"Ich sehe mich NICHT als behindert!"

Studie über die Lebensbedingungen von Menschen mit besonderen Fähigkeiten

Schlagwörter: Erfahrungsbericht, Biografie, Selbstbestimmung, Sexualität, Bildung, Beziehung, Diskriminierung, Arbeit, Partnerschaft, Freizeit, Studie, Liebe
Textsorte: Broschüre
Releaseinfo: ISBN 3-200-00205-0
Copyright: © Verein Tafie Innsbruck-Land 2003

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Liebe AutorInnen, liebe LeserInnen!

Es ist uns eine große Freude, dass wir bei dieser wichtigen Studie das Vorwort verfassen dürfen. Für uns ist es vor allem von Bedeutung, dass Menschen mit besonderen Fähigkeiten sich mit ihrer eigenen und der "Betroffenheit" anderer auseinandersetzen und dies auch in Form der vorliegenden Broschüre veröffentlichen.

Ein recht bekannter "Spruch" lautet: Behindert ist man nicht, Behindert wird man!

Die Broschüre zeigt Beispiele auf, die sich in diesem Spruch widerspiegeln. Es geht um die manchmal sehr schwierigen Lebensbedingungen und jenes was oft bewusst oder unbewusst, gedankenlos oder verständnislos verhindert wird.

Die Aufarbeitung der Studienergebnisse zeigt ganz deutlich, wie wichtig es ist, dass sich betroffene Menschen selber zu Wort melden und über ihre Lebenssituation berichten. Von der Kindheit an bis zu den Bildungsmöglichkeiten und dem Thema Arbeit und Wohnen machen sie sichtbar, wo es überall noch viel Bedarf für Verbesserungen gibt.

Während des letzten halben Jahres haben wir miterlebt, wie engagiert sie sich dieser Aufgabe gestellt haben. Und wie viel Sie und Ihre InterviewpartnerInnen zu sagen haben, haben wir von Woche zu Woche daran gemerkt, dass diese Studie immer umfangreicher wurde.

Die vorliegende Broschüre schafft Mut und Zuversicht, dass sich immer mehr "ExpertInnen in eigener Sache" auf den Weg machen und Verständnis für notwendige Veränderungen schaffen.

Wir gratulieren den Mitgliedern der Studiengruppe zur Veröffentlichung der Broschüre.

Ulrike Schindl-Helldrich, Reinhard Hug

(Tafie Innsbruck-Land)

Danke

Danke!

Wir bedanken uns bei den staatlichen Geldgebern für die Finanzierung der Studie und der Broschüre.

Verein Tafie Innsbruck-Land

Tiroler Arbeitskreis für integrative Erziehung

Studienprojekt

"Ich sehe mich NICHT als behindert!"

Das Studienprojekt wird gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft.

Weiters gefördert aus Mitteln der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung.

Einleitung

Servus und Herzlich Willkommen!

Wer sind wir?

Wir sind Reinhard, Kathrin, Christian und Daniela.

Eine Zeit lang war auch Tina Schindl bei uns. Wir bedanken uns bei Tina für die wichtigen Informationen, die sie uns über das Erwachsen-Werden beigebracht hat.

Und es ist uns nicht leicht gefallen, Tina zu verabschieden.

Lisa ist unsere Begleiterin und Ra(d)tgeberin

Was haben wir gemacht?

Wir arbeiten seit August 2002 an einer "Studie über die Lebensbedingungen von Menschen mit besonderen Fähigkeiten in Tirol." Die Studie ist die Vorarbeit für das vorliegende Heft. Das Heft wird in Fachkreisen eine "Broschüre" genannt. Es ist nicht so leicht wie es aussieht, eine Broschüre zu machen. Es hat ein halbes Jahr gebraucht, bis die Broschüre fertig war.

Wir wollen uns nun mit der Herstellung einer solchen Broschüre befassen. Ganz am Anfang braucht man Geldgeber, die die Finanzierung übernehmen. Und man braucht einen Trägerverein. Das heißt: Ein Verein muss die Idee unterstützen, helfen und die Verantwortung übernehmen. Zum Beispiel unser Verein ist der Tafie-Innsbruck-Land.

Wir haben eine Anleitung, die sich in folgende Teile spaltet:

  1. Die Idee: Themensuche

  2. Auseinandersetzung mit den Themen (Texte lesen, viel reden, ...)

Thema: eine bestimmte Sache.

Zum Beispiel das Thema Liebe und Sexualität.

  1. Informationen einholen (Telefonate, Gespräche, Internet, ...)

  2. Kontakt zu Gleichgesinnten (Selbsthilfe-Gruppen)

  3. Treffen mit Expertinnen und Experten: Wie macht man Interviews?

  4. Interviews führen und auf Tonband aufnehmen

  5. Material (Tonbandaufnahmen, Texte ...) durchschauen und auswählen

  6. Zusammenfassung, Kürzung, Diskussion in der Gruppe

  7. Produktion (Texte selber schreiben, Bilder suchen, Interviewteile auswählen, ...) und für Layout bereit machen.

  8. Layoutieren (= Bilder, Texte und Grafiken gestalten) und Drucken.

  9. Ergebnis: Nach dem Drucken und Binden hat man ein komplettes Heft hergestellt, das je nachdem wie kreativ man ist verschieden aussehen kann. Trotzdem ist es wichtig, eine Gliederung und Übersicht zu bewahren und viele Hintergrundinformationen zu haben.

  10. Präsentation: Vorstellung des Heftes auf einer Tagung, bei einem Vortrag, ...

Viel Erfolg!

Warum eine Studie?

Die Studie macht Informationen zur Selbstvertretung und Selbstbestimmung.

Sie erzählt von Lebensgeschichten von Menschen mit besonderen Fähigkeiten.

Das Ziel der Studie ist es aufzuklären über die Lebensbedingungen von Menschen mit besonderen Fähigkeiten.

Mit Integration und Aussonderung haben wir uns auch viel beschäftigt.

In Sonderschulen, Werkstätten, Heimen und in der Psychiatrie haben wir das Gefühl, eingesperrt zu sein.

Es gibt wenig Wahlmöglichkeiten im Umgang mit sogenannten "normalen" Menschen, weil viele Menschen in verschiedene Sondereinrichtungen kommen ohne gefragt zu werden.

Es gibt wenig Wahlmöglichkeiten in der freien Wirtschaft, einen Arbeitsplatz zu finden, selbständig zu wohnen, selber Freizeit zu gestalten und Freunde zu treffen.

Wir wollen für alle das Recht auf eigene Freiheit, das heißt, selbst zu bestimmen, was jede und jeder will.

Was haben wir gemacht?

Wir sind ein unschlagbares, verrücktes Team!

Wir haben viel über uns selbst nachgedacht und viel geredet.

Wir haben auch selber Erfahrungen mit dem nichtrespektvollen Umgang gemacht. Zum Beispiel in der Schule oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus oder Straßenbahn). Wir haben selber auch etwas über den respektvollen Umgang mit Menschen gelernt.

Respekt: Achtung, Anerkennung, gelten lassen.

nicht respekt-voller Umgang: abwertendes Verhalten, zum Beispiel Beschimpfungen.

Und das Zusammengehörigkeitsgefühl haben wir auch neu kennen gelernt, so nach dem Motto:

"Wir lassen uns keine Diskriminierung bieten!"

Das Auseinandersetzen mit der eigenen Behinderung ist bei dieser Arbeit notwendig. Es war nicht immer gerade leicht sich damit zu beschäftigen, dass man selber behindert ist oder dass man selber nicht sozusagen "normal" ist.

Das dabei entstandene Gefühl ist wie wenn man von einem 10-Meter-Brett hinunterspringt

und taucht, taucht, immer tiefer,

bis man an einem Punkt wieder auftaucht.

Dann muss man sich neu orientieren.

Das ist ein bisschen wie eine Wiedergeburt.

Durch die Erfahrung wird man ein neuer Mensch und lernt sich selber besser kennen.

Nur zusammen als Gruppe taucht man da durch.

Humor ist auch ganz wichtig. Wegen unserer Besonderheiten haben wir auch Spitznamen: Wir sind auch der Plauderonkel, ("Sorry mei Fex!"), die Naseweiß ("weil ich alles besser weiß"), der Scherzkeks ("Hey, weißt du den neuesten Witz?"), die Bürohexe ("Was ist da für eine Unordnung?") und die Projektmama (die uns mit Informationen zudeckt und uns beim Essenkochen hilft).

Und dann gibt es noch die Fernsehtante ("Hey, du sitzt nicht in der richtigen Position!"), die einige Interviews für einen Film gefilmt hat, und beim Tafie den Kiesonkel und die Kiestante.

Lesen, Reden, Diskutieren, Informieren

Wir brauchten einige Texte mit Lebensgeschichten. Diese Texte haben uns dazu bewegt, viel zu diskutieren.

Wir haben eine Lebensgeschichte von einer sogenannten "geistig" behinderten Frau gelesen. Dieser Text von Angelika Mauracher Katharina ist in unserer Broschüre veröffentlicht. Er soll der Öffentlichkeit zeigen, dass es keine Lösung für das allgemeine Wohlbefinden der Gesellschaft ist, wenn man Gewalt gegen Menschen mit besonderen Fähigkeiten ausübt.

Wir sind froh, unsere eigenen Entscheidungen treffen zu können. Denn viele Menschen werden bevormundet, was mit ihnen geschehen soll. Zum Beispiel, wenn sie in die Psychiatrie oder in Heime kommen.

Wir 4 sind alle in Schulen gegangen und haben die Chance bekommen, uns weiterzubilden. Wir konnten in Berufsorientierungsprojekte gehen und wir können Praktika aussuchen und schauen, was uns gefällt. Wir können uns frei bewegen.

Viele ältere Menschen mit besonderen Fähigkeiten haben es schwieriger, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Sie haben oft keine Gelegenheit gehabt, in Schulen zu gehen oder einen Beruf auszuüben.

Um uns zu informieren, haben wir Gespräche mit ExpertInnen geführt: Beim Arbeitsmarktservice, mit Volker Schönwiese und Klaus Burgstaller.

Ein Experte oder eine Expertin ist eine Person, die sich auf ein gewisses Thema beschränkt und sich bei diesem Thema gut auskennt und gerne darüber Auskunft gibt.

Organisationsarbeit

Organisationsarbeit, das heißt:

  • Telefonate führen mit ExpertInnen, mit Menschen aus der Politik, mit Menschen mit besonderen Fähigkeiten.

  • E-mails und Briefe schreiben und verschicken

  • Informationen zu bestimmten Themen aus dem Computer /Internet suchen.

Uns erreichen sie auch per E-Mail.

Dafür haben wir uns extra eine E-Mail-Adresse angelegt:

ch.niedermayer@gmx.at

reinhard.koebler@gmx.at

daniela.pittl@gmx.at

tafie-freiraum@gmx.at (Kathrin)

Vorbereitung der Interviews

Wir haben auch mit Expertinnen über Interviews und Wissenschaft gesprochen. Mit Frau Alexandra Weiss (Wissenschafterin) haben wir über die Frage gesprochen: Was ist wissenschaftliche Arbeit? Wie macht man eine Studie? Zwei Treffen haben wir mit Frau Waltraud Kannonier (Institut für Soziologie, Universität Innsbruck) gehabt zur Frage: Wie macht man Interviews? Wir haben auch zwei Probeinterviews gemacht.

Wissenschaft: Man versucht, etwas Neues herauszufinden.

Ein Interview ist eine Art Gespräch. Eine Person fragt. Die andere Person antwortet.

Wenn man selber interviewt, ist man die fragende Person.

Die Antworten auf die ersten Probeinterviews sind nur mit Ja oder Nein beantwortet worden, weil wir noch zu wenig Übung gehabt haben, um jemanden zu interviewen.

Mit Lisa haben wir auch über das Interviewen geredet und geübt und kopierte Teile aus anderen Studien gelesen und einen Interviewleitfaden geschrieben und mehrmals verändert.

In einem Interviewleitfaden stehen aufgezählte Fragen zu verschiedenen Themen, die uns zur Orientierung bei den Interviews gedient haben. Wir haben viel geredet und überlegt, was wir von anderen Menschen mit besonderen Fähigkeiten wissen wollen.

Wir haben verschiedene Menschen befragt zu den Themen:

  • Kindheit

  • Schule

  • Ausbildung, Arbeit, Beschäftigung

  • Wohnen, Freizeit

  • Beziehungen, Liebe, Sexualität, Freundschaft

  • Behinderung, Diskriminierung

Wen haben wir interviewt?

Wir haben Interviews geführt mit Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Das waren auch ExpertInnengespräche. Jede und jeder ist sein eigener Experte oder seine eigene Expertin bei Themen, die das eigene Leben betreffen.

Es war ein langer Prozess, 9 Personen zu finden, die für das Interview zugestimmt haben. Wir haben Menschen interviewt, die irgendwer von uns kennt. Wir haben auch unser eigenes Leben beforscht. Die Namen der Personen wurden "anonymisiert", das heißt, dass Personen einen anderen, erfundenen Namen bekommen haben. Kleinere Orte haben wir weggelassen. Die Anonymisierung ist wichtig, um sein Privatleben zu schützen.

Die Experten und Expertinnen, die in der Broschüre über ihr eigenes Lebens sprechen, heißen:

Maria-Theresia, 34 Jahre alt

Anita, 22 Jahre alt

Paula, 23 Jahre alt

Caroline, 24 Jahre alt

Markus, 20 Jahre alt

Gerhard , 26 Jahre alt

Harry, 24 Jahre alt

Sylvia, 21 Jahre alt

Walter, 48 Jahre alt

Wir haben hauptsächlich jüngere Menschen interviewt. Ein älterer Mann kommt zu Wort. Und aus einem anderen Buch haben wir die Lebensgeschichte von Angelika Mauracher Katharina, einer älteren Frau, abgedruckt.

Wir haben Menschen interviewt, die sprechen können. Das heißt: In der Broschüre kommen keine Lebensgeschichten von schwerer behinderten Menschen vor. Es wäre super, wenn andere Menschen sich mit der Geschichte von schwerbehinderten Menschen beschäftigen würden und eine leicht lesbare Broschüre herausbringen würden.

Broschürengestaltung

Die Interviews haben von 45 Minuten bis zu 1,5 Stunden gedauert. Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen und abgetippt (= "transkribiert"). Die Ergebnisse aus den Interviews haben wir dann gegenübergestellt. Wir haben über die Interviews gesprochen und Teile für die Broschüre ausgewählt.

Es gibt Aussagen, die nicht angemessen sind. Zum Beispiel: "Behinderte schaffen nichts." "Sie wollen nicht arbeiten." "Wozu gibt es Arbeitsbeschaffung für Menschen mit besonderen Fähigkeiten?" Es gibt Menschen, die der Ansicht sind, dass Behinderte keine Kinder kriegen sollen, obwohl sie das selbe Recht haben.

In der Broschüre kommen die betroffenen Personen zu Wort und sagen selber, was sie wollen.

Die Broschüre soll dadurch Menschen ohne Behinderung zum Nachdenken anregen und ihnen eine andere Perspektive schaffen. Und sie sollen Vorurteile abbauen.

Menschen mit besonderen Fähigkeiten sollen dadurch erkennen, dass sie akzeptiert werden. Sie können aus den Lebensgeschichten von anderen etwas über sich selbst lernen.

Damit die Interviews besser lesbar sind, wurden die Wiederholungen weggestrichen und manchmal Wörter umgestellt. Wenn jemand zum Beispiel 10 Minuten später noch etwas Wichtiges zum Thema gesagt hat, wurde der Text auch umgestellt und zusammenpassende Erzählungen aus den Interviews zusammengefügt.

Die Broschüre ist einfach zu lesen. Für die leichte Lesbarkeit haben wir eine große Schrift genommen und gemeinsam viele Bilder ausgesucht. Die Broschüre ist lesenswert und ist kein geistiger Sondermüll.

Perspektive: Ansicht oder Betrachtungsweise von einem bestimmten Standpunkt aus. Zum Beispiel: Bei einem Wasserglas kann man je nach Perspektive sagen: "Das Glas ist halb voll"." Oder: "Das Glas ist halb leer."

Tipps zum Lesen der Broschüre

Das große "I":

Meistens werden alle Wörter so geschrieben:

Freunde, Unterstützer, Schüler, ...

Das ist die männliche Form der Wörter.

Das ist die weibliche Form der Wörter:

Freundinnen, Unterstützerinnen, Schülerinnen, ...

Das große "I" schreibt man dann, wenn Frauen und Männer gemeint sind:

FreundInnen, UnterstützerInnen, SchülerInnen,

Erklärungen in Informationskästchen:

Wenn wir ein wichtiges Wort erklären oder Hintergrundinformationen geben, kommt abwechselnd folgende Zeichnung:

In den Informationskästchen befinden sich auch Beschreibungen von Einrichtungen oder Projekten, die wir oder die interviewten Personen wichtig finden.

Wenn es um verschiedene Themen geht, gibt es für die bessere Übersicht dieses Zeichen:

Die gesamte Broschüre ist so geordnet:

Teil 1: Hintergrundinformationen

Teil 2: Jedes Kapitel beginnt mit den Interviews. Dafür gibt es

das Zeichen:

Dann kommen unsere Überlegungen dazu und Auszüge aus den Gesprächen mit anderen ExpertInnen mit dem Zeichen:

Sonst gibt es auch noch ein paar Geschichten zu verschiedenen Themen. Dafür gibt es das Zeichen:

Und es gibt Gedichte aus dem Poesie-Band der Waldorfschule Innsbruck. Bei diesen Gedichten habe ich, Reinhard Köbler, mitgeschrieben.

Aufruf an die UnterstützerInnen oder BetreuerInnen!

Wir ersuchen, dass sie verehrte BetreuerInnen und UnterstützerInnen sich die Zeit nehmen, um Folgendes zu tun:

Lesen sie den Menschen, die nicht oder wenig lesen können, die Broschüre auf ihre Bitte hin vor.

Bitte besprechen Sie auch die Inhalte, damit sie es leichter verstehen.

Was wir sonst noch sagen wollen:

Leider mussten wir die ursprüngliche Fertigstellung hinausziehen, da es nicht möglich war, den Termin einzuhalten, weil wir mit der Arbeit nicht nachgekommen sind. Wir werden die Broschüre gemeinsam präsentieren.

Wir können auch eingeladen werden, um über die Broschüre zu reden.

Wir möchten uns bedanken bei:

Alle, die uns für die Interviews zur Verfügung gestanden sind und alle sonstigen Experten und Expertinnen und beim Verein Tafie und bei den Geldgebern auch.

Zeichnung: Reinhard Köbler

Teil 1: Hintergrund-Informationen

"Menschen mit besonderen Fähigkeiten"

Punktevergabe für die Bezeichnung "Menschen mit geistiger Behinderung"

Warum eine Punktevergabe?

Es gibt viele verschiedene Wörter für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung. Aber jeder Mensch ist normal, auch wenn es Schwierigkeiten gibt, zum Beispiel mit dem Denken. Deshalb gefällt uns die Bezeichnung "geistig behindert" nicht. Die Punktevergabe hilft dabei, ein besseres Wort zu finden.

Und wie würden Sie sich nennen ???

Menschen mit geistiger Behinderung

0 Punkte

Menschen mit Lernschwierigkeiten

1 Punkt

Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten

4 Punkte

Menschen mit besonderen Fähigkeiten

6 Punkte

Menschen mit besonderen Bedürfnissen

4 Punkte

Menschen, die "geistig behindert" genannt werden

3 Punkte

Menschen mit der Diagnose einer geistigen Behinderung

0 Punkte

................

....

Ein Wort, das uns auch gut gefällt, ist:

Menschen mit Beeinträchtigung

 

Unsere Studie heißt deshalb

"Studie über die Lebensbedingungen von Menschen mit besonderen Fähigkeiten in Tirol".

Integration: Gespräch mit Volker Schönwiese

Wir haben ein Gespräch mit Volker Schönwiese geführt. Er arbeitet am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Innsbruck und ist Integrationsexperte.

Christian Niedermayer: Was verstehen sie unter Integration?

Volker Schönwiese: Integration ist - einfach gesagt - die Gemeinsamkeit von Behinderten und Nicht-Behinderten in allen Lebensbereichen: innerhalb der Familie, in der Umgebung der Familie dann im Kindergarten, in der Schule, in der Berufsbildung, im Beruf, im Wohnen.

Natürlich gehört auch alles dazu, was den öffentlichen Verkehr betrifft, das Kino, alle Einrichtungen. Alles soll so ausgestaltet sein, dass Behinderte und Nicht-Behinderte den gleichberechtigten Zugang haben. Das ist für mich Integration.

Reinhard Köbler: Heißt das, dass einfach alles angepasst wird? Zum Beispiel: Wenn jemand blind ist, bekommt er eine andere Tastatur?

Volker Schönwiese: Ja, Hilfsmittel, damit jemand teilnehmen kann, sind ein wichtiger Punkt. Aber es geht nicht darum, dass Behinderte plötzlich anders sein müssen, dass plötzlich ein Blinder sehen muss oder ein Rollstuhlfahrer plötzlich gehen muss oder jemand der Lernschwierigkeiten hat, plötzlich alles können muss, jemand der nicht lesen kann, plötzlich lesen muss.

Denn es geht nicht darum, dass behinderte Personen erst dann integriert sind, wenn sie so sind, wie die anderen.

Sie müssen so sein können, wie sie sind. Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, der ExpertInnen oder der BegleiterInnen, eine Situation herzustellen, damit auch alle miteinander sein können.

Ein Beispiel dafür sind Rampen für Rollstuhlfahrer, denn ich habe keine Lust, dauernd über Stufen getragen zu werden.

Das wäre ja auch möglich: Jemand trägt mich. Aber ich will nicht getragen werden, ich will eine Rampe und ich will selber hinauffahren!

Diskriminierung = Benachteiligung

Kathrin Pfretschner: Ich bin in Salzburg gewesen, ganze vier Monate lang. Und dann haben wir eine Exkursion in das Salzburger Bundessozialamt gemacht und da war ein blinder Mitarbeiter. Ich habe mir früher Gedanken gemacht, wie Blinde sich zurecht finden, weil mir von klein auf gesagt wurde, dass Blinde nicht soviel zusammenbringen.

Volker Schönwiese: Das sind Vorurteile.

Kathrin Pfretschner: Ja. Und dann hat der blinde Mitarbeiter uns aber sein Büro gezeigt.Was mich sehr beeindruckt hat war, dass sein Computer an zwei Druckermaschinen angeschlossen ist. Eine Druckermaschine druckt seine Unterlagen in Blindenschrift aus und auf dem anderen Drucker wird das Ganze in der sogenannten normalen Schrift ausgedruckt, damit die anderen KollegInnen auch wissen, was er geschrieben hat. Und das hat mich dann völlig nachdenklich gemacht.

Volker Schönwiese: Mit der technischen Unterstützung ist vieles möglich und man soll das tun, so gut es geht.

Aber man soll nicht sagen: Jemand wird integriert, weil man die Apparate herstellen kann. Und jemand, für den es keine Apparate gibt, bekommt keine Arbeit, kommt nicht in den Kindergarten zu den anderen Kindern, muss in ein Heim...

Das ist die traditionelle Sonderpädagogik, das lehne ich ab.

Das ist ein wichtiger Punkt: Integration ist für alle!

Reinhard Köbler: Finden sie nicht auch, dass man Vorurteile abbauen sollte?

Volker Schönwiese: Ja, auch Vorurteile müssen dringend abgebaut werden.

Aber ich kann nicht sagen: "Zuerst! dürfen die Leute keine Vorurteile haben. Dann erst gibt es Integration."

Denn Vorurteile bauen sich nur durch die Integration ab.

Wenn sich die Leute begegnen, sehen sie:

"Aha! Du bist nicht blind, du bist nicht lernbehindert, sondern du bist der Herr Müller, der Herr Meier, die Frau So und So. Plötzlich erkenne ich auch die Person und dann tritt die Blindheit oder die Lernbehinderung in den Hintergrund. Sie verschwindet nicht, sie ist trotzdem noch da, aber plötzlich begegnet man sich normal, als Mensch.

Dann verschwinden auch die Vorurteile.

Wir müssen uns treffen und aushalten, dass die Vorurteile da sind. Tut mir Leid, das müssen wir aushalten.

Sonderpädagogik heißt wörtlich:

"Sondererziehung". ErzieherInnen mit dieser Ausbildung passen auf dich auf, damit du der Gemeinschaft nicht auf die Nerven gehst. Sondererziehung führt zur Aussonderung.

Das Gegenteil von Sonderpädagogik ist Integrationspädagogik. In dieser Art der Erziehung werden Menschen wieder eingegliedert und sollen ganz normal in der Gesellschaft leben.

People-First-Bewegung oder: Der Umgang mit der eigenen Behinderung

Der deutsche Name für das englische Wort "People-First" (sprich: Pipl Först) heißt: "Mensch zuerst".

Das bedeutet: Zuerst sieht man den Menschen mit seinen Fähigkeiten, und nicht das Anderssein oder die Behinderung.

Der "1er" ist das Erkennungszeichen von vielen People-First-Gruppen.

Die Geschichte von People First

Vor mehr als 25 Jahren setzte sich in den USA eine Gruppe von behinderten Menschen zusammen. Sie nannten sich People-First.

Jede People First-Gruppe setzt sich ein für Menschen mit besonderen Fähigkeiten in folgenden Bereichen: Arbeit - Wohnen - Freizeit.

In einer People First-Gruppe lernt man viel über Selbstbestimmung.

Auf politischer Ebene wird Folgendes verlangt:

  • Keine Aussonderung!

  • Keine Benachteiligung!

  • Leichte Sprache!

  • Keine Vorurteile!

  • Statt dessen: Gleichberechtigung und Selbstentwicklung

Eine Politische Bewegung besteht aus vielen einzelnen Gruppen und Organisationen.

Die Ziele sind Selbstbestimmung und Selbstvertretung.

Man kann einfach mit dabei sein!

People First gibt es jetzt weltweit.

Zum Beispiel in den folgenden Ländern: USA, Kanada, England, Holland, Schweden, Indien, Australien, Afrika, Deutschland und Österreich.

People First ist eine "politische Bewegung".

Selbstvertretung = Für sich selber sprechen

People First in Tirol

Inhaltsverzeichnis

Auf den folgenden Seiten kannst du erfahren, wo es die People-First-Bewegung in Tirol gibt:

WIBS

Liebe Menschen mit Lernschwierigkeiten!

Wir wollen uns nicht mehr Menschen mit Behinderung nennen.

Wir sagen lieber Lernschwierigkeiten.

Zuerst möchten wir unser EU Projekt vorstellen. Dieses EU-Projekt gibt es schon seit September 2002. Es geht für drei Jahre bis 2005.

Es heißt Wibs - wir informieren, beraten, bestimmen selbst. Wir sind beim Aufbau von einer Beratungsstelle für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Wir wollen unsere Rechte durchsetzen.

Bei uns arbeiten nur erwachsene Menschen mit Lernschwierigkeiten: Filiz Cay, Jasmine Scheiblauer, Monika Rauchberger. Die beiden UnterstützerInnen stehen im Hintergrund.

Wenn wir Unterstützung bei der Arbeit brauchen, dann können wir eine Unterstützerin oder einen Unterstützer dazu holen. Dabei ziehen sie sich in den drei Jahren langsam weiter zurück. Die Mitarbeiterinnern mit Lernschwierigkeiten im Projekt sollen nach den drei Jahren die Beratungsstelle selber übernehmen.

Wir möchten in Tirol bekannt werden. Wir wollen mit anderen Menschen mit Lernschwierigkeiten zu tun haben. Wir fahren in die verschiedenen geschützten Werkstätten und in die verschiedenen Wohnheime, wenn wir von Ihnen auch Einladungen dazu bekommen.

Wenn es Ihnen lieber ist, dass sie zu uns kommen wollen, dann rufen Sie uns an.

Unsere Telefonnummer lautet:

0 512 - 57 34 48

Wenn Sie Informationen von uns wollen, dann schicken Sie uns die Adresse.

Wir sind hier von Montag bis Freitag

von 9:00 bis 12:30 Uhr

Unsere Adresse lautet:

Adamgasse 16, 6020 Innsbruck

Achtung: Wir übersiedeln bald!

Unsere E- Mail Adresse:

People1@selbstbestimmt-leben.at

Wir planen eine Zeitung, Schulungen, Feste, Demonstrationen, Tagungen, Gesprächsabende.

Wir brauchen eine Unterstützung von Ihnen.

Melden Sie sich bei uns.

Mit freundlichen Grüßen,

Monika Rauchberger

Projektmitarbeiterin, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit.

Information von bidok:

Wibs hat eine neue Adresse:

Anton-Eder-Straße 15

6020 Innsbruck

Wibs hat eine neue E-Mail-Adresse:

wibs@selbstbestimmt-leben.at

Mehr Informationen zu Wibs finden Sie hier:

http://www.selbstbestimmt-leben.net/wibs/

Gespräch mit Filiz Cay und Erich Hofer

Filiz arbeitet bei WIBS und Erich macht gerade ein Praktikum.

Reinhard Köbler: Könnt ihr eure Arbeit ein bisschen erklären?

Erich Hofer: Wie ich da her gekommen bin, habe ich gleich erfahren, um was es eigentlich geht: Es geht darum, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten selber bestimmen.

Wenn Leute anrufen, informieren wir sie und geben Auskunft, wenn jemand etwas wissen will.

Filiz Cay: Und was unsere Aufgabe noch ist: Wir beraten Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen ohne Lernschwierigkeiten.

Kathrin Pfretschner: Was denkt ihr über die Selbstbestimmung und über die People-First-Bewegung?

Filiz Cay: Selbstbestimmung ist für mich, wenn man von sich selber aus entscheidet, was man machen will und sich sonst niemand anderer einmischt. Das heißt, dass man selbst bestimmen kann, wo man wohnen will und wie man wohnen will und dass man selber entscheidet, was man kaufen will.

Und die Peope-First-Bewegung, ja das ist ja echt eine tolle Bewegung, wobei wir nicht die ersten Peope-First-Gruppen sind. Es gibt in Amerika People-First-Gruppen und in Deutschland und ich hoffe, dass es mehr werden - das wünsche ich mir.

Kathrin Pfretschner:Was habt ihr für die nächsten drei Jahre vor?

Filiz Cay: Das ist eigentlich ein ganzer Haufen Arbeit. Wir möchten viel mehr selbständig arbeiten, ohne Unterstützung. Wir wollen uns gegenseitig unterstützen und selbst Tagungen machen und auch Tagungen besuchen. Und wir möchten auch ein Buch herausgeben, irgendwann einmal. Es geht auch darum, dass man selber Außendienste macht. Das heißt, wenn man wohin fährt, zum Beispiel nach Reutte, hilft man den Menschen, eine People-First-Gruppe aufzubauen und erklärt, was das genau ist. Wir unterstützen sie: Wie baut man zum Beispiel eine People First-Gruppe auf? Was benötigt man dazu? Wo bekommt man Hilfe und Informationen?

Kathrin Pfretschner: Habt ihr vor, mehr in der Politik zu leisten?

Filiz Cay: Unsere Arbeitskolleginnen, die Monika und die Jasmine, haben eine Tagung in der Steiermark besucht, bei der Menschen mit Lernschwierigkeiten teilgenommen und auch selber die Tagung gestaltet haben. Dort wurde mit den Politkern über bestimmte Themen geredet, zum Beispiel Wohnen oder Taschengeld. Und da haben sie darüber diskutiert. Aber so wie ich das gehört habe, hat das nicht viel gebracht.

Kathrin Pfretschner: Also mit anderen Worten: Du würdest dich lieber noch mehr dafür einsetzen, dass den Politikern sozusagen ein Licht aufgeht, oder?

Filiz Cay: Meine Meinung ist, dass sie ein bisschen zu ungenau sind und dass sie keine Aufmerksamkeit für Menschen mit Lernschwierigkeiten haben.

Reinhard Köbler: Meinst du damit, dass die Versprechen nur auf dem Papier sind, oder?

Filiz Cay: Ja, und wir wissen ja manche Wörter nicht, die sie sagen. Und dass sie es so erklären, dass wir es auch verstehen, fällt ihnen noch um einiges schwerer. Wenn man zum Beispiel eine Zeitschrift herausgibt, sollten sie darauf schauen, dass sie so geschrieben wird, dass die Menschen mit Lernschwierigkeiten sie auch lesen können.

Ich habe selber die Erfahrung gemacht, dass ich manche Sachen nicht lesen habe können, weil sie so klein geschrieben waren. Zweitens habe ich die meisten Wörter nicht verstanden, weil ich noch nichts davon gehört habe.

Kathrin Pfretschner: Was ich für Spracharbeiten auch super finde, ist dieses Sprachlexikon und das heißt:

Halt! Bitte einfache Sprache.

Filiz Cay: Ja, wenn wir es brauchen, nehmen wir auch das Wörterbuch her. Das ist eine Mappe mit leichter Sprache und wir haben sie auch hergenommen, weil wir nicht gewusst haben, was ein Werkstattrat ist und was ein Wohngemeinschaftsrat ist. Dort ist genau beschrieben, was das bedeutet. Und das ist fein für uns.

Kathrin Pfretschner: Ich finde es ehrlich gesagt super, dass eine Gruppe wie ihr es seid, sich so hohe Ziele setzt. Ich meine, das ist etwas, dass nicht jeder auf Anhieb zusammenbringt. Und da denke ich mir, da kann man sicher sehr viel lernen von euch.

FreiRaum

... zur Unterstützung für die Gestaltung eines selbständigen, selbstbestimmten Lebens in allen Lebensbereichen (Arbeit, Wohnen, Freizeit, Beziehungen, ...)

... ein FREIRAUM für eigene Wünsche, Interessen, Lebensfragen...

Was wir anbieten:

  • Zur Beratung kommen

  • An Selbsthilfe- und Gesprächsgruppen teilnehmen

  • Seminare besuchen

Adresse: FreiRaum, Verein Tafie,

Egger-Lienz-Straße 2, 6112 Wattens

Telefon: 05224 - 51128-17

oder 0676 - 845556-17 (Lisa Gensluckner)

E-Mail: tafie-bs@gmx.at

Miteinander lernen macht Spass!

Ich, Kathrin Pfretschner, arbeite beim Projekt FreiRaum und möchte hier meine Arbeit vorstellen:

Vor meiner Anstellung habe ich 4 Monate eine Ausbildung als Interessenvertreterin gemacht. Das war die Schulung SUD (Selbst Und Direkt Informiert) in Salzburg.

Zu meinen Aufgaben hier gehört es Selbsterfahrungsgruppen aufzubauen. Ich habe selber eine Selbsterfahrungsgruppe gegründet und bin die Gruppenbegleiterin. Dafür gibt es eine Unterstützerin.

Für die Selbsterfahrungsgruppe habe ich Einladungskarten gemacht, dann einen färbigen Begleitbrief für die BetreuerInnen, für die Einrichtungen, und ein großes A2-Plakat, wo oben steht, wann die Selbsterfahrungsgruppe stattfindet und wie oft sie stattfindet. Sie findet alle zwei Wochen statt, damit die TeilnehmerInnen zwischendurch auch die Gelegenheit haben, sich auszuruhen.

Ich bin viel daran gewesen, die ganzen Einladungen zu kuvertieren, was auch nicht sehr einfach ist, weil es viel an geistiger Kraft braucht, um sich darauf konzentrieren zu können. Dann habe ich auch viel mit Interview-Lesen und mit dem Studienprojekt zu tun.

Ja und ich tue mich viel mit politischen Angelegenheiten auseinandersetzen, mit Sachen, die mit Interessensvertretung zu tun haben oder mit Gleichberechtigung am Arbeitsplatz.

Und sonst gefällt mir die Arbeit sehr gut, ich verstehe mich auch wunderbar mit meinen ArbeitskollegInnen.

Wenn sich jemand für unsere Angebote interessiert, kann man einfach einen Brief schreiben oder anrufen oder einen Termin für ein Gespräch ausmachen:

Adresse: FreiRaum, Verein Tafie,

Egger-Lienz-Straße 2, 6112 Wattens

Telefon: 05224 - 51128-18

oder 0676 - 845556-18, Kathrin Pfretschner

E-Mail: tafie-freiraum@gmx.at

Selbsterfahrungsgruppe

Wir reden über uns.

Wir erzählen wie es uns geht. Wir reden über unsere Probleme. Wir sagen was wir uns wünschen und was wir erreichen wollen. Wir reden darüber, was wir in der Öffentlichkeit bewegen wollen. Wir wollen über Themen reden, die uns betreffen, zum Beispiel Arbeit und Arbeitswünsche.

Wir reden in der Gruppe gemeinsam besonders über Themen, die für beeinträchtigte Menschen wichtig sind.

Wir unternehmen auch gemeinsam Ausflüge und Freizeitaktivitäten, und falls ihr wollt, schauen wir auch Videos an.

Schlaue Köpfe

Wir treffen uns einmal im Monat. Wir haben Besprechungen.

Wir reden über Menschen. Wie reden über Dinge, die uns stören. Dann jausnen wir miteinander. Wir fahren gerne auf Kongresse und Seminare. Wir wünschen uns, dass neue Leute in die Gruppe kommen.

Kontaktpersonen

Arthur Burtscher

Telefon: 0699/ 102 91621 (8:00 bis 21:00 Uhr)

Inge Burtscher:

05442 / 63 557 (untertags)

Max Wörle:

05242 / 610 43 (abends)

Teil 2: Interviews und Überlegungen

Geschichte: Angelika Mauracher Katharina

Ich war ein Baby, da war ich zu Hause, bei der Mama, und da war ich in Kössen, lange war ich in Kössen. Dann habe ich einen Anfall gekriegt, da war ich noch klein, dann habe ich einen starken Anfall bis Weihnachten gehabt.

Im Sommer habe ich noch einen gehabt, zuerst war ich im Krankenhaus im Nervenkrankenhaus. Da war ich noch ein Kind; dann war ich zwei mal im Krankenhaus, dann haben sie mich angehängt, im Bett, mit dem Gürtel, da haben sie mich eingesperrt, in der Psychiatrie, das war ein bißchen später, da waren viele Leute oben in der Nervenklinik. Da haben wir essen müssen, da haben sie nicht gut gekocht, schlecht gekocht. Nach dem großen Anfall bin ich nach Martinsbühel (einem Internat für Kinder mit "geistiger und Mehrfachbehinderung") gekommen.

Da war ich krank, da war es nicht super, da bin ich in die Schule gegangen, geschlafen hab ich auch in Martinsbühel, mit mehren Mädchen und Buben, es war nicht schön, es war schlecht, die Schwester hat mich hinausgejagt, weil sie böse mit mir gewesen ist, Schwester Josefine hat mich hinausgejagt, in den Garten hinaus. Ich habe draußen schlafen müssen in der Nacht, ich habe mich gefürchtet, ein Gewitter ist gekommen und ich habe spazieren gehen müssen. Ich habe Mittagszeit gehabt und ich habe einen Balkon gehabt.

Wie die Schule fertig war, habe ich geschlafen; in Kössen bei der Mama habe ich gekocht, Kekse backen, da habe ich gebrochen, dann hat der Papa gesagt, bei der Hitze brauche ich nicht hinausgehen.

Dann war ich in Hall, mit der Rettung, ich habe einen großen starken Anfall gehabt, mein Bruder war schon in der Psychiatrie, er ist überhaupt nicht in die Schule gegangen, er war in Hall oben lästig, hat immer Müll geklaubt.

Die Pflegerin hat mich zusammengeschumpfen, weil sie mich immer hineinsperren bei der Türe dort, wo ich geschlafen habe.

Auf der Station drei, da habe ich alle anderen von meiner Station von der Psychiatrie kennengelernt, die Martina, Margit, Inge, Helga, und viele andere. Da gab es viele Streitereien, sie haben mich nicht mehr losgelassen im Bett drinnen, ich weiß auch nicht warum, weil die Pflegerinnen deppert sind, der Pfleger Rudi war blöd, er hat mich eingesperrt, immer angehängt.

Sie haben mir die Ohrringe herausgerissen, es hat richtig geblutet, es hat sehr weh getan, und die Uhr haben sie weggetan, heruntergerissen und in den Müll gehaut.

In der Psychiatrie war es sehr streng, da hat es kein gutes Essen gegeben, nur Polenta hat es gegeben; ich bin immer im Garten gewesen.

Pflegerin Christine hat gesagt, heraus mit dir und dann haben wir Fernsehen geschaut.

Die Pflegerin hat mich herausgeholt und da war ich sehr glücklich, dann bin ich nach Wattens gekommen in die Wohngemeinschaft (des Vereins "Tafie Innsbruck-Land").

Im Werkraum des Vereins habe ich mit Ton gearbeitet und genäht und Ketten gemacht, mit der Schreibmaschine gearbeitet.

Es ist mir nicht gut gegangen, weil ich nicht immer beim Heli (Mitbewohner und auch langjähriger "Psychiatriepatient") sein will, weil er mir in den Hintern hineingreift, Heli hat im Werk-Raum ein Fenster eingeschlagen.

Ich habe im integrativen Atelier im Kurs der Evelina alles nachgemacht, da ist Angelika Zwettler (künstlerische Begleiterin der Ateliergemeinschaft Kunst+Drüber) gekommen, wir sind Cola trinken gegangen und nachher habe ich zur Zwettler Angelika gesagt, ich möchte da her kommen weil es mir im Atelier gut gefällt und ich möchte der Zwettler Angelika vom Urlaub eine Karte schreiben.

Ich habe das Zugfahren gelernt, weil ich vorher nicht im Atelier in Innsbruck war. Ich fahre alleine mit dem Zug. Ich habe einen neuen Rucksack, mit dem ich Arbeiten fahre. Da war jemand dabei, da habe ich Zug fahren gelernt, von Wattens nach Innsbruck. Da gefällt es mir ganz gut, da mag ich immer im Atelier bleiben, ich male eine Figur, mache eine Ausstellung, da möchte ich Bilder verkaufen und Geld bekommen, alle Leute möchten mir das rote Bild abkaufen, das grüne Bild, das weiße Bild, und das was im Keller unten ist, die Streifenbilder bei der Installation. (...)

Ich werde Künstlerin.Ich möchte eine eigene Wohnung, da habe ich viele Kübel, und da gefällt es mir dann gut. In Wattens in der Wohngemeinschaft gefällt es mir nicht mehr gut.

Die Pädagogische Leitung Angela hat gesagt: ausziehen und der Hug Reinhard hat es gesagt und die Ulli und die Tina weiß es, und die Kathrin; dann habe ich ein gutes Bett mit Rädern, und da habe ich ein super schönes Kastl, da packe ich alles zusammen.

Nach dem Urlaub mag ich nicht mehr in Wattens bleiben, da ist es so laut. Ich lade alle ein zum Kaffee: Marina, Elisabeth, Nadja, und Paula soll auch kommen, Hermine und Angela und Alexandra. Und Ulla.

Abgedruckt aus: Angela Zwettler: "Selbst ist die Frau." Das Projekt Kunst+Drüber, in: Lisa Gensluckner / Horst Schreiber / Ingrid Tschugg/Alexandra Weiss (Hg.): Gaismair-Jahrbuch 2001. Tirol: Gegen den Strom, Studienverlag Innsbruck-Wien-München 2001, Seite 125-127.

Einige Gedanken zu dieser Lebensgeschichte

von Daniela und Reinhard

Wir finden, man sollte mit Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung respektvoll umgehen und nicht gewalttätig sein. Menschen mit geistiger Behinderung sollten nicht eingesperrt werden.

Die Erwachsenen sollten nicht alles vorschreiben.

Der gesellschaftliche Umgang von Menschen mit und ohne Behinderung sollte neu bearbeitet werden. Es soll der Mensch mit oder ohne Behinderung im Mittelpunkt stehen.

Ärzte sollen PatientInnen mit Behinderung in der Nervenheilanstalt nicht "schlechter" als andere behandeln. Das ist nicht gut für die Eingliederung in die Gesellschaft.

Außerdem haben Menschen mit Behinderung ein Recht auf die Persönlichkeitsentwicklung mit den dazu gehörigen Erfahrungen. Das bezieht sich auf alle Lebensbereiche.

BetreuerInnen sollen sich nicht in die Angelegenheiten von Menschen mit besonderen Fähigkeiten einmischen. Sie sollen sich aus der Freizeit, den Freundschaften und anderen Sachen heraushalten.

Die Lebensgeschichte von Angelika Mauracher Katharina macht Mut. Wenn man die Geschichte liest, ändert sich die Lebenseinstellung. Obwohl vieles sehr trist ist, sagt man sich am Ende: "Schau, das ist ein Beispiel, das gut ausgegangen ist!"

Man sollte sich niemals verstecken, wenn man eine Behinderung hat!

Kindheit

Interviews

Wo bist du aufgewachsen?

Wie hast du deine Kindheit erlebt?

Caroline

Caroline wurde in Oberösterreich geboren und ist bei ihren Eltern aufgewachsen. 5 Jahre hat sie in der Steiermark gewohnt und mit 7 Jahren ist sie gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern nach Tirol gekommen.

Caroline: Ich habe meine Kindheit eher fröhlich erlebt, abgesehen von meiner Epilepsie. Denn deshalb bin ich doch eher für meine Mutter ein Sorgenkind gewesen. Besonders wenn ich im Freien war, hat sie sich am meisten darüber Sorgen gemacht, was ich wohl mache und wo ich jetzt bin und wie es mir geht. Es war für meine Mutti sicher nicht sehr angenehm, diesen Gedanken zu ertragen, dass mir jederzeit etwas Schlimmes zustoßen könnte.

Anita

Anita ist bei ihren Eltern in einer Stadt aufgewachsen. Dann haben ihre Eltern am Land ein Haus gebaut und sind dorthin gezogen.

Anita: Ich habe eine sehr schöne Kindheit gehabt. Nur eines war traurig gewesen in meiner Kindheit. Es hat ein Begräbnis gegeben, weil jemand gestorben ist. Das ist traurig gewesen.

Gerhard

Gerhard ist bei seiner Mama, bei seinem Onkel und bei der Oma aufgewachsen. Sein Vater hat sich nicht um ihn gekümmert.

Gerhard: Ich habe als Baby relativ viel geschrieen. Ich habe relativ viel durchmachen müssen und ich habe viele Operationen hinter mir. Ich habe den Blinddarm operieren lassen müssen, ich habe einen Zwerchfellbruch operieren lassen müssen, ich habe eine ganze Zahnoperation gehabt. Ich habe müssen relativ viel ins Krankenhaus.

Das war dann einige Zeit vorbei, aber es hat immer wieder so Vorfälle gegeben, bei denen ich gebrochen habe und mir total schlecht geworden ist. Ich habe müssen liegen, ich habe dürfen nicht aus dem Haus gehen, ich habe müssen den ganzen Tag im Bett bleiben.

Das habe ich schon lange nicht mehr gehabt und ich bin froh, das nicht mehr erleben zu müssen, wie es mir meistens dabei gegangen ist.

Kathrin: Würdest du deine Kindheit eher als traurig beschreiben oder hat es auch da Momente gegeben, wo es dich gefreut hat, etwas zu unternehmen?

Gerhard: Also ich würde meine Kindheit zweiteilig beschreiben, traurig und fröhlich. Es hat solche Momente gegeben, wenn ich mit der Oma meistens im Wald oder irgendwo spazieren gegangen bin. Und jetzt bin ich soweit, dass ich ganz allein meine Wege gehen kann und auch wieder zurück nach Hause finde.

Also für mich ist das kein Problem, wenn ich weiß, dass ich allein wieder vom Spaziergang zurückkomme.

Walter

Walter ist in einem Dorf im Oberland aufgewachsen.

Walter: Ich habe mit 4 Jahren eine Gehirnhautentzündung gehabt und 1959 habe ich sie zum zweiten Mal gekriegt und 1961 habe ich den ersten Anfall gehabt. 1962 ist mein Vater gestorben und meine Mama ist am 1. Juni 1986 gestorben und meine Tante erst im Jahr 2002.

Ich bin bei meinen Eltern aufgewachsen und dann habe ich eine schöne Schulzeit verbracht und gute Freunde habe ich gehabt.

Sylvia

Sylvia: Ich fange bei der Geburt an. Ich bin in München geboren und komme eigentlich von der Türkei her. Ich bin zu früh auf die Welt gekommen.

Nach der Geburt sind wir alle hinuntergefahren in die Türkei. Und dann bin ich eine Zeit lang bei meiner Oma gewesen. Die Mama war allein da in Österreich und ich und meine Schwester waren bei der Oma. Und der Papa eben, der hat sich nicht viel gekümmert um mich, weil ich eine Behinderung habe und er hat gesagt, er will kein behindertes Kind.

Ja, und später mit 10 Jahren bin ich dann endgültig nach Österreich gekommen. Und dann bin ich sehr spät in die Schule gegangen, weil in der Türkei war es nicht möglich für mich in die Schule zu gehen, weil ich sehr viele Operationen gehabt habe. Ich habe meine meiste Kindheit in den Krankenhäusern verbracht.

Mit meinen Eltern ist es jetzt und früher auch nicht immer einfach gewesen, weil meine Mama hat früher - das hat sie jetzt auch ab und zu - Depressionen gehabt und dann ist sie handgreiflich mir gegenüber geworden, weil wenn sie grantig war, dann hat sie das alles in sich hineingefressen, dann hat sie niemanden gehabt, um das herauszulassen. Und dann bin ich ihr entkommen einmal, weil sie mich würgen wollte. Und der Papa hat mich auch meistens geschlagen.

Und dann hat er gesagt: "Ja, du bist behindert, du schaffst sowieso nichts." Die Schwester ist ja ganz normal auf die Welt gekommen und sie haben mir immer meine Schwester vorgehalten: "Du musst dir von deiner Schwester etwas abschauen, sie kann alles besser, sie ist besser." Und die Sachen haben mir schon ziemlich wehgetan. Das tut mir jetzt auch noch weh, wenn ich daran denke.

Kathrin: Würdest du sagen, dass die Oma dir am ehesten geholfen hat, oder dass du selber Initiativen ergreifst und sie auch selber durchführst?

Sylvia: Ich würde sagen, ich habe mir selber sehr viel geholfen. Ich habe die Schritte mit der Zeit selber gemacht, weil ich gesehen habe, dass von der Mama nichts mehr kommt, vom Papa überhaupt nicht, der meldet sich heute noch nicht. Ich sehe ihn ja, wenn ich zu meinen Eltern fahre, aber mehr kommt da nicht. Der Papa meldet sich nicht, ruft nicht an. Das ist mir mittlerweile auch schon egal, weil ich habe mich daran gewöhnt, dass er so ist und er kann sich jetzt nicht mehr ändern und wird sich auch nicht ändern.

Und ich bin halt so, wie ich bin und nicht anders.

Kathrin: Hat es auch Momente gegeben, wo du dich über etwas gefreut hast?

Sylvia: Es hat für mich einen einzigen Moment gegeben, damals als ich meine ersten Schritte gemacht habe, weil ich habe sehr spät gehen gelernt. Das war mein glücklichster Moment im Leben, weil ich mir gedacht habe: Jetzt kann ich ohne Hilfe gehen und meine Mama muss mich nicht auf dem Rücken tragen. Ich kann alleine gehen. Das war für mich der glücklichste Moment in meinem Leben und das vergesse ich auch nie. Als ich die ersten Schritte gemacht habe, war ich 5 Jahre alt.

Markus

Markus: Ich bin im Landeskrankenhaus aufgewachsen. Die Geburt wäre fast schiefgegangen. Meine Mutter hat mir einmal erzählt, dass ich steckengeblieben bin. Es war eine schwierige Geburt. Ich weiß auch nicht, wie ich aufgewachsen bin. Meine Mama hat zu dieser Zeit noch keinen Freund gehabt beziehungsweise keine Partnerschaft. Ich habe also bei den Großeltern gewohnt und dann mit meiner Mutter und wir haben uns eigentlich recht wohlgefühlt.

Mit 3 Jahren habe ich epileptische Anfälle gehabt, die waren ganz schlimm. Ich habe mich sozusagen als Kind überhaupt nicht wohlgefühlt. Als ich 3 Jahre alt war, sind die epileptischen Anfälle gekommen, jede Woche, und danach war ich total erschöpft und ich habe Kopfweh gehabt und weiß Gott was. Das sind alles so schlimme Sachen, die möchte ich nicht so weiter erzählen.

Und der stärkste Anfall war einmal, wo ich glaube ich 5 Jahre oder so war. Und da hat mich die Rettung schnell in die Klinik hinausgebracht, das war eine ganz schön weite Strecke.

Harry

Harry: Ja, also ich bin bei den Eltern aufgewachsen und hatte eine schöne Kindheit, bis zu meinem 12. Lebensjahr.

Dann bin ich in der Schule Stiegengeländer gerutscht und dann bin ich 9 Meter hinuntergefallen, auf den Kopf. Und dann habe ich 5 Wochen Koma gehabt mit ungefähr 3, 4 Monaten Tiefschlaf. Und dann bin ich halt 8 Monate in der Klinik gewesen und dann bin ich zum Teil schlecht heimgekommen, im Rollstuhl war ich lange. Ja. Und dann hat es ungefähr 1 Monat gedauert, bis man schon kleine Fortschritte gesehen hat. Und dann ist es eigentlich immer schneller geworden, das Genesen.

Ja, ich habe nie den Lebenswillen verloren, ich habe immer gekämpft.

Maria-Theresia und Paula

Maria-Theresia ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Sie ist ein Einzelkind. Ihre Kindheit hat ihr ganz gut gefallen. Schlimm ist nichts gewesen.

Paula ist in einer Stadt aufgewachsen, dann in einem Dorf und später wieder in der Stadt. Sie ist bei ihren Eltern aufgewachsen. Ihre Kindheit war fröhlich.

Überlegungen

Geburt

Das Leben fängt mit der Geburt an.

Manche Eltern sagen, dass sie ihre Kinder nicht haben wollen.

Mache Eltern wollen sich nicht um behinderte Kinder kümmern. Wenn die Kinder geboren werden, kommen sie in ein Heim oder zu Pflegeeltern. Sie werden weggeben.

Damit sich Eltern um Kinder mit Behinderung kümmern können, brauchen die Familien ganz viel Unterstützung. Der Staat oder die Gemeinschaft müssen die Familien unterstützen.

Sozialzuschüsse dürfen nicht eingespart werden. Die PolitikerInnen sollen nicht sagen: "Ach, wir haben zu wenig Geld."

Gespart werden könnte bei den Waffen und beim Militär.

Spenden sind fast immer gut. Aber grundsätzlich sollte der Staat das Geld zur Verfügung stellen.

Nicht-gewollte Kinder

Es ist tragisch, dass manche Menschen Kinder mit Behinderung gar nicht auf die Welt kommen lassen, weil sie behindert sind (durch Abtreibung = Schwangerschaftsabruch).

Die Ermordung von Kindern mit Behinderung heißt man "Euthanasie". Das ist schrecklich!!!

Das Wort "Euthanasie" hat 2 Bedeutungen:

Manche Menschen finden, dass ganz alte oder kranke Menschen früher sterben sollten. Diese sogenannte "Sterbehilfe" heißt man Euthanasie.

Manche Menschen finden, dass geistig oder körperlich behinderte Menschen nicht auf der Welt sein dürfen oder sollen. Deshalb werden sie ermordet. Das heißt man auch Euthanasie.

Warum glauben manche Menschen, dass Euthanasie richtig ist?

  • Sie glauben, dass Menschen mit Behinderung "nicht lebensfähig" sind.

  • Sie glauben, dass sie nicht selbstverantwortlich leben können und deshalb eine Belastung für andere sind.

  • Sie glauben, dass sie kein gutes Leben sondern ein schlimmes Leben haben werden.

  • Sie glauben, dass sie viel Leiden müssen.

  • Sie glauben, dass sie nicht glücklich sein können.

Diese Menschen erklären sich zu Gott. Sie wollen bestimmen, was der Wert des Lebens ist. Sie wollen bestimmen, welches Leben lebenswert ist und welches nicht.

Es gibt sogar einen bekannten Wissenschaftler, er heißt Peter Singer. Er meint, dass man Babys sogar noch mit einem Monat umbringen darf, wenn eine Behinderung festgestellt wird.

Wir denken:

Es ist eine Sauerei und ungerechte, gemeine Sache, wenn Leute so denken!!!

Jeder soll sich einmal selber anschauen, wie er sein eigenes Leben lebt. Niemand ist immer glücklich oder leidet niemals.

Jede und jeder lebt gerne mit oder ohne Behinderung!!!

Jede und jeder soll soviel Unterstützung bekommen, damit er oder sie glücklich leben kann!

Nationalsozialismus

Im Nationalsozialismus war die Euthanasie besonders schlimm. Zu dieser Zeit wollte man alle Menschen mit Behinderung weghaben.

Wann war die Zeit des Nationalsozialismus?

In Deutschland: von 1933 bis 1945.

In Österreich: von 1938 bis 1945.

Begonnen hat diese Zeit also in Österreich vor 65 Jahren.

Aufgehört hat diese Zeit vor 58 Jahren.

Wer waren die Nationalsozialisten?

Das war eine große Gruppe von Leuten, die regiert hat und sehr grob, brutal, bösartig, verletzend gewesen ist. Sie verbreiteten Terror, auch gegen Menschen mit Behinderung.

Menschen mit Behinderung durften keine Kinder haben. Deswegen wurden sie zwangssterilisiert. Das heißt, Ärzte haben an den Geschlechtssteilen operiert, um das Kinderkriegen zu verhindern. Dazu gab es auch ein Gesetz: Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses".

Ganz viele Menschen wurden von dieser Gruppe von Leuten ermordet.

Die Nationalsozialisten haben Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung von überall her abgeholt und in eigene Anstalten oder Lager gebracht.

Sie haben viele Menschen für wissenschaftliche Zwecke gequält. Und dann haben die Nationalsozialisten fast alle Menschen mit Behinderung umgebracht.

An diese Zeit wollen viele Menschen nicht mehr denken. Aber es ist wichtig, dass man darüber redet und Bescheid weiß. Weil sonst auch wieder so etwas Ähnliches passieren kann.

Schule

Schule gehen ist keine Selbstverständlichkeit.

Menschen mit besonderen Fähigkeiten mögen aber gerne Lernen, Lesen und Schreiben zum Beispiel.

Interviews

Sylvia

Sylvia: Ich bin in der Türkei kurz schon in die Schule gegangen, aber nicht lange. Als ich in die Schule gekommen bin, wollten sie mich in der Schule nicht haben, weil ich behindert bin, haben sie gesagt. Und dann waren die ganzen Eltern dagegen, dass ich in die Schule gehe, weil sie gesagt haben, dass das nicht gut für ihr Kind ist. Dann haben sie von den ganzen Eltern Unterschriften gesammelt. Es ist leider Gottes so weit gekommen, dass sie mich aus der Schule hinaus geschmissen haben.

Und dann war ich ziemlich total traurig, wenn ich aus dem Fenster geschaut habe und gesehen habe, dass die Kinder in die Schule gehen und ich nicht. Aber meine Mama hat mir Mut gemacht. Sie hat gesagt: "Mach dir nichts draus".

Dann habe ich von der Mama gelernt und zu Hause geschrieben und gerechnet. Mit 9 Jahren bin ich hier her gekommen und ich war total glücklich, dass ich da in die Schule habe gehen können und dass sie mich da nicht aussetzen, so wie in der Türkei unten. Es war am Anfang total schwierig für mich.

Reinhard: Vor allem wegen der Sprache, oder?

Sylvia: Ich habe kein bisschen deutsch gekonnt. Ich habe mich mit den Händen verständigt, ganz am Anfang.

Dann habe ich mir vorgenommen, viel zu lernen, weil ich zu mir gesagt habe: Wenn man da leben will, muss man auch einiges lernen. Dann habe ich mich auf den Weg gemacht und habe sehr viel gelernt. Ich habe immer nachgefragt: Wie heißt das richtig? Oder: Wie spricht man das genau aus? Ich war im Ferienlager und habe mir ein Buch in die Hand genommen und selber lesen gelernt. Und da war ich total super glücklich darüber, dass ich selber was geschafft habe! Ich konnte ja vorher nicht lesen, weil ich war in der Türkei total kurz in der Schule und da kann man auch nicht so schnell lesen lernen.

Reinhard: Und wie war das, als du dir selber das Lesen beigebracht hast? Anstrengend, oder?

Sylvia: Ich habe es ganz angenehm gefunden. Und wenn man die Buchstaben kennt, kann man auch schön langsam lesen.

Die Schule war nur eine Sonderschule. Ich wollte eigentlich Hauptschule machen, ich wollte auch studieren und so. Dafür war es aber leider zu spät, weil ich bin ja mit 10 Jahren von der Türkei nach Österreich gekommen. Dann bin ich in die Sonderschule gekommen. Aber da habe ich auch sehr gut gelernt, da hat es auch sehr gute Stoffe gegeben zum Lernen, Englischunterricht, so wie in der Hauptschule halt.

Zum Thema Schule haben wir unter anderem gefragt:

Welche Schule hast du besucht?

Caroline: Vorher habe ich die Volksschule besucht, dort bin ich in die erste Klasse gekommen. Was ich nicht gewusst habe ist, dass dort 21 Mitschüler waren. Ja. Und ich glaube, 2 oder 3 von ihnen waren hyperaktiv, dass heißt, die haben ständig irgendetwas tun müssen, damit sie ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken, was den Klassenlehrer auf Weißglut getrieben hat.

Daraufhin hat er keine Zeit gefunden, mir irgendwelche Hausaufgaben zu geben, das heißt, in Mathematik, Schreiben oder im Lesen. Und aufgrund dessen bin ich des öfteren in der Kuschelecke gewesen.

Und dann, wenn ich von der Schule nach Hause gekommen bin, hat die Mutti mich gefragt: "So Caroline, was hast du als Hausaufgabe?" Dann habe ich gesagt: "Ich habe keine." Und sie hat gedacht, das ist ein blöder Witz.

Dann hat sie das Lesebuch aus meiner Schultasche gezogen, hat zu mir gesagt: "Du, und jetzt, lies mir bitte das vor."

Dann hat sich herausgestellt, dass man mir keine Leseaufgabe gegeben hat, keine Schreibaufgabe oder keine Rechenaufgabe. Aufgrund dessen bin ich untergefördert gewesen. Dann hat die Mutti gesagt: "Nein, das kann nicht so weitergehen."

Dann haben sie mich zu einer Schulpsychologin mitgenommen, was ich von meiner Mutti weiß. Und die hat gesagt, dass ich in eine Sonderschule müsste, weil dort die Fächer etwas langsamer herangeführt werden und dass die Möglichkeit für mich, etwas zu lernen, dort besser wäre.

Und ich wollte eigentlich nie in eine Sonderschule gehen. Und die Mutti hat mich eigentlich gar nicht gefragt, ob ich in eine Sonderschule möchte oder ob man eine Schule aufsucht, die eine Integrationsklasse hat. Und dann bin ich in die Sonderschule gekommen.

Mir hat es eigentlich gut gefallen, bis auf das, dass ich mich anfangs unglücklich dort gefühlt habe. In der Volksschule habe ich doch viele Freunde gehabt und ich wollte sie nicht verlassen. Aber mit der Zeit habe ich mich dann doch daran gewöhnt und mit der Zeit habe ich dort auch gelernt, mich gegen die Burschen durchzusetzen. Also wir waren hauptsächlich eine gemischte Klasse, aber es waren meistens viel mehr Burschen als Mädchen.

Mit den Lehren bin ich eigentlich ganz gut ausgekommen. Also mit der Kochlehrerin, die habe ich gehasst wie die Pest. Also die hat uns in die Ohren geschrieen, wenn wir etwas nicht verstanden haben.

Gerhard

Gerhard: Ich habe zwei Schulen besucht. Zuerst habe ich Kindergarten gemacht und dann habe ich die Volksschule besucht. Ich weiß es gar nicht mehr, wie viele Jahre ich dort war, und dann habe ich die Sonderschule besucht.

Ich wollte ja eigentlich dann, ... ich hätte ja vorgehabt, in die Hauptschule auch zu gehen, aber das ist durch meine Behinderung nicht möglich gewesen.

Das habe ich gleich gewusst: Aha, Hauptschule funktioniert nicht, weil da müsste ich so viel lernen, da müsste ich ja was weiß ich wie viel lernen. Deswegen waren mir die Schulen viel lieber als Berufsschule oder Hauptschule. Wir haben gebastelt, wir sind Schwimmen gegangen, wir sind Turnen gegangen, wir haben dies und jenes durchgemacht.

Ich war auch in einer Kochgruppe dabei. Dort habe ich Kochen gelernt. Ich muss ehrlich sagen: Ich habe in der Schule relativ viel gelernt. Ich habe Schreiben gelernt, ich habe Lesen gelernt, ich habe Rechnen gelernt, sie haben mir dies und jenes beigebracht, und ich war eigentlich relativ stolz. Und jetzt bin ich froh, dass ich nicht mehr Schule gehen muss, weil jetzt bin ich 26 Jahre und ich bin auf der Suche nach Arbeit.

Harry

Harry: Ich war 4 Jahre in der Volksschule und dann war ich 3 einhalb Jahre Hauptsschule und dann habe ich dann noch 2 Jahre Sonderschule gemacht.

Lisa: Bist du dann nach deinem Unfall in die Sonderschule gekommen?

Harry: Ja, nachher. Sie haben keinen Aufzug und nichts in der Hauptschule.

Lisa: Das heißt, du hättest dann im Rollstuhl gar nicht mehr in die Hauptschule gehen können, weil es da keinen Lift gegeben hat?

Harry: Ja. Und ich habe die Lehrerin gar nicht verstanden, verstehen können.

Maria-Theresia

Maria-Theresia hat zwei Sonderschulen besucht.

In der ersten Sonderschule "da ist es nicht so gut gegangen, weil die Mama mich hinausgeschmissen hat, gleich, weil sie es nicht gut gefunden hat, dass ich da drinnen war."

Dann mit 17 Jahren ist Maria-Theresia in ein Heim von Klosterschwestern gekommen: "Lesen und Schreiben habe ich dort gelernt." Vorher in der ganzen Schulzeit hat sie nie Lesen und Schreiben gelernt.

Wir haben Maria-Theresia gefragt, warum sie glaubt, dass sie Lesen und Schreiben in der Schule noch nicht lernen konnte.

Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sie zuwenig Unterstützung bekommen habt.

Bei den Klosterschwestern hat es Maria-Theresia gut gefallen:

Maria-Theresia: Ganz fein ist es gewesen.

Reinhard: Obwohl das ein Klosterschulensystem war?

Maria-Theresia: Ja.

Reinhard: Ich kann mir das nicht vorstellen, weil wir haben ja von einer anderen Frau eine Lebensgeschichte gelesen. Sie war auch im Heim. Und dann haben wir die Geschichte von ihr bearbeitet und ich fand das irgendwie depressiv, wie sie das beschreibt, ich weiß nicht. Und wie gehst du damit um?

Maria-Theresia: Ganz gut.

Anita

Kathrin: Hast du eine Integrationsklasse besucht?

Anita: Ja, Integrationsklasse, 5 Jahre Volksschule und 6 Jahre Hauptschule. 11 Jahre habe ich gehabt.

Kathrin: Mah, da bist du mir aber weit voraus! Habe die Ehre. Und wie hat es dir in der Schule gefallen?

Anita: In der Volksschule (in meinem Heimatdorf) hat es mir gut gefallen und in der Volksschule (in einem Nachbardorf) hat es mir auch sehr gut gefallen, nur (in der Stadt), in der Alternativschule nicht so gut. Weil die Kinder, die dort Schule gegangen sind, waren alle viel jünger gewesen; die sind Volksschule gegangen dort und ich bin die einzige, ich, die dort Hauptschule gegangen ist.

Lisa: Wie viel älter warst du?

Anita: Bah, 10 Jahre, 11 Jahre, 6 Jahre, 5 Jahre ... unterschiedlich.

Lisa: Da hast du ja dann einen weiten Schulweg gehabt, oder?

Anita: Ja schon, ich habe dann müssen mit dem Zug fahren und umsteigen in die Straßenbahn.

In der Schule, in der Volksschule (in meinem Heimatdorf) habe ich viele Freunde gehabt, wirklich viele.

Kathrin: Du hast auch einmal erzählt, dass du von 7 Schulen abgewiesen worden bist.

Anita: Das war extrem übertrieben, 7 waren es nicht. Es war nur bei einer Schule gewesen, die haben mich nicht genommen, weil ich bin mit Down-Syndrom geboren. Ich bin deswegen nicht in (meinem Nachbardorf) Hauptschule gegangen, weil sie haben mich nicht genommen, weil ich bin mit Down-Syndrom geboren.

Ich habe mögen keine Sonderschule gehen, das habe ich nicht wollen, meine Eltern auch nicht; deshalb bin ich (in der Stadt) Hauptschule gegangen, in die Alternativschule.

Bist du mit deinen Mitschülern und Mitschülerinnen gut ausgekommen?

Gerhard

Gerhard: Also mich haben die meisten Schüler schon eigentlich geschupft, gestoßen und mich eigentlich schon als ..., also sie haben schon böse Sachen über mich gesagt, also schon über meine Behinderung, dass ich ausschaue wie der und der oder dass ich das und das bin oder dies und jenes bin. Und dann habe ich mir gedacht: Na ja, wenn ihr Schulkollegen das sagt, dann wird das so sein. Es ist nicht so gewesen, dass ich gesagt hätte: "Mei, jetzt mag ich die Schule nicht mehr besuchen, weil der und der so zu mir ist." Ich bin froh gewesen, beide Schulen gemacht zu haben.

Walter

Walter: Ich bin neu in die Schule hingekommen und dann haben sie dauernd zuerst, ... Zuerst habe ich mich vorgestellt und dann bin ich hinaus von der Schule und dort haben sie dauernd bei jeder Hausecke auf mich gewartet, damit sie mich herschlagen können.

Und dann ist meine Mama einmal zum Pfarrer gegangen und hat das eben gesagt und dann hat er gesagt: "Komm, Walter, jetzt gehst du einmal hinaus." Und dann habe ich mir gedacht: Wieso muss ich jetzt hinaus? Und dann habe ich mal gehorcht und dann hat er sie zusammengepfiffen und seitdem ist es wieder ganz gut gegangen.

Paula

Paula: Also ich bin zuerst Kindergarten gegangen und dann Volksschule, dann Sonderschule und dann bin ich Hauptschule gegangen. Dann habe ich die Hauptschul-Externistenprüfung gemacht. Dann bin ich 2 Jahre nach Vorarlberg hinausgefahren, in die Berufsvorschule für Mädchen. Teilweise haben mich meine Mitschüler geneckt mit "Behinderte" und "Lapperte". Und in Vorarlberg haben sie mir dann immer die Jacke versteckt in den Toiletten und dann haben sie mich ausgelacht, weil ich so groß bin.

Markus

Markus: In der Sonderschule waren Mehrfachbehinderte mit Lernschwierigkeiten und mit denen wollte ich mich eigentlich ganz gut verstehen.

Daniela: Waren sie nett zu dir oder sind sie grob gewesen?

Markus: Ein paar waren nett zu mir und, ja, die meisten waren eher so grob, ja also die haben mich geprügelt und ja das war eher so ein Alptraum für mich gewesen. Es hat eher mehrfach Streitereien gegeben. Mit ein paar Schülern habe ich mich gut verstanden, ich habe auch ein paar Schulfreunde gehabt.

Überlegungen

Vielfältigkeit in der Schule ist:

  • Mädchen und Jungen

  • Kinder mit verschiedener Religion

  • Kinder aus anderen Ländern

  • Kinder mit und ohne Behinderung!!!

  • ...

Erst seit ungefähr 100 Jahren dürfen Mädchen und Buben in die gleiche Schule gehen.

Viele ältere Menschen mit Behinderung haben gar keine Schule besuchen dürfen. Und viele Menschen meinen noch heute, dass es normal ist, wenn Kinder mit Behinderung aus der Gesellschaft ausgemustert werden und in Sonderschulen gehen sollen.

Aber: Aussonderung ist unsinnig! Aussonderung bringt nichts, außer dass man sich gegenseitig hasst.

Eine Mitarbeiterin der Studiengruppe:

Die Volksschule hat mir gut gefallen. Aber dann bin ich in die Sonderschule gekommen, was mich traurig machte.

Ich war auf meine Eltern zornig, denn ich bin nicht gefragt worden, ob ich in der Volksschule bleiben möchte oder in die Sonderschule gehen will. Ich habe lange gebraucht, bis ich mich an die neue Schule gewöhnt hatte.

Als wir im September den ersten Experten Herrn Klaus Burgstaller (Lehrer) zu einen Integrationsgespräch in das Studienprojekt eingeladen haben, haben wir über Integration und Aussonderung gesprochen. Ich habe ihm meine Geschichte über die Schule erzählt. Ich habe ihm erzählt, dass ich keine Wahlmöglichkeit hatte. Herr Burgstaller sagte, dass es damals gar nicht viele Möglichkeiten gab, mich zu integrieren.

Durch das Gespräch mit Herrn Burgstaller wurde mir klar, dass meine Eltern von Integrationsmöglichkeiten nichts wussten, weil die Integrationsbewegung erst am Anfang war.

Integrationsbewegung

Seit Anfang der 80er Jahre machen sich Eltern von Kindern mit Behinderung für die Integration stark. Vorher gab es nur Sonderschulen. Seit 1984 hat man die ersten Integrationsversuche in Österreich probiert. Und später gab es auch neue Gesetze, die durch die Integrationsbewegung, vor allem der Eltern, erkämpft wurden.

Schule ohne Aussonderung

Foto: Medienbegleitheft zur Videoserie Behinderung Integration, Nr. 88 017/1-3, herausgegeben vom Bundesministerium für Unterricht und Kulturelle Angelegenheiten, 1988.

Ein guter Umgang

Verständnis

gemeinsame Erlebnisse

Respekt

Bereicherung für alle Kinder

...

Integration in Tirol

Wie sieht es mit der Schulintegration in Tirol aus???

Es gibt noch viele Sonderschulen.

Ein gutes Beispiel: Im Bezirk Reutte haben Eltern, LehrerInnen und die Schulbehörde bereits frühzeitig Veränderung in der Schule angestrebt.

Ab dem Schuljahr 1985 -1986 kam mit einer Ausnahme kein Kind mehr in die Sonderschule. Außerdem konnten SonderschülerInnen in die ganz "normalen" Volks- und Hauptschulen zurückgeführt werden. So besuchten 1995 und 1996 nur noch 5 Kinder im letzten Schuljahr die Sonderschule. Es gibt keine Neuaufnahmen an der Sonderschule in Reutte.

Was sein sollte:

• Alle Kinder mit einer Behinderung, gleich welcher Art oder Schwere ihre Beeinträchtigung ist, besuchen ihren wohnortnahen Regelkindergarten und eine gemeinsame wohnortnahe Schule für alle!

• Es gibt keine nicht integrierbaren Kinder!

Aussagen nach: Norbert Syrow: Sind wir im Bezirk Reutte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Schule für alle Kinder? Das ist in einem Text aus dem Internet von "bidok" - dort gibt es noch viele andere Texte, auch zur Schule.

http://www.uibk.ac.at/bidok

Aus dem Gespräch mit dem Integrationsexperten Volker Schönwiese:

Kathrin Pfretschner: Was halten sie von Sonderschulen?

Volker Schönwiese: Ja, ich glaube, das habt ihr schon gemerkt:

Nichts. Also das ist jetzt sehr kurz gesagt: Einfach nichts. Ich glaube, sie sind kein Weg für die Integration. In der Sonderschule sind nur Kinder, die einen gewissen zusätzlichen Bedarf an Unterstützung haben und die aufgrund der Vorurteile, die sie ihr Leben lang erlebt haben, schon Schwierigkeiten haben. Sie haben nicht Schwierigkeiten, weil sie nicht so schnell denken oder nicht sehen - das ist nicht das Problem.

Das Problem ist: Viele Lehrer wissen nicht, wie man mit so was umgehen soll.

Dann sagt man: "Die Kinder, die sind mir zu schwierig, ich verstehe sie nicht - ab in die Sonderschule."

Christian Niedermayer: Ich war eigentlich auch in der Sonderschule.

Volker Schönwiese: Ja, ich denke, sie waren in der Sonderschule, weil man gesagt hat, dass sie dort spezielle Unterstützung kriegen. Und das wird sicher stimmen.

Nur: Wie spielen sie mit anderen Kindern, mit nicht-behinderten Kindern? Das haben sie nicht gelernt: Das Lernen, sich zu begegnen, mit ihnen zu streiten, sich zu mögen oder nicht zu mögen - das bietet die Sonderschule einfach nicht. Integration heißt, dass es einen Unterricht gibt, wo die Kinder, die unterschiedliche Bedürfnisse haben, in der gleichen Klasse sitzen. Und das geht auch.

Und es ist dann eine Frage der Politik, der Schulbehörde, also der oberen entscheidenden Personen zu sagen: "Hier ist eine Klasse mit einem Kind, das hat einen zusätzlichen Unterstützungsbedarf, das kann ein Lehrer allein nicht erfüllen. Also braucht es einen zweiten Lehrer."

Integration lebt davon, dass Kinder, die einen zusätzlichen Bedarf an Unterstützung haben, einen zweiten Lehrer bekommen. Am Geld liegt es ja nicht. Es liegt daran, ob man es will und betreibt. Nicht die Kinder sind das Problem, sondern die Lehrer und die Schulbehörde und die Politik - die sind das Problem.

Schule ist schon eine wichtige Zeit, um andere Kinder kennen zu lernen. Man kann zwar Nachbarkinder kennen lernen, aber in der Schule trifft man schon auch Kinder sehr intensiv. Den ganzen halben Tag lang trifft man sich und trifft man sich. Wenn man in der Sonderschule war, hat man es nicht gehabt, mit Kindern sich auch entsprechend ausgetauscht zu haben. Das ist dann schon ein Mangel, man tut sich einfach schwerer.

Man lernt es danach, denke ich, aber die Ausgangsbedingungen sind schlechter. Und dann sage ich ganz hart: Das ist eine Benachteiligung für Kinder mit Schwierigkeiten. Das ist eine Diskriminierung. Eine Benachteiligung ist das.

Wir finden Integration im Kindergarten und in der Schule wichtig, damit die sogenannten nicht-behinderten Kinder auch lernen, ihre beeinträchtigten Mitmenschen zu respektieren und sie nicht nach dem Äußeren beurteilen.

MORGENSTRESS

Was? Wie? Spät?

Das kann nicht sein

Hosen, Socken und Hemd -

Halt, ich bin noch nicht gekämmt!

Schnell noch in die Schuhe

Zähneputzen lass ich sein

Jetzt ein Butterbrot geschnappt

Ab zum Bus - das hat geklappt

5 vor 8 zur Schultür rein

Frag mich wieder: muß das sein?

Poesie-Band der Waldorf-Schule Innsbruck

Ausbildung, Arbeit, Beschäftigung

Menschen mit besonderen Fähigkeiten haben es oft schwieriger, eine Arbeit zu finden.

Interviews

Gerhard

Gerhard: Ich war zuerst in einem Wohnheim im Bezirk Innsbruck- Land unten, da haben sie mir eigentlich vieles beigebracht. Da habe ich mir selber mal eine Tomatensuppe gemacht mit Nudeln, ja und dann haben sie mir halt relativ viel beigebracht.

Und dann bin ich in eine Werkstätte im Oberland gekommen und da habe ich verschiedene Gruppen durchgemacht, ich habe Tischlerei durchgemacht, Weberei, Wäscherei.

Das zweite Projekt ist dann der Verkaufsladen in Wilten oben gewesen, der heißt Work+Shop. Das ist ein Verkaufsladen, da geht es darum, dass man lernt, wie man mit Kundschaft umgeht, wie man die Kunden berät, dass man die Preise auswendig lernt, dass man lernt, miteinander umzugehen. Es gibt Dienste, zum einen der Küchendienst, zum zweiten der Toilettendienst, zum dritten der Geschäftsdienst.

Das ist kein Dauerplatz, weil es geht darum, dass man nach drei Jahren soweit ist, dass man nach drei Jahren sagen kann: Ja, wo könnte man den jetzt unterbringen? Wo wäre der geeignet für welche Arbeitsstellen?

Und dieses Projekt mache ich jetzt schon 5, 6 Jahre und ich möchte endlich einmal wo arbeiten, weil ich mag nicht immer ständig im gleichen Projekt sitzen, wo man nur ständig bequatscht wird. Jetzt möchte ich einmal in einen Arbeitsplatz hinein, wo ich auch bleiben kann, wo ich auch sagen kann, ich habe etwas gelernt.

Work+Shop (das heißt "Arbeit und Geschäft")

Work+Shop ist ein Projekt zur Berufsvorbereitung der Lebenshilfe Tirol. Menschen mit Behinderung werden in einem mehrjährigen Lehrgang auf die berufliche Integration vorbereitet. Es gibt einen Verkaufsladen, in dem Produkte der Lebenshilfe-Werkstätten verkauft werden.

Es geht um die Entwicklung sozialer Fähigkeiten, um die Förderung von Kulturtechniken (= Lesen, Schreiben, Rechnen, Umgang mit Geld, ...) und um eine fachspezifische Ausbildung im Handel.

Nachher kann man über das Jobcoaching einen Arbeitsplatz suchen.

Kathrin: Welche Arbeit glaubst du würde dir zusagen, Gerhard?

Gerhard: Ja, mein Traumberuf: Ich wollte eigentlich als Kind alles werden. Aber ich muss irgendwann einmal entscheiden, weil wenn ich keine Entscheidung treffe, dann ist es zu spät, dann stehe ich auf der Straße und weiß nicht, wohin.

Das ist die Sache. Das macht die Sache dann noch schwieriger, wenn ich auf der Straße stehe und nicht weiß, wohin. Das ist noch schwieriger für einen und das wäre dann vielleicht ich.

Ja, es ist nicht einfach. Also, als Kleinkind war ich immer von Waschmaschinen fasziniert. Mein Traumberuf wäre gewesen: Oberwäscher.

Aber das habe ich leider nicht erreicht, weil meine Oma immer gesagt hat: "Nein, das kannst du nicht, für das bist du nicht geeignet." "Mei, du bist für die Arbeit nicht geeignet und du packst das nicht und du sollst das nicht machen, was du machen solltest." Es ist schwierig für mich, irgendetwas zu finden, weil ich ja mit den Händen nicht so richtig, weil, ... Ich könnte mir nicht vorstellen, ein Auto zu kaufen oder ein Auto zu lenken, ich täte irgendwohin hineinfahren und dann wäre ich weg vom Fenster, wäre ich nicht mehr da.

Ich suche mir jetzt einen Job, den ich nachher auch machen kann, weil ich möchte irgendwann einmal arbeiten auch, weil ich mag nicht immer ständig im gleichen Betrieb arbeiten, weil da geht es mir langsam auch auf die Nerven, weil ich ständig da sein muss, die eine quatscht zwischendrein, die andere quatscht zwischendrein. Also da denk ich mir ehrlich, wieso muss ich alleweil dort sein, das geht mir langsam alles auf die Nerven und zipft mich langsam an.

Mein Ziel ist es ja, herauszukommen, aus diesem Geschäft, wo ich bin. Mein Ziel ist es, herauszukommen, mein Ziel. Für mich ist es schwierig, einen richtigen Arbeitsplatz zu finden, wo ich ernst genommen werde, wo ich Geld bekomme, wo ich dies und jenes bekomme. Das ist schwierig für mich, das ist hart!

Da muss ich hart durchgreifen. Hart! Es ist zwar nicht leicht, aber, was ich auch nicht gut finde, ist wenn die Politiker für diese Sachen nichts tun. Das finde ich einfach ungerecht, einfach nicht fein. Fähigkeiten hätte ich recht viele. Aber wenn ich meine Fähigkeiten nirgendwo einsetzen kann, dann hat es für mich keinen Sinn nicht, das Ganze alles, dann kann ich das alles vergessen.

Wenn man in Projekten für die Berufsorientierung oder Berufsvorbereitung ist, kann man viele Erfahrungen machen.

Sylvia

Sylvia: Ich bin sieben Jahre Sonderschule gegangen und danach habe ich, sagen wir 20 Monate, in Osttirol, eine Computerausbildung besucht. Da habe ich sehr viel gelernt am Computer, Homepage machen, alles, was zum Computer dazugehört. Und Küche und Hauswirtschaft haben wir auch gehabt. Und, ja, dann bin ich in das Berufsvorbereitungszentrum Zebra gekommen. Ich war eben im Zebra.

Ich habe eigentlich gewusst, ich will etwas mit Büro, am Computer arbeiten. Es war trotzdem eine schöne Erfahrung, das zu machen, im Zebra, und zu schauen, was sie da machen, und schauen, was da für mich geeignet wäre.

Zebra

Zebra ist ein Arbeitsorientierungsprojekt der Lebenshilfe Tirol.

Es geht darum:

• Stärken und Schwächen herausfinden, um selbständiger zu werden.

• Berufe kennen lernen

• Praktikum machen

• Arbeitstraining (zum Beispiel: Kochen, Gartenarbeit, Büroarbeit)

• Arbeitszeiten einhalten lernen

• Herausfinden, welche Arbeit mir gefällt und welche nicht.

Und später bin ich zur Berufsvorbereitung zum Do-it gekommen, da bin ich auch im Büro gewesen. Da haben wir viele Aufgaben gemacht, Telefondienst und Falter zusammenfalten und Kuverts nach den Postleitzahlen sortieren; Kopieren, Serienbrief, sehr viel Büroarbeiten habe ich gemacht. Das hat mir sehr gefallen, obwohl es ab und zu sehr stressig war.

Reinhard: Macht ihr auch Praktikum oder so?

Sylvia: Ja, ganz am Anfang habe ich auch ein Praktikum gemacht. Ja, im Zebra habe ich ein Praktikum gemacht und ich habe 1 Jahr als Praktikantin in der Bücherei gearbeitet in einer Hauptschule.

Reinhard: Wie viel hast du gekriegt?

Sylvia: Ja, zum Schluss, ein Praktikumsgeld, zum Abschluss.

200 Euro.

Markus

Daniela: Warst du schon einmal in einem Projekt zur Berufsorientierung, zur Vorbereitung?

Markus: Im Projekt Boat war ich einmal, nach der Schule bin ich gleich hergekommen in das Projekt Boat. Und da eben habe ich verschiedene Praktikumsplätze dann angeschaut. Ja, also, ich habe viele Praktikumsplätze besucht so wie bei Elektra Bregenz. Und in einer geschützten Werkstätte im Bereich Tischlerei war ich einmal, in einer geschützten Werkstätte in Schwaz. Also das war für mich schon anstrengend.

Boat

Das Projekt Boat unterstützt junge Menschen mit besonderen Bedürfnissen bei der Suche nach einem Beruf und nach einem Arbeitsplatz. In der Berufsorientierungsphase geht es um die eigenen Stärken, Fähigkeiten und Wünsche.

Im Arbeitstraining oder bei einem Praktikum kann man verschiedene Arbeitsplätze kennen lernen. Ein Arbeitsassistent begleitet die Arbeitssuchenden im Betrieb, bis es zu einer Anstellung kommt.

Das Boat ist ein Projekt vom Verein Tafie-Innsbruck-Land

Und das war von 7 Uhr in Früh bis 16 Uhr und am Freitag von 7 Uhr bis viertel nach 12.

Kathrin: Wie viel hast du denn in der Werkstätte verdient?

Markus: Ah, das kann ich jetzt momentan nur in Schilling sagen, ein bisschen über 7.000 Schilling. Und jetzt bin ich momentan in der Lebenshilfe Tirol, momentan im Porg Volders. Normalerweise bin ich vom Bierstindl, aber da wollen wir nicht mehr oben sein, weil wir brauchen auch so ein Gasthaus, wo wir in der Nähe einen Schulungsraum haben. Meine Ausbildung ist für 3 Jahre vorgesehen.

Kathrin: Kannst du uns einen ganz normalen Arbeitstag beschreiben? Also so vom Arbeitsablauf.

Markus: Ja, also, das sind 7 Stunden pro Tag, von halb 9 bis halb 4 Uhr, also Montag bis Freitag.

Daniela: Porg Volders, das ist eine Ausbildung?

Markus: Ja, da geht es auch so um Berufsvorbereitung. Als erster Schritt war Geschirr waschen, das Zweite war die Jause herrichten, das Dritte war Kochen. Da fühle ich mich eigentlich auch wohl unten.

Paula

Paula: Ich war zuerst im Work+Shop. Dann war ich im Zebra, das ist ein Berufsorientierungszentrum, und habe da 2 Wochen geschnuppert. Das hat mir ganz gut gefallen. Und dann bin ich in das Boat gekommen. Das war ziemlich hektisch, weil so viel, .... ja also es waren weniger Frauen als Männer. Dann habe ich zuerst in Kindergärten und dann in einem Altersheim geschnuppert.

Und dann habe ich von Kunst+Drüber gehört und dann habe ich dort einmal angerufen, ob wir einmal einen Termin ausmachen können und dann habe ich dort 2 Wochen geschnuppert und danach hat es mir eigentlich gut gefallen. Ich arbeite seit 6. Juni 2002 in Kunst+Drüber. Zuerst war ich eineinhalb Jahre im Boat unten, dann bin ich fix daher gekommen in Kunst+Drüber und dann haben wir nachher entschieden, dass ich 3 Tage in Kunst+Drüber bleibe und 2 Tage woanders zusätzlich arbeite. Dann habe ich 2 Tage in der Woche, Donnerstag und Freitag, Praktikum gemacht, im Haushalt mithelfen und das hat mir auch recht gut gefallen.

Kathrin: Und was machst du hauptsächlich in Kunst+Drüber außer Malen? Tust du auch mal etwas basteln oder etwas aus Ton machen?

Paula: Also Montag, da ist Filzen, da machen wir so Zeug mit verschiedenen Flöckel, also Stoff mit Filz verarbeiten. Und Dienstag, Mittwoch, Donnerstag ist meistens Malen, also Malerei. Und zur Zeit machen wir das mit Bettwäsche. Und es ist immer verschieden. Manchmal kommt eine zeitlang Malen und dann kommt wieder Plastisches Gestalten. Und am Freitag ist Fotografie und Video.

Kunst+Drüber

Die Ateliergemeinschaft Kunst+Drüber ist ein Ausbildungsprojekt für Frauen mit besonderen Fähigkeiten. Die Ausbildung umfasst Malerei, Plastisches Gestalten, Filz, Fotografie und Video.

Wer möchte, kann nach der 5-jährigen Ausbildungszeit ein eigenes Atelier mit Unterstützung haben (ambulante Begleitung).

Caroline

Caroline: Nach meiner Schulzeit habe ich direkt zu arbeiten angefangen im Seniorenheim. Und es hat sich dann herausgestellt, dass ich dort fehl am Platz war, denn die Zeitvorgabe dort musste doch eher schnell sein und ich bin eher eine langsame Person gewesen, die auch viel Zeit gebraucht hat.

Und die haben sich nicht darüber hinwegsehen können, eine zweite Person einzustellen, die mich unterstützen würde, weil es dann noch mehr Geld gekostet hätte. Und dann ist es soweit gekommen, dass ich Überstunden gemacht habe.

Die haben sich dann geweigert, die Überstunden mir auszuzahlen. Dann habe ich gesagt: "So, es reicht mir", und habe Ende Februar die Arbeit hingeschmissen, worauf ich 9 Monate arbeitslos war.

In einer Werkstätte bin ich einmal gewesen, das habe ich mit meiner Mutti besichtigt. Das hat mich zwar beeindruckt, wie dort ein blindes Ehepaar arbeitet, aber ich habe das eher als eine Art goldenen Käfig empfunden für die, die dort arbeiten. Und meine Mutti war dann doch, wo ich arbeitslos war, sehr trickreich, indem sie mich gefragt hat, ob ich interessiert bin, etwas zu kochen oder für sie einen Einkauf zu machen, weil ich doch sehr lange aus der Arbeitsroutine war. Und sie wollte nicht haben, dass ich depressiv werde oder sonst was. Und da hat sie zu mir gesagt: "Gut, wenn du etwas verdienen willst, dann mache es auch, und zwar wirst du mir 2 Liter Milch kaufen."

Also sie hat mir eine ganz genaue Einkaufsliste gegeben, was ich zu kaufen habe. Und dann hat sie mir zusätzlich, ich schätze mal, 250 Schilling gegeben damals.

Dann bin ich durch den Verein Tafie in Kunst+Drüber gekommen, wo ich eine zeitlang untergebracht war. Mit den Frauen in Kunst+Drüber zu arbeiten, das hat mir sehr gut gefallen. Und auch die erste Vernissage, die wir gehabt haben. Und ich bin eine große Kunstliebhaberin, also alles, was mit Kunst und Kultur und Religion zu tun hat, das ist eines von meinen vielen Hobbys.

Dann bin ich ins Projekt Boat gekommen. Boat ist die Abkürzung für berufsorientiertes ambulantes Arbeitstraining. Und über das Projekt bin ich dann in eine Bäckerei gekommen.

Dort hat es mit der Integration wunderbar geklappt. Ich habe dort ein Probejahr gemacht. In der Zeit habe ich eine Kollegin gehabt, eine sehr nette sogar, die hat mich vom Probejahr an bis zu den offiziellen Arbeitsjahren immer unterstützt. Mit dem Produktionsleiter bin ich nicht so gut zum Verstehen gewesen, also da haben wir vielmehr einen Streit gehabt. Ja dann habe ich dort gekündigt.

Anita

Anita: In Kunst+Drüber war ich auch, aber nur in einem Projekt ein paar Monate, dann als Hobby bei den Kursen am Abend. Zuerst war ich Berufsorientierung im Boat in Wattens und danach bin ich in das Zebra gekommen, auch Berufsorientierung.

Und dann mit 22 Jahren in das Porg Volders, Berufsvorbereitung, eine Ausbildung. Ausbildung heißt, es dauert 3 Jahre und Ausbildung ist auch Vorbereitung, um verschiedene Praktikas zu machen. Küchenhilfskraft, heißt die Ausbildung, ich bin Küchenhilfskraft.

Kathrin: Und wie läuft die Berufsvorbereitung ab?

Anita: Sehr gut, 3 Jahre darf ich bleiben. Ja, Kochen, Jause herrichten und Mittagessen machen für die Schüler und Lehrer. 7 Stunden am Tag, jeden Tag bis Freitag, halb 9 bis 4 Uhr, Jausenverkauf - das mache ich alles und Geschirrwaschen und die Essenausgabe.

Kathrin: Was ich auch von damals erinnern kann, ist, du hast in einem Gasthaus gearbeitet.

Anita: Richtig, da war ich nur 1 Jahr, richtig. Ich hätte fast eine Anstellung gekriegt, aber der Chef hat sich geweigert. Weil er mich überhaupt nicht kennt, hat er mich nicht angestellt. Alle wollten so gern.

Lisa: Möchtest du erzählen, was du dort gemacht hast?

PORG Volders (Cantina Habilis)

Es gibt in der Schulküche im Porg Volders ein Berufsvorbereitungsprojekt der Lebenshilfe Tirol für Menschen mit verminderter Leistungsfähigkeit.

In diesem Projekt lernen wir gemeinsam mit dem Koch das Arbeiten in der Küche. Wir kochen gemeinsam das Mittagessen für uns, für die SchülerInnen und LehrerInnen. Und am Vormittag richten wir die Jause für den Jausenverkauf her.

Es gibt 3 Bereiche: Jause, Kochen und Sport -Soziales Lernen, in die wir eingeteilt sind.

Im Laufe des Projekts machen wir Praktikas in anderen Küchen.

Anita: Ja, Besteck waschen, Besteck polieren, Gläser polieren, den Schrank hinten geputzt, ja, Geschirr aufgedeckt, abgeräumt, das war es eher. Ja, Besteck polieren und die Tische abräumen und aufdecken habe ich gut können.

Kathrin: Und wenn es mich nicht täuscht, hast du auch einmal ein Foto gezeigt, wie du die Servietten faltest? Und welche Faltordnung es gibt.

Anita: Ja, gibt's auch; Kronen, das war meistens! super und schnell; da bin ich Profi geworden.

Kathrin: Und kommst du ganz gut zurecht mit den Mitarbeiterinnen und Betreuerinnen?

Anita: Ja, nur schwierig ist es mit einem, sonst komme ich mit allen gut aus. Ja, mit einem komme ich überhaupt nicht gut aus. Einer, der ist gleich alt wie ich, der tut mich dauernd aufbauen und sigieren und dann schicke ich ihn immer davon und sag ihm, er soll es lassen.

Lisa: Und wo machst du dann Praktikas oder wie funktioniert das dann?

Anita: Verschiedene Praktika, nicht nur in Gasthäusern, auch Altersheimen, nur in keinem Kindergarten, da würde es heißen: Nein Danke; denn Kindergarten, das mag ich nicht. Meine kleine Schwester geht mir genug auf die Nerven.

Harry

Harry: Ich war in München in so einem Heim für Behinderte in einem Reha-Zentrum, das war ein Berufsbildungs-Rehazentrum. Ja, und da habe ich unter anderem auch den Computer betätigt.

Dann war ich zuerst im Zebra und jetzt im Do-it. Zebra ist eher Orientierungslernen und im Do it, das Do it ist dann die Fortbildung. Das ist halt von der Lebenshilfe Tirol gefördert und von der Behindertenmillion auch.

Daniela: Kannst du uns einen ganz normalen Arbeitstag beschreiben?

Harry: Ich mache halt so Sachen wie Kopieren und von der Leiterin bekomme ich auch einen Haufen Aufträge. Am Computer mache ich halt viel und dann mache ich mal wieder Pause.

Wir haben auch schon mehrere Interviews gemacht. Das letzte war in der Lehranstalt für Heilpädagogische Berufe (LHB).

Daniela: Und was hast du früher gemacht?

Harry: Ich war 2 Jahre im Aufbauwerk der Jugend und über Nacht haben sie mich hinausgeworfen. Da haben sie mich dann nach knappen 2 Jahren über Nacht hinausgeworfen, weil die AUVA (Allgemeine Unfallversicherung) nicht mehr gezahlt hat, weil die haben gesagt, dass ist nicht weiter drinnen für mich.

Daniela: Und wie ist deine Bezahlung? Gerecht und hoch genug, um damit auszukommen?

Harry: Die Bezahlung war nicht genug. Ich kriege noch eine Rente von der AUVA. Am Anfang 6.000 Schilling, und dann waren es 8.000 Schilling und dann waren es 10.000.

Lisa: Und kannst du davon leben oder nicht?

Harry: Nein.

Lisa: Dann musst du wahrscheinlich viel sparen, oder? Oder bekommst du auch von den Eltern Geld?

Do it (das heißt: "Tu es.")

Do it ist ein Projekt zur Berufsvorbereitung für Menschen mit Behinderung. Die Vorbereitung zur Bürohilfskraft dauert 2 bis 3 Jahre. Nachher ist der übliche Schritt der Einstieg in das Jobcoaching. Dort geht es dann darum, einen Arbeitsplatz zu finden.

Do it ist ein Projekt der Lebenshilfe Tirol.

Harry: Ich wohne ja noch bei den Eltern, ich fahre am Wochenende heim. Unter der Woche habe ich mein eigenes Geld mit und mit meinem eigenen Geld zahle ich alles, die IVB-Karte und so weiter. Und den Zug zahle ich auch von meinem Geld.

Daniela: Hast du früher schon einmal einen Arbeitsplatz gehabt? Wo? Welche Arbeit?

Harry: Nein, ich habe nur Schnupperplätze gehabt, einmal im Verkehrsbüro, da habe ich auch ein gutes Zeugnis bekommen, und einmal im Metro, dann war ich 2 Wochen im Krankenhaus, im Entlassungszimmer.

Walter

In der freien Wirtschaft hat Walter früher auch schon einmal gearbeitet und zwar als Gärtner, 2 oder 3 Jahre lang.

Jetzt arbeitet Walter in einer Werkstätte im Oberland.

Walter: Ich bin in die Tongruppe da gekommen und dort gefällt es mir bis jetzt noch gut.

Reinhard: Was macht ihr denn dort?

Walter: Ja, mit Ton arbeiten, so Schüsseln. Ich mache dann auch so Tafelen, da tue ich zuerst den Ton auswalgen und dann tue ich so ein Buch hinein und dann tue ich dann vorzeichnen und dann ausschneiden. Ich tue einen Strich ziehen und dann tue ich da hinaufzeichnen.

Reinhard: Und für was machst du die Tontafeln?

Walter: Das mache ich für das "Kimm-eini", die werden dort verkauft. Das ist das Geschäft unter uns da.

Kathrin: Warst du schon einmal in einem Projekt zur Berufsorientierung oder Berufsvorbereitung?

Walter: Da war ich noch nicht.

Reinhard: Und weil Kathrin das gerade angesprochen hat mit der Berufsorientierung: Findest du solche Projekt sinnvoll?

Walter: Ich schon.

Kathrin: Und womit beschäftigst du dich zur Zeit am meisten?

Walter: Am meisten? Mit Zeichnen und Malen.

Lisa: Malen und Zeichnen, machst du das in der Freizeit oder in der Arbeit?

Walter: Das darf ich in der Arbeit nicht tun.

Kathrin: Kannst du uns einen ganz normalen Arbeitstag beschreiben?

Walter: Um halb 7, 6, steht man halt auf und dann tut man sich waschen. Und dann um halb 7 kommt man her und dann tut man frühstücken und dann muss jeder sein Teller wegtun. Und derjenige, der Frühstücksdienst hat, der muss um viertel nach 7, 10 vor halb 8 abräumen. Und dann um halb 8 geht man halt hinauf und dann um 8 sind wir dann oben in der Werkstätte. Um viertel nach 8 kommen die von der Besprechung, dann machen wir die Morgenrunde. Und die dauert bis um 9. Und dann machen wir einen Tagesplan, was wir da alles machen. Und dann tun wir mit Ton arbeiten, bis um 12 Uhr. Dann tun wir Mittagessen und dann haben wir bis 2 Uhr Freizeit. Um 2 Uhr geht es weiter bis um 4 Uhr. Dann gehen wir wieder heim. Und um halb 5 ist dann kleine Runde.

In der Werkstätte verdient Walter nur 32 Euro im Monat.

Er bekommt noch extra Taschengeld:

Kathrin: Ist oder war die Bezahlung gerecht und hoch genug, um damit auszukommen?

Walter:Wohl, wohl. Das geht schon. Ja halt, die K. hat gesagt, jetzt gibt es wieder eine Lohnerhöhung.

Walter: Ich habe, wenn ich euch das sagen kann, bei der Bank ein Girokonto. Und dort kann ich jede Woche 35 Euro abheben.

Lisa: Und sprichst du auch mit deinen Kollegen und Kolleginnen darüber, dass das nicht viel Geld ist, 32 Euro im Monat? Oder redet ihr da nie darüber?

Walter: Das schon. Da rede ich schon. Das ist auch wieder ein Thema für so Sitzungen.

In der Werkstätte gibt es auch Sitzungen, wo zum Beispiel über die Bezahlung geredet wird:

Walter: Am 5. Februar haben wir wieder Gruppenwahl und da wird wieder gewählt.

Reinhard: Heißt das mit der Wahl, dass ihr da also einen Gruppenvorsitz aus euren Reihen wählt?

Walter: Gruppenvorsitz oder Stellvertreter. Das ist so: Wenn zum Beispiel derjenige nicht lesen und schreiben kann, dann tut man von dem, den man wählt, einfach ein Foto in einen Korb. Und dann tut man da einfach schütteln und dann tut man wählen.

Reinhard: Ist ja praktisch, das System.

Maria-Theresia

Maria-Theresia ist von Montag bis Freitag in einer Werkstätte.

Dort bekommt sie auch ein Taschengeld, ungefähr 20 bis 30 Euro im Monat.

Maria-Theresia: Das ist die Tagesheimstätte.

Reinhard: Und was macht ihr da?

Maria-Theresia: Stricken tun wir auch und Häckeln. Malen, Stricken, was fällt mir da jetzt noch ein: Filzen. Filzen, das tun wir verkaufen, im Ladele. Eine Tasche tut man zum Beispiel nähen. Rechnen mit Geld.

Wir dürfen da malen, was wir wollen. Wir dürfen das auswählen.

Lisa: Ist das eigentlich so in der Werkstätte, dass da nur die Mädchen stricken und häckeln oder machen das die Buben oder jungen Männer oder überhaupt Männer dort auch?

Maria-Theresia: Nein, nur die Frauen machen das.

Reinhard: Also ist das nur was für Frauen, oder?

Maria-Theresia: Mhm. Weil ich jetzt einen Babypullover stricke.

Christian:Warst du schon einmal in einem Projekt zur Berufsorientierung oder Berufsvorbereitung?

Maria-Theresia: Nein, das nicht.

Reinhard: Und würdest du so etwas für sinnvoll halten, wenn ich das nachfragen darf?

Maria-Theresia: Eigentlich nicht so.

Christian: Es gäbe ja eigentlich so mehrere Projekte, also wie zum Beispiel Projekte von der Lebenshilfe. Zebra, ja, ich glaube das geht auch von der Lebenshilfe aus und das Projekt Bierstindl.

Reinhard: Boat und das Projekt Oase.

Christian: Do it und Porg Volders. Ich meine halt, ob du so etwas in der Richtung gemacht hast?

Maria-Theresia: Nein, das habe ich nie gemacht.

Lisa: Das heißt, du bist in die Schule gegangen und dann bist du gleich in eine Werkstätte gekommen. Und du bist nie irgendwo gewesen, wo es darum gegangen ist, zu überlegen, welcher Beruf würde dir gut gefallen und welcher Arbeitsplatz wäre der richtige für dich?

Maria-Theresia: Nein, das bin ich nie gefragt worden.

Christian: Wenn du dir vorstellen würdest, dass du sonst in einem Projekt arbeiten tätest?

Maria-Theresia: Dann würde ich es schon machen. Es ist halt nicht gut, weil ich die Werkstätte schon gut kenne.

Lisa: Wenn du jetzt viel Unterstützung hättest, dann könntest du dir vorstellen, dass du dir das überlegen würdest?

Maria-Theresia: Ja. Als Kellnerin, das täte ich schon einmal probieren. Kellnerin täte ich mit. Das schon, aber nur mit Servieren, ohne Geld, weil ich es nicht gut kenne.

Lisa: Wärst du lieber eine Kellnerin oder stellst du dir dein Leben eher so vor, dass du immer in der Werkstätte bist?

Maria-Theresia: Immer in der Werkstatt.

Überlegungen

Was brauchen wir?

Eine Arbeit zu bekommen bedeutet, sein eigenes Geld zu verdienen und unabhängig von Eltern und BetreuerInnen zu sein.

Die Berufsorientierung soll:

  • Motivieren für die Arbeit

  • Helfen, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken

Das gibt Selbstvertrauen !

Arbeitstraining

  • Ein Arbeitstrainer oder eine Arbeitstrainerin ist eine Person, die einer beeinträchtigten Person hilft, die Arbeit in dem Betrieb zu erlernen.

  • Das hilft dabei, dass man später eine fixe Anstellung bekommt.

Kochrezepte oder die Berufsentscheidung

Huhn in Schokoladensoße,

dazu Erbsen aus der Dose

Fisch mit Honig und Kresse

Ob ich das dann wirklich esse?

Steak mit Zuckerguss garnieren

Man muss alles mal probieren

Schweizerkäse stets mit Loch

Ja, ich hab`s: ich werde Koch.

Poesie-Band der Waldorf-Schule Innsbruck

In Projekten für die Berufsorientierung oder Vorbereitung bekommt man wenig Geld.

Dafür hat man dann eine Berufsidee oder eine Ausbildung.

Menschen mit besonderen Fähigkeiten werden von anderen Menschen oft falsch eingeschätzt. Es gibt zum Beispiel das Vorurteil, dass Menschen mit besonderen Fähigkeiten nichts können. Solche Vorurteile schaffen nur Unzufriedenheit, besonders bei Menschen mit besonderen Fähigkeiten, weil sie unterschätzt werden.

Wir finden, dass Menschen mit und ohne geistige Behinderung gleich behandelt werden sollen.

Menschen mit besonderen Fähigkeiten sind manchmal aufgrund ihrer allgemeinen Entwicklung auch langsamer.

Und auch wenn sie sich manchmal schwer bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten tun, sollte man sie trotzdem so akzeptieren wie sie sind und nicht anders.

Viele Personen mit Beeinträchtigungen wollen außerhalb von einer (Geschützten) Werkstatt arbeiten.

Firmen sollen daher mehr Menschen mit besonderen Fähigkeiten anstellen!

Die Ausgleichstaxe ist eine Geldstrafe für größere Firmen, die keine Beeinträchtigten anstellen. Die Geldstrafe beträgt ungefähr € 200,- pro Monat.

Das Geld kommt der Behindertenförderung zu gute.

Die Ausgleichstaxe muss erhöht werden! Wenn die Geldstrafe höher ist, werden mehr Menschen mit Beeinträchtigung angestellt.

Viele Firmen wissen auch nicht, dass sie über die Arbeitsassistenz eine Unterstützungsperson für Menschen mit besonderen Fähigkeiten um Hilfe bitten können. Es gibt auch noch viele andere Förderungen.

Arbeitsassistenz

Der Verein Arbeitsassistenz Tirol bietet Menschen mit Behinderungen - in auf Jugendlichen und Erwachsenen abgestimmten Begleitprogrammen - Hilfestellung bei ihren sozialen wie beruflichen Integrationsbestrebungen an.

Er bietet seine Dienste dezentral an vier Standorten (Innsbruck, Wörgl, Imst und Lienz) an.

Bundessozialamt - Landesstelle Tirol

Wir verstehen uns als zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen.

In der Arbeitswelt bieten wir Leistungen, qualifizierte Beratung, Chancen und Schutz. Zum Beispiel: Förderungen für die DienstgeberInnen und Kündigungsschutz. Wir informieren und beraten über Möglichkeiten der beruflichen Integration und Rehabilitation.

Wir begleiten und vermitteln bei Interessenkonflikten.

Werkstätten

Arbeit in den Werkstätten ist oft die einzige Wahlmöglichkeit, weil es wenige Arbeitstellen am Arbeitsmarkt gibt.

In vielen Werkstätten wird dieselbe Leistung erbracht wie in den Firmen, aber es wird viel weniger bezahlt. Für die Arbeit bekommt man kein Gehalt, sondern nur ein Taschengeld.

Das ist unfair!

  • Werkstätten sollen anstelle des Taschengeldes ein richtiges Gehalt geben.

  • Ein gerechter Lohn ist wichtig für die Integration.

Es gibt zwei verschiedene Arten von Werkstätten:

1. Es gibt Werkstätten, in denen man für die Arbeit bezahlt wird und angestellt ist.

2. Es gibt Werkstätten, bei denen man nicht angestellt ist und keinen Gehalt hat. Das Geld für diese Werkstätten kommt vom Staat. Man nennt diese Tätigkeit "Beschäftigungstherapie".

Was sagt ein Integrations-Experte dazu?

Volker Schönwiese: Es gibt da verschiedene Arten von Werkstätten:

Diejenige in Vomp ist eine "Geschützte Werkstätte", da sind die Leute angestellt. Sie stellen etwas her und sind auch angestellt. Sie kriegen zwar nur den mindesten Lohn, also den sogenannten Kollektivlohn, aber sie erhalten immerhin Geld und sind auch sozialversichert. Das heißt, sie haben eine Krankenversicherung und wenn sie älter sind und nicht mehr arbeiten wollen, können sie in Pension gehen.

Also es gibt diesen Typ Werkstätten, wo man verdient, zwar wenig, aber man stellt etwas her und ist auch sozialversichert.

Und dann gibt es diese "Beschäftigungstherapiewerkstätten". Und die sind eigentlich nichts anderes wie die Fortsetzung der Sonderschule für Leute, wo man nicht weiß, wohin man sie am Arbeitsmarkt integrieren soll.

Also da ist jemand, der arbeitet unter Umständen 4 bis 8 Stunden am Tag, stellt irgendetwas her, tut Schrauben in Schachteln hinein oder tut irgendetwas erzeugen, hat aber kein Anstellungsverhältnis. Aber natürlich arbeitet die Person, weil sie selber sagt: "Ich bin da so und soviel Stunden und mache etwas - das ist nicht Freizeit." Und die Person kriegt dafür dann im Monat - was weiß ich - 40 Euro.

Ich finde das sehr ungerecht, extrem! ungerecht.

Ich würde fordern, dass alle die arbeiten, angestellt werden und einen normalen Lohn erhalten. Und es ist dann nicht das Problem der behinderten Person, dass sie weniger produziert und deshalb weniger Geld bekommt. Also dieses Taschengeldsystem, das lehne ich ganz ab. Ich finde das auch ungerecht, ich finde das diskriminierend.

Wenn man in dieser Beschäftigungstherapie ist, kann man nicht richtig in Pension gehen, weil man nicht angestellt und nicht sozialversichert war.

Volker Schönwiese: Das habe ich einmal bei einer Lebenshilfetagung erlebt: Da sind 300 Leute gesessen, Lebenshilfeleute und andere. Und da waren 10 Leute von der Lebenshilfewerkstätte auch dort - sie hat man hingebracht, damit sie mithorchen und mitreden. Und irgendwann steht eine Frau auf und sagt, sie möchte einmal an alle eine Frage stellen: "Ich arbeite schon 20 Jahre in der Werkstätte. Ich mag nicht mehr, ich will in Pension gehen. Was kann ich tun?" Dann war im ganzen Raum ein Äh und Mhm, Oh und Ja und Tja. Niemand wollte etwas sagen. Und sie hat keine Antwort bekommen. Und im Grunde genommen hat niemand sich getraut zu sagen: "Liebe Frau, sie sind in Beschäftigungstherapie, sie können nicht in Pension gehen." Das hätte man ihr sagen müssen.

Da muss man irgendwie eine saubere Trennung machen:

Entweder man arbeitet und stellt etwas her und wird verpflichtet, eine Zeit einzuhalten: "Du kommst um 9 Uhr und gehst wieder um 5 Uhr".Wenn das verpflichtend wird, dann ist es Arbeit. Da braucht es auch einen Lohn.

Oder man sagt: "Du arbeitest nicht, aber wir unterstützen dich in deiner Selbstverwirklichung." Denn es gibt schon auch andere Personen, die nicht so viel herstellen wollen oder nicht so viel leisten können, dass es auch verkaufbar ist, verwertbar ist, wie auch immer. Hier sollte man ein Feld bieten, wo sie auch im Betrieb dabei sein können. Das wird manchmal schwierig sein. Sie wollen aber unter Umständen sehr viel tun für sich, sie wollen sich zum Beispiel künstlerisch betätigen, sie tun gerne malen oder sitzen gerne in der Sonne und tun meditieren und über Gott und die Welt nachdenken.

Meditieren tut man, wenn man sich in Gedanken versinken lässt.

Es gibt einfach viele Menschen, die können mit sich gut umgehen, sie können sich freuen am Leben.

Aber sie schaffen nichts für andere. Sie haben die Fähigkeit, dabei zu sein, sie haben die Fähigkeit mit Leuten in irgend einer Weise in Kommunikation zu treten - man muss nicht einmal reden können.

Dabei zu sein, zu lächeln, eine freundliche Atmosphäre verbreiten - das ist ja doch etwas, das wichtig ist im Leben, oder? Und das muss man ihnen auch ermöglichen, dass sie das auch leben können; aber dann produzieren sie nichts.

Sie arbeiten nicht, sie tun etwas für ihre eigene Entwicklung. Dann soll das auch akzeptiert sein.

Aber dann soll man nicht sagen: "Du musst dich jetzt 8 Stunden in die Werkstätte setzten und Gartenzwerge anmalen oder sonst irgendwas".

WerkRaum

Der WerkRaum ist eine Einrichtung, in der vor allem Menschen mit schwereren Behinderungen tätig sind. Die Tätigkeiten sind Malen, bildnerisches Gestalten, mit Keramik und Holz Arbeiten, Musizieren und Kochen.

Im WerkRaum geht es nicht darum, etwas herzustellen (=produzieren). Die im WerkRaum tätigen Menschen werden umfassend in ihrer Entwicklung gefördert.

Der WerkRaum ist eine Einrichtung des Vereins Tafie Innsbruck-Land.

Und an welchen Orten ein solches Leben geführt wird, ist dann noch die Frage, ob das die Werkstätte sein muss.

Diese Werkstätten sind nicht diese Orte zum Leben, sondern sie sind vielfach Aufbewahrungsstätten, wo dann doch wieder etwas hergestellt wird. Es wird vermischt mit Arbeit. Ich finde das unbefriedigend und teilweise ist das echt wieder benachteiligend, diskriminierend. Für Arbeit 40 Euro zu bekommen, ist diskriminierend.

Wahlmöglichkeiten sind sehr wichtig: Möchte ich in einer Werkstätte sein oder möchte ich arbeiten?

Volker Schönwiese: Das ist auch Integration: das Recht zu wählen zwischen Alternativen, die akzeptabel sind.

Und nicht zu sagen: "Nein, dort darf ich sowieso nicht hin, weil das kann ich nicht." Also Arbeitsassistenz ist genau so ein Projekt, das Integration ermöglicht. Und das wäre auch eine Alternative zu den Werkstätten, wo man dann - wie zuerst geschildert - zwar 8 Stunden arbeitet, aber sehr isoliert ist und nur ein Taschengeld kriegt.

Alternative ist ein anderes Wort für "eine andere Möglichkeit".

Es gibt da wiederum eine Idee, für die man kämpfen sollte und die auch politisch sehr viel diskutiert wird.

Das ist die Idee zu sagen: Jeder Mensch, ob er arbeitet oder nicht, ob er jung ist oder alt ist, soll ein Einkommen haben bis zu einem gewissen Punkt - völlig unabhängig, ob er arbeitet oder nicht, was er leistet oder nicht. Das heißt "Grundeinkommen" oder "Basislohn".

Jeder Mensch kriegt ein bestimmtes Maß an Geld zur eigenen Verfügung. Das ist etwas, das man sich wünschen kann vom politischen Christkind ...

Dann würden also die behinderten Personen, die nicht soviel produzieren wollen oder können, von vornherein auch das Gleiche haben wie alle anderen - das wäre Gleichheit, Gleichstellung.

Also dann würde ich sagen, diese Taschengeldgeschichte sollte grundsätzlich für niemanden mehr existieren.

Wohnen und Freizeit

Interviews

Anita

Anita: Ich möchte in einer Wohngemeinschaft leben. Ich habe schon einmal in einer Wohngemeinschaft geschnuppert, aber ich habe leider nicht können, wegen dem Problem mit dem Geld soviel ich weiß. Ich bin auch knapp mit Geld, meine Eltern sind auch knapp mit Geld.

Daniela: Du wohnst in Innsbruck auch, oder?

Anita: Das stimmt. Am Wochenende bin ich meine Eltern besuchen, Papa oder Mama, das kann ich aussuchen.

Kathrin: Und wie denkst du über die Möglichkeit, mehr Chance zu haben, selbst zu bestimmen, was du machen willst?

Anita: Ich kann schon selbst bestimmen, zum Beispiel mit Rauchen, das habe ich selber bestimmt.

Kathrin: Hast du schon früher daran gedacht, in eine Wohngemeinschaft zu ziehen?

Anita: Früher nicht, aber später.

Ich habe mich entschieden erst mit 22 Jahren. Davor habe ich nicht daran gedacht.Weil ich bin sehr! selbständig, ich gehe arbeiten, ich verdiene Geld, ich gehe manche Sachen besorgen, Botengänge machen, Sachen erledigen - das geht sehr gut. Das einzige was ich noch viel lernen sollte: beim Kochen. Sonst passt eigentlich alles.

Kathrin: Ich würde gerne wissen, wie du auf die Idee gekommen bist, deinen Eltern zu sagen, dass du selbständig wohnen möchtest?

Anita: Ich kann auch gut verantwortlich übernehmen - verantwortlich sein. Ja.

Kathrin: Und da wolltest du einfach mit deiner Menge an Verantwortung ihnen beweisen, dass du auch so weit bist, dass du auch selbständig wohnen kannst, oder?

Anita: Ja. Selbständigsein ist wichtig, dass ich alleine wohnen möchte. Selbstbestimmung ist auch wichtig, was ich selber entscheiden kann, was ich tue, was ich in der Freizeit tue, dann mag ich Musik hören - solche Sachen.

Und meine Eltern besuchen, (im Dorf) oder Innsbruck, das kann ich selber entscheiden.

Kathrin: Und womit beschäftigst du dich zur Zeit?

Anita: Hobbies? Am liebsten tue ich faulenzen, lange schlafen, ja herumgeistern, bis 3 Uhr früh. Schwimmen tue ich sehr gern, Eislaufen und Rodeln. Ich bin mehr interessiert für Sachbücher. Beim Büchergeschäft: Ich gehe hinein in das Geschäft, schaue mich mal um, und dann finde ich manche schöne Bücher.

Caroline

Daniela: Wie wohnst du? Bei deinen Eltern, in einer WG oder in einem Heim?

Caroline: Nein, ich wohne bei meinen Eltern. Aber durch dich habe ich zu hören bekommen, dass in einer Wohngemeinschaft 2 Zimmer frei sind. Ja und aufgrund dessen denke ich von zu Hause auszuziehen.

Daniela: Was machst du in der Freizeit?

Caroline:

In der Freizeit gehe ich sonntags gerne zur Kirche.

Ich habe mich auch am 25. Mai letzten Jahres taufen lassen, was eher außergewöhnlich ist, denn die meisten, die ich kenne, sind als Baby getauft worden, und ich bin die einzige in der Pfarrgemeinde, die mit 23 sich taufen ließ.

Ja und meine Hobbies sind Segeln, Radfahren, Faulenzen und Musik hören, Lesen.

Viel lieber tue ich gerne Sachbücher lesen, zum Beispiel die Was-ist-Was-Bücher, die kann ich jedem sehr empfehlen, weil es einfach geschrieben ist und leicht zu verstehen. Dann zum Beispiel bin ich dabei die Biographie vom Karl Heinz Böhm zu lesen, wie ein Star zum Helfer wurde. Oder noch ein anderes Lieblingsbuch von mir ist die Lebensgeschichte vom Christie Brown, Mein linker Fuß.

Daniela: Kannst du selber bestimmen, was du mit wem machen willst?

Caroline: Doch. Also früher, wie ich jünger war, hat der Vati gesagt: "So, heute gehen wir Schifahren und morgen gehen wir Rodeln". Und gerade dann, wenn ich mit meinen Freunden etwas ausmachen wollte, hieß es: "Das kann auf ein anderes Mal warten." Und eigentlich bin ich froh, dass ich mich gegen meinen Vati durchsetzen kann.

Markus

Markus: Ich wohne bei meinen Eltern (in einem Dorf) und da fühle ich mich eigentlich recht wohl.

Kathrin: Hast du auch einmal den Gedanken gehabt, in eine Wohngemeinschaft zu ziehen?

Markus: Eine gute Frage. Ja also ich hätte das eigentlich schon vor. Ich habe mal mit meiner Mutter gesprochen und sie hat gesagt: "Ja, jetzt bist du selber erwachsen. Jetzt kannst du es ja selber entscheiden.Wenn es dir dort nicht so gut gefällt, kann man ja immer noch zurückgehen", zu meinen Eltern halt.

Daniela: Tätest du dir gerne einmal so etwas anschauen, Schnuppern, Probezeit?

Markus: Ja, also es kommt ganz darauf an, wie die Mitbewohner mit mir sind. Das ist mir mal das Allerwichtigste.

Ich möchte halt wie ein Erwachsener behandelt werden, das ist mir ganz wichtig und das gehört sich auch so, weil sonst fühle ich mich total gekränkt. Und dann kann sein, dass ich mal ein oder zwei Tage nichts rede mit den Mitbewohnern.

Daniela: Machst du auch Haustätigkeiten so wie Kochen? Wäsche waschen?

Markus: Das will eher die Mama machen. Ich wollte ihr schon auch helfen, aber sie lässt sich nur so selten helfen, weil sonst wird sie total narrisch.

Ich gehe schon für meine Mama auch öfters einkaufen und da brauche ich nicht lange, da bin ich meistens in 5 oder 10 Minuten wieder da, so rasch bin ich. Das läuft ganz gut. Wenn ich heimkomme, sagt meine Mama: "Mah, jetzt warst du aber schnell!"

Kathrin: Und was machst du in der Freizeit?

Markus: Also Hobbies habe ich ganz sehr viele. Also ich betreibe gerne Sport und gehe Radfahren, Schifahren, Rodeln und Schwimmen, Fußball spielen, Federball und so weiter halt.

Kathrin: Tust du deine Freizeitaktivitäten selber bestimmen oder gibt es auch Zeiten, wo deine Mutti zu dir sagt: "Nein, heute tust du nicht das, sondern wir wollen gemeinsam etwas unternehmen."

Markus: Ja, das ist ganz unterschiedlich. Also meine Eltern behandeln mich schon wie einen Erwachsenen, also im Prinzip kann ich tun, selbst bestimmen, was ich gerne tun will. Also wenn ich jetzt zum Beispiel mit einem Kollegen oder einer Kollegin mal ausgehe am Wochenende, das ist eigentlich kein Problem, also da sagen sie überhaupt nichts. Da bin ich auch ganz stolz darauf.

Die meiste Zeit bin ich daheim, weil ich fast keine Freunde habe, also, ja ich habe schon zwar einen Freund, aber der macht auch nicht so viel mit mir.

Daniela: Und wenn du mal mit jemanden was machst, mit denen, die in der Wohngemeinschaft wohnen werden?

Markus: Das wäre schon etwas Interessantes. Und die was halt so Interesse auch für mich haben, das wird schon auch wichtig sein.

Kathrin: Und was denkst du über Selbstbestimmung?

Markus: Gutes Thema, Also da kann man selber bestimmen, was man tun will und was man dazu zu sagen hat. Also ich glaube, da gibt es sehr viel, was man dazu bestimmen kann, wie zum Beispiel: "Mah, heute gehe ich ein bisschen hinaus und tue ein bisschen Radlfahren."

Und auf den Verkehr passe ich auch auf, weil ich habe schon mal so Filme gesehen, da wo es mal ganz schlimme Unfälle gegeben hat und das hat mich auch ein bisschen beeindruckt.

Maria-Theresia

Maria-Theresia wohnt in einer Wohngemeinschaft mit 3 MitbewohnerInnen. Dort gefällt es ihr ganz gut.

Christian: Macht ihr auch da eine bestimmte Woche aus, wer diesmal in der WG kocht?

Maria-Theresia: Ja, das machen wir schon aus.

Lisa: Lassen euch eure Unterstützer und Unterstützerinnen in der WG viel selber bestimmen?

Maria-Theresia: Ja.

Reinhard: Und wie ist das, wenn die Unterstützer Feierabend machen, sagen sie dann, ihr müsst bis zum Feierabend dann zurück sein?

Maria-Theresia: Nein.

Christian: Wie kommt man den eigentlich zu einer Wohngemeinschaft? Ja, ich meine halt jetzt, wo man sich da genau erkundigt eigentlich?

Maria-Theresia: Normalerweise macht man das beim R. B. (bei der Lebenshilfe).

Christian: Möchtest du erzählen, was du in der Freizeit machst?

Maria-Theresia: In der Freizeit, ja in das Kino gehen. Fernschauen. Ausgehen tue ich eigentlich nicht so.

Gerhard

Gerhard: Ich bin übersiedelt, weil ich gehört habe, da gibt es eine Wohngemeinschaft und da bin ich jetzt.

Da habe ich eigentlich auch schon relativ viel gelernt, tue jetzt immer selbst gestalten, ich tue meine Möbel umstellen so wie sie stehen sollen und wie es sein soll, und mache eigentlich relativ viel mit meinem Computer in meinem Zimmer. Aber wenn ich heimkomme und ich meine Mitbewohnerin treffe, dann wird das meistens ganz hektisch: Sie schlägt mich, sie stoßt mich, sie zwickt mich, sie nimmt mich bei den Ohren, sie nimmt mich bei den Haaren, sie macht alles das, was mich stört und deswegen hätte ich auch vor, auszuziehen und mir eine andere Wohnung suchen, wo es nicht so ist.

Also wenn wir zwei einen Streit haben, dann ist kein einziger Betreuer da, der eingreifen würde oder der irgendetwas einmal sagen würde. Also, ich werde sicher bei der nächsten Hausbesprechung sagen, entweder sie schreiten ein bei unserem Streit oder ich sorge dafür, dass ich woanders hinkomme, weil so kann es nicht gehen.

Kathrin: Also das heißt, dass du mit deiner Wohnsituation unglücklich bist, Gerhard. Habe ich das richtig verstanden?

Gerhard: Auf der einen Seite bin ich glücklich, aber wenn ein Streit eskaliert zwischen uns zwei, greift kein Mensch ein, kein einziger Betreuer greift dann ein und sie kümmern sich lieber um die anderen Mitbewohner, weil die wollen wahrscheinlich von dem gar nichts wissen.

Wenn ich mir immer alles von meiner Mitbewohnerin gefallen lassen muss, dann denke ich mir auch: Wofür bin ich eigentlich da eingezogen?

Reinhard: Und was hältst du davon, dich mit ihr mal zusammenzusetzen und zu sagen: "Du jetzt hör einmal, das mag ich nicht."

Gerhard: Ich habe ihr schon oft gesagt, sie soll das lassen. Aber sie ist so aggressiv, sie ist so aggressiv, dass sie mir, wenn ich mich wehren will, dann treibt sie mir die Hand um, dann macht sie dies mit mir, tut das mit mir. Ich kann mich gegen sie gar nicht wehren, weil sie ist viel stärker als ich.

Kathrin: Und was machst du in der Freizeit?

Gerhard:

In der Freizeit gehe ich relativ viel spazieren, ich schaue mir Geschäfte an, ich gehe Baustellen kontrollieren, ich gehe zurück nach Hause, ich gehe fleißig Messe am Sonntag, bin Ministrant.

Danach sitze ich mich mit den Leuten zusammen und rede ein bisschen mit denen.

Und danach machen wir meistens Ausflüge, fahren irgendwo hin und gehen meistens Langlauftraining. Und ich habe eigentlich bei den Special Olympics in Salzburg schon vier Medaillen gemacht.

Sylvia

Sylvia: Also ich habe früher bei den Eltern gewohnt und bin mit 18 Jahren ausgezogen. Ich habe davor in einer kleinen Wohngemeinschaft gewohnt und jetzt wohne ich (in einem anderen Stadtteil), das ist eine Lebenshilfewohnung, mit einer Wohnungskollegin, und dort geht es mir total gut. Ich habe dort mein eigenes Zimmer, ein großes Zimmer. Ich habe es mir so gestaltet, wie ich es haben will. Meinen Computer habe ich dort stehen, meinen Tisch.

Und ich gehe auch einkaufen, kochen, putzen, also das normale Leben halt. Und wir haben eine Hausbesprechung, da wird über Probleme geredet, die in der Wohnung sind, obwohl das bei uns nicht der Fall ist, wir kommen echt super aus miteinander. Und sonst andere Sachen werden da auch besprochen.

Reinhard: Und findest du es gut, dass ihr da, wie soll ich sagen, Aussprachedienst habt?

Sylvia: Ja, ich finde das gut, weil es sollten die Betreuer auch wissen, wie es uns geht in der Wohnung und sollten Bescheid wissen.

Kathrin: Kannst du auch selber bestimmen, was du in der Freizeit machen möchtest?

Sylvia: Ich kann selber bestimmen. Das ist das Feinste.

Walter

Walter hat schon in mehreren Wohngemeinschaften gewohnt. Jetzt wohnt er in einer großen schönen Wohngemeinschaft.

In seiner Wohngemeinschaft haben wir einen Wochenplan gesehen. Und da wird ganz genau ausgemacht, wer Küchendienst macht, wer Wäsche waschen tut. Walter hat uns auch eine Urkunde von den Special Olympics gezeigt. Und er hat uns erzählt, dass er schon einmal auf einer People-First-Tagung in Graz war.

Lisa: Kannst du auch heimkommen, wann du willst und weggehen, wann du willst?

Walter: Ja, halt heimgehen und weggehen kann ich schon, aber wenn ich weggehe, dann muss ich sagen, wo ich bin und wann ich wieder heimkomme.

Reinhard: Du musst das ausmachen, wie lange?

Walter: Ja. Das kommt auf die Betreuer darauf an, wer da Dienst hat.

Kathrin: Also das heißt, du kannst nicht von vorneherein sagen: So ich gehe beispielsweise um 6 Uhr zu einer Geburtstagsparty und komm so gegen 12 Uhr nach Hause.

Walter: Kann ich schon, aber ob sie mich lassen, das ist eine andere Frage. Halt beim Kirchtagsball, da bin ich mit einer Freundin hingegangen und dann wären wir bald nicht hineingekommen, weil wir uns nicht angemeldet haben und dann haben wir doch noch einen Platz bekommen und dann um halb 11 hätten wir schon wieder da sein sollen. 11, das ist zu Früh. Das wäre mir lieber, wenn es einmal anders wäre. Ich habe schon auch gesagt: "Du, heute ist Kirchtagsball." Dann hat er gesagt: "Wann seid ihr wieder da?" Dann habe ich gesagt: "So um 12." "Nein, das ist viel zu spät." Dann hat die Freundin gesagt: "Um 11?" "Auch viel zu spät. Um halb 10 habe ich Schluss und dann bleibe ich eh eine Stunde länger da, dann um halb 11 ist genug, gut genug."

Reinhard: Ich versteh das nicht ganz, weil du gesagt hast, dass der Betreuer noch über den Schluss bleibt? Über die Dienstzeit.Warum müssen sie warten, bis ihr zurückkommt?

Ihr könnt doch den Schlüssel mitnehmen, oder nicht?

Walter: Wohl, Wohl.

Kathrin: Wenn du die Gelegenheit hättest, dann tätest du viel lieber selbst bestimmen, wann du kommst und wann du gehst?

Walter: Eigentlich schon, aber das kannst du ja da nicht.

Kathrin: Wohnst du gerne in Wohngemeinschaften oder gibt es Zeiten, wo du dir denkst: "Nein, eigentlich tät ich lieber in einer eigenen Garconniere wohnen, wo ich gehen und kommen kann, wie es mir passt"?

Walter: Wohl, wohl. Das passt schon. Oft einmal schon. Nur mit einem Mitbewohner mal sicher nicht. Denn der streitet immer zuviel. Der wirft mir ja alles vor. Immer sagt er, er geht zur Betreuerin und sagt alles. Wie ich da hergekommen bin am 13. Oktober, bin ich ganz alleine gewesen.

Kathrin: Was machst du in der Freizeit?

Walter: So Malen, Zeichnen. Ins Kino gehen. Die Special Olympics, also Langlauf.

Kathrin: Kannst du auch selber bestimmen, was du in deiner Freizeit machen willst oder wird da von vornherein festgelegt, ob ihr einen Ausflug macht?

Walter: Ja, wohl, das wird festgelegt. Also wohin man fährt und so, das wird festgelegt.

Reinhard: Wer legt das fest?

Walter: Halt die Betreuerin oder der Betreuer, der was einfach Dienst hat.

Lisa: Und werdet ihr da gefragt, ob ihr das auch wollt oder nicht?

Walter: Wohl, wohl, das schon.

Kathrin: Und kannst du uns ein typisches Wochenende von dir beschreiben, was du alles machst?

Walter: Am Freitag, da komme ich dann heim. Dann tut die was da ist kochen. Dann tun wir Fernsehschauen und dann gehen wir wieder in das Bett und dann schlafen wir einmal lang. Meine Freundin, die ist auch einmal am Freitag in das Bett, um so 9, und dann hat sie durchgeschlafen bis um 3 Nachmittag.

Und dann gehen wir spazieren und dann gehen wir wieder da her und dann am Sonntag machen wir dann einen Ausflug.

Lisa: Und wenn du jetzt einmal nicht einen Ausflug machen willst, dann kannst du auch daheim bleiben, oder?

Walter: Ja Ja.

Kathrin: Kannst du dich gegenüber deinen Betreuern durchsetzen?

Walter: Nein.

Reinhard: Du hast auch nicht die Absicht, das zu machen?

Walter: Hätte ich schon. Aber ich kann nicht.

Paula

Paula: Also ich habe zuerst bei meinen Eltern gewohnt, dann 2 Jahre in Vorarlberg, von Montag bis Freitag Nachmittag und am Freitag Nachmittag sind wir immer heim gefahren im Zug und Sonntag wieder hinaus. Und das war am Anfang sehr traurig, wenn ich von der Mama und vom Papa weggegangen bin.

Kathrin: Und was war der Hauptgrund, dass du gesagt hast, dass du nicht weiter bei deinen Eltern wohnen willst?

Paula: Der Hauptgrund war die Streiterei mit der Mama, ein paar Hacklereien. Und mit meiner Schwester ist es jetzt eigentlich schon besser geworden. Nachdem sie jetzt selber arbeitet, kommen wir eigentlich selten zum Streiten. Ich wohne seit 4 Jahren in der Wohngemeinschaft, das wird im April, am 27. April, 4 Jahre. Und zu 4., mit 2 Männern und 1 Frau. Es gibt 2 Betreuer. Es geht recht rund zu bei uns, wenn die 2 Männer am Montag wieder kommen, weil sie halt Gaudi machen, sie tun sich gegenseitig necken. Ich tue auch manchmal necken, die Leute in der Wohnung.

Kathrin:Was denkst du über Selbstbestimmung? Hast du das Gefühl, dass du selber über dein Leben bestimmen kannst?

Paula: Obwohl ich alt genug bin, brauche ich trotzdem manchmal die Mama oder die Betreuer zur Unterstützung.

Es gibt halt bestimmte Regeln. Am Dienstag muss ich halt immer um 7 daheim sein, aber sonst kann ich eigentlich machen, was ich will, also zum kochen muss man halt daheim sein, wenn man kocht.

Kathrin: Und was machst du freizeitmäßig?

Paula: Ich tue leidenschaftlich Kuchen backen und ich gehe leidenschaftlich unter der Woche in die Kaufhäuser und manchmal am Wochenende. Das kann sein von in der Früh bis um 8, bis sie zumachen, die Geschäfte.

Harry

Harry: Ich wohne in einer WG. Und in der WG gefällt es mir sehr gut.

Daniela: Wie kommst du mit den Leuten in der WG aus, mit dem Betreuer?

Harry: Ja mit dem Betreuer sehr gut und mit den Wohnungskollegen auch.

Daniela: Wie hat das deine Familie eingeschätzt, dass du da eingezogen bist? Sind sie dagegen gewesen?

Harry: Nein, die waren ganz dafür. Es wäre aber auch gleich gewesen, wenn ich noch daheim geblieben wäre, aber so gefällt es ihnen auch besser.

Daniela: Was machst du in deiner Freizeit?

Harry: Videoschauen auch und dann nehme ich mir immer Filme auf.

Und ich sammle Feuerzeuge, aber sie müssen schon etwas Besonderes haben, die Form. Die Farbe ist gleich, aber ich habe einen Porsche als Feuerzeug und ein Klo habe ich und dann kommt das Feuer bei der Muschel heraus. Ich habe 180 Feuerzeuge.

Daniela: Kannst du uns ein typisches Wochenende beschreiben, was du da alles machst am Wochenende, wenn du bei dir daheim bist?

Harry: Also, ich komme heim, dann tue ich mal erzählen, was ich alles erlebt habe.

Jede Woche schreibe ich an meine Brieffreundin und sie schreibt mir schon 4 Jahre oder länger. Und von ihr habe ich jetzt den 200. Brief bekommen.

Ich habe mal so 50 gehabt und dann habe ich beschriftet und jetzt tue ich noch immer beschriften, wenn ich von ihr einen Brief bekomme. Meine Brieffreundin, die ist auch schon 35 und die ist auch schon verheiratet und hat 3 Kinder. Ich war erst vor Kurzem bei ihr und habe mir ein Weihnachtsgeschenk geholt und wir haben ihr auch eines mitgenommen.

Also im Winter gehe ich mit meinen Eltern fast jede Woche Samstag oder am Sonntag auf die Alm hinauf, weil da geht es zum Rodeln. Da ist ein Gasthaus und von dort geht ein ungefähr 4 Kilometer langer Weg auf die Alm. Und da fahre ich selber hinunter. Und schnell.

Das erste Mal, wie ich da hinauf bin, war ich noch ganz schlecht beieinander. Aber ich bin hinaufgegangen bis zum Schranken und dann hat mich ein Auto mitgenommen.

Überlegungen

Man sollte selber entscheiden können, wo man wohnen will.

Teilweise kann man sich nicht durchsetzen, ob man in das Betreute Wohnen gehen will oder lieber im Wohnheim oder bei den Eltern sein will.

Wenn man im Wohnheim oder bei den Eltern wohnt, muss man oft zum Beispiel um 22 Uhr das Licht ausschalten.

In einer Wohngemeinschaft muss man das Licht nicht um 22 Uhr ausmachen.

Man kann meistens selber bestimmen, wann man schlafen gehen will.

Man sollte selber entscheiden können, mit wem man wohnen will.

Wir wollen mit den WohnkollegInnen gut auskommen.

Verein W.I.R.

Der Verein W.I.R. ist 1996 entstanden. Ursprünglich wurden Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten geschaffen, die vorher lange in der Psychiatrie waren.

Zuerst gab es große Wohneinheiten mit vielen Menschen. Entsprechend den Bedürfnissen der BewohnerInnen wurden die großen Wohneinheiten in den letzten Jahren verkleinert: Es gibt jetzt kleine Wohneinheiten, wo weniger Menschen zusammenwohnen.

Und es gibt eine kleine Wohnung (= Garconniere), wo eine Frau alleine lebt und zwei weitere kleinere Wohnungen. Auch Liebespaare können zusammenwohnen.

Man soll nur alleine wohnen an einem Ort, wo man sich wohl fühlen kann und freundliche Menschen als NachbarInnen hat, die einen oder eine so akzeptieren wie er oder sie ist.

Hausarbeit

Viele wollen die Hausarbeit selber machen, die ihnen zusteht.

Es ist ganz wichtig, dass man selber Hausarbeit machen darf.

Das gehört zu einem selbständigen Leben dazu.

Viele Menschen brauchen Unterstützung beim Haushalt und beim Einkauf. Wenn jemand Unterstützung braucht, soll man ihm helfen.

Ausgehen

Jeder und jede kann so lange Ausgehen wie er oder sie meint.

Jede und jeder hat das Recht auf eigene Freiheit!

Es gibt keine selbstverständliche Teilnahme am allgemeinen Leben, wenn man wie ein Vogel im Käfig eingesperrt ist.

Wenn man in der Wohngemeinschaft, im Heim oder bei den Eltern eingesperrt ist, dann fühlt man sich nicht wohl.

Das Wochenende

Montag ist es noch so weit

Dienstag glaub ich gar nicht dran

Mittwoch halt ich mich bereit

Denn der Donnerstag kommt dann

Freitag hätte ich fast verpennt

Halleluja - Wochenend.

Poesie-Band der Waldorf-Schule Innsbruck.

Selbstbestimmung

BewohnerInnen dürfen oft nicht selber entscheiden.

Die Entscheidungen werden von den BetreuerInnen getroffen und nicht von den Menschen selber.

BetreuerInnen geben vor, wann man zu Hause sein muss und was man im Alltag machen darf und was nicht.

Was man oft nicht oder wenig bestimmen kann:

Aufbleiben, Ausgehen, Fernsehprogramm, Freizeit, Freundschaften, Einladungen bei sich zu Hause, was man essen will, was man kochen will, wie man Haushalt machen will, ...

Man sollte immer gefragt werden,

bevor die BetreuerInnen Entscheidungen treffen.

Die BetreuerInnen dürfen auch oft nicht ausgesucht werden.

BetreuerInnen: Das Wort klingt wie FührerInnen, die alles bestimmen und sagen, wo es lang geht.

UnterstützerInnen:

Dieses Wort ist besser.

Man soll die Wohnung so gestalten dürfen, dass man sich wohl fühlt.

Beziehungen, Liebe, Sexualität, Freundschaft

Interviews

Sylvia

Sylvia: Meine Freizeit schaut so aus: Ich bin sehr viel mit meinem Verlobten unterwegs. Also wir machen sehr viel zusammen. Wir gehen ins Kino, wir gehen schwimmen, wir gehen shopen. Und ich fahre manchmal zu ihm, weil er wohnt noch bei seinen Eltern. Und ja, dann tun wir gemeinsam Fernsehschauen und spielen ab und zu. Und am Computer sind wir sehr viel zusammen, ja weil dadurch, dass ich ein Internet habe, tun wir sehr viel herunterladen. Und wir reden auch sehr viel miteinander über unsere Probleme, Probleme in der Arbeit. Und wir versuchen zusammen, sie zu lösen. Ja es ist recht fein. Ich bin total froh, dass ich einen Freund habe.Weil es schwierig ist, weil manche Jugendliche oder manche Buben halt nicht einen Menschen mit Behinderung akzeptieren, wenn sie normal sind. Und er ist selber, er hat keine Behinderung, also der kann normal gehen und so. Und ich bin froh, dass er mich so mag, wie ich bin und ich bin froh, dass ich einen Freund habe.

Kathrin: Und möchtest du auch einmal eine Familie gründen und Kinder haben?

Sylvia: Kinder nicht, aber heiraten möchte ich, ohne Kinder. Da habe ich keine Zeit mehr für mich und meinen Freund. Viel Arbeit, ein Kind zu haben.

Paula

Kathrin: Möchtest du selber auch einmal eine Familie gründen und Kinder haben?

Paula: Mhm, Familie haben, ja einen Freund habe ich schon und es ist eine große Verantwortung, wenn man Kinder hat. Das weiß ich nicht, ob ich später Kinder kriegen will oder nicht.

Kathrin: Ist dein Freund zu dir nett und respektvoll oder ist er eher so ein Typ, der gleich einmal sagt: "Du, ich möchte das machen" und du das auszuführen hast, was er sagt?

Paula: Also ich sage ihm schon die Meinung, wie ich das meine.

Kathrin: Ja, ich finde es super, dass du so selbstbewusst bist.

Maria-Theresia

Maria-Theresia hat auch einen Freund, den sie schon 7 Jahre kennt.

Maria-Theresia: Ich habe ihn schon im Wohnheim gekannt.

Christian: Und ihr habt auch gemeinsam eine feste Beziehung, oder?

Maria-Theresia: Ja, das haben wir ... Er hat mir gesagt, er tut heiraten mit mir.

Reinhard: Aber da wollt ihr noch zuwarten, oder?

Maria-Theresia: Ein bisschen noch, ja.

Lisa: Und kannst du dir auch vorstellen, eine Familie zu gründen und selber Kinder zu haben?

Maria-Theresia: Kinder eigentlich nicht so. Wenn die schreien, da muss ich jedes Mal aufstehen. Sonst müsste ja immer mein Freund aufstehen, und das kann ich auch nicht verlangen, wenn das Baby schreit.

Lisa: Und möchtest du mal gerne in der Zukunft aus der Wohngemeinschaft ausziehen und mit deinem Freund zusammenziehen?

Maria-Theresia: Das schon, ja.Wenn seine Eltern gestorben sind, hat er einmal zu mir gesagt.Wenn sie gestorben sind, möchte er fix, dass ich bei ihm wohne.

Er hat eigentlich gesagt, er möchte das gerne, dass ich mit ihm zusammenwohne, in der Wohnung, wenn die Mama und der Papa gestorben sind, dass ihm das dann alles gehört, zum Beispiel.

Walter

Kathrin: Möchtest du selber auch einmal eine Familie gründen und Kinder haben?

Walter: Ich kann keine Kinder erzeugen. Das steht alles in der Doku-Mappe drinnen. Da ist meine Mama wohin gefahren und hat mir da bei der Eileiter da etwas herausschneiden lassen.

Reinhard: Warum hat sie das machen lassen?

Walter: Weil sie das besser gefunden hat.

Markus

Kathrin: Möchtest du selber auch einmal eine Familie gründen und Kinder haben?

Markus: Also da bin ich noch nicht so weit. Also ich meine da muss man ja selber mal eine Partnerschaft haben und da habe ich es eigentlich nicht so leicht, weil ich tue mir sehr schwer, ich weiß meistens nicht was sagen und da bin ich nicht der Einzige. Ja, also ich will ... ich möchte gerne mal mit einer Dame zusammensein, die auch so in meinem Alter ist, so zwischen 18 und 25 Jahre. Ja und sie sollte treu sein und ehrlich und ja, vielleicht wird dann daraus etwas, man weiß nie.

Daniela: Und hast du schon einmal Verabredungen gehabt, oder jemanden zum Essen eingeladen, den du gerne hast, oder von dem du gerne Näheres wissen willst?

Markus: Nein, eigentlich nicht. Ich kriege zwar öfters SMS auf das Handy, so 0900er-Nummern, aber da habe ich schon am Anfang gewusst, dass sie mich völlig hineinlegen wollen. Die sind einfach zu teuer, da sollte man einfach nicht anrufen. Ich habe selber so ein Buch daheim, wie man Leute anredet und ja, dass man nicht so coole Sprüche geben sollte, das sollte man gar nicht, weil das kann auch für andere ganz peinlich sein. In dem Buch geht es auch um Verhütungsmethoden, eher sozusagen um Liebe und Sexualität geht es da eher.

Gerhard

Kathrin: Möchtest du selber auch einmal eine Familie gründen und Kinder haben?

Gerhard: Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn ich jetzt Vater werde von, also wenn mein Kind gesund auf die Welt kommt, dann könnte ich mir eher vorstellen, eine Familie zu gründen. Aber wenn mein Kind behindert auf die Welt kommt, dann könnte ich mir eine Familie gründen gar nicht vorstellen. Das wäre für mich nicht fein.

Caroline

Caroline: Also ich kann mich erinnern, die beiden Male, wo ich verliebt war, haben mich meine Eltern schon gewarnt vor den Risiken, die passieren können.

Ich habe zum Beispiel mit 19 Jahren jemanden kennen gelernt und dann wie ich herausgefunden habe, dass er mich als Betthasen haben wollte, also als jemanden, mit dem er Sex machen kann, habe ich gesagt: "Nein, das ist mir zu riskant." Und da haben die Eltern zum ersten Mal erkannt, dass ich selber fähig bin, auf mich aufzupassen.

Dann wie ich meinen 2. Freund kennen gelernt habe, war ich knapp 21 und der hat mich nur als Freundin haben wollen, damit er bei seinen Freunden besser rüberkommt. Es hat sich dann herausgestellt, dass er nur darauf ausgerichtet war, sich mit anderen zu treffen und sich wenig um mich zu kümmern, sagen wir so. Und wenn er krank gewesen ist, dann habe ich ihn zum Beispiel öfters besucht, aber wenn ich krank war, ist er überhaupt nicht zu mir gekommen. Er hat mich auch angerufen, dann habe ich gesagt: "So, jetzt muss es aber aufhören."

Ich bin in dieser typischen Lernphase gewesen, in der Verliebtheit herauszufinden, was ist richtig, was ist falsch.

Harry

Harry hat keine Freundin, aber er hätte gerne eine. Früher ist er mehr ausgegangen, aber jetzt nicht mehr so: "Ja, man wird älter. Man wird älter und nicht mehr so auf die Gaudi aus."

Harry: Ich habe schon eine Freundin gehabt. Das ist dann zu Bruch gegangen, weil die Freundin von mir damals, die hat keine Küsse wollen.

Lisa: Möchtest du selber mal irgendwann in der Zukunft Familie haben und Kinder?

Harry: Ja, schon. Ich war auch schon beim Doktor und habe ihn gefragt, ob ich Kinder kriegen kann und er hat ja gesagt.

Also an mir liegt es nicht.

Daniela: Du musst mehr unternehmen.

Harry: Ja, das glaube ich auch.

Anita

Kathrin: Tust dich selbst mit Freunden treffen?

Anita: Eigentlich nicht. Ich möchte schon mich mit mehr Freunden treffen, aber da muss ich sehr daran arbeiten, bis ich das schaffe. Das hat zum Teil mit meiner Behinderung zu tun, dass ich nicht so schnell (Freundschaften knüpfen) kann, nicht so schnell wie bei den anderen, glaube ich.

Markus

Daniela: Machst du gerne mit anderen Leuten irgendwie Aktivitäten oder gehst lieber mit deiner Mama ...

Markus: Nein! Also ich möchte mal auf jeden Fall Kontakt haben, aber ich tue mir da so schwer. Also ich meine ich bin halt ein bisschen schüchtern, ich weiß, aber es geht einfach nicht. Das müssen schon die Leute bei mir ein bisschen einsehen. Ich gehe sonst öfters mit meiner Cousine aus und ja, manchmal ins Kino, mal in die Lokale. Das hat mir eigentlich recht ganz gut gefallen.

Hast du das Gefühl, dass du von deinen Mitmenschen immer als erwachsen behandelt wirst?

Fühlst du dich erwachsen oder mischen sich die Eltern oder andere Erwachsene ein?

Harry

Harry: Ja, manchmal schon. Und manchmal nicht. Manche Leute sind selber etwas ..., die sind halt nicht, die nehmen mich nicht ernst. Weil ich selber viele Späße mache, kann ich manchmal nicht einschätzen, ob es jetzt ernst gemeint ist oder nicht.

Sylvia

Sylvia: Ja, die Menschen, die ich kenne, behandeln mich ganz normal, als erwachsen. Aber es gibt auch Situationen, ... die behandeln mich wie ein kleines Kind. Ich wehre mich dann, wenn es so ist.

Anita

Anita: Ich finde schon, ich werde behandelt wie eine Erwachsene - auch schwierig. Meine Eltern gehen mir nicht auf die Nerven, aber bei manche Sachen schon. Wenn es um Selbstbestimmung geht, darin beeinflussen mich meine Eltern schon, will ich sagen, auch meine Schwester, das gehört dazu.Wenn ich stur bin, dann regen sie sich voll auf, obwohl sie auch stur sein können. Schwierig ist für mich das Erwachsensein - das ist schwierig. Mit Erinnerung und Gefühlen, das ist anstrengend; die Unsicherheit, und das ist das. Mit dem Alter bin ich erwachsen, aber im Verhalten nicht, nicht so ganz. Trauen mit den Gefühlen umzugehen: Angst, Liebe, Sexualität, Trauer - das ist schwierig für mich.

Markus

Markus: Eher muss ich sagen, es gibt Zeiten, wo sich meine Oma einmischt. Meine Oma behandelt mich immer noch wie ein kleines Kind. Und das finde ich ganz schrecklich.

Deshalb fahre ich selten zu meiner Oma hinunter, ich weiß auch nicht.

Daniela: Warum behandelt sie dich wie ein kleines Kind?

Markus: Das weiß ich nicht, das kann ich leider nicht sagen. Also ich habe ihr schon hundert mal Gesagt, dass ich schon erwachsen bin und sie soll mich wie einen Erwachsenen behandeln. Und dann sagt sie, das tut sie ja.

Daniela: Fühlst du dich erwachsen?

Markus: Ja, fühle mich schon erwachsen. Meine Eltern mischen sich da gar nicht ein. Sie haben eigentlich gar nichts dagegen, wenn ich etwas unternehme, so privat oder so was oder wenn ich mal ausgehen will oder sonst etwas.

Gerhard

Gerhard: Ich fühle mich als erwachsener Mensch. Ich bin eigentlich froh, erwachsen zu sein und ich kann mit meiner Behinderung gut umgehen. Nur muss ich dem Vater relativ viel die Schuld geben, weil er nie auf mich geschaut hat und ich das eigentlich gern wollte und er das nie gemacht hat, was ich wollte. Wenn ich zu meiner Großmutter sage, ich möchte das und das gerne, dann mischt sie sich ein. Ja aber wenn ich ihr sage: "Ich will das nicht", dann tut sie es trotzdem. Dann sagt sie: "Das darfst du nicht machen, und das und das nicht und dies und jenes nicht tun." Ja, was soll ich sagen. Ich kritisiere auch die Oma, weil sie sich alleweil in Sachen reinmischt, die sie gar nicht betreffen und sie gar nichts angehen, aber sie macht das immer wieder.

Walter

Kathrin: Hast du das Gefühl, dass du von deinen Mitmenschen immer als erwachsen behandelt wirst?

Walter: Ja, das schon. Das schon.

Reinhard: Und was verstehst du unter erwachsen behandeln?

Walter: Ja, halt, dass man nicht sagt: Der ist jetzt so und so alt und der benimmt sich als wie ein Dreijähriger. Das mag ich nicht.

Paula

Paula: Erwachsen, Mhm. Also ich fühle mich erwachsen, aber bei manche Dinge, zum Beispiel wenn es heißt Zimmer aufräumen - ich mache zwar meine Arbeit nach dem Kochen, wenn ich dran bin. Und ich räume alles auf, aber wenn es heißt danach, ich muss mein Zimmer aufräumen, dann sagen die Betreuer, ich muss noch viel dazulernen.

Kathrin: Also das heißt, wenn die Betreuer sagen: Zimmer aufräumen, dann fühlst du dich eher wie ein Kind, oder? Habe ich das richtig verstanden?

Paula: Ja, ab und zu, aber ich mache es schon, auch wenn sie es nicht sagen, aber oft einmal bin ich ein Schlamperdatsch.

Überlegungen

Aufklärung

Über Liebe und Sexualität sollte man viel darüber reden, weil das ein ganz wichtiges Thema ist.

Wissen über Verhütung und den Körper ist wichtig!

Die Schule kommt nicht nach mit der Aufklärung.

Man erfährt nur biologisches Wissen und nicht wie es weitergeht.

Es gibt viele Arten von Liebesbeziehungen.

Lesben und Schwule werden auch oft als unmoralisch, krankhaft oder abartig gesehen und als Außenseiter diskriminiert.

Man soll aber selber alle Erfahrungen machen dürfen, egal ob man eine Behinderung hat oder nicht.

Heterosexuell: Wenn eine Frau und ein Mann sich gegenseitig lieben.

Homosexuell: Wenn sich zwei Frauen gegenseitig lieben (= Lesben)

Oder wenn sich zwei Männer gegenseitig lieben (= Schwule).

Bisexuell: Wenn man Frauen und Männer abwechselnd liebt.

Jemanden Kennenlernen

Es ist schwierig, sich gegenseitig kennen zu lernen. Beim Kennen lernen ist es wichtig, offen und ehrlich zu sein und nicht verschlossen und verkrampft.

Sich Kennen lernen:

Ausgehen • In Lokale gehen • Disco • Kino

Beim Einkaufen • Im Gasthaus • Bei der Arbeit

Sich Fallen-Lassen und sich Einlassen und Ja-Sagen ist auch schwierig. Es ist zum Beispiel schwierig, jemandem zu sagen: "Ich mag dich!"

Es sollte eine kostenlose Partnervermittlung in Tirol geben!

Aus dem Expertengespräch mit Volker Schönwiese:

Volker Schönwiese: Auch das mit der Familie ist so eine Geschichte: Man ist in der Familie sehr nahe beieinander, und man geht auch wieder weg. Alle Kinder gehen, wenn sie erwachsen sind, eigentlich von der Familie wieder weg.

Bei Leuten, die Unterstützungsbedarf brauchen, ist es meistens schwieriger. Und das ist eines der Probleme: Da klammern die Eltern: "Bleibe ja da, ich brauche dich noch als Kind."

Und die Eltern sagen auch: "Ausziehen - Nein, das geht nicht! Wer zahlt dir das! Wer hilft dir! Kannst du dir überhaupt die Wäsche waschen? Und kochen kannst du auch nicht!"

Und die erwachsenen Söhne und Töchter sagen: "Ja, ich weiß nicht wohin. Ich weiß nicht wie. Wo kriege ich meine Unterstützung? Und meine Eltern wollen auch nicht, dass ich weg bin."

Es gibt viele Leute mit Behinderung, die ihr Leben lang bei den Eltern im Haus wohnen, über Tag in irgendeine Werkstätte gehen, dort basteln und arbeiten und kein Geld bekommen, am Abend nach Hause gehen, und bei den Eltern sind, wo sie ihr Leben lang so eine Art Kind bleiben.

Ganz viele bleiben im Ehebett, bei den Eltern. Meistens wandert der Mann ab, geht in ein anderes Zimmer oder lässt sich überhaupt scheiden und eine erwachsene geistig behinderte Frau schläft ihr Leben lang neben der Mutter im Bett, wie ein Kind. Das ist nicht normal.

Volker Schönwiese: Das ist deshalb so, weil sie es als Jugendliche nicht geschafft haben zu sagen: "O.K., jetzt gehen wir auseinander. Alle Jugendlichen tun das und wir tun es jetzt auch."

Das Lernen aber schon die Kinder im Kindergarten, wenn sie sich streiten, was sie gemeinsam spielen oder wenn sie lernen, auch wegzugehen. Deswegen ist die Integration so wichtig! Dann kann man auch mit 16, 17, 18 oder 20 Jahren sagen: "So, liebe Eltern, ich liebe euch. Ich liebe mich selber aber auch, indem ich jetzt weggehe. Ich wohne jetzt selber."

Sexualität

Sexualität:

  • Selbst entscheiden!

  • Ausleben!

  • Und keine Schuldgefühle haben!

Lebe dein Leben! Live your life!

Achtung! Es gibt Schutzbestimmungen für Geschlechtsverkehr mit Jugendlichen.

Erwachsen-Sein

Erwachsen-Sein heißt, dass man mit den Eltern, ErzieherInnen oder UnterstützerInnen auf einer Kumpel-Stufe steht. Das heißt man ist gleichberechtigt und wird ernst genommen.

Zum Beispiel: Wenn du mir auf die Schulter klopfst und ich sage: "Ich mag das nicht!", dann sollst du das akzeptieren. Das ist ein respektvoller Umgang.

Nein-Sagen ist wichtig, wenn man etwas nicht mag.

Fürsorge ist gut, aber zuviel ist auch nichts.

Omas zum Beispiel sollen uns nicht überfüttern.

Warum sind Freundschaften oft schwierig?

  • Die Eltern sagen: "Nein, du darfst nicht!"

  • Oder die Person selber will kein Freund oder keine Freundin von mir werden, weil sie zum Beispiel Minderwertigkeitskomplexe hat.

Die Person mit Minderwertigkeitskomplexen denkt sich dann vielleicht, dass sie mir nur lästig sein könnte und ich sie nicht mag. Oder die Person denkt sich, dass sie besser ist. Sie glaubt vielleicht, dass sie weniger behindert ist.

Minderwertigkeitskomplex: Wenn man das Gefühl hat, nichts wert zu sein oder nichts zu können.

Minderwertigkeitskomplexe kommen von der Gesellschaft und der Unterdrückung: Wenn dir jemand immer sagt: "Ph! Du bist nichts wert!", dann glaubst du es selber irgendwann einmal.

Manche glauben sogar, dass sie selber gar keine Behinderung haben. Sie sind dann oft sehr wählerisch mit Freunden und Freundinnen.

  • Menschen, die nicht selbständig wohin gehen können, sind oft ganz einsam. Die BetreuerInnen in den Wohngemeinschaften oder Heimen geben oft zu wenig Unterstützung und Begleitung. Manche Menschen mit besonderen Fähigkeiten werden eingesperrt. Menschen brauchen aber Freiheit und sollen nicht den ganzen Tag im Haus herum sitzen.

Manche Eltern oder UnterstützerInnen sind aber auch ganz nett und wollen, dass wir Freundschaften knüpfen.

Geschichte: Im Sommer 2000

Das ist passiert am alten Hauptbahnhof in Innsbruck: Da hat ein Mann mich angesprochen, ob ich mit ihm Geburtstag feiern will, um ihm eine Freude zu machen. Wir sind in ein Taxi eingestiegen. Er hat mir einen Zungenkuss gegeben und im Geschäft haben wir Wein und Bier gekauft. Wir sind im Kranebitten-Cafe gewesen und in den Wald spazieren gegangen und haben uns irgendwo hingesetzt.

Ich habe sehr wenig Wein getrunken, er hat sich ganz ausgezogen, ich habe nur den Oberteil ausgezogen. Im Wald hat es geregnet und gehagelt. Ich bin in ein Klo gerannt und habe mich abgetrocknet. Dann hat der Papa mich am Handy angerufen, fünf mal, und dann hat der Papa mich gefunden und dann sind wir zuerst in die Klinik gefahren, mich untersuchen zu lassen, und danach zur Polizei, Anzeige machen. Ende.

Im Buch "Das andere Mädchenbuch", geschrieben von Patricia Mennen und Birgit Rieger (Bestellung: Ravensburger Buchverlag) habe ich ein paar wichtige Tipps gefunden:

Sag Nein, wenn du nein meinst!

Lach nicht aus Gefälligkeit über ordinäre Witze.

Meide auf Partys Jungs oder Männer, die viel getrunken haben. Organisiere schon vorher, wie du wieder nach Hause kommst.

Steige niemals allein zu Jungs oder Männer in das Auto, die du kaum kennst oder gerade erst kennen gelernt hast.

Wenn du das Gefühl hast, dass dir jemand folgt, gehe auf die andere Straßenseite.

Schreie so laut du kannst!

Jede Frau kann Opfer von Gewalt und Vergewaltigung werden.

Mache einen Selbstverteidigungskurs.

Dein Selbstvertrauen wird alleine schon dadurch gestärkt, wenn du weißt, wie du deine Körperkräfte einsetzen kannst.

Der WenDo-Selbstverteidigungskurs ist nur für Frauen und Mädchen, nicht für Männer.

Dort übt man auch Nein-Sagen.

Man kann auch Rollenspiele machen.

Ich habe mit vielen vertrauten Menschen geredet.

Das war toll.

Geschichte: Meine Versuche, jemanden kennen zu lernen

Ich habe öfter schon versucht, eine Frau kennen zu lernen. Ich möchte mich gerne verlieben. Ich möchte gerne küssen. Es heißt im Sprichwort, "Ein Kuss sagt mehr als tausend Worte."

Sexualität kann auch nicht schaden.

Im Lokal jemanden ansprechen, hat auch nichts geholfen. Ich habe schon eine Frau gefragt, ob sie mit mir tanzen will. Aber sie hat gesagt: "Nein." Aber ich werde nicht aufgeben!

Im Jänner ist jetzt im Rennbahnexpress eine Kontaktanzeige von mir. Ich habe meine Adresse bekannt gegeben.

Wenn ich mit jemanden ausgemacht habe und sie dann nicht kommt - das ist für mich Ausnutzung oder Betrug. Das verletzt mich sehr.

Wenn ich jemand kennen lerne, dann möchte ich mir mit der Liebe etwas Zeit lassen. Auch mit dem Küssen möchte ich mir Zeit lassen.

Es gibt auch Mehrwertnummern, aber ich finde, sie sind relativ sinnlos. Auch die Sex-SMS sind beinhart. Einmal habe ich ein SMS bekommen: "Wenn du nicht sofort anrufst, wirst du es bereuen." Das hat mich unter Druck gesetzt. Am besten wäre, man löscht ganz einfach die SMS und das wäre vergessen. Man kann auch die 0900er Nummer vom Netzanbieter sperren lassen, dann kann nichts mehr passieren.

Nett wäre, wenn es statt einer 0900er-Nummer eine normale kostenlose Kontaktnummer gäbe.

Weil die 0900-Nummer eine kostenpflichtige Nummer ist.

Die 0900 Nummer kann bis zu € 3.64,- pro Minute kosten.

Also aufpassen!!!

Behinderung und Diskriminierung

Inhaltsverzeichnis

Interviews

Welche Auswirkung hat die Behinderung auf dich?

Wie viel Unterstützung und Betreuung bekommst du?

Hast du schon Diskriminierungserfahrungen gemacht?

War schon jemand gewalttätig zu dir?

Markus

Kathrin: Welche Auswirkungen hat die Behinderung auf dich?

Markus: Leider schlechte Auswirkungen, weil die Schüler in der Sonderschule, die haben mich, ... ein paar haben mich wie einen Behinderten angesprochen und so. Das habe ich ganz schlimm gefunden.

Daniela: Wie viel Unterstützung und Betreuung bekommst du?

Markus: Also seid ich erwachsen bin, brauche ich nicht so viel Unterstützung. Ich meine, im Porg Volders hat man schon Unterstützung. Also es sind schon Betreuer, die inzwischen auch mal was schauen und so. Und da macht es mir eigentlich recht Spaß. Und ich kann auch mit den Betreuern über Probleme reden und dann habe ich mir gedacht: "Mah, endlich kann ich mal mit denen reden über Probleme." Also das war schon in der Schule ein bisschen eigenartig.

Kathrin: Hast du schon Diskriminierungserfahrungen gemacht, also dass man dich zum Beispiel blöd angesprochen hat oder dass man versucht hat, dich auszuspotten oder dich irgendwie zu beleidigen?

Markus: Das ist schon oft einmal bei mir vorgekommen, wie ich mal Schule gegangen bin, also da haben die mich wie einen größten Trottel gehalten.

Daniela: Wie hast du dich da gefühlt?

Markus: Ich habe den Kopf nur mehr in den Tisch fallen lassen, also das war nicht mehr normal.

Harry

Harry: Ich überhöre das, wenn andere Leute lästern oder so.

Dann sage ich: Macht nichts. Das überhöre ich.

Anita

Daniela: Welche Auswirkung hat die Behinderung auf dich?

Anita: Auf mich, die Behinderung, die ich habe? Ja, ich kann gut umgehen mit meiner Behinderung. Zum Beispiel wenn ich beim Schreiben, Lesen oder beim Rechnen bin, dann kommt es schon vor, dass ich mein Down-Syndrom spüre.

Daniela: Was spürst du dann?

Anita: Ja, dass ich einfach länger brauche. Dann muss ich dreimal lernen, dann kriege ich es in den Griff.

Kathrin: Wie viel Unterstützung und Betreuung bekommst du?

Anita: Unterstützung von allen Menschen, die ich kenne.

Alle, alle, die ich (in meinem Heimatort) kenne, unterstützen mich, meine Eltern, dann meine Schwester, mehr mein Bruder, weil mein Bruder hat mehr Geduld als meine Schwester zu mir.

Kathrin: Hast du schon Diskriminierungserfahrungen gemacht. Zum Beispiel, dass man dich blöd angeredet hat?

Anita: Nein, das ist mir noch nie passiert. Aber untertags kann ich schon alleine ausgehen, aber spät in der Nacht nicht gern, weil da hab ich das Gefühl der Unsicherheit.

Paula

Kathrin: Und wie gehst du mit deiner Behinderung um? Hast du dich damit abgefunden oder denkst du dir zeitweise, es wäre feiner, ohne Behinderung zu leben?

Paula: Es wäre schon feiner ohne Behinderung.

Kathrin: Wie viel Unterstützung und Betreuung bekommst du?

Paula: Also ich kriege von den Betreuern Unterstützung, wenn ich etwas brauche. Oder zum Beispiel meine Mama, wenn ich bei meiner Mama daheim bin, dann reden wir darüber, über die Behinderung.

Kathrin: Tun dich die Verwandten auch unterstützen?

Paula: Also meine Verwandten, die Tante in Oberösterreich zum Beispiel schon. Die hat 2 Kinder und sie hat mich eigentlich großzügig unterstützt, bevor sie verheiratet war und auch jetzt noch. Aber wenn ich zum Beispiel an meine Cousine denke: Sie sagt zwar, sie lässt mich ihr Baby heben und dann hat sie trotzdem Angst, dass ich das Kind hinunterschmeiße, das war so. Manche Leute haben halt Angst, wenn ich ein Kind halte, dass ich es dann runter fallen lasse. Aber das ist nicht so. Manche Leute wissen gar nicht, wie ich sanft mit den Kindern umgehen kann.

Also wie von meiner Nachbarin, von unserer Nachbarin die Kinder auf die Welt gekommen sind, habe ich sie von Kind auf, seit sie auf die Welt gekommen sind, immer herumgetragen, gewickelt. Spazieren gegangen bin ich mit ihnen. Und dann habe ich oft einmal aufgepasst über Nacht und das war problemlos.

Kathrin: Hast du Diskriminierungserfahrungen gemacht, zum Beispiel dass man dich blöd angeredet hat oder verspottet?

Paula: In der Schule haben sie mich verspottet und auch von meiner Schwester die früheren Freunde haben mich auch immer, ... sie haben dann gesagt: "Was ist denn das für eine?" Dann hat sie gesagt: "Meine Schwester". Und dann haben sie mich ausgelacht. Auch wenn ich in die Stadt gehe, dann lachen sie mich aus, im Bus drinnen verspotten sie mich manchmal. Das ist schon arg.

Kathrin: Ist schon jemand gewalttätig zu dir gewesen?

Paula: Gewalttätig, nein. Wir haben zwar einmal einen Mitbewohner gehabt, der hat bei uns geschnuppert und der hat gewohnt bei uns einen Monat. Wir haben einen Ausflug gemacht mit dem Zivildiener und das war arg, der hat ihn alles geheißen, den Betreuer, und hat sich um uns herumgeschlungen. Er hat sich auch zu einer anderen Mitbewohnerin ins Bett gelegt, nackt, obwohl sie das nicht wollte, hat sich auf sie hinauf gelegt.

Als meine Schwester mit ihrem Freund da war, haben sie oben Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt und ich war im Zimmer Fernsehschauen und dann ist er hereingekommen und hat sich auf mich hinaufgelegt und wollte mit mir Sex haben. Aber ich habe es abgelehnt und das habe ich dann nachher auch gesagt, seiner Mama, dass er das lassen soll.

Das waren wilde Sachen.

Sylivia

Sylvia: Ich kann eigentlich mit meiner Behinderung gut umgehen. Ich sehe mich nicht als behinderten Menschen, ich bin ein ganz normaler Mensch.

Kathrin: Ich finde das ehrlich gesagt super, wie du das siehst, weil es gibt mit Sicherheit viele, die das ganz anders sehen und auch nicht so selbstbewusst denken wie du.

Sylvia: Ja, ich bin ein ganz normaler Mensch wie jeder andere auch und wir sind alle ganz normal.

Kathrin: Und war schon jemand einmal gewalttätig zu dir?

Sylvia: Ja gewalttätig mein Papa. Und mit 12 Jahren bin ich vergewaltigt worden. Das ist es.

Kathrin: Hast du schon schon einmal erlebt, dass man dich blöd angesprochen hat oder verspottet hat?

Sylvia: Selten eigentlich, selten. ... Das Problem habe ich jetzt immer noch, wenn ich auf der Straße gehe, dass sie mich immer nachmachen. Nachmachen heißt, wie ich gehe und dass sie sich darüber lustig machen. Und das ärgert mich halt immer wieder. Aber ich denke mir, denen etwas sagen nutzt nichts und die sind selber noch Kinder, weil wenn man so etwas macht, ist man selber noch ein Kind, egal wie alt man ist.Weil im Prinzip sollte man schon so weit sein, dass man keinen nachmacht, egal welche Behinderung jemand hat.

Reinhard: Also, willst du mit der Aussage, wenn ich sie jetzt richtig verstanden habe, sagen, dass die Gesellschaft Leuten, die anders sind, mehr Respekt entgegenbringen sollte, oder?

Sylvia: Ja. Ich fahre ja sehr oft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn ich aus dem Bus aussteige, warten sie nicht, bis ich ausgestiegen bin. Da müssen sie sich hereindrängen und da tue ich mich auch schwer. Geht bei mir einmal die Geduld zu Ende, dann schreie ich, weil sie nicht zwei Minuten warten können, bis man ausgestiegen ist. Ich habe ein bisschen die Panik, weil die Leute, die im Bus drinnen sind, sind auch ungeduldig - nicht dass mich jemand hinausschupft, dann tue ich mir noch weh und dann habe ich die Bescherung und so. Das ärgert mich total, dass sie nicht auf sich selber schauen, sondern nur auf die anderen Leute schauen und sich nicht selber kritisieren, was sie falsch machen, sondern in ihren Augen machen nur die anderen Fehler. Und ich finde es auch total blöd, dass da nichts gemacht wird für die Rollstuhlfahrer, weil sie könnten ja auch genauso mit den Straßenbahnen fahren. Aber da gehört eben etwas gemacht. Sie haben genau das Recht, mit Straßenbahnen zu fahren wie die anderen.

Gerhard

Kathrin: Ich möchte dir gerne die Frage zum Thema Behinderung stellen: Welche Auswirkungen hat die Behinderung auf dich?

Gerhard: Ja, ich habe Sauerstoffmangel, weil ich habe als Kind zu wenig Sauerstoff gehabt und deswegen bin ich auch in die Lebenshilfe gekommen, weil eine normale Arbeit hätte ich eigentlich nie machen können.

Kathrin: Und wie gehst du damit um, Gerhard?

Gerhard: Ich muss so leben, wie ich bin, es gibt nichts anderes. Ich lebe so, wie ich bin und ich kann ehrlich gesagt nichts dafür, dass das bei mir so ist. Das ist halt so und da kann ich nichts machen.

Kathrin: Wie viel Unterstützung und Betreuung bekommst du?

Gerhard: Ich werde eigentlich von den Betreuern viel unterstützt. Sie machen es eigentlich recht gut. Nur kritisiere ich nur, wenn sie sich nicht für das Problem Zeit nehmen, das ich meistens habe. Nur wenn sie sich nicht Zeit nehmen für das, dann kann ich auch nicht helfen.

Kathrin: Hast du Diskriminierungserfahrungen gemacht? Also wenn man verspottet wird oder ausgelacht wird?

Gerhard: Ja, das habe ich viel erlebt, ich bin viel ausgespottet worden, viel. Ich habe relativ viel damit zu tun gehabt und das ist manchmal heute auch noch so, dass ich verspottet werde oder dass ich mich ausgelacht fühle oder dass sie mich auslachen und sagen: "Mei". Oder dass einmal ein Kind zu meiner Cousine gesagt hat: "Mah, was tut denn dein komischer Cousin wieder da." Also da habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass das in der Richtung mit Ausspotten etwas zu tun hat.

Reinhard: Machst du denen, die mit dir blöd umgegangen sind, einen Vorwurf?

Gerhard: Ja, eigentlich schon, weil ich finde das nicht kollegial, wenn ich von Buben ausgespottet werde, indem die mich als das und das bezeichnen oder das und das mir nachrufen oder sagen, das und das kannst du nicht oder du bist zu dem und dem nix, und das bringt mich dann auf 180 auf die Weißglut.

Caroline

Daniela: Welche Auswirkung hat die Behinderung auf dich?

Caroline: Die Epilepsie an sich hat die Auswirkung, dass ich zum Beispiel in Sachen Mathematik eher schlecht war, weil es doch meine Konzentration beeinflusst, also äußerlich merkt man nicht sehr viel davon. Aber wenn man mir zum Beispiel eine Rechnung gibt, was 9 mal 9 ist, dann sitze ich davor und es vergehen 3 Stunden, bis ich herausgefunden habe, was das Ergebnis ist. Dafür habe ich als Ergänzung dafür herausgefunden, dass meine Interessen vielmehr im geschichtlichen, biologischen, geografischen und in den religiösen Bereich hineingefallen sind. Also wo die anderen Menschen nicht so sehr daran interessiert waren, bin ich mit Begeisterung dran gewesen. Und heute mit meiner Behinderung umzugehen, das fällt mir zeitweise sehr wohl noch schwer, aber im Gegensatz zu damals, wo ich das zum ersten Mal erfahren habe, tue ich mich leichter damit, ja mich einfach damit abzufinden.

Daniela: Wieviel Unterstützung oder Betreuung bekommst du?

Caroline: Allgemein bekomme ich sehr viel Unterstützung, besonders durch meine Schwester und meine Eltern.

Daniela: Hast du Diskriminierungserfahrungen, zum Beispiel blöde Anmache oder dass dich jemand auslacht, wenn du in der Straßenbahn sitzt oder im Bus?

Caroline: In den öffentlichen Verkehrsmitteln weniger, aber in der Schule bin ich sehr oft ausgelacht worden, ich bin auch blöd angesprochen worden, dass ich zum Beispiel behindert bin oder viele haben mich auch als "Lapperte" bezeichnet, was mich doch sehr traurig gemacht hat. Also eine Zeit lang habe ich mir gedacht, eigentlich sind sie selbst behindert, wenn sie so Vorwürfe verwenden. Und was für mich wesentlich diskriminierender war, ist dass meine beiden Ex-Freunde mich so derartig ausgenützt haben.

Daniela: Was denkst du über Selbstbestimmung? Hast du das Gefühl, dass du selber über dein Leben bestimmen kannst?

Caroline: Doch. Und ich denke, dass Selbstbestimmung auch etwas sehr Wichtiges ist, besonders für uns Frauen, denn jede bekommt die Gelegenheit, selbst zu bestimmen, was sie tun möchte in ihrer Freizeit und was nicht oder was dasBerufliche anbelangt. Ich habe auch, ich glaube insgesamt 3 Mal, einen WenDo-Kurs gemacht und kann nur jeder Frau empfehlen, einen Selbstverteidigungskurs zu machen, weil es ebenfalls dein Bewusstsein stärkt und nicht nur darauf hinausläuft, sich als Opfer auszugeben. Unter Tags ist es einfacher, weil einfach mehr los ist. Aber abends ist die Gefahr am höchsten, dass man mit Gewalt oder auch vom Sexuellen her angefallen wird. Und, ja, wie ich den Wendo-Kurs besucht habe und gewusst habe: "So, diese Schläge und Tritte, die kann ich" und auch weiß, wann ich die einsetzen kann, muß ich ganz ehrlich sagen, ist es für mich auch viel erträglicher gewesen, wenn ich zum Beispiel abends von der Arbeit nach Hause gekommen bin, ohne Angst haben zu müssen, dass gleich mich jemand ausrauben möchte oder körperlich mich verletzen will. Deshalb kann ich es nur weiterempfehlen.

Maria-Theresia

Christian: Welche Auswirkung hat die Behinderung auf dich?

Maria-Theresia: Auswirkung, oh, die weiß ich gar nicht.

Reinhard: Oder wie gehst du eigentlich damit um, dass du, sagen wir es so, anders bist?

Maria-Theresia: Nicht so gut.

Wie gehst du mit deinen Mitmenschen ohne Behinderung um?

Anita

Anita: Ohne Behinderung? Komplett schwer, komplett schwer, ja, verdammt schwer, ja echt.

Daniela: Und mit Behinderung?

Anita: Tja, auch schwer. Ich sehe, dass die Nicht-Behinderten genauso eine Behinderung haben, bei manchen Sachen. Ungeduldig, die keine Behinderung haben, sind so ungeduldig. Ich habe einmal gelesen, dass Nicht-Behinderte zu wenig über Down-Syndrom wissen.

Markus

Markus: Ganz normal, wie ein jeder Mensch halt, also, sie finden mich alle sehr nett und ich bin auch hilfsbereit.

Sylvia

Sylvia: Ja, ich behandle sie ganz normal, weil jeder Mensch ist gleich. Ich bin halt so ein Mensch, ich kann zu niemanden böse sein, auch wenn das jetzt blöd klingt. Ich versuche immer jemandem zu helfen. Auch wenn ich auf der Straße jemanden sehe, eine ältere Frau oder was, dann helfe ich ihr meistens, weil ich mache ihr in der Straßenbahn einen Platz frei, damit sie sich hinsetzen kann. Also ich behandle die Leute ganz normal, wie jeden anderen auch.

Paula

Paula: Menschen ohne Behinderung haben es halt ein bisschen einfacher. Sie wohnen dann nicht in Lebenshilfewohnungen oder in Heimen von der Lebenshilfe oder andere Sachen.

Walter

Walter: Wenn die Betreuerin Frühstücksdienst hat, dann helfe ich ihr.

Gerhard

Gerhard: Ja, Menschen ohne Behinderung finde ich eigentlich auch ganz nett und sie finden mich eigentlich auch ganz nett, weil ich mag Menschen ohne Behinderung; die Menschen ohne Behinderung mögen auch mich; das ist mir ganz! wichtig.

Caroline

Caroline: Mit Menschen ohne Behinderung gehe ich problemlos um.

Mit meiner Behinderung habe ich mich anfangs schwer getan, mich damit abzufinden, aber dann habe ich herausgefunden, dass die, die so genannt ohne Behinderung sind, oft nicht sehr viel besser dran sind. Zum Beispiel bei anderen Menschen merkt man nichts von einer geistigen Behinderung oder von einer körperlichen Behinderung, aber deren Problem ist halt, dass sie sich wesentlich schwerer tun, sich damit abzufinden, wenn jemand in ihrer Verwandtschaft behindert ist.

Daniela: War es für deine Eltern leicht?

Caroline: Und wenn ich so zurückdenke, frage ich mich schon:Was haben meine Eltern da in Kauf genommen, dass sie überhaupt es herausgefunden haben, es zu verstehen, 2 Kinder mit Lernschwierigkeiten in die Familie und auch damit in die Gesellschaft zu integrieren.

Schlußfrage: Was wünscht du dir für die Zukunft?

Anita

Ich möchte gerne, dass meine Eltern mich ganz wahrnehmen sollen und die Gefühle verstehen. Das möchte ich gern. Und schwierig ist es mit dem Akzeptieren, wie ich bin.

Ja, und dass ich für immer im Porg Volders bleibe, für 3 Jahre lang. Und für nachher: Haushaltshilfe - alte Menschen, die nicht alleine einkaufen können und auch nicht alleine den Haushalt führen können - dass ich da eine Unterstützung bin.

Das möchte ich auch gern im Haushalt: Wäsche machen für alte Leute; Verpflegung machen für die anderen Leute und die Leute versorgen. Das würde ich gerne machen.

Paula

Dass ich weiterhin in Kunst+Drüber bleiben kann, 3 Tage, und 2 Tage woanders.Wenn das nicht klappen sollte, dann täte ich gerne 5 Tage weiterhin in Kunst+Drüber bleiben. Die Leute sind nett, die Künstlerinnen, Begleiterinnen sind nett und die drei Frauen sind auch nett und es ist angenehm, da zu arbeiten.

Sylvia

Frieden, Gerechtigkeit und dass ein bisschen mehr auf die Menschen mit Lernschwierigkeiten eingegangen wird, dass von ihnen die Probleme angehört werden. Und für mich selber wünsche ich mir Gesundheit und dass meine Beziehung so weiterhin noch haltet, dass es beruflich gut klappt und dass ich noch immer mehr Freunde finde.

Gerhard

Mein Zukunftswunsch ist, dass keine Kriege mehr auf der ganzen Welt stattfinden, dass Menschen mit Behinderung sagen können, das und das finden sie, das und das sollten sie besser machen oder dass sie zum Betreuer hingehen und sagen, das und das soll im Wohnungsbereich oder im Bewohnerbereich geändert werden oder das und das soll gerechter gemacht werden und nicht ungerecht gemacht werden. Also das wünschte ich mir eigentlich. Und was ich mir auch wünsche ist, dass ich gesund bleibe, dass ich viel Erfolg habe, dass ich meinen Beruf, den ich machen will, eigentlich erreichen kann.

Caroline

Mein allergrößter Wunsch für die Zukunft ist, eine eigene Familie zu gründen.

Walter

Halt dass er (mein Mitbewohner) netter ist zu mir.

Harry

Ich wünsche mir eine Freundin.

Ja. Und meine Devise: Lebe das Leben! Live your life!

Das Leben

Leben is'n Spiel

Leben is'n höllischer Tanz

Kommt von wilden Küsten aus dunklen Klüften geflogen

Tod sei mir gewogen

Komm reich mir die Hand zum Tanz

Fühl mich gezogen zu dir ganz

Leben ist rot

Leben is'n Karussell

Mal langsam, mal schnell

Mal wie auf Wogen

Mal wie eine Puppe aufgezogen

Poesie-Band der Waldorf-Schule Innsbruck

Interessante Bücher

Susanne Göbel: "Wir vertreten uns selbst!"

Arbeitsbuch zum Aufbau von Selbsthilfegruppen für Menschen mit Lernschwierigkeiten, 1999.

Susanne Göbel: So möchte ich wohnen!

Wie ich selbst bestimmen kann, dass ich mich in meinen vier Wänden wohlfühle, 1998.

Wörterbuch für leichte Sprache.

Herausgegeben von "Wir vertreten uns selbst!", 2001

"Das brauchen wir, um gleichberechtigt zu sein!"

Menschen, die geistig behindert genannt werden, mischen mit.

Das kleine 1x1 für gute Unterstützung.

Vom Projekt "Wir vertreten uns selbst!", 2000

Alle diese Bücher können bestellt werden bei:

Netzwerk People First Deutschland

Kölnische Straße 99, D- 34119 Kassel

Telefon: 0049 - (0)561 - 72 885-55, Fax: 0049 - (0)561 - 72 885-58

E-Mail: info@people1.de , www.peoplefirst.de

Bestelladresse

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Die Broschüre kann bestellt werden bei:

Verein Tafie Innsbruck-Land

Egger-Lienz-Straße 2

A-6112 Wattens

Telefon: 0043 - (0) 52 24 - 55 638

Fax: 0043 - (0) 52 24 - 55 638 - 99

E-Mail: tafie-innsbruck-land@aon.at

Die Broschüre kostet:

6 Euro für Menschen mit sehr wenig Geld.

12 Euro für alle anderen Menschen und für Einrichtungen.

Hinzu kommen die Versandkosten.

Impressum:

Herausgeber: Verein Tafie Innsbruck-Land, Egger-Lienz-Strasse 2, A-6112 Wattens

AutorInnen: Reinhard Köbler, Christian Niedermayer, Kathrin Pfretschner, Daniela Pittl, Lisa Gensluckner

Satz & Layout: Heinz Hanuschka, Helmut Mangott, Innsbruck

Druck: Athesia, Innsbruck

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Quelle:

Reinhard Köbler, Christian Niedermayer, Kathrin Pfretschner, Daniela Pittl, Lisa Gensluckner: Ich sehe mich NICHT als behindert. Studie über die Lebensbedingungen von Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Herausgeber: Verein Tafie Innsbruck-Land, 2003.

bidok - Internetvolltextbibliothek. Wiederveröffentlichung im Internet.

Stand: 15.05.2012

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