In Einfacher Sprache
Herausgegeben vom Spaß am Lesen Verlag
Inhaltsverzeichnis
Robert Louis Stevenson hat ein Buch geschrieben.
Das Buch heißt:
Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Das Buch gibt es jetzt auch in Einfacher Sprache.
In unserer Bibliothek können Sie
in das Buch hinein-lesen.
Sie finden hier die ersten Seiten von dem Buch.
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Einige Wörter sind fett geschrieben.

Das sind schwere Wörter.
Die schweren Wörter werden in einer Wörter-Liste erklärt.
Die Wörter-Liste finden Sie am Ende von diesem Text.
Robert Louis Stevenson wurde 1850 in Edinburgh
(Schottland) geboren. Er studierte zunächst Jura
an der Universität in Edinburgh. Dann entschloss
er sich aber dazu, Schriftsteller zu werden. Doch
leider wurde er sehr krank. Er litt an Tuberkulose,
einer gefährlichen Erkrankung der Lunge. Sein Arzt
schickte ihn auf Reisen, in wärmere Gegenden.
Dort sollte er sich erholen. Stevenson schrieb über
diese Reisen. Und damit verdiente er auch etwas
Geld.
Im Jahr 1880 heiratete Stevenson Fanny Osborne.
Ein Jahr später schrieb er Die Schatzinsel für Fannys
kleinen Sohn. 1886 wurde sein Roman Entführt
veröffentlicht. Beide Bücher waren beliebt, brachten
Stevenson aber nicht viel Geld ein. 1886 schrieb er
auch die Erzählung Der seltsame Fall von Dr. Jekyll
und Mr. Hyde. Dieses Buch machte Stevenson sehr
bekannt. Außerdem brachte es mehr Geld ein, da
es von Erwachsenen gekauft und gelesen wurde.
Robert Louis Stevenson dachte sich den größten
Teil dieser Gruselgeschichte aus, als er krank war.
In nur drei Tagen hatte er die ganze Geschichte
geschrieben. Fanny überredete ihren Ehemann dazu,
sie umzuschreiben.
Sie war der Meinung, eine Geschichte über Gut
und Böse sei besser als eine Gruselgeschichte.
Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde zeigt
uns, dass Menschen Gut und Böse in sich tragen.
Sie bemühen sich ständig, das Böse vor anderen zu
verstecken. Und sie haben Angst, dass das Böse am
Ende stärker ist als das Gute.
Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Erzählung
starb Stevensons Vater. Er hinterließ seinem Sohn
Geld. Damit konnte Robert Louis Stevenson mit
seiner Familie nach Samoa umziehen. Samoa ist
eine Insel im Pazifik. Die Wärme dort war gut für
seine Gesundheit. Stevenson lebte bis zu seinem
Tod im Jahr 1894 auf Samoa, wo er noch weitere
Bücher schrieb.
Dr. Henry Jekyll
Ein gutherziger, erfolgreicher Arzt. Aussprache:
Doktor Henri Dschäkill. „Dr.“ ist die Abkürzung von
Doktor.
Mr. Edward Hyde
Jekylls Furcht einflößender Freund. Aussprache:
Mister Edword Haid. „Mr.“ ist die Abkürzung vom
englischen „Mister“, auf Deutsch: Herr.
Mr. Enfield
Ein Freund von Mr. Utterson. Aussprache:
Mister Enfield (mit Betonung auf „En“).
Mr. Utterson
Ein Rechtsanwalt. Freund von Enfield und Jekyll.
Aussprache: Mister Attersn.
Dr. Lanyon
Ein Arzt und alter Studienfreund von Dr. Jekyll.
Aussprache: Doktor Länjen.
Mr. Poole
Jekylls treuer Butler. Butler ist ein anderes Wort
für Diener. Aussprache: Mister Puhl.
Sir Danvers Carew
Ein Mitglied der Regierung. Aussprache:
Sör Dänwers Käru. Das englische „Sir“ ist ein Titel
für einen Mann, der dem Adel angehört.
Mr. Guest
Ein Angestellter von Mr. Utterson.
Aussprache: Mister Gest.
Kommissar Newcomen
Kommissar der Londoner Kriminalpolizei.
Aussprache: Niukamen
Mr. Enfield ging die Straße entlang.
Es war Winter, und es war drei Uhr morgens.
Mr. Enfield zitterte vor Kälte.
Obwohl die Straßenlampen brannten, hatte er Angst.
Und er dachte bei sich:
„Wäre nur ein Polizist unterwegs!
Dann würde ich mich sicherer fühlen.“
Noch nie waren ihm die Straßen so menschenleer
erschienen wie heute.
Plötzlich hörte Mr. Enfield schnelle Schritte.
Nein, jemand rannte. Es war ein Mädchen.
Vielleicht acht oder neun Jahre alt.
Als Mr. Enfield das Mädchen sah, seufzte er
erleichtert auf.
Da kam plötzlich ein kleiner Mann aus der
Gegenrichtung angerannt.
Er stieß so heftig mit dem Mädchen zusammen,
dass es zu Boden fiel.
Doch dann geschah etwas Furchtbares:
Anstatt stehen zu bleiben, trampelte der Mann
über das Mädchen hinweg.
Und rannte einfach weiter.
Als hätte er es überhaupt nicht bemerkt.
Als sei nichts geschehen.
Als sei er gar kein Mensch.
Mr. Enfield geriet in Wut.
Die Wut war größer als seine Angst.
„Kommen Sie sofort zurück, Sie!“, schrie er
dem Mann hinterher.
Doch der Mann blieb nicht stehen.
Also rannte Enfield hinter ihm her.
Er bekam ihn am Kragen zu fassen und schleppte
ihn zurück zu dem Mädchen.
Das lag weinend am Boden.
„Schauen Sie! Schauen Sie, was Sie angerichtet
haben!“, rief Mr. Enfield.
Der Mann sah Mr. Enfield mit einem Furcht
einflößenden Blick an.
Inzwischen waren andere Menschen herbeigeeilt.
Und auch ein Arzt war plötzlich da.
Alle schauten entsetzt.
Außer dem Mann, der das Mädchen überrannt hatte.
Er stand einfach da, kühl und gelassen.
Ein höhnisches Grinsen lag auf seinem Gesicht.
Ihn schien das Geschehene nicht zu berühren.
Mr. Enfield starrte ihn an.
„Sie müssen diesem armen Mädchen und der
Familie Geld geben“, sagte Mr. Enfield.
„Wenn Sie nicht zahlen, wird die ganze Stadt
davon erfahren.“
Der Mann nickte. Er schien langsam nervös
zu werden.
Es hatte sich inzwischen eine größere
Menschenmenge gebildet.
„Dann kommen Sie mit mir nach Hause.
Dort kann ich Ihnen das Geld geben“,
sagte der Mann.
Mr. Enfield war einverstanden.
Er folgte dem Mann in eine saubere,
hell erleuchtete Straße.
Kurz vor dem Ende der Straße blieb der Mann
vor einem Haus stehen.
Es sah heruntergekommen aus.
Auf der Vorderseite gab es eine Tür, von der die
Farbe abblätterte.
Aber keine Klingel, keinen Türknauf und keine
Fenster.
Der Mann schloss die Tür auf und verschwand
im Dunkeln.
Nach ein paar Minuten trat er wieder
aus dem Haus.
In der Hand hielt er ein paar Münzen
und einen Scheck.
Mr. Enfield warf einen Blick auf den Scheck.
Und erschrak zutiefst.
„Mein Gott“, dachte er, „den Namen kenne ich doch.
Das ist ein guter Freund von mir.
Wie kann es nur sein, dass mein Freund einen so
furchtbaren Kerl kennt?
Warum stellt er einen Scheck für ihn aus?
Und was macht mein Freund in diesem
armseligen Haus?
Vielleicht wird er ja von diesem Mann erpresst!“
Ein paar Wochen später machte Mr. Enfield
einen Spaziergang.
Mit seinem Freund Mr. Utterson, einem
bekannten Anwalt.
Es war Sonntagnachmittag.
Sie gingen eine schmale Straße entlang.
Vor einer Tür lungerten Landstreicher herum.
Mr. Enfield hielt plötzlich an und zeigte mit dem
Spazierstock auf die Tür.
„Siehst du diese Tür dort?“, fragte Enfield.
„Ja“, antwortete Utterson.
„Sie führt zu einem alten Labor hinter dem Haus
von Henry Jekyll.“
„Das wusste ich nicht“, entgegnete Enfield.
„Aber vor einigen Wochen war ich hier.
Bei diesem Haus.“
Daraufhin erzählte Enfield seinem Freund die
ganze furchtbare Geschichte.
Von dem Mann, der das Kind überrannt hatte.
Und wie er mit dem Mann schließlich zu diesem
Haus gegangen war.
Der Freund hörte ihm zu und seufzte von Zeit zu Zeit.
„Der Mann, der den Scheck unterschrieb …
Du sagtest, du kennst ihn?“, fragte Utterson endlich.
„Hast du ihn nicht nach dem Haus gefragt?“
„Nein“, antwortete Enfield.
„Ich wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen.
Doch ich beobachte das Haus seitdem regelmäßig.
Es gibt keine andere Tür.
Es gehen kaum Leute ein und aus.
Hinten gibt es drei Fenster.
Sie sind sauber, aber immer geschlossen.
Das Haus muss bewohnt sein.
Ich habe gesehen, wie Rauch aus dem
Schornstein stieg.“
„Weißt du, wie der Mann heißt, der das Kind
überrannt hat?“, fragte Utterson.
„Nun, dir kann ich es ruhig sagen.
Er heißt Hyde“, antwortete Enfield.
Utterson warf Enfield einen ernsten Blick zu.
„Dann kenne ich den Namen von Hydes Freund.
Der Mann, der den Scheck unterschrieben hat“,
seufzte Utterson.
„Und ich wünschte, ich hätte deine Geschichte
nicht gehört, Enfield.“
„Vielleicht hätte ich es dir besser nicht erzählen
sollen“, entgegnete Enfield.
„Wir werden nicht mehr darüber sprechen,
einverstanden?“
„Einverstanden“, antwortete der Anwalt.
„Aber verrate mir noch eins:
Wie sieht dieser Hyde denn aus?“
Enfield zögerte, bevor er antwortete.
„Nun, er ist schwer zu beschreiben“, meinte Enfield
schließlich.
„Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.
Er sieht entstellt aus, anders als andere.
Aber ich kann nicht genau sagen, was es ist.
Er sieht einfach seltsam aus.“
Enfield verstummte. Ihn überlief ein Schauer.
„Nein, ich kann ihn wirklich nicht beschreiben“,
sagte er dann.
„Obwohl ich ihn mir im Geiste vorstellen kann.
Aber ich habe noch nie jemanden gesehen, der mir
so zuwider war.“
Utterson ging nach dem Spaziergang direkt
nach Hause.
Jeden Sonntag nach dem Abendessen setzte er sich
für gewöhnlich an den Kamin.
Und las bis Mitternacht in einem Buch.
Doch nicht an diesem Abend.
Stattdessen nahm er eine Kerze und ging in sein
Arbeitszimmer.
Er öffnete den Tresor und nahm einen Umschlag
heraus.
In dem Umschlag lagen Papiere.
Utterson fing an zu lesen.
Die Überschrift lautete:
Der letzte Wille und das Testament von Dr. Henry Jekyll
„Im Falle meines Todes soll mein Freund Edward Hyde
meinen gesamten Besitz erben.
Sollte Dr. Jekyll mehr als drei Monate lang
verschwunden sein, wird Edward Hyde an dessen
Stelle treten.“
Utterson legte das Testament beiseite und
seufzte tief.
„Ja, damals glaubte ich noch, dass das ein
Verrückter geschrieben hat“, dachte er bei sich.
„Aber heute denke ich: Es ist eine Schande.
Ich muss meinen Freund Lanyon fragen,
was er davon hält.
Und zwar sofort.“
Der bekannte Arzt Dr. Lanyon aß gerade zu Abend,
als sein Freund eintrat.
„Bitte, komm doch herein“, empfing er ihn freundlich.
„Setz dich nur, Utterson.“
„Lanyon“, begann der Anwalt, „wir sind doch die
ältesten Freunde von Henry Jekyll, nicht wahr?“
„Ich wollte, die Freunde wären jünger!“, sagte
Lanyon lachend.
„Aber es wird schon stimmen.“
Dann wurde Lanyons Gesicht ernst.
„Ich sehe ihn eigentlich kaum noch.“
„Aber ihr wart doch gut befreundet“,
warf Utterson ein.
„Und hattet dieselben Interessen.
Schließlich seid ihr beide Ärzte.“
„Ja, schon“, antwortete Lanyon.
„Doch vor etwa zehn Jahren veränderte er sich.
Er wurde irgendwie komisch.
Ich meine, komisch im Kopf.
Er verhielt sich seltsam.“
„Bist du jemals einem Mr. Hyde bei Jekyll
begegnet?“, fragte der Anwalt.
„Er scheint ein neuer Freund von Jekyll zu sein“,
fügte er hinzu.
„Hyde, sagst du?
Nein, der Name kommt mir nicht bekannt vor“,
antwortete Lanyon.
Das war alles, was Utterson von seinem Freund
Lanyon erfuhr.
Zu Hause ließ ihn das Gespräch mit Lanyon
nicht mehr los.
Er legte sich in sein großes Bett und versuchte
zu schlafen.
Doch ständig tauchten seltsame Bilder vor seinem
inneren Auge auf:
Ein Kind, das hinfiel und anfing zu schreien.
Ein Mann, der wegrannte. Ein Mann ohne Gesicht.
Als Utterson aufwachte, hatte er kaum geschlafen.
Ihm ging nur noch ein Gedanke durch den Kopf:
„Ich muss mir das Gesicht von diesem Hyde
selber anschauen.
Dann verstehe ich vielleicht, warum Jekyll
mit ihm befreundet ist.“
Von nun an ging Utterson häufig zu dem
verfallenen Haus.
Morgens vor der Arbeit, in der Mittagspause und
auch abends.
Er stand da und wartete.
„Ich werde ihn schon irgendwann zu Gesicht
bekommen“, dachte er.
Eines Tages wurde seine Geduld belohnt.
Es war eine ruhige, kalte Nacht.
Die Straße war menschenleer.
Als Utterson Schritte hörte, war es etwa
zehn Uhr abends.
Utterson hielt den Atem an.
Die Schritte kamen näher.
Utterson hatte sich im Eingang vom Nachbarhaus
versteckt.
Jetzt schob er den Kopf vor und spähte auf die
Straße hinaus.
Ein kleiner Mann näherte sich dem Haus.
Utterson sah, wie er einen Schlüssel aus der
Hosentasche zog.
In diesem Moment ging der Mann an
Utterson vorbei.
Utterson trat aus dem Hauseingang hervor und
legte dem Mann die Hand auf die Schulter.
„Mr. Hyde, nicht wahr?“, fragte er.
Der Mann zuckte erschrocken zusammen
und wich zurück.
Es war so still, dass man ihn fauchend und zischend
atmen hörte.
Der Mann vermied es, Utterson ins Gesicht zu sehen.
„Ja, das bin ich“, sagte der Mann.
Er sprach mit heiserer Stimme.
„Was wollen Sie von mir?“
„Ich heiße Utterson. Ich bin ein alter Freund von
Dr. Jekyll“, antwortete Utterson.
„Sie haben meinen Namen sicher schon gehört.
Darf ich Sie ins Haus begleiten?“
„Sie werden Dr. Jekyll dort nicht finden“,
antwortete Hyde.
„Woher kennen Sie mich eigentlich?“, fragte er
plötzlich.
Utterson zögerte einen Moment.
„Ich würde gerne Ihr Gesicht sehen, Hyde“,
brachte Utterson schließlich heraus.
Hyde reagierte nicht sofort.
Doch dann drehte er sich um und sah Utterson
direkt ins Gesicht.
„Jetzt werde ich Sie das nächste Mal bestimmt
erkennen“, sagte der Anwalt leise.
„Das könnte hilfreich sein.“
„Ja, es ist durchaus von Nutzen, dass wir uns
getroffen haben“, sagte Hyde.
„Und hier ist meine Adresse.“
Er drückte Utterson eine Karte mit seiner Adresse
in die Hand.
„Auch das kann in Zukunft von Nutzen sein.“
Utterson lief ein Schauer über den Rücken.
Dachte Hyde etwa an Jekylls Testament?
„Nochmals“, sagte Hyde dann, „woher wissen Sie,
wer ich bin?“
„Ein Freund hat Sie mir beschrieben“,
antwortete Utterson.
„Jemand, den auch Sie kennen.“
herumlungern
sich irgendwo untätig aufhalten, nichts zu tun wissen
Tresor
ein gut gesicherter Schrank, in dem Geld, wertvolle
Gegenstände und Dokumente aufbewahrt werden
Testament
Eine schriftliche Erklärung, in der jemand die
Verteilung seines Vermögens nach dem Tod festlegt.
Man sagt auch: der „letzte Wille“.
Quelle
Robert Louis Stevenson: Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Spaß am Lesen Verlag. Münster 2016.
bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet
Stand: 29.05.2018