Arbeit, Beschäftigung und Ausbildung

Themenbereiche: Recht, Arbeitswelt
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Peter Trenk-Hinterberger: Arbeit, Beschäftigung und Ausbildung. In: Theresia Degener/Elke Diehl (Hrsg.): Handbuch der Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2015. S. 105-117.
Copyright: Peter Trenk-Hinterberger 2015

Teilhabe am Arbeitsleben nach Artikel 27 UN-BRK

„Soziale Zugehörigkeit und Anerkennung werden nach wie vor wesentlich über die Teilhabe am Arbeitsleben in der Leistungsrolle des Erwerbstätigen vermittelt“, stellt Gudrun Wansing mit Recht fest.[1] Menschen mit Behinderungen sind dabei einem besonderen Risiko ausgesetzt, von dieser Rolle ausgeschlossen und damit marginalisiert und diskriminiert zu werden.[2] Zu den wichtigsten Zielen der UN-BRK gehört es deshalb, die Ausgrenzung behinderter Menschen am Arbeitsmarkt zu beseitigen und ihnen den prinzipiellen Zugang zu diesem Markt zu öffnen. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Artikel 27 UN-BRK.

Um die Bedeutung dieses Artikels für die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben analysieren und bewerten zu können, müssten eigentlich zunächst der gesamte Inhalt und der rechtliche Gehalt des Artikels im Einzelnen vorgestellt werden. Dies kann der vorliegende Beitrag schon deshalb nicht leisten, weil Artikel 27 UN-BRK zu den umfangreichsten Artikeln der Konvention gehört und allein sein erster Absatz elf Unterabsätze umfasst, die (zudem nicht abschließend, sondern nur beispielhaft) detaillierte Achtungs-, Schutz-und Leistungsverpflichtungen der Vertragsstaaten formulieren.[3] Der Beitrag konzentriert sich deshalb auf drei zentrale Leitideen des Artikels 27 UN-BRK in Absatz 1, deren Bedeutung für das Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen beleuchtet wird:

  • Erste Leitidee: „So wenig Sonderarbeitswelten wie möglich“ (siehe unten S. 107 ff.);

  • Zweite Leitidee: „Wenn schon Sonderarbeitswelten, dann so normal wie möglich“ (siehe unten S. 110 f.);

  • Dritte Leitidee: „Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes“ (siehe unten S. 111 ff.)

Bevor auf diese drei Leitideen eingegangen wird, die im Übrigen nicht streng voneinander getrennt werden können, da sie sich ergänzen und teilweise überschneiden, sind einige grundlegende Klarstellungen zu Artikel 27 UN-BRK geboten.

Recht auf Arbeit und Diskriminierungsverbot

Nach Artikel 27 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz UN-BRK „anerkennen“ die Vertragsstaaten „das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit“.[4] Damit wird das Recht auf Arbeit aus Artikel 23 Nr. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und aus Artikel 6 Absatz 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR)[5] aufgegriffen, im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen bekräftigt und für die Situation von Menschen mit Behinderungen konkretisiert. Allerdings besteht ein Konsens darüber, dass aus dieser Verpflichtung der Vertragsstaaten kein Anspruch auf eine bestimmte Arbeitsstelle und damit auch kein subjektives Recht von Menschen mit Behinderungen auf einen konkreten Arbeitsplatz folgt. Geht es also insoweit nicht um einen individuellen Anspruch auf einen konkreten Arbeitsplatz, so liegt der Schwerpunkt der staatlichen Verpflichtungen aus Artikel 27 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz UN-BRK auf einer Beschäftigungspolitik (und insbesondere Arbeitsmarktpolitik) für Menschen mit Behinderungen, die – einschließlich der dafür erforderlichen Rechtsvorschriften – den drei genannten Leitideen verpflichtet ist und zugleich einem Gleichheitskonzept folgt, das dem Prinzip der Nichtdiskriminierung immanent ist, also einem Prinzip, das zu den wichtigsten der UN-BRK und zugleich zu den fundamentalen Menschenrechtsprinzipien gehört. Insofern enthält die Bestimmung des Artikels 27 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz UN-BRK auch eine Konkretisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 2 Satz 3 UN-BRK). Diese Komponente der Nichtdiskriminierung wird in einzelnen Vertragspflichten, die in Artikel 27 Absatz 1 Satz 2 UN-BRK genannt werden, näher ausgestaltet (zum Beispiel in Artikel 27 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe a) UN-BRK).

Arbeit und Lebensunterhalt, freie Wahl und Annahme der Arbeit

Nach Artikel 27 Absatz 1 Satz 1, 2. Halbsatz UN-BRK beinhaltet das Recht auf Arbeit die Möglichkeit, den „Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen“. Man wird annehmen können, dass damit nicht ein Lebensunterhalt im Sinne eines rein physischen Überlebens, sondern ein angemessener Lebensstandard gemeint ist (unter Rückgriff auf Artikel 28 Absatz 1 UN-BRK – Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz), der zu weitestgehender Unabhängigkeit von staatlichen Transferleistungen bei Arbeit, Beschäftigung und Ausbildung - der Existenzsicherung führt. Ferner garantiert Artikel 27 Absatz 1 Satz 1, 2. Halbsatz UN-BRK das Recht, die Arbeit frei zu wählen oder anzunehmen. Auf diese Weise wird der persönliche Aspekt der Arbeit betont, die nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern auch einen eigenständigen Lebenszweck hat. Zudem verlangt die Regelung, dass der Arbeitsmarkt (als Ganzes) und das Arbeitsumfeld (als Ausschnitt aus diesem Arbeitsmarkt) eine bestimmte Eigenschaft aufweisen: Sie müssen offen, inklusiv[6] und für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein. Aus diesen drei Eigenschaften, die unterschiedliche Aspekte betonen, sowie insbesondere aus einer Gesamtschau des Artikels 27 Absatz 1 UN-BRK (und dessen Vorgaben in den einzelnen Unterabsätzen der Buchstaben a) bis j), ferner aus dem Gedanken der beruflichen Rehabilitation (Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe k) und Artikel 26 UN-BRK) und aus dem die gesamte Konvention prägenden Gleichheits-und Deinstitutionalisierungskonzept (vgl. zum Beispiel Artikel 5 und Artikel 19 Buchstabe a) UN-BRK) sowie schließlich aus Artikel 8 und 9 UN-BRK (barrierefreie Denk-und Verhaltensweisen sowie barrierefreie Umwelt) lassen sich die drei bereits genannten Leitideen folgern, aus denen konkrete Umsetzungsverpflichtungen und Realisierungsschritte abgeleitet werden können.



[1] Gudrun Wansing, Inklusion in einer exklusiven Gesellschaft. Oder: Wie der Arbeitsmarkt Teilhabe verhindert, in: Behindertenpädagogik, 51 (2012) 4, S. 381 – 396, hier S. 385.

[2] So ist z. B. die Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen seit Jahren fast doppelt so hoch wie die der nicht behinderten Menschen; siehe dazu Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), Der Arbeitsmarkt für schwerbehinderte Menschen, Nürnberg 2013.

[3] Wegen der geringen praktischen Bedeutung des Art. 27 Abs. 2 UN-BRK – jedenfalls in Deutschland – erscheint es gerechtfertigt, nicht näher auf ihn einzugehen (Art. 27Abs. 2 UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass „Menschen mit Behinderungen nicht in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden und dass sie gleichberechtigt mit anderen vor Zwangs-und Pflichtarbeit geschützt werden“).

[4] Zur „Beschäftigung“ (siehe die Überschrift zu Art. 27 UN-BRK sowie z. B. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 und Art. 27 Abs. 1 Satz 2 a UN-BRK) gehört zum einen die nicht selbstständige und selbstständige Erwerbstätigkeit, zum anderen auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse im Rahmen einer Berufsausbildung. Ferner wird man annehmen können, dass mit Beschäftigung auch das konkrete Beschäftigungsverhältnis im Rahmen einer nicht selbstständig ausgeübten Erwerbstätigkeit gemeint ist.

[5] Das Recht auf Arbeit ist auch in anderen internationalen Rechtsinstrumenten kodifiziert, so z. B. in Art. 11 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, in Teil II Art. 1 der Europäischen Sozialcharta und in Art. 15 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

[6] Im englischen Wortlaut der UN-BRK inclusive. Art. 50 Satz 1 UN-BRK legt die verbindlichen Wortlaute des Übereinkommens fest, zu denen der englische (inclusive) und der französische Wortlaut (favorisant l’inclusion) gehören. Die im Bundesgesetzblatt veröffentlichte deutsche Übersetzung der UN-BRK, die für das englische inclusive den Begriff „integrativ“ verwendet, wird der Intention der genannten verbindlichen Wortlaute nicht gerecht (zu dieser Problematik siehe auch den Beitrag von Gudrun Wansing in diesem Band S. 43 ff.). Zum inklusiven Arbeitsmarkt siehe den Abschnitt Dritte Leitidee, S. 111 ff. im obigen Text; zur Inklusion allgemein vgl. unten Anm. 15.

Erste Leitidee: So wenig Sonderarbeitswelten wie möglich

Aus dieser Leitidee folgt zunächst die Verpflichtung der Vertragsstaaten, durch geeignete Schritte dafür zu sorgen, dass es sowohl rechtlich als auch tatsächlich nicht nur ausschließlich institutionelle Sonderwege für Menschen mit Behinderungen im Bereich von Arbeit und Beschäftigung gibt, also zum Beispiel lediglich die alternativlose Beschäftigung in „beschützenden“, nur Menschen mit Behinderungen vorbehaltenen Einrichtungen oder den „automatischen“ (alternativlosen) Übergang von der Schule in eine Beschäftigung in solchen „beschützenden“ Einrichtungen. Die freie Wahl und Annahme der Arbeit darf für Menschen mit Behinderungen eben nicht auf „Sonderarbeitswelten“ (also auf „Sonderarbeitsmärkte“ und „Sonderarbeitsumfelder“) beschränkt werden. Die Vertragsstaaten der UN-BRK trifft dabei die Rechtspflicht, Rechtsordnung und Rechtswirklichkeit auf die Vereinbarkeit mit der Leitidee „So wenig Sonderarbeitswelten wie möglich“ kritisch zu überprüfen. Die Diskussion dieser Leitidee ist inzwischen in vollem Gange, die in deren Rahmen gemachten Vorschläge und gestellten Forderungen sind freilich kaum mehr zu überschauen. Im Folgenden soll nur auf einige wenige Beispiele hingewiesen werden. Vorgeschlagen wird, die „beschützenden“ Beschäftigungseinrichtungen wie die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) gänzlich abzuschaffen[7] oder jedenfalls ihre Laufzeit (bis zu ihrer Abschaffung) zu begrenzen, weil die Segregation in solchen Einrichtungen als Verletzung der Menschenrechte einzustufen sei.[8] Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Studie des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte zur Arbeit und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, in der ausgeführt wird, es sei „zwingend erforderlich, dass die Vertragsstaaten die Systeme geschützter Beschäftigung aufgeben und den gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Behinderungen zum allgemeinen Arbeitsmarkt fördern“.[9] Wenn damit gemeint sein sollte, dass der Bereich der „geschützten Beschäftigung“ (wie in den WfbM) vollständig beseitigt werden sollte, dann stellen sich zwangsläufig mehrere Fragen. So etwa, ob die UN-BRK tatsächlich die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ausschließlich am allgemeinen Arbeitsmarkt verlangt, und zwar auch von Personen mit Fähigkeitsbarrieren, bei denen gravierende Einschränkungen in der Einsatz-und Leistungsfähigkeit vorliegen und die – jedenfalls unter den gegebenen Arbeitsmarktverhältnissen (siehe dazu den Abschnitt Dritte Leitidee S. 112 f.) – auf spezielle Strukturen angewiesen sind, um überhaupt eine Teilhabe am Arbeitsleben zu realisieren (siehe auch nachfolgend S. 109). Des Weiteren kann man fragen, ob wirklich die alternativlose Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt das Anliegen der UN-BRK ist oder nicht vielmehr vorausgesetzt wird, dass die unstreitig stattfindende Exklusion aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich so weit wie möglich reduziert wird, ohne dass notwendige Schonräume und Schutzrechte zerschlagen werden. Ferner ist zu fragen, ob die Forderung nach einer vollständigen Beseitigung von Sonderstrukturen nicht dankbar von denjenigen Kräften aufgegriffen wird, die vorgeben, dass der „Markt“ aus eigener Kraft die Beschäftigung behinderter Menschen bewerkstelligen könne, oder die sich von einer Ausdünnung oder gar einem solchen Wegfall der Sonderstrukturen ein beträchtliches Einsparpotenzial erhoffen. Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit eine solche Forderung mit der Interessenlage, den Bedürfnissen und vor allem den Wünschen der Betroffenen vereinbar ist, etwa nach einem schützenden und fördernden Erfahrungsraum, in dem eine Teilhabe am Arbeitsleben auch außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich ist, also Wünschen, die Artikel 3 Buchstabe a) UN-BRK („Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen“) meint, damit die Betroffenen nicht einem fremdbestimmten Zwang (Teilhabe ausschließlich am allgemeinen Arbeitsmarkt) und damit einer Einschränkung ihrer individuellen Autonomie unterworfen werden.[10]. Anstatt zwischen der (sofortigen oder zumindest baldigen) Abschaffung der WfbM bis hin zum weitgehenden Bewahren der Einrichtungen in ihrer jetzigen Gestalt zu polarisieren, dürfte es den Vorgaben des Artikels 27 UN-BRK eher entsprechen, faktische Monopole im Bereich der „geschützten Beschäftigung“ zu beseitigen, den öffentlichen Beschäftigungssektor auszubauen und innerhalb dieses Sektors die WfbM zu sozialräumlich organisierten „Sozialunternehmen“ zu entwickeln, die mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt (im Sinne einer Brückenfunktion) vielfältig vernetzt sind, die differenzierte Beschäftigungsmöglichkeiten organisieren und die solche Teilhabe am Arbeitsleben für alle behinderten Menschen bieten, die am allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Chancen bleiben (und zwar auch für solche Menschen, die – im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage nach § 136 Absatz 2 Satz 1 SGB IX – kein „Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen“). Ein solcher Prozess der Umgestaltung zum Sozialunternehmen erfordert freilich vor allem eine Änderung der bisherigen strukturbestimmenden Rechtsgrundlagen, die seit Jahrzehnten nicht wesentlich verändert (allenfalls aus Einspargründen modifiziert) wurden und die institutionenbezogen, unflexibel und überholt sind, wie etwa die Regelungen des Rentenversicherungsrechts, die an die Tätigkeit in der Sonderinstitution und nicht an die Person anknüpfen. Wie ein solcher Umgestaltungsprozess entwickelt und verwirklicht werden kann, verdeutlichen unterschiedliche Vorschläge, die unter anderem im Bereich der WfbM selbst entwickelt worden sind.[11]

Im Rahmen des Artikels 27 UN-BRK geht es, wie gesehen, nicht primär um die Pro-und-Kontra-Debatte hinsichtlich der Existenz von Sondersystemen der Beschäftigung, sondern um die Reduktion und Umgestaltung dieser Sondersysteme sowie um Alternativen, die eine Brückenfunktion in den allgemeinen Arbeitsmarkt bilden können. Dazu gehören insbesondere die erweiterte Förderung von Integrationsprojekten (§§ 132 ff. SGB IX), beispielsweise durch zusätzliche Investitionen und Steuerentlastungen, bevorzugte Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen. Auszubauen wären ferner weitere Übergangsinstrumente wie die Unterstützte Beschäftigung (§ 38a SGB IX), die dauerhafte Berufsbegleitung (Assistenz) sowie die dauerhaften Entgelt-und Mobilitätszuschüsse („Minderleistungsausgleich“) an Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Nicht zuletzt wäre wesentlich intensiver als bisher der personenzentrierte Ansatz in Gestalt des Persönlichen Budgets (siehe § 17 Absatz 2 bis 4 SGB IX) zur Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt zu verfolgen, und zwar im Wesentlichen in drei Bereichen: dem Leistungsspektrum der Berufsförderung, der Eingliederung in Arbeit und Beschäftigung und der Sicherung von Beschäftigungsverhältnissen.[12]

Ausbildung als Schlüssel für spätere Berufschancen

Schulische und berufliche Ausbildung sind der Schlüssel für die späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die UN-BRK verpflichtet deshalb die Vertragsstaaten dazu, im Rahmen eines inklusiven Bildungssystems sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Berufsausbildung haben (Artikel 24 Absatz 1 Satz 2, Absatz 5 Satz 1 UN-BRK). Zudem werden die Vertragsstaaten in Artikel 27 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe d) UN-BRK verpflichtet, geeignete Schritte zu unternehmen, um Menschen mit Behinderungen Zugang zu allgemeiner Berufsausbildung zu ermöglichen.

In Modifikation der obigen Leitidee muss deshalb für diesen Bereich gelten: „So wenig Sonderausbildung wie möglich“. Dies bedeutet unter anderem, dass das separierende Förderschulsystem und der fast automatisierte Übergang von der Förderschule in Berufsbildungswerke oder WfbM zu beseitigen sind. Stattdessen ist da anzusetzen, wo sich die Berufsausrichtung entscheidet: in inklusiv strukturierten und ausgerichteten Schulen, die insbesondere individuelle Berufswegeplanung und berufliche Praktika (vorrangig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) anbieten sowie die Bildung von Netzwerkstrukturen befördern (vor allem durch Einbindung von Sozialleistungsträgern, Unternehmen, Industrie-, Handels-, Handwerks-und Landwirtschaftskammern, Gewerkschaften sowie des öffentlichen Sektors). Ferner sind im dualen System Berufsausbildungen zeitlich, räumlich, inhaltlich und organisatorisch zu flexibilisieren sowie der Ausbildungsbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes verpflichtend inklusiv zu gestalten (zu den Problemen eines inklusiven Arbeitsmarktes siehe aber unten Abschnitt Dritte Leitidee S. 111 ff.). Schließlich muss – soweit im Einzelfall überhaupt erforderlich – die außerbetriebliche Berufsausbildung (zum Beispiel in Berufsbildungswerken) durch die Ausweitung betriebsnaher oder betrieblicher Anteile inklusiver gestaltet werden.



[7] Siehe dazu Sigrid Graumann, Assistierte Freiheit – Von einer Behindertenpolitik der Wohltätigkeit zu einer Politik der Menschenrechte, Frankfurt am Main/New York 2011, S. 74.

[8] So Uwe Frevert, Laufzeitbegrenzung für die Behindertenhilfe?, in: Der Paritätische Hessen (Hrsg.), Teilhabe am Arbeitsleben, Frankfurt am Main 2013, S. 8 f., der hinzufügt, dass die Betreiber von WfbM viel Geld verdienen und einen unverhältnismäßig hohen Aufwand betreiben, um ihre Positionen und Pfründe nicht zu verlieren.

[9] Siehe Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights – Thematic study on the work and employment of persons with disabilities, UN-Dok. A/HRC/22/25 vom 17.12.2012, S. 25 (Absatz 68), online abrufbar unter: http://www.ohchr.org): „It is imperative that States parties move away from sheltered employment schemes and promote equal access for persons with disabilities in the open labour market““; deutsche Übersetzung im obigen Text aus: Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg.), Information der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention anlässlich der Veröffentlichung der Thematischen Studie des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte zur Arbeit und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, Berlin 2013; online abrufbar unter: www.institut-fuer-menschenrechte.de). Anders wohl noch UNO-Resolution Nr. 48/96: Standard Rules on the Equalization of Opportunities for Persons with Disabilities, Rule 7 (Employment), Nr. 7, in der es heißt: „For persons with disabilities whose needs cannot be met in open employment, small units of sheltered or supported employment may be an alternative“ („Für Menschen mit Behinderungen, deren Bedürfnissen der reguoder unterstützten Arbeitsplätzen eine Alternative darstellen“; Übersetzung ins läre Arbeitsmarkt nicht gerecht wird, können kleine Einheiten von geschützten Deutsche vom Verfasser); online abrufbar z. B. unter: www.un.org.

[10] Zu einem gesetzlich verankerten Wahlrecht (von behinderten Menschen, die nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können) zwischen der Tätigkeit in einer WfbM und einer Beschäftigung in einem Betrieb (mit erforderlicher Unterstützung) vgl. BRK-ALLIANZ (Hrsg.), Für Selbstbestimmung, gleiche Rechte, Barrierefreiheit, Inklusion! – Erster Bericht der Zivilgesellschaft zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland, Berlin 2013, S. 67 (online abrufbar unter: www.brk-allianz.de).

[11] Vgl. z. B. Frankfurter Verein für soziale Heimstätten e. V., Berufliche Teilhabe als System-Angebot, Frankfurt am Main 2010 (erhältlich über mailto:zentrale@frankfurter-verein.de); Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen in Niedersachsen und Bremen, „Vorschläge zur Weiterentwicklung der Werkstätten für behinderte Menschen“ von 2012 (online abrufbar unter: www.lag-wfbm-niedersachsen.de); Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. (Hrsg.), Maßarbeit – Neue Chancen mit Sozialunternehmen, Nürnberg 2011 (online abrufbar unter: www.bagwfbm.de).

[12] Zum Persönlichen Budget siehe z. B. Peter Trenk-Hinterberger, Leistungen an behinderte Menschen, in: Thomas P. Stähler (Hrsg.), Inklusion behinderter Arbeitnehmer, Köln 2013, S. 214 – 224; zu allgemeinen Informationen über das Persönliche Budget siehe auch im Internet unter www.budget.bmas.de (Anm. d. Red.).

Zweite Leitidee: Wenn schon Sonderarbeitswelten, dann so normal wie möglich

Diese Leitidee beinhaltet das Postulat, diejenigen Sonderarbeitswelten, die aufrechterhalten werden (müssen), so auszugestalten, dass sie sich möglichst weitgehend an den normalen „regulären“ Strukturen und Gestaltungen der allgemeinen Arbeitswelt ausrichten. Exemplarisch ist hier auf einige Vorschläge und Forderungen hinzuweisen, die im Hinblick auf diese Leitidee gemacht werden.

So könnte im Bereich der Ausbildung in der WfbM überlegt werden, ob nicht die bisherige Berufsbildung nach § 4 der Werkstättenverordnung (WVO) mit ihrem geringen Zeitbudget (als Kurzausbildung von zwei mal zwölf Monaten) durch eine Berufsausbildung zu ersetzen ist, die sich – entsprechend den Möglichkeiten und dem Zeitbedarf des Auszubildenden – an regulären (anerkannten) Ausbildungsabschlüssen (auf der Grundlage eines novellierten Berufsbildungsrechts) und damit an den Bedarfen des allgemeinen Arbeitsmarktes orientiert. In gleicher Weise wäre zu prüfen, wie der bisherige Arbeitsbereich (§ 5 WVO) umzugestalten ist, damit – je nach der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit, Entwicklungsmöglichkeit sowie Eignung und Neigung des behinderten Menschen – in einem Bereich eine Arbeitstätigkeit mit hohem Lernwert gefördert und in einem anderen Bereich eine Arbeitstätigkeit verrichtet wird, die derjenigen auf dem allgemeinen (erwerbswirtschaftlichen) Arbeitsmarkt möglichst nahe kommt (einschließlich ausgelagerter Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt).

Entsprechend dieser Leitidee wäre insbesondere der Rechtsstatus der Beschäftigten in einer WfbM zu überdenken und zumindest so weit wie möglich einem regulären Arbeitsverhältnis mit tariflicher Entlohnung anzunähern. Ferner müssten Menschen mit Behinderungen auf sogenannten Außenarbeitsplätzen in Unternehmen und Behörden tariflich nach dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ entlohnt werden. Und schließlich wäre die Selbstvertretung der Werkstatträte (im Rahmen der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung) durch Mitbestimmungsrechte (etwa im Hinblick auf Werkstattordnung, Beschäftigungszeiten, Arbeitsentgelte und Beendigung der Beschäftigung) zu stärken und finanziell abzusichern.

Dritte Leitidee: Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes

Die UN-BRK lässt an keiner Stelle eindeutige Positionen oder Festlegungen in Bezug auf ein bestimmtes Wirtschaft-und Arbeitsmarktmodell erkennen. Erkennbar ist immerhin ein Grundgedanke, der sich so umschreiben lässt: Behinderte Menschen werden durch Diskriminierung abgehalten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden. Deshalb besteht aus Sicht der Konvention die Hauptaufgabe darin, diese Diskriminierung abzubauen, zum Beispiel – wie es Artikel 27 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe a) bis k) UN-BRK detailliert aufführt – durch Verbot von „Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art“, durch „Schutz vor Belästigung“, durch gleichberechtigte Ausübung von Arbeitnehmerrechten, durch „angemessene Vorkehrungen“ am Arbeitsplatz, durch Bewusstseinsbildung im Hinblick auf die grundsätzliche Bereitschaft zur Beschäftigung behinderter Menschen (Artikel 8 UN-BRK: Abbau von Bereitschaftsbarrieren) und durch barrierefreie Arbeitsplätze (Artikel 9 UN-BRK).

Als „geeignete Schritte“ (vgl. Artikel 27 Absatz 1 Satz 2 UN-BRK) zur Beseitigung der Diskriminierung kommen unter anderem (dauerhafte und verlässliche) finanzielle Anreize für Arbeitgeber und entsprechende Rechtsvorschriften in Betracht. Diese Schritte sind gemeint, wenn von Parteien, Gewerkschaften, Wohlfahrts-und Behindertenverbänden beispielsweise gefordert wird, dass für Arbeitgeber ein staatlich finanziertes Anreizsystem zu schaffen ist, um einen möglichst hohen Anteil der Arbeitsplätze mit behinderten Menschen zu besetzen.[13] Man könnte insofern formulieren, dass es hier um „marktkonforme“ Schritte und um eine entsprechende Lesart des inklusiven Arbeitsmarkts geht, die da lautet: Die Vertragsstaaten der Konvention müssen gewährleisten, dass niemand – weil er behindert ist – von der Konkurrenz um Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen und insofern zu Unrecht diskriminiert wird. Dieser Konkurrenz muss sich jeder stellen können – und dafür braucht man bei Menschen mit Behinderungen bestimmte, auf sie zugeschnittene „marktkonforme“ Maßnahmen, zu denen beispielsweise auch staatliche Beschäftigungsprogramme und steuerrechtliche Vergünstigungen für Unternehmen gehören.

Auf den Punkt bringen dies zwei Aussagen: Zum einen § 102 Absatz 2 Satz 2 SGB IX, wonach durch die begleitende Hilfe im Arbeitsleben schwerbehinderte Menschen befähigt werden sollen, „sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten“, zum anderen die bereits erwähnte Studie des UN-Hochkommissariats, die betont, wie wichtig Maßnahmen für behinderte Menschen sind, „um sicherzustellen, dass sie – auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen – wettbewerbsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind“.[14]

Die Vorgaben der UN-BRK wird man freilich nicht nur auf die Option der „marktkonformen“ Maßnahmen begrenzen dürfen. Gerade weil sich die Behindertenrechtskonvention nicht auf ein bestimmtes Wirtschafts-und Arbeitsmarktmodell festlegen lässt, bietet sich eine weitere Lesart an: Danach geht es nicht nur darum, innerhalb weiterhin unverändert bestehender Strukturen des Arbeitsmarkts und des Arbeitsumfelds durch Maßnahmen, die nichts an diesen Strukturen ändern, auch Raum für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, sondern es geht auch darum, Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld (zum Beispiel Arbeitsprozesse) so zu gestalten,. dass sie den unterschiedlichen menschlichen Lebenslagen gerecht werden und Menschen mit Behinderungen sich darin und auf die ihnen eigene Art mit Arbeitsleistungen einbringen können. Entscheidend ist dann nicht nur, Menschen mit Behinderungen wettbewerbsfähig für einen unverändert vorgegebenen Arbeitsmarkt zu machen, sondern diesen Arbeitsmarkt selbst durch staatliche Maßnahmen so umzugestalten, dass er seinerseits an die Lebenslage Behinderung angepasst wird.[15] Spätestens hier muss man aber die Frage stellen, wie sich eine so verstandene Leitidee eines zu verwirklichenden inklusiven Arbeitsmarktes zum real existierenden Arbeitsmarkt verhält, der vom ökonomischen und politischen Neoliberalismus geprägt ist und der vom Konkurrenzdenken, vom Gewinnstreben, von der betriebswirtschaftlichen Effizienz und von der Tendenz zur marktgesteuerten Selektion und Exklusion bestimmt wird.[16]

Bejaht man indes die Leitidee eines inklusiven Arbeitsmarktes im genannten Sinne, so wird man aus Artikel 27 UN-BRK die Pflicht der Vertragsstaaten abzuleiten haben, aktiv in die „Freiheit“ der marktwirtschaftlichen Arbeitsweltstrukturen einzugreifen: Das Wirtschaftssystem und der von ihm geprägte Arbeitsmarkt hätten dann nicht allein („selbstregulierend“) über die Teilhabechancen am Arbeitsmarkt zu entscheiden (und bei diesen Entscheidungen allenfalls Anregungen vor allem durch staatliche finanzielle Anreize für beispielhafte Initiativen, etwa für Aktionspläne der Unternehmen[17], ins Kalkül zu ziehen). Dies zeigen unter anderem die Erfahrungen mit dem Arbeitsschutz: Ohne gesetzliche Eingriffe und Verpflichtungen würden Unternehmen längst nicht so viel für den Arbeitsschutz tun, wenn überhaupt etwas tun, wie ein Blick in Länder der Dritten Welt lehrt. Zu Recht werden deshalb gesetzliche Maßnahmen gefordert, beispielsweise zur Optimierung der beruflichen Ausbildung behinderter Menschen, zur Herstellung von Barrierefreiheit am Arbeitsplatz, zu umfassenden angemessenen Vorkehrungen am Arbeitsplatz, etwa im Hinblick auf behinderungsgerechte Arbeitsplätze (§ 81 Absatz 4 SGB IX), zur Erweiterung der Mitbestimmungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt, zur Erhöhung der Pflichtquote und der Ausgleichsabgabe (§§ 71 ff. SGB IX), zur Erweiterung des Anwendungsbereichs von Integrationsvereinbarungen (§ 83 SGB X) und zu weitergehenden Verpflichtungen im Hinblick auf das Betriebliche Eingliederungsmanagement (§ 84 Absatz 2 SGB IX).



[13] Zu solchen Vorschlägen und Forderungen zu Art. 27 UN-BRK vgl. z. B. BRK-ALLIANZ (Hrsg.), wie Anm. 10, S. 58 ff.

[14] Vgl. Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (…), wie Anm. 9, Absatz 48: „to ensure that they are competitive in the open labour market on an equal basis with others“ (deutsche Übersetzung im obigen Text wie bei Anm. 9 vom Deutschen Institut für Menschenrechte).

[15] Zur Inklusion im Sinne der UN-BRK vgl. Gudrun Wansing, Der Inklusionsbegriff in der Behindertenrechtskonvention, in: Antje Welke (Hrsg.), UN-Behindertenrechtskonvention mit rechtlichen Erläuterungen, Berlin 2012, S. 93 – 103, ferner Klaus Lachwitz, Erläuterungen zu Art. 3 UN-BRK, in: Marcus Kreutz/Klaus Lachwitz/Peter Trenk-Hinterberger, Die UN-Behindertenrechtskonvention in der Praxis, Köln 2013, S. 81.

[16] Siehe dazu G. Wansing, wie Anm. 1, S. 388 ff. Zum akademischen und politischen Neoliberalismus (z. B. zur Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes) eingehend die Monografie von Bernhard Walpen, Die offenen Feinde und ihre Gesellschaft, Hamburg 2004. Bemerkenswert ist auch die Einschätzung, die Friedrich A. von Hayek, einer der wichtigsten Vertreter des Neoliberalismus, zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten äußert: „Schon das kleinste Quäntchen von gesundem Menschenverstand hätte den Verfassern des Dokuments (Gemeint sind die Verfasser des entsprechenden Menschenrechtspakts – TH) sagen müssen, daß das, was sie zu allgemeinen Rechten erklären, in der Gegenwart und für alle vorhersehbare Zukunft vollkommen unerreichbar ist.“ (in: Recht, Gesetz und Freiheit – Eine Neufassung der liberalen Grundsätze der Gerechtigkeit und der politischen Ökonomie, Tübingen 2003, S. 256).

[17] Dazu Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.), Zusammenarbeiten – Inklusion in Unternehmen und Institutionen. Ein Leitfaden für die Praxis, Berlin 2013, mit zahlreichen Praxisbeispielen, darunter Boehringer Ingelheim, Aktionsplan 2012 – 2020 – Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Ingelheim 2012 (online abrufbar unter: www.boehringer-ingelheim.de, siehe dazu auch den Beitrag von Olaf Guttzeit in diesem Band S. 118 ff.).

Rechtspflicht zur Realisierung einer humaneren und gerechteren Arbeitswelt

Resümierend bleibt festzustellen, dass die Vertragsstaaten die Rechtspflicht haben, entsprechend den zentralen Leitideen des Artikels 27 Absatz 1 UN-BRK einen Paradigmenwechsel einzuleiten und sich dabei von einer Vision zur Gestaltung einer humaneren und gerechteren Arbeitswelt leiten zu lassen, in der es – mit den Worten der Enzyklika Laborem exercens – dem behinderten Menschen „möglich wird, sich nicht am Rande der Arbeitswelt und in Abhängigkeit von der Gesellschaft zu fühlen, sondern als vollwertiges Subjekt der Arbeit, nützlich für das Ganze, um seiner Menschenwürde willen geachtet und berufen, (…) nach seinen Fähigkeiten beizutragen“.[18]



[18] Vgl. Papst Johannes Paul II., Enzyklika „Laborem exercens“, Vatikan 1981, unter IV. Nr. 22 („Der behinderte Mensch und die Arbeit“), ferner Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Vatikan 2013, S. 36 f. („Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung“), beide online abrufbar unter: www.vatican.va.

Zusammenfassung

Menschen mit Behinderung haben das Recht, einen Beruf zu lernen. Sie sollen dort arbeiten können, wo Menschen ohne Behinderung auch arbeiten, zum Beispiel in Ämtern und Betrieben. Menschen mit Behinderung sollen selber entscheiden, ob sie mit Menschen ohne Behinderung zusammen arbeiten wollen oder ob sie in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten wollen. Die Werkstatt für Menschen mit Behinderung muss sich aber ändern. Sie muss ein Sozial-Unternehmen werden. Menschen mit Behinderung sollen für ihre Tätigkeit eine angemessene Entlohnung erhalten. Sie müssen in der Werkstatt auch mehr Rechte bekommen. Deutschland soll mit Betrieben reden und ihnen Geld geben. Damit sie mehr Menschen mit Behinderung eine Arbeit geben. Und Deutschland soll dafür sorgen, dass Betriebe behinderte Menschen tatsächlich beschäftigen und dass behinderte Menschen einen Ausbildungsplatzerhalten.

Quelle

Peter Trenk-Hinterberger: Arbeit, Beschäftigung und Ausbildung. In: Theresia Degener/Elke Diehl (Hrsg.): Handbuch der Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2015. S. 105-117.

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Stand: 17.10.2018

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