Gesetzlicher Kontext der beruflichen Eingliederungshilfen und Konsequenzen für den IF 2 Saarbrücken

Autor:in - Andrea Biehl
Themenbereiche: Recht, Arbeitswelt
Textsorte: Buch
Releaseinfo: Erschienen in: Schnell, Irmtraud [Hrsg.]; Sander, Alfred [Hrsg.]: Inklusive Pädagogik. Julius Klinkhardt: Bad Heilbrunn 2004.
Copyright: © Julius Klinkhardt 2004

Gesetzlicher Kontext der beruflichen Eingliederungshilfen und Konsequenzen für den IF 2 Saarbrücken

Für die dauerhafte Eingliederung von benachteiligten und behinderten Menschen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft und somit auch für den Saarbrücker Modellversuch „Zweijähriger Integrativer Förderlehrgang“ (IF2), der diese Ziele verfolgt, sind besonders das Dritte Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung), das Neunte Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) und das Achte Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe) relevant. Die gesetzlichen Bestimmungen gewährleisten zum einen die finanzielle Förderung der drei Träger der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (Diakonisches Werk an der Saar, Ausbildungszentrum Burbach gGmbH, Elternverein Miteinander Leben Lernen e.V.) durch das Arbeitsamt Saarbrücken. Zum anderen regeln sie die Unterstützung der als lern- und geistigbehindert geltenden Teilnehmer/innen während und nach dem IF2 und nach dem Übergang in die Arbeitswelt die finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber bzw. Ausbildungsbetriebe und die Leistungen an Träger der Einrichtungen der beruflichen Aus- oder Weiterbildung oder der beruflichen Rehabilitation.

1 Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III)

Durch die Reform des Arbeitsförderungsrechtes und seine Eingliederung ins Sozialgesetzbuch wurde auch das Recht zur Förderung der beruflichen Rehabilitation, auf dem Berufsvorbereitungsmaßnahmen wie der Saarbrücker IF2 beruhen, umgestaltet. Durch die Leistungen der Arbeitsförderung sollen u.a. die Möglichkeiten von benachteiligten Ausbildung- und Arbeitsuchenden für eine Erwerbstätigkeit verbessert werden (vgl. § 1 Abs. 1 SGB III). Sie beinhalten Leistungen an den Arbeitnehmer[1] (s. § 3 Abs. 1 Nr. 1-11, §§ 45-216 SGB III), Leistungen an den Arbeitgeber (s. § 3 Abs. 2 Nr. 1-4, §§ 217-239 SGB III) und Leistungen an Träger von Arbeitsförderungsmaßnahmen (s. § 3 Abs. 3 Nr. 1-5, §§ 240-279 SGB III).

Bei den Leistungen an Arbeitnehmer wird unterschieden zwischen allgemeinen Leistungen, die in gleicher Weise Nichtbehinderten gewährt werden, und besonderen Leistungen für behinderte Menschen[2]. Die allgemeinen Leistungen umfassen gemäß § 100 SGB III Leistungen zur

  • Unterstützung der Beratung und Vermittlung (§§ 45-47 SGB III),

  • Verbesserung der Aussichten auf Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 48-52 SGB III),

  • Förderung der Aufnahme einer Beschäftigung (§§ 53-56 SGB III),

  • Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (§§ 57, 58 SGB III),

  • Förderung der Berufsausbildung (§§ 59-76 SGB III),

  • Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 77-96 SGB III).

Nach § 59 SGB III haben Auszubildende, zu denen auch die Teilnehmer/ innen an berufsvorbereitenden Maßnahmen zählen, Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe. Behinderte Menschen, wie die Teilnehmer/innen des IF2, haben während einer solchen Maßnahme Anspruch auf Ausbildungsgeld (vgl. § 104 Abs. 1 SGB III). Der Bedarf ist in § 106 SGB III festgelegt und beträgt 192 Euro monatlich (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAFöG), dazu kommen Fahrkosten und die Kosten für die Verpflegung.

Nach Ende des zweijährigen Förderlehrgangs und dem Übergang in die Arbeitswelt sind für die Arbeitgeber bzw. Ausbildungsbetriebe der Teilnehmer/ innen des IF2 folgende Leistungen der Arbeitsförderung relevant. Sie stellen einen finanziellen Anreiz zur Einstellung eines behinderten Menschen dar und verbessern so dessen Chancen auf Eingliederung in die Arbeitswelt:

  • Eingliederungszuschüsse[3] (§218 SGB III),

  • Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen (§ 222 a SGB III i.V.m. § 104 SGB IX),

  • Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung (§ 235 SGB III),

  • Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung schwerbehinderter Menschen (§ 235a SGB III i.V.m. § 104 SGB IX),

  • Zuschüsse zur Aus- oder Weiterbildung behinderter Menschen (§ 236 SGB III),

  • Arbeitshilfen für behinderte Menschen[4] (§ 237 SGB III),

  • Probebeschäftigung behinderter Menschen[5] (§ 238 SGB III).

Auch den Trägern von Arbeitsförderungsmaßnahmen werden Leistungen nach dem SGB III gewährt. Zu den Einrichtungen, die Arbeitsförderungsmaßnahmen durchführen, gehören neben Einrichtungen der beruflichen Aus- oder Weiterbildung auch Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, die z.B. berufsvorbereitende Maßnahmen durchführen. Zu diesen zählt auch der Saarbrücker Förderlehrgang IF2. Seine Träger erhalten Leistungen wie Darlehen und Zuschüsse, z.B. für die Ausstattung der Einrichtungen (vgl. § 248 SGB III).

Die Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung erhalten Träger förderungsfähiger Maßnahmen. Als solche gelten ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) nach § 241 Abs. 1 SGB III, die Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung (BaE) nach § 241 Abs. 2 SGB III, die einige Teilnehmer/ innen nach dem IF2 begonnen haben, und Übergangshilfen nach § 241 Abs. 3 SGB III. Diese setzen außerhalb einer betrieblichen oder außerbetrieblichen Ausbildung abH bis zur Aufnahme einer weiteren Ausbildung (nach Abbruch) oder zur Begründung bzw. Festigung eines Arbeitsverhältnisses fort (vgl. § 241 Abs. 3 SGB III). Als förderungsbedürftig gelten u.a. „lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Auszubildende“, die wegen der in ihrer Person liegenden Gründe ohne die Förderung eine Berufsausbildung nicht beginnen, fortsetzen, erfolgreich beenden können oder die nach Ausbildungsabbruch eine weitere Ausbildung nicht beginnen oder nach erfolgreicher Ausbildung ein Arbeitsverhältnis nicht begründen oder festigen können" (§ 242 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 SGB III). Die Förderung der Träger umfasst gemäß § 243 SGB III Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung (s. § 244), Maßnahmekosten, z.B. für erforderliches Ausbildungs- oder Betreuungspersonal (s. § 245), und sonstige Kosten wie die Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen des Ausbildungs- und Betreuungspersonals (s. § 246).



[1] Zur Arbeitsförderung berechtigt sind u.a. Auszubildende, zu denen Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zählen (s. § 14 SGB III), und Behinderte (s. § 19 SGB III). Als behindert im Sinne des SGB III gelten „Menschen, deren Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Neunten Buches nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen“ (§ 19 Abs. 1). „Behinderten Menschen stehen Menschen gleich, denen eine Behinderung mit den in Absatz 1 genannten Folgen droht“ (§19 Abs. 2).

[2] Die besonderen Leistungen für behinderte Menschen umfassen gemäß § 103 SGB III

das Übergangsgeld nach den §§160 bis 163 SGB III,

das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann, und

die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme.

[3] Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten, die Arbeitgeber zur Eingliederung von förderungsbedürftigen Arbeitnehmern zum Ausgleich von Minderleistungen erhalten können (vgl. § 217 S. 1 SGB III). Als förderungsbedürftig gelten Arbeitnehmer, „die ohne die Leistung nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können“ (§ 217 S. 2). Unter anderem können solche Eingliederungszuschüsse dann erbracht werden, wenn Arbeitnehmer eine besondere Einarbeitung zur Eingliederung benötigen (vgl. § 218 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) oder wenn Arbeitnehmer, „insbesondere Langzeitarbeitslose, schwerbehinderte oder sonstige behinderte Menschen, wegen in ihrer Person liegender Umstände nur erschwert vermittelt werden können“ (§ 218 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).

[4] Zuschüsse für eine behindertengerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen (vgl. § 237 SGB III).

[5] Erstattung der Kosten für eine befristete Probebeschäftigung behinderter, schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen bis zu einer Dauer von drei Monaten (vgl. § 238 SGB III).

2 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX)

Mit dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – hat die Bundesregierung das Recht der Rehabilitation behinderter Menschen weiter entwickelt und in einem eigenen Sozialgesetzbuch zusammen gefasst. Teil 1 enthält die Regelungen für behinderte[6] und von Behinderung bedrohte[7] Menschen, Teil 2 das Schwerbehindertenrecht[8] (Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen). Im Mittelpunkt des SGB IX steht die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen durch Sozialleistungen, die deren gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsleben fördern sollen und Benachteiligungen vermeiden oder ihnen entgegenwirken sollen (vgl. § 1 S. 1 SGB IX).

Für die Teilnehmer/innen des zweijährigen Integrativen Förderlehrgangs besonders relevant sind die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (s. § 33 SGB IX). Ziel dieser ist es, „die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern“ (§33 Abs. 1 SGB IX). Sie umfassen insbesondere:

  • „Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen,

  • Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung,

  • berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen,

  • berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden,

  • Überbrückungsgeld entsprechend § 57 des Dritten Buches durch die Rehabilitationsträger [...],

  • sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten“ (§ 33 Abs. 3 Nr. 1-6 SGB IX).

Die genannten Leistungen werden auch für Zeiten notwendiger Praktika erbracht (vgl. § 33 Abs. 5 SGB IX). Sie umfassen medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, insbesondere z.B. die Aktivierung von Selbsthilfepotentialen (§ 33 Abs. 6 Nr. 2 SGB IX) und das Training lebenspraktischer Fähigkeiten (§ 33 Abs. 6 Nr. 6 SGB IX), wenn diese im Einzelfall erforderlich sind.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können auch den Arbeitgebern und Ausbildungsbetrieben gewährt werden, insbesondere als

  • Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,

  • Eingliederungszuschüsse,

  • Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb und

  • teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung (§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-4 SGB IX).

Soweit es die Art und Schwere der Behinderung erforderlich machen, werden die Leistungen durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation durchgeführt (vgl. § 35 SGB IX).

Für die schwerbehinderten[9] Teilnehmer/innen des Förderlehrgangs ergeben sich nach der zweijährigen Maßnahme besondere Möglichkeiten und Unterstützungsangebote, die in Teil 2 des SGB IX geregelt sind:

  • Arbeitsassistenz (§102 Abs. 4 SGB IX),

  • Integrationsprojekte (§ 132 SGB IX),

  • Integrationsfachdienste (§ 110 SGB IX).

Schwerbehinderte Menschen haben einen Rechtsanspruch auf die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz, als Teil der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, durch die Integrationsämter (vgl. § 102 Abs. 4 SGB IX). Die Arbeitsassistenz unterstützt den behinderten Menschen als Auftraggeber nach dessen eigener Anweisung durch die Erledigung von Hilfstätigkeiten. Arbeitsassistenz kommt dann in Betracht, wenn eine nicht nur gelegentliche, sondern regelmäßige Unterstützung des schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitsausführung notwendig ist. Für die schwerbehinderten Teilnehmer/innen des IF2, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, kam eine Arbeitsassistenz nicht in Frage.

Integrationsprojekte sind Integrationsunternehmen, -betriebe und -abteilungen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. § 132 SGB IX). Diese durch das Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) neu geregelte Form der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziell unterstützt. Die Integrationsprojekte bieten einen Arbeitsplatz und Betreuung, Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung, Unterstützung bei der Vermittlung in eine Beschäftigung in einem sonstigen Betrieb und Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Beschäftigung in einem Integrationsprojekt (vgl. § 133 SGB IX). Sie beschäftigen 25 bis 50 % schwerbehinderte und 50 bis 75 % nichtbehinderte Menschen (vgl. § 132 Abs. 3 SGB IX). Im Saarland gibt es zur Zeit vier Integrationsprojekte[10]. Von den Teilnehmer/innen des ersten IF2 arbeitet nach Ende der Maßnahme im August 2001 keine/r in einem Integrationsprojekt.

Integrationsfachdienste sind „Dienste Dritter, die im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit, der Rehabilitationsträger und der Integrationsämter bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter [oder ihnen gleichgestellter[11]] Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden“ (§ 109 Abs. 1 SGB IX), die also an der „Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung“ (§ 110 Abs. 1 SGB IX) eines schwerbehinderten Menschen mitarbeiten. Sie sollen die schwerbehinderten Menschen beraten, unterstützen, auf geeignete Arbeitsplätze vermitteln, geeignete Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erschließen, auf diese vorbereiten, am Arbeitsplatz begleiten und nachbetreuen. Darüber hinaus sollen sie die Arbeitgeber und Mitarbeiter informieren, beraten und ihnen Hilfe leisten (vgl. § 110 Abs. 1 Nr. 1-2 und § 110 Abs. 2 Nr. 1-7 SGB IX). Im Saarland ist Träger des Integrationsfachdienstes die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW), die arbeitslosen behinderten Menschen Unterstützung bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes bietet. Ein anderer Teil des Integrationsfachdienstes ist der berufsbegleitende Dienst, der behinderte und psychisch kranke Menschen, die im Arbeitsleben stehen, und deren Arbeitgeber berät und unterstützt (z.B. bei Leistungsproblemen und sozialen Konflikten am Arbeitsplatz). Auch die drei Teilnehmer/innen des IF2, die einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden haben, werden vom Berufsbegleitenden Dienst betreut.



[6] Als behindert im Sinne des SGB IX gelten Menschen, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX).

[7] Von Behinderung bedroht sind Menschen, „wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist“ (§ 2 Abs. 1 S. 2 SGB IX).

[8] früher: Schwerbehindertengesetz (SchwbG), dann novelliert: Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter (SchwBAG)

[9] Schwerbehindert im Sinne von Teil 2 des SGB IX sind Menschen, „wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt [...]“ (§ 2 Abs. 2 SGB IX).

[10] TGOD GmbH (Technisch Gewerbliches Outsourcing und Dienstleistungen) in Saarbrücken- Klarenthal mit 10 Plätzen, Neta Reinigungsfirma GmbH in Dillingen mit 10 Plätzen, CEBIS Berufliche Integration und Service GmbH in Merzig mit 8 Plätzen, ,Kiosk mit Biss’ in Homburg mit 5 Plätzen.

[11] „Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz [...] nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen)“ (§ 2 Abs. 3 SGB IX).

3 Diskussion

Den ersten IF2 in Saarbrücken haben Ende August 2001 24 Teilnehmer/innen beendet: 18 mit sogenannter Lernbehinderung (L) und sechs mit sogenannter geistiger Behinderung (G) und Schwerbehindertenstatus. Die jungen Erwachsenen haben nach Ende der zweijährigen Maßnahme unterschiedliche Wege auf den Arbeitsmarkt eingeschlagen:

Tab. 1: Verbleib nach dem ersten IF2

L-Teilnehmerlnnen

G-Teilnehmerlnnen

beim Übergang

nach 9 Mon

beim Übergang

nach 9 Mon

BaE 7 6 0 0

Arbeit

1 1 3 3

Schule (BGJ, BVJ)

4 3 0 0

WfbM (BBB)

2 3 3 3
ohne Arbeit 4 5 0 0

Dabei standen den Teilnehmer/innen mit sog. geistiger Behinderung und Schwerbehindertenstatus besondere Förderungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung, z.B. eine Übergangsbegleitung, erst durch eine Pädagogin des Elternvereins ‚Miteinander Leben Lernen’, dann durch den Berufsbegleitenden Dienst. Die Teilnehmer/innen mit sogenannter Lernbehinderung waren nach dem Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und bei der Fortsetzung der Berufsvorbereitung in der Schule (Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorbereitungsjahr) ohne sozialpädagogische Unterstützung.

Bei der Nacherhebung der Wissenschaftlichen Begleitung stellte sich aber heraus, dass für diese Gruppen eine weitergehende Unterstützung von ebenso großer Bedeutung ist.

Zu erreichen wäre diese Unterstützung für die zwar als behindert, nicht aber als schwerbehindert geltenden jungen Erwachsenen über das Achte Sozialgesetzbuch ‚Kinder- und Jugendhilfe’. Nach § 13 (Jugendsozialarbeit) SGB VIII sollen jungen Menschen, die „zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, [...] im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern“ (§13 Abs. 1 SGB VIII). Neben berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zur Förderung der Eingliederung in die Arbeitswelt sind dies auch Beratungsdienste und schulische Unterstützungshilfen zur sozialen Integration (vgl. MÜNDER 2003, § 13 Rn. 11, S. 176). Die Jugendsozialarbeit zielt mit ihren Angeboten u.a. auf die Handlungsfelder Schule, Ausbildung und Arbeit ab (MÜNDER 2003, § 13 Rn. 2, S. 173). Zielgruppe sind junge Menschen, die noch nicht 27 Jahre alt sind[12], mit „sozialen Benachteiligungen oder individuellen Beeinträchtigungen, die in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind“ (a.a.O., § 13 Rn. 4, S. 174). Zu den individuellen Beeinträchtigungen zählt u.a. die Behinderung, insbesondere Lernbeeinträchtigungen, Lernstörungen und -schwächen. Es geht also um jene junge Menschen, „die ohne besondere Hilfe keinen angemessenen Zugang zur Arbeitswelt finden und ihre berufliche wie gesellschaftliche Eingliederung allein nicht schaffen (können)“ (a.a.O., § 13 Rn. 6, S. 175). Dazu gehören auch die volljährigen Absolventen des zweijährigen Förderlehrgangs mit sog. Lernbehinderung, die nach dem Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Unterstützung sind, und diejenigen, die, mit überwiegend schlechten schulischen Erfahrungen, die Berufsvorbereitung in der Schule fortsetzen, ebenfalls ohne sozialpädagogische Unterstützung.

Damit der Übergang von der Schule auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und somit das gesetzlich verankerte Ziel der Eingliederung in die Arbeitswelt für alle gleichermaßen gelingen kann, sollte die sozialpädagogische Unterstützung, die während dem zweijährigen Förderlehrgang gewährt wird, nicht für Einige abrupt enden, sondern für alle Teilnehmer/innen fortgesetzt werden. Hierzu sollten die bereits existierenden gesetzlichen Grundlagen entsprechend genutzt werden.



[12] vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII

Literatur

ACHTES SOZIALGESETZBUCH SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe – in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998

BUNDESAUSBILDUNGSFÖRDERUNGSGESETZ (BAföG), Stand: 1.4.2001

DRITTES SOZIALGESETZBUCH SGB III – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997

NEUNTES SOZIALGESETZBUCH SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – vom 19. Juni 2001

MÜNDER, JOHANNES u.a.: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe. Stand: 1.1. 2003. Weinheim, Berlin, Basel 2003

Quelle

Andrea Biehl: Gesetzlicher Kontext der beruflichen Eingliederungshilfen und Konsequenzen für den IF 2 Saarbrücken

Erschienen in: Schnell, Irmtraud [Hrsg.]; Sander, Alfred [Hrsg.]: Inklusive Pädagogik. Julius Klinkhardt: Bad Heilbrunn 2004.

bidok-Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 28.06.2018

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