Unterstützung für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf beim Übergang von der Schule ins Berufsleben

Österreich im internationalen Vergleich


Österreich im internationalen Vergleich

In der öffentlichen, politischen und auch wissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahre lässt sich eine verstärkte Aufmerksamkeit für den Übergangsprozess Jugendlicher mit SPF von der Schule ins Erwerbsleben feststellen. Hintergrund dafür sind u.a. zunehmende Integrationserfolge im schulischen Bereich, welchen allerdings nach wie vor defizitäre Integrations- chancen am Arbeitsmarkt gegenüberstehen. Zielgruppe von "Übergangs-Maßnahmen" sind SchulabgängerInnen mit SPF und arbeitssuchende Jugendliche mit beschäftigungsrelevanten Behinderungen (d.h. auch sozial benachteiligte Jugendliche bzw. "schwierige Kids") zwischen 13 und 25 Jahren, die aufgrund verschiedener Handicaps nur mit kontinuierlicher Unterstützung und Begleitung die berufliche Integration schaffen können. Denn das bekannte und gewohnte Lebensumfeld der Schule muss verlassen werden, Informationen müssen eingeholt und Interessen identifiziert werden, die Entscheidung für eine weitere Ausbildung oder einen Beruf muss getroffen und ein passender Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gesucht und gefunden werden. Viele der Jugendlichen und deren Familien sind ohne Unterstützung dabei jedoch überfordert.

Zur strukturellen Ausgestaltung der Schnittstelle zwischen Schule und Arbeitswelt wurden wir vom Bildungsministerium [1] beauftragt, internationale Erfahrungen und Ansätze des Überganges aufzuarbeiten, um dadurch die österreichische Diskussion anzuregen und zu befruchten (WETZEL & WETZEL 2001).

Die Untersuchung erstreckte sich dabei auf die Phase vor dem Schulende, die Übergangsphase und jene nach dem Schulaustritt, wobei die einschlägigen nationalstaatlichen Erfahrungen auch in den Bezugsrahmen der Europäischen Gemeinschaftsebene gestellt wurden (vgl. EUROPäISCHE KOMMISSION 1998). Es galt erprobte/bewährte spezifische oder allgemeine nationale Maßnahmen (in der diese Gruppe explizit angeführt ist) zur Verbesserung des Übertritts in das Erwerbsleben in exemplarisch ausgewählten Ländern herauszufinden. Als Vergleichsländer wurden dabei das Vereinigte Königreich, Dänemark, Schweden, die Niederlande und die USA herangezogen.

Auch Hierzulande[2] sind Jugendliche mit SPF im Übergangsprozess vergleichsweise überdurchschnittlich mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert:

  • Es besteht (noch) keine gesetzlich geregelte Integration von SchülerInnen mit SPF nach der 8. Schulstufe, d.h. für die Polytechnische Schule, das Berufsschulwesen und die Sekundarstufe II.[3] Es mangelt an dualen und integrativen Formen mit Bildungs- und Arbeits-assistenz für SchülerInnen mit SPF bis zum 18. Lebensjahr.

  • Die geringe Anzahl an Berufsvorbereitungs- und -orientierungsstunden im Rahmen der integrativen Beschulung gegenüber Sonderschulen benachteiligt die IntegrationsschülerInnen.

  • Jugendliche mit einem Schulabschluss niedriger als der Sekundarstufe II (insbesondere SchülerInnen mit SPF) erfahren diverse Benachteiligungen am Arbeitsmarkt. Sie sind in deutlich höherem Ausmaß von Arbeitslosigkeit betroffen, teilweise unmittelbar an den Schulabschluss und/oder nach einer Zwischenmaßnahme wie einer Berufsvorbereitung.

  • Der Großteil der jugendlichen AbsolventInnen mit SPF sind SchülerInnen mit Lernbehinderungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten, die keine begünstigten Behinderten[4] sind und daher auch nicht in den Genuss des Behinderteneinstellungsgesetzes kommen.

  • Traditionelle Berufsvorbereitungsmaßnahmen haben Probleme die AbsolventInnen am 1. Arbeitsmarkt zu integrieren. Der 2. (geschützte) Arbeitsmarkt verzeichnet nur geringe Übertritte in den 1. Arbeitsmarkt.

  • Die "klassische" Arbeitsassistenz wird in fast allen Bundesländern erst ab dem 18. Lebensjahr aktiv und dann wiederum primär bei Arbeitslosigkeit und/oder bei begünstigten behinderten Menschen. Die Integrationsassistenz für Jugendliche mit SPF wurde erst 2001 im Rahmen der sogenannten ´Behindertenmilliarde´ ins Leben gerufen[5] und ist vorläufig auf zwei Jahre[6] befristet. Zentraler Bestandteil dieser Maßnahme sind sogenannte ´Clearing-Stellen´ für Jugendliche, die einen erschwerten Zugang zum Berufsleben haben. Clearing ist eine Dienstleistung mit dem Ziel, behinderten Jugendlichen ihre Perspektiven in Bezug auf ein künftiges Berufsleben aufzuzeigen und Entscheidungsgrundlagen für ein realistisches weiteres Vorgehen in Richtung berufliche Integration bereitzustellen. Clearing umfasst Beratung, Betreuung, Begleitung und diagnostische Tätigkeiten (LEBENSHILFE 2002).



[1] Co-finanziert wurde das Projekt durch das Bundessozialamt Salzburg.

[2] Eine Untersuchung ausgewählter österreichischer Schulbezirke wurde von Specht (2001) durchgeführt.

[3] Ein Entwurf zur Novellierung des Schulorganisationsgesetzes ist derzeit in Begutachtung.

[4] Das Arbeitsmarktservice definiert inzwischen ´Behinderung´ umfassender und spricht auch von ´begünstig-baren´ Behinderten. "Behindert im Sinne des AMS sind Personen, die aufgrund einer physischen, psychischen oder geistigen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung, unabhängig vom Grad der Behinderung, Vermittlungsschwierigkeiten aufweisen oder nur ein eingeschränktes Spektrum an Berufsmöglichkeiten haben." (VHS-Meidling. 1999, S. 11).

[5] Derzeit ist es in Österreich etwas "zufällig", wo welche Leistung in welchem Umfang für welche Zielgruppe mit welchen Subventionen/Förderungen angeboten werden. In gewissen Regionen schießen die Projekte aus dem Boden (viele mit ungesicherten Zukunftsaussichten), in anderen Regionen herrscht Unterversorgung oder - immer seltener - überhaupt keine. Vorreiter sind die Steiermark (s. z.B. Greinix 1999) und Kärnten (s. z.B. Fasching 2000)

[6] Laut Aussage von Sozialminister Haupt auf der Tagung des "Pädagogischen Institutes des Bundes in Tirol (16.-17.11.01): Markt der Möglichkeiten: Bildung und Arbeit für junge Menschen mit besonderen Bedürfnissen" auch 2003; möglicherweise auch noch darüber hinaus.

Was machen andere Länder anders?

Die USA haben seit 1994 ein eigenes Gesetz, das die Übergangsphase regelt (U.S. DEPARTMENT OF EDUCATION. 1994). Es müssen Jugendliche mit Behinderungen bei einem Übergang in die Berufsschule dieselben Möglichkeiten wie all die anderen zur Verfügung gestellt bekommen plus ergänzende Unterstützungsleistungen, die notwendig sind, um diese Phase erfolgreich zu bewältigen. Diese beziehen sich auf den Lehrplan, die Ausstattung, Abänderungen im Unterricht, unterstützendes Personal, Unterrichtshilfsmittel und Geräte.

Bereits vor dem Ende der Pflichtschulzeit sind individuelle Karrierepläne verpflichtend:Interessen, Bedürfnisse und Kompetenzen gilt es abzuklären und daran anknüpfend einen individuellen Förderplan (´Individualized Transition Educational Plans´) zu erstellen. Entsprechende ‚Karriereentscheidungen' erfolgen gemeinsam mit den betroffenen Jugendlichen, deren Familie, dem Lehrpersonal[7] sowie gegebenenfalls unter Beiziehung von speziellen ExpertInnen (vgl. LaufbahnberaterInnen in Schweden). In den USA muss beginnend mit 14 Jahren (und dann jährlich aktualisiert) ein Gutachten[8] von Bedürfnissen hinsichtlich Transition-Dienstleistungen erstellt werden. Spätestens ab dem 16. Lebensjahr muss ein ´transition service´ (Integrationsassistenz) begonnen werden. Nicht die Jugendlichen werden an "klassische Behindertenberufe" wie Tischler, Schlosser, Gärtner, Küchengehilfe ... angepasst, die oft in die in Arbeitslosigkeit führen, sondern anhand von Interessen werden (Nischen-)Arbeitsplätze gesucht. Die Jugendlichen werden vor Ort weiter qualifiziert nach dem Motto ´placement before qualification´[9]. Abgestufte Programme mit mehr oder weniger Intensität an Betreuung werden angeboten, zwischen denen gewechselt werden kann. Die Begleitung am Arbeitsplatz - so dies bei uns überhaupt angeboten wird - ist nicht zeitlich befristet; Job Coaches können sogar auf Lebenszeit gewährt werden.

Neben einer gesetzlichen Grundlage gilt es die Bedeutung von klaren Zuständigkeiten zu betonen; dies sowohl in personeller als auch finanzieller Hinsicht, um die Bedingungen für eine effektive Umsetzung von Übergangsmaßnahmen zu schaffen. Ziel sollte es sein Unübersichtlichkeiten, Doppelgleisigkeiten, Kompetenzabgrenzungsprobleme und Unsicherheiten im Interesse aller Beteiligten zu vermeiden. So unterfertigen in Großbritannien die lokalen dezentralen Organisationen (´transition services´) einen Vertrag mit dem Ministerium (vgl. DFEE 1998). In einem Grundlagenkatalog sind wesentliche Prinzipien der Arbeit, Anforderungen, Qualitätssicherungsaspekte etc. definiert. Die lokalen Organisationen wiederum gehen ein Abkommen mit der Schule bzw. der/dem Jugendlichen bis zum Ende der Übergangsphase ein (in GB bestehen bei Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf keine altersmäßigen Beschränkungen der Maßnahmen).[10]

Dänemark verfügt über ein Kurator-Modell (vgl. z.B. BOYD-KJELLEN 1991), dessen Aufgabe u.a. darin besteht, Kinder mit Lernschwierigkeiten im Schulalltag zu begleiten. Kinder haben dabei grundsätzlich während der Schulzeit ein Recht auf diese Begleitung, nach Beendigung der Schule können sich Jugendliche an den Kurator wenden. So haben die skandinavischen Länder in ihren Ausbildungen auch einen stärkeren Berufsbezug (Career Counselling/Laufbahnberatung, Berufserkundigung wie mehrere Betriebspraktika und Schnupperlehren etc., in denen ein realistisches Bild über Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten vermittelt werden soll) auch für SchülerInnen mit SPF in integrativen Schulklassen in der Sekundarstufe II.

In Schweden bieten die LaufbahnberaterInnen (vgl. z.B. LINDER 1997) workshops für SchülerInnen in Gruppen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren an und entwickeln einen Karriereplan in einer Intensivwoche um Berufsinteressen zu identifizieren, abzuklären und Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Für Erwachsene mit geistigen Behinderungen über 20 Jahren gibt es spezifische Erwachsenenbildungsprogramme. 4000 haben im Schuljahr 1997/98 daran teilgenommen. Die Ziele richten sich nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten der TeilnehmerInnen, auch gezielt zu einer selbständigen Lebensführung. In Österreich mangelt es an bildungsmäßigen Nachreifungsprogrammen für junge Erwachsene mit SPF, die z.B. auch noch mit 20 oder 25 Jahren das Bedürfnis haben sich weiterzubilden.

Es gilt möglichst viele flexible weiterführende Ausbildungsmodelle (hinsichtlich Umfang, Dauer, Schwierigkeitsgrad und Umfang an Theorie vs. Praxis) zur Verfügung zu stellen. Kurssysteme (vgl. auch die Niederlande) haben den Vorteil, dass individuelle Programme zusammengestellt werden können. Bewährt haben sich vor allem duale Systeme mit abgestuften Schwierigkeitsgraden (Bildungsabschlüsse angepasst auf die individuellen Interessen und Möglichkeiten der SchülerInnen wie Teilqualifizierungslehren). Die Vorlehre in Österreich gewährt zwar mehr Zeit für die Ausbildung, aber keine Flexibilisierung der Inhalte. Bisher gemachte positive Erfahrungen mit Verbalbeurteilungen in der Grundschule, könnten auch hier Anwendung finden. Solch flexible Maßnahmen könnten auch parallel zu einer bereits begonnenen Teilzeitbeschäftigung Anwendung finden. Dazu wurden auch in Österreich bereits Konzepte entwickelt - auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, wie z.B. die "Offene Lehre" von SCHINDLER (2000) oder die "Teilqualifizierungslehre" von RUTTE & ROSENKRANZ (1999)[11].

Es fällt auf, dass in anderen Ländern keine eigenen ´Clearing-Stellen´ vorkommen. Dies ist eine österreichische Erfindung. Darunter läuft zur Zeit sehr vieles; Anregungen, die aus anderen Ländern übernommen wurden wie ´Übergangsförderpläne´, aber auch gelegentlich ein "Absahnen" von bestimmten leichter vermittelbaren Jugendlichen (´Clearing´ wird mit "Creaming" verwechselt). Ein großmaschiges Netz wird ausgeworfen, um vorgegebene Quoten für weitere Förderungen zu erfüllen. Zu berücksichtigen gilt, dass die Jugendassistenz-Vereine unter Erfolgsdruck stehen, weiter Förderungen zu erhalten.

Bei allen gegebenen nationalen Unterschieden im Hinblick auf die konkreten Maßnahmen und gegebenen Strukturen lassen sich in verschiedenen Ländern zentrale Merkmale /Prinzipien für eine erfolgsversprechende institutionelle Ausgestaltung der Übergangsphase ableiten, welche teils in engem Zusammenhang zueinander stehen:

  • gesetzlicher Rahmen: mittelfristige Sicherheit für die Jugendlichen und die Projekte

  • Dezentralisierung und Regionalisierung, um den jeweiligen lokalen und regionalen Anforderungen entsprechen zu können.

  • Klare Zuständigkeiten, sowohl in personeller als auch finanzieller Hinsicht.

  • Beständigkeit der Maßnahmen: Übergangsbegleitung darf nicht mit einer ‚Erstversorgung' (z.B. Clearing) enden, sondern ist als langfristiger Prozess zu verstehen.

  • Flexibilität der Maßnahmen: Orientierung an persönlichen Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnissen der Betroffenen.

  • Einstieg mit den Maßnahmen vor Ende der Pflichtschulzeit

  • kein Splitting zwischen "begünstigten" und "nicht begünstigten" Behinderten; kein Creaming von bestimmten Gruppen; keine weißen Flecken in bestimmten Regionen - flächendeckende Gültigkeit/Versorgung

  • Zentraler Bestandteil der von uns verglichenen Länder sind (integrative) Schulangebote, die in den Sekundarbereich II (d.h. Öffnung des Berufsschulwesen und der berufsbildenden mittleren Schulen) reichen.

Die Beständigkeit der Dienstleistung soll hier noch eigens betont werden: Kontinuierliche Karrierepläne sind ein zentraler Teil der Beständigkeit der Begleitungsmaßnahmen: planvolles Vorgehen, koordinierte Übergabe von der Schule an die Arbeitsmarkteinrichtungen bzw. Übergangs-BetreuerInnen vor Ort. Es muss bei Schulaustritt klar sein, wer nun was in Zukunft macht und wofür zuständig ist. Übergangsbegleitung muss aber auch als längerfristiges Projekt verstanden werden, um nachhaltige Unterstützung zu gewährleisten. Insbesondere wenn Probleme bei der beruflichen Integration auftreten oder sich etwa individuelle Lebensumstände oder berufliche Wünsche verändern, erscheint ein rasches Reagieren bzw. die Wiederaufnahme oder Intensivierung der Betreuung sinnvoll und notwendig. Bei Erfolg der beruflichen Integration genügt ein loser Kontakt.



[7] vgl. dazu auch die positiven Erfahrungen zum ´Unterstützungskreis´ in Vorarlberg (NIEDERMAIR & TSCHANN 1999)

[8] In Österreich könnte das Eingangs-Feststellungsverfahren zum Sonderpädagogischen Förderbedarf analog adaptiert für einen Ausgangsförderplan angewendet werden.

[9] Mittels Begleitung an die Arbeitsstelle erfolgt dort ein schrittweises Anlernen. Dann geht es darum, sich im Job zu bewähren und den körperlichen, geistigen und sozialen Anforderungen am Arbeitsplatz zu begegnen, Zusatzqualifikationen vor Ort anzubieten inkl. regelmäßiger Rückkopplungen mit dem Arbeitgeber über die Entwicklung.

[10] Dies wird derzeit in Österreich sehr unterschiedlich gehandhabt. Im schlechtesten Fall ist die Integrationsassistenz auf ein halbes Jahr beschränkt.

[11] Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf dem Lehrausbildungsplatz und in die Berufsschule (http://bidok.uibk.ac.at/library/rutte-berufsschule.html). Diese Modelle gilt es zu erproben und weiterzuentwickeln und im Falle einer Bewährung rechtlich anzuerkennen. Die Abschlüsse der Jugendlichen innerhalb dieser Modelle gilt es rechtlich abzusichern.

Ablauf und mögliche Aufgaben der Integrationsassistenz

Es werden hier nur Bereiche erwähnt, die bisher - in der Diskussion und/oder praktischen Umsetzung - zu wenig Berücksichtigung fanden und finden:

  • Schule: Es soll bei Bedarf mehrmals die Möglichkeit bestehen die eigenen Interessen und Fähigkeiten mit der beruflichen Realität und den Arbeitsvoraussetzungen in Betrieben vergleichen zu können. Bereits während der Praktika sollte die Möglichkeit bestehen, eine "Arbeits(Bildungs)assistenz" (SCHINDLER 2000, S. 10) zu erhalten, "um Fehlentwicklungen zu vermeiden".

  • Nachreifungsmaßnahmen: Österreichs SchülerInnen mit SPF verlassen im Vergleich zu ihren AlterskollegInnen ohne SPF wie auch im internationalen Vergleich von SchülerInnen mit SPF als eine der ersten die Schule und sind somit dadurch noch zusätzlich benachteiligt, da ihnen zusätzliche Jahre an Lebens- und Bildungserfahrung abgehen, denn SchülerInnen mit SPF brauchen meist mehr Zeit zum Lernen bzw. eine längere Förderung. Dazu zählen (Weiter-)Entwicklung von Berufsinteressen mit der Hilfe bei der Tagesstrukturierung kombiniert mit Förderungen/Qualifizierungen z.B. von Grundarbeitsfähigkeiten/Schlüsselqualifikationen wie Zuverlässigkeit; Förderung der Eigenständigkeit (selbstbestimmtes Leben) und Eigenverantwortlichkeit (Training von Selbstmanagement und Entscheidungsverhalten).

  • Die Integrationsassistenz sollte eine Kombination aus Bildung, Arbeit, Nachreifung und Integrationsförderungen (Wohnen, Freizeit ...) anbieten, auch lebenspraktische Kompetenzen der/des Einzelnen (wie Umgang mit Geld) fördern; eine Erarbeitung von Lösungsstrategien bei Problemen (z.B. familiäre, persönliche Probleme; Job-Wechsel etc.) bzw. eine Krisenintervention als Maßnahme zur Konfliktlösung anbieten.

  • Berufsbegleitende Beratungund Stützmaßnahmen bei den Zielpersonen auch in privaten Fragen (wie Hilfe bei der Wohnungssuche) oder auch der Familie z.B. Ablösungsfrage; Aufbau/Festigung des sozialen Netzes; Kooperationen mit anderen Einrichtungen.

  • Erwachsenenbildung: Es sollte interessante Varianten für SpäteinsteigerInnen im Sinne lebenslangen Lernens und einer selbstbestimmten Lebensführung geben.

  • Training on the Job: Es sollte auch - falls notwendig - die Leistungsminderung eines Mentors[12] (= Arbeitskollege als Ansprechspartner, Vermittler, Fürsprecher und Helfer) im Unternehmen ausgeglichen werden, um Anreize für Betriebe zu schaffen, sich verstärkt für die Integration einzusetzen.

  • Nachbetreuungsphase/Job-Sicherung: schrittweises Ausblenden; Assistenz über der Beendigung der Schulpflicht und eines Arbeits-/Lehrantrittes hinaus in Richtung Förderung eines selbstbestimmten Lebens, wobei bei der Nachbetreuung die "Problemfälle" weiterhin intensiv; die anderen nur in einem fallweisen Kontaktverhältnis zum Aufrechterhalten des Erfolges bzw. Früherkennung von Schwierigkeiten begleitet werden (´lose´ Betreuung mit Verpflichtung auf Seiten des Integrationsassistenten).

Da in Österreich für Integrationsfachdienste noch keine gezielte Aus- und/oder Weiterbildungen angeboten werden[13], soll stichwortartig das berufsbegleitende Qualifizierungsangebot für IntegrationsassistentInnen vonDOOSE (2001)dargestellt werden. Inhalte sind u.a.

  • Prinzipien und Prozess von ´Unterstützter Beschäftigung´

  • Rechtliches, wie Behinderten-Einstellungsgesetz, Arbeitsrecht ...

  • Rolle der IntegrationsassistentIn im Prozess der beruflichen Integration

  • Erstellen von beruflichen Fähigkeitsprofilen, Karrierepläne

  • Berufsorientierungs- und Berufswahlprozesse

  • Persönliche Zukunftsplanung

  • Auswahl des Arbeitsplatzes, Arbeitsplatzanalyse und Arbeitsplatzentwicklung

  • Arbeitsfähigkeiten - Unterstützungsstrategien - Schlüsselqualifikationen

  • Akquirieren von Arbeitsplätzen, Arbeitsmarktkenntnisse

  • Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse, wie Arbeitsorganisation

  • Training am Arbeitsplatz - Erhaltung des Arbeitsplatzes (z.B. Konflikte, Kooperation ...)

  • Krisenintervention

  • Ausblenden, Mentoren-Schulung



[12] Es geht dabei um eine Art "Patenschaft"; diese könnte in größeren Betrieben die Behindertenvertrauensperson sein oder ein/e MitarbeiterIn mit langjähriger Betriebserfahrung. Der Mentor wird vom Integrationsassistenten eingeschult und erhält alle notwendigen Informationen. Gegenüber dem Job-Coach hat er/sie den Vorteil, dass er/sie den Betrieb genau kennt.

[13] Im Herbst 2002 soll ein erster Lehrgang in Strobl beginnen (s. http://www.biv-integrativ.at/bildungssites/bivfachkraefte.htm)

Literatur

Boyd-Kjellen, G. (1991). The Kurator System in Denmark. In: OECD. Disabled Youth: From School to Work. Paris. S. 17-24.

DfEE (Ministerium für Bildung und Arbeit). 1998. The Careers Service. The Requirements and Guidance for Careers Service.

Doose, St. (2001). Qualifizierung und Fortbildung von IntegrationsberaterInnen in Integrationsfachdiensten. Barlsen, J. & Homeyer, J. (Hrg.). Integrationsfachdienste. Neue berufliche Chancen für Menschen mit Behinderungen: unterstützte Beschäftigung im System der beruflichen Rehabilitation. Düsseldorf: Verlag Selbstbestimmtes Leben. S. 229-254.

Europäische Kommission (1998). Das Beschäftigungsniveau von Menschen mit Behinderungen anheben - eine gemeinsame Herausforderung. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen. SEK(1998)1550.

Fasching, H. (2000). Arbeitsassistenz Kärnten und Integrationsfachdienst für berufslernbeeinträchtigte Jugendliche. In: impulse Nr. 15. (http://bidok.uibk.ac.at/library/imp15-00-autark.html Stand: 11.04.05, Link aktualisiert durch bidok)

Greinix, A. (1999). Was kommt nach der Hauptschule? alpha nova compass zeigt neue Wege. In: Integration in der Praxis, 11,16-18. Wien.

Lebenshilfe Österreich (2002). Clearing - Und weiter? Endbericht.

Leichsenring, K.; Strümpel, Ch. (1997). Berufliche Integration behinderter Menschen. Innovative Projektbeispiele aus Europa. Wien.

Linder, H. (1997). Übertritt in das Erwerbsleben und Beschäftigung von behinderten Jugendlichen in Schweden. In: Europäische Kommission. Beschäftigung und Integration von Menschen mit Behinderungen. Bericht über die Sondersitzung der Gruppe hochrangiger, für Behindertenfragen zuständiger Vertreter. 15.10.1997. Brüssel.

Niedermair, C.; Tschann, E. (1999). ‚Ich möchte arbeiten' - Der Unterstützungskreis. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 4/5. (http://bidok.uibk.ac.at/library/beh4-99-arbeiten.html Stand: 11.04.05, Link aktualisiert durch bidok))

Rutte, V.; Rosenkranz, T. (1999). Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf dem Lehrausbildungsplatz und in die Berufsschule. (http://bidok.uibk.ac.at/library/rutte-berufsschule.html Stand: 11.04.05, Link aktualisiert durch bidok))

Schindler, R. (2000). Offene Lehre - Offene Schule. Die Zeit ist reif für die Reform der Berufsausbildung! In: Betrifft:Integration. 2,10-12. Wien.

Specht, W. (2001). Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Nahtstelle Schule - Beruf. Schulorganisation und Pädagogik am Ende der Pflichtschulzeit. In: SPECHT, W., WETZEL, G., WETZEL, P. & RUTTE, V. (Hrg.). Jugendliche mit Behinderungen zwischen Schule und Beruf - Berichte aus dem ´Projekt Schnittstelle: Schule - Arbeitswelt - Soziale Integration´. Forschungsbericht 29. Graz: Zentrum für Schulentwicklung/ BM:BWK.

U.S. Department of Education (1994). School-to-Work Opportunities Act of 1994. (http://www.stw.ed.gov/factsht/act.htm)

VHS Meidling. (1999). Berufliche Integration behinderter Menschen. Projekte in Österreich. Wien.

Wetzel, G. & Wetzel, P. (2001). Betreuung behinderter Jugendlicher an der Schnittstelle von Schule und Beruf - eine internationale Vergleichsstudie. In: SPECHT, W., WETZEL, G., WETZEL, P. & RUTTE, V. (Hrg.). Jugendliche mit Behinderungen zwischen Schule und Beruf - Berichte aus dem ´Projekt Schnittstelle: Schule - Arbeitswelt - Soziale Integration´. Forschungsbericht 29. Graz: Zentrum für Schulentwicklung/ BM:BWK.

Autor

Univ. Ass. Dr. Gottfried Wetzel

Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Salzburg

Akademiestr. 26, 5020 Salzburg

Email: gottfried.wetzel@sbg.ac.at

Quelle:

Gottfried Wetzel: Unterstützung für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf beim Übergang von der Schule ins Berufsleben - Österreich im internationalen Vergleich

Erschienen in: der spitzer, 10/2002, S 53-61

bidok - Volltextinternetbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 15.11.2006

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