehmen.

Der Angehörigenschutz wirkt aber nur im Rahmen des Geltungsbereichs des jeweiligen Gesetzes.

Die Großmutter wird bei der Fahrt mit dem Bus immer wieder vom Buschauffeur wegen der Behinderung ihres Enkelkindes verspottet und schikaniert: Das Gleichstellungsrecht ist anwendbar.

Eine behinderte Studentin wird seit längerem vom Wohnungsnachbarn wegen ihrer Behinderung gehänselt und geärgert: Das Gleichstellungsrecht ist nicht anwendbar, da zwischen der belästigten Person und den Belästigern kein Rechtsverhältnis besteht.

Zeugen und Auskunftspersonen

Wenn jemand als Zeuge oder Auskunftsperson in einem Verfahren auftritt oder die Beschwerde einer betroffenen Person unterstützt, ist diese Person ebenfalls durch das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geschützt (so genannter Viktimisierungsschutz). Auch hier muss zuerst ein Schlichtungsversuch durchgeführt werden, bevor der Weg zu Gericht zulässig ist.

In welchen Bereichen gilt das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz?

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) bringt in weiten Bereichen des täglichen Lebens einen gesetzlich verankerten Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen.

Es gilt im Wesentlichen in zwei Bereichen, und zwar

  • einerseits im Bereich der Bundesverwaltung (z. B. Sozialversicherung, Steuerrecht oder etwa in großen Bereichen des Schulwesens) und

  • andererseits überall dort, wo es um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (z. B. Handel und Dienstleistungen) und der Bund dafür die Regelungskompetenz hat.

Ersteres wird Sie nicht unmittelbar betreffen, soll aber hier verdeutlichen, dass sich der Bund selbst auch in hohem Ausmaß selbst verpflichtet hat.

Wo wirkt sich das Diskriminierungsverbot im privatrechtlichen Bereich aus?

Ein wesentliches Ziel des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes ist es, Menschen mit Behinderungen als Personen zu sehen, die, wie andere auch, an den Angeboten der Gesellschaft teilhaben können. Es wurden ihnen daher Rechte eingeräumt, die den gleichberechtigten Zugang zu Angeboten an Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, ermöglichen oder zumindest verbessern helfen.

Dies betrifft zum einen den diskriminierungsfreien Zugang bei Verbrauchergeschäften im Zusammenhang mit öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen. Zum anderen steht auch die bloße Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen außerhalb eines Rechtsgeschäftes, wie z. B. das Einholen von Informationen und die Nutzung von Serviceangeboten, unter Diskriminierungsschutz.

Rechtsgeschäfte in Zusammenhang mit öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen

Von solchen Rechtsgeschäften spricht man z. B. bei

  • dem Einkauf im Supermarkt,

  • dem Kauf eines Pkws,

  • dem Besuch eines Kinos, Theaters oder Museums (sofern Eintrittsgeld zu bezahlen ist),

  • dem Kauf einer Fahrkarte für die Straßenbahn oder

  • dem Abschluss einer Versicherung.

Wesentlich ist, dass das Angebot der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Wird beispielsweise eine Eigentumswohnung nur unter Freunden zum Verkauf angeboten, so steht sie nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung. Im Zusammenhang mit einem Kauf dieser Wohnung wäre daher das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz nicht anwendbar. Auch eine geschlossene Veranstaltung nur für Vereinsmitglieder würde nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.

Zusätzlich muss auch immer geprüft werden, ob Bundeskompetenz vorliegt, was aber bei einem Verbrauchergeschäft regelmäßig der Fall sein wird. Verbrauchergeschäfte liegen dann vor, wenn Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden zwischen jemandem, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört, und jemandem, auf den das nicht zutrifft. Daher fallen z. B. auch Beförderungsverträge mit einem Verkehrsunternehmen, das von einem Land oder einer Gemeinde betrieben wird, unter das Diskriminierungsverbot des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes.

Einige wenige Verbrauchergeschäfte betreffen allerdings nicht das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, sondern sind durch das Behinderteneinstellungsgesetz geregelt. Dies betrifft den Bereich der so genannten "sonstigen" Arbeitswelt. Darunter versteht man insbesondere die berufliche Aus- und Weiterbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses. Wenn Sie also als privater Anbieter von Schulungsmaßnahmen tätig sind, so kommen hier die Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes zum Tragen, und nicht jene des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (Näheres dazu siehe un¬ter Kapitel "Auswirkungen in der Arbeitswelt (BEinstG)").

Dies hat vor allem im Bereich der Diskriminierung durch bauliche Barrieren Auswirkungen, da es im Behinderteneinstellungsgesetz (im Gegensatz zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz) für diesen Bereich keine Übergangsbestimmungen gibt.

Inanspruchnahme öffentlich angebotener Güter und Dienstleistungen außerhalb eines Rechtsgeschäftes

Darunter fallen beispielsweise:

  • Fahrplanauskünfte im Internet,

  • kostenlose öffentliche Veranstaltungen,

  • gebührenfreie Hotlines,

  • Homepages von Unternehmen oder

  • Informationsbroschüren.

Was ist eine unmittelbare Diskriminierung?

Diskriminierung kommt vom Lateinischen "discriminare", das heißt unterscheiden oder trennen und bedeutet ganz allgemein das Herabsetzen und Benachteiligen und damit das Aussondern eines Angehörigen einer Gruppe, so dass dieser keine oder nur wenige der Chancen hat, die den übrigen Gruppenmitgliedern zustehen.

Im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz wird der Begriff der Diskriminierung genau definiert. Es wird dabei zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Diskriminierung unterschieden.

Bei einer unmittelbaren Diskriminierung wird eine Person durch eine Handlung aufgrund ihrer Behinderung weniger günstig behandelt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

Eine unmittelbare Diskriminierung wird zumeist absichtlich erfolgen, dem für die Diskriminierung Verantwortlichen wird die Behinderung des betroffenen Menschen bekannt sein.

Einem Gast mit spastischer Lähmung wird der Eintritt in ein Lokal aufgrund seiner Behinderung verweigert.

Aufgrund der geistigen Behinderung ihres mitgebrachten Kindes wird einer Besucherin die Teilnahme an einer öffentlich zugänglichen Veranstaltung verwehrt.

Wesentlich in diesen Fällen ist, dass in vergleichbaren Situationen, andere Personen (nicht behinderte oder auch behinderte) günstiger, das heißt diskriminierungsfrei behandelt werden. Wenn hingegen in einer vergleichbaren Situation anderen Personen ebenfalls der Zugang zu bestimmten Dienstleistungen aufgrund anderer Kriterien verwehrt wird, so liegt keine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung vor.

Wenn die Teilnahme an einer öffentlich zugänglichen Faschingsveranstaltung an eine Kostümierung gebunden ist, so wird keine Diskriminierung vorliegen, wenn einem Menschen mit Behinderung der Zutritt verweigert wird, weil er nicht kostümiert ist. Die weniger günstige Behandlung läge in diesem Fall nämlich nicht an der Behinderung, sondern träfe jeden Besucher, der nicht verkleidet ist.

Was ist eine mittelbare Diskriminierung?

Eine mittelbare Diskriminierung kann durch scheinbar neutrale Vorschriften entstehen. Unter Vorschriften sind hier allerdings keine Gesetze oder Verordnungen zu verstehen.

Beispiele für scheinbar neutrale Vorschriften sind:

  • Hausordnungen

  • Allgemeine Geschäftsbedingungen

  • Allgemeine Beförderungsbedingungen

Hier liegt die Diskriminierung nicht im expliziten Wortlaut einer Vorschrift, sondern in einem auf den ersten Anschein neutralen Wortlaut derselben, der im Endeffekt aber Menschen mit Behinderungen benachteiligt. Ein Beispiel dafür wäre etwa eine Hausordnung, nach der die Mitnahme von Hunden generell verboten ist, ohne eine Ausnahme für Blindenführhunde vorzusehen, wodurch dann eben im konkreten Fall blinden Menschen, die auf einen Blindenführhund angewiesen sind, die Teilnahme an einer Veranstaltung verwehrt würde.

Bitte beachten Sie, dass das Bestehen einer Vorschrift alleine noch keine Diskriminierung begründet. Es muss immer einen konkreten Anlassfall geben, auf den diese Vorschrift angewendet wird.

Für Menschen mit Behinderungen kommt in der Praxis am häufigsten die mittelbare Diskriminierung durch Barrieren jeglicher Art zum Tragen.

Unter Barrieren sind dabei nicht nur bauliche Barrieren, wie beispielsweise Stufen oder zu geringe Türbreiten zu verstehen, sondern alle Hindernisse, die behinderte Menschen im täglichen Leben am Zugang zu oder an der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, behindern.

Eine für blinde oder sehbehinderte Menschen nicht navigierbare Homepage führt dazu, dass Informationen nicht abrufbar sind. Daraus kann sich auch eine finanzielle Schlechterstellung ergeben, wenn in der Folge günstigere Angebote, die nur über das Internet zu erhalten sind, nicht in Anspruch genommen werden können.

Dass eine Benachteiligung durch Barrieren eine Diskriminierung bedeutet, ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Beseitigung der Barriere zumutbar gewesen wäre. Bei gerichtlicher Geltendmachung einer Schadenersatzforderung gibt es daher eine spezielle Zumutbarkeitsprüfung nach verschiedenen Kriterien, insbesondere der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des für die Diskriminierung Verantwortlichen und des finanziellen Aufwandes, der mit der Beseitigung der Barrieren verbunden gewesen wäre (zum Thema Schadenersatz siehe weiter unten unter dem Punkt "Schadenersatz - welcher Schaden wird ersetzt").

In besonders begründeten Fällen stellen jedoch Barrieren, die mittelbar benachteiligen, keinesfalls eine Diskriminierung dar, und zwar dann, wenn diese auch sachlich gerechtfertigt sind. Für die sachliche Rechtfertigung muss mit dieser Barriere zum einen ein rechtmäßiges Ziel verfolgt werden. Ein solches Ziel wäre etwa die Abwendung von bzw. der Schutz vor Gefahren. Zum anderen müssen die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sein. Das heißt, sie dürfen nicht überschießend oder willkürlich, sondern müssen nachvollziehbar sein.

Dies könnte in etwa folgende praktische Auswirkung haben:

Brandschutztüren dienen dazu, im Brandfall die Ausbreitung des Feuers zumindest für eine bestimmte Zeit zu verhindern. Aufgrund technischer Standards sind diese schwer zu öffnen und stellen somit eine Barriere für viele Menschen mit Behinderungen dar. Sofern im Einzelfall keine andere technische Lösung möglich ist, liegt wohl eine sachliche Rechtfertigung für diese Menschen mit Behinderungen diskriminierende Barriere vor.

Was versteht man unter einer Belästigung?

Behinderte Menschen sind nicht nur vor mittelbaren und unmittelbaren Diskriminierungen geschützt, sondern auch vor so genannten Belästigungen. Darunter versteht man unerwünschte, unangebrachte Verhaltensweisen, wie etwa Beschimpfungen, Lächerlichmachen oder Schmähungen, die die Betroffenen in Ihrer Würde verletzen. Dieses zumeist länger andauernde Verhalten muss so stark sein, dass es zu einem einschüchternden, beleidigenden Umfeld für die betroffene Person führt.

Ein sprachbehinderter junger Mann wird immer wieder beim Einkaufen von der Greißlerin bzw. deren Angestellten aufgrund seiner Behinderung lächerlich gemacht, was dazu führt, dass sich der betroffene Mann kaum mehr alleine in das Geschäft wagt.

Für Belästigungen sieht das Gesetz einen Mindestschadenersatz in Höhe von EUR 400,00 vor.

Bitte beachten Sie, dass in diesem Zusammenhang immer geprüft werden muss, ob es einen Anknüpfungspunkt zum Geltungsbereich des Gesetzes gibt (z. B. Verbrauchergeschäft).

Was heißt Barrierefreiheit?

Wie bereits erwähnt, kann der Bund aus kompetenzrechtlichen Gründen Barrierefreiheit nicht gesetzlich anordnen (landesgesetzliche Zuständigkeit). Er kann aber zivilrechtliche Ansprüche bei Verletzung des Diskriminierungsverbots einräumen. Unter das Diskriminierungsverbot fällt auch mangelnde Barrierefreiheit, so dass sich daher im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz auch eine Definition des Begriffes "barrierefrei" befindet. Diese Definition

dient allerdings nur der weiteren Erläuterung der mittelbaren Diskriminierung aufgrund von Barrieren. Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz definiert barrierefrei folgendermaßen:

§ "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind".

Dies bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen grundsätzlich so wie nicht behinderte Menschen Zugang zu öffentlich angebotenen Leistungen haben sollten, wobei allerdings im Einzelfall immer die Zumutbarkeitsprüfung (insbesondere die Prüfung des Aufwandes, der mit der Beseitigung der Barrieren verbunden wäre) zum Tragen kommt.

Welche Rechtsfolgen kann eine festgestellte Diskriminierung auslösen?

Wie bereits erwähnt, geht das Behindertengleichstellungsrecht davon aus, dass der Schaden, den der einzelne durch eine Diskriminierung erlitten hat, auf zivilrechtlichem Weg eingeklagt werden muss. Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz ist ein völlig neues Rechtsgebiet. Daher wird es noch einige Zeit dauern, bis es zu einer gefestigten Rechtsprechung der Gerichte (so genannte Judikatur) kommt.

Vor einer gerichtlichen Geltendmachung muss zwingend ein Schlichtungsversuch beim Bundessozialamt durchgeführt werden. Der Schlichtungsantrag ist von der sich diskriminiert fühlenden Person zu stellen. Er kann bei jeder Landesstelle des Bundessozialamts eingebracht werden, das Schlichtungsverfahren kann sowohl bei der Landesstelle durchgeführt, in dem der Betroffene seinen Wohnsitz hat, als auch bei jener, in deren regionalen Zuständigkeitsbereich der Ort der behaupteten Diskriminierung fällt. Das Schlichtungsverfahren ist kostenfrei. Im Rahmen der Schlichtung ist auch unentgeltliche Mediation durch externe Mediatoren möglich. Das Bundessozialamt führt eine Liste der Mediatoren. Diese können Sie auch unter der Website www.basb.bmsg.gv.at/cms/basb/ abrufen (Näheres dazu siehe weiter unten unter Punkt "Mediation und Schlichtung").

Nur wenn keine gütliche Einigung erfolgt ist, kann ein Schadenersatz gerichtlich geltend gemacht werden. Dazu braucht die betroffene Person eine Bestätigung des Bundessozialamtes über die nicht erfolgte gütliche Einigung.

Schadenersatz - welcher Schaden ist zu ersetzen?

Im Gesetz heißt es, dass sowohl der materielle als auch der immaterielle Schaden ersetzt wird. Was versteht man nun unter einem Schaden, und wann gebührt ein Ersatz des erlittenen Schadens?

Zum einen soll der materielle Schaden ersetzt werden, das ist jener Schaden, der tatsächlich in Geld entstanden ist. Der so genannte immaterielle Schaden hingegen ist die persönliche Beeinträchtigung, das heißt die Kränkung oder Beleidigung, die die betroffene behinderte Person durch die Diskriminierung erfahren hat. In welcher Höhe die Gerichte diesen immateriellen Schaden durchschnittlich abgelten werden, kann aufgrund fehlender Judikatur noch nicht gesagt werden. Eine mögliche Richtschnur stellt wahrscheinlich der im Gesetz festgelegte Mindestschadenersatz von EUR 400,00 für die Belästigung dar.

Auch hier ein Beispiel zur Verdeutlichung:

Eine mobilitätsbehinderte Kinobesucherin reserviert für sich und ihre Freunde Karten für eine Kinovorstellung. Obwohl sie darauf aufmerksam gemacht hat, dass sie einen Rollstuhlplatz braucht, kann sie die Vorstellung nicht besuchen, da der betreffende Saal nicht barrierefrei erreichbar ist. Als materiellen Schaden kann sie die angefallenen Taxikosten sowie, falls sie diese schon bezahlt hat, den Preis für die Kinokarte geltend machen. Der immaterielle Schaden ist die Kränkung, den Film nicht anschauen zu können und der Ärger, nicht gemeinsam mit ihren Freunden den Film genießen zu können.

Schlichtung und Mediation

Bevor ein erlittener Schaden gerichtlich geltend gemacht werden kann, muss ein Schlichtungsversuch stattfinden, das heißt, es muss versucht werden, außergerichtlich zu einer gütlichen Einigung zu kommen.

Dieses Schlichtungsverfahren findet bei den Landesstellen des Bundessozialamtes statt. Unter der Leitung ausgebildeter Schlichtungsreferenten werden Einigungsgespräche mit dem oder den für die Diskriminierung Verantwortlichen geführt. Die Schlichtungsreferenten bringen zwar ihr Fachwissen im Behindertenbereich ein, sind aber als neutrale Vermittler im Konflikt zwischen den beiden Parteien zu verstehen. Sie sind in erster Linie dazu da, einen optimalen Rahmen für die Einigungsgespräche zu schaffen. Zusätzlich können sie im Einzelfall Beratungsangebote organisieren (etwa über spezielle Förderungen der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit einer Einigung).

Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, wird das Schlichtungsverfahren erfolgreich zur Einigung genutzt. Vor allem bietet dieses formfreie Verfahren die Möglichkeit, kreative Lösungen zu finden und zu vereinbaren.

Ein blinder Konsument, der regelmäßiger Kunde eines Lebensmittelgeschäftes ist, kann die beim Eingang aufliegenden Folder über Sonderangebote nicht lesen und diese daher auch nicht in Anspruch nehmen. Dadurch kann unter Umständen sogar ein materieller Schaden entstehen. Eine Vereinbarung im Rahmen des Schlichtungsverfahrens könnte z. B. ein Übermitteln der jeweils aktuellen Sonderangebote per E-Mail ergeben.

In diesem Zusammenhang erscheint es wichtig zu erwähnen, dass eine erfolgreiche Streitbeilegung nicht nur der Vermeidung eines unter Umständen mit hohen Kosten verbundenen langwierigen Gerichtsverfahrens dient, sondern auf gesellschaftlicher Ebene das Bewusstsein um die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen fördert und damit einen großen Beitrag zur Gleichstellung von behinderten mit nicht behinderten Menschen darstellt.

Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens kann auch kostenfrei Mediation durch externe Mediatoren in Anspruch genommen werden. Die Mediatoren müssen Kenntnisse der Rahmenbedingungen der Mediation in Angelegenheiten der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen haben und Mediation in barrierefreien Räumlichkeiten anbieten. Das Bundessozialamt führt eine Liste der Mediatoren, die Mediation in Schlichtungsverfahren anbieten (Diese können Sie auch unter der Website www.basb.bmsg.gv.at/cms/basb/ abrufen).

Was muss ich bei einem Gerichtsverfahren beachten?

Eine Klage wegen behinderungsbedingter Diskriminierung kann im Bereich des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes nur auf Schadenersatz gerichtet sein. Sie kann entweder bei dem Gericht eingebracht werden, in dessen Sprengel sich die Diskriminierung ereignet hat, oder aber bei dem Gericht, das für den Wohnort oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort der betroffenen Person zuständig ist.

Das Gesetz sieht eine spezielle Beweislastregelung vor, die eine Erleichterung für den Kläger darstellt: Die sich diskriminiert fühlende Person braucht den Umstand der Diskriminierung bloß glaubhaft machen, während der für die behauptete Diskriminierung Verantwortliche beweisen muss, dass die ungünstigere Behandlung nicht aufgrund der Behinderung erfolgt ist. Diese Regelung entstammt dem allgemeinen Gleichbehandlungsrecht.

Alle anderen Vorbringen muss die betroffene Person aber beweisen können, sofern sie vom Prozessgegner bestritten werden.

Ein blinder Pensionist kann eine Veranstaltung nicht besuchen, da im betroffenen Gebäude Blindenhunde nicht erlaubt sind. Die Diskriminierung, das heißt, den Umstand, dass er aufgrund seiner Behinderung die Veranstaltung nicht besuchen konnte, braucht er nur glaubhaft zu machen. Sollte beispielsweise seine Behinderung, oder die Tatsache, dass er nur mit Blindenhund mobil ist, bestritten werden, so müsste er sein diesbezügliches Vorbringen beweisen.

Verbandsklage

Eine besondere Form der Klage ist die Klage durch einen Verband, der an der Geltendmachung des Anspruches ein eigenes Interesse hat. Diese Verbandsklage ist nur dann zulässig, wenn die allgemeinen Interessen der Menschen mit Behinderungen beeinträchtigt sind. Darunter wird man Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot verstehen, die einen großen Personenkreis betreffen und regelmäßig vorkommen.

Der Verband, der zur Klagseinbringung befugt ist, ist der Dachverband der Behindertenverbände, die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. Dieser benötigt allerdings dazu eine entsprechende Empfehlung des Bundesbehindertenbeirates, eines beratenden Gremiums beim Sozialministerium, in dem unter Anderem Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen vertreten sind. Diese Empfehlung muss mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden.

Im Rahmen dieser Verbandsklage kann eine Feststellung, dass ein bestimmter Sachverhalt eine Diskriminierung im Sinne des Gesetzes darstellt, geltend gemacht werden.

Übergangsbestimmungen

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz ist mit 1.1.2006 in Kraft getreten.

Um die finanziellen Belastungen, die mit der Herstellung von Barrierefreiheit verbunden sind, abzufedern, wurden allerdings Übergangsbestimmungen für bereits bestehende Bauwerke bzw. bereits in Verwendung befindliche Verkehrsmittel, Verkehrsanlagen und Verkehrseinrichtungen eingeführt. Für Generalsanierungen und Renovierungen mit Hilfe öffentlicher Mittel gibt es Sonderbestimmungen. In vollem Umfang tritt das Gesetz aber erst mit 01.01.2016 in Kraft.

Diese Übergangsbestimmungen gelten aber nicht im Bereich der Arbeitswelt (siehe das Kapitel "Auswirkungen in der Arbeitswelt (BEinstG)".

Etappenpläne

Begleitend zu den Übergangsbestimmungen hat der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Erstellung von Etappenplänen geregelt. Diese sollen geplante Maßnahmen zur Herstellung der größtmöglichen Barrierefreiheit in bestimmten Bereichen für den Zeitraum der Übergangsbestimmungen enthalten.

Verkehrsbetreiber sind verpflichtet, einen Plan zur Beseitigung von Barrieren im Zusammenhang mit ihren Verkehrsmitteln, -anlagen und -einrichtungen zu erstellen ("Etappenplan Verkehr"). Diese Pläne sollen bis Ende 2006 erstellt sein und die Maßnahmen zur Herstellung größtmöglicher Barrierefreiheit bis zum 31.12.2015 enthalten.

Übergangsfristen

Das stufenweise Inkrafttreten des Gesetzes in den Bereichen Bauen und Verkehr lässt sich daher folgendermaßen darstellen:

Datum

Gesetz gilt für

1.1.2006

"Neue" Bauwerke und Verkehrsmittel, Generalsanierungen und rechtswidrig errichtete Barrieren

1.1.2007

"Alte" Bauwerke und Verkehrsmittel: Aufwand bis 1.000 €

1.1.2008

Umbauten von Bauwerken mit Hilfe öffentlicher Mittel

1.1.2009

"Alte" Linienbusse

1.1.2010

"Alte" Bauwerke und Verkehrsmittel: Aufwand bis 3.000 €

1.1.2013

"Alte" Bauwerke und Verkehrsmittel: Aufwand bis 5.000 €

1.1.2016

Alle "alten" Bauwerke und Verkehrsmittel

Erklärungen zur Tabelle:

"Alt/neu": Genehmigung, Bewilligung oder Zulassung vor/nach dem 1.Jänner 2006

"Verkehrsmittel": Verkehrsanlagen, Verkehrseinrichtungen und öffentliche Verkehrsmittel[1]



[1] Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch,

Behindertengleichstellungsrecht, Neuer Wissenschaftlicher Verlag,

Wien - Graz 2006, ISBN 3-7083-0334-2

AUSWIRKUNGEN IN DER ARBEITSWELT (BEINSTG)

Was bedeutet der Begriff "Arbeitswelt" im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsschutz?

Um den Geltungsbereich des Diskriminierungsschutzes genau einzugrenzen, definiert das Gleichbehandlungsrecht den Begriff der so genannten Arbeitswelt. Die Arbeitswelt umfasst in diesem Sinne das Arbeitsverhältnis (das Dienstverhältnis, den Arbeitsvertrag) und die so genannte sonstige Arbeitswelt.

Im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsrecht sind dem Begriff des Arbeitsverhältnisses insbesondere folgende Aspekte zuzuordnen:

  • seine Begründung (Bewerbung, Einstellung),

  • das Entgelt (Entlohnung, sonstige Zuwendungen wie z. B. Essensbons),

  • freiwillige Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen (z. B. Betriebskindergarten),

  • betriebliche Ausbildungsmaßnahmen,

  • der berufliche Aufstieg (Beförderungen),

  • sonstige Arbeitsbedingungen (Arbeitsplatzausstattung, Arbeitsorganisation oder scheinbar banale Fragen wie, "Wer holt die Wurstsemmeln?" oder "Wer kocht den Kaffee?"),

  • seine einseitige Beendigung durch den Arbeitgeber (Kündigung, Entlassung, Beendigung des Probedienstverhältnisses).

Der Geltungsbereich umfasst folgende Ausbildungs- und Beschäftigungsformen:

  • alle Arbeitsverhältnisse (Dienstverhältnisse) im engeren Sinn (Arbeitsvertrag),

  • Lehr- und Ausbildungsverhältnisse (z. B. Praktikanten),

  • alle Dienst- und Ausbildungsverhältnisse zum Bund (Beamte, Vertragsbedienstete, Eignungsauszubildende, freiwillig verpflichtete Frauen beim Bundesheer etc.),

  • Heimarbeiter,

  • so genannte arbeitnehmerähnliche Verhältnisse (manche Werkverträge mit hoher Abhängigkeit vom Auftraggeber etc.),

  • überlassene Arbeitskräfte ("Leiharbeiter").

Unter dem Begriff der sonstigen Arbeitswelt versteht man insbesondere

  • Berufsberatung, außerbetriebliche berufliche Umschulung, Aus- und Weiterbildung (z. B durch das Arbeitsmarktservice),

  • die Mitgliedschaft in Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation und Berufsverbänden und die Inanspruchnahme von deren Leistungen,

  • die Bedingungen für den Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit (z. B. Erteilung einer Gewerbeberechtigung).

Wichtig ist auch hier wieder, dass das Diskriminierungsverbot des Behinderteneinstellungsgesetzes ausschließlich jene Angelegenheiten regelt, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen. Vom Diskriminierungsschutz ausgenommen sind daher

  • Dienstverhältnisse von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitern im Sinne des Landarbeitsgesetzes und

  • Dienstverhältnisse zu einem Land, einem Gemeindeverband oder einer Gemeinde.

Wer fällt unter den Schutz vor Diskriminierung auf Grund einer Behinderung in der Arbeitswelt?

Wie bereits erwähnt (Näheres siehe unter Kapitel "Allgemeines zum Behindertengleichstellungsrecht"), sind folgende Personen vor Diskriminierung geschützt:

  • Menschen mit Behinderungen,

  • unter bestimmten Voraussetzungen deren Angehörige,

  • Zeugen und Auskunftspersonen im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Diskriminierung.

Menschen mit Behinderungen

Ein wichtiger Unterschied zu vielen Bereichen des Behinderteneinstellungsgesetzes ist, dass hier keine förmliche Feststellung eines Grades der Behinderung erfolgt sein muss. Die Stellung des so genannten begünstigten Behinderten ist hier somit nicht erforderlich.

Eine Behinderung selbst kann eine körperliche Behinderung, eine Sinnesbehinderung oder eine seelische oder intellektuelle Beeinträchtigung sein. Sie muss nicht förmlich festgestellt sein; es muss nur glaubhaft gemacht werden, dass eine weniger günstige Behandlung auf Grund Ihrer Behinderung erfolgt ist.

Eine HAK-Absolventin mit einer entstellenden Narbe im Gesicht wird nicht als Vertreterin eingestellt, weil dies den Kunden "nicht zumutbar" sei.

Ein blinder Bewerber wird nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen mit der Begründung: "Unser Unternehmen beschäftigt nur gesunde und dynamische Mitarbeiter."

Eine Mitarbeiterin mit depressiven Verstimmungen wird immer zum Kaffeekochen eingeteilt, weil "die soll froh sein, dass sie einen Arbeitsplatz hat...".

All diese Fälle wären wohl als Diskriminierung zu bezeichnen.

Kündigt dagegen eine Arbeitgeberin einen Rollstuhlfahrer, weil die Abteilung, in der dieser beschäftigt ist, aufgelassen wird, ist der Fall anders zu beurteilen. Diese Kündigung könnte vielleicht als soziale Härte bezeichnet werden, aber wohl nicht als diskriminierend, wenn der behinderte Mitarbeiter nicht anders behandelt wird als seine nicht behinderten Kollegen.

Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass der Schutz vor diskriminierender Kündigung nicht mit dem erhöhten Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte verwechselt werden darf (siehe weiter unten unter dem Punkt "Was ist der Unterschied zwischen dem Diskriminierungsschutz bei der Kündigung und dem besonderen Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte?").

Angehörige

Auch in der Arbeitswelt gilt, dass Angehörige unter bestimmten Vor¬aussetzungen vor Diskriminierung geschützt sind, und zwar

  • Eltern, wenn sie ein Kind (Stief-, Adoptiv- oder Pflegekind) behinderungsbedingt betreuen,

  • sonstige Verwandte in gerader Linie, Geschwister sowie Ehe- und Lebenspartner, sofern sie eine behinderte Person überwiegend behinderungsbedingt betreuen,

  • im Falle einer Belästigung alle oben genannten Personengruppen ohne das Erfordernis einer behinderungsbedingten Betreuung.

Die allein erziehende Mutter eines behinderten Kindes wird - als fachlich bestgeeignete - bei einer Beförderung mit der Begründung nicht berücksichtigt, auf Grund der Behinderung ihres Kindes sei damit zu rechnen, dass sie sich öfter in Pflegeurlaub befinden werde und daher dem Arbeitgeber nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Hier handelt es sich zweifellos um eine Diskriminierung.

Zeugen und Auskunftspersonen

Als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbots darf eine betroffene Person nicht benachteiligt werden. Auch eine andere Person, die als Zeugin oder Zeuge oder Auskunftsperson in einem Verfahren auftritt oder eine Beschwerde einer betroffenen Person unterstützt, darf als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbots nicht benachteiligt werden.

Eine Kollegin unterstützt einen behinderten Kollegen, der sich gegen eine diskriminierende Arbeitsaufteilung zur Wehr setzt. Daraufhin wird diese Kollegin gekündigt. Diese Kündigung könnte begründet angefochten werden.

Wovor schützt der Diskriminierungsschutz?

Eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung im Arbeitsleben ist insbesondere verboten

  • bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,

  • bei der Festsetzung des Entgelts,

  • bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen,

  • bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,

  • beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen),

  • bei den sonstigen Arbeitsbedingungen,

  • bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses,

  • beim Zugang zur Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses,

  • bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen,

  • bei den Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit.

Nicht zulässig ist es beispielsweise, wenn

  • ein behinderter Mensch auf Grund seiner Behinderung gar nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird,

  • eine behinderte Bewerberin auf Grund ihrer Behinderung nicht eingestellt wird,

  • ein behinderter Mitarbeiter auf Grund seiner Behinderung weniger verdient als die anderen Kollegen, die die gleiche Arbeit verrichten,

  • eine behinderter Mitarbeiterin im Unterschied zu den anderen Kolleginnen das Dienstauto nicht (wie dies mittlerweile oft üblich ist) auch für private Zwecke verwenden darf,

  • immer der behinderte Lehrling die Wurstsemmeln holen muss,

  • eine Schulung an einem Ort stattfindet, den die Mitarbeiterin auf Grund ihrer Gehbehinderung nicht erreichen kann,

  • ein behindertes Mitglied eines Berufsverbandes wegen der Behinderung an einer Veranstaltung dieses Verbandes nicht teilnehmen kann,

  • ein behinderter Mensch wegen seiner Behinderung gekündigt oder entlassen wird,

  • einem behinderten Menschen ohne sachliche Rechtfertigung eine Gewerbeberechtigung nicht erteilt wird,

  • eine Kollegin einen behinderten Kollegen unterstützt, der sich gegen eine diskriminierende Arbeitsaufteilung zur Wehr setzt, und sie daraufhin gekündigt wird. Diese Kündigung könnte angefochten werden.

Zulässig, weil sachlich gerechtfertigt, wäre es beispielsweise, wenn

  • ein behinderter Mensch nicht eingestellt wird, weil ein anderer Bewerber objektiv bessere Aufnahmevoraussetzungen hat (Zeugnisse, Berufserfahrung etc.)

  • eine behinderte Mitarbeiterin zu einer Schulung, die sie beantragt hat, nicht zugelassen wird, weil sie die Inhalte der Schulung in ihrem Arbeitsbereich gar nicht sinnvoll verwerten könnte,

  • ein Rollstuhlfahrer nicht als Außendienstmitarbeiter eingesetzt wird, weil er keinen Führerschein hat.

Der Diskriminierungsschutz gilt auch für Belästigung auf Grund einer Behinderung. In diesem Fall kann sowohl gegen die belästigende Person als auch gegen den Arbeitgeber, der die Belästigung nicht unterbindet, vorgegangen werden.

Auch eine Anweisung zur Diskriminierung gilt als Diskriminierung im Sinne des Behindertengleichstellungsrechts und ist daher untersagt.

Die Abteilungskollegen hänseln eine geistig behinderte Kollegin unentwegt und machen ihr dabei Angst. Der Abteilungsleiter sieht untätig zu. Hier könnte sowohl gegen die Kollegen als auch gegen den Arbeitgeber vorgegangen werden.

Die Geschäftsleitung gibt ein Rundschreiben an die Abteilungsleiterinnen heraus, dass keine behinderten Mitarbeiter einzustellen sind. Dieses Rundschreiben würde den Tatbestand der Diskriminierung dann erfüllen, sobald eine konkrete Person auf Grund dieser Anweisung nicht eingestellt wird.

Wann ist eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt?

Nicht jede Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen ist schon eine Diskriminierung. Wird ein behinderter Mensch wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einer Behinderung steht, ungleich behandelt, liegt dann keine Diskriminierung vor, wenn das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Welche Auswirkungen dies im Einzelfall für Sie haben kann, sollen einige weitere Beispiele verdeutlichen:

Es ist wohl nahe liegend, dass es keine Diskriminierung darstellt, wenn der Vertrag eines Profi-Fußballers wegen einer dauernden schweren Gehbehinderung gelöst wird. In diesem Fall ist die Fähigkeit, schnell zu laufen, wohl eine wesentliche Anforderung des Arbeitsvertrags.

Ähnlich verhält es sich, wenn sich ein intellektuell beeinträchtigter Mensch um eine leitende Position bewirbt. Die Fähigkeit, in angemessener Zeit Entscheidungen in anspruchsvollen Fragen zu treffen, ist wohl Kernelement der Aufgaben einer Führungskraft.

Anders sieht es aus, wenn es beispielsweise nur um Imagefragen geht, die sicherlich nicht den Kernaufgaben eines Arbeitsvertrags zuzuordnen sind. So kann z. B. ein erwartetes Image von Sportlichkeit bei einem Handelsvertreter für Sportartikel sicherlich keinen Ausschluss einer Rollstuhlfahrerin für diese Position begründen.

Hat ein behinderter Mitarbeiter ein Recht auf Besserstellung gegenüber seinen nicht behinderten Kollegen?

Im Bereich des Bundes-Gleichbehandlungsrechts für Frauen gibt es eine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei gleicher Qualifikation Frauen gegenüber Männern zur Herstellung von Gleichstellung bevorzugt zu behandeln. Ein solches Recht auf bevorzugte Behandlung gibt es im Behindertengleichstellungsrecht nicht. Im Fall, dass ein behinderter Bewerber und ein nicht behinderter Bewerber genau gleich gut qualifiziert für eine Position sind, liegt die Wahl im freien Ermessen des Arbeitgebers. Eine Verpflichtung zur Bevorzugung des behinderten Bewerbers besteht nicht.

Was ist der Unterschied zwischen dem Diskriminierungsschutz bei der Kündigung und dem besonderen Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte?

Wie schon erwähnt (siehe weiter oben unter dem Punkt "Wer fällt unter den Schutz vor Diskriminierung auf Grund einer Behinderung in der Arbeitswelt?"), darf der Schutz vor diskriminierender Kündigung nicht mit dem besonderen Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte nach § 8 BEinstG verwechselt werden.

Zur Verdeutlichung der wesentlichen Unterschiede hier eine kurze Übersicht:

Schutz vor diskriminierender Beendigung des Arbeitsverhältnisses

besonderer Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte nach § 8 BEinstG

gilt für jeden behinderten Mitarbeiter(und auch für Angehörige von Menschen mit Behinderungen)

gilt nur für begünstigte Behinderte nach dem Behinderteneinstellungsgesetz

gilt nur, wenn die Beendigung auf Grund der Behinderung erfolgt

gilt grundsätzlich für alle Kündigungsgründe

gilt für Kündigung und Entlassung

gilt nur für Kündigung (eine ungerechtfertigte Entlassung kann aber bei Gericht angefochten werden und führt zum unbefristeten Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses)

Die Kündigung kann vom Arbeitnehmer bei Gericht angefochten werden. Vorher findet ein Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt statt.

Die Kündigung muss vom Arbeitgeber beim Behindertenausschuss beantragt werden. Dieser entscheidet mit Bescheid, ob gekündigt werden darf.

Zur Beurteilung, ob die Beendigung diskriminierend ist, wird geklärt, ob die betroffene Person aus den Gründen der Behinderung weniger günstig behandelt wurde, als eine (wirkliche oder fiktive) vergleichbare andere Person.

Liegen die Kündigungsgründe im betrieblichen Bereich, ist ein Sozialvergleich durchzuführen. Gegebenenfalls muss eine andere Person gekündigt werden.

Was sind die Pflichten des Arbeitgebers gegenüber Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben?

Arbeitgeber sind verpflichtet, auf die Interessen von Menschen mit Behinderungen Rücksicht zu nehmen. Sie haben laut Gesetz die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Man spricht in diesem Fall von der so genannten besonderen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Auch hier sind allfällige Maßnahmen natürlich im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu sehen.

Dabei wird es unter anderem auf folgendes ankommen:

  • auf die Größe des Betriebes (Anzahl der Mitarbeiter, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit etc.)

  • auf die Kosten allfälliger erforderlicher Maßnahmen (unter Einbeziehung der Möglichkeiten einer Förderung)

  • auf die Standortfrage (befindet sich das Unternehmen in einem Alt- oder Neubau?)

  • auf die Art der Unternehmenstätigkeit (eine Produktionshalle wird weniger leicht barrierefrei gestaltet werden können als ein Büro).

Was muss einem Arbeitgeber oder Schulungsveranstalter zugemutet werden können?

Es wird einem Arbeitgeber wohl jedenfalls zumutbar sein,

  • dass ein behinderter Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz ohne Barrieren erreichen kann,

  • dass alle vergleichbaren Mitarbeiter grundsätzlich den gleichen Zugang zu beruflicher Fortbildung haben,

  • dass alle ihre Mitarbeiter zur Betriebskantine (so vorhanden) gelangen können.

Es wird einem Arbeitgeber oder Schulungsanbieter wohl im Regelfall nicht zumutbar sein,

  • alle schriftlichen Arbeitsbehelfe oder Schulungsunterlagen jedenfalls und in vollem Umfang auch in Braille-Schrift vorrätig zu haben,

  • alle betriebsinternen Besprechungen und Schulungen in vollem Umfang gebärdensprachig übersetzen zu lassen,

  • auch solche Räumlichkeiten barrierefrei zu gestalten, die weder für den Arbeitsablauf noch für allfällige allgemein zugängliche Angebote (Duschen, unternehmenseigene Freizeit- oder Sporträume) erforderlich sind, also z. B. Transformatorenhäuschen oder Lagerräume.

Wenn es unzumutbar ist, die bestmögliche Maßnahme zu setzen, dann sollte der Arbeitgeber sozusagen die nächst beste Variante wählen. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Fantasie zur Problemlösung im Sinne aller Beteiligten (natürlich im Rahmen des rechtlich Zulässigen) keine Grenzen gesetzt sind.

Problem: Eine vom Arbeitgeber subventionierte Betriebskantine befindet sich in einem schwer umzubauenden Altbau.

Lösung: Die auf einen Rollstuhl angewiesene Mitarbeiterin erhält vom Arbeitgeber einen monatlichen Zuschuss, um sich in einem Gasthaus der näheren Umgebung zu gleichen Bedingungen zu verköstigen.

Problem: Ein gehörloser Arbeitsuchender will einen achtwöchigen Buchhaltungskurs des WIFI besuchen.

Lösung: Der Arbeitsuchende erhält eine Unterlage zum Selbststudium. Nach einigen Wochen Selbststudiums kann er allfällige Fragen unter Beisein eines Gebärdendolmetsches während eines zwei- bis dreitägigen Privatissimums mit der Vortragenden besprechen. Auch bei der Prüfung ist ein Dolmetsch vorhanden. Die Kosten für den Dolmetsch übernimmt das AMS.

Wie ist das rechtliche Prozedere bei einer behaupteten Diskriminierung?

Grundsätzlich eröffnet das Behindertengleichstellungsrecht die Möglichkeit, den Weg zum Gericht zu beschreiten. Das heißt, dass eine betroffene Person jemanden, von dem sie sich (im Rahmen des Geltungsbereichs des Behindertengleichstellungsrechts) diskriminiert fühlt, klagen kann.

Zuständig ist in arbeitsrechtlichen Fragen das als Arbeitsgericht tätige Gericht, in allen anderen Fällen das örtlich und sachlich zuständige Zivilgericht. Wird jemand durch eine Behörde in Vollziehung der Gesetze diskriminiert, hat die Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen der Amtshaftung zu erfolgen. Das träfe zB zu, wenn einem behinderten Unternehmer von der Gewerbebehörde in unsachlicher Weise auf Grund einer Behinderung eine Gewerbeberechtigung vorenthalten würde.

Im Gerichtsverfahren selbst gibt es eine Beweislastregelung, die die betroffene Person begünstigt: Gelingt es dieser, dem Gericht glaubhaft zu machen, dass sie diskriminiert wurde, muss die beklagte Person beweisen, dass sie nicht diskriminiert hat.

Das Ziel des Behindertengleichstellungsrechts ist aber keineswegs, eine Klageflut auszulösen. Daher wurde einem allfälligen Weg zu Gericht ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt vorgeschaltet. Sinn des Schlichtungsverfahrens ist, eine Einigung außer Streit zu finden.

Was ist die Rolle des Bundessozialamts beim Geltendmachen einer Diskriminierung?

Das Bundessozialamt ist die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zur Behindertengleichstellung. Das Bundessozialamt und seine Landesstellen

  • informieren und beraten Arbeitnehmer wie Arbeitgeber und

  • führen gegebenenfalls das Schlichtungsverfahren durch.

In der Schlichtung kann auch unentgeltlich ein externer Mediator zugezogen werden. Das Bundessozialamt führt eine Liste der Mediatoren, die Mediation in Schlichtungsverfahren anbieten (Diese können Sie auch unter der Website www.basb.bmsg.gv.at/cms/basb/abrufen).

DIE CHECKLISTE FÜR UNTERNEHMER

Behinderte Menschen kommen grundsätzlich für jeden Arbeitsplatz in Betracht. Wie bei Nichtbehinderten kommt es nur darauf an, den Mitarbeiter zu finden, der auf den zu besetzenden Arbeitsplatz passt. Die folgende Checkliste zeigt die effektive Vorgehensweise, um eine geeignete Person für Ihr Unternehmen zu finden.

  • Welche Jobs sind frei, was soll der neue Mitarbeiter können?

Analysieren Sie den bestehenden Arbeitsplatz.

Definieren Sie die Stelle und die entsprechenden Anforderungen.

Best Practice Beispiele über die erfolgreiche Beschäftigung behinderter Mitarbeiter finden Sie unter www.arbeitundbehinderung.at.

  • Mitarbeitersuche

Mit der Datenbank www.einstellungssache.at können Sie rasch und unbürokratisch arbeitssuchende, behinderte bzw. beeinträchtigte oder chronisch kranke Mitarbeiter aus allen Berufsgruppen mit förderbaren Dienstverhältnissen finden. Durch das Angebot der Bewerbungsdatenbank können Sie ohne großen Zeitaufwand aktuelle Bewerbungen von geförderten Personen nach Branchen, Qualifikationen oder der Region abrufen. Sie erhalten dadurch Auskünfte über Qualifikationen und Berufserfahrung von möglichen neuen Mitarbeitern, die ansonsten nur durch persönliche Vorstellungsgespräche oder ausführliche schriftliche Bewerbungen zu erfahren sind.

  • Überprüfen, ob Qualifizierung gefördert wird bzw. behinderungsgerechten Arbeitsplatz einrichten.

Das Bundessozialamt fördert die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen durch eine breite Palette von Fördermöglichkeiten an behinderte Arbeitsnehmer und deren Arbeitgeber.

Insbesondere können geleistet werden

  • Zuschüsse zu den Lohnkosten (Entgeltbeihilfe, Arbeitsplatzsicherungsbeihilfe, Integrationsbeihilfe)

  • Zuschüsse zu Schulungs- und Ausbildungskosten

  • Zuschüsse zur behindertengerechten Ausstattung von

  • Arbeitsplätzen

  • Hilfen zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderungen.

Behinderte Menschen und Arbeitgeber können auch die Dienstleistungen zahlreicher vom Bundessozialamt geförderter Einrichtungen in Anspruch nehmen (Arbeitsassistenz, Unternehmerservice...; siehe www.wegweiser.bmsg.gv.at/basb/).

In den wenigsten Fällen ist die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten mehr Fördervoraussetzung. Förderungen sind ab einer gewissen behördlich festgestellten Schwere der Behinderung möglich. Förderungswürdig sind neu begründete und unter bestimmten Voraussetzungen auch bereits bestehende Arbeitsverhältnisse.

Finanziert werden die Maßnahmen insbesondere aus den in den Ausgleichstaxfonds geflossenen Ausgleichzahlungen von einstellungspflichtigen Arbeitgebern sowie aus dem Europäischen Sozialfonds und den Budgetmitteln der Beschäftigungsoffensive der Österreichischen Bundesregierung.

Eine aktuelle Übersicht über die Förderrichtlinien finden Sie unter www.bmsg.gv.at.

Unter www.basb.bmsg.gv.at/cms.basb können Sie auch die Telefonnummer und Adresse der für Sie zuständigen Landesstelle downloaden.

  • Die Integration in Ihrem Unternehmen unterstützen. Jeder neue Mitarbeiter muss in den Betrieb hineinwachsen. Zur problemlosen Integration behinderter Arbeitnehmer bietet die Arbeitsassistenz Hilfe und Unterstützung an.

Eine umfassende Auflistung der Projekte von Ausbildungseinrichtungen und Arbeitstrainingszentren finden Sie in der Projektdatenbank des Bundessozialamtes im Internet unter www.wegweiser.bmsg.gv.at/basb/. Informationen gibt auch die Homepage des Dachverbandes Arbeitsassistenz unter der Adresse www.arbeitsassistenz.or.at.

Mit den übrigen Beschäftigten Ihres Unternehmens sollten Sie alle Fragen und Unsicherheiten ansprechen, sofern der Umgang mit behinderten Kollegen ungewohnt ist. Denn Offenheit ist das beste Mittel, um Befürchtungen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die Arbeitsassistenz erschließt geeignete Arbeitsplätze, unterstützt das Unternehmen, damit behinderte Menschen problemlos eingegliedert werden können und hilft auch dann, wenn es nach der Einstellung Probleme geben sollte.

Gegen Vorurteile gibt es Argumente

Jeder neue Mitarbeiter wird anfangs beobachtet. Das ist normal. Wenn es sich dabei allerdings um behinderte Menschen handelt, sind die Kollegen manchmal verunsichert. Verständlich, da die wenigsten Menschen Erfahrung im Umgang mit behinderten Menschen haben.

Gegen die Vorurteile, die sich aufgrund von Unsicherheit in vielen Köpfen bilden, gibt es allerdings gute Argumente.

"Behinderte Menschen sind nicht genügend belastbar."

Das kommt ganz auf die Behinderung an. Entscheidend ist, ob der Bewerber für einen konkreten Arbeitsplatz geeignet ist. Wenn ja, zeigen behinderte Mitarbeiter überdurchschnittlich viel Engagement und sind für ein Unternehmen eine Bereicherung.

"Sie sind teurer, weil ich den Arbeitsplatz neu einrichten muss".

Ein behinderungsgerechter Arbeitsplatz kostet Sie nicht mehr als eine normale Ausstattung, denn Sie bekommen finanzielle Hilfe vom Bundessozialamt. Viele Sondereinrichtungen (z.B. Aufzüge oder Rampen) kommen außerdem allen Mitarbeitern zugute.

"Sie sind nicht überall einsetzbar."

Das trifft auch auf die meisten Nichtbehinderten zu.

Wo kann ich mir Beratung und Unterstützung holen?

Wirtschaftskammer Österreich

Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien; 05 90 900, www.wko.at

LANDESKAMMERN

Wirtschaftskammer Wien, Stubenring 8-10, 1010 Wien, Tel. 514 - 1260

Wirtschaftskammer Salzburg, Julius-Raab-Platz 1, 5027 Salzburg, Tel. 0662 8888 315

Wirtschaftskammer Steiermark, Körblergasse 111-113, 8021 Graz, Tel. 0316 601 8654

Wirtschaftskammer Tirol, Meinhardstraße 12-14, 6021 Innsbruck, Tel. 05 90 905

Wirtschaftskammer Kärnten, Europaplatz 3, 9020 Klagenfurt, Tel. 05 90 904

Wirtschaftskammer Oberösterreich, Hessenplatz 3, 4010 Linz, Tel. 05 90 909

Wirtschaftskammer Vorarlberg, Wichnergasse 9, 6800 Feldkirch, Tel. 06633 305 320

Wirtschaftskammer Burgenland, Robert-Graf-Platz 1, 7000 Eisenstadt, Tel. 05 90 907

Wirtschaftskammer Niederösterreich, Landsbergerstraße 1, 3100 St. Pölten, Tel. 02742 851

Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Stubenring 1, 1010 Wien, Tel (01) 711 00, Fax 715 82 56, www.bmsg.gv.at

BUNDESSOZIALAMT UND LANDESSTELLEN

Bundessozialamt

Babenbergerstraße 5, 1010 Wien, Tel. (01) 588 31-0, Fax. 586 20 16, www.basb.gv.at

Landesstelle Wien, Niederösterreich und Burgenland,

Babenbergerstraße 5, 1010 Wien, Tel. 588 31-0, Fax 586 20 16

Landesstelle Kärnten, Kumpfgasse 23, 9020 Klagenfurt,

Tel. (0463) 58 64-0, Fax 58 64-888

Landesstelle Oberösterreich, Gruberstraße 63, 4021 Linz,

Tel. (0732) 76 04-0, Fax 78 53 04

Landesstelle Salzburg, Auerspergstraße 67a, 5027 Salzburg,

Tel. (0662) 88 983-0, Fax 88 983-988

Landesstelle Steiermark, Babenbergerstraße 35, 8021 Graz,

Tel. (0316)70 90-0, Fax 70 90-501

Landesstelle Tirol, Herzog Friedrich-Straße 3, 6020 Innsbruck,

Tel. (0512) 56 31 01, 58 78 45, Fax 58 26 09

Landesstelle Vorarlberg, Rheinstraße 32/3, 6903 Bregenz,

Tel. (05574) 68 38-0, Fax 68 38-5

Arbeitsmarktservice AMS: www.ams.or.at

Arbeitsassistenz Österreich: www.arbeitsassistenz.or.at

Bildquellennachweis:

Tillmanns, Ogilvy & Mather GmbH & Co. KGAm Handelshafen 2-4, 40221 Düsseldorf

Nachdruck, Vervielfältigung und Verbreitung jeglicher Art nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Wirtschaftskammer Österreich zulässig.

Trotz sorgfältiger Bearbeitung wird für die Ausführungen keine Gewähr übernommen und eine Haftung der Autoren oder der Wirtschaftskammer Österreich ausgeschlossen.

Herausgeber:

Wirtschaftskammer Österreich

Abteilung Sozialpolitik

Wiedner Hauptstraße 63

1045 Wien

Für den Inhalt verantwortlich:

Dr. Hansjörg Hofer, Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Mag. Pia-Maria Rosner-Scheibengraf, Wirtschaftskammer Österreich

Stand: September 2006

Druck: Reprozwölf Ges.m.b.H & Co KG, 1120 Wien

Beachte: Im Sinne der Lesefreundlichkeit wurde in dieser Broschüre vorwiegend die männliche Personenbezeichnung gewählt, selbstverständlich bezieht sich der Inhalt auch auf das weibliche Geschlecht.

Aktuelle Informationen zu Veranstaltungen und Broschüren zu Wirtschaftsthemen finden Sie in unserem Webshop unter http://webshop.wko.at

Logo: WKO.at

oder im Mitgliederservice der WKÖ

T: 05 90 900 - 5052

E. mservide@wko.at

Quelle:

Wirtschaftskammer Österreich, Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz: Die Einstellungs macht´s. Tipps und Information für Unternehmen zum Behindertengleichstellungspaket

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 05.12.2007

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